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elements37 Quarterly Science Newsletter ANALYTIK Analyse-Tool für die obersten Nanometer VERFAHRENSTECHNIK Small is beautiful RESSOURCENEFFIZIENZ Evonik sagt sauren Gasen den Kampf an Ausgabe 4|2011 2 Inhalt 6 Titelmotiv Das Titelfoto zeigt Steve Rienecker beim Probentransfer von der Ladekammer in die Spektrometerkammer des neuen Röntgen-Photoelektronenspektrometers der AQura GmbH, des Analytikdienstleisters von Evonik. 18 NEWS 4 Bau einer Spezialchemieanlage für Elektronikchips 4 Neue Anlage in Argentinien für Katalysatoren zur Biodieselherstellung 5 J oint Venture für die Produktion von Superabsorbern in Saudi-Arabien gegründet 5 Bau einer Wasserstoffperoxid-Anlage in China Nominiert für den Evonik-Innovationspreis 2011 Kategorie neue Produkte/neue Systemlösungen 24 6 E in Frischeriegel für die Wäsche: Der Bounce® Dryer Bar bietet Textilpflege in Blockform 7 D ie Sonne auf den Punkt gebracht: Hochpräzise Optik aus PLEXIGLAS® macht Photovoltaik effizient und preiswert 8 V ESTAMID® für die Photovoltaik Kategorie neue oder verbesserte Prozesse 9 Prozessoptimierung: Mehr Isophoron aus weniger Rohstoff 10 Neue Technologieplattform zur Herstellung von Pharmapolymeren: Qualität von Anfang an 11 D ie Mischung macht‘s: Neues Verfahren macht Herstellung des Katalysators TS-1 wirtschaftlicher und umweltfreundlicher VERFAHRENSTECHNIK 12 Small is beautiful ANALYTIK 18 Oberflächenspektrometrie: Analyse-Tool für die obersten Nanometer 24 25 27 27 28 28 29 29 Innovationsmanagement Corporate Foresight: strategischer Blick in das nächste Jahrzehnt Interview mit Dr. Peter Nagler: „Forschung braucht Leidenschaft“ NEWS Grundsteine für zwei Innovationszentren in Essen gelegt Anlage für Produkte für Kleb- und Dichtstoffe geplant Honorarprofessur für Dr. Stefan Buchholz I nternationaler Umweltpreis für den Wind Explorer Nachhaltigkeitspreis der Chemie in Europa für Evonik F &E-Center in Schanghai wird erweitert Coating & Bonding Technologies 30 Dünn, aber oho! RESSOURCENEFFIZIENZ 34 Evonik sagt sauren Gasen den Kampf an NEWS 39 E rweiterung der Kapazitäten für Methylmethacrylat 39 L-Lysin-Kapazität in USA wird verdoppelt 39 Impressum elements37 Ausgabe 4|2011 E d itorial 3 Vorausdenken, mitdenken, nachdenken Laut einer Studie sind 28 Prozent der deutschen Bevölkerung „digitale Außenseiter“: Sie arbeiten nicht oder kaum mit Computern und können mit Begriffen wie Homepage oder E-Mail nichts anfangen. Zu diesem Ergebnis kam im vergangenen Jahr die Initiative D21, eine Partnerschaft von Politik und Wirtschaft für die Informationsgesellschaft. Die digitalen Außenseiter haben den Anschluss an eine Technologie verpasst, ohne die der Zugang zu Informationen und Dienstleistungen immer schwerer wird – weil sie ihnen zu kompliziert war, weil sie ihre Bedeutung unterschätzten oder weil sie ihnen zu teuer war. Ein Problem, mit dem auch Unternehmen konfrontiert sind. Innovationszyklen werden immer kürzer, Technologien schreiten rasant voran – die Gefahr, den Anschluss an wichtige Entwicklungen zu verpassen, steigt. Wer nicht das Nachsehen haben will, muss vorausdenken: Trends beobachten, ihr Potenzial für das künftige Geschäft bewerten und gegebenenfalls zum richtigen Zeitpunkt einsteigen. Wir haben dazu vor gut einem Jahr das Corporate-Foresight-Team gegründet, das sich genau damit beschäftigt: die vielfältigen Herausforderungen in den kommenden zehn bis 15 Jahren zu verstehen und daraus Lösungsansätze abzuleiten, die ein hohes Umsatzpotenzial für Evonik versprechen. Aktuell befasst sich das Team mit dem Fokusthema Megacitys, weil Ballungsräume nicht nur sämtliche Zukunftsprobleme auf engstem Raum offenbaren, sondern auch die wirtschaftlichen Wachstumszentren von morgen sind. Ein Thema, das vor allem auch dazu zwingt, global zu denken. Und das ist dringend nötig, denn die chemische Industrie wird in den nächsten Jahren nicht nur in Deutschland wachsen, sondern auch in anderen Regionen, in denen es ebenfalls hervorragende Hochschulen und entsprechend hervorragende Wissenschaftler gibt. Deshalb genügt es nicht mehr, in den jeweiligen Märkten zu produzieren, sondern wir müssen auch vor Ort mit den Kunden mitdenken, um ihre individuellen Bedürfnisse und Probleme zu verstehen. Nehmen Sie unser Technologiezentrum in Schanghai als Beispiel: Hier gedeihen Partnerschaften mit Kunden und Hochschulen, die über eine Entfernung von mehreren tausend Kilometern kaum möglich gewesen wären. Deshalb investieren wir jetzt rund 18 Millionen E in die Erweiterung dieses Zentrums, weil wir hierzu mehr Labore und Pilotanlagen – aber vor allem auch schlaue Köpfe – benötigen. Insgesamt betreiben wir Innovation an 35 Standorten auf der Welt und sind in den bedeutenden Regionen nahe bei unseren Kunden. International forschen heißt aber nicht, den Standort Deutschland zu vernachlässigen, denn Deutschland bietet wegen der engen Vernetzung von Akademia und Industrie nach wie vor hervorragende Voraussetzungen für Innovationen. Darum errichten wir nun in Essen für rund 31 Millionen E zwei neue F&E-Zentren, um innovative Additive und Spezialbindemittel für Farben und Lacke sowie nachhaltige Produkte für die Kosmetikindustrie zu entwickeln. Eine folgerichtige Investition, über die wir nicht lange nachdenken mussten. Da war die Entscheidung, wen wir in diesem Jahr für unseren Innovationspreis nominieren, schon schwieriger. Hier mussten wir lange nachdenken, weil unsere Forscher sich mit ihren durchweg guten Projekten ein enges Kopf-an-Kopf-Rennen geliefert haben. Welche sechs Teams bzw. Projekte es schließlich in die Finalrunde geschafft haben, erfahren Sie ab Seite 6. Patrik Wohlhauser Mitglied des Vorstandes der Evonik Industries AG elements37 Ausgabe 4|2011 4 N e ws Bau einer Spezialchemieanlage für Elektronikchips Evonik Industries hat im badischen Rheinfel den mit dem Bau einer zweiten Produktions anlage für Hexachlordisilan (HCDS) begonnen. Der Produktionsstart ist für die zweite Jahreshälfte 2012 geplant. Hexachlordisilan ist ein siliziumhaltiger Rohstoff für die Halb leiterindustrie und wird unter anderem für die effiziente und kostengünstige Herstellung von Speicherchips mit sehr hoher Speicher dichte eingesetzt. Solche sogenannten FlashSpeicher finden sich beispielsweise in Smart phones, Digitalkameras, MP3-Playern oder USB-Sticks. Auch Computer nutzen zunehmend statt der üblichen Festplatten sogenannte Solid State Drives, die aus Flash-Spei cherchips bestehen. „Mit der neuen Anlage wollen wir unsere gute Position als Anbieter von Schlüssel rohstoffen für die Elektronikindustrie weiter stärken“, betonte Dr. Thomas Haeberle, im Vorstand von Evonik zuständig für das Segment Resource Efficiency. Evonik vertreibt Hexachlordisilan unter dem Marken namen Siridion® HCDS. „Wir schätzen die Marktaussichten für Hexachlordisilan als gut ein und wollen insbesondere die Halbleiter industrie im asiatischen Raum damit beliefern“, ergänzte Thomas Hermann, Leiter des Geschäftsbereichs Inorganic Materials. Evonik zählt Produktionsverfahren für Siliziumverbindungen zu seinen wichtigsten Technologieplattformen. Das Herstellungs verfahren besitzt eine Kapazität im zweistelligen 1.000-Kilogramm-Bereich. Für die Herstellung von Flash-Speicher chips arbeitet die Halbleiterindustrie in der Massenproduktion bereits heute mit Struk turgrößen von 25 Nanometern. Neue Gene rationen mit noch feineren Strukturen sind aber bereits in der Pipeline der großen Spei cherchiphersteller. Die für solche feinen Strukturen notwendigen hauchdünnen, funktionellen Schichten lassen sich durch chemische Gasphasenabscheidung von Hexachlor disilan erzeugen. Die Vorteile von Siridion® HCDS liegen darin, dass es sich in der Chip herstellung bereits bei relativ niedrigen Temperaturen abscheiden lässt und sehr homogene funktionelle Filme erzeugt. Auf grund des Einsatzes von hochreinen Roh stoffen bei der Herstellung von Siridion® HCDS ist die Konzentration von kritischen Metallspurenelementen im Produkt außergewöhnlich niedrig. Siridion® HCDS reiht sich nahtlos in die Siridion-Produktfamilie ein, unter der Evonik Schlüsselrohstoffe für die Herstellung von Solarsilizium, optischen Glasfasern, Halbleitern und Flachbildschirmen anbietet. Neue Anlage in Argentinien für Katalysatoren zur Biodieselherstellung Evonik Industries baut in Argentinien eine neue Anlage zur Herstellung von Katalysa toren für die Biodieselproduktion. Nach Fer tigstellung der Anlage, die bis spätestens Ende 2012 vorgesehen ist, wird sie gebrauchs fertige Alkoholate als Katalysatoren für die Produktion von Biodiesel aus nachwachsenden Rohstoffen liefern. Aus der neuen An lage sollen künftig vor allem Argentinien und Brasilien beliefert werden. Die Produktion wird eine Jahreskapazität von über 60.000 Tonnen haben. Die Anlage entsteht im Zentrum der argentinischen Biodieselindustrie in Puerto General San Martin in der Region Rosario. Evonik lässt sich am Standort der Terminal 6 S. A. nieder, die dort eine große Biodiesel anlage betreibt. 2009 hatte Evonik eine Produktionsanlage in Mobile (Alabama, USA) angefahren, die eine Kapazität von 60.000 Jahrestonnen hat. Aus dieser Anlage, die in nur neun Monaten Bauzeit errichtet worden ist, bedient Evonik einen Teil der Nachfrage auf dem wachsenden nordamerikanischen Biodieselmarkt. Nach dem erfolgreichen Einsatz dieser neuen elements37 Ausgabe 4|2011 Produktionstechnologie in den USA wird jetzt in Argentinien eine Anlage gleichen Typs gebaut. Bei dieser Technologie werden die Alkoholate in einer Direktreaktion von Alkohol mit Lauge hergestellt. Bereits heute hat Evonik eine weltweit führende Position bei den Biodieselkataly satoren inne – auch in Südamerika. „Mit der geplanten neuen Anlage in Argentinien stärken wir unser Geschäft weltweit und in der Region“, erklärte Jan Van den Bergh, Leiter des Evonik-Geschäftsbereichs Advanced Intermediates. „Wir wollen damit auch am deutlichen Wachstum des Markts für Bio diesel teilhaben, für den Prognosen mittelfristig ein kräftiges Wachstum in Aussicht stellen.“ Als Weltmarktführer für Spezialkataly satoren zur Herstellung von Biodiesel betreibt Evonik neben der Anlage in Mobile auch eine Produktion am deutschen Standort Nieder kassel-Lülsdorf bei Köln. Ne ws Joint Venture für die Produktion von Super absorbern in SaudiArabien gegründet Evonik Industries hat unter dem Namen Saudi Acrylic Polymers Company (SAPCo) ein Joint Venture mit der Saudi Acrylic Acid Company (SAAC) zur Produktion von Superabsorbern gegründet. SAAC ist ein Joint Venture zwischen den saudischen Firmen National Industrialization Company (Tasnee) und Sahara Petrochemicals. Die Produktions anlage mit einer jährlichen Kapazität von 80.000 Tonnen soll Ende 2013 die Produktion aufnehmen. Die Gesamtinvestition wird im dreistelligen Millionen-Euro-Bereich liegen. Die SAPCo Superabsorberproduktion ist Teil eines neuen Acrylsäure- und DerivateKomplexes auf dem Tasnee-Gelände im Chemiepark Al Jubail in Saudi-Arabien und profitiert von kostengünstigem Propylen aus dem benachbarten Cracker, den Tasnee und Sahara gemeinsam mit Lyondell Basell betreiben. Der EPC-Vertrag soll an die Firma Fluor vergeben werden. Patrik Wohlhauser, im Evonik-Vorstand verantwortlich für das Berichtssegment Consumer, Health & Nutrition, und Dr. Moayyed I. Al-Qurtas, Stellvertretender Auf sichtsratsvorsitzender und CEO von Tasnee, unterzeichneten einen entsprechenden JointVenture-Vertrag in Riyadh (Saudi Arabien). „Das ist ein bedeutender Schritt für unseren Konzern im Wachstumsmarkt Mittlerer Osten. Unsere führende Stellung bei Super absorbern bauen wir damit entscheidend aus“, sagte Wohlhauser. Evonik ist weltweit ein führender Hersteller für Superabsorber, die wesentliches Basismaterial für die Her stellung von Hygieneprodukten wie Windeln und Binden sind. Das Joint Venture wird über die modernste Evonik-Superabsorbertechnologie verfügen und von der günstigen Rohstoffversor 5 gung vor Ort profitieren: Die notwendige Acrylsäure für die Herstellung von Super absorbern wird aus einer benachbarten Anlage von SAMCO bezogen werden. SAMCO ist ein Joint Venture zwischen SAAC und Dow Chemicals. „Dies ist die erste Superabsorberpro duktion in der Region. Wir bringen damit für unsere Kunden die gewohnt gute und neueste Technologie in den Wachstumsmarkt Mittlerer Osten. Zusammen mit unseren saudischen Partnern schließen wir dadurch die Wertschöpfungskette vom Öl bis zur Windel produktion in Saudi-Arabien“, sagte Claus Rettig, Leiter des Evonik-Geschäftsbereichs Consumer Specialties. Superabsorber sind ein wesentliches Basismate rial für die Herstellung von Hygieneprodukten wie Windeln. Das Foto zeigt ein anwendungstechnisches Labor von Evonik in Krefeld Bau einer Wasserstoffperoxid-Anlage in China Evonik Industries wird im Nordosten Chinas in der Provinz Jilin eine neue Produktions anlage für Wasserstoffperoxid bauen. Mit der Investition im unteren dreistelligen MillionenEuro-Bereich geht Evonik einen weiteren Schritt bei der Erschließung neuer Absatz märkte für das umweltfreundliche Oxida tionsmittel. Die Anlage, die voraussichtlich bis Ende 2013 fertiggestellt sein soll, wird eine Jahreskapazität von 230.000 Tonnen haben. Evonik wird damit seine aktuelle Jahres kapazität von rund 600.000 Tonnen für H2O2 um fast 40 Prozent steigern. Der Konzern sieht sich als weltweit zweitgrößter Hersteller von Wasserstoffperoxid. Evonik wird das H2O2 aus Jilin über eine Pipeline direkt in die künftige benachbarte Propylenoxid-Anlage der Jishen Chemical Industry Co., Ltd. liefern. Dafür ist ein langfristiger Liefervertrag abgeschlossen worden. Jishen wird aus dem Wasserstoffperoxid nach einer innovativen Technologie, dem sogenannten HPPO-Verfahren, Propylenoxid herstellen. Im Sommer dieses Jahres haben Evonik und ThyssenKrupp Uhde GmbH (Dortmund) mit Jishen Chemical Industry Co., Ltd. bereits ein Abkommen zur Lizenzierung der HPPO-Technologie abgeschlossen. Pro pylenoxid wird vor allem für die Herstellung von Polyurethan-Vorprodukten verwendet. Aus den Polyurethanen entstehen dann beispielsweise Polster für Autositze oder Möbel. Das HPPO-Verfahren hat Evonik mit Uhde entwickelt. Bislang wurde Wasserstoffperoxid vor allem als Bleichmittel für die Textil- und Zellstoffindustrie genutzt. Mit dem innovativen HPPO-Verfahren kann das umweltfreundliche Oxidationsmittel nun auch zur chemischen Direktsynthese von Propylen oxid verwendet werden. Die Vorteile des HPPO-Verfahrens liegen in einem deutlich niedrigeren Investitionsvolumen und in seiner hohen Produktionseffizienz. Das Ver fahren ist außerdem äußerst umweltfreundlich. Die HPPO-Anlage in China nach dem Evonik-Uhde-Verfahren wird die zweite ihrer Art sein. Bereits 2008 hatten Evonik, Uhde und als Lizenznehmer ein koreanisches Che mieunternehmen gemeinsam als erste weltweit das HPPO-Verfahren großtechnisch in Ulsan (Korea) umgesetzt. „Die weltweite Nachfrage nach der HPPO-Technologie ist immens“, sagte Jan Van den Bergh, Leiter des Evonik-Geschäfts bereichs Advanced Intermediates, und ergänzte: „Die Anwendung von Wasser stoffperoxid als umweltfreundlichem Oxida tionsmittel für die Chemie setzt sich durch. Wir führen rund um den Globus Gespräche, mit denen wir unsere Wachstumsstrategie für Wasserstoffperoxid durch den Einsatz neuer Technologie weiter vorantreiben.“ Markt prognosen gehen von einem kontinuierlichen Wachstum des weltweiten Marktes für Propylenoxid aus. Mit der Investition in Jilin beabsichtigt Evonik, an diesem Wachstum zu partizipieren. elements37 Ausgabe 4|2011 6 N omi ni ert für d en E vonik-Inn ovati ons preis 2011 K ategori e neue Produk te/neue S ys temlö sun gen Der Bounce® Dryer Bar bietet Textilpflege in Blockform Ein Frischeriegel für die Wäsche David Del Guercio Dr. Georg Schick Saji Meledathu Lee Harrison Dr. Joachim Venzmer Geschäftsbereich Consumer Specialties Kontakt Dr. Hans Henning Wenk Geschäftsbereich Consumer Specialties +49 6181 59-2673 henning.wenk@evonik.com elements37 Ausgabe 4|2011 Angenehm weich und duftig frisch soll Wäsche sein – deshalb greifen viele Verbraucher zum Weichspüler. Doch während Europäer diesen bequem in das dafür vorgesehene Fach ihrer Waschmaschine einfüllen, müssen Amerikaner mehr Aufwand betreiben: Waschmaschinen in den USA sind aus historischen Gründen Toplader ohne gesondertes Weichspülerfach. Ist der Waschvorgang beendet, heißt es deshalb, Weichspüler einfüllen und einen neuen Spülgang starten. Um die Nutzerfreundlichkeit zu erhöhen, wurden deshalb in den vergangenen 30 Jahren im nordamerikanischen Markt Weichspüler für die Anwendung im Wäschetrockner entwickelt. Dank einer gemeinsamen Neuent wicklung von Procter & Gamble und Evonik wird diese Form der Textilpflege nun bedeutend einfacher: Bounce® Dryer Bar heißt das neue Textilpflegeprodukt in Form eines dünnen, flachen Riegels, das einfach in der Trommel des Wäschetrockners be festigt wird und dort den Kleidungsstücken angenehme Frische und Weichheit verleiht und die elektrostatische Aufladung der Fasern reduziert. Ein Riegel hält bis zu vier Monate lang und kann dann einfach ersetzt werden. Er wurde jetzt für den Evonik-Inno vationspreis 2011 in der Kategorie neue Produkte/neue System lösungen nominiert und hat es damit mit zwei anderen Entwick lungen in die Finalrunde geschafft. Die Idee, das Weichspülen in den Trockner zu verlagern, ist nicht neu. So gibt es Duft- und Pflegetücher für den Trockner, die statt eines Weichspülers verwendet werden können, doch bergen sie ihre Tücken: Sehr häufig verfangen sie sich in einzelnen Klei dungsstücken und bewegen sich nicht mehr frei in der Trommel. Das hat zur Folge, dass sich die weichmachenden Wirkstoffe un gleichmäßig im Gewebe verteilen – und der Verbraucher ist unzufrieden. Auch Weichpflegeprodukte in fester Form sind grundsätzlich nichts Neues, sie wurden allerdings bisher nur für industrielle Anwendungen konzipiert. Procter & Gamble – einer der führenden Konsumgüterhersteller mit so bekannten Marken wie Lenor/Downy, Ariel/Tide und Pam pers – und Evonik starteten deshalb eine Kooperation. Ihr Ziel: ein neues Produkt für den nordamerikanischen Markt zu entwickeln, das den Arbeitsschritt „Weichspülen“ drastisch vereinfachen sollte, die hohen Temperaturen im Trockner unbeschadet übersteht und biologisch abbaubar ist. Ergebnis ist der Bounce® Dryer Bar, ein Frischeriegel, der im Prinzip aus drei Komponenten besteht: einem Wäscheweichmacher, der auch bei hohen Umgebungstempera turen stabil bleibt, einem Zusatz, der die Form des Riegels auch unter Trocknerbedingungen gewährleistet, sowie einem Duftstoff. Evonik liefert die gesamte Produktmischung als Flocken an das amerikanische Unternehmen, das sie dann in die gewünschte Farbe und Form bringt. Der Bounce® Dryer Bar ist seit Juli 2009 auf dem Markt und „übertrifft kontinuierlich die Erwartungen bei Procter & Gamble“, so Bob McDonald, Vorstandsvorsitzender von Procter & Gamble. 2010 wurde der Bounce® Dryer Bar mit dem silbernen Edison Award, einem Erfinderpreis, in der Rubrik Haushaltsartikel gewürdigt. N om in iert für d en E voni k-Inn ovati onspreis 2011 7 K ategor ie neue Produk te/neue S ys temlö sun gen Hochpräzise Optik aus PLEXIGLAS® macht Photovoltaik effizient und preiswert Die Sonne auf den Punkt gebracht Dr. Jochen Ackermann Andrew Baumler Bradley Brech Peter Colburn Dave DiBona Grant LaFontaine Uwe Löffler Peter Marks Volker Mende Mike Pasierb Steffen Richter Dieter Rothermel Wolfgang Scharnke Dr. Jann Schmidt Geschäftsbereich Performance Polymers Dr. Andreas Hoff Hans Rausch Servicebereich Verfahrens technik & Engineering Dr. Thomas Arndt Servicebereich Analytische Services/Materialprüfung Dr. Ralf Düssel Dr. Sandra Reemers Geschäftsbereich Coatings & Additives Kontakt Peter Marks Geschäftsbereich Performance Polymers +1 207-490-4371 peter.a.marks@evonik.com Photovoltaik ist mittlerweile eine wichtige Säule für eine klima- und umweltverträgliche Energie erzeugung im globalen Maßstab. Evonik hat nun ge meinsam mit den Firmen 10X Technology LLC (Liber tyville, Illinois, USA) und Amonix Inc. (Seal Beach, Kalifornien, USA), dem weltweit führenden Anbieter von konzentrierender Photovoltaik (Concentrating Photovoltaics, CPV), ein Produkt entwickelt, das die steigende Nutzung von CPV unterstützt. Es handelt sich dabei um hochpräzise Fresnel-Linsen aus PLEXIGLAS® Solar, die das Licht bündeln, auf eine kleine Fläche konzentrieren und so die Effizienz von Solarmodulen steigern. Für diese Entwicklung wurde das bereichsübergreifende, internationale Entwickler team von Evonik nun für den Evonik-Innovationspreis 2011 in der Kategorie neue Produkte/neue Systemlösungen nominiert. Um Photovoltaik effizienter zu machen, kann die Technik an zwei Punkten ansetzen: die Herstellungs kosten von Solarmodulen verringern oder deren Aus beute erhöhen. Vielversprechend ist dabei insbesondere die konzentrierende Photovoltaik. Diese noch junge Technologie lockt mit hohen Wirkungsgraden, weil sie das Sonnenlicht durch sogenannte Primär- und Sekundärlinsen bündelt und auf die bei CPV verwendeten hocheffizienten Solarzellen fokussiert. Die Pri märlinsen werden vor die Solarzellen geschaltet und konzentrieren das Licht auf die Sekundärlinsen, die sich direkt auf der Zelle befinden. CPV konzentriert nicht nur das Sonnenlicht, sondern spart dadurch auch sehr teures Halbleitermaterial. Das jetzt für den Innovationspreis nominierte Pro dukt dient als Primärlinse. Bei seiner Entwicklung mussten die Forscher einige Hürden überwinden: Dazu gehörte unter anderem die präzise und fehlerfreie Übertragung der Mikrostruktur auf eine PLEXIGLAS® Folie, um eine effiziente optische Leistung garantieren zu können. Weiterhin die Entwicklung eines hoch auto matisierten Prozesses, um diese strukturierte Folie auf Trägerplatten zu laminieren und so perfekte, selbst tragende Konzentratoroptiken produzieren zu können. Außerdem musste eine 25-jährige Garantie entwickelt werden, damit auch die Vermarktung des Produkts ge stärkt wird. Hürden, die das Team erfolgreich gemeistert hat. Nach ersten Produktionsversuchen in einer Pilotanlage in Weiterstadt wurden größere Testmengen bei 10X Technology LLC in Chicago und bei Evonik Cyro LLC in Sanford (Maine, USA) produziert. Die CPV-Technologie ist mit den Konzentratorlinsen aus PLEXIGLAS® Solar dem marktüblichen Benchmark für die Stromerzeugung, dem LCOE (Levelized Cost of Electricity), einen großen Schritt näher gekommen. Aus kommerzieller Sicht ist das Projekt schon jetzt ein Erfolg, da 2011 bereits erste Deckungsbeiträge verzeich net wurden. Evonik hat sich damit in der kommerziellen Entwicklung der CPV-Technologie deutlich nach vorne gebracht. elements37 Ausgabe 4|2011 8 N omi niert für d en E voni k-Inn ovati onspreis 2011 K ategori e neue Produk te/neue S ys temlö sun gen VESTAMID® für die Photovoltaik Dr. Franz-Erich Baumann Bernd Beckmann Claudia Behrens Michael Beyer Dr. Harald Häger Martin Himmelmann Reinhold Steiner Dr. Andreas Pawlik Dr. Martin Wielpütz Geschäftsbereich Performance Polymers Kontakt Dr. Martin Wielpütz Geschäftsbereich Performance Polymers +49 2365 49-86725 martin.wielpuetz@evonik.com elements37 Ausgabe 4|2011 Es steckt in Offshore-Ölleitungen und unter der Motorhaube, in Zahnbürsten und Sportschuhen, in Pumpenrädern und geräusch freien Getrieben – und inzwischen auch in Solarmodulen: Einmal mehr hat Evonik die Vielseitigkeit des Hochleistungspolyamids VESTAMID® unter Beweis gestellt und die Rohstoffe für eine neue, innovative Variante einer Rückseitenabdeckung von Solar modulen entwickelt. Bislang war diese Anwendung einem Folien verbund aus Polyvinylfluorid und Polyester vorbehalten. Mit VESTAMID® bietet Evonik der Solarbranche nun eine fluoridfreie Lösung an, die nicht nur leichter recycelt werden kann und somit endlich eine umweltfreundliche Alternative auf dem Weg zu einer ökologischeren Energiewirtschaft liefert, sondern zudem auch bessere Eigenschaften aufweist – eine Entwicklung, die auf großes Interesse bei den Solarmodulherstellern stößt und nun für den Evonik-Innovationspreis 2011 in der Kategorie neue Pro dukte/neue Systemlösungen nominiert wurde. Die meisten Solarmodule, die derzeit auf Hausdächern zu finden sind, nutzen Solarzellen aus Silizium, um das Sonnenlicht in Energie zu verwandeln. Damit aus den Solarzellen ein Modul entsteht, werden sie miteinander verlötet, in einen Kunststoff eingebettet, der sie mechanisch schützt, und schließlich verkapselt. Während die Frontseite dieser Kapsel für den Lichteintritt zumeist aus Glas besteht, wird die Rückseite der Module durch eine Kunststofffolie isoliert. Ihre Aufgabe ist es, vor Witterungseinflüssen zu schützen und das Durchschlagen der elektrischen Spannung auf der Modulrück seite zu verhindern. Aufgrund der extrem hohen Anforderungen war ein Kunststofffolienverbund aus Polyester und Polyvinylfluorid bislang praktisch konkurrenzlos: Die Rückseitenabdeckung muss Wind, Wetter und UV-Licht trotzen, elektrisch isolieren und auch in feuchter Wärme das Schwitzwasser abhalten, weil es die Zellen korrodieren könnte. Darüber hinaus soll sie das Sonnenlicht reflektieren, um den Wirkungsgrad des Moduls zu erhöhen. Diese Eigen schaften müssen zudem über einen Zeitraum von über 20 Jahren garantiert werden. Angesichts dieses anspruchsvollen Eigenschafts profils nahmen Modulhersteller den hohen Preis des etablierten Folienverbunds bislang ebenso in Kauf wie die Tatsache, dass der Fluorgehalt das Recycling ausgesprochen schwierig macht und für eine umweltschonende Technologie eigentlich ein Ausschlusskrite rium darstellen sollte. Hier hat der Geschäftsbereich Performance Polymers von Evonik angesetzt und das Basismaterial für einen alternativen Folienver bund aus VESTAMID® entwickelt, der nicht nur eine bessere Tem peratur- und Lichtbeständigkeit aufweist als der etablierte Verbund, sondern auch das Licht besser reflektiert. Wesentlich für den Erfolg war die enge Zusammenarbeit mit Kunden: Sowohl die Firma Iso voltaic AG (Lebring, Österreich), Marktführer bei der Rückseiten abdeckung von Solarmodulen, als auch die Firma Isosport Verbund bauteile GmbH (Eisenstadt, Österreich), der größte Verarbeiter von Polyamid-12-Folien für den Sportbereich, haben diese Basis materialien in einen neuen, revolutionären Folienverbund umgesetzt. „Der neue Folienverbund wurde 2009 im Markt eingeführt und die Reaktion war unglaublich“, sagt Dr. Martin Wielpütz, Sprecher des für den Innovationspreis nominierten Teams. „Die Solarbranche hat regelrecht auf eine Alternative zum etablierten System gewartet. Mit VESTAMID® bieten wir ein leistungsfähiges System an, das nicht nur bessere Eigenschaften hat und einfach recycelt werden kann, sondern zudem preiswerter ist und damit auch dem wachsenden Preisdruck in dieser Branche gerecht wird.“ N omin i ert für d en E voni k-Inn ovationspre is 2011 9 K ategor ie neue od er v er be sserte ProZ e ss e Prozessoptimierung Mehr Isophoron aus weniger Rohstoff Dr. Gerda Grund Robert Jansen Dr. Stephan Kohlstruk Martin Maier Dr. Jörg-Joachim Nitz Dr. Matthias Orschel Dr. Markus Schwarz Geschäftsbereich Coatings & Additives Dr. Axel Hengstermann Dr. Rolf Hirsch Dr. Norbert Richter Dr. Armin Rix Dr. Horst-Werner Zanthoff Servicebereich Verfahrenstechnik & Engineering Kontakt Dr. Jörg-Joachim Nitz Geschäftsbereich Coatings & Additives +49 2365 49-4882 joerg-joachim.nitz@evonik.com Wenn Evonik Anfang 2014 die neuen Anlagen zur Herstellung von Isophoron und Isophorondiamin in Schanghai (China) in Betrieb nimmt, werden diese die modernsten ihrer Art sein. In einem groß angelegten Projekt hat ein interdisziplinäres Team des Geschäfts bereichs Coatings & Additives und des Servicebereichs Verfahrenstechnik & Engineering die gesamte Prozess kette unter die Lupe genommen und optimiert. Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Die Selektivität des bereits über Jahre optimierten Verfahrens wird in der neuen Isophoronanlage in China einen neuen Rekord wert erreichen. Dafür wurde das Team nun für den Evonik-Innovationspreis 2011 in der Kategorie neue oder verbesserte Prozesse nominiert. Isophoron, Isophorondiamin, Isophorondiisocyanat und Derivate kommen zum Einsatz bei der Herstellung von Industriefußböden, Kunstleder oder umweltfreundlichen Lacken und Farben, in Verbundwerkstoffen und in der chemischen Synthese. Nach eigener Einschät zung gehört Evonik zu den Markt- und Technologie führern in der Isophoronchemie und bei den Folgepro dukten und produziert derzeit in Anlagen in Herne und Mobile (Alabama, USA). Ausgangsstoff ist Aceton, das bei hohen Drücken und Temperaturen zu Isophoron reagiert – eine komplexe Reaktion, bei der es leicht zu unerwünschten Neben- und Folgereaktionen kommt. Sie lassen sich unterdrücken, wenn nur ein Teil des eingesetzten Acetons umgesetzt wird. Die Rohstoffpreise, die generell in den letzten Jah ren einen massiven, kontinuierlichen Anstieg erfahren haben, sind auch bei der Isophoron-Produktion ein wesentlicher Kostentreiber. Um diesem wachsenden Kostendruck zu begegnen, sollte die Selektivität des Verfahrens zur Herstellung von Isophoron nachhaltig gesteigert werden, ohne dabei den Energiebedarf der Anlagen erheblich zu erhöhen. Eine anspruchsvolle Aufgabe, die das Team durch eine Kombination unterschiedlicher, parallel abgearbeiteter Schritte gelöst hat. Einerseits mussten die chemisch-analytischen Methoden geschaffen werden, um die Mechanismen der Nebenproduktbildung aufzuklären. Andererseits wurden aus grundlegenden reak tionstechnischen Überlegungen die entscheidenden Ansätze zur Prozessoptimierung abgeleitet. Gleichzei tig wurde die Umsetzung der neuen Erkenntnisse in innovative Anlagen- und Apparatekonzepte angegangen. Die Selektivität der bestehenden Anlagen konnte so nachhaltig gesteigert werden, die Nebenprodukt bildung wurde dabei weiter reduziert. Die Selektivität der Anlage in China wird hierdurch einen neuen Höchst wert erreichen. Mit dieser erneuten Leistungssteigerung will Evonik einmal mehr den Führungsanspruch bei Isophoron und den Folgeprodukten unterstreichen und den Grundstein für den weiteren globalen Ausbau der Marktposition legen. Und, für Evonik ebenso wichtig: Auch die Um welt profitiert davon, da das Verfahren weniger Abfall produkte liefert, weniger Energie verbraucht und folglich weniger CO2 emittiert. elements37 Ausgabe 4|2011 10 N omi niert für d en E voni k-Inn ovati onspreis 2011 K ategori e neue od er v er be ss erte ProZ e ss e Neue Technologieplattform zur Herstellung von Pharmapolymeren Qualität von Anfang an Dr. Johannes Vorholz Andy Weber Geschäftsbereich Performance Polymers Dr. Christian Meier Dr. Axel Monsees Geschäftsbereich Coatings & Additives Dr. Thomas Süfke Dr. Sabine Löchner Dr. Stefan Menzler Shraddha Bodinge Geschäftsbereich Health & Nutrition Joachim Heid Dr. Andreas Landgrafe Standortservices Darmstadt Kontakt Dr. Johannes Vorholz Geschäftsbereich Performance Polymers +49 6151 18-4714 johannes.vorholz@evonik.com elements37 Ausgabe 4|2011 Wenn ein Zulieferer der Pharmaindustrie den Herstellungsprozess seines Produkts ändert, kann das weitreichende Folgen haben: Verändern sich dadurch Qualität und Eigenschaften des Produkts auch nur geringfügig, muss es quasi neu im Markt eingeführt werden – eine zeitraubende und teure Prozedur. Diese Klippe hat ein bereichsübergreifendes Team bei der Entwicklung der neuen Polymerisationsplattform SOLUPOL elegant umschifft: Diese neue Technologie zur Herstellung der Pharmapolymere EUDRAGIT® RS, RL und E liefert exakt die gleichen Produkteigenschaften wie das etablierte Verfahren – und das bei einer höheren Reinheit der Produkte. Darüber hinaus öffnet SOLUPOL den Zugang zu weiteren Produkten mit neuen Eigenschaften und ist damit eine echte Technologieplattform, die außerdem die strengen Qualitäts vorgaben der von der Pharmaindustrie geforderten Good Manufacturing Prac tices (GMP) erfüllt. SOLUPOL kombiniert eine Lösungspolymerisation mit einer State-of-theArt-Aufarbeitung nach GMP-Kriterien. Der eigentliche Clou bei der Entwicklung von SOLUPOL: Bereits bei den ersten Versuchen im Labor hatte das Team ein Auge darauf, wie sich Prozessparameter auf die chemischen und physikalischen Vorgänge im Reaktor und in der Aufarbeitung auswirken und so die späteren Produkteigenschaften der Pharmapolymere beeinflussen. Dies wurde durch eine Kombination von Technikumsversuchen, Analytik, Kinetikmessungen und Simulationsmethoden ermöglicht, die sowohl während der Prozessent wicklung als auch bei der Scale-up-Prozedur zum Einsatz kam. „Quality by Design“ heißt diese relativ neue Vorgehensweise, bei der nicht nur das Ergebnis zählt, sondern auch die Theorie verstanden sein will. Wer damit arbeitet, will den Produktionsprozess von Anfang an so beherrschen, dass Qualität und Eigenschaften punktgenau gesteuert werden können. Quality by Design sorgt für gleichbleibende Qualität – ein wichtiges Kriterium gerade für die Pharmaindustrie – und ist ein wertvolles Werkzeug, um neue Eigen schaften zu erzeugen. Merkmale, die auf SOLUPOL zutreffen. Charakteristisch für die neue Tech nologie sind genau definierte Prozessbedingungen, die zu einer gleichbleibenden Produktqualität führen. EUDRAGIT®-Polymere kommen in vielfältiger Weise zur Anwendung – sei es als Tablettenüberzüge oder als Bestandteile von Matrix- und Pelletformulierungen, in denen die Polymere die Freisetzung von Wirkstoffen auch über einen längeren Zeitraum exakt steuern. Das Entwicklerteam hat in umfangreichen Versuchsreihen nachgewiesen, dass das mit der SOLUPOL-Technologie hergestellte Pharmapolymer mehr als 30 verschiedene Produktspezifikationen erfüllt. Insbesondere bei den anwendungstechnischen Eigenschaften und bei der Wirkstofffreigabe ließ sich kein Unterschied feststellen zu den Produkten, die nach dem etablierten Verfahren hergestellt wurden. Das Verfahren ist mittlerweile zur Anwendungsreife gediehen. Noch in diesem Jahr wird in Darmstadt eine neue Anlage in Betrieb gehen, die die SOLUPOL-Technologie zur Herstellung der Pharmapolymere nutzt. Und mehr noch: Seit über 50 Jahren steuern die EUDRAGIT®-Polymere von Evonik die Wirkstoffabgabe pharmazeutischer Darreichungsformen. Als Tabletten überzug, Matrix-Tablette oder Pellet schleusen sie den Wirkstoff entweder pH-Wert- oder zeitgesteuert sicher zum Resorptionsort im Magen-Darm-Trakt, kaschieren Geruch und Geschmack eines Arzneimittels und schützen bei Bedarf nicht nur den Wirkstoff, sondern beispielsweise auch den Magen. Mit SOLUPOL hat Evonik nun ein weiteres Instrument an der Hand, um dieser Liste weitere innovative Eigenschaften hinzuzufügen – eine Entwicklung, die nun mit der Nominierung für den Evonik-Innovationspreis 2011 belohnt wurde. N omi ni ert für d en E vonik-Inn ovations preis 2011 11 K ategor ie neue od er v er be sserte ProZ e ss e Neues Verfahren macht Herstellung des Katalysators TS-1 wirtschaftlicher und umweltfreundlicher Die Mischung macht‘s Dr. Kai Schumacher Dr. Christian Schulze Isfort Dr. Steffen Hasenzahl Dr. Helmut Mangold Dr. Andreas Hille Dr. Martin Mörters Dr. Wolfgang Lortz Dr. Reinhard Vormberg Rainer Loutschni Friedhelm Collmann Dr. Stefan Wieland Dr. Michael Grün Dr. Jörg Pietsch Kurt-Alfred Gaudschun Geschäftsbereich Inorganic Materials Dr. Bernd Jäger Geschäftsbereich Advanced Intermediates Kontakt Dr. Andreas Hille Geschäftsbereich Inorganic Materials +49 7623 91-7262 andreas.hille@evonik.com Wenn der Kühlschrank energiesparend vor sich hin schnurrt, das Haus besonders gut wärme gedämmt ist und Sitzpolster, Armaturenbrett und Stoßstange im Auto leichtgewichtig und damit Benzin sparend sind, liegt das zumeist an einem speziellen Kunststoff – dem Polyurethanschaum. Und die Wahr scheinlichkeit, dass bei seiner Herstellung der Katalysator Titansilikalit 1 (TS-1) von Evonik einen wesentlichen Beitrag geleistet hat, steigt: TS-1 kommt beim sogenannten HPPO-Verfahren zum Einsatz, mit dem Propy lenoxid, ein wichtiger Rohstoff für Polyurethane, hergestellt wird. Forscher des Geschäftsbereichs Inorganic Materials haben nun ein neues Tor zu TS-1 aufgestoßen, eine Leistung, für die das Team für den Evonik-Inno vationspreis 2011 in der Kategorie neue oder verbesserte Prozesse nominiert wurde. Der TS-1-Katalysator besitzt bemerkenswerte Eigenschaften für selektive Oxidationen mit Wasser stoffperoxid. Die Industrie nutzt sie zum Beispiel zur Produktion von Lactamen, wichtigen Nylonbausteinen. Die bedeutendste großtechnische Anwendung ist jedoch die Direktsynthese von Propylenoxid aus Pro pen und Wasserstoffperoxid. Das von Evonik und der Uhde GmbH, Dortmund, entwickelte Verfahren, HPPO genannt, markierte einen Meilenstein bei der Herstel lung des Polyurethanrohstoffs Propylenoxid, weil dieser zum ersten Mal ohne Koppelprodukte produziert werden konnte. Möglich wurde dieser Durchbruch durch einen maßgeschneiderten TS-1-Katalysator von Evonik. Wegen der hohen wirtschaftlichen Bedeutung von Propylenoxid – 2010 wurden weltweit immerhin mehr als 6,5 Millionen Tonnen davon produziert, Tendenz steigend – beschloss das jetzt nominierte Team, das Her stellungsverfahren für TS-1 grundlegend zu überarbeiten. Kritikpunkte am bisherigen Verfahren, der sogenannten Ester-Route, waren insbesondere hohe Roh stoffkosten sowie Kapazitätsbeschränkungen im ersten Syntheseschritt. Die anwendungstechnische Herausforderung nach einer Optimierung der Pulverhandhabung durch die Forscher des Geschäftsgebiets Catalysts konnte durch eine maßgeschneiderte Dispersion gelöst werden, die die Dispersionsspezialisten des Geschäftsgebiets Silica entwickelt hatten. Die enge, geschäftsbereichsübergreifende Zusammenarbeit verschiedener Spezialisten teams erzeugte Synergien, die schließlich zu einer perfekt an die Bedürfnisse der TS-1-Entwickler angepassten, gebrauchsfertigen Dispersion führten. Dadurch konnte die Effizienz der nachfolgenden Hydrothermal synthese noch weiter gesteigert werden. Diese als Mischoxid-Route bezeichnete Synthese ist nicht nur einfacher und kostengünstiger als die alte Ester-Route, sondern auch umweltschonender, weil sie geringere Abfallströme erzeugt. „Die Marktprognosen sagen ein kontinuierliches Wachstum des weltweiten Markts für Propylenoxid voraus“, sagt Dr. Andreas Hille, Sprecher des nominierten Teams. „Mit der neuen MischoxidRoute sind wir dafür bestens gerüstet!“ elements37 Ausgabe 4|2011 12 VERFAHREN S TEC HNI K Flexible und mobile Kleinanlagen minimieren das Investitionsrisiko und beschleunigen die Markteinführung Small is beautiful Chemische Produktion muss nicht immer in riesigen Anlagen stattfinden. Chemiker und Verfahrenstechniker bei Evonik entwickeln flexible Small-Scale-Prozesse, die in einen Container passen. Denn klein ist lukrativ – nicht nur für neue Produkte und volatile Märkte, sondern immer dann, wenn die Zeit bis zur Marktreife entscheidend ist für den Erfolg. [ text Dr. Jürgen Lang, Dr. Frank Stenger, Dr. Hannes Richert ] elements37 Ausgabe 4|2011 VERFAHRENS TEC HN IK 13 Lebenszyklus eines Produkts. Da die spezifische Kurve für ein bestimmtes Produkt immer erst im Nachhinein erstellt werden kann, besteht die Kunst darin, jeweils im richtigen Moment die benötigten Kapazitäten zur Verfügung zu stellen, d.h. mit dem Markt zu wachsen und zugleich das Investitionsrisiko möglichst gering zu halten Produktpreis Premiumprodukt Wachstum Massenprodukt Marktdurchdringung Entwicklung Marktdurchdringung Produktpreis Wer sagt, dass die Großchemie nur Großanlagen kennt? Wo steht, dass chemische Produktion nur dann rentabel ist, wenn im Jahr zehn- oder hunderttausende Tonnen eines Stoffes hergestellt werden? Ein großer Anteil der Wertschöpfung chemischer Unternehmen steckt in Fein- und Spezialchemikalien – also in Substanzen, Mischungen und Zubereitungen, die der Markt nur in relativ geringen Mengen benötigt, die aber für das Funktionieren oder die Qualität von Produkten mitentscheidend sind. Bestimmte organische Zusätze beispielsweise machen Kunststoffe für das Armaturenbrett im Auto kratzfest. Geringe Anteile an Imprägnierungsmittel in Farben oder Mörtel sorgen dafür, dass wertvolle Bauwerke auf lange Dauer vor Wasser und Feuchtigkeit geschützt sind. Natürlich gehören in großen Mengen produzierte Chemikalien zum Portfolio jedes global agierenden Chemieunternehmens. Das Problem dabei: Millionenschwere Investitionen in Großanlagen sind ausgesprochen riskant, solange nicht klar ist, wohin sich die Märkte entwickeln und ob die Nachfrage über viele Jahre ausreichend groß sein wird. Der Bau von World-Scale-Anlagen, die einen signifikanten Anteil der Nachfrage decken, ist also ökonomisch nur dann sinnvoll, wenn sich Märkte bereits mitten im Wachstum befinden – wenn also das Unternehmensrisiko minimiert ist. Umgekehrt gilt: Nur wer zuerst kommt, kann lukrative neue Märkte für sich besetzen und seine Innovationskraft unter Beweis stellen. 0 Markteinführung Zeit [Jahre] Die Time to Market wird immer kürzer. Veränderte Konsumbedürfnisse, wachsende Mobilität und knapper werdende Ressourcen führen dazu, dass neue oder verbesserte Produkte immer schneller auf den Markt kommen. Flexible Small-Scale-Anlagen können hierbei helfen und sich rechnen, aber nur, wenn spezifische Anlagenkosten aus heutiger Sicht stark reduziert werden können Heute In Zukunft Kumulierter Cashflow Frühe Investitionen in Großanlagen bergen ein hohes Risiko Keine einfache Situation. Erschwerend kommt hinzu, dass Innovationstempo und Innovationsdruck enorm gestiegen sind. Veränderte Konsumbedürfnisse, wachsende Mobilität und knapper werdende Ressourcen führen dazu, dass neue oder verbesserte Produkte innerhalb kurzer Zeit verfügbar sein müssen. Waren früher Innovationszyklen von acht oder zehn Jahren normal, darf der Zeitraum „Time to Market“ heute in der Regel nicht wesentlich länger als zwei bis vier Jahre sein. Nicht zuletzt: Der Kunde will heute frühzeitig wissen, ob die neue Substanz oder die veränderte Stoffmischung exakt seine Ansprüche erfüllt. Das setzt voraus, dass er mit Materialproben beliefert wird, die in ihren chemischen und physikalischen Eigenschaften genau dem späteren, im technischen Maßstab hergestellten Produkt entsprechen. Und da die Herstellungsparameter oft Eigenschaften und Qualität eines Stoffes beeinflussen, muss also der Prozess schon im Kleinen der späteren Großproduktion gleichen. Auf alle drei Trends – Minimierung des Markt risikos, kürzere Innovationszyklen, gestiegene Ansprüche der Kunden – gibt es eine überzeugende Antwort: Small-Scale-Anlagen. Bei Evonik hat sich eine kleine Gruppe aus Chemikern und Inge 333 Zeit [Jahre] Spezifische Investitionen Anlagenkapazität elements37 Ausgabe 4|2011 14 VERFAHREN S TEC HN IK 333 nieuren gegründet, die sich speziell dieser inno vativen Kleinmengen-Chemie und deren Prozessen widmet. Aber was heißt eigentlich „small“? Das Konzept für kompakte Small-Scale-Anlagen befasst sich mit Mengen von einigen Tonnen bis zu mehreren hundert Tonnen Produkt im Jahr – mit Stoffen, die zwar hochinnovativ sind, von denen der Markt aber nur relativ geringe Mengen benötigt. Kompakt bezieht sich aber vor allem auf die Anlagengröße. Die Expertengruppe bei Evonik entwickelt Chemieanlagen, die in einen Überseecontainer mit einer Grundfläche von drei mal sechs bzw. drei mal zwölf Meter passen. Die Chemie im Container sind im Endausbau Allinclusive-Anlagen – mit Reaktoren, Produktaufarbeitung, Prozessleittechnik, IT-Modulen, Lagerfläche für die Einsatzstoffe, Elementen für konstruktiven Brandschutz, Fluchttüren und Auffangwannen nach dem Wasserhaushaltsgesetz. elements37 Ausgabe 4|2011 liche Produktion über mehrere Jahre? Ist der kleine Wärmetauscher aus dem Labor aus einem Material gebaut, das bei einer echten Produktion eine aus reichend lange Standzeit hat? Auch das Engineering ist alles andere als trivial: Der Bauraum ist begrenzt und damit kostbar. Die Ingenieure müssen alle Funktionalitäten eines chemischen Betriebes in einem Raum unterbringen, der nicht viel größer ist als eine Garage. Small is beautiful – allerdings nur, wenn zentrale Herausforderungen gelöst werden können. Da sind auf der einen Seite spezifische technische Anfor derungen an eine Kleinmengenproduktion. Kleine Volumina bedeuten häufig eine Beschleunigung des Stofftransports. In der Folge muss die Steuer- und Regeltechnik viel empfindlicher sein als bei Groß anlagen. Auch an die Messtechnik werden durch die Beschleunigung der Prozessabläufe höhere Anfor derungen gestellt. Die kurzen Wege ermöglichen hingegen eine viel bessere Wärmeintegration. Chemie im Container erlaubt Kleinmengenproduktion unter Realbedingungen Small Scale bringt einen Paradigmenwechsel Die Vorteile der kompakten Small-Scale-Anlagen liegen auf der Hand: Die Investitionskosten sind, ver glichen mit denen für eine Großanlage, relativ gering und das Marktrisiko deutlich kleiner. Die Experten können einen Prozess unabhängig vom Standort der späteren Produktion entwickeln, das spart wertvolle Zeit. Die Chemie im Container produziert exakt nach den Anforderungen des Markts und den Wünschen des Kunden. Sie ist auch keine klassische Pilotanlage, sondern dient später, meist ohne große Umbauten, als „echte“ Produktionsanlage. Small Scale erlaubt eine schnelle und einfache Kapazitätsanpassung: Entwickelt sich die Nachfrage stärker als erwartet, wird die Produktion auf mehrere Container ausgeweitet oder kann sogar ohne neue Prozessentwicklung direkt auf eine Großanlage übertragen werden. Dadurch werden sowohl Investitionskosten als auch -risiken gesplittet – kein unwichtiger Aspekt für ein Unternehmen. Vor allem aber verkürzen Small-Scale-Anlagen die Zeit von der Idee bis zu Marktreife: Laborentwicklung und Basic-Engineering – sonst streng voneinander getrennte Planungsphasen – können simultan ablaufen. Denn der Container dient der Entwicklung eines neuen Prozesses und der Planung der Produktion zugleich. Aus groß mach klein – was sich einfach anhört, ist für Planer und Entwickler eine echte Herausforderung. Eine Reaktion im Glaskolben mag wunderbar funktionieren, aber funktioniert sie genauso gut in einer kontinuierlichen Produktion mit bleistift dünnen Reaktionsrohren? Luftblasen, die in einem dicken Rohr die Strömung nicht beeinflussen, können in dünnen Leitungen durchaus zu Problemen führen. Taugt die Pumpe, die im Labor für einige Monate ausreichend Leistung bringt, auch für eine kontinuier- Auf der anderen Seite wird die Kluft zwischen Labor, Pilotanlage und echter Produktion aufgelöst. Da die Chemie im Container als kontinuierlicher Prozess konzipiert wird, müssen die Ingenieure von Anfang an mit Bauteilen, Komponenten, Werkstoffen und Prozessparametern arbeiten, die später auch die reale Herstellung des Stoffes kennzeichnen. Beispielsweise braucht man kleine Pumpen, die zuverlässig kont inuierlich über Jahre laufen, und Werkstoffe mit langer Lebensdauer – was mit standardmäßigen Laborapparaten in der Regel nicht zu erreichen ist. Wenn eine Reaktionslösung erhitzt werden muss, geschieht das von Anfang an mit Wärmetauscher oder Wärmeüberträger, nicht mit Bunsenbrenner oder Wasserbad. Wenn ein Stoffgemisch durch Destillation aufgetrennt werden muss, nutzt der Verfahrenstechniker bereits im Kleinmaßstab eine Kolonne und keinen Rotationsverdampfer. Für Chemiker ist das ein echter Paradigmenwechsel, denn im Pilotmaßstab wird normalerweise diskontinuierlich produziert, großtechnisch aber in der Regel kontinuierlich. Eine andere Art von Anlage führt zu ganz neuen Fragestellungen: Brauche ich für Small Scale die gleiche Logik und Arbeitsteiligkeit im Prozess? Wie weit lässt sich die Chemie von Small-Scale-Anlagen automatisieren? Da der Platz im Container eng begrenzt ist, spielt die Multifunktionalität eine große Rolle: Eine Rohrleitung kann beispielsweise zugleich als Halterung fungieren oder für Stabilität sorgen. Nicht zuletzt gibt es bislang wenig Erfahrung mit Kostenschätzungsfaktoren für eine Kompaktanlage. Eine komplette Chemieanlage auf engstem Raum – wie geht das eigentlich in der Realität? Das unter suchen Experten von Evonik gemeinsam mit anderen Unternehmen und mehreren Universitäten seit 2009 VERFAHREN S TE C HNI K 15 Minifabrik Evotrainer. Der nur drei mal zwölf Meter große Container enthält alles, was für die Produktion benötigt wird – Reaktoren, Prozessleittechnik, IT-Module, Lagerfläche für die Einsatzstoffe, Elemente für konstruktiven Brandschutz, Fluchttüren und Auffangwannen nach dem Wasserhaushaltsgesetz im EU-Forschungsprojekt Copiride. Evonik entwickelt unter anderem in Kooperation mit den Universitäten Stuttgart und Eindhoven und dem Institut für Mikrotechnik (IMM) in Mainz im Rahmen des Projekts derzeit einen Container der 3. Generation. Das Besondere daran: Die Infrastruktur soll universell einsetzbar sein. Die Versorgung mit Wasser, Prozessgasen, Strom, Wärme und Datenleitungen wird so kon zipiert, dass theoretisch jede mögliche chemische Reaktion darin stattfinden kann. Schlüssel zum Erfolg ist eine universelle Infrastruktur Der Charme besteht in der Vielseitigkeit des Konzepts. So kann ein kompletter chemischer Betrieb integriert werden, aber auch nur ein einzelner Reaktor, beispielsweise für eine spezielle Aufarbeitungsstufe. Für die Beispielreaktion im Rahmen des Copiride-Projekts sind Hochdrucktechnik, umfassende Sicherheitstechnik sowie die besonders kompakte Bauweise von Bedeutung. Ferner soll demonstriert werden, dass Reaktionen, die besonders kritische Prozesszustände einnehmen können, damit sicher und einfach umgesetzt und betrieben werden können. Ab 2012, so die Planungen, steht der Allround-Container zur Verfügung. Am Evonik-Standort in Marl soll damit dann im technischen Maßstab ein Spezialpolymer hergestellt werden. In Rahmen eines zweiten EU-Projekts mit dem Namen Polycat entwickelt Evonik seit 2010 eine Hightech-Infrastruktur für Produktionsprozesse nach dem Good-Manufacturing-Practices(GMP)-Standard. Da runter versteht man Richtlinien zur Qualitätssicherung der Produktionsabläufe bei der Herstellung von Arzneimitteln, aber auch in der Lebensmittel- und Futtermittelindustrie. Dieser Infrastrukturtyp wird daher besondere Schleusen und andere Vorricht un gen enthalten, um die hohen Sicherheits- und Hygie neanforderungen von GMP-Abläufen zu erfüllen. Unabhängig vom Prozess gilt: Eine wichtige Rolle bei Small-Scale-Anlagen spielt die Modularisierung. Ein Modul umfasst einen bestimmten Anlagenbereich oder eine Komponente, an die sich bestimmte technische Anforderungen richten. Module sind in der Regel standardisierte und vorgefertigte Bauteile oder Bauteilgruppen, die Planung und Bau einer Anlage beschleunigen und den Betrieb kostengünstig machen. Small Scale und Modularisierung befruchten sich gegenseitig. Ein Modul ist zwar immer suboptimal, weil man oft Kompromisse bei bestimmten Anforder un gen eingehen muss, es ist aber schnell und kostengünstig verfügbar. Wird der Prozess im Container modular aufgebaut, können die Prozesse schnell verändert oder ausgetauscht werden. Umgekehrt wird die Modularisierung vorangetrieben, weil sich Funktion und Bauweise bei Small-Scale-Anlagen wiederholen. Prototypisch: der Evotrainer von Evonik Die Arbeiten im Rahmen der genannten EU-Projekte bauen auf einem bestehenden Prototypen auf, dem sogenannten Evotrainer von Evonik. Mit dem Evotrainer haben die Entwickler bereits ein wesentliches Thema nahezu aller chemischen Prozesse in den Mittelpunkt gestellt: die Versorgung mit Stoffen, Energie, Wasser und Datenleitungen. Ohne diese Infrastruktur sind chemische Prozesse nicht möglich, 333 elements37 Ausgabe 4|2011 16 VERFAHREN S TEC HN IK Stichwort Fabrik der Zukunft EU fördert Entwicklung der künftigen chemischen Fabrik In der chemischen Industrie sollen Prozesse künftig kostengüns tiger und die kontinuierliche Produktion soll flexibler werden. Dadurch, so erhofft sich die EU, wird die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Chemieindustrie gestärkt, weil in der künftigen chemischen Fabrik Kostenrisiken minimiert, Innovationszyklen beschleunigt und schneller als heute auf Marktänderungen reagiert werden kann. Große, unflexible Produktionsanlagen werden in Europa mittelfristig an Bedeutung verlieren, die Flexibilisierung der chemischen Produktion bietet die Chance, die Bedeutung der chemischen Industrie in Europa zu erhalten. Dies ist der Leitgedanke von Copiride, Polycat und F3-Factory (fastflexibel-future), einem weiteren groß angelegten Forschungsprojekt der EU, in dem Unternehmen, Universitäten und Forschungseinrichtungen aus Europa die Fabrik der Zukunft entwickeln. Die Fabrik der Zukunft soll ein Konzept und eine Plattform sein für eine moderne und nachhaltige Produktion von Stoffen aller Art. Die Fabrik der Zukunft: Bei Copiride sollen je nach Bedarf unterschiedlichste Container flexibel miteinander verschaltet werden können 333 gleichzeitig macht sie bei einem herkömmlichen Chemiebetrieb bis zur Hälfte der Investitionskosten aus. In den vergangenen Jahren wurden beim Evotrainer mehrere Ausbaustufen realisiert: Immer wieder wurden neue Bauteile integriert, verbessert und so für unterschiedliche Prozesse umgesetzt. Erfolgreich konnte dies nur gemeinsam mit den Geschäftsbereichen geschehen. Am Standort Rheinfelden beispielsweise werden mit einer Kompaktanlage seit 2010 Silanverbindungen (Siridion® HCDS, Hexachlordisilan) hergestellt, die als Precursoren für die Chipherstellung wichtig sind. Da die Rohstoffe für die Elektronikindustrie eine besonders hohe Reinheit haben müssen, wurde der Herstellungsprozess so gestaltet, dass die sonst aufwändige und kostspielige Aufreinigung der Produkte einfach ermöglicht wurde. Durch den integrierten Planungsprozess und die gute Zusammenarbeit sowohl mit dem Betrieb, der Anwendungstechnik, dem Business Development als auch dem Marketing des Geschäftsbereichs Inorganic Materials konnte die Entwicklung bis zur laufenden Produktion in weniger als drei Jahren abgeschlossen werden. In diesem Zeitraum wurde nicht nur der Prozess optimiert und das notwendige Equipment ausgelegt, sondern auch der Evotrainer für Siridion® HCDS in Hanau-Wolfgang aufgebaut, in Betrieb genommen und an den finalen Produktionsstandort Rheinfelden transportiert. Parallel dazu wurden erste Kunden frühzeitig mit Siridion® HCDS aus der späteren Produktionsanlage bemustert. So wurde eine zeitnahe Markteinführung von Siridion® HCDS sichergestellt, die ganz wesentlich zum Geschäftserfolg beigetragen hat. Das Expertenteam von Evonik versteht sich nicht nur als Dienstleister für die unterschiedlichen Geschäftsbereiche des Konzerns. Das Team stellt mit der Entwicklung vollwertiger kompakter SmallScale-Anlagen im Containerformat die Basis bereit, die Zeit von der Produktidee bis zum endgültigen Herstellungsprozess deutlich zu reduzieren. „Rent a plant“ als Geschäftsmodell Die Spezialisten von Evonik entwickeln für die Geschäftsbereiche innerhalb des Konzerns zudem ein interessantes neues Geschäftsmodell: die gemietete Produktionsanlage. Idee für Rent-a-Plant® ist, dass das Expertenteam des Servicebereichs Verfahrenstechnik & Engineering zusammen mit den jeweiligen F&E-Abteilungen eines Geschäftsgebiets den Prozess für Kleinmengen entwickelt und aufbaut. Die fertige Produktionsanlage kann nach den Inbetriebnahmetests dann zum gewünschten Produkt ionsstandort transportiert werden – wo auch immer dieser ist. Wird der Container dort – zum Beispiel aufgrund des notwendigen Baus einer entsprechenden Großanlage – nicht mehr gebraucht, kann er zurückgeführt und für den nächsten Prozess erneut bestückt werden. Die Nachfrage nach einer flexiblen Technik für die Herstellung chemischer Produkte wird wachsen. Denn Small-Scale-Anlagen erlauben es, mit einem elements37 Ausgabe 4|2011 VERFAHREN S TEC HN IK 17 Der Evotrainer in Rheinfelden neuen Produkt früher in den Markt zu kommen. Die Entwicklung von Produkt und Prozess wird beschleunigt, das finanzielle Risiko minimiert. Die flexiblen und mobilen Kompaktanlagen folgen der Nachfrage und dem Kunden: Die Kapazität kann mit dem Markt wachsen und die Anlage erlaubt ein Upscaling ohne Umbauten. Außerdem ist der Standort nahezu beliebig. Mobile kompakte Small-Scale-Anlagen ermöglichen auch eine Produktion direkt beim Kunden vor Ort – mit dem Evotrainer kann dort produziert werden, wo die ökonomischen Bedingungen am günstigsten sind. Das Konzept ermöglicht beschleunigte Innovationszyklen. Das ist ein wesentlicher Vorteil insbesondere bei „grünen“, schnell wachsenden Technologien, da die Umsetzung technischer Fortschritte weitaus schneller gelingt als mit der klassischen Großchemie. Die chemische Industrie in Europa hat lange von Massenchemikalien gelebt. Doch die Zeiten ändern sich. Nicht nur die Unternehmen der pharmazeu tischen Industrie sind darauf angewiesen, stärker als früher neue, innovative Stoffe bereitzustellen, die zwar nur in relativ kleinen Mengen benötigt werden, die aber interessante Eigenschaften haben und bei denen die Wertschöpfung groß sein kann. Der Chemiebetrieb im Miniaturformat öffnet die Wege hin zu einer flexiblen, effizienten und ressourcenschonenden Produktion. Einer Produktion, die den wachsenden Ansprüchen eines globalisierten Marktes gerecht wird, Innovationen beschleunigt und zugleich einen vielversprechenden Weg aufzeigt, wie Großkonzerne flexibel auf sich verändernde Rahmenbedingungen reagieren können. 777 Dr. Jürgen Lang ist Senior Scientist im Bereich Inno vation Management des Servicebereichs Verfahrens technik & Engineering. Nach Ausbildung zum Compu tertechniker bei Messerschmitt-Bölkow-Blohm sowie Studium der Hoch- und Höchstfrequenztechnik am KIT (Karlsruhe Institute of Technology) promovierte Lang über plasmakatalytische Effekte bei der Ammo niaksynthese am Institut für physikalische Elektronik des KIT. Nach Anstellung von 1987 bis 2000 beim Fraunhofer Institut für Systemtechnik und Innovations forschung (FhG-ISI) wechselte er 2000 zu Evonik in die Verfahrenstechnik. 2010 übernahm er seine aktuelle Position. +49 6181 59-2169, juergen.lang@evonik.com Dr. Frank Stenger leitet im Servicebereich Verfahrens technik & Engineering die Gruppe „Small Scale Pro cesses”. Nach Studium der Verfahrenstechnik an der Technischen Universität Karlsruhe und Promotion zum Thema Herstellung und Dispergierung von Nanopar tikeln an der Universität Erlangen-Nürnberg startete er 2004 seine berufliche Karriere bei Evonik im Service bereich Verfahrenstechnik & Engineering. Hier arbeitete er als Verfahrenstechniker in der Abteilung Par tikeltechnologie, bis er 2010 in seine aktuelle Position wechselte. +49 6181 59-6284, frank.stenger@evonik.com Dr. Hannes Richert ist Projektmanager im Service bereich Verfahrenstechnik & Engineering. Nach Stu dium der Verfahrenstechnik und Promotion auf dem Gebiet des computergestützten Anlagendesigns an der TU Hamburg-Harburg begann er 1998 seine berufliche Laufbahn im Bereich Verfahrenstechnik & Engineering von Evonik. Hier arbeitet er im Bereich Projek tierung als Projektmanager und Prozessingenieur und fungiert außerdem als Bindeglied zur IT-Abteilung für Themen wie moderne Methoden zu Prozess- und Anlagendesign. +49 6181 59-4967, hannes.richert@evonik.com elements37 Ausgabe 4|2011 18 ANALYTI K Das neue XPS-Messsystem der AQura GmbH, des Analytik dienstleisters von Evonik Oberflächenspektrometrie Analyse-Tool für die obersten Nanometer Mit der Röntgen-Photoelektronen spektrometrie lassen sich die obersten Atomlagen unterschiedlichster Materi alien analysieren – qualitativ, semiquantitativ und quantitativ. Das Verfahren ist ein wichtiges Werkzeug, das sich von der Produktentwicklung und -charakterisierung über die Qualitätsüberwachung bis hin zum Patentschutz einsetzen lässt. [ text Dr. Peter Albers ] elements37 Ausgabe 4|2011 Chemische Verfahren und Prozesse sind heute so weit entwickelt, dass sogar die Oberflächen der beteiligten Materialien einen wesentlichen Einfluss ausüben können: Oftmals genügen schon Veränderungen in der Morphologie oder in der chemischen Zusammensetzung der obersten Materialschicht, um das Gesamtergebnis eines Prozesses zu verändern. Deswegen kommt spektrometrischen Analysemethoden, die Aussagen über Konzentrationen und Bindungszustände in den obersten Atomlagen erlauben, eine große Bedeutung zu. Insbesondere bei feinteiligen Produkten mit großer Oberfläche, wie sie auch Evonik im Portfolio hat, bestimmen gerade die oberen Nano- und Mikrometer maßgeblich die Eigenschaften des gesamten Materials. Integral messende – also die gesamte Probe erfassende – Verfahren liefern dagegen nur Informationen über die Gesamtzusammensetzung. Damit sind zum Beispiel keine genügend exakten Aussagen über die Eigenschaften einer Katalysatorschicht möglich, die die Aktivität und Selektivität des Katalysators vielleicht maßgeblich prägt, aber nur wenige Nanometer dick ist. Genau für solche Fragestellungen haben Forschung und Industrie in den vergangenen Jahrzehnten gemeinsam geeignete neue Verfahren entwickelt. Eines davon ist die Röntgen-Photoelektronenspektrometrie (XPS), die auch als Elektronenspek ANALYTIK 19 trometrie zur chemischen Analyse (ESCA) bekannt ist. Sie macht zum Beispiel Valenzwechselvorgänge und chemische Veränderungen an der Oberfläche infolge Oxidation, Reduktion, Formierung, Alterung, Vergiftung oder Korrosion sichtbar. Aber auch Haftung, Benetzbarkeit oder Hydrophobierung lassen sich damit analysieren – um weitere Beispiele aus einer langen Liste an Fragestellungen zu nennen, die sich mit der XPS beantworten lassen. Im Vergleich zur Röntgenmikrobereichsanalyse (RMA) in der Rasterelektronenmikroskopie (REM) hat die XPS den Vorteil, dass sie auch dann funktioniert, wenn die zu analysierende Schicht nur wenige Nanometer dünn ist – also in einer Dimension, die um den Faktor 1.000 kleiner ist als bei der typischen RMA. XPS bietet so eine viel höhere Oberflächenselektivität. Seit Anfang des Jahres betreibt die AQura GmbH, der Analytikdienstleister von Evonik, ein neues Röntgen-Photoelek tronenspektrometer, das seinen 25 Jahre alten Vorgänger ersetzt hat. Dieser hatte zwar im Laufe der Zeit mehrere Aktualisierungen erfahren, zeigte sich aber den Anforderungen heutiger Messkampagnen bezüglich Schnelligkeit, Energieauflösung und Nachweisempfindlichkeit immer weniger gewachsen. Bei der XPS beschießt eine Röntgenquelle eine Materialoberfläche, die sich im Ultrahochvakuum befindet, mit weichen Röntgenstrahlen. Aufgrund der Photoionisation, auch atomarer oder molekularer Photoeffekt genannt, lösen die Röntgenstrahlen gebundene Elektronen aus den Energieniveaus der Probenatome und aus den Valenzbändern des zu untersuchenden Materials heraus, die sich nach dem Austritt aus der Probenoberfläche mit einem Elektronenspektrometer analysieren lassen. Aus der Bilanz der Anregungsenergie und der gemessenen kinetischen Energie der Elektronen ist ihre ursprüngliche Bindungsenergie ermittelbar. Diese gibt direkten Aufschluss über den chemischen Bindungszustand eines Elements. Ein XPS-System misst oberflächenspezifisch, weil die mittlere freie Weglänge von Elektronen in Festkörpern ein Minimum zwischen ungefähr 10 und 1.000 Elektronenvolt aufweist – um diese Materialeigenschaft und exakt diese Elektronen zu nutzen, wird weiche Röntgenstrahlung eingesetzt. Nahezu alle Elemente und auch Nichtleiter analysierbar Bis auf Wasserstoff und Helium lassen sich mittels XPS alle Elemente messen. Die eingesetzte weiche Röntgenstrahlung liefert die passende Energie, um Elektronen freizusetzen – wobei sie aufgrund der energetischen Verhältnisse in jedem Element andere Elektronen „anspricht“: in Kohlenstoff zum Beispiel die s-Elektronen, in Palladium dagegen die d-Elektronen. 333 elements37 Ausgabe 4|2011 20 ANALYTI K Probenhalter mit einem Solarzellensegment (blau), einem Stück Reinstsilizium (glänzend) und einem elektrischen Bauteil vor der geöffneten, mit Inertgas gefluteten Ladekammer. Die Aufgabe: Prüfung der Oberflächenchemie und des Reinheitsgrades auf den Oberflächen, in den Kontaktbereichen und auf den Sammelschienen der Solarzelle 333 Das neue XPS-System der AQura besitzt drei separate Probenkammern, sodass die unterschiedlichsten Materialien untersucht werden können: Festkörper aller Art, hochreine Pulver, korrosive, verunreinigte oder auch feuchte Produkte. Damit lassen sich in kurzer Zeit auch sehr unterschiedliche Materialien nacheinander vermessen, die ansonsten zeitraubende Evakuierungs- beziehungsweise Reinigungsschritte erforderlich machen würden. Mithilfe eines Argon-Ionenstrahls lässt sich während der Messung zudem die Oberfläche einer Probe schichtweise abtragen, um zum Beispiel vertikale Konzentrationsprofile im Bereich Nanometer bis Mikrometer bestimmen zu können. Außerdem kann das Neusystem auch elektrische Nichtleiter wie AEROSIL®, Polymere, Glas oder Keramiken vermessen. Das ist keineswegs selbstverständlich: Wenn die Röntgenstrahlung Bindungselektronen freischlägt, steigt die Zahl der – positiv geladenen – Löcher in der Probe und damit die Austrittsarbeit; das heißt, die gemessene kinetische Energie der Elektronen sinkt. Bei heterogenen Oberflächen würde so das Messergebnis verfälscht. Elektrisch leitfähige Proben kompensieren diesen unerwünschten Effekt automatisch: Sie liegen direkt auf Potenzial, sodass die entstehenden positiven Löcher sofort wieder mit „nachfließenden“ Elektronen gefüllt werden. Im neuen System sorgt bei elektrisch nichtleitenden Proben ein sie umgebendes Magnetfeld für die Rückführung von Elek- elements37 Ausgabe 4|2011 tronen zur Probe, die sich dann wieder mit den Löchern ver einigen können. Während der Messung sieht es dadurch so aus, als ob auch der Nichtleiter auf Spektrometerpotenzial läge. Die Austrittsarbeit der freigeschlagenen Bindungselektronen wird also nicht mehr verfälscht. Einzelne Atome werden unterscheidbar Was mit der XPS möglich ist, lässt sich am besten anhand typischer Messungen verdeutlichen, die die AQura-Mitarbeiter für interne und externe Kunden bereits durchgeführt haben. Polymethylmethacrylat (PMMA) zum Beispiel ist ein Material, das heutzutage in vielen Anwendungen eine Rolle spielt, wo es auf die Oberflächeneigenschaften ankommt. Durch Witterungs einflüsse etwa kann sich das Abperlverhalten von PMMA verändern. Für den Transport wiederum muss die Oberfläche des PMMA modifiziert werden, weil Kaschierfolien, die zum Schutz aufgebracht werden, sich nach der Montage wieder rückstandsfrei entfernen lassen müssen. Wie sich diese Einflüsse auf die PMMA-Oberfläche aus wirken, lässt sich mit der XPS klären, da sie die Feinstruktur der Kohlenstoff- und Sauerstoffatome des Polymers auflösen kann. Die einzelnen Atome werden dadurch spektroskopisch anhand ANALYTI K 21 Abbildung 1. Kohlenstoff- (links) und Sauerstoffsignale (rechts) direkt auf einer gezielt bewitterten PMMAOberfläche und auf einer frischen Bruchfläche dieser Probe. Direkt auf der Oberfläche „sieht“ das Polymer chemisch anders aus als im Voll material: Die relativen Anteile funktioneller Gruppen wurden ver ändert Intensität [counts per second (cps)] Intensität [counts per second (cps)] 3.000 3.000 2.000 2.000 1.000 1.000 Oberfläche Vollmaterial 0 0 292 290 288 286 284 282 539 280 537 Bindungsenergie [eV] Abbildung 2. Veränderung der chemischen Wertigkeit des Palladiums: reduzierte Oberfläche (deep purple), oxidierte Oberfläche (grau) Pd 90 %; PdO 10 % Pd 15 %; PdO 85 % 535 533 531 529 527 Bindungsenergie [eV] Intensität [cps] 14.000 12.000 10.000 8.000 6.000 4.000 2.000 0 345 340 Pd 3d3/2 ihrer funktionellen Gruppen unterscheidbar, was wiederum Rückschlüsse auf chemische Veränderungen der Oberfläche erlaubt (Abb. 1). Ein weites Feld für die XPS-Analyse sind auch Katalysatoren. Ihre Wirkung und die erforderlichen Mengen hängen maßgeblich damit zusammen, wie der Katalysator auf dem jeweiligen Träger verteilt ist und welcher Anteil in der relevanten Reaktion tatsächlich aktiv ist oder für besonders hohe Produktselektivität sorgt. AQura-Mitarbeiter konnten zum Beispiel ermitteln, warum ein Palladium-Katalysator auf einem Träger desaktiviert war (Abb. 2); der Katalysator wurde für die selektive katalytische Hydrierung von Acetylen zu Ethylen im Rahmen der Vinylchloridproduktion eingesetzt. Es zeigte sich, dass das Palladium infolge einer Betriebsstörung mit Verkokungs- und Polymerisa tionsprodukten belegt und zudem der chemische Zustand der Palladiumoberfläche verändert worden war. Auch die Oberflächeneigenschaften von Platin-RhodiumKatalysatornetzen, wie sie bei der Ammoniakverbrennung im Rahmen der Salpetersäureherstellung nach dem Ostwald-Verfahren zum Einsatz kommen, lassen sich mit der XPS detailliert analysieren. Solche Katalysatornetze werden zudem beim Andrussow-Verfahren zur Synthese von HCN eingesetzt, das für die Produktion von PMMA, Methionin, Cyanurchlorid und vielen organischen Zwischenprodukten benötigt wird. 335 Pd 3d Pd 3d5/2 330 Bindungsenergie [eV], Mg Bei ungebrauchten Katalysatornetzen liegen Platin und Rhodium im metallischen Zustand vor. Die spektroskopische Signatur eines gebrauchten Netzes unterscheidet sich davon deutlich im XPS-Profil (Abb. 3): Unterschiede in der Feinstruktur weisen auf veränderte Anteile von metallischem Rhodium und oxidiertem Rhodium an der Katalysatoroberfläche hin. Ursache für diese Veränderungen, die sich mit der XPS erfassen lassen, sind wechselnde Betriebsbedingungen im Reaktor. Mit diesen Informationen lässt sich das Platin-Rhodium-Verhältnis im Katalysator gezielt für den optimalen Einsatz in der Großanlage anpassen. Mit XPS-Messungen an Ceroxid wiederum, wie es in Autoabgaskatalysatoren, Sensoren oder beim chemisch-mechanischen Polieren (CMP) von Wafern zum Einsatz kommt, lassen sich anhand der Feinstrukturen der Signale die relativen Anteile von drei- und vierwertigem Cer bestimmen (Abb. 4). Die Signalform liefert also unmittelbar einen Hinweis auf den chemischen Bindungszustand. Diese Informationen geben Entwicklern wichtige Hinweise an die Hand, welche Eigenschaften zum Beispiel die im Auto abgaskatalysator eingesetzten Oxide haben müssen, um ihre Aufgabe optimal zu erfüllen: nämlich schnellstmöglich und effizient auf den Wechsel zwischen einem mageren Luft-Kraftstoff-Gemisch – also einem mit hohem Sauerstoffanteil – 333 elements37 Ausgabe 4|2011 22 ANALYTI K Abbildung 3. Oben: elektronenmikroskopische Aufnahmen eines frischen und eines gebrauchten Katalysatornetzes. Aus der glatten Oberfläche eines Pt/Rh-Drahtgewebes wurde eine raue, zerklüftete Oberfläche, unter anderem mit Rhodiumoxidnadeln (dunkel) und Platinkristalliten (hell). Unten: XPS-Spektren zeigen die Veränderungen der Verhältnisse von Platin zu Rhodium und zu Rhodiumoxid unter verschiedenen Betriebsbedingungen Intensität [cps] 22.000 18.000 Pt Intensität [cps] Pt Rh Metall Rh2O3 Rh Metall 13.000 11.000 14.000 9.000 10.000 7.000 Intensität [cps] Intensität [cps] 16.000 Rh2O3 14.000 Rh Metall Rh2O3 14.000 Rh Metall 12.000 12.000 10.000 10.000 8.000 8.000 330 320 310 300 290 330 320 Bindungsenergie (eV) Abbildung 4. Die Signalstruktur der Ceroxide ist ein empfind licher Fingerprint für die Schnelligkeit und das Ausmaß der Sauerstoffaufnahme und Sauerstoff abgabe im technischen Einsatz CeOx, x = 1,55 CeOx, x = 1,75 CeOx, x = 1,80 CeOx, x = 1,90 310 300 290 Bindungsenergie (eV) Intensität [cps] 10.000 9.000 8.000 7.000 6.000 5.000 920 910 900 890 880 Bindungsenergie (eV) 333 und einem fetten Luft-Kraftstoff-Gemisch zu reagieren durch die Speicherung bzw. Abgabe von Sauerstoff im Abgasstrom des Verbrennungsmotors. Das wirkt sich direkt auf die Abgasemis sionen aus. Trockenere Babypos durch XPS Eine dritte Materialgruppe, bei der die XPS bereits zu einem tieferen Verständnis der Funktion beigetragen hat, sind Superabsorber, die inzwischen zum Beispiel Cellulosefasern aus modernen Babywindeln weitgehend verdrängt haben. Super absorber sind vernetzte Polymere, die sehr viel Flüssigkeit aufnehmen können, diese aber im Gegensatz zu Cellulose unter Druck nicht wieder freigeben. Damit das optimal klappt, müssen die Oberflächen der Polymere im Bereich der obersten Nanometer in einem sogenannten Oberflächennachvernetzungsschritt mit Additiven behandelt werden. Dies führt zu verbesserten Permeabilitätswerten, was elements37 Ausgabe 4|2011 wichtig für eine gleichmäßige und gute Flüssigkeitsverteilung in der Windel ist und „Gel-Blocking“-Effekte verhindert. Mit dem neuen XPS-System ist es den AQura-Mitarbeitern möglich, Proben von Superabsorbern per Ionenstrahl schrittweise abzutragen und die jeweilige Oberfläche zu spektroskopieren. Die gemessene Signalintensität ist dabei direkt proportional zur Konzentration des Beschichtungsmaterials, sodass sich aus den Tiefen-Scans wichtige Informationen ableiten ließen, um die Superabsorber weiter zu optimieren (Abb. 5). Diese Beispiele machen deutlich: Die XPS ist ein wichtiges und vielseitig einsetzbares Werkzeug für die Kunden der AQura, um Feinststruktur und chemische Zusammensetzung von einer Vielzahl von Materialien bis in den Sub-Nanometerbereich hinein zu bestimmen. Sie ist ein weiterer Schritt auf dem Weg, den Übergangsbereich zwischen atomaren und molekularen Dimensionen einerseits und der eigentlichen Nanometerwelt andererseits messtechnisch besser zu erschließen und damit für die Produktentwicklung nutzbar zu machen. 777 ANALYTIK 23 Abbildung 5. Oberflächenspektroskopie für die Optimierung von Babywindeln. XPS-Tiefenprofile am Superabsorber für die Elemente Kohlenstoff, Sauerstoff, Aluminium und Natrium. Direkt unterhalb der äußeren Oberfläche wurden gezielt Aluminiumsalze angereichert, die bei der Flüssigkeitsaufnahme mit in das dreidimensionale Gefüge des Superabsorbers hinein transportiert werden und dort durch Kapillareffekte für eine gleichmäßige Verteilung der Flüssigkeit und eine optimale Nutzung der inneren Oberflächen sorgen. Das Ergebnis: Die Oberfläche und damit der Babypo sind trocken! Auf einen Blick Das neue XPS-System der AQura Intensität [cps] C 1s 18 16.000 14 12.000 10 8.000 6 4.000 294 288 282 Al 2p Intensität [cps] 2.200 2.000 1.800 1.600 1.400 1.200 1.000 800 600 80 76 72 68 Intensität [cps] O 1s 32.000 28 24.000 20 16.000 12 8.000 538 534 530 Na 1s Intensität [cps] 80.000 70 60.000 50 40.000 30 20.000 1.075 •Drei Kammern mit massenspektrometrischer Über wachung des Vakuums; 10–6 bis 10–7 Millibar in den Vorkammern, 10–8 bis 10–10 Millibar in der Haupt kammer. Mikrofokussierbarer Röntgenspot, sodass sich der Analyseort exakt positionieren lässt •Mögliche Messbereiche zwischen 1 mm und 10 µm, Standardspots bei 200 µm und 900 µm; SmallSpot-Analysen bis hinunter zu 20 µm möglich; chemisches Element-Mapping zum Teil mit noch höherer lateraler Auflösung •Hohe Energieauflösung im Röntgenmonochroma tor-Betrieb •Hohe Empfindlichkeit ermöglicht es, schnelle Über sichtsspektren zu erstellen und auch Spurenunter suchungen wirtschaftlich durchzuführen •Mit verschiedenen Techniken lässt sich eine elek trische Aufladung einer Probe kompensieren •Gasreaktionszelle für kontrollierte Oxidations- bzw. Reduktionsvorbereitung, zum Beispiel von Kataly satoren •Winkelaufgelöste Messungen zur Steigerung der Oberflächenspezifität für Polymeruntersuchungen •Flüssigkeitsinjektionssystem mit Cryohalter zum Schockgefrieren flüchtiger bzw. sehr empfindlicher Proben unter Inertgas, gefolgt vom Transfer in die eigentliche Spektrometerkammer 1.069 Dr. Peter Albers leitet das standortübergreifende Kompetenzzentrum Elektronenmikroskopie und Ober flächenanalytik der AQura GmbH in Hanau-Wolfgang und Marl. Peter Albers studierte Chemie an der West fälischen Wilhelms-Universität Münster. Nach einem einjährigen Forschungsstipendium an der University of Birmingham (England) und Forschungsarbeiten in Frankreich (Institut Laue-Langevin/ILL, Grenoble) und England (Atomic Energy Research Establishment/ AERE, Harwell) promovierte er 1985 an der Universität Münster. Seit 1986 ist er Mitarbeiter im Bereich Analy tik von Evonik. Seine Arbeitsschwerpunkte umfassen die physikalisch-chemische Charakterisierung von Kata lysatoren für Großanlagen der industriellen Chemie, Chemiekatalysatoren, Autoabgas-und Brennstoffzellen katalysatoren, von industriellen Carbon Blacks, pyrogenen und gefällten Silicas sowie die Oberflächen- charakterisierung von Lacken, Polymeren, Gläsern, Keramiken und Papier. +49 6181 59-2934, peter.albers@aqura.de elements37 Ausgabe 4|2011 24 I NNOVATI ONS MANAGEMENT Corporate Foresight Strategischer Blick in das nächste Jahrzehnt Welche Trends prägen die Welt mittel- und langfristig? Welche relevanten Szenarien zeichnen sich ab? Und was hat das mit Evonik zu tun? Vor knapp einem Jahr hat Evonik unter der Regie der Creavis ein fünfköpfiges interdisziplinäres Team – das sogenannte Corporate-Foresight-Team – etabliert, das sich abseits vom laufenden Geschäft mit derartigen Fragen beschäftigt. Seine Aufgabe: neue „zukunftsrobuste“ Geschäftsfelder für Evonik zu identifizieren. „Eine Welt ohne Chemie ist nicht mehr vorstellbar“, sagt Teamleiter Dr. Bernhard Schleich. „Deshalb müssen wir wissen, wohin sich die Welt entwickeln könnte.“ Es geht jedoch nicht um wissenschaftlichen Ehrgeiz. „Wir wollen hier keine Grundlagenforschung betreiben“, betont Dr. Peter Nagler, Chief Innovation Officer von Evonik, „sondern wir streben vielmehr neue Lösungen mit neuen Technologien und Geschäftsmodellen an.“ Im Fokus: Megacitys und ihre Probleme elements37 Ausgabe 4|2011 Für das Jahr 2011 hat das Team Megacitys als Fokusthema definiert. „Der Trend der Verstädterung wird sich fortsetzen. Megacitys offenbaren sämtliche Zukunftsprobleme der Menschheit auf engstem Raum“, sagt Schleich. Dieses Fokusthema soll dazu dienen, keine Weltregion außer Acht zu lassen, da insbesondere die Schwellen- und Entwicklungsländer eine teils beachtliche Kaufkraftentwicklung aufweisen und einen potenziell riesigen Markt bieten. Über Miniszenarien zu drei fiktiven Megastädten der Zukunft hat das Team versucht, die Herausforderungen der großen Städte besser zu verstehen – von der Wasserversorgung über wachsenden Fleischkonsum, überlastete Transportwege und Klimaveränderungen bis zu Gesundheitsvorsorge, effizientem Bauen und Renovieren und einer alternativen Energieversorgung. Interessant für Evonik ist die Frage, welche Ideen sich daraus hervorbringen lassen – ganz gleich, ob man über Mobilität, Gesundheit, Ernährung oder Energie nachdenkt. Hier verzahnen sich soziale, geografische und naturwissenschaftliche Entwicklungen. Schleichs Kernteam deckt darum auch unterschiedliche Disziplinen ab: Chemie, Physik, Politik-, Wirtschafts- und Materialwissenschaft. Seit dem Start von Corporate Foresight „haben wir schon rund 50 neue Ideen entwickelt“, stellt Schleich INNOVATIONS MANAGEMENT 25 Interview „Forschung braucht Leidenschaft“ Am 1. Juli 2011 hat Dr. Peter Nagler zusätzlich zu seiner Position als Leiter Corporate Innovation Strategy & Management die neu geschaffene Funktion des Chief Innovation Officers von Evonik übernommen. elements sprach mit ihm über Aufgaben, Ziele und Zukunftsszenarien. Sie sind gerade aus Japan zurückgekommen. Haben Sie die Reise als Chief Innovation Officer von Evonik unternommen? Ja, wir haben zum ersten Mal in Japan, genauer in Tokio, unser bewährtes Wissenschaftsforum Evonik Meets Science abgehalten. Dabei stand natürlich der Kontakt zur japanischen Akademia im Mittelpunkt – ein weiterer Baustein, um unser Innovationsnetzwerk in Asien auszubauen. Wie verstehen Sie überhaupt Ihre neue Rolle? In einem Spezialchemieunternehmen ist Innovation unerlässlich, und dafür möchte ich mich einsetzen. Die Frage ist, wie wir diesen Inno vationsprozess organisieren. In einem dezentralen Konzern wie Evonik braucht man für die interne und externe Steuerung des Innovationsprozesses eine Person, die diesen Prozess repräsentiert und die man ansprechen kann. heraus. Diese Ideen gilt es zu beobachten, weiterzuentwickeln und zu evaluieren. Dazu gehört auch der kritische Blick, ob sich die Weiterverfolgung lohnt. Dieses Monitoring leisten Betreuer in den Geschäftsbereichen, die dann im Zweifelsfall auch aufs Bremspedal treten. „Man muss Schluss machen, bevor man sich in eine Sackgasse verrennt“, sagt Schleich. „Der rechtzeitige Stopp kann sogar helfen, die Kompetenzbasis zu verbreitern.“ Mit dem Corporate-Foresight-Team hat Evonik eigene methodische Kompetenz im Bereich Zukunftsforschung aufgebaut – von der Trend- bis hin zur strategischen Szenarioanalyse. Diese Kompetenz wird themenspezifisch ergänzt durch das Know-how der Geschäftsbereiche, des Servicebereichs Verfahrenstechnik & Engineering, der Creavis und externer Fachleute. „Unser Ansatz versucht nicht, wie oft üblich, neues Wachstumspotenzial über eine Technologie zu erschließen, sondern nähert sich von der anderen Seite: Es wird danach gefragt, wo welcher Bedarf in Zukunft entsteht und welche Herausforderungen es zu lösen gilt“, erklärt Schleich. „Dabei sind bewusst alle Ideen erlaubt – von neuen Geschäftsmodellen mit bestehenden Produkten bis hin zur Entwicklung neuer Technologien.“ 777 Sind Sie damit das Gesicht von Evonik in puncto Forschung und Innovation? (Zögert.) Ja, theoretisch schon, obwohl ich es so drastisch nicht ausdrücken würde. Aber wenn es darum geht, konzernweit Innova tionsprozesse und Innovationskultur zu fördern, läuft einiges über meinen Tisch. Allerdings ist Innovation in einem globalen Konzern kein Einpersonenstück, sondern die Aufgabe aller Mitarbeiter, und sie lebt ganz stark vom Teamgedanken. Gibt es Vorbilder für die Funktion eines Chief Innovation Officers? Ja, aber die unterscheiden sich erheblich voneinander. Betrachten Sie allein die chemische Industrie: Manche Unternehmen favorisieren eine zentrale Forschung. Evonik setzt auf eine dezentrale Orga nisation, von der auch ich persönlich überzeugt bin, weil sie kundenorientiert, marktnah und schnell ist. Zwischen diesen beiden Polen zentral – dezentral gibt es zahlreiche Modelle, wie Forschung strukturiert wird. Welche zusätzlichen Aufgaben kommen als Chief Innovation Officer überhaupt auf Sie zu? Evonik will wachsen, und meine Aufgabe ist es, diese Wachstumsstrategie durch eine darauf abgestimmte Innovationsstrategie zu unter stützen. Entscheidend ist dabei ein übergreifender Ansatz, denn Inno vation ist vielfältig. Sie schließt Technologien und Prozesse ebenso ein wie Geschäftsmodelle und die Ausbreitung in unterschiedliche Regionen. Welche sind denn die wesentlichen Eckpunkte einer Innova tionsstrategie für Evonik? Evonik will attraktive Wachstumsmärkte bedienen und richtet sich an den drei Megatrends Ressourceneffizienz, Gesundheit und 333 elements37 Ausgabe 4|2011 26 I NNOVATION SMANAGEMENT Interview Dr. Peter Nagler, Chief Innovation Officer von Evonik 333 Ernährung sowie Globalisierung von Technologien aus. Daran orientiert sich natürlich auch die Forschung. Beispielsweise forschen wir intensiv an der Nutzung von Biotechnologie und dem Einsatz nachwachsender Rohstoffe. Ein Großteil der Forschung, derzeit rund 85 Prozent, findet in den Geschäftsbereichen statt. Das zentrale Innovation Management bündelt die längerfristigen strategischen Themen; das passiert in der Creavis. Innovation hat aber noch weitere Facetten: neue Methoden, neue Partnerschaften, Ausbau unseres Netzwerkes in globaler Hinsicht, Förderung einer Innovationskultur. Beginnen wir mit den neuen Methoden. Worauf legen Sie hier den Schwerpunkt? Wir beschäftigen uns mit neuen Methoden, um zu neuen Ideen zu kommen, wobei wir ganz klar vom Marktbedürfnis ausgehen. Aus den so gewonnenen Ideen gilt es dann, die besten herauszufinden und sie systematisch voranzutreiben. Beispielsweise haben wir im Konzern einen Idea-to-Profit-Prozess etabliert, in dem wir ganz stringent Ideen und Projekte erfassen und mit dem wir Best-PracticeErfahrungen aus anderen Projekten konzernweit nutzen können. Aber: Die Märkte ändern sich stetig und wir müssen deshalb auch unsere Methoden und Innovationsprozesse permanent hinterfragen und anpassen. Und wir wollen verstehen, welche Anforderungen in einem 10- bis 15-Jahres-Zeitraum an den Märkten entstehen könnten und welche Möglichkeiten für neue Geschäfte sich daraus ableiten lassen. Deshalb haben wir innerhalb der Creavis eine Gruppe gegründet, die sich mit Corporate Foresight, also mit Zukunftsforschung, befasst. Das heißt, mit Corporate Foresight verfolgt Evonik den Ansatz, sich von bereits laufenden Themen völlig zu lösen? Richtig. Bei Corporate Foresight haben wir uns von der Frage leiten lassen, wie wir zu neuen Themen kommen. Aber auch hier haben wir bewusst die Geschäftsbereiche eingebunden, um so eine hohe Akzeptanz für diesen neuen strategischen Ansatz zu erreichen und einen engen Austausch herzustellen. Aber doch abgelöst vom Kerngeschäft der Geschäftsbereiche? Wir haben uns zum Start von Corporate Foresight nicht gefragt: Was können wir?, sondern: Wie könnte sich die Welt entwickeln, unter Berücksichtigung aller ökonomischen, sozialen, ökologischen, politischen und technologischen Faktoren, und was bedeutet das für Evonik? Ganz klar, dabei ging es um Ideen jenseits unserer Geschäfts felder. Dabei haben wir einige Gebiete „entdeckt“, in denen wir heute nicht aktiv sind. elements37 Ausgabe 4|2011 Aber sein wollen? Das gilt es jetzt zu bewerten. Aufgabe von Corporate Foresight ist es, laufend neue Ideen zu kreieren und Entscheidungen vorzubereiten, in welche Bereiche wir möglicherweise gehen wollen. Wobei es hier um die großen Potenziale geht, bildlich gesprochen um die LithiumIonen-Batterie des Jahres 2020. Und da wollen wir dabei sein! Wir haben aber auch die zarten Pflänzchen im Blick und wollen verstärkt neue, für uns interessante Ideen aufgreifen, die von jungen Start-upUnternehmen entwickelt werden, und suchen nach Modellen, solche Unternehmen über Corporate-Venturing-Partnerschaften zu unterstützen. Wie will Evonik seine globale Ausrichtung im Bereich Forschung und Entwicklung weiter vorantreiben? Die chemische Industrie wird in den nächsten Jahren nicht nur in Deutschland wachsen. Die Märkte entwickeln sich in anderen Regionen, in denen es ebenfalls hervorragende Hochschulen und entsprechend hervorragende Wissenschaftler gibt. Das müssen wir für den Konzern nutzen. Wir brauchen eine Innovationslandschaft im Konzern, in der wir über gut aufgestellte, aufeinander abgestimmte Kompetenzzentren in strategisch wichtigen Wachstumsregionen verfügen. Ein Schritt ist der Aufbau des Projekthauses „Light and Electronics“ in Taiwan. Die gezielte Förderung von Unternehmertum und Innovations kultur steht ebenfalls auf Ihrer Agenda. Worauf kommt es Ihnen dabei an? Darauf, Ideen mit dem Mut zum Risiko anzupacken. Dazu gehört eine Fehlerkultur, die diese Risikobereitschaft und den Mut zum Querdenken fördert. Forschung braucht Freiräume, damit man über den eigenen Tellerrand schauen kann. Und Forschung braucht Leidenschaft. Aber irgendwann sollen Ideen auch Umsatz bringen. Natürlich. Innovation bedeutet ja nicht Elfenbeinturm oder Chaos. Wir arbeiten nach einem Innovationsmanagementprozess, nach dem wir, oft in enger Zusammenarbeit mit unseren Kunden, Ideen finden, bewerten, priorisieren und schließlich abarbeiten, und in dem wir uns permanent die Fragen stellen: Machen wir es richtig? Sind wir weitergekommen? Und machen wir es richtig? Wird Evonik in der Öffentlichkeit als innovatives Unternehmen wahrgenommen? Ich glaube, ja. Die Projekthäuser und die Science-to-Business-Center gelten als Benchmark in der Industrie; wir werden von anderen Unter nehmen oft darauf angesprochen. Vom nordrhein-westfälischen Wissenschaftsministerium sind die Science-to-Business-Center kürzlich als „Ort des Fortschritts“ ausgezeichnet worden. Die „Areas of Competence“, in denen wir unterschiedliche Technologien zu einem Thema bündeln, sind ein unübersehbares Differenzierungsmodell gegenüber dem Wettbewerb. Aber natürlich können wir immer und überall noch besser werden. Zum Beispiel? Wir haben sicher Nachholbedarf in einigen Regionen, was unsere Wahrnehmung als innovatives Unternehmen angeht. Dort müssen wir uns stärker positionieren, damit wir als interessantes Unternehmen gelten, in dem Forschung einen hohen Stellenwert genießt. 777 N e ws 27 Grundsteine für zwei Innovationszentren in Essen gelegt Dr. Klaus Engel, Vorstandsvorsitzender von Evonik Industries, hat am Standort Essen die Grundsteine für zwei Forschungs-und-Ent wicklungs-Zentren gelegt: eines für neue, umweltfreundliche Additive und Spezial bindemittel für die Lack- und Farbenindustrie und ein zweites für innovative und nachhaltige Produkte für die Kosmetikindustrie. Ins gesamt wird der Konzern rund 31 Millionen E in beide Gebäudekomplexe investieren. Das Innovationszentrum für die Lack- und Farbenindustrie soll Ende 2012 fertiggestellt werden, das für die Kosmetikindustrie An fang 2013. Dadurch werden insgesamt mehr als 180 Mitarbeiter in eine neue, moderne Arbeitsumgebung umziehen können. „Die Lack- und Farbenindustrie sowie die Kosmetikindustrie sind starke Marktsegmen te, die wir hier am Standort Essen mit viel Erfahrung und Innovationskraft bedienen“, sagte Engel. „Die beiden Innovationszentren werden uns nicht nur Spielraum für For schung und Entwicklung bieten. Sie sollen außerdem unsere Wettbewerbsfähigkeit und Marktposition stärken. Wir wollen damit ein klares Zeichen für nachhaltiges Wachstum und kundenorientiertes Handeln setzen.“ Die Lack- und Farbenindustrie ist ein wichtiger Markt für den Geschäftsbereich Coatings & Additives. Hier ist Evonik einer der bedeutenden Hersteller von Bindemitteln, Pigmenten, Vernetzern, Farbpasten, Mattie rungsmitteln und Additiven. Auf der Suche nach neuen Lösungen und Produkten werden gut 90 Mitarbeiter in dem ersten, rund 5.000 Quadratmeter großen Innovationszentrum forschen – mit einem besonderen Fokus auf Umwelt und Ressourceneffizienz. Die Gesamtkosten des Gebäudes liegen bei etwa 14,4 Millionen E . In dem zweiten Innovationszentrum mit ebenfalls gut 5.000 Quadratmetern werden Gewappnet für neue Herausforderungen der Märkte künftig neue zukunftsorientierte Produkte für die Kosmetikindustrie entwickelt. Die Gesamtkosten des Gebäudes liegen bei rund 16,6 Millionen E. Der Geschäftsbereich Con sumer Specialties von Evonik stellt unter anderem kosmetische Roh- und Wirkstoffe, Emulgatoren, kosmetische Öle, Konditionier mittel oder auch Performance-Additive wie Verdicker her. „Evonik ist es wichtig, bei beiden Neu bauten auf Nachhaltigkeit und ökologische Verträglichkeit zu achten. Wir sehen uns dabei Hand in Hand mit Kunden aus der Kon sumgüterindustrie, die sich zunehmend über den Nachhaltigkeitsgedanken differenzieren“, erklärte Engel. Bieten auf jeweils 5.000 Quadratmetern Platz für je rund 90 Mitarbeiter: das neue Innovationszentrum für die Lack- und Farbenindustrie (links), das Ende 2012 in Betrieb geht, und das Innovationszentrum für die Kosmetikindustrie (rechts), das Anfang 2013 fertiggestellt sein wird Anlage für Produkte für Kleb- und Dichtstoffe geplant Evonik Industries wird in Marl eine Anlage zur Herstellung von funktionalisiertem Poly butadien bauen. Dieses flüssige Polybutadien (HTPB) findet hauptsächlich in Dichtmassen für Isolierglasfenster sowie in Klebstoffen für den Fahrzeugbau Verwendung. Mit der Anlage, die im Herbst 2012 in Betrieb gehen soll, wird Evonik erstmals auch hydroxylfunkHTPB wird unter anderem in Dichtmassen für Isolierglasfenster verwendet tionalisiertes Polybutadien seinen Kunden in der Kleb- und Dichtstoffindustrie anbieten können. Evonik wird HTPB unter dem Marken namen POLYVEST® HT vermarkten und er gänzt damit seine Produktpalette der Poly butadiene um eine weitere funktionalisierte Variante. Das Unternehmen ist bereits heute ein bedeutender Hersteller flüssiger unfunktionalisierter Polybutadiene. Dr. Ulrich Küst hardt, Leiter des Geschäftsbereichs Coatings & Additives, sagte: „Aufgrund unserer langjährigen Erfahrung bei der Produktion von Polybutadien und unserer Kundennähe im Kleb- und Dichtstoffmarkt sehen wir gute Chancen für einen erfolgreichen Eintritt in den HTPB-Markt.“ Doppel- und Dreifachverglasung im Fens terbau, bei denen hydroxylfunktionalisiertes Polybutadien für die Dichtmassen genutzt wird, sorgen für eine verbesserte Isolierung im Hausbau. In Klebstoffen für den Fahrzeug bau, die unterschiedliche Materialien und Composites miteinander verkleben, trägt HTPB dazu bei, Kunststoffe im Automobilbau effizient und sicher einsetzen zu können. Die Gewichtsreduktion der Fahrzeuge durch den vermehrten Einsatz von Kunststoff führt zu einem geringeren Kraftstoffverbrauch. elements37 Ausgabe 4|2011 28 N e ws Honorarprofessur für Dr. Stefan Buchholz Dr. Stefan Buchholz, Leiter Innovation Mana gement des Geschäftsbereichs Advanced Intermediates, ist zum Honorarprofessor der Universität Stuttgart bestellt worden. Vor sechs Jahren hatte Buchholz auf Einladung der Hochschule begonnen, regelmäßig Vor lesungen an der Universität zu halten. Dieses ehrenamtliche Engagement ist jetzt mit der Professur honoriert worden. Buchholz hatte seine Vorlesungsreihe mit Vorträgen zur industriellen Biotechnologie begonnen und lehrt seit drei Jahren zum Thema „Industrielle organische Chemie“. „Die Vernetzung von Hochschulforschung mit unserem Unternehmen ist ein wichtiger Baustein in unserer Forschungs- und Ent wicklungsstrategie“, erklärte Prof. Buchholz. „Wir können damit Beiträge dazu leisten, dass sich Lehre und Forschung an den Hochschulen stärker an den Erfordernissen der Industrie ausrichten. Wir pflegen den Austausch aber auch, um selbst neue Impulse für unsere Forschung zu bekommen. Hinzu kommt: Unsere Hochschulkontakte sind ein wichtiger Beitrag zum Employer Branding, mit dem wir Evonik als attraktiven Arbeitgeber für akademischen Nachwuchs positionieren.“ Buchholz trat 1993 in die damalige Degussa AG ein, wo er zunächst als Labor leiter in der Polymerforschung in HanauWolfgang tätig war. Nach zwei Jahren in der Produktion am Standort Antwerpen leitete er unter anderem die Projekthäuser Biotech nologie und ProFerm. Seit März 2008 ist er Leiter Innovation Management des Geschäfts bereichs Advanced Intermediates. Internationaler Umweltpreis für den Wind Explorer Das Elektrofahrzeug „Wind Explorer“ hat den internationalen Umweltpreis ÖkoGlobe 2011 gewonnen. Vor wenigen Monaten hatte das Fahrzeug eine rund 4.900 Kilometer lange Pionierfahrt durch Australien zurückgelegt – und dabei nur für rund zehn € Strom aus dem Netz benötigt. Bei der ÖkoGlobe-Verleihung in Karlsruhe wurde der Wind Explorer jetzt mit dem 1. Preis in der Kategorie ökologisches Konzeptfahrzeug ausgezeichnet. Der Wind Explorer ist 200 Kilogramm leicht und fährt mit einer Batterieladung rund 400 Kilometer. Ende Januar 2011 durchquerten die beiden deutschen Extremsportler Dirk Gion und Stefan Simmerer auf einer 17-tägigen Pionierfahrt Australien mit dem von Wind und Lithium-Ionen-Batterien angetriebenen Elektrofahrzeug. War die Batterie leer, konnten die Piloten die Akkus je nach Windsituation über eine mobile Windkraft anlage oder über das herkömmliche Strom netz aufladen. Windrad und ein sechs Meter hoher Teleskopmast aus Bambus waren in nerhalb einer halben Stunde aufgestellt. Evonik hat die Batterietechnologie geliefert, damit der aus Windkraft erzeugte Strom gespeichert werden konnte. Zusätzlich zum Windstrom wurde der Wind Explorer teilweise mit Kites angetrieben und erreichte so auf der rund 4.900 Kilometer langen Strecke von Albany am Indischen Ozean nach Sydney eine Höchst geschwindigkeit von rund 80 Kilometern pro elements37 Ausgabe 4|2011 Stunde. Nur in Ausnahmefällen wurde auf Strom aus herkömmlichen Quellen zurückgegriffen. Beim Bau ihres Elektromobils setzten die beiden Sportler auf ein bewährtes Leichtbau material: eine Sandwichstruktur aus Kohle fasergewebe und einem Strukturkern aus dem Polymethacrylimid(PMI)-Struktur schaum ROHACELL® von Evonik. Dieser Faserkunststoffverbund wird unter anderem in Flugzeugen, Hubschraubern, Zügen und Schiffen eingesetzt. Auch im Automobilbau ist er auf dem Vormarsch: Konstruktionen mit ROHACELL® ermöglichen Gewichtseinspa rungen gegenüber klassischen Stahlteilen. „Jedes Gramm eingespartes Gewicht hilft, den CO2-Ausstoß bei kraftstoffgetriebenen Fahrzeugen zu verringern bzw. bei den Elek trofahrzeugen der Zukunft die Reichweite zu erhöhen“, beschreibt Stefan Plass, verantwortlich für das ROHACELL® Geschäft, die Beweggründe für Entwicklungen für die Automobilindustrie. Eine weitere Möglichkeit, Treibstoff einzusparen, liegt in der Verringerung des Roll widerstandes der Reifen. Kautschukmischun gen sind dabei von besonderer Bedeutung. Auch hier zählt Know-how aus der Chemie. So gelingt es, die Mischung der Reifen so zu verändern, dass der Rollwiderstand und damit der Energieverbrauch spürbar gesenkt werden. Auf der Strecke durch Australien hat das dem Wind Explorer einige Hundert Kilo meter mehr gebracht. Ne ws 29 Nachhaltigkeitspreis der Chemie in Europa für Evonik Mit Superabsorbern gegen die Dürre – so lässt sich der Einsatz des Bodenhilfsstoffs STOCKOSORB® bei der Wiederaufforstung von Arganbäumen in Marokko beschreiben. Für diese Idee wurde Evonik nun vom europäischen Chemieverband Cefic mit dem Responsible Care Award in der Kategorie große Unternehmen ausgezeichnet. Dr. Klaus Engel, Vorstandsvorsitzender des Konzerns, sagte anlässlich der Preisverleihung in Madrid: „Der Preis zeigt: Nachhaltigkeit braucht innovative Ideen. Verantwortliches Handeln, also Responsible Care, ist für uns eine selbstverständliche Verpflichtung, die wir gewissenhaft wahrnehmen. Den Heraus forderungen der Zukunft wie Klimawandel und Ressourcenverknappung werden wir jedoch nur mit Kreativität und ungewöhnlichen Ideen begegnen können.“ Den Preis haben Annette zur Mühlen, Evonik-Expertin für innovative Lösungen in der Landwirtschaft, und Marie-Rose Chal houb, zuständig für den Verkauf des Produkts, während der Tagung des Weltchemiever bandes in Madrid Ende September entgegengenommen. Zusammen mit dem Institut Agronomique et Vétérinaire Hassan II in Agadir (Marokko) und lokalen Partnern hat Evonik untersucht, wie STOCKOSORB® die Überlebenschancen junger Arganbäume verbessert. Die vielfältigen Bäume versorgen die lokale Bevölkerung im Südwesten des Landes mit Holz, Viehfutter und Öl. Sie wachsen in sehr trockenen Regionen, doch der Baum bestand ist deutlich geschrumpft. Die Ver suche haben gezeigt, dass durch den Einsatz der superabsorbierenden Polymere die Über lebenschancen von Setzlingen deutlich steigen. STOCKOSORB® nimmt ein Vielfaches des eigenen Gewichts an Wasser auf und gibt es an die Pflanzen nach Bedarf ab. Je nach Versuchsaufbau und Umweltbedingungen verbesserten sich die Überlebenschancen der Pflanzen um 45 bis 150 Prozent. Weitere Versuchsreihen in Marokko werden derzeit vorbereitet. Der Responsible Care Award ist der Nachhaltigkeitspreis von Cefic, der Vereini gung der chemischen Industrie in Europa. Gewürdigt werden Projekte, die den Koope rationsgedanken hervorheben, sich um Ener gieeffizienz und Klimaschutz kümmern, herausragend sind unter den Aspekten Gesund heit, Sicherheit und Umwelt sowie den Wert von Responsible Care fürs Geschäft verdeutlichen. Mit der Initiative Responsible Care, die auch Evonik unterstützt, bekennt sich die chemische Industrie zu Grundsätzen einer nachhaltigen Entwicklung. Die Mandeln der Arganfrucht liefern das hochwertige Arganöl. Es enthält einen hohen Anteil ungesättigter Fettsäuren und wird in der Gastro nomie und Schönheitspflege angewendet F&E-Center in Schanghai wird erweitert Evonik Industries plant, sein F&E-Center in Schanghai Xinzhuang für rund 18 Millionen € zu vergrößern. Die Erweiterung beinhaltet die Errichtung eines viergeschossigen F&EGebäudes mit einer Grundfläche von mehr als 10.000 Quadratmetern. Das neue Gebäude soll Mitte 2013 eingeweiht werden. Es ist die dritte Erweiterung des F&ECenters in Schanghai seit seiner Eröffnung 2004. „Der rasch wachsende Bedarf an For schungseinrichtungen in Schanghai spiegelt unseren Fokus auf ‚Innovation in China für China‘ wider, einen unserer Haupterfolgs faktoren für unser Wachstum in Asien und insbesondere in der Region Greater China“, erläuterte Dr. Dahai Yu, Vorstandsmitglied von Evonik Industries. Als eines der weltweit führenden Unter nehmen in der Spezialchemie legt Evonik auch in der Region Greater China großen Wert auf Innovation und Kundennähe. Neben den anwendungstechnischen Laboratorien an verschiedenen Standorten spielt das F&ECenter in Schanghai Xinzhuang dabei eine Schlüsselrolle. „Indem wir die F&E-Kapa zitäten vor Ort weiter ausbauen, erweitern wir auch unsere Aktivitäten. Zusätzlich zum technischen Service werden wir uns deutlich intensiver mit Produktentwicklung beschäftigen“, so Dr. Hans-Josef Ritzert, President Evonik Greater China Region. Nach der Erweiterung wird das F&E-Center über insgesamt 35.000 Quadratmeter Nutzfläche verfügen mit modernsten Laboratorien für Forschung, Entwicklung, Anwendungs technik und technischen Service. Von hier aus wird Evonik Kunden nicht nur in Greater China, sondern in ganz Asien mit technischem Service unterstützen und für sie neue Produktanwendungen erschließen. In dem neuen F&E-Gebäude werden zahlreiche Produkte von Evonik verbaut werden, unter anderem in den Außenwänden, der Balustrade, den Bodenbelägen in den Labors und in der Innendekoration. Das Gebäude soll damit auch eine Art Ausstel lungsobjekt sein, das Kunden und Besuchern den Nutzen der Produkte und Lösungen von Evonik in konkreten Anwendungsbeispielen zeigt. Darüber hinaus wird das neue F&E- Gebäude als erstes Gebäude von Evonik weltweit LEED-zertifiziert sein. LEED – Leadership in Energy & Environmental Design – ist ein Konzept für die energie- und umweltgerechte Planung und Errichtung von Gebäuden nach spezifizierten Standards, das negative Einflüsse von Bauwerken auf Nutzer und Umwelt deutlich reduziert. Mit der Intensivierung der Forschungs aktivitäten in der Region Greater China will Evonik nicht nur die Innovationstätigkeit vor Ort stärken, sondern auch die Zusammen arbeit mit chinesischen Forschungseinrichtun gen und das spezifische regionale Know-how weiter ausbauen. Schon heute veranstaltet Evonik in China einmal im Jahr das Wissenschaftsforum „Evonik Meets Science“, um mit chinesischen Wissenschaftlern über aktuelle Forschungs ergebnisse auf einem spezifischen Gebiet zu diskutieren. Darüber hinaus hat Evonik in China ein Scientific Advisory Board aufgebaut, das dem Wissensaustausch und der Kooperation mit führenden chinesischen Chemieforschern dient. elements37 Ausgabe 4|2011 30 coati n g & Bondi n g tec hn ologi e s In Areas of Competence bündelt Evonik konzernweit Know-how, Erfahrung und Technologie Dünn, aber oho! Hightech-Lacke und Beschichtungen sind komplexe Systeme und sichern Funktion und Langlebigkeit hochwertiger Produkte des Alltags. In der Area of Competence Coating & Bonding Technologies von Evonik wird die Entwicklung neuer Beschich tungssysteme, die nur durch das Zusammenspiel unterschied lichster Kompetenzen möglich sind, systematisch gesteuert. [ text Dr. Jens Busse, Dr. Björn Lazar, Dr. Wilfried Robers ] Detailwissen und fachspezifische Erfahrung sind unverzichtbar für die Entwicklung oder Verbes serung jedes chemischen Produkts. Gleichzeitig aber gilt: Wer auf lange Sicht erfolgreich sein will, muss seine Fähigkeiten kritisch hinterfragen, sich an die schnell verändernden Marktanforderungen anpassen und wichtige Trends voraussehen. Genau diese Absicht verfolgt Evonik mit seinen sogenannten Areas of Competence. Insgesamt sechs Areas of Competence (AoC) hat Evonik konzernweit aufgebaut. Dahinter verbergen sich Plattformen, auf denen Experten aus unterschiedlichsten Disziplinen und Geschäftsbereichen Know-how, Erfahrungen und Technologien bündeln und vernetzen. Dieser Ansatz rückt die im Konzern vorhandenen Ressourcen in den Mittelpunkt – Equipment, Wissen, Erfahrung, Prozesse, Organisation – und stellt sie allen Geschäftsbereichen zur Ver fügung. Eine AoC umfasst mehrere Kompetenzcluster, in denen Evonik besonders viel Know-how gesammelt elements37 Ausgabe 4|2011 hat und bereichsübergreifend einsetzt, um zusätz liche Synergien auszuloten und zu nutzen. Im Rahmen dieser Cluster treffen sich die jeweiligen Spezialisten regelmäßig, um Wissen und Erfahrung auszutauschen und Projekte voranzutreiben. Tech nologische Neuentwicklungen einzelner Bereiche werden beleuchtet, neue Ideen geboren. Mehrwert steht im Vordergrund Hinter Hightech-Entwicklungen stehen oft moderne Produkte der Chemie – auch wenn das für den Kunden auf den ersten Blick nicht ersichtlich ist. Was er allerdings wahrnimmt, ist der zusätzliche Nutzen, den er aus Produkten und Leistungen zieht. Der Weg hin zu innovativen Produkten, die alle Ansprüche des Kunden erfüllen, ist kein einfacher Weg: Die Märkte wandeln sich schnell, die technischen Anforderungen an Produkte steigen, Umwelt- und Klimaschutz, Ressourcen- und Energieeffizienz sind heute inhärente Anforderungen an eine nachhaltige Chemie. coatin g & Bond in g tec hn ologie s 31 Wie fest haftet eine Beschichtung? Die Antwort gibt der Gitterschnitttest: Die Beschichtung wird kreuzweise angeritzt, danach ein Klebeband aufgeklebt und wieder abgezogen. Die Zahl der abgerissenen Segmente gibt dann Aufschluss über die Haftfestigkeit In der AoC Coating & Bonding Technologies vereint Evonik das Konzern-Know-how über Lack- und Klebeformulierungen. Beschichtungen müssen heute umweltfreundlich, hochleistungsfähig und in ähn licher Formulierung weltweit verfügbar sein. Der Charme moderner Dünnschichttechnologie: Aus wenig Material entsteht ein Produkt mit hoher Wertschöpfung und zusätzlichem oder ganz neuem Nutzen für den Kunden. Jeder Lack, jede Beschichtung und auch viele Klebstoffanwendungen basieren auf Dünnschichttechnologie. Die Chemie stellt heute eine große Vielfalt an Materialien und Schichtsystemen bereit. Bei Evonik machen Produkte für die Dünnschichttechnik mittlerweile rund 17 Prozent des Umsatzes aus. Dünne Schichten sind nicht nur ein Gewinn für Kunden und Anwender, sie unterstützen auch die Megat rends Ressourcenschonung und Energie effizienz, indem sie zu CO2-Minderung sowie Langlebigkeit und Nachhaltigkeit der damit geschützten Materialien beitragen. Kaum eine Oberfläche ohne Beschichtung Oberflächen moderner Materialien und Produkte tragen nahezu immer eine Beschichtung. Beispiele dafür sind Isolierglas, Textilien, Verpackungen, Photovoltaikmodule oder Geräte der Informations- und Unterhaltungselektronik. Manche Schichten erhöhen die Lebensdauer eines Produkts, beispielsweise gilt das für die Antikratzbeschichtung des HandyDisplays. Oberflächen wie das Armaturenbrett im Pkw erhalten durch Beschichtung eine ansprechende Haptik. Auf Industriemaschinen oder Bauteilen hemmt die Schutzschicht die Korrosion. Beschichtungen von Schiffsrümpfen wehren organischen Besatz ab und senken damit den Treibstoffverbrauch der Transporte. Die vielfältigen Anforderungen können nur durch Bündelung unterschiedlicher Kompetenzen adressiert werden. So erfordert die Herstellung von laser markierbaren transparenten Polymeren das 333 elements37 Ausgabe 4|2011 32 coati n g & Bond in g te c hn ologi e s Schema eines thermoelektrischen Generators, mit dem sich unter anderem aus heißen Autoabgasen, Wärmetauschern oder Heizungsanlagen Energie gewinnen lässt. Evonik sucht mithilfe der Dünnschichttechnologie nach neuen Produktionsrouten für derartige Generatoren Heiße Seite (Wärmezufuhr) Hüllschicht + Thermoelemente Metallkontakte Kalte Seite (Wärmeabfuhr) – Elektrischer Anschluss Heiße Seite (Wärmezufuhr) Wärmestrom Kalte Seite (Wärmeabfuhr) Mit dem Smart Coater, der im Rahmen des Projekts HighTEG genutzt wird, lassen sich Schichten mit neuen Funktionalitäten erzeugen 333 Know-how für die Modifizierung von Partikel- strukturen und Partikeloberflächen, gleichzeitig aber Wissen über eine optimale Dispergierung von Ultrafeinpartikeln in einer Polymermatrix und nicht zuletzt viel Erfahrung bei der Formulierung von Polymercompounds. Ähnliches gilt für kratzfeste Beschichtungen. Mit Additiven der AERODISP®-Serie verleihen Lackhersteller ihren Produkten hohe Kratzfestigkeit. Das Geheimnis der Formulierung sind ultrafeine anorganische Partikel, gleichmäßig suspendiert in einer organischen Matrix. Sie schützen Fahrzeugoberflächen, Displays oder Bauteile zuverlässig vor mechanischen Einflüssen. Auch hierfür bündelte Evonik die Kompetenz unterschiedlichster Bereiche – die der Geschäftsbereiche Coatings & Additives, Inorganic Materials und Consumer Specialties ebenso wie die des Servicebereichs Verfahrenstechnik & Engineering –, die ihr Wissen zur Herstellung submikroskopischer Partikel, zur Formulierung, Dispersion und Additivierung zusammenführten. Dieses Wissen hat Evonik mit dem Erwerb der hanse-chemie gruppe bzw. der Tochtergesellschaft nanoresins AG weiter verstärkt. Damit verfügt der Geschäftsbereich Coating & Additives nun auch über Technologie-Know-how bei flüssigen Nanocompo sites auf Basis extrem feinteiliger Kieselsäure. Nanocomposites werden in Lacken und Farben haupt sächlich eingesetzt, um deren Oberflächenhärte zu verbessern und so eine erhöhte Kratzfestigkeit ohne Transparenzverlust zu erzielen. Korrosionsschutz ist unverzichtbar Eine große Bedeutung haben Beschichtungssysteme, die vor Korrosion schützen. Wenn Brücken, Bohrplattformen, Schiffsrümpfe oder Windkraftanlagen korrodieren, sind nicht nur ihre Funktion und Sicherheit gefährdet – Korrosion ist vor allem auch teuer. Der volkswirtschaftliche Schaden liegt allein in Deutschland bei jährlich schätzungsweise 50 Milliarden E. Daher arbeiten Forscher aus unterschiedlichen Geschäftsbereichen gemeinsam an der Entwicklung von Lösungen zum wirksamen Korrosionsschutz. Beispielsweise wurden neue Bindemittelsysteme mit hohem Feststoffgehalt entwickelt, die auf SilikonEpoxy-Hybridtechnologie beruhen. Sie zeichnen sich durch geringe Emissionen, große Hitzestabilität, Witterungsbeständigkeit und optimale Wirkung gegenüber korrosiven Einflüssen aus. Viele der Kompetenzcluster der AoC Coating & Bonding haben Berührungspunkte zu anderen Areas of Competence, bei der Vernetzung zu „Inorganic Particle Design“, bei den Bindemitteln zu „Designing elements37 Ausgabe 4|2011 coatin g & Bondi n g tec hn ologi e s 33 with Polymers“, bei den Additiven zu „Interfacial Technologies“ und bei der Entwicklung neuer Lackrohstoffe zu „Biotechnology“. In einer gemeinsamen jährlichen Veranstaltung von AoC, dem Service bereich Verfahrenstechnik & Engineering und der Creavis tauschen die Evonik-Experten Erfahrungen mit externen Fachleuten aus dem akademischen Bereich und der Industrie aus. Dieser Austausch dient der Netzwerkbildung und fokussiert neue Trends und Entwicklungen bei Prozessierung und Funktiona lisierung dünner Schichten. Dünnschichttechnologie ermöglicht neue funktionale Bauteile Dünne Schichten versprechen nicht nur Schutz, Langlebigkeit, ansprechende Optik und Haptik. Dünnschichttechnologie ist auch ein wesentlicher Schlüssel für die Entwicklung ganz neuer funktionaler Bauteile. Der Servicebereich Verfahrenstechnik & Engineering verfügt am Standort Hanau über ein Technologiezentrum für funktionale Schichten, das für die Lösung praxisnaher Fragen der Beschichtungstechnologie prädestiniert ist. Ein Expertenteam untersucht dort erfolgreich zahlreiche Fragestellungen im Konzern, die von der Beschichtungsformulierung bis hin zur Qualitätssicherung der erzeugten Schichten reichen. Neuester Bestandteil des Zentrums ist der sogenannte Smart Coater, mit dem Schichten mit neuen Funktionalitäten erzeugt und optimiert werden können. Genutzt wird er im Rahmen des vom Bundeswirtschaftsministerium geförderten Projekts HighTEG (FKZ 0327863B), in dem Evonik-Experten derzeit einen Weg für die Erzeugung neuartiger thermoelektrischer Generatoren entwickeln. Thermoelektrische Generatoren werden bei der Stromerzeugung aus Abwärme eingesetzt, beispielsweise zur Energiegewinnung aus heißen Autoabgasen, Wärmetauschern oder Heizungsanlagen. Ziel des Projekts ist die Entwicklung eines kostengünstigen Herstellungsprozesses zur Massenproduktion dünner und flexibler thermoelektrischer Generatoren. Dafür untersuchen Spezialisten der Creavis und des Servicebereichs Verfahrenstechnik & Engineering verschiedene Produktionsrouten wie z. B. das Drucken dünner Halbleiterschichten in und auf flexible Trägermaterialien. Der Smart Coater ist flexibel und kompakt und kann dank seiner unterschiedlichen Auftragssysteme und Trocknerzonen, Sinterstrecke und Kaschiereinheit reale Serienproduktion simulieren. Schnell und flexibel auf neue Aufgabenstellungen reagieren – das ist nicht nur ein Anspruch, den die Maschinen erfül- len müssen. Das gilt auch für alle beteiligten Wissenschaftler. Die AoC mit ihrem bereichsübergreifenden Ansatz machen Entwicklungen schneller und kompetenter und öffnen neue Märkte, die einzelne Geschäftsbereiche allein aus eigener Kraft nur schwer öffnen können. Nur wer seine Kompetenzen kennt, pflegt und nutzt, kann sie auf neue Märkte über tragen und Kundenwünsche erfüllen. Denn in der Chemie gilt wie in anderen Branchen auch: Wenn der Kunde feststellt, dass er für vermeintliche Kompetenz bezahlt, aber nur Mittelmaß bekommt, sinkt seine Bereitschaft zu weiterer Zusammenarbeit und der Geschäftserfolg währt nur kurz. 777 Dr. Jens Busse ist seit 2009 im Science-to-Business Center Eco² Leiter der Entwicklungslinie dezentrale Energieerzeugung. Nach dem Studium des Maschinen baus und der Verfahrenstechnik an der Ruhr-Universität Bochum und anschließender Promotion auf dem Gebiet der Prozesssynthese startete er 2001 seine berufliche Laufbahn bei Evonik als Prozessingenieur im Service bereich Verfahrenstechnik & Engineering mit den Themenschwerpunkten Trainingssimulation und Ener gieoptimierung von Standorten. +49 2365 49-86509, jens.busse@evonik.com Dr. Björn Lazar ist seit Anfang 2008 als wissenschaftlicher Angestellter im Servicebereich Verfahrenstech nik & Engineering bei Evonik tätig. Dort beschäftigt er sich insbesondere mit Beschichtungsfragestellungen wie der Prozessierung dünner funktionaler Schichten für den Displaybereich. Sein Chemietechnikstudium absolvierte er an der Technischen Universität Dort mund; die anschließende Promotion auf dem Gebiet der Nanopartikelsynthese in Mikroemulsionen hat er am Max-Planck-Institut für Dynamik komplexer technischer Systeme in Magdeburg durchgeführt. +49 2365 49-19164, bjoern.lazar@evonik.com Dr. Wilfried Robers organisiert als Sprecher der Area of Competence (AoC) Coating & Bonding Technolo gies von Evonik geschäftsbereichsübergreifend die Zusammenarbeit, den Informationsaustausch und die gemeinsame Marktbearbeitung für den Lack- und den Klebstoffmarkt. Er ist außerdem Vorsitzender des Konzernsprecherausschusses der Evonik Industries AG und Landesgruppenvorsitzender des VAA (Verband der akademischen Angestellten). Nach dem PhysikDiplom in Münster 1984 promovierte Robers in der Abteilung Laserchemie am Max-Planck-Institut für Quantenoptik in Garching. 1989 fing er bei der damaligen Hüls AG in Marl als Laborleiter in der Analytik an. Es folgten Stationen als Anwendungstechniker, im Controlling und als Leiter einer Produktlinie zur Her stellung und Vermarktung von Lackpolyestern, bis er 2005 seine jetzige Aufgabe als AoC-Sprecher übernahm. +49 2365 49-9537, wilfried.robers@evonik.com elements37 Ausgabe 4|2011 34 RE S SOURCENEFFI Z I ENZ Für die Gasreinigung entwickelt Evonik maßgeschneiderte Amine als hocheffiziente Absorbenzien Evonik sagt sauren Gasen den Kampf an elements37 Ausgabe 4|2011 RE S SOURCENEFF I Z IENZ 35 Die Abtrennung störender Inhaltsstoffe aus großen Gasströmen ist Alltagsgeschäft für Energieerzeuger und Chemieunternehmen. Spezialisten bei Evonik haben jetzt aminbasierte Systemlösungen entwickelt, die eine Reinigung von Synthese- und Erdgas effizienter und kostengünstiger machen. [ text Dr. Jörn Rolker, Dr. Matthias Seiler ] Erdgas gewinnt im globalen Energiegeschehen immer mehr an Gewicht. Denn der flüchtige Brennstoff vereint sowohl ökonomische als auch ökologische Vorzüge. Liberalisierte Energiemärkte erhöhen die Nachfrage nach kleineren und flexibleren Kraftwerken, die überwiegend mit Gas befeuert werden. Erdgas ist zudem preiswerter als Öl und kann in komprimierter oder verflüssigter Form über weite Strecken transportiert und einfach gespeichert werden. Gas gilt im Spektrum der fossilen Energien außerdem als relativ sauberer Vertreter, da bei der Verbrennung von Methan weniger Kohlendioxid entsteht als bei Öl oder Kohle. Die Internationale Energieagentur schätzt daher, dass bis 2035 der Gasverbrauch um 50 Prozent steigen und dann ein Viertel des weltweiten Energiemix ausmachen wird. Auch in Deutschland spielt Erdgas, beispielsweise als Energieträger in hocheffizienten Gas-und-Dampf-Kraftwerken, eine immer wichtigere Rolle. Ein zweiter – global gesehen – sehr bedeutender Gasstrom ist Synthesegas. Die Mischung aus den Hauptbestandteilen Wasserstoff und Kohlenmonoxid ist einer der wichtigsten Ausgangsstoffe für die chemische Industrie, die daraus Grundchemikalien wie Ammoniak, Methanol und Aldehyde herstellt. Evonik betreibt am Standort Marl eine Anlage zur Erzeugung und Aufbereitung für sogenanntes OXO-Synthesegas. Daraus produziert das Unternehmen Vorprodukte unter anderem für die Herstellung von Weichmachern für Kunststoffe. Sowohl für Erdgas wie auch für Synthesegas gilt: Sie enthalten nach der Förderung bzw. Herstellung nicht nur die gewünschten Inhaltsstoffe wie Methan oder Wasserstoff, sondern auch eine Vielzahl anderer Gase und Spurenstoffe. Im Erdgas sind neben Methan und anderen Kohlenwasserstoffen herkunftsabhängig je bis zu 30 Volumenprozent Kohlendioxid (CO2) und Schwefelwasserstoff (H2S) enthalten, außerdem geringere Mengen an Schwefel, Helium und Stickstoff. Synthesegas kann bis zu 30 Volumenprozent CO2 und geringere Mengen an H2S enthalten, außerdem eine Reihe anderer Schwefel- und Stickstoffverbindungen. Sowohl Kohlendioxid als auch Schwefelwasserstoff reagieren in Kontakt mit Wasser zu Säuren und sind dann eine Korrosionsgefahr für Pipelines, Pumpen, Verdichter und andere metallische Bauteile der Infrastruktur. Auch aus dem Synthesegas müssen CO2 und H2S bis auf Restgehalte von wenigen ppm entfernt werden. Sie führen selbst in geringen Konzentrationen bei nachfolgenden chemischen Prozessen zu unerwünschten Nebenreaktionen oder können die Katalysatoren vergiften. Mit wachsender Nachfrage wächst der Bedarf an energetisch effizienten und ressourcenschonenden Technologien zur Aufbereitung. Für die Aufreinigung großer Gasvolumina hat sich in der Praxis die Gaswäsche etabliert, bei der das Rohgas intensiv mit geeigneten Lösemitteln vermischt wird und saure Bestandteile gezielt absorbiert werden. Im Prinzip stehen zwei mögliche Wege offen: die Chemisorption und die physikalische Absorption. Bei der physikalischen Absorption lösen sich die Sauergase in einem Lösungsmittel wie beispielsweise Methanol und werden dadurch ausgetragen. Physikalische Methoden kommen vor allem dann zum Einsatz, wenn die Anteile der Sauergase relativ hoch liegen. Allerdings kommt es bei der physikalischen Wäsche zu unerwünschter Co-Absorption von längerkettigen Kohlenwasserstoffen, auch gelingt es in der Regel nicht, unerwünschte Begleitstoffe bis auf wenige ppm abzureichern. Die bessere Alternative ist daher meist die Chemisorption, bei der Absorbenzien saure Inhaltsstoffe selektiv ausschleusen. Als Mittel der Wahl haben sich schon seit Jahrzehnten verschiedene Amine etabliert. Amine sind günstig, lassen sich in großen Mengen herstellen, und anders als physikalische Absorbenzien reagieren sie als basische Moleküle schnell mit sauren Gasen. Rohgase müssen aufwändig gereinigt werden – Amine haben sich als Reinigungsmittel etabliert In der Praxis werden verschiedene Amintypen eingesetzt. Primäre Amine wie das Monoethanolamin (MEA), sekundäre Amine wie Diisopropanolamin (DIPA), Diglykolamin (DGA) oder Diethanolamine (DEA), aber auch tertiäre Amine wie etwa das Methyldiethanolamin (MDEA) kommen dabei zum Einsatz. Bei der Chemisorption reagiert das CO2 je nach Art des eingesetzten Amins zu Carbamaten oder Carbonaten, bei der Reaktion mit H2S wird das Absorbens protoniert und es bildet sich ein Hydrogensulfidion. Diese Reaktionen sind reversibel: Wird die Reaktionslösung aufgeheizt, lösen sich CO2 und H2S aus dem Molekülverbund und setzen das Absorbens wieder frei. 333 elements37 Ausgabe 4|2011 36 RE S SOURCENEFFI Z I ENZ Abbildung 1. Prinzip der chemischen Gaswäsche: Im Absorber werden CO2 und H2S durch Reaktion mit den gelösten Aminen bei 40 bis 60 °C aus dem Rohgas entfernt. Im Desorber werden die Gase bei erhöhten Temperaturen wieder freigesetzt Gereinigtes Gas Rückflusskondensator HochdruckFlash-Gas Frischwasser Sauergase NiederdruckFlash-Gas Desorbierter Gasstrom Kühler für das Absorbens Wärmetauscher Rohgas Verdampfer Absorber HochdruckFlashVerdampfer NiederdruckFlashVerdampfer Desorber Abbildung 2. Absorptionskapazität für die Abtrennung von H2S. Die Absorbensformulierung von Evonik absorbiert bei 40 °C deutlich mehr als Komponenten des Stands der Technik MDEA (4,28-molar) Sterisch gehindertes Amin (2,5-molar) 30 Gewichtsprozent Absorbensformulierung von Evonik Partialdruck H2S (bar) 1 0,1 0,01 0,001 0,0001 0 0,5 1,0 1,5 2,0 Beladung (mol H2S/mol Amin) Die zyklische Kapazität der neuen Absorbensformulierungen von Evonik für CO2 ist bis zu 1,5-mal höher als bei etablierten Absorbenzien und erlaubt es, die sauren Gase deutlich effizienter zu entfernen Zyklische Kapazität für CO2 zwischen 40 °C und 120 °C MEA 2,0 mol CO2/kg Lösungsmittel (30 Gew% Amin) MDEA/Piperazin 2,5 mol CO2/kg Lösungsmittel (50 Gew% Amin) Absorbensformulierungen von Evonik 2,9 mol CO2/kg Lösungsmittel (30 Gew% Amin) elements37 Ausgabe 4|2011 333 Die technische Umsetzung der chemischen Gaswäsche ist im Prinzip simpel, das Herzstück der Anlagen bilden Absorber und Desorber (Abb. 1). Im Absorber werden Rohgas und Lösungsmittel im Gegenstrom geführt und dabei durchmischt. Der Absorber enthält bestimmte Füllkörper, Gewebepackungen oder Böden, die für einen intensiven Kontakt zwischen Gas und Flüssigkeit sorgen und eine große Oberfläche für die chemische Reaktion zur Verfügung stellen. Bei 40 bis 60 °C reagiert die wässrige Absorbenslösung mit CO2 und H2S. Das gereinigte Gas verlässt den Absorber am oberen Ende, während das beladene Lösungsmittel am unteren Ende abgezogen und in den Desorber geleitet wird. Hier läuft die umgekehrte Reaktion ab: Durch Aufheizen auf 120 bis 140 °C im Verdampfer des Desorbers setzt das Amin die sauren Gase wieder frei. Nach Rückführung des Absorbens zum Absorber beginnt der Kreislauf von vorne. Amine haben sich als Absorbenzien für Sauergase bewährt. Allerdings zeigen alle herkömmlichen Varianten bei der Gas wäsche spezifische Schwächen. Primäre Amine binden saure Gase in Form von Carbamaten zwar fest an sich, verbrauchen deshalb aber auch viel Energie bei der nachfolgenden Desorption und tendieren zu unerwünschten Nebenreaktionen. Tertiäre Amine binden schwächer, aber auch langsamer. Außerdem haben die üblicherweise eingesetzten Amine die unangenehme Begleiterscheinung, dass die saure Prozesslösung zusammen mit temperaturstabilen Salzen aus aminhaltigen Zersetzungsprodukten korrosive Kräfte entwickelt. Bestimmte Komponenten im Rohgas können nicht zuletzt in Wechselwirkung mit der Absorbenslösung dazu führen, dass sich störende Schäume bilden und den Trennprozess stören. Ausschlaggebend für die Wirtschaftlichkeit des Gasreinigungsprozesses sind ein geringer Energieverbrauch bei der Regeneration des Absorptionsmittels neben einer hohen chemischen Stabilität der Absorbenzien und einer geringen Korro sionsneigung (Betriebskosten). Gleichzeitig sollte eine hohe Anlagenverfügbarkeit bei moderaten Investitionskosten realisiert werden können. Je mehr Absorptionsmittel gepumpt und erhitzt werden muss, umso ungünstiger ist die Energiebilanz herkömmlicher Verfahren. Üblicherweise muss dem Verdampfer relativ viel Energie zugeführt werden, damit die chemisch gebundenen, sauren Gase wieder desorbiert werden. Daher sind die heute genutzten Prozesse recht kostspielig. Gelingt es, den Energiebedarf zu senken oder den Gasdurchsatz bei gleichem Energieaufwand zu steigern, könnte die Gasreinigung künftig weit wirtschaftlicher sein. Anders gesagt: Die Optimierung des Absorbens ist ein ausgesprochen wirkungsvoller Hebel, um den gesamten Prozess der Gaswäsche effizienter und damit wirtschaftlicher zu gestalten. Da Anlagen zur Gasaufbereitung hohe Investitionen erfordern, würden sich schon relativ kleine Optimierungen spürbar auswirken. Ein ideales Absorbens muss also mehrere Anforderungen erfüllen können: saure Gasbestandteile möglichst schnell, ausreichend fest und zugleich reversibel an sich binden, die gebun denen Sauergase bei relativ niedriger Energiezufuhr möglichst quantitativ wieder abgeben, außerdem wenig korrosiv und chemisch stabil sein, um die apparative Infrastruktur zu schonen. Evonik verfügt über umfangreiches Know-how in der Aminsynthese und begann 2004, diese Kompetenz für das neue RE S SOURCENEFFI Z I ENZ 37 Geschäftsfeld der Sauergasreinigung auszunutzen. Ein Expertenteam des Geschäftsbereichs Advanced Intermediates, des Servicebereichs Verfahrenstechnik & Engineering und der Creavis gelang es, neue Hochleistungssystemlösungen für die absorptive Wäsche von Sauergasen zu entwickeln, die gegenüber dem Stand der Technik eine drastische Reduktion der Betriebskosten ermöglichen. Es wurden rund 50 Komponenten auf ihre Eignung getestet. Beim Screening der Eigenschaften zeigte sich, dass eine kleine Gruppe besonders günstig abschnitt: Diese Aminvarianten zeichneten sich durch ein erstaunliches, energetisch optimiertes Desorptionsverhalten, große zyklische Kapazitäten und eine überraschend geringe Korrosion mit großen Absorptionsraten ohne Schaumbildung aus. Am Ende der Laborphase blieben fünf vielversprechende Absorbensformulierungen übrig. Sie wurden durch chemische Modifikation so verändert, dass sie alle wichtigen Anforderungen der Gaswäsche im Vergleich zum Stand der Technik (zum Beispiel Mischung aus MDEA und Piperazin) mindestens gleich gut und in vielen Bereichen sogar merklich besser erfüllen. Im Zentrum der Optimierung stand eine deutliche Reduzierung der Betriebskosten (> 30 Prozent) der Sauergaswäsche bei ausreichend großen Absorptionsraten und hohen Zykluskapazitäten. Abbildung 3. Absorptionsenthalpie bei der Abtrennung von CO2. Aufgrund der niedrigen Absorptionsenthalpie muss bei der neu entwickelten Absorbens Performancevergleich für weniger einen Synthesegasstrom bei jeweils gleicher CO2formulierung von Evonik wesentlich Energie für die Desorption Abtrennrate: von Evonik können den spezifischen aufgewendet werden alsDie bei Absorbentien den Standardaminen Energieverbrauch bei der Regeneration gegenüber den Standardaminen im 20 bis 60 Prozent senken und helfen damit, die Betriebskosten MEABereich von MDEA/Piperazin Evonik-Absorbens formulierung drastisch zu verringern. Die Reduzierung des Absorbensmassenstroms um 20 Absorptionsenthalpie [%] bis 30 Prozent im Vergleich zu den Standardkomponenten ist eine wichtige 100 Voraussetzung für eine mögliche Kapazitätserweiterung der Anlage 80 60 40 20 0 Abbildung 4. Performancevergleich für einen Synthesegasstrom bei jeweils gleicher CO2-Abtrennrate: Die Absorbensformulierungen von Evonik können den spezifischen Energieverbrauch bei der Regeneration gegenüber den Standard aminen im Bereich von 20 bis 60 Prozent senken und helfen damit, die Betriebs kosten drastisch zu verringern. Die Reduzierung des Absorbensmassenstroms um 20 bis 30 Prozent im Vergleich zu den Standardkomponenten ist eine wichtige Voraussetzung für eine mögliche Kapazitätserweiterung der Anlage Evonik-Absorbensformulierung B Evonik-Absorbensformulierung A 40 Gewichtsprozent DIPA/40 Gewichtsprozent Sulfolan Optimierte Absorbensformulierungen machen Gasreinigung wirtschaftlicher Daraufhin haben die Evonik-Experten die gefundenen Systemlösungen intensiv in einer mehrjährigen Pilotanlagenphase untersucht: In welchem Partialdruckbereich funktioniert die Reinigung? Wie groß ist die nötige Energiezufuhr für die Desorption? Welche Mengen an Lösungsmittel sind notwendig? Dabei hatten die Entwickler bei allen wesentlichen Parametern eine Optimierung im Sinn: eine Minderung des Energieverbrauchs, einen höheren Gasdurchsatz, eine Reduzierung des Absorptionsmittelbedarfs, weniger Korrosion und Schaumbildung sowie eine hohe chemische Stabilität der Komponenten (verminderte Degradation im Vergleich zum Stand der Technik). Am Ende blieben zwei Absorbensformulierungen übrig, die eine hervorragende Performance in der Sauergasreinigung gezeigt haben: Bei der Abtrennung von H2S liegt die Absorptions kapazität bis zu zehnmal so hoch wie bei herkömmlich eingesetztem MDEA (Abb. 2). Beide Absorbensformulierungen erlauben deutlich höhere H2S-Löslichkeiten als herkömmliche Amine und damit eine exzellente Abreicherung bis auf wenige ppm. Bei der Abtrennung von CO2 ist die Absorptionsenthalpie – verglichen mit Standardkomponenten – bis zu einem Faktor drei kleiner (Abb. 3), das bedeutet, dass für die Regeneration des beladenen Lösungsmittels wesentlich weniger Energie aufgewendet werden muss (Abb. 4). Deutliche Vorteile versprechen die Amine auch bei Korrosion und Schaumbildung und der chemischen Stabilität. Hier zeigten die Versuche eine Verbesserung um den Faktor drei bis fünf bei der Korrosion (Abb. 5), die Schaum- 333 30 Gewichtsprozent MDEA/10 Gewichtsprozent Piperazin Spezifische Regenerationsenergie [%] 140 120 100 80 60 40 40 50 60 70 80 90 100 Absorbensmassenstrom [%] Abbildung 5. Auch bei der Korrosionsrate überzeugen die Absorbensformulierungen von Evonik. Sie liegt um den Faktor sieben niedriger als bei MEA, sodass Material- und Wartungskosten sinken 30 Gewichtsprozent MEA 37,2 Gewichtsprozent MDEA/2,8 Gewichtsprozent Piperazin 30 Gewichtsprozent Evonik-Absorbensformulierung Korrosionsrate [%] 100 80 60 40 20 0 elements37 Ausgabe 4|2011 38 RE S SOURCENEFFI Z I ENZ Synthesegasanlage von Evonik, die für Feldtests verwendet wird 333 bildung kann sogar auf ein optisch nicht mehr wahrnehm bares Minimum reduziert werden. Der Einsatz der maßgeschneiderten Amine von Evonik wirkt sich auf mehrere Weisen positiv aus: Der gesamte Prozess der Gaswäsche wird effizienter und spart Betriebskosten. Da die verbesserten Komponenten den Lösungsmittelumlauf redu zieren, kann beispielsweise durch Einsatz von Hochleistungs packungen im Absorber der Gasdurchsatz erhöht werden und auf diese Weise eine Kapazitätserweiterung bestehender Anlagen erreicht werden. Gleichzeitig verbessert sich die CO2-Bilanz, weil weniger Regenerationsenergie benötigt wird. Durch das optimierte Korrosionsverhalten, die geringe Schaumneigung und eine gesteigerte chemische und thermische Stabilität steigt die Anlagenverfügbarkeit. Von großer Bedeutung ist nicht zuletzt, dass sich die neuen Produkte als Drop-in-Lösung eignen, sie können also ohne Umbauten oder technische Anpassung in bestehenden Anlagen eingesetzt werden. Der Pilotanlagenphase folgten bzw. folgen umfangreiche großindustrielle Feldtests. Diese Praxistests werden marktsegmentspezifisch für den Synthesegas- und den Erdgasbereich realisiert. Unter anderem wird gegenwärtig auch ein großtechnischer Feldtest bei Evonik durchgeführt. Die vorkommerzielle Phase wird bald abgeschlossen sein. Die maßge schneiderten Systemlösungen kommen ab 2013 auf den Markt, um die unterschiedlichen Kundenanforderungen durch deutliche Einsparungen im Bereich der Betriebskosten sowie eine verbesserte Absorptionsmittelperformance adressieren zu können. 777 elements37 Ausgabe 4|2011 Dr. Jörn Rolker beschäftigt sich im Bereich New Busi ness Development des Geschäftsbereichs Advanced Intermediates mit Absorbenzien zur Sauergaswäsche. Nach dem Studium der Verfahrens- und Energietechnik an der TU Berlin und der Promotion auf dem Gebiet der Thermodynamik/Thermischen Verfahrens technik an der Universität Erlangen-Nürnberg begann er 2007 im Servicebereich Verfahrenstechnik & En gineering von Evonik als Prozessingenieur. 2011 übernahm er seine aktuelle Position. +49 6181 59-2514, joern.rolker@evonik.com Dr. Matthias Seiler arbeitet als Director New Business Development im Geschäftsbereich Advanced Interme diates von Evonik. Nach Studium der Verfahrens- und Energietechnik an der TU Berlin und Promotion im Bereich Verfahrenstechnik/Polymerthermodynamik an der Universität Erlangen-Nürnberg startete er 2004 seine berufliche Karriere im Servicebereich Verfahrens technik & Engineering von Evonik. Hier leitete er zu letzt die Abteilung „Bringing Technology to Market“, bevor er 2010 seine aktuelle Position übernahm. Parallel zu seiner beruflichen Tätigkeit absolvierte er einen Executive MBA an der ESSEC & Mannheim Business School. +49 6181 59-3049, matthias.seiler@evonik.com Ne ws 39 Erweiterung der Kapazitäten für Methylmethacrylat Evonik Industries, einer der führenden Anbieter von Produkten der Methacrylat chemie, baut aufgrund der gestiegenen Nachfrage die weltweiten Produktions kapazitäten für Methylmethacrylat aus. Das Unternehmen wird dazu in diesem und im nächsten Jahr in seinen Werken in Europa (Worms und Wesseling in Deutschland), Asien (Schanghai in China) und in den USA (Fortier) Projekte zu Debottlenecking und Anlagenerweiterung durchführen. Nach Umsetzung dieser Projekte wird Evonik eine zusätzliche Menge von voraussichtlich 50.000 Tonnen Methylmethacrylat zur Verfügung stehen. Thomas Müller, Senior Vice President & General Manager Acrylic Monomers, sagte zu der kurzfristig angekündigten Erweiterung: „Wir reagieren schnell, um das Wachstum unserer Kunden in den Märkten zu begleiten.“ Methylmethacrylat wird hauptsächlich zur Herstellung von Farben und Lacken sowie zur Herstellung von Polymethylmethacrylat eingesetzt. L-Lysin-Kapazität in den USA wird verdoppelt Evonik Industries verdoppelt in Nordamerika die Kapazität für die Futtermittelaminosäure L-Lysin. Die zweistufige Erweiterung der Anlage in Blair (Nebraska) auf 280.000 Tonnen Jahreskapazität wird voraussichtlich bereits im August 2012 abgeschlossen sein, ein halbes Jahr früher als ursprünglich erwartet. Evonik produziert auf biotechnologischem Weg für die Tierernährung die essentiellen Aminosäuren L-Lysin, L-Threonin und L-Tryptophan. „Mit dieser Investition stärken wir unsere bedeutende Marktposition im Bereich der Futtermitteladditive weiter“, sagte Dr. Klaus Engel, Vorstandsvorsitzender von Evonik Industries. „Erst kürzlich haben wir die Erweiterung der DL-Methioninkapazität mit dem Bau einer neuen Anlage auf 580.000 Tonnen pro Jahr angekündigt. Mit der Kapazitätsverdopplung bei L-Lysin wollen wir nun auch mit unserer biotechno logisch hergestellten Aminosäure L-Lysin wachsen.“ Das von Evonik unter dem Markennamen Biolys® vermarktete biotechnologisch hergestellte L-Lysin gilt weltweit als äußerst wirksame Lysinquelle in Tierfutter, mit der sich die Kosten in der Futtermittelproduktion Impressum Herausgeber Evonik Industries AG Corporate Innovation Strategy & Management Rellinghauser Straße 1–11 45128 Essen nachhaltig senken lassen. „Wir registrieren seit einigen Jahren in den USA eine steigende Nachfrage nach unserem L-Lysin und haben uns deshalb dazu entschlossen, die Kapazi täten zu verdoppeln“, so Engel. Evonik erwartet, die ersten zusätzlichen Mengen noch 2011 auf den Markt bringen zu können; dann endet voraussichtlich die erste Ausbaustufe, in der unter anderem bereits die Verdampferkapazitäten für die Produkt aufkonzentrierung verdoppelt wurden. Parallel hierzu ist auch schon die zweite Aus baustufe in der Umsetzung, für die Evonik seit Juni 2011 alle Genehmigungen vorliegen hat. Die Missouri-Flut im Juni/Juli 2011 hatte keine Auswirkungen auf den Zeitplan der Wissenschaftlicher Beirat Dr. Norbert Finke Corporate Innovation Strategy & Management norbert.finke@evonik.com Redaktion Dr. Karin Aßmann (verantwortlich) Evonik Services GmbH Konzernredaktion karin.assmann@evonik.com Projekte, da die Flut durch entsprechende Schutzmaßnahmen vom Werk ferngehalten werden konnte. „Dies ist das Verdienst des Standortbetreibers Cargill“, betonte Dr. Walter Pfefferle, Leiter des Geschäftsgebiets Bioproducts von Evonik. Die Schutzmaß nahmen wurden außer von Evonik auch vom U.S. Army Corps of Engineers unterstützt. „Die Zusammenarbeit mit Cargill ist hervorragend. Unser Dank gilt auch Gouverneur Dave Heinemann, der alles in seiner Macht Stehende tat, um die Flut zu bekämpfen“, erklärte Pfefferle. Cargill stellt die Infra struktur am Standort zur Verfügung und beliefert Evonik außerdem über den Zaun mit vor Ort produzierten Rohstoffen. Fermentationsanlage zur Herstellung der Aminosäure L-Lysin am Evonik-Standort Blair in Nebraska (USA) Redaktionelle Mitarbeiter Christof Endruweit Christa Friedl Michael Vogel Fotos Evonik Industries Karsten Bootmann Dieter Debo Frank Preuß Stefan Wildhirt Getty Images/Tracy Packer (S. 8) Fotolia/Achim Baqué (S. 24) Getty Images/Lonnie Duka (S. 34) Gestaltung Michael Stahl, München Druck Laupenmühlen Druck GmbH & Co. KG, Bochum Nachdruck nur mit Genehmigung der Redaktion elements37 Ausgabe 4|2011 Ersparen Sie sich Überraschungen bei der Partnersuche. Kommen Sie lieber gleich zu uns. We love your problems. Konkretes Problem – konkrete Lösung: Wir sind der richtige Partner für eine strategische Pharma-Partnerschaft. Denn wir arbeiten über alle Organisationsgrenzen hinweg eng mit unseren Kunden zusammen. Durch die partnerschaftliche Verzahnung aller Abteilungen entsteht ein außergewöhnlich tiefes Verständnis für die Bedürfnisse unserer Kunden. So können wir gemeinsam tragfähige Schritt-für-Schritt-Lösungen entwickeln. Noch mehr gute Gründe für eine langfristige Partnerschaft mit uns finden Sie unter www.evonik.com/pharma.