die geliebten schwestern - trailer

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die geliebten schwestern - trailer
Juli 2014
DIE GELIEBTEN
SCHWESTERN
EIN FILM VON DOMINIK GRAF
www.senator.de/movie/die-geliebten-schwestern
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-ruhr.de
Mehr Meinung. Service. Hintergrund. – In NRW.
empfehlen | weitersagen | kommentieren
Alle Texte. Ihre Stimme. Filmkritik im FORUM.
Theater: Bochumer Schauspielhaus, Foto: Thomas Aurin
trailer-Thema.
Kino.
5 SEXUALITÄT
Alternative sexuelle Orientierungen und geschlechtliche Identitäten kämpfen noch immer
um Gleichberechtigung
6 Themeninterview
Lilo Wanders über sexuelle Toleranz im Wandel
der Epochen
Bühne.
8 Ebertbad
9 Auftritt – Hans Falladas Roman „Ein Mann will
nach oben“ am Bochumer Schauspielhaus
10 „Weiße Nächte“ Theater an der Ruhr
11 Komikzentrum Ruhr
RuhrHochDeutsch-Festival
Theater an der Ruhr – „Das Ende vom Anfang“
am Düsseldorfer Schauspielhaus
13 Theater an der Ruhr
„Chaos Royal“ im GOP Essen
Fünftes Soundseeing im Münsterland
Tolstois „Anna Karenina“ in Essen
14 Prolog – Elfte Ausgabe der Weißen Nächte im
Mülheimer Theater a. d. Ruhr
Theater-Kalender Ruhr
Kultur in NRW. überregional
12 Tanz in NRW – Kampf um neue Besucher
Theater in NRW – Freihandelsabkommen TTIP
31 Improvisierte Musik in NRW
Neues Label startet in Köln
34 Kunst in NRW
Turm-Skulpturen im Arp Museum Rolandseck
Musik.
32 KompaktDisk – Neu-Erscheinungen im Juli
BÜHNE
© Inka Meyer
Komikzentrum Ruhr
11
17
18
19
20
Film-ABC/Vorspann
Film des Monats – „Die geliebten Schwestern“
KritikerspiegelRuh/Kino-Kalender Ruhr
Film-Kritik
Gespräch zum Film – Regisseur Ralf Westhoff
über seine Komödie „Wir sind die Neuen“
Foyer – „Fremd“ im Endstation Kino Bochum
Roter Teppich – Christoph Maria Herbst über
„Die Mamba“ und sein Humorverständnis
32 culture clubs
trailer + trailer-ruhr.de
Im Doppelpack mehr Service, Meinung und Hintergrund
Thema
6
Die Ikone der sexuellen Aufklärung, Lilo Wanders, sprach mit trailer über die Wirkung der
Sendung, wachsende Toleranz in Deutschland und bleibende Herausforderungen für
die schwule, lesbische und bisexuelle Szene.
Lilo Wanders
Literatur.
Foto: Michael Reh
Film
In Ralf Westhoffs „Wir sind die Neuen“ prallen Generationen regelrecht aufeinander. Im
Interview spricht er über Konflikte zwischen
Jung und Alt und die Aufgaben einer guten
Komödie.
29 Literaturportrait – Über den Bochumer
Aktionskünstler Matthias Schamp
30 Textwelten
Jaron Lanier, die Lichtgestalt des Börsenvereins
ComicKultur – Comic-Empfehlungen im Juli
Wortwahl – Buch-Empfehlungen im Juli
Ralf Westhoff
Foto: Julia Zimmermann
Film
Christoph Maria Herbst kehrt mit der Agentenkomödie „Die Mamba“ auf die Kinoleinwand zurück. Über die Arbeit an dem Film,
der zum Teil in Marokko entstand, verrät er
uns im Interview mehr.
Kunst.
33 kunst & gut – Bernhard Fuchs im Josef Albers
Museum
34 Kunstwandel – „1914 – Mitten in Europa“ in
der Essener Kokerei Zollverein
35 RuhrKunst – u.a. 50 Jahre Lehmbruck Museum
36 Sammlung – 72 Hour Interactions
37 Museumslandschaft NRW
Christoph Maria Herbst
Kunst
trailer spezial.
4 Intro – „Mein Freund, der Baum, ist tot“
7 Innovation – Der Energiehunger der Gebäude
26 Bochum Total – Vier Tage Wortakrobatik und
mehr bei Bochum Total
32 culture club – Indoor Skydiving Bottrop
38 Auswahl – im Juli
39 Impressum
KINO
„Die geliebten Schwestern“
Film des Monats
18
LITERATUR
© Claudia Heinrich
36
72 Hour Interactions – ein Architekturwettbewerb – findet diese Jahr in Witten statt.
Für das Gespräch trafen wir Katja Aßmann,
Kuratorin des weltweit ersten Architekturwettbewerbs in Echtzeit.
Katja Aßmann
Foto: Roman Mensing
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Dieses Icon zeigt Ihnen den Weg.
Portrait KUNST
29
© LVR-Industriemuseum
Kunstwandel
34
Intro
Juni 2009
Juni 2012
de
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März 2013
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Kino. Kultur. Ruhr.
Kultur.
KULTURKino.R
.KINO.Ruhr.
UHR.
Europa gestalten.
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September 2010
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ANDAUERNDEN
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2013
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August 2013
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RUHRTRIENNAL
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Nam June Paik,
Mercury, 1991,
©
Nam June Paik
Kunststiftung
NRW, Düsseldorf
Estate, New
York, 2010,
Foto: Sascha
Dressler
www.bochum.de/kunstmuseum
www.traile
r-ruhr.de
DER NEUE
THE BLIN
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EIN FILM
de
November 2010
FILM MIT
EMMA WATS
ON
G RING
VON SOFIA
(„Lost in
Translatio
COPPOLA
n“)
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im Kino
Mai 2013
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KULTUR.K
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Oktober
2010
DIE URAU
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JOHNNY CASH IN BLACK
THE MAN
ESSEN
THEATER IM RATHAUS
PREMIERE: EATER ESSEN
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de
16.12.10 BIS 16.1.11
2014 – 10 JAHRE TRAILER-RUHR
Kaputter Baum vor Kraftwerksruine in Datteln, Foto: Francis Lauenau
TEIL 5
Foto: Sven Pacher
Foto: Julian Scholten
Foto: Ruhrfestspiele
Zum Jubiläum erreichen uns weitere Glückwünsche.
Sie sind uns Ansporn, auf dem bisherigen Weg weiter zu machen.
„Liebes trailer-Magazin,
im Namen des gesamten Ruhrfestspielteams gratuliere ich herzlich zu 10 Jahren anspruchsvoller Kulturberichterstattung im Ruhrgebiet.
Unter dem Motto „Qualität für alle“ sprechen die
Ruhrfestspiele mit ihrem facettenreichen Programm
den Theaterliebhaber ebenso an wie den erstmaligen
Besucher. Für das trailer Magazin könnte der gleiche
Leitspruch gelten. Mit seiner qualitativ hochwertigen
Berichterstattung erreicht das Magazin Fachpublikum ebenso wie „Kulturneulinge“, junge Leser ebenso wie betagtere. Es weckt Interesse für verschiedenste
Kultursparten und -veranstaltungen von Bildender Kunst und Musik über Literatur und Filmkunst bis hin zu Tanz und Theater. Wir sind stolz, dabei zu sein!
Ihr Frank Hoffmann“ (Intendant der Ruhrfestspiele Recklinghausen)
„Herzlichen Glückwunsch und vielen Dank!
Die Kinowirtschaft wird seit dem Multiplexboom
in den 90-igern und dem Digitalisierungswahn der
2-tausender immer mehr von den amerikanischen
Hollywood-Mainstreamgiganten dominiert. Anstatt,
wie alle anderen Magazine, nun auch auf das Pferd
Mainstream zu setzen, Kosten einzusparen und sich
von den hochbezahlten Agenturen, von der Werbemaschinerie der „Blockbuster“ Produzenten mit Werbematerial beliefern zu lassen, leistet sich die Trailer Redaktion eine eigenständige Rezension, unabhängige Kritiken geschrieben von renommierten und
kompetenten Filmkritikern. Doch nicht nur das. Sie tun sich auch um im „echten“ Arthouse Segment. Avantgarde Filme junger Regisseure, Festivalgewinner
und vor allem europäische Filmkultur, die tatsächlich gänzlich zu verschwinden droht, sind das Hauptziel der monatlichen Auseinandersetzung. Das dies
alles möglich ist liegt vor allem an der engagierten Arbeit des guten Teams.
Vielen Dank dafür und herzlichen Glückwunsch für diese erfolgreiche und
wichtige Arbeit. Wir freuen uns auf die nächsten 10 Jahre.
Peter Fotheringham“ (GF sweetSixteen-Kino Dortmund)
„Schon 10 Jahre Trailer – erstaunlich! So lange gibt
es sie also doch schon, die jungen, zugkräftigen Artikel und Ankündigungen, die große Übersicht, auch
über die Kulturszene, und außerdem eine Menge
Aufgeschlossenheit und Nähe zur Kultur. Als Medienpartner von Trailer hat das NRW KULTURsekretariat
gute Erfahrungen gemacht, zuletzt beim langjährigen
Kunst- und Künstleraustausch „Transfer“ mit Südkorea. Gern mehr davon. Am 5. September feiert das
Kultursekretariat sein 40jähriges Jubiläum mit einem ganztägigen Kulturfest
in der Wuppertaler Stadthalle – ich hoffe, Ihr seid dabei! Ich gratuliere einem
unserer Ko-Jubilare–werdet noch viel älter und bleibt dabei jung. Das wünscht
Euch und uns
Dr. Christian Esch“ (Direktor NRW KULTURsekretariat Wuppertal)
Mein Freund, der Baum, ist tot
Nach Pfingsten musste dieses Lied von Alexandra im Plural gesungen
werden. Ganze Alleen in Essen, Recklinghausen und Bochum verwandelten sich in Straßen. Tausende von Bäumen starben den Heldentod an der
Klimafront. Das Jahrhundertgewitter nämlich, dem, Meteorologen zufolge,
in den nächsten Jahren weitere folgen werden, ist ein Ergebnis des weltweiten Klimawandels. Ach, wäre es nicht gerecht und nett, wenn die gemetzelten Bäume nicht tot sondern untot wären? Die Entwurzelten würden
sich erheben und als riesige wütende Menge durch die Straßen marodieren,
aufgemotzte spritfressende Geländewagen zu Klump schlagen, Kohlekraftwerke und Konzernzentralen der Energieriesen mit Sitzstreiks lahmlegen.
Mächtige Platanen würden sich auf den Weg nach Berlin machen, um dem
Wirtschaftsminister Gabriel mit seinen Plänen, Sonnenenergie zu besteuern,
das Fürchten zu lehren. Und natürlich würden die Bäume auch bei Ihnen
und mir anklopfen und fragen, welche Schuhgröße unser individueller ökologischer Fußabdruck hat. Hab ich zu viel Splatter-Movies geguckt?
Bottrop ist nicht nur Standort des größten Steinkohlebergwerks der Nation,
hier residiert auch die Hochschule Ruhr-West, die aktuell computergesteuerte Systeme zur Beheizung und Belüftung von Wohnräumen entwickelt.
Klimaschutz kann manchmal ganz einfach und billig sein. Um SEXUALITÄT im weitesten Sinne geht es bei unserem Themenschwerpunkt. Sind nur
Rechte, russische Präsidenten und Gangsterrapper homophob? Ein Blick in
die Vergangenheit wagt das Theaterstück EIN MANN WILL NACH OBEN, das
im Bochumer Schauspielhaus gezeigt wird. Der Roman von Hans Fallada ist
Vorlage der gut dreistündigen Aufführung. Aktuell erschienen ist die skurrile
Geschichte ALPHA & OMEGA – APOKALYPSE FÜR ANFÄNGER von Markus
Orths. Ein schwuler Buddha und eine sexbesessene Teilchenbeschleunigerin
müssen zusammen mit einem Aktionskünstler die Welt retten. Abgedreht
unterhalten werden wir auch beim Festival RUHRHOCHDEUTSCH in Dortmund, das sein historisches Spiegelzelt wieder an der B1 aufgestellt hat.
An jedem Montag gibt Pommes mit Sketchen und Mayonnaise, an jedem
Mittwoch Mia Mittelkötter alias LIOBA ALBUS, die prominente Gästinnen
wie NESSI TAUSENSCHÖN, ANKA ZINK und LA SIGNIORA eingeladen hat.
Wiederum in Bottrop, und zwar im Quadrat, wird das Werk des Fotografen
Bernhard Fuchs präsentiert. Die Bilder des aus Österreich stammenden
Künstlers zeigen Landschaften und Menschen aus den alpinen Highlands.
Neu in den Kinos ist unter anderem DIE MAMBA. Mit Hauptdarsteller CHRISTOPH MARIA HERBST sprachen wir über diese Bond-Parodie, über die
Festschreibung seiner Person durch die sich immer wieder ähnelnden Charaktere, die er spielt und über die Schwierigkeit, in einem islamischen Land
eine Komödie über Terrorismus zu drehen. Der olle Schiller wird in dem Epos
DIE GELIEBTEN SCHWESTERN als Ecke einer Dreiecksbeziehung dargestellt.
Schon damals also war das Verhältnis zwischen Mann und Frau kompliziert,
besonders, wenn es sich um zwei Frauen oder wie in diesem Fall, sogar um
zwei Schwestern handelt.
LUTZ DEBUS
4
Thema
Reif für den Müll: überholte Vorstellungen von Geschlecht und sexueller Orientierung, Foto: Laura Schleder
Mann, Frau – alles Wurst? – Homo-, Bi- oder Transsexualität sind noch immer mit vielen Vorurteilen belastet
Fast musste sie auf die Bühne getragen werden. terrollen zu spielen, verschwammen die Grenzen
So sehr von der Rolle war Conchita Wurst, als zwischen Frau und Mann. Wurst erscheint heutsie Ihren Song als Gewinnerin des European Song zutage fast brav im Vergleich zu dem bestrapsten
Contest noch einmal vortragen sollte. Fassungs- und verruchten transsilvanischen Transsexuellen
losigkeit und Tränen filmten die Kameras auf aus der Rocky Horror Picture Show. Warum gibt
ihrem Gesicht. 180 Millionen Zuschauer an den es also diesen Wirbel um den Schlagersänger,
der aussieht, als wäre
Fernsehern reagierten
trailer-Thema im Juli:
er einem romantisiegespalten.
Während
renden Ölgemälde, auf
die einen den UnterAlternative sexuelle Orientierungen und geschlechtdem Jesus als guter
gang des Abendlandes
liche Identitäten kämpfen noch immer um GleichHirte abgebildet ist,
prophezeiten und die
berechtigung. Die gesellschaftlichen Grenzen haben
entsprungen?
Darbietung der Kunstsich verschoben, verschwunden sind sie nicht.
Das „Anything goes“
figur Wurst für künstLesen Sie weitere Artikel zum Thema auch unter:
bewirkte in den letzlerisch
katastrophal
choices.de/thema + engels-kultur.de/thema
ten Jahren eine hefoder moralisch verwerflich hielten, jubelten die anderen über den tige Reaktion derjenigen, die Angst vor dem
Tabubruch und das Statement gegen Intoleranz Fremden haben. In Russland, der Türkei und anund Homophobie. „Rise Like a Phoenix“ bekam deren totalitären Staaten wird der Kampf gegen
sogar von Russland fünf von zwölf möglichen das westliche Anderssein instrumentalisiert, um
Punkten, nur zwei weniger als von Deutsch- der Bevölkerung einen äußeren Feind zu liefern
land. In beiden Ländern drückte das Votum der und damit die Macht der jeweiligen Regierungen
Fachjury die Wertung der Publikumsanrufe er- zu stabilisieren. Aber auch in Deutschland sind
heblich. Sonst hätte der österreichische Beitrag nicht alle Menschen tolerant. Wenn die Kulisse
sogar noch mehr Punkte erhalten. Während in nicht der Rote Teppich oder der Laufsteg ist, sonRussland die Jury quasi aus Rücksicht auf die dern das Betonghetto oder der Hinterhof, wenn
offizielle, schwulenfeindliche Regierungspolitik es statt nach Parfum nach Benzin riecht, dann
den Auftritt des Travestie-Künstlers abwerten gibt es auch bei uns Hass gegen das Anderssein.
musste, übernahmen dies bei uns der angeb- Nicht nur Sido, auch viele andere ruppige Rapper
lich geläuterte Gangster-Rapper Sido und seine predigen versteckt oder auch offen Gewalt geJury-Kollegen. Tatsächlich wurde der harmlose gen alle, die nicht knallharte Heteros sind. WähSchlagerwettbewerb zum Politikum. Nicht nur rend vor 50 Jahren noch fast alle Gewalt gegen
aus Moskau, sondern auch von der Katholischen Schwule vom Staat ausging, steigt gegenwärtig
die Zahl der Hate-Crimes gegen Homosexuelle.
Kirche Österreichs kamen scharfe Proteste.
Dabei machte der Beitrag nur deutlich, was in den Die Aufregung um Conchita Wurst verdeckt eiClubs und Boutiquen in den westlichen Metropo- nen ganz anderen Umstand. Das Ausleben selen sowieso Usus ist: Anything goes. Schaut man xueller Orientierung hat nur begrenzt mit Mode
in die Glitzerwelt des Showbusiness, so bilden oder Trend zu tun. Und es geht mitnichten nur
Heterosexuelle nur noch eine, wenn auch große, um die Frage homosexueller oder heterosexueller
Minderheit. Schon in den 1970er Jahren, als Stars Orientierung. Die menschliche Sexualität ist viel
wie David Bowie anfingen, mit den Geschlech- zu komplex, als dass man sie in nur zwei Schub-
SEXUALITÄT
5
laden einsortieren könnte. In Dortmund und Hagen ist seit kurzem der Verein „TransBekannt“
aktiv. Dessen zweiter Vorsitzender, der unter dem
Pseudonym Ben Anders an die Öffentlichkeit tritt,
um berufliche Nachteile und gewalttätige Übergriffe zu vermeiden, glaubt, dass in einer Stadt
wie Dortmund 5.000 bis 10.000 Transsexuelle
leben. Diese Menschen, die schlicht in einem falschen Körper geboren wurden, würden sich selbst
nicht als homosexuell bezeichnen. Trotzdem waren und sind sie ähnlichen Stigmatisierungen
ausgesetzt. Früher wurden sie mit Elektroschocks
und Hirnoperationen zwangsbehandelt. Exorzisten versuchten sich an ihnen. Erst in diesem
Jahrtausend befasst sich medizinische Forschung
wohlwollender mit Transsexualität. So belegen
Studien, dass sich „männliche“ von „weiblichen“
Hirnzellen unterscheiden. Tatsächlich haben
Frauen, die mit einem männlichen Körper geboren wurden, trotzdem ein Hirn mit weiblichen
Hirnzellen. Lapidar gesagt, hat eine Transfrau ein
weiblich ausgeprägtes Gehirn, aber einen männlichen Körper.
Natürlich gibt es noch viele andere Gruppen in
unserer Gesellschaft, die wegen ihrer Andersartigkeit stigmatisiert werden: Transvestiten, Metrosexuelle, Transgender. Letztlich gilt auch für
diese Menschen das, was Ben Anders für den
Umgang mit Transsexuellen fordert: „Vorurteile
sind den Menschen anerzogen worden. Aber wir
können nichts dafür, transsexuell zu sein. Vorurteile kann man ändern. Wir Transsexuelle aber
können unsere Identität nicht ändern.“
LUTZ DEBUS
Aktiv im Thema
www.schule-der-vielfalt.de
www.transbekannt.de
www.schlau-nrw.de
www.rosastrippe.de
Thema
Beim Thema Sexualität einfach mal entspannt die Füße hochlegen, Foto: Laura Schleder
„Etliche hielten mich wirklich für eine Frau“
Lilo Wanders über sexuelle Toleranz im Wandel der Epochen
trailer: Frau Wanders, ist die Gesellschaft be- tanzierte aber gleichzeitig freundlich-zugewandte
züglich Homosexualität in den letzten zwanzig Art wichtig dabei. Wir hatten in den zehneinhalb
Jahren 750 Millionen Zuschauer, wurden von IsJahren toleranter geworden?
Lilo Wanders: Natürlich hat sich viel geändert. land bis Nordafrika gesehen. Die Figur Lilo WanZum einen durch die Gesetzgebung. Allerdings ders war auch eine Integrationsfigur. Wenn ich
bei den Christopher-Street-Days
ist eine völlige Gleichstellung
auf den Wagen mitgefahren bin,
von homosexuellen und hete„Bei den Christopherhaben mir alle zugewunken, ob
rosexuellen Lebensformen hier
Street-Days haben mir alle
noch immer nicht erreicht. In der zugewunken, ob schwul, les- schwul, lesbisch oder heterosexuell.
Gesellschaft hat sich durch das
bisch oder heterosexuell“
Internet die Wahrnehmung stark
gewandelt. Sowohl Informationen wie auch Por- Aber einen Tabubruch gab es dann doch. Sie
nographie sind viel leichter zugänglich. Wenn man waren doch eine der ersten Frauen im Fernseeine Menge über Sex weiß, ist das befreiend. Und hen, die gar keine richtige Frau war.
wenn eine Lebensform erst einmal akzeptiert wur- Von vielen wurde das gar nicht so wahrgenomde, ist diese Entwicklung auch schwer umkehrbar. men. Etliche hielten mich wirklich für eine Frau.
Manche hielten mich auch für transsexuell und
So gesehen leben wir in einem toleranten Land.
fragten mich, ob ich nach meiner Operation noch
geschlechtlich empfinden könne.
Welche Tabus brach Lilo Wanders?
Ich weiß gar nicht, ob wir Tabus brachen. Wir
boten eine sehr sorgfältig recherchierte Unterhal- Welche Aufklärung brauchen wir heute? Oder
tungssendung. Natürlich war meine ironisch-dis- wissen wir schon alles?
Wir wissen natürlich noch nicht alles. Und es
wächst ja auch immer eine Jugend nach, die
nichts weiß. Es gibt Mädchen, die teilen sich die
Pille. Oder Jungs benutzen zwei Kondome übereinander. Aber wenn Gummi auf Gummi reibt,
werden Kondome porös. Manche Jugendlichen
glauben, dass Mädchen nicht schwanger werden
können, wenn sie im Stehen poppen. Wir brauchen
also noch immer gute, sachliche Aufklärung.
INTERVIEW: LUTZ DEBUS
Lesen Sie die Langfassung unter:
www.trailer-ruhr.de/thema
ZUR PERSON
Lilo Wanders ist das Alter Ego
des Schauspielers Ernst-Johann
Reinhardt (58)
Foto: Michael Reh
Schwule in der Schule
Das Projekt „Schule der Vielfalt“ propagiert Toleranz zu gleichgeschlechtlichen Partnerschaften
„Schwul gilt auch unter Schülern leider immer Diskriminierungs- und Gewalterfahrungen. Bei
noch als Schimpfwort“. Für Schulleiter Wal- der weiteren Evaluation des Themas sei deutlich
ter Bald war es keine Frage, ob seine Einrich- geworden, dass das Klima an vielen Schulen von
Unwissen, Ängsten, Vorurteitung eine „Schule der Viel„Lesbische, schwule, und
len und feindlichen Haltungen
falt“ werden sollte, als einige
bisexuelle Jugendliche erlebten
gegenüber
Homosexualität
Schüler ihm dies vorschlugen.
in ihren Schulen Beschimpgeprägt sei. Im Unterricht sind
So erhielt die Erich-Kästnerfungen, Beleidigungen und
gleichgeschlechtliche LebensGesamtschule Ende Mai auch
körperliche Gewalt“
weisen meist kein Thema, in
diesen Titel – eine „Schule ohne
Rassismus“ ist sie ja bereits. „Die Initiative dazu Bayern mauert die CSU-geführte Regierung daging von den Schülern aus“, betont Bald. „Wir gegen, in Baden-Württemberg unterschrieben
haben natürlich homosexuelle Schüler – wie knapp 200.000 Menschen eine Petition gegen
jede andere Schulen auch. Konkrete Anlässe der die Aufnahme des Themas in den Unterricht.
Homophobie darüber hinaus gibt es nicht.“ Die
Bochumer Gesamtschule ist die neunte Schule Schätzungen der Projektträger zufolge sind
des noch jungen Netzwerks. Zurück geht das zwischen fünf und zehn Prozent aller Menschen
Projekt auf eine Initiative der Landeskoordi- lesbisch oder schwul. Das wären im Schnitt ein
nation der Anti-Gewalt-Arbeit für Lesben und bis zwei Jugendliche pro Schulklasse und mehSchwule in NRW und SchLAu NRW im Jahr rere Lehrer pro Kollegium. Mehr als die Hälfte
2008. SchLAu NRW ist ein Netzwerk von Initia- der Schüler sei Homosexuellen gegenüber negativen, die sich der Aufklärung über Homosexu- tiv eingestellt. Zwei Drittel der Schüler verwenalität verschrieben haben. Ein Auslöser, „Schule deten „schwul“ oder „Schwuchtel“ und mehr als
der Vielfalt“ ins Leben zu rufen, war die Kenntnis ein Drittel „Lesbe“ als Schimpfwort. Lesbische,
von konkreten und zum Teil schwerwiegenden schwule, und bisexuelle Jugendliche erlebten in
6
ihren Schulen Beschimpfungen, Beleidigungen
und körperliche Gewalt. Die Bochumer Gesamtschule scheint durch ihre Arbeit in dem anderen
Netzwerk diesbezüglich kein Problem zu haben.
„Aber schon aufgrund der negativen Besetzung
des Wortes „schwul“ ist Aufklärungsarbeit immer wieder erforderlich“, fährt Bald fort. „Es
ist aber auch wichtig, das Problembewusstsein
der Schüler zu schärfen.“ Das sahen auch alle
Gremien der Schule ein. Bald: „Das war allen
sehr willkommen. Auch seitens der Schüler
gab es keine Einwände.“ Projektschulen führen
Projekttage, Filmnachmittage und Workshops
durch, die Homepage des Projekts stellt Unterrichtsmaterialien, ausgewählte Filme und
Literatur sowie Ideen für Projektstunden vor.
Das Logo des Projekts muss sichtbar im Eingang
der Schule hängen, eine Selbstverpflichtungserklärung unterschrieben werden. Die ErichKästner-Schule begann am 28. Mai mit einem
Projekttag. „Weitere Projekte werden sich anschließen“, versichert Bald.
KLAUS BUNTE
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ün
Gr
Innovation
en
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Se
14
20
Schützenswerte Altbau-Fassaden verbieten den Einsatz von Styropor-Dämmplatten. In Bottrop arbeiten Forscher an billigeren Alternativen, Foto: Tom Jost
Gebündelte Haus-Technik contra „flächendeckende Vermummung“
Um den Energiehunger von Gebäuden zu senken, ist Fassadendämmung kein Allheilmittel
So einfach wie in den 90ern wird es nie wieder:
Als Deutschland dem Kyoto-Protokoll beitrat,
war die zugesicherte Reduzierung von Treibhausgasen (21 Prozent gegenüber 1990) fast
nur noch Formsache. Den größten Teil der verlangten Einsparung hatte man längst durch das
De-Industrialisieren der fünf neuen Bundesländer „geschafft“. Doch jetzt werden die Ziele anspruchsvoller. Minus 40 Prozent bis 2020, minus
70 Prozent gar bis 2040 hat sich die Bundesregierung offiziell als Wegemarken gesetzt. In der
Wirklichkeit steigen die Emissionen aber seit vier
Jahren wieder an, wie es das Umweltbundesamt
auf seinen Webseiten ausweist.
cken und neuerdings jenen mit Wärmepumpen –
heizt schon mit Strom? Dabei fällt im Gebäudebereich seit Jahrzehnten der größte energetische
Einzelposten an: 40 Prozent des Gesamtaufkommens verballern die Deutschen, um es in Heim
und Büro hell und vor allem warm zu haben.
Was also tun? Die Debatte um Ablösung fossiler
Brennstoffe durch erneuerbare Energien hat unter solchen Gesichtspunkten weiterhin Konjunktur, kann aber die drängendsten Fragen nicht
allein beantworten. Zwar wird Strom aus Wind,
Sonne und Wasserkraft schnell günstiger. Aber:
Wer – außer Eigner von Uralt-Nachtspeicherblö-
Eigentlich eine riesige Einsparquelle, die seit
Jahren von Regierung und Bauhandwerkern
gleichermaßen beworben wird. „Gebäudedämmung“ heißt das gültige Zauberwort – das man
allerdings inzwischen da und dort als Allheilmittel in Frage stellt. Die FAZ veröffentlichte im Mai
eine nette Stoffsammlung gegen die „flächendeckende Vermummung“ von Häusern: Styropor-Außendämmung könne a) abbrennen, b) von
Kindern und Spechten beschädigt werden, sorge
c) für Schimmelgefahr im Haus und erziele d)
nur im seltenen Fall die erhoffte Wirtschaftlichkeit. Außerdem sei sie bei ansehnlich gestalteten
(und womöglich denkmalgeschützten) Fassaden
ohnehin ein „No-Go“.
Prof. Grinewitschus: „Bei den Verschwendern ist energetisch
am meisten zu holen.“ Foto: Tom Jost
„Die Kritik am Dämmen ist wie ein Pendel. Die
Frage ist, ob es für alle Situationen und alle
Gebäude gilt“, relativiert Prof. Viktor Grinewitschus von der Hochschule Ruhr-West in Bottrop.
Und liefert gleich seine Antwort: „Wenn man
ein Haus mit einer funktionierenden Fassade
dämmt, ist es eigentlich immer unwirtschaftlich.
Das war 1991 so – und daran hat sich nicht viel
geändert.“ Mit seinem Team arbeitet Grinewitschus gleichermaßen im Kontext der „Innovation City Ruhr“ wie auch des „SusLab.eu“, das
für „Sustainable Laboratory“ steht. Nachhaltige
Gebäudewirtschaft ist ein wesentlicher Forschungsaspekt zwischen London, Rotterdam,
Bottrop und Göteborg und soll hier „vorzugsweise niedrig-investive Maßnahmen zur Steigerung
der Energie- und Ressourceneffizienz im Gebäude“ entwickeln. Denn: „Einer muss das bezahlen
– die Gesellschaft, der Mieter, der Steuerzahler.
Und wir müssen aufpassen, dass man nicht die
bezahlbaren Wohnungen wegmodernisiert.“
Vorher hat er übrigens das Duisburger InHausZentrum des Fraunhofer-Instituts aufgebaut
– will heißen: Der Mann verfügt über 20 Jahre
einschlägige Erfahrung.
Wie Energieersparnis auch mit billigen, aber
7
wirksamen Methoden funktioniert, will der Lehrbeauftragte für „Technische Gebäudeausrüstung“
an der Emscher demonstrieren. Vernetzte HausIT enthält beispielsweise der kleine SeefrachtContainer, in den sich die Forscher eingenistet
haben. Die misst den CO2-Gehalt in der Raumluft
und öffnet bei Bedarf kurz die Fenster – worauf
die Heizung pausiert. Auch diese wird per Tablet oder Smartphone-App auf die Anwesenheit
der „Bewohner“ abgestimmt. Oder auf den Umstand, ob sie wachen oder schlafen. Ist doch eine
Selbstverständlichkeit für die Heizungssteuerung
– oder? Leider nein, sagt Grinewitschus: „Viele
der 100 Gebäude, die wir in Bottrop vermessen
haben, verfügen nicht einmal über eine Nachtabsenkung.“ Oder wenn der Schornsteinfeger Wärmeverluste zwischen drei und acht Prozent feststelle: „Beides liegt im Rahmen – aber die fünf
Prozent Differenz machen auch was aus.“
Viele kleine Möglichkeiten ergeben einen größeren Brocken, ist die zentrale These. Vor allem,
wenn man die Technik (und das Bewohnerverhalten) in einem Mehrfamilienhaus anpackt. Das
sei zwar nicht einfach. Bei einem aufmerksamen
Mieter werde auch mit „Home Automation“ nicht
viel zu optimieren sein, ist Grinewitschus überzeugt: „Aber die Realität sieht anders aus. Bei
den Verschwendern ist noch viel zu holen.“ Und
das mit relativ geringem Aufwand. Im Bottroper
Projekt werden hauptsächlich Komponenten eingesetzt, die wenige hundert Euro kosten. Manche
brauchen bloß zwei bis drei Jahre, um sich zu
rentieren.
„Home Automation“ – vielleicht liegt hier der
Ansatz für viele Alt-Gebäude. Übrigens durchaus
kombinierbar mit klugen Dämm-Maßnahmen,
die erschwinglich sind und die Mieten nicht
hochtreiben. „Am Abend, nachdem der Handwerker schon einen Teil der Kellerdecke isoliert hatte,
bin ich auf Socken durch die Wohnung gelaufen“,
berichtete meine Erdgeschoss-Nachbarin vergnügt im vorletzten kalten Winter. „Und weißt
Du was? Ich habe den Unterschied zwischen den
Räumen sofort gemerkt.“
TOM JOST
Kleine Bühne,
große Künstler!
Ebertplatz 4 · 46045 Oberhausen · Tel. 0208 /20 54 024 · Fax 0208 /20 54 027
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vom Flie
Auftritt
Ein Bruch im Aufstieg ist der Erste Weltkrieg. Karl ist gerade heimgekehrt, Foto: Thomas Aurin
Die Eroberung der Berliner Luft
Hans Falladas Roman „Ein Mann will nach oben“ am Bochumer Schauspielhaus
Nun fuhr er wirklich in die Welt hinaus. Und die Welt lag in den 20er
Jahren in Berlin. Der 16-jährige Karl Siebrecht kommt nach dem Tod seiner
Eltern in die Hauptstadt. Im Kopf den amerikanischen Traum, im Koffer
nur ein paar Anziehsachen. Schon am Bahnhof fällt er den Taschendieben
in die Hände, doch die Berliner Göre Rieke Busch rettet seinen schmalen Besitz. Der Bahnhof ist auf der großen Bühne des Bochumer Schauspielhauses eine schwarze Fläche, ein paar Metallstreben mit Neonröhren
lassen die für die damaligen Verhältnisse futuristischen Hallen erahnen.
Intendant Anselm Weber hat Hans Falladas Roman „Ein Mann will nach
oben“ dramatisiert (Textfassung: Weber und Sabine Reich) und in seiner
eigenen Inszenierung ziemlich filettiert, ohne das Wesen des damaligen
Lebensgefühls zu kappen.
Wie in Peter Zadeks historischer Version von „Kleiner Mann – was nun?“
arbeitet auch Weber mit revuehaften Metaphern. Lässt Statisten in historischen Kostümen flanieren, der Zeitungsverkäufer sucht auf der Straße für
die internationale Presse seine Kunden, Gassenhauer erklingen und die Revuegirls steppen. Klar, das ist für Karl eine eher surreale Welt, ganz anders
als die dörfliche Uckermark. Aber für diese Welt braucht man Geld, um sich
das Leben und die Sehnsüchte auch finanzieren zu können.
Auf der rotierenden Drehbühne prallt er schnell mit dem reichen Baulöwen
Kalubrigkeit über die menschenunwürdigen Lebensumstände auf seinen
Baustellen zusammen, doch er lernt auch dessen zynischen Schwager Bodo
von Senden kennen, der ihm auf dem Weg an die Spitze behilflich sein
will. Karl will nach oben, will Berlin erobern, will Einfluss und Geld – und,
ja, das weiß er eigentlich selbst noch nicht, denn in der Sehnsucht nach
Glück steckt immer auch das Unglücklichsein. Oben auf der Pyramide ist es
einsam, und von Senden stellt die entscheidende Frage: „Was wirst du tun,
wenn du Berlin erobert hast?“, eine Frage, die sich durch das ganze Stück
zieht und immer wieder über die Bühne hallt. Weber inszeniert abwechslungsreich, die Zeit verfliegt, immer wieder durchbrechen historische Fetzen die Handlung, erklingen Lieder der Zeit, und Berliner Szenen flimmern
über die Rückwand.
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Für Karl geht es tatsächlich aufwärts. Er hat großartige Ideen und mit
Rieke, bei der er wohnt, einen ansehnlichen Rückhalt. Er lernt den Matrosen Kalli kennen, nimmt ihn auf, das Trio wird sich gemeinsam durch
zwei Jahrzehnte deutscher Zeitgeschichte kämpfen. Man baut ein Transportgeschäft auf, revolutioniert das Gepäckwesen der Bahn, ganz modern
mit Automobilen. Das Geld bleibt knapp, doch die Zukunft wirkt rosig, der
erste Weltkrieg beendet das abrupt. Fallada vermengt geschickt politische
und persönliche Geschichte, zeigt den Fortgang der Industrialisierung und
das gleichzeitig stattfindende menschenfressende Deutschtum. Berlin wird
öde, Karl ist im Krieg, zuhause finden sich fast aus Not Kalli und Rieke.
Hier setzt Weber einen entscheidenden Bruch, springt fast unmerklich in
der Zeit, immerhin inszeniert er ja keine 13-teilige Fernsehserie wie in den
70ern. Er muss die epischen Teile des Romans durch seine Schauspieler
transportieren, und dieser verbale Klappmechanismus funktioniert perfekt.
Nach dem Krieg rückt die Regie den legendäre Berliner Nachtclub „Weiße
Maus“ auf der Bühne ins Zentrum, Karl hat Rieke geheiratet, steht mit
der Gleichheit von Kind und neuen Ideen auf Kriegsfuß. Sein Ideal ist die
Ehe nicht, aber das merkt er zu spät zwischen den leicht bekleideten Tänzerinnen, die ihm Mischa Spolianskys „Alles Schwindel, überall wohin du
guckst“ um die Ohren hauen, während er in der unbegabten Sängerin Maria
Molina, die den alten von Senden ehelichen will, um endlich auch „einen
Fuß auf der Leiter“ zu haben sein ideelles Alter Ego wahrnimmt. „Was wirst
du tun, wenn du Berlin erobert hast?“ Die Frage stellt sich am Ende gar
nicht mehr. Der einflussreiche Karl, längst von Rieke geschieden, von der
einst geliebten Hertha angeödet, geht ins Dunkel. Der Ausgang bleibt offen,
die einstigen Träume und Hoffnungen dreier junger Menschen haben sich
in der Berliner Luft aufgelöst. Großartiges Theater.
PETER ORTMANN
„Ein Mann will nach oben“ | R: Anselm Weber | So 6.7. 18 Uhr
Schauspielhaus Bochum | 0234 33 33 55 55
THEATER AN DER RUHR
THEATERBÜRO | KULTURBETRIEB MÜLHEIM AN DER RUHR
9. BIS 13. JULI 2014
IM RAFFELBERGPARK | EINTRITT FREI
EINE KOOPERATION VON:
GEFÖRDERT VON:
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Komikzentrum Ruhr
Theater Ruhr
Philipp Weber kann erklären, wie man seinen „Durst“ stillt, Foto: Inka Meyer
„Das Ende vom Anfang“, Foto: Sebastian Hoppe
Fee verzaubert Herzdame
Behäbige Eskalationsspirale
Sonnenklar: Unsere Leibspeise ist Currywurst mit Pommes. Und zwar nicht
nur montags. Obwohl: Beim RuhrHochDeutsch-Festival im Spiegelzelt an
den Dortmunder Westfalenhallen wird sie just an diesem Wochentag kredenzt. Zusammen mit einem Kleinkünstler. Der kann von überall herkommen. Zum Beispiel aus Amorbach, Tübingen oder München, dort, wo Philipp
Weber seinen ökologischen Fußabdruck hinterlassen hat. Für schlappe 16
Euro gibt es intelligente Aufklärung von Deutschlands radikalstem Verbraucherschützer („Stille Wasser sind nicht tief, sondern teuer“): „Durst – Warten
auf Merlot“ heißt sein Programm, in dem es am 7. Juli um bierernste Fragen
und leckere Getränke geht, von denen eines im Eintrittspreis enthalten ist.
Das musste dokumentiert werden: Zur Premiere von Sean O’Caseys „Das
Ende vom Anfang“ war der Zuschauerraum des Großen Hauses des Düsseldorfer Schauspielhauses prall gefüllt, so dass sich eine Journalistin
bemüßigt fühlte, ein Handyfoto zu schießen. Man kann ja nie wissen,
wie schlimm es nach dem Schuldenskandal der Bühne noch kommt. Die
Euphorie des Publikums war nach der Premiere jedenfalls schon wieder
verpufft: Es hagelte Buhs, und das zu Recht. Ensemblemitglied Michael
Abendroth, ansonsten ein überzeugender Charakterdarsteller, hatte den
komischen Einakter derart altbacken inszeniert, dass man sich in längst
vergangene Theaterzeiten versetzt sah.
Genau eine Woche später, am 14. Juli, wird’s zu denselben Konditionen
schön bunt: Die Mixshow mit Markus Krebs & Sebastian 23 verspricht
jedenfalls jede Menge Abwechslung. Bodenständiger Krebs contra hintersinniger Poetry Slammer. Am 21. behauptet der in Deutschland lebende
Amerikaner John Doyle einfach mal: „Die Welt ist eine Bandscheibe“. Hinter
ihm liegt ein Martyrium aus Schmerzen, Diagnosen und Therapien. Darüber
kann man sich an diesem Abend zusammen mit ihm freuen. Einen komplett
anderen Humor hat Jess Jochimsen entwickelt. Texte, Songs und Dias zur
allgemeinen Lage der Nation will er am 28. vorstellen – unter dem Titel „Für
die Jahreszeit zu laut“. Wobei nicht zuletzt die Aufnahmen aus der deutschen Provinz vor anspielungsreicher Absurdität nur so strotzen. Sein fotografischer Streifzug durchs städtische Hinterland erzählt von den schaurig
schönen Orten, in denen Menschenhand abstruse Spuren hinterlassen hat.
Eine weitere Reihe des Festivals, die im Juli im Zwei-Wochen-Rhythmus
stattfindet: „HerzDame sticht – Die Highlights der Komikerinnen-Zunft zu
Gast bei Mia Mittelkötter“ heißt der von Lioba Albus präsentierte weibliche
Schlagabtausch, der regelmäßig vom Besuch der aus Lübeck kommenden,
ganz und gar zauberhaften Liedermacherin Fee Badenius gekrönt wird. Als
erste Gästin betritt Anka Zink am 2. Juli die Bühne. Die Humor-Dienstleisterin schlüpft in die Rolle einer All-Inclusive-Touristin, die es in ein Museum verschlägt, weil die Klimaanlage im Hotel nicht funktioniert („Das Klima
ist kaputt“): ein personifiziertes Klischee, das wohl jeder so oder ähnlich
kennt. Das alles ist gut beobachtet, gespickt mit Ironie und bissigen Kommentaren, die die Distanz der Akteurin zu den merkwürdigen Auswüchsen
des Tourismus unterstreicht. Und sie vermittelt einen nachhaltigen Eindruck
von ihren Begegnungen mit den Einwohnern Ecuadors, wo sie Salsa tanzen
gelernt hat.
Schon die Platzierung des Dreipersonenstücks im Großen Haus erwies sich
als Fehler. Abgehängt mit schwarzen Schals steht Paul Lerchbaumers kleiner Guckkasten im riesigen Portal. Eine Küche simuliert Ärmlichkeitsrealismus mit Kruzifix, Geschirrbuffet, Sessel, Herdofen, Küchentisch – das
ist das Reich von Lizzie Berrill (Marianne Hoika). Mit Sinead O’Connors
„Nothing Compares 2 U“ fegt sie in Kittelschürze und vier Lockenwicklern
durch den Haushalt, während ihr schlabberbehoster Mann Derry (Wolf
Aniol) eher als klotziges Störmoment im Weg steht. Ein Küsschen auf den
nackten Schädel signalisiert Restbestände an Vertrautheit, die aber in
einem Streit über den Wert von Feldarbeit und Haushaltsarbeit untergehen. Dann geschieht, was geschehen muss: Er kriegt die Kittelschürze, sie
die Schiebermütze, und perfekt ist der Rollentausch. Während Lizzie mit
frühsowjetischer Planeffizienz den Traktor über den Acker jagt, demontiert
Derry mit tätiger Hilfe seines kurzsichtigen Freundes Barry (Winfried Küppers) nihilistisch-blödsinnig Heim und Herd.
Beim RuhrHochDeutsch-Festival ist fast alles möglich
„Das Ende vom Anfang“ am Düsseldorfer Schauspielhaus
Vierzehn Tage später (am 16.) wird Nessie Tausendschön durch „die wunderbare Welt der Amnesie“ führen: wobei die herzerwärmend singende und
improvisierende Künstlerin inzwischen – wie Anka Zink seit geraumer Weile
– als Grande Dame des Kabaretts gehandelt wird, eine reife Erscheinung im
mädchenhaften Outfit, die genau weiß, wie man das Publikum auf seine
Seite bringt. Was ebenfalls für das Ruhrgebiets-Eigengewächs La Signora
gilt, die sich am 30. den verbalen Spitzfindigkeiten von Frau Mittelkötter
stellt – natürlich mit Dutt, Denkerstirn und erotischer Dominanz.
Da das Stück inzwischen kaum mehr als vorhersehbare Pointen bietet,
muss entweder die Komödienmaschinerie auf wahnsinnige Hochtouren
getrieben werden oder eine waghalsige neue Deutung an ihren Platz treten. In Düsseldorf findet weder das eine noch das andere statt. Da wird
mit dem Staubfeudel das Geschirr gespült, mit Tellern Frisbee gespielt;
Mehl und Nudelpackungen geben ihren Inhalt preis, eine Scheibe geht zu
Bruch – all das ist beschaulich, hat aber mit dem Slapstick, der O’Casey
als Vorbild diente, nichts zu tun. Hier droht nicht die Verselbstständigung der Dinge, hier entzieht sich die Welt nicht ihrer Beherrschbarkeit,
sondern hier machen nur zwei alte Männer in ihrer Selbstüberschätzung
dämliche Fehler. Dass Hypochondrie, Gehässigkeit und Wehleidigkeit bei
beiden durchschimmert, geschenkt. Es fehlt schon schlicht an einer Eskalationsspirale des Absurden, die die Irrsinns-Schraube anzieht, bis alles in
Trümmern liegt. Stattdessen frönt der gerade einmal 75 Minuten dauernde
Abend einem fast gemütlichen Tempo. Man wähnt sich in einer geriatrischen Sittenkomödie und nicht in einer Farce. Sollte dies ein Menetekel
für die Interimsintendanz von Günther Beelitz sein, muss Schlimmstes befürchtet werden.
HANS-CHRISTOPH ZIMMERMANN
ANNE NÜME
„Das Ende vom Anfang“ | R: Michael Abendroth | Mi 2.7. 19.30 Uhr
Düsseldorfer Schauspielhaus | 0211 36 99 11
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Tanz in NRW
Helping Hand
Chloe Albaret und David Ledger, Foto © Joris Jan Bos
Über Vermittlung will der Tanz neue Besucher gewinnen
Von Thomas Linden
Warum ist es so viel schwerer Menschen zum Tanz zu locken, als ins Theater? „Weil die Leute viele Jahre fast nur Schrott gesehen haben“, sagt Klaus
Dilger, der gemeinsam mit Achim Conrad das Tanzfestival „Flow“ für Köln
und Bonn aus der Taufe gehoben hat. Tatsächlich ist das Publikum in der
Vergangenheit nur zu oft mit leeren Tanzgesten abgespeist worden. Die
Egozentrik der Künstler vereinte sich da nicht selten mit schwach ausgearbeiteten Konzepten oder fehlender
Dramaturgie. „Dass es in Köln keinen „Weil die Leute viele Jahre fast
festen Ort für den Tanz gibt, fördert
nur Schrott gesehen haben“
auch nicht gerade das Vertrauen der
Menschen in die Tanzkunst, denn man kann sich nicht auf ein Programm
mit einem verbürgten Qualitätsstandard wie im Tanzhaus in Düsseldorf verlassen“, meint Achim Conrad.
Dennoch, die Zeiten haben sich geändert, die Choreographen der freien
Szene in NRW genießen internationale Anerkennung. Wo sie im Ausland
gastieren, sind die Säle voll. Nur in der Heimat bleibt das Publikum skeptisch
und beschränkt sich im Umfang oftmals auf den Kreis der Szene. Aber Tänzer sind pragmatisch, und so kämpft man nun mit anderen Mitteln um das
Verständnis des Publikums. Einführungen, Weiterbildung und Kommunikation sollen helfen. Mit einem Mal bieten Slava Gepners TanzFaktur ebenso
wie das Michael Douglas Kollektiv in der Orangerie und Silke Z. im Studio 11
Vermittlung für Tanzinteressierte an. Das Festival „Flow“ stellte Spezialisten
ab, die Besucher beim Blick in die Produktionen begleiten, Konzepte erklären und das Publikum buchstäblich an die Hand nehmen.
Die lit.Cologne hat gezeigt, wie man Kultur über große Namen und die
Sogkraft eines Festival-Events belebt. „Man muss das Feuer der Neugierde
schüren“, sagt Achim Conrad, und die stets ausverkauften Tanz-Gastspiele
in Oper und Schauspiel mit den Stars der Tanzwelt beweisen, dass auch
Massen angelockt werden können. Die Bühnen der Stadt lieferten dem
„Flow“ Festival mit dem Gastspiel „Lo Real“ des Spaniers Israel Galvan denn
auch gleich den Veranstaltungsrahmen für den Eröffnungs-Event. Bisher
mochte das Publikum den Schritt vom Opernparkett in die Hallen der Szene
nicht vollziehen. Vielleicht ändert sich daran etwas, wenn man in Bonn und
Köln registriert, dass die Tanzkunst Erlebnisse beschert, die sich tief in die
Erinnerung einschreiben und einen perfekten Ausgleich zur zweidimensionalen digitalen Welt darstellen, in die wir einen großen Teil des Tages
eingebunden sind. Mit einer Plakataktion, die attraktive Tanzfotos im Stadtbild von Bonn und Köln auch in Zukunft verankern soll, wollen Dilger und
Conrad die Wahrnehmung für den Tanz schärfen.
Der Fotograf Joris Jan Bos macht es vor, wenn er die Brennweite seiner
Kamera auf die Wimpern der Tänzerin Chloe Albaret vom
Nederlands Dance Theater einstellt und so pointiert die
Gestik ihres Körpers in den Blick rückt. „Der Moderne
Tanz verlangt offenbar nach einem besonderen Zugang,
um erkennen zu können, dass sich mitunter in einer einzigen Bewegung eine ganze Welt an Bedeutung öffnet,
die sich zu entdecken lohnt“, erklärt Klaus Dilger. Man
Thomas Linden
wird also in Zukunft mehr Nähe zu seinem Publikum aufJournalist und Jurymitglied des Kölner Kinder- bauen müssen, um über den Blick in die Werkstatt die
u. Jugendtheaterpreises Faszination für das Kunstwerk Tanz zu erzeugen.
Theater in NRW
Es wird hart verhandelt! Szene aus „Habe die Ehre“ am Schauspiel Köln, Foto: David Baltzer
Zeit der neoliberalen Strippenzieher
Der Bühnenverein warnt vor dem Freihandelsabkommen TTIP
Von Hans-Christoph Zimmermann
Seit etwa einem Jahr wird im Nebel gestochert. Von den Verhandlungen
über das Freihandelsabkommen zwischen Europa und den USA (TTIP) dringt
kaum etwas nach außen. Geheim, geheimer, TTIP muss wohl die Steigerungsform
„Ziel des TTIP ist die
heißen. Es ist die Stunde der neoliberalen
Schaffung eines transLobbyisten und Strippenzieher. Immeratlantischen Marktes“
hin: Seit drei Politiker der Grünen das
geheime Verhandlungsmandat der europäischen Delegation geleakt haben (www.ttip-leak.eu), wissen wir wenigstens, wie widersprüchlich dieses
Mandat ist. Die clandestinen Machenschaften der Delegationen sorgen vor
allem im Kultursektor für Nervosität. Im Februar hat Kulturstaatsministerin
Monika Grütters Filmproduzenten vor einer sogenannten „Liberalisierungsverpflichtung der Kultur“ gewarnt, kurz darauf verbündeten sich so unterschiedliche Akteure wie das Netzwerk Attac und der Deutsche Kulturrat.
Gerade hat der Deutsche Bühnenverein, der Lobby- und Arbeitgeberverband
der Orchester und Theater, auf seiner Jahreshauptversammlung vehement
vor einem Ausverkauf der öffentlichen Kulturförderung gewarnt.
Ziel des TTIP ist die Schaffung eines transatlantischen Marktes, der größten
Freihandelszone der Welt durch Abbau von Zöllen und Vereinheitlichung
von Regulierungsstandards. Diese Vereinheitlichung greift vor allem soziale, ökologische oder kulturelle Standards in Europa an. Für die Kultur
könnte dies beispielsweise bedeuten, dass die öffentliche Subventionierung
von Museen und Theatern, dass Filmförderung oder Buchpreisbindung, im
gravierendsten Fall sogar der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Frage gestellt wären. Die Amerikaner wünschen sich nichts lieber, als ihren Giganten
Amazon, Apple und Google eine Bresche in den geschützten Kultur- und
Medienbereich zu schlagen. So könnte die öffentliche Förderung deutscher
Orchester und Theater als unzulässige Subvention genauso gekippt werden
wie die Buchpreisbindung. Die Verhandlungsposition der EU ist dabei mehr
als ambivalent. Einerseits will man angeblich die öffentliche Kulturförderung bewahren, andererseits sollen in Zukunft Zuschüsse über 50 Millionen Euro an ein Theater oder Orchester in einem Notifizierungsverfahren
in Brüssel auf ihre subventionsrechtliche Unbedenklichkeit geprüft werden.
Der billige Witz am TTIP: Zum Freihandelsabkommen gehört ein Investorenschutzabkommen, das Konzernen ermöglichen soll, vor einem Schiedsgericht einen Staat auf entgangene Gewinne zu verklagen.
Zu denken gibt dabei, dass die USA bis heute die Unesco-Konvention zum
Schutz der kulturellen Vielfalt nicht unterschrieben haben. Und dass das angeblich ausverhandelte Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kanada
CETA bis heute nicht veröffentlich ist. Was im TTIP für
die Kultur grundsätzlich zur Debatte steht, ist die Frage,
ob der Staat für eine kulturelle Grundversorgung seiner
Bürger einstehen darf. Ob jeder das Recht auf bezahlbare
Kultur hat oder nicht. Dass sich die Gegner des TTIP ins
Zeug legen, hat einen schlichten Grund: Nach Verhandlungsschluss 2015 will die EU-Kommission die MitgliedsHans-Christoph
staaten nicht mehr über den Vertrag abstimmen lassen.
Zimmermann
Wer jetzt nicht gegen TTIP mobil macht, hat die Kultur
Journalist und
Theaterkritiker
bereits preisgegeben.
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Theater Ruhr
Reckakrobatik von Goga in „Chaos Royal“
Klangmodule von Ralf Schreiber, Foto: Soundseeing
„Anna Karenina“, Foto: Birgit Hupfeld
Am Schlappseil
Den Ohren misstrauen
Teddy und Autoscooter
Wenn überdrehte Witzbolde auf leicht exzentrische Persönlichkeiten treffen, dann kreieren sie
ein wohlgeordnetes Durcheinander auf der Bühne
des GOP-Varieté-Theaters in Essen.
Die neue Show dort heißt „Chaos Royal“, ein temporeiches Rendezvous mit dem Chaos zwischen
rasanter Hula-Hoop-Kunst und waghalsiger
Schlappseil-Darbietungen. Alles wirkt dabei vermeintlich zufällig und augenscheinlich unbeabsichtigt, es wird ein bisschen anarchisch, bleibt
aber immer charmant. „Jede Nation versteht Spaß
auf eine ganz eigene Weise und gerade dieses
Aufeinandertreffen der unterschiedlichen Formen
von Humor macht diese Show so bunt“, sagt Regisseur Ulrich Thon. Johnny Filion ist Kanadier. In
25 Jahren Bühnenerfahrung entwickelte er eine
wirklich beeindruckende Verbindung aus Musik,
Magie und Zirkusartistik. Bei seiner ganz eigenen
Art von Physical Comedy jongliert er dabei mit
allem, was er zu fassen bekommt und nebenbei
musiziert er auch noch. Ganz anders „Pippa the
Ripper“. Mit ihren weiblichen Kurven und ihrer
rasanten Hula Hoop-Darbietung wickelt sie die
Zuschauer schnell um den Finger, gilt aber in der
Zirkusszene als Serienmörderin. Immer hinterlässt
die Kanadierin ein emotionales Chaos und arbeitet dennoch konsequent an einem neuen Weltrekordversuch. Der charismatische Italiener Giulio
Lanzafame absolvierte eine Ausbildung zum
Clown und Jongleur. Beim „Golden Circus Festival“ in Rom konnte er so 2010 auch die Jury von
seinem Talent überzeugen. Neben der Balljonglage präsentiert er bei „Chaos Royal“ die schwierige
Schlappseil-Artistik und zeigt auf einem durchhängenden Seil waghalsige Sprünge. Die zeigen
auch die brasilianischen Cascadeure, die Mustache Brothers, die auch die Liebe zu Schnurrbärten
teilen. Ihr einziges Requisit ist ein Tisch. Über den
rollen, fliegen und springen sie in einem wahnsinnigen Tempo und immer gepaart mit einer gehörigen Portion Slapstick.
Im November 1992 wurde der traditionsreiche
Georgspalast in Hannover, kurz GOP, von der Familie Grote als Varieté-Theater wiedereröffnet.
Nach über 20 Jahren sind daraus sechs Spielstätten geworden, darunter diese in Essen, und wer
wollte das bezweifeln, sie alle sind erfolgreich.
Klangkunst-Event in der Provinz? Mitnichten.
Bei der fünften Auflage der Klangkunstreihe
„Soundseeing“ treffen national und international
renommierte Künstler zusammen. Elf Kooperationspartner von Ahlen bis Bocholt, von Bentlage
bis Dülmen und natürlich in Münster haben sich
auch in diesem Jahr zusammengeschlossen, um
mit neuen Klangkunsterlebnissen nicht nur die
Ohren zu reizen. Zu sehen gibt es auch etwas.
Hans W. Koch, Tilmann Küntzel, Claus von Bebber
und Erwin Stache zeigen Soloperformances im
Textilwerk Bocholt und auf der Burg Vischering in
Lüdinghausen. Die Ausstellungen werden Anfang
September eröffnet und zeigen neben fliegenden
Ventilatoren auch die Saiten-Matrix von Erwin
Stache, bestehend aus 64 klangvollen Schubladen. Den Rest des Jahres prallen auch an anderen
Orten neuartige Instrumente, elektronische und
instrumentale Musik aufeinander, die Werke entstehen speziell für die Orte und nehmen direkten
Bezug auf inhaltliche und formale Aspekte. Kurator dieses erfolgreichen Projekts rund um Klänge
und Geräusche ist Stephan Froleyks, der seit 2000
als Professor für Schlagzeug und Perkussion an
der Musikhochschule Münster lehrt. Er begleitet
die Klangkunstreihe seit ihren Anfängen im Jahr
2009. Viel zu sehen gibt es im September auch bei
Christian Faubel und seinen Workshops in Heek
und Münster. Der Wissenschaftler und Künstler
interessiert sich dafür, wie autonome Verhaltensweisen aus der Interaktion einfachster Systeme
emergieren. In seiner künstlerischen Arbeit experimentiert er mit elementarsten Schaltkreisen und
primitiven Robotern, die wundervoll komplexe
Muster erzeugen. Nicht verpassen sollte man auch
das Konzert von Tefiton. Ausgehend vom musikalischen Selbstverständnis eines Schlagzeugers
und eines Gitarristen definieren Claus van Bebber und Erhard Hirt in ihrem Duo ihre Rollen neu:
Schallplatten sind das Ausgangsmaterial für den
Einen – Mischpult und Klangprozessoren Mittel
für den Anderen um dichte, assoziative GeräuschKlanglandschaften und energetische Hörbilder zu
erschaffen. Die beiden treffen im Rahmen von
Soundseeing auf den niederländischen Stimmakrobaten Jaap Blonk.
PETER ORTMANN
Wo ist mein Morphiumfläschchen? Wo ist mein
Leben? Am Schluss findet Anna Karenina das
Loch zwischen den zwei Waggons des einfahrenden Zuges. Da wird es dunkel und die Schuldgefühle sind Geschichte. Thomas Krupa inszeniert
in Essen eine recht aufwendige Tolstoi-Fassung
mit modernem Formenspiel. All inclusive sozusagen, mit Drehbühne, Lichterscheinungen,
etwas Sex und einem blinkenden Autoscooter.
Weit entfernt also vom russischen Realismus
des späten 19. Jahrhunderts. Die Parameter Ehe,
Moral, Selbstfindung und Lebensgier haben sich
bis heute gehalten, daraus strickt Krupa mit der
Armin-Petras-Fassung eine fast allgemeingültige
Geschichte über Lebensentwürfe, in denen Heirat
keine Lösung mehr zu sein scheint und das Leben
an sich ultra-viele Fallen stellt. „Anna Karenina“
ist in Essen eine Existenz, in der nicht nur täglich
das Murmeltier grüßt, sondern sich die Welt auch
mal im Kreis dreht. Und die Menschen um sie herum kreisen um das Leid wie sie.
So golden diese Welt auch scheint, im Innern ist
sie erkaltet, trotz der Menge an Liebesschwüren.
Ein Funke springt nicht über, die Figuren bleiben blass wie Marionetten, die von unsichtbarer
Hand geführt werden. Auch die Choreografie
bringt keine Spannung hinter dem Drehgerüst
mit durchsichtiger Spiegelfront.
Es ist kein verlorener Abend, aber nach des gehörnten, biederen Karenins (Stefan Diekman)
Schmunzler: „Ich bin nicht eifersüchtig“ passiert irgendwie nicht mehr viel. Der Tolstoi rollt
dahin, mit zahlreichen von den Spielern mitgesprochenen Situations-Erklärungen aus dem
Roman, klar heute wäre Annas (Janina Sachau)
Haltung fast gesellschaftskonform, auch die
Konsequenzen Kind oder Liebhaber haben sich
verschoben, dennoch fehlt der Inszenierung die
letzte Brisanz. Auch die Alternativen mit Kitty
(erst aufmüpfig, dann heiratswillig: Silvia Weiskopf) und Lewin (ganz blass, aber verliebt: Sven
Seeburg) oder dem unglücklichen, aber „wir bleiben gnadenlos verheiratet“ Ehepaar (Evamaria
Salcher und Matthias Breitenbach) können nicht
überzeugen. Souverän nur der Teddybär, aber der
ist ja aus Wolle.
„Chaos Royal“ im GOP Essen
PETER ORTMANN
„Chaos Royal“ | R: Ulrich Thon | 16.7. 20 Uhr,
18.7. 19 Uhr, 19.7. 18/21 Uhr, 20.7. 14/17 Uhr u.a.
GOP Theater Essen | 0201 247 93 93
Fünftes Soundseeing im Münsterland
„Soundseeing V: Klänge zum Ankucken“
bis 25.10. | div. Orte im Münsterland
soundseeing.net
Tefiton | So 21.9. 20 Uhr
cuba-cultur, Münster | 0251 548 95
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Tolstois „Anna Karenina“ in Essen
PETER ORTMANN
„Anna Karenina“ | R: Thomas Krupa
Fr 27.6. 19.30 Uhr | Grillo-Theater, Essen
0201 812 22 00
Prolog
Theater-Kalender Ruhr
= Premiere
= trailer-Empfehlung auf den Auswahlseiten
Die Theater-Übersicht der Region
Weiße Nächte, Foto: A. Köhring
Memory Effect of a Free Festival
Elfte Ausgabe der Weißen Nächte im Mülheimer Theater a. d. Ruhr
Wenn im Juli in Mülheim die Sonne langsam hinter dem Horizont verschwindet, dann sind die Weißen Nächte im Raffelbergpark nicht weit. Im Grunde
ist es eine Hommage an das Publikum, aber auch eine Verbeugung vor der
schieren Grenzenlosigkeit einer Theaterbühne, wenn das Stück stimmt und
die Schauspieler echte Schauspieler sind. Selbst das Wetter spielt dann keine große Rolle mehr, hoffen wir das zwischen dem 9. und 13. Juli das Klima
mild, der Regen fern und die Fußball-Hysterie zuhause bleiben mag. Dann
gönne man sich einen oder mehrere kostenlose Seelenmassagen des Theaters an der Ruhr. Lausche dem musikalischen Woyzeck, höre zu beim bösen
Kaspar oder grinse bei einem abgedrehten Gott. Dabei ist Roberto Ciullis
„Woyzeck“ zum ersten Mal unter freiem Himmel zu sehen. Da sitzt ein ganzes Blas- und Streichorchester auf der Bühne und untermalt die Handlung
über eine Gesellschaft, in der kaum etwas möglich war, die aber eben jenen
Woyzeck am 27. August 1824 wegen Mordes hinrichtete. Weil er aber geistige Anomalien aufwies, wurde posthum ein Gutachten erstellt. In diesem
beurteilt ein Dr. Clarus Woyzeck als moralisch verkommen, keineswegs aber
als verwirrt. Zwölf Jahre später greift Georg Büchner diesen Fall auf und
seziert das Verhalten dieses Bürgertums mikroskopisch und entdeckt mit
Schrecken die Groteske dieser Welt.
Ebenso grotesk wie hintergründig ist Woody Allens Stück „Gott“, in dem
sich ein Autor und ein Schauspieler ungefähr 500 Jahre v. Chr. über den
Ausgang eines Stücks streiten, das sie beim Athener Dramen-Festival aufführen möchten. Da sie jedoch nur in einem anderen Stück spielen, in dem
von Woody Allen, begeben sie sich bald in einen Dialog mit dem Publikum,
das sich auch als erfunden erweist. Fiktion und Wirklichkeit sind derart miteinander vermittelt, dass beide in ihrem Anspruch, Kunst beziehungsweise
Realität zu sein, bestritten werden. Die Lösung ist nur noch technisch möglich: ein Erfinder bietet dem Autor, welchem auch immer, eine Schlussmaschine an, mit der Zeus stets am Ausgang der Stücke einfliegt. Da jedoch
die Maschine, die auf dem Höhepunkt des Dramas eingesetzt wird, versagt,
stranguliert sich der einschwebende Zeus – Gott ist tot.
Neben den Inszenierungen des Theater an der Ruhr unter freiem Himmel
wird auch 2014 bei den Weißen Nächten ein musikalisches Rahmenprogramm geboten – jeweils vor den Theateraufführungen. Zu erleben sind
dann neben dem Cologne World Jazz Ensemble auch UWAGA!, ein Quartett aus einem klassischen Violinist mit Vorliebe für osteuropäische GipsyMusik, einem Jazzgeiger mit Punkrock-Erfahrung, einem Akkordeonist mit
Balkan-Sound im Blut und einem Bassist, der sich in Sinfonieorchestern
ebenso zu Hause fühlt wie in Jazzcombos. Die Dritten im Bunde sind Cats n
Fruits mit Katy Sedna und dem Geiger Martin Weber. Sie singt in den Sprachen der Länder, in denen sie gelebt hat. Er greift in seinen Arrangements zu
Geige, Akkordeon, Bass, Percussion, Mini-Piano und elektronischen Loops.
Gemeinsam schütteln die beiden togoische Lieder, portugiesische Fados und
indische Ragas durch.
PETER ORTMANN
STADTTHEATER
MUSIKTHEATER
SCHAUSPIELHAUS BOCHUM
0234 33 33 55 55
AALTO MUSIKTHEATER ESSEN
0201 812 22 00
Vor Sonnenaufgang
Do 3.7. 20.00
Othello
Sa 5.7. 20.00
Ein Mann will nach oben
So 6.7. 18.00
Carmen
Sa 5.7. 19.00
Madame Butterfly
So 6.7. 18.00
THEATER DUISBURG
0203 300 91 00
MUSIKTHEATER IM REVIER GELSENKIRCHEN
0209 409 72 00
Death in Venice
Fr 4.7. 19.30, So 6.7. 18.30
Ballett am Rhein – b.09
Sa 5.7. 19.30
Schwanensee
Do 3.7. 19.30
Cabaret
Do 3.7. 19.30, Sa 5.7. 19.30
Pique Dame
Fr 4.7. 19.30, So 6.7. 18.00
THEATER ESSEN (GRILLO)
0201 812 22 00
OPER DORTMUND
0231 502 72 22
Manderlay
Mi 2.7. 19.30
Das Geheimnis der schwarzen Spinne
Mi 2.7. 11.00/18.00, Do 3.7. 11.00
Aschenputtel (La Cenerentola)
Do 3.7. 19.30
Die Entführung aus dem Serail
Fr 4.7. 19.30
Carmen
Sa 5.7. 19.30
VARIÉTÉ & BOULEVARD
Foto: Martin Kaufhold
Lucky Happiness Golden Express
Fr 4.7. 19.00
PTAH III – Junge Choreographen
Fr 4.7. 19.30
THEATER HAGEN
02331 207 32 18
GOP THEATER ESSEN
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Lipstick
Mi 2.7., Do 3.7. je 20.00, Fr 4.7., Sa 5.7. je
18.00/21.00, So 6.7. 14.00/17.00
Chaos Royal
Mi 16.7. 20.00, Fr 18.7. 19.00, Sa 19.7. 18.00/
21.00, So 20.7. 14.00/17.00, Mi 23.7., Do 24.7.
je 20.00, Fr 25.7. 19.00, Sa 26.7. 18.00/21.00,
So 27.7. 17.00, Mi 30.7., Do 31.7. je 20.00
Otello
Mi 2.7. 19.30
Lola rennt
Do 3.7. 19.30
Der Schrank der Georgi
Fr 4.7. 19.30
Die acht Frauen
Sa 5.7. 19.30
THEATER OBERHAUSEN
0208 857 81 84
Die Schöne und das Biest Di 1.7. 15.00
„Chaos Royal“, Johnny Filion
THEATER IM RATHAUS ESSEN
0201 245 55 55
Heiße Zeiten
Do 17.7., Fr 18.7., Sa 19.7. 19.30
FREIE SZENE
Angela Falkenhan, Eike Weinreich, Foto: Birgit Hupfeld
Die Orestie Mi 2.7. 19.30
THEATER AN DER RUHR MÜLHEIM
0208 96 09 60
Weiße Nächte 2014
Mi 9.7.-So 13.7.
WESTF. LANDESTHEATER CASTROP-RAUXEL
02305 97 80 20
Tschick
Di 1.7. 11.00
Alk. Außer Kontrolle
Mi 2.7. 9.00/11.30
Tomte Tummetott
Mi 2.7. 15.30
Let’s Spend the Night Together –
Die Stones Show
Mi 2.7., Do 3.7., Fr 4.7., Sa 5.7., So 6.7., Do
10.7. je 20.00
Weiße Nächte | 9.-13.7. | Theater an der Ruhr, Mülheim | Eintritt frei
14
CONSOL THEATER GELSENKIRCHEN
0209 988 22 82
!STAGE XII – Abschlusspräsentation des 12.
Jahrgangs
Sa 5.7. 20.00, So 6.7. 18.00
EBERTBAD OBERHAUSEN
0208 205 40 24
Pommes
Do 3.7., Sa 5.7. je 20.00, So 6.5. 19.00
THEATER IM DEPOT DORTMUND
0231 982 23 36
Das Schloss
Do 3.7. 20.00
Die Elenden nach Victor Hugo
Sa 5.7., So 6.7. 20.00
THEATER TOTAL BOCHUM
0234 9731673
Viel Lärm um nichts
Do 3.7., Sa 5.7. 19.30, So 6.7. 17.00
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20 Uhr
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04 | 07 | od. 05 | 07 | 2014 *
08 | 07 | od. 09 | 07 | 2014 *
12 | 07 | 2014 *
13 | 07 | 2014 *
11 | 07 | 2014 –
20 | 07 | 2014 Sommerfest
18 | 07 | 2014 WDR 4 Kultnacht
27 | 08 | 2014 Sascha Grammel
27 | 09 | 2014 Subergs Ü-30 Party
11 | 10 | 2014 Kipelov
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Montag bis Freitag 10.00 – 18.30 Uhr
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Film-ABC
Vorspann
Finding Vivian Maier, s.S. 21
KULTUR.KINO.RUHR.
Juli 2014
FILMKRITIK-ÜBERSICHT
FILMSTART-TERMINE
26.6.
3.7.
10.7. 17.7. 24.7.
21
2 Automnes 3 Hivers – 2 Herbste 3 Winter
23
Beste Chance
20
Der wundersame Katzenfisch
18
Die geliebten Schwestern
24
Die große Versuchung – Lügen bis der Arzt kommt
x
25
Die Karte meiner Träume
x
23
Die Mamba
23
Drachenzähmen leicht gemacht 2
21
Eine ganz ruhige Kugel
21
Feuerwerk am Hellichten Tag
21
Finding Vivian Maier
22
Große Jungs
x
23
Jack und das Kuckucksuhrherz
x
Mädelsabend
x
x
x
31.7.
x
x
x
x
x
x
24
Monsieur Claude und seine Töchter
25
Otto ist ein Nashorn
23
Qissa – Der Geist ist ein einsamer Wanderer
x
23
Rico, Oskar und die Tieferschatten
x
25
Tammy
25
Transformers – Ära des Untergangs
23
Unter Beobachtung
24
Viel Lärm um nichts
20
Violette
25
Wacken 3D
23
Wie der Wind sich hebt
x
22
Wir sind die Neuen
x
22
Wüstentänzer – Afshins verbotener Traum von Freiheit
x
x
x
x
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x
x
x
Wird im Sommer auch mal draußen bleiben: Lisa Mertens
Unter Hochofen und Sternen
Sommerkino mit Charakter zum Liebhaben
Erster Satz? „Is deer geil!“ Nummernschild? DO-PE 69. Für Liebhaber des
Films lächerlich einfache Fragen. Sie können schließlich alle Dialoge mitsprechen. Einige (positiv) Verrückte haben sogar Szene für Szene nachgedreht und ihre Meisterleistung auf die Leinwand gebracht. Die Rede ist von
Peter Thorwarths Ruhrgebietskomödie „Bang Boom Bang“, die zum Kultstreifen avancierte. Seit dem Erscheinungsjahr 1999 läuft der Film jeden
Freitagabend im UCI Bochum. Stets ausverkauft. In Dortmund führt regelmäßig die Bang Boom Bang-Tour stilsicher mit dem nötigen Equipment zu
den Spielorten. Fans des BVB vereinnahmten den Spruch des schmierigen
Videothekenbesitzers Franky für sich: 90 Minuten Hardcore, echte Gefühle.
Und der eigentliche Star des Films, Ralf Richter alias Kalle Grabowski, räsoniert neuerdings im Radio über K**k-Vereine und Vereine mit Charakter zum
Liebhaben, natürlich nicht ohne sein typisches „Mann, doh!“. Kein anderer
Film wird im Ruhrgebiet so gefeiert wie der erste Teil der Thowarthschen
Unna-Trilogie. Im August richtet das UCI zum 15. Geburtstag des Films eine
Party mit großem Staraufgebot aus und muss sich wie vor fünf Jahren wohl
kaum um die Kartenabnahme sorgen.
Wem die Wochen bis dahin zu lang erscheinen, der kann am 11. Juli die
Gelegenheit ergreifen, sich die Kultkomödie im Westfalenpark Dortmund
auf der Leinwand der Seebühne zu Gemüte zu führen. Denn ja, es ist Sommer. Die optimale Zeit für Kino unter freiem Himmel. Und an Angeboten
mangelt es im Ruhrgebiet keineswegs. Unweit der pittoresken Kulisse im
Westfalenpark in der Nachbarstadt Hagen lädt das kleine Kino Babylon im
Hinterhof zum romantisch anmutenden „Kino unterm Sternenhimmel“ ein
und zeigt ab dem 18. Juli Komödien wie „Paulette“ oder Dramen wie „American Hustle“. In Bochum-Langendreer läutet das Endstation Kino am 19.
Juli die Freiluftsaison mit einem „7 Psychos“-Gastspiel auf dem Rasen des
BV Langendreer 07 ein und erinnert an Picknickdecken für ein gemütliches
Beisammensein. Die hiesige Brauerei Bochums hält neben Kassenschlagern
wie „Fack Ju Göhte“ mit der Dokumentation „Wacken“ sogar eine Preview
für ihr Open Air bereit. Die Stadt Herten besinnt sich auf demokratische
Werte, indem sie die Zuschauer die Filme für ihr Sommerkino wählen lässt
und das Kino Filmwelt Herne wartet mit historischer Atmosphäre im Innenhof von Schloss Strünkede auf. Jüngeren Jahrgangs ist der Königlich
Preußische Bahnhof zu Kupferdreh, wo das in der Empfangshalle beheimatete Lukas die neuesten Arthouse-Produktionen präsentiert. Ebenfalls einen
Eisenbahnhintergrund weist die Spielstätte in Mülheim auf. Der Ringlokschuppen, nun ein Zentrum für die Kulturszene, räumt am 31. Juli mit „00
Schneider im Wendekreis der Eidechse“ beim Ruhrsommer Open Air Kino
dem bekanntesten Kind der Stadt einen Platz ein. Jedoch die vermutlich
eindrucksvollste Kulisse und das Symbol für den Strukturwandel im Ruhrgebiet schlechthin darf das Stadtwerke Sommerkino für sich behaupten.
Das Filmforum Duisburg lässt in Kooperation mit dem Landschaftspark
Duisburg-Nord 40 Tage lang großes Kino in der Gießhalle eines ehemaligen
Hochofens laufen. Höhepunkt dieses Jahres wird der Auftritt der Duisburger
Philharmoniker zu Charlie Chaplins Stummfilm „Lichter der Großstadt“ sein,
aber auch die Komödie „Nicht mein Tag“ wird am 31. Juli gezeigt. Regisseur? Peter Thorwarth.
LISA MERTENS
Wertung unter den Filmkritiken:
1(
) bis 6 (
) 6 Punkte = Höchstwertung
Mit Filmtrailer, Hintergrund, Interview, Portrait …
17
www.trailer-ruhr.de/heute-im-kino
Film des Monats
Caroline, Friedrich und Charlotte in zugeneigter Dreisamkeit
Was gilt die Liebe bei einem Künstler?
„Die geliebten Schwestern“ von Dominik Graf
Dominik Graf erzählt von der Liebe Friedrich Schillers zu zwei sehnsuchtserfüllten
Schwestern.
C Beseeltes Liebesdrama
Im Jahre 1787 lernt der damals 28-jährige Friedrich Schiller die Schwestern
Charlotte von Lengefeld und Caroline von Beulwitz kennen. Er verliebt sich in
beide Frauen gleichermaßen, und die sind Schiller ähnlich zugeneigt. Regisseur
Dominik Graf wurde von seiner Produzentin Uschi Reich auf diese wahre
Dreiecksgeschichte gestoßen. Eine auf Tatsachen beruhende Menage zu dritt,
bei der jeder der Beteiligten für die anderen beiden nur das Beste will. Wie
geht das? Geht das gut? Ging das gut? Das Drama erzählt von dem eigenwilligen Beziehungsgeflecht, das Schiller (1759-1805) in seiner zweiten Lebenshälfte begleitete. Detailliertere Überlieferungen zu der Dreier-Konstellation
und deren Höhen und Tiefen gibt es nicht. Caroline, die später nach erneuter
Heirat unter dem Namen Caroline von Wolzogen literarisch wirkte, hatte sich
nach Schillers Tod bemüht, alle Spuren zu verwischen und fast alle Dokumente, die auf die geschwisterliche Liaison verwiesen, vernichtet. Dies gestattet Dominik Graf, innerhalb der tatsächlichen Ereignisse dramaturgisch Hand
anzulegen. Der Regisseur dichtet den drei Beteiligten einen regen Briefwechsel
an. Das geschriebene Wort, frei heraus oder codiert, geschrieben oder vorgetragen, rahmt dieses aufregend beseelte Drama.
Männliche Maitresse
Im Jahr 1787 unterhält Friedrich Schiller (Florian Stetter) seit nunmehr drei
Jahren eine leidenschaftliche Affäre zu der verheirateten Charlotte von Kalb.
Wegen ihr zieht er schließlich nach Weimar. Eben dorthin hat es auch die
junge Charlotte (Henriette Confurius) verschlagen, die am Hofe ihrer Patentante in Sitte und Etikette geschult werden soll. Ihr Vater ist tot, das Vermögen der Familie darbt dahin, Charlottes ältere Schwester Caroline (Hannah
Herzsprung) wurde aus der materiellen Not heraus bereits mit dem vermögenden Freiherrn von Beulewitz verheiratet. Charlotte ist schon bald einigermaßen angeödet von dem höfischen Umgang, bis eines Tages Schiller vorm
Fenster steht und sie nach dem Weg fragt. Es folgt ein zögerlicher Briefwechsel, schon bald ist Caroline involviert. Und dann wächst sie heran, die
Leidenschaft, die beide Schwestern, seit der Jugend durch einen Schwur tief
miteinander verbunden, schwesterlich teilen. Da Caroline schon verheiratet
ist, gelten Schillers offizielle Avancen Charlotte. Die Mutter aber zeigt sich
wenig erfreut über den bis dahin noch wenig erfolgreichen Verfechter der
Aufklärung und künftigen Vertreter der Weimarer Klassik. „Was gilt die Liebe
bei einem Künstler, einer männlichen Maitresse?“, fragt sie sich vielmehr, die
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Mutter Louise (Claudia Messner). Doch die Zuneigung der Liebenden bleibt
bestehen. Und als Schillers kreativem Potenzial endlich finanzielle Zuwendung zugestanden wird, hält dieser um Charlottes Hand an.
Regisseur Dominik Graf hat sich in den letzten Jahren rar gemacht auf der
großen Leinwand, blieb aber umtriebig und arbeitete erfolgreich fürs Fernsehen („Im Angesicht des Verbrechens“). „Die geliebten Schwestern“ nun sind
wieder kinoreif. Sein Ansatz mag Assoziationen wachrufen an Philipp Stölzl,
der im Jahre 2010 Schillers Zeitgenossen Johann Wolfgang von Goethe einen
Spielfilm über dessen Schaffens- und Liebesleben („Goethe!“) widmete. Eine
gefällige, romantische Komödie mit Ausrufezeichen im Titel, die unseren
bekanntesten Dichter einem jungen Publikum nahbringen wollte, damit aber
wenig Wahrhaftiges hinterließ. Graf zeigt sich ungleich reifer, bewahrt aber
die Leichtigkeit. Sein Erfahrungsschatz wirkt nie routiniert.
Weder „Goethe!“ noch Sissi
Grafs Film ist authentisch ausgestattet, aber kein Kostümfilm. Grafs Schiller
ist weder „Goethe!“ noch Sissi noch verkopftes Kammerspiel. Die Story
greift, die Hauptdarsteller sind brillant besetzt. Sanft, traurig, sinnlich, frei
folgt der Regisseur und Drehbuchautor seiner Geschichte, setzt mit Kameramann Michael Wiesweg inszenatorisch inspirierte Pausen und vollzieht
nebenbei in hübschen Aufnahmen die bedeutungsvolle Entwicklung des Buchdrucks nach. Das Drama nimmt sich Zeit. Zeit für die innere Reise und für
die Stationen, die die Protagonisten räumlich beschreiten. Graf hatte den
Film auf die tatsächlichen 140 Minuten veranschlagt. Zugleich montierte er
noch eine dreißig Minuten längere Festival-Fassung. Dabei wirkt die
Kinoversion nie gerafft, bleibt intensiv und stellt laut Graf weniger einen
Kompromiss dar „als vielmehr einem Rhythmus-Wechsel“. „Die geliebten
Schwestern“ ist ein Drama über die Worte der Liebe, und es ist ein Drama
über die Liebe. Keiner der drei Protagonisten erlebt die Liebe gleich. Bei der
einen Geliebten erlebt man Weisheit, bei der anderen Glut. Liebe spiegelt
Sehnsucht, Verlangen, Verzicht. Und Abschied. Und damit schließen wir mit
Friedrich Schiller daselbst: „Das süßeste Glück für die trauernde Brust, nach
der schönen Liebe verschwundener Lust, sind der Liebe Schmerzen und
Klagen.“ Och Mann.
HARTMUT ERNST
DIE GELIEBTEN SCHWESTERN
Bayerischer Filmpreis 2014: Beste Kamera, Michael Wiesweg
D/A 2013 - Drama - 171 Min - Regie: Dominik Graf mit: Florian Stetter, Hannah Herzsprung, Henriette Confurius
Start: 31.7.
BO: Metropolis/Casablanca, Union, E: Cinemaxx, Filmkunsttheater, OB: Lichtburg
18
Alle Filme, alle Kinos, alle Filmkritiken, alle Termine im Ruhrgebiet
Kritikerspiegel Ruhr
Juli 2014
Die häufigsten Nennungen
Sebastian
Ko
WDR
Ingrid
Bartsch
ARD
1 LIVE
Morgenmagazin
Herausragend
Wie der Wind
sich hebt
von
H. Miyazaki
Die geliebten
Schwestern
von
Dominik Graf
Die Karte
meiner
Träume von
J.-P. Jeunet
Bemerkenswert
Die Karte
meiner
Träume von
J.-P. Jeunet
Wüstentänzer
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3 hivers
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S. Betbeder
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Neuen
von
R. Westhoff
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Best of
Drama
Die geliebten
Schwestern
von
Dominik Graf
Wie der Wind
sich hebt
von
H. Miyazaki
Der wundersame Katzenfisch von C.
Sainte-Luce
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Vivian Maier
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J. Maloof
Violette
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M. Provost
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Verena
Lueken
Kultur.Kino.Köln.
FAZ
Die geliebten
Schwestern
von
Dominik Graf
Daniel
Kothenschulte
Frankfurter
Lars-Olav
Beier
Spiegel
Katja
Nicodemus
Die Zeit
Rundschau
(Urlaub)
Frank
Brenner
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Kultur.Kino.Ruhr.
Wie der Wind
sich hebt
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H. Miyazaki
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Monsieur
Claude und
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Die geliebten
Schwestern
von
Dominik Graf
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Vivian Maier
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Die geliebten
Schwestern
von
Dominik Graf
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meiner
Träume von
J.-P. Jeunet
Wir sind die
Neuen
von
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Die Mamba
von
A. Samadi
Ahadi
2 automnes
3 hivers
von
S. Betbeder
Die geliebten
Schwestern
von
Dominik Graf
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Nichts
von J. Whedon
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Vivian Maier
von C. Siskel &
J. Maloof
Wir sind die
Neuen
von
R. Westhoff
Kino-Kalender Ruhr
PREVIEWS, FILMREIHEN, FESTIVALS & SONDERVORFÜHRUNGEN
1./2.7., 10 Uhr SCHUSSWECHSEL, sweetSixteen Dortmund
Über Fotografen in Krisengebieten. Für Schulklassen. Mit Fotoausstellung
16.7., ab 17 Uhr TRANFORMERS DOUBLE FEATURE, UCI Bo/Du
Im Doppelpack inklusive Preview von Ära des Untergangs
1.7., 19.30 Uhr ALPHABET, StudienKreis Film Bochum
Dokumentarfilm von Erwin Wagenhofer über Bildungssysteme weltweit
16.7., 20 Uhr ANGST ESSEN SEELE AUF, Union Kino Bochum
Fassbinders vielfach ausgezeichnetes Melodram beim Arthaus-Filmfest
2.7., 14.30 Uhr DER BUTLER, UCI Bo/Du Kino Café
Lee Daniels thematisiert die afroamerikanische Bürgerrechtsbewegung.
Präsentiert von trailer
19.7., ab 21.30 Uhr 7 PSYCHOS, Endstation Bochum
Beginn der open.air-Reihe auf der Wiese des BV Langendreer 07. Mit
Picknick. Eintritt frei
2.7., 19 Uhr STAHLBRAMMEN UND PFIRSICHE, Endstation Bochum
In der Eve Bar, mit Einführung. Eintritt frei
20.7., 18.30 Uhr WER HAT ANGST VOR VAGINA WOLF, Schauburg DO
Ausgez. Dramödie mit trockenem Humor in der homochrom-Filmreihe
2.7., 19 Uhr STEPPING FORWARD, Endstation Bochum
In der Reihe „Flucht über das Mittelmeer“. Regisseur Benjamin Wiedenbruch im Anschluss zu Gast
„Der Butler“
20.7., 14 Uhr DRACHENZÄHMEN LEICHT GEMACHT 2, CineStar Dortmund
Kinderfest mit dem Computeranimationsfilm als Preview
3./4.7., 20 Uhr JACKIE – WER BRAUCHT SCHON EINE MUTTER, Kino im U,
Dortmund. Gewinner des trailer-Publikumspreises beim IFFF 2013
20.7., 13 Uhr HANNAS REISE, Casablanca Bochum
Ehrgeizige Studentin findet in Israel Spuren ihrer Familiengeschichte.
Sektmatinée
2.7., 20.30 Uhr TAMMY, Filmwelt Herne
Preview der Komödie mit Humorbombe Melissa McCarthy
21.7., 14.30 Uhr FRAU ELLA, Casablanca Bochum
Nach dem gleichnamigen Roman von Florian Beckerhoff. Kino-Café
3.7., 11.30 Uhr WIR SIND DIE NEUEN, Lichtburg Oberhausen
Der Kampf der Generationen als Vorpremiere im Kino-Café
23.7., bei Dunkelheit WACKEN 3D – DER FILM, Fiege Kino Open Air
Preview der Doku über das international bekannte Metalfestival
3.7., 14 Uhr DER BLINDE FLECK, Filmpassage Mülheim
Über den rechtsextremen Anschlag auf das Oktoberfest. Kaffeeklatsch
24.7., 20 Uhr DIE GELIEBTEN SCHWESTERN, Lichtburg Essen
Ménage-à-trois mit Friedrich Schiller. Vorpremiere
5.7., 15 Uhr RICO, OSKAR UND DIE TIEFERSCHATTEN, Apollo Gelsenkirchen
Verfilmung des ausgez. Kinderbuchs von Andreas Steinhöfel. Vorpremiere
„ Außer Atem“
24.7., 14 Uhr MONSIEUR CLAUDE UND SEINE TÖCHTER, Lichtburg Essen
Französiche Komödie über Vorurteile. Clash of Cultures im Seniorenkino
6.7., 17.45 Uhr AUSSER ATEM, Union Kino Bochum
Godards Klassiker beim Arthaus-Filmfest (26.6.-23.7.)
25.7., 20 Uhr THE PURGE: ANARCHY, CineStar Dortmund
Zum 2. Mal herrscht einmal im Jahr die totale Anarchie. CineScream Preview
10.-12.7., 22 Uhr CITY LIGHTS, Stadtwerke Sommerkino Duisburg (Open Air)
Die Duisburger Philharmoniker begleiten Charlie Chaplins Stummfilm
25./26.7., 22.30 Uhr DARJEELING LIMITED, Casablanca Bochum
Erster Film der Wes-Anderson-Reihe im Kult-Corner
11./12.7., 22.30 Uhr BLUTGLETSCHER, Casablanca Bochum
Im Kult-Corner furchteinflößendes Genrekino aus Österreich
28.7., 20 Uhr MISTAKEN FOR STRANGERS, Walzenlager Oberhausen
Filmportrait über The National in der Reihe Summer of Music
14.7., 20.30 Uhr REINE MÄNNSERSACHE, Schauburg Dortmund
Schwules „American Pie“ in der Reihe homochron
29.7., 20 Uhr 22 JUMP STREET, Cinemaxx Essen
Vorpremiere mit den zwei infantilen Cops Channing Tatum und Jonah Hill
15.7., 18./20.30 Uhr AUGE UM AUGE, Schauburg Gelsenkirchen
Christian Bale vs Woody Harrelson. Kommunales Kino mit der Reihe
Filmjahr International
Mit Filmtrailer, Hintergrund, Interview, Portrait …
„City Lights“
19
29.7., 20 Uhr DER WUNDERSAME KATZENFISCH, Filmstudio Essen
Spielfilmdebüt der mexikanischen Regisseurin Claudia Sainte-Luce. OmU
„7 Psychos“
„Wacken“
„Die geliebten Schwestern“
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Film-Kritik
Annäherung zweier Künstlerseelen
Die Bitternis des Lebens
„Violette“ von Martin Provost
Drama über die kreative Schaffensphase der französischen Autorin Violette Leduc.
C Künstlerdrama
Zögerlich entdeckt Violette Leduc (1907-1972) Ende der 30er Jahre ihr literarisches Talent. Von dem französischen Schriftsteller Maurice Sachs motiviert,
später von Simone de Beauvoir gefördert und von Albert Camus, Sartre und
Genet gewürdigt, veröffentlicht sie bis in die 60er Jahre hinein ihre autobiografisch gefärbten Romane, mit denen sie an Tabus kratzt. Regisseur Martin
Provost erzählt von Violettes schicksalsgeprägter Selbstsuche und ihren literarischen Wanderjahren, in deren Mittelpunkt er die Freundschaft zu Simone de
Beauvoir stellt. „Ich erdrücke das Licht.“ Die bewusst farblos gestalteten Bilder
dieses Frauen- und Künstlerdramas suchen, das Innenleben seiner Protagonistin, ihre Trübsal, ihren Selbsthass und ihren Groll über fehlende Anerkennung visuell zu spiegeln. Gelungen besetztes Drama.
HARTMUT ERNST
VIOLETTE Filmfestival Haifa 2013: Bes. Erwähnung, Emmanuelle Devos
F/B 2013 - Drama / Biographie - 139 Min - Regie: Martin Provost
mit: Emmanuelle Devos, Sandrine Kiberlain, Olivier Gourmet
Start: 26.6.
E: Filmkunsttheater
Vereint auf Reisen
Begegnungen
„Der wundersame Katzenfisch“ von Claudia Sainte-Luce
Eine junge Frau begegnet einer schicksalsgeprüften Familie.
C Alltägliches, bewegendes Drama
Claudia ist 22 und lebt einsam zurückgezogen in einer mexikanischen Kleinstadt. Als sie wegen einer Blinddarmoperation ins Krankenhaus muss, lernt sie
dort Martha kennen, eine an AIDS erkrankte Mutter dreier Kinder. Martha lädt
Claudia zu sich ein, wo diese mit den Kindern die zunehmend schwächelnde
Martha unterstützt. Dieses wundervolle Drama ist ein Kleinod. Begnadet souverän, in alltäglichen und ebenso poetisch entrückten Bildern, erzählt Regiedebütantin Claudia Sainte-Luce von einer schicksalhaften Begegnung. Bis hin
zu den Kinderdarstellern spielen alle Beteiligten ungeschminkt lebensnah und
stemmen die berührende Geschichte, die sich mal herzerwärmend, mal trostlos, und dabei keine Sekunde verkitscht zwischen Trauer und Hoffnung bewegt. Ein in vielerlei Hinsicht beeindruckendes Debüt.
HARTMUT ERNST
DER WUNDERSAME KATZENFISCH Preis Toronto Film Festival 2014
MEX/F 2013 - Drama - 89 Min - Regie: Claudia Sainte-Luce
mit: Ximena Ayala, Lisa Owen, Sonia Franco
Start: 10.7.
BO: Endstation
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20
Alle Filme, alle Kinos, alle Filmkritiken, alle Termine im Ruhrgebiet
Arman (Vincent Macaigne) und Amélie (Maud Wyler) unterwegs ins Leben
Vivian Maier im Selbstportrait
Vom Schicksal geschubst
Ich bin eine Art Spion
„2 Automnes 3 Hivers – 2 Herbste 3 Winter“ von Sébastien Betbeder
„Finding Vivian Maier“ von John Maloof und Charlie Siskel
Gleich mehrere Schicksalsschläge verbinden Arman und Amélie.
C Tragikomische Liebesgeschichte
Nach Jahrzehnten werden Straßenfotografien einer unbekannten Künstlerin entdeckt.
C Aufregendes Portrait einer zu Lebzeiten unentdeckten Künstlerin
Arman will mit 33 sein Leben ändern. Als erstes beginnt er mit dem Joggen
und stößt im Park mit Amélie zusammen. Kurz darauf landet Arman im Krankenhaus, und bald erleidet auch sein langjähriger Freund Benjamin einen
Schicksalsschlag. Regisseur Betbeder beobachtet in unzähligen Episoden die
Entwicklungen seiner Protagonisten um die 30, die ziellos und vom Schicksal
geschubst durchs Leben wandeln. Die Geschichte ist zwar ereignisreich, in
seiner episodenhaften Form aber immer etwas distanziert. Das gilt für die
gesamte Inszenierung, die mit vielen visuellen Einfällen, direkter Ansprache
der Figuren an den Zuschauer und Off-Kommentaren sehr charmant erzählt.
Bild- und Textebene kommentieren sich permanent. Das ist bei aller Künstlichkeit nicht nur kurzweilig, sondern auch sehr berührend. CHRISTIAN MEYER
Durch Zufall ergattert der amerikanische Filmemacher John Maloof Unmengen an herausragenden Straßenfotografien. Sie stammen von dem amerikanischen Kindermädchen Vivian Maier. Die war nicht nur außerordentlich
talentiert, sondern geradezu besessen von der Fotografie des Alltags. Ihr Werk,
das sie mit ihrer zweiäugigen Rolleiflex einfing, bildet vielseitig und pointiert
das Leben ab auf den Straßen New Yorks und Chicagos der 50er und 60er
Jahre. John Maloof richtet sein Augenmerk nicht nur auf das bisher unveröffentlichte Werk, sondern begibt sich zugleich auf Spurensuche, die nicht nur
die Kinderliebe einer geheimnisvollen Frau und ihren tiefen Groll auf Männer
offenbart, sondern auch skurrile Rätsel aufgibt und Abgründe erahnen lässt.
Eine aufregende, angeregt erzählte Reise.
HARTMUT ERNST
2 AUTOMNES 3 HIVERS – 2 HERBSTE 3 WINTER
FINDING VIVIAN MAIER Palm Springs 2014: John Schlesinger Preis, Maloof /Siskel
F 2013 - Komödie / Lovestory - 93 Min - Regie: Sébastien Betbeder
mit: Vincent Macaigne, Bastien Bouillon, Maud Wyler
Start: 3.7.
BO: Endstation
USA 2014 - Dokumentarfilm - 84 Min - Regie: John Maloof, Charlie Siskel
mit: John Maloof, Mary Ellen Mark, Phil Donahue
Start: 26.6.
BO: Metropolis/Casablanca, E: Filmkunsttheater, OB: Lichtburg
Gestrandet im Schnee: Ex-Cop Zhang Zili (Liao Fan)
Die Kugel zum Glück?
Fahles Licht
Tempo, Spaß und Seele
„Feuerwerk am helllichten Tag“ von Yi'nan Diao
„Eine ganz ruhige Kugel“ von Frédéric Berthe
Nach verpatzten Ermittlungen stürzt ein Polizist in eine Sinnkrise.
C Chinesischer Film-Noir
Zwei Boule-Spieler treten an zum großen Wettkampf.
C Freche, kurzweilige Sommerkomödie
Zhang Zili ermittelt in einem makaberen Mordfall. Als man die mutmaßlichen
Täter fasst, sterben sie und zwei von Zhang Zilis Kollegen bei einer Schießerei,
er selber wird schwer verletzt. Fünf Jahre später arbeitet der vom Dienst Entlassene als Wachmann und ist Alkoholiker. Doch der Fall lässt ihm keine Ruhe
und er heftet sich an die Fersen der Witwe des Opfers. Die Sonne scheint nie
in Yi'nan Diaos Provinzstadt. Stattdessen sieht man den toughen Alltag in der
Arbeiterstadt. Neben diesem Realismus in fahlem Licht entfaltet der Film aber
immer wieder überraschende Szenen – sowohl in Bezug auf das Setting als
auch mit ungewöhnlichen Schlenkern in der Handlung mit surrealen Höhepunkten. Der diesjährige Berlinale-Gewinner ist nicht leicht zu Kategorisieren
und dadurch umso nachhaltiger irritierend.
CHRISTIAN MEYER
Selbst harmlose Kurzweil kann auf der Leinwand großen Spaß machen, solang
sie ihr Anliegen charmant herüberbringt. Diesem Film gelingt eben dies. „Eine
ganz ruhige Kugel“ ist eine leichthändig inszenierte, sommerliche Komödie, die
neunzig Minuten zum Lächeln einlädt, ohne nachhaltig in Erinnerung bleiben
zu müssen. Unterm Strich handelt es sich um einen Sportler-Film: Zwei sympathische, kleinkriminelle Boule-Spieler (Gérard Depardieu, Atmen Kelif) wollen bei einer Weltmeisterschaft antreten, begegnen dabei jedoch allerlei Missgunst, Intrigen und Vorurteilen. Figuren und Inszenierung setzen nostalgisch
entrückt auf einen 70er-Jahre-Charme, in dem Tempo und Sprüche souverän
auf Logik und Tiefgang pfeifen. Dass so etwas auch mit Seele funktioniert, das
beweisen die Franzosen alle Jahre wieder.
HARTMUT ERNST
FEUERWERK AM HELLLICHTEN TAG Berlinale 2014: Goldener Bär
CHN 2014 - Drama - 106 Min - Regie: Yi'nan Diao
mit: Fan Liao, Lunmei Kwai, Wang Xuebing
EINE GANZ RUHIGE KUGEL
Start: 24.7.
F 2013 - Komödie - 99 Min - Regie: Frédéric Berthe
mit: Gérard Depardieu, Atmen Kelif, Virginie Efira
Start: 3.7.
BO: Metropolis/Casablanca, DO: Cinestar, Roxy, E: Filmkunsttheater
Mit Filmtrailer, Hintergrund, Interview, Portrait …
21
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Film-Kritik
Afshin und Elaheh, vereint im verbotenen Tanz
Heiner Lauterbach, Gisela Schneeberger und Michael Wittenborn in Aufbruchstimmung
Ohne Regeln
Junge Säcke, alte Hüpfer
„Wüstentänzer“ von Richard Raymond
„Wir sind die Neuen“ von Ralf Westhoff
Ein iranischer Tänzer setzt sich über das Verbot hinweg und gründet eine Tanzgruppe.
C Biografisches Drama
Alten-WG trifft auf Studenten-WG, dass es kracht.
C Turbulenter Generationen-Clash
Afshin Ghaffarian liebt das Tanzen. In seinem Heimatland aber, der Islamischen Republik Iran, ist Tanzen in der Öffentlichkeit verboten. Als kleiner Junge
setzt es dafür in der Schule noch Prügel. Vorübergehend findet Afshin ein
Refugium bei dem weltoffenen Lehrer Mehdi in der Saba Arts Academy, in der
junge Menschen tanzen, malen und schauspielern. Doch auch diese kreative
Oase muss bald den strengen Sittenwächtern weichen. 2009 ist Afshin (Reece
Ritchie, „In meinem Himmel“) erwachsen und studiert in Teheran. Als er in den
versteckten Mikrokosmos der Untergrund-Partys eintaucht, wo westliche
Musik gespielt wird, aber auch harte Drogen kursieren, erwacht in ihm die
Leidenschaft erneut. Und eine neue Hoffnung.
Ralf Westhoff löst sich von seinem Liebesanbahnungsthema („Shoppen“) und
wagt den Spagat zwischen den Generationen: Aus finanziellen Gründen ziehen drei Mitglieder einer 35 Jahre zurückliegenden Studenten-WG wieder zusammen. In ihrer jugendlichen Aufbruchsstimmung freuen sie sich auf die
Bewohner der darüber liegenden Studenten-WG. Doch die sind im Lernstress
und um Effizienzoptimierung ihres Lebens bemüht. Das passt so gar nicht zu
den Erinnerungen der drei Alten aus den 70er Jahren. Der Konflikt ist vorprogrammiert. Westhoffs Komödie arbeitet mit auf den Kopf gestellten Klischees.
Das Timing stimmt und die Schauspieler überzeugen durch die Bank. In deutschen Komödien lacht man nicht häufig so viel.
CHRISTIAN MEYER
Verborgen vor den Augen der allgegenwärtigen Sittenwächter gründet Afshin
gemeinsam mit gleichgesinnten Kommilitonen eine Tanzgruppe, die sich heimlich trifft und eine heimliche Aufführung vor einem ausgesuchten Publikum in
der Wüste plant. Schon bald stößt die talentierte Elaheh (Freida Pinto, „Slumdog Millionär“) dazu, die den Tänzer im Tanze verführt, aber zugleich von einer
tragischen, selbstzerstörerischen Vergangenheit geprägt ist. Während sich in
Teheran der Protest mobilisiert und die grüne Welle lostritt, rückt der Tag der
verbotenen Aufführung näher.
Heute lebt und tanzt Afshin Ghaffarian im Westen. Als der britische Filmemacher Richard Raymond auf dessen Lebensgeschichte stieß, verwirklichte er
mit dieser Grundlage sein Regiedebüt. Ein Plädoyer für „Willenskraft und den
Kampf für Recht und Freiheit“, so beschreibt er sein Anliegen. Die ambitionierte Prämisse prägt den Spielfilm spürbar, sei es in der Art der Inszenierung,
sei es dramaturgisch. Ein wenig wie ein Märchen, ein wenig wie ein abstrakter Ausdruckstanz, hier eine Spur zu glatt, dort etwas melodramatisch, gestaltet sich das auf wahren Begebenheiten beruhende Drama. Doch der Seele
bleibt Raymond in jeder Einstellung treu. Afshin wird nicht zum politischen
Freiheitskämpfer stilisiert. Afshin will tanzen. Nicht mehr und nicht weniger.
Und dieses schlichte Streben macht die Geschichte so sympathisch und universell zugleich.
Es ist der emotionale Ansatz, der dieses Drama trägt. Ein Ansatz, den Raymond
am besten vermittelt sieht durch die Tänze, über die Afshin seinem Freiheitsdrang und jener geheimnisvollen Elaheh begegnet. Der englische Choreograf
Akram Khan zeichnet für die Choreografien verantwortlich, die immer
Ausdruck sind des Seelenlebens der Protagonisten. Sei es im unterdrückten
Freiheitsdrang, sei es in der stummen Sehnsucht, sei es in der Leidenschaft der
Zweisamkeit. Dies sind die großen Momente dieses Films, die einen nachdenklich zurücklassen. Und die Rückschlüsse ziehen lassen auf das Verhältnis
von Tanz und Freiheit, auf die Bedeutung von individuellen Nischen und auf
den Irrwitz kompletter Zensur und Unterdrückung. Und damit ist dieses Drama
am Ende doch politisch.
HARTMUT ERNST
WÜSTENTÄNZER – AFSHINS VERBOTENER TRAUM VON FREIHEIT
GB 2014 - Drama - 104 Min - Regie: Richard Raymond
mit: Reece Ritchie, Freida Pinto, Tom Cullen
WIR SIND DIE NEUEN
D 2014 - Komödie - 92 Min - Regie: Ralf Westhoff
mit: Gisela Schneeberger, Heiner Lauterbach, Michael Wittenborn
Start: 17.7.
BO: Metropolis/Casablanca, DO: Cinestar, E: Lichtburg, GE: Schauburg, OB. Lichtburg
Gespräch zum Film mit Ralf Westerhoff: trailer-ruhr.de/gespraech-zum-film
Mid-30 und Mid-50 in der Krise
Monsieur braucht was, das ihn verjüngt
„Grosse Jungs“ von Anthony Marciano
Debütfilm über Männer, die nicht erwachsen werden wollen.
C Romantische Buddy-Komödie
Max ist als Musiker erfolglos und muss verzogenen Popgören die Bühne überlassen. Sein Schwiegervater Gilbert ist von 30 Ehejahren so frustriert, dass er
auszieht. Um ihrer Mid-30/Mid-50-Krise zu entkommen, lassen es die beiden
zusammen ordentlich krachen und ziehen den Ärger ihrer Frauen auf sich.
Regisseur Anthony Marciano, der zusammen mit Hauptdarsteller Max Boublil
das Drehbuch schrieb, erzählt mit viel Witz vom Kind im Manne und nimmt
nebenbei westlichen Weltverbesserungswahn und die Musikbranche aufs Korn
(Gastauftritt von Iggy Pop!). Auch wenn die Story recht durchgeknallt ist, steckt
im Kern Wahres: Es geht um unerfüllte Träume und die Sehnsucht nach dem
wahren Leben. Tolle Darsteller, derbe Sprüche und politisch inkorrekter Humor ergeben eine charmante Chronik über Männer in der Krise.
NINA HEINRICHS
GROSSE JUNGS
Start: 3.7.
F 2013 - Komödie - 98 Min - Regie: Anthony Marciano
mit: Alain Chabat, Max Boublil, Sandrine Kiberlain
BO: Metropolis/Casablanca, E: Cinemaxx, Mül: Cinemaxx
BO: UCI, Union, DO: Cinestar, DU: UCI
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Start: 3.7.
Alle Filme, alle Kinos, alle Filmkritiken, alle Termine im Ruhrgebiet
Unter Beobachtung
Qissa – Der Geist ist ein einsamer Wanderer
GB/USA 2012 - Thriller - 96 Min - Regie: John Crowley
Start: 26.6.
D/IND/NL/F 2013 - Drama - 105 Min - Regie: Anup Singh
Start: 10.7.
Eine Autobombe explodiert in London und hinterlässt über hundert Tote. Der
Angeklagte (Denis Moschitto) wird von Anwalt Martin Rose (Eric Bana) verteidigt. Dessen Kollegin Claudia (Reb. Hall) arbeitet derweil an einem anderen Fall.
Der verbietet ihr jeglichen Kontakt zu Martin. Schon bald kommen die beiden
einer gefährlichen Intrige auf die Spur. Verschwörungsthriller.
HE
1947. Indien wird geteilt, Familien umgesiedelt, religiöse Minderheiten schikaniert. Unter ihnen der Sikh Umber Singh, der sich einen männlichen Nachfolger
und Erben wünscht. Als seine vierte Tochter zur Welt kommt, wird diese im Glauben herangezogen, ein Mann zu sein. Als Erwachsener soll Kanwar (Irrfan Khan,
„Life of Pi“) ein Mädchen von niederer Kaste heiraten. Bewegende Fabel.
HE
BO: UCI, DU: UCI
BO: Metropolis/Casablanca, Endstation
Wie der Wind sich hebt
J 2014 - Trickfilm / Drama - 126 Min - Regie: Hayao Miyazaki
Jack und das Kuckucksuhrherz
Start: 17.7.
F 2013 - Trickfilm - 93 Min - Regie: Mathias Malzieu, Stéphane Berla
Start: 3.7.
Die Zeichentrickfilme des Japaners Hayao Miyazaki („Prinzessin Mononoke“,
„Chihiros Reise ins Zauberland“) sind wunderschön und auch ein wenig düster.
Das gilt wohl auch für seinen jüngsten Film über einen Flugzeugingenieur in Japan.
Der Filmtitel war prophetisch, die Pressevorführung am Tag nach dem Unwetter
in NRW konnten unsere Autoren wg. Sturmschäden nicht erreichen.
CM
Ende des 19. Jh. in Schottland: Jack wird geboren, allerdings mit einem gefrorenem Herz. Die Hebamme rettet ihn, indem sie dem Todgeweihten stattdessen eine Kuckucksuhr einsetzt. Allerdings verträgt Jack von nun an weder Wut
noch Liebe. Eines Tages aber verliebt er sich. Weiß Filmzauberer Georges
Méliès Rat? Ansprechend nostalgisch gestaltetes Animationsabenteuer. HE
BO: Endstation
BO: Metropolis/Casablanca
Die Mamba
Interview mit Christoph Maria Herbst: trailer-ruhr.de/roter-teppich
A/D 2014 - Komödie - 96 Min - Regie: Ali Samadi Ahadi
Start: 3.7.
Nach „Salami Aleikum“, „The Green Wave“ und dem letzten Pettersson und Findus Abenteuer zieht Regisseur Ali Samadi Ahadi jetzt das Agentengenre durch den Kakao.
Ein biederer Ehemann wird darin mit einem internationalen Top-Terroristen verwechselt und gerät in eine turbulente Jagd durch Europa, wo er weiblichem Fan und
bewaffnetem Feind begegnet. Freche Verwechslungskomödie.
HE
E: Cinemaxx, GE: Apollo, MÜL: Cinemaxx
Beste Chance
D 2014 - Komödie - 102 Min - Regie: Marcus H. Rosenmüller
Start: 26.6.
Nach „Beste Zeit“ und „Beste Gegend“ schließt Marcus H. Rosenmüller mit
„Beste Chance“ seine Heimat-Trilogie ab. Ausgangspunkt ist wieder die oberbayerische Gemeinde Tandern. Jo allerdings lebt inzwischen in Indien. Und als
ihre beste Freundin Tati beängstigende Nachrichten aus jener Ferne vernimmt,
schultert auch sie den Rucksack. Drama über Herz, Verstand und Heimat. HE
BO: Union, E: Filmkunsttheater
Rico, Oskar und die Tieferschatten
Drachenzähmen leicht gemacht 2
D 2014 - Kinderfilm / Abenteuer - 95 Min - Regie: Neele Leana Vollmar Start: 10.7.
USA 2014 - Trickfilm / Fantasy - 102 Min - Regie: Dean Deblois
Der zehnjährige Rico (Anton Petzold) ist nicht gerade der Hellste. Das ist seinem hochbegabten Kumpel Oskar (Juri Winkler) egal. Gemeinsam jagen die Freunde in ihrer
Freizeit Verbrecher. Als sie den ominösen Mister 2000 im Visier haben, verschwindet
Oskar. Rico begibt sich auf die Suche. Leichtfüßiges Jugendabenteuer mit Karoline
Herfurth, Anke Engelke und Axel Prahl.
HE
In seinem ersten Abenteuer gelang es dem aufbrausenden Wikingersohn Hicks,
den Streit zwischen Drachen und Wikingern zu befrieden. Fünf Jahre später sind
Hicks und sein Nachtschatten-Drache Ohnezahn dicke Freunde. Auf einem
gemeinsamen Ausritt durch die Lüfte entdecken die beiden einen Haufen wilder
Drachen. Eine Gefahr für den Frieden? Gut gelauntes Animationsabenteuer. HE
BO: Bofimax, UCI, Union, DO: Cinestar, DU: UCI, E: Cinemaxx, Filmkunsttheater,
GE: Apollo, HE: Filmwelt, MÜL: Cinemaxx, OB: Lichtburg
BO: Bofimax, UCI, Union, DO: Cinestar, DU: UCI, E: Cinemaxx, Lichtburg,
GE: Apollo, HE: Filmwelt, MÜL: Cinemaxx, OB: Lichtburg
Mit Filmtrailer, Hintergrund, Interview, Portrait …
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Start: 24.7.
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Film-Kritik
Murray versucht, sich den Doktor zu angeln
Multikultureller Austausch im Zeichen der Liebe
Fingierte Gastfreundschaft
Wunderbare Welt der Vorurteile
„Die große Versuchung“ von Don McKellar
„Monsieur Claude und seine Töchter“ von Philippe de Chauveron
Eine von Arbeitslosigkeit geplagte Gemeinde setzt sich originell-verschroben zur Wehr.
C Kauzige Komödie
Die Toleranz eines Großbürgers wird durch seine Schwiegersöhne auf die Probe gestellt.
C Feelgood-Komödie um die Liebe in multikulturellen Zeiten
Im Jahr 2003 erzählte der kanadische Regisseur Jean-Francois Pouliot die
schrullige Geschichte einer von Arbeitslosigkeit geplagten Gemeinde an der
französischsprachigen Küste Kanadas, die sich auf irrwitzigste Art und Weise
Arbeitsplätze und damit eine Zukunft in Würde sichert. Filmemacher Don
McKellar adaptiert die Geschichte nun für den englischsprachigen Markt.
Jahrzehntelang lebte das Inselörtchen Tickle Head vor Neufundland von der
Fischerei. Doch das war einmal, mittlerweile leben die meisten Einwohner von
der Sozialhilfe. Einer von ihnen ist Murray French (Brendan Gleeson, „The
Guard – Ein Ire sieht schwarz“), ein schrulliger Kauz, dem die Langzeitarbeitslosigkeit sichtlich zu Gemüte schlägt. Er fühlt sich nicht erfüllt, das Leben
ergibt keinen Sinn. Zu allem Überfluss erhält seine Gattin ein Jobangebot auf
dem Festland. Und sie nimmt es an. Die alkoholgeschwängerten Tage werden
noch trüber, doch dann bahnt sich eine neue Hoffnung an: Ein Ölkonzern
erwägt, in Tickle Head eine Fabrik zum Recyceln petrochemischer Abfälle zu
errichten. Der ganze Ort horcht auf, doch zuerst müssen mehrere Hürden genommen werden. Zum einen gilt es, ein ordentliches Schmiergeld aufzutreiben, das die Konzernchefs bei der Auswahl des Standorts gnädig stimmt. Zum
anderen muss die unzureichende Einwohnerzahl künstlich gepuscht werden.
Vor allem aber fehlt der Insel ein niedergelassener Arzt. Das Schicksal zeigt
sich gnädig: Ein koksender Schönheitschirurg (Taylor Kitsch, „Savages“) wird
für einen Monat nach Tickle Head verdonnert. Den Einwohnern bleiben also
vier Wochen, um den Arzt zum Bleiben zu überreden. Der Beginn einer wundersam fingierten Gastfreundschaft.
„Rat mal, wer zu Essen kommt?“, hieß es einst im gleichnamigem Film. Dann
trat der farbige Freund der Tochter über die Schwelle der weißen Familie. Was
1967 eine Provokation war, ringt einem heute nur ein müdes Lächeln ab. Es sei
denn, man ist Monsieur Claude und muß sich mit vier ungewollten Schwiegersöhnen herumschlagen: einem Chinesen, einem Muslimen, einem Juden
und einem Schwarzen. Trost geht schnell verloren, als der Vater des Bräutigams seine 400-köpfige Sippe einlädt und Claude die Vorhaut seines Enkels
rituell begraben soll. Regisseur de Chauveron macht sich mit seinem geradezu spielwütigen Ensemble über jedes erdenkliche Vorurteil her, geht dabei aber
immer respekt- und liebevoll mit seinen Figuren um. ROLF-RUEDIGER HAMACHER
Die Wiederverfilmung bemüht sich gar nicht erst um neue Akzente, denn das
ist schlichtweg nicht nötig. Böse Zungen könnten der Geschichte eine zynische, arbeitgeberfreundliche Haltung unterstellen: Arbeit ist hier des Menschen größtes Glück, wer den Job verliert, der verliert Stolz und Lebenswille.
Und um seinen Stolz zurückzubekommen, werden Zahlungen immenser Schmiergelder an korrupte Firmenbosse geduldet und hingenommen. Zugleich spiegelt
die Komödie die Sehnsucht nach Routine und Tageswerk nachvollziehbar. Und
im Fokus stehen ja vor allem die schrulligen Bemühungen der Küstenbewohner, dem Arzt aus der Großstadt das Leben in der Provinz mehr als schmackhaft
zu machen. Und wie sich die Menschen dafür verbiegen, ist so pfiffig wie bauernschlau und höchst unterhaltsam. So interessiert sich die Gemeinde plötzlich bemüht wohlwollend für Kricket und Jazz, poliert die Idylle des Orts auf
oder lauscht den mitunter intimen Telefonaten des Arztes mit seiner Freundin
daheim. Dr. Lewis bewegt sich in einer Art „Truman Show“ ohne Kameras.
Geradezu jede Begegnung, jedes Gespräch und jede Schicksalsfügung ist konstruiert und choreografiert. Und das ist noch nicht alles. Als die Firmenleitung
einfliegt, gilt es nicht mehr nur, den Doktor zu täuschen. Eine schelmische
Komödie mit Herz, gebettet in wundervolle Bilder der nordamerikanischen
Küstenregion.
HARTMUT ERNST
trailer verlost 1 Weinpaket von Vinello.
E-Mail bis 27.7. an verlosung@trailer-ruhr.de, Kennwort: Monsieur Claude
MONSIEUR CLAUDE UND SEINE TÖCHTER
F 2014 - Komödie - 97 Min - Regie: Philippe de Chauveron
mit: Christian Clavier, Chantal Lauby, Ary Abittan
Start: 24.7.
BO: Metropolis/Casablanca, UCI, DO: Roxy, E: Filmkunsttheater; GE: Schauburg
Shakespeare im Pool
Liebesreigen
„Viel Lärm um nichts“ von Joss Whedon
Shakespeares Komödie, versetzt in die Gegenwart.
C Charmante Shakespeare-Verfilmung
Wie schon Kenneth Branagh vor 20 Jahren verwendet Buffy-Erfinder Joss
Whedon die Originaltexte aus Shakespeares Liebeskomödie. Die Handlung ist
in die Gegenwart versetzt, und im Gegensatz zu Branaghs Bilderreigen wählt
Whedon inszenatorischen Minimalismus, der sich nicht zuletzt in den schlichten, schwarzweißen Bildern äußert. Zwischen Dreh und Schnitt des Blockbusters „The Avengers“ hat Whedon zusammen mit seiner Frau und Freunden
an 12 Tagen in seinem Haus diese Komödie gedreht, die ganz unspektakulär
ist, mit seiner Machart aber subtil auf die zeitlose Komik der Vorlage verweist.
Hat man sich erst mal in das schräge Bild zwischen Reimschema und Smartphone – der Bruch wird nie kommentiert – eingewöhnt, macht Whedons Experiment richtig Spaß.
CHRISTIAN MEYER
DIE GROSSE VERSUCHUNG – LÜGEN, BIS DER ARZT KOMMT
Genie Awards 2014: Bester Nebendarsteller, Gordon Pinsent
CDN 2013 - Komödie - 115 Min - Regie: Don McKellar
mit: Brendan Gleeson, Taylor Kitsch, Gordon Pinsent
VIEL LÄRM UM NICHTS
Start: 10.7.
USA 2012 - Komödie / Lovestory - Regie: Joss Whedon
mit: Amy Acker, Alexis Denisof, Clark Gregg
BO: Union, E: Cinemaxx, GE: Apollo, MÜL: Cinemaxx
BO: Metropolis/Casablanca
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Start: 24.7.
Alle Filme, alle Kinos, alle Filmkritiken, alle Termine im Ruhrgebiet
Tammy
USA 2014 - Komödie - 96 Min - Regie: Ben Falcone
Start: 3.7.
Schlechte Zeiten für Tammy: Ihr Auto hat sie geschrottet, den Job hat sie verloren und den Liebsten in flagranti erwischt. Jetzt will sie nur noch abhauen.
Gemeinsam mit Oma Pearl und deren Auto sucht sie das Weite. Der Beginn einer
abgedrehten Reise durch die Staaten. Road Movie mit Frauen am Steuer. HE
Ein kleiner, hochbegabter Junge begibt sich auf eine Odyssee durch die USA.
C Phantasievoll gezeichnetes Bilderbuchkino
Transformers: Ära des Untergangs
Start: 17.7.
Rumms Knarz Quietsch Klong: Sie sind zurück, die Megaroboter, die sich mit der
Menschheit verbrüdern oder deren Untergang vorantreiben, die kämpfen, quatschen und sich fleißig transformen. Shia LaBeouf wird von Mark Wahlberg
abgelöst, ansonsten bleibt alles beim alten: Eine so hirnlose wie leinwandsprengende und atemberaubende Nonstop-Special-Effects-Schlacht in 3D. HE
BO: Bofimax, UCI, Union, DO: Cinestar, Postkutsche, DU: UCI, E: Cinemaxx,
GE: Apollo, Schauburg, HE: Filmwelt, MÜL: Cinemaxx, OB: Lichtburg
Wacken 3D
D 2014 - Dokumentarfilm / Musik - Regie: Norbert Heitker
Start: 24.7.
„Full Metal Village“ portraitierte 2006 charamant die Einwohner der kleinen
Gemeinde Wacken, die alljährlich das größte Heavy Metal Festival der Welt ausrichtet. „Wacken 3D“ taucht nun ein ins Festival selbst. Zum diesjährigen 25.
Jubiläum begleitet Regisseur Norbert Heitker und sein Team Fans und Bands auf
der Bühne, davor und in die Zeltstadt. Festivaltrip.
HE
BO: Metropolis/Casablanca, E: Cinemaxx, Filmkunstth., GE: Apollo, HE: Filmwelt
Otto ist ein Nashorn
DK/D 2013 - Trickfilm / Komödie - 73 Min - Regie: Kennetz Kainz
Start: 26.6.
Das darf doch wohl nicht wahr sein: Der zehnjährige Topper malt ein Nashorn
an die Wand seines Kinderzimmers, und auf einmal und nanu erwacht das Tier
zum Leben! Der Anfang einer abenteuerlichen Freundschaft. Ein liebevoll verschroben gezeichneter Trickfilm aus Dänemark, der sich der mitunter arg synthetischen Ästhetik der großen Hollywoodstudios inspiriert entgegenstellt. HE
E: Cinemaxx, GE: Apollo, MÜL: Cinemaxx
Mit Filmtrailer, Hintergrund, Interview, Portrait …
Perpetuum Mobile
„Die Karte meiner Träume“ von Jean-Pierre Jeunet
BO: Bofimax, UCI, Union, DO: Cinestar, DU: UCI, E: Cinemaxx, GE: Apollo,
HE: Filmwelt, MÜL: Cinemaxx, OB: Lichtburg
USA 2014 - Action / Science Fiction - 157 Min - Regie: Michael Bay
T.S. macht seine Hausaufgaben
25
Jean-Pierre Jeunet will nicht nur Geschichten erzählen, er will immer auch
verzaubern, was ihn unweigerlich in die Nähe zu Wes Anderson oder Michel
Gondry rückt. Eigenwillig vereinen sich hier visueller Fantasiereichtum, skurriler Humor, die Liebe zum Kino, vor allem aber das Kind im Manne. Jeunet
erreicht vielleicht nicht die Tiefen, in denen sich Anderson und Gondry mitunter bewegen. Doch allesamt sind sie begnadete Märchenerzähler für Erwachsene. Jeunets Karriere begann mit „Delicatessen“ bis hin zum dritten
Alien-Sequel vergleichbar düster. Dann aber zelebrierte er 2001 mit „Die fabelhafte Welt der Amélie“ schlichtweg alles Glück dieser Welt. Zwei weniger
spektakuläre Werke später setzt er mit „Die Karte meiner Träume“ eben dort
wieder an. Jeunets zweitem Ausflug nach Amerika liegt das Buch „The
Selected Works of T.S. Spivet“ von Reif Larsen zugrunde, ein Roman, der Seite
um Seite ergänzt wird durch ein buntes Sammelsurium an wissenschaftlichen
Illustrationen und Notizen seines jungen Helden. Eine Steilvorlage für den
französischen Kinofantasten, der mit dieser Adaption auch erstmals in 3D
dreht und diese dritte Dimension wundervoll einzubeziehen vermag.
Jeunet erzählt die abenteuerliche Geschichte des zehnjährigen T.S. Spivet, der
auf der Ranch seiner Eltern in Montana aufwächst. Während sein Bruder zu
Papas Liebling, sprich zum Cowboy erwächst, wandelt T.S. eher auf den Pfaden
seiner Mutter, einer Insektenforscherin. Die Leidenschaft des hochbegabten
Jungen ist die Wissenschaft, sein Streben gilt nichts Geringerem als der Erfindung des Perpetuum Mobiles. Mit derlei Ambitionen jedoch kann er im amerikanischen Hinterland nur wenig punkten. Doch Neugier, Erfindungsgeist und
Hartnäckigkeit bescheren dem kleinen Genie eines Tages eine Einladung von
einem Institut in Washington. T.S. büxt aus und begibt sich auf große Fahrt
gen Osten. Ein Abenteuer, auf dem er Landstreichern begegnet und Polizisten
entwischt. Das Institut derweil erwartet alles außer einen kleinen Jungen. Dem
jungen Hauptdarsteller Kyle Catlett mag es etwas an Charisma fehlen, der
Spannungsbogen dieses Road Movies stünde etwas mehr Zug gut, und die
einen oder anderen Konflikte, die gegen Ende plötzlich aufbrechen, sind insgesamt zu wenig gegenwärtig. Zugleich funktioniert der Film geradezu Genresprengend als Kinderabenteuer ebenso gut wie als gewitzte Satire auf Medien,
Forscher und, ja, auf Erwachsene. Jean-Pierre Jeunet indes geht es wohl in
erster Linie um die visuelle Gestaltung. Und die geht vollends auf. Der
Filmemacher verweist wiederholt auf sein ästhetisches Vorbild, das Pop-upBilderbuch. Es ist beeindruckend, mit welcher Liebe, mit welchem Gespür und
Detailreichtum Jeunet hier Bild um Bild gestaltet. Ähnlich wie die literarische
Vorlage flechtet er allerlei Schauwerte und Staunebilder ein, die dem Betrachter frech, aber unaufdringlich ins Auge springen. Eine Überbordende
visuelle Reise durch eine durch allerlei Farbfilter romantisch entrückte USA.
Ein Märchen, nicht nur für Erwachsene.
HARTMUT ERNST
trailer verlost 1x2 Karten und 1 Notizbuch zum Film von Leuchtturm 1917.
E-Mail bis 13.7. an verlosung@trailer-ruhr.de, Kennwort: Karte
DIE KARTE MEINER TRÄUME
F/CDN 2013 - Drama - 105 Min - Regie: Jean-Pierre Jeunet
mit: Helena Bonham Carter, Judy Davis, Callum Keith Rennie
Start: 10.7.
BO: Metropolis/Casablanca, UCI, DO: Cinestar, Roxy, E: Filmkunsttheater,
GE: Apollo, OB: Lichtburg
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Wortschatzbühne
Reger Andrang an der trailer-Wortschatzbühne, Fotos: Benjamin Seim
Die Kleinkunst-Bühne bei Bochum Total
Weltmeisterschaft der Wort-Virtuosen
Singer-Songwriter, Bestseller-Autoren und Wortakrobaten unterhalten an vier Tagen bei Bochum Total
Bochum Total ist groß. Bochum Total ist laut.
Eine Stadt steht für vier Tage im Juli Kopf. Über
500.000 Musikfans tummeln sich Jahr für Jahr
ums Bochumer Bermudadreieck. Manch einem
mag der ganze Trubel schon mal zu viel des
Guten sein. Zwar sorgt die Stadt Bochum in
diesem Jahr mit dem Glasverbot rund um die
Partymeile erneut für fast schon barfußfähiges
Geläuf. Wer nicht nur Füße, sondern auch einmal die Ohren schonen möchte, für den bietet
das Festival ebenfalls ein Refugium. Dort, wo
die Bässe nicht ganz so laut wummern, wo sich
die bedächtigen Klänge einer Akustikgitarre
mit den schnellen Wortsalven eines PoetrySlammers abwechseln, wo intelligente Witze
für fröhliches Gelächter und spannende Lesungen für entspannte Gemüter sorgen. Dort
steht die trailer-Wortschatzbühne und heißt
all jene willkommen, die mal eine Auszeit vom
wildem Straßenpogo brauchen und sich in gechillter Atmosphäre der Kleinkunst widmen
wollen.
DONNERSTAG – GESAMMELTE FUßBALLWEISHEITEN
Das diesjährige Festival in Bochums Innenstadt
steht zweifelsfrei ein wenig im Schatten der
Fußball-Weltmeisterschaft in Brasilien (bei
einem möglichen Viertelfinale mit deutscher
Beteiligung gibt es übrigens Public Viewing
im Westpark). Folgerichtig hat man sich dieser Großwetterlage angepasst und das Programm auch auf der trailer-Wortschatzbühne
an Tag 1 stark fußballerisch eingefärbt. Den
Auftakt macht am Donnerstag (3.7.) um 17.45
Uhr ein Lokalmatador. Der Bochumer und VfLEdelfan Ben Redelings ist der wahrscheinlich
fleißigste Zitatesammler der Republik. Die
meisten davon hat er in als Bücher getarnte
Klolektüren gepresst (Aktuell: „Ben Redelings
WM-Album“), einige davon wurden zu Bestsellern. Über die Jahre hat sich Redelings im
Rahmen seiner Scudetto-Abende zudem zum
beliebten Bühnen-Entertainer gemausert. Eine
Kostprobe davon serviert er auf Bochum Total
nun auch all jenen, die ihn noch nicht live erlebt haben. Mit Fred Ape folgt im Anschluss
(19 Uhr) ein Liedermacher, der nicht nur schöne
Songs über den Ballsport („Die Fußballbraut“)
geschrieben hat, sondern auch selbst jahrelang
das Tor seines Dortmunder Heimatvereins FC
Brünninghausen hütete. Bei Bochum Total ist
Ape die eine Hälfte des kongenialen Duos Ape
& Feuerstein, die andere stellt mit Guntmar
Feuerstein ein echter Folk-Tausendsassa aus
Bochum. Wenn das Gitarrenduo loslegt, geht
es textlich schon mal sarkastisch bis bitterböse
zu, musikalisch hingegen meint man meist das
nicht vorhandene Lagerfeuer knistern zu hören.
Zur Einstimmung auf die WM-Viertelfinalspiele
an den Folgetagen kommt zum Abschluss
(20.15 Uhr) einer der erfolgreichsten FußballBlogger des Landes um ganz analog aus seinem
(Netz-)Werk zu vorzulesen. Gestern war der
Duisburger noch ein Geheimtipp, inzwischen
ist Trainer Baade durch diverse Fachmagazine
und Webseiten geadelt und zumindest in fußballinteressierten Kreisen eine oft gegoogelte
Stimme: Sein Blog ist vielfältig, Fachsimpelei
erhält ebenso Platz wie Kuriositäten, internationale Fundstücke werden genauso berücksichtigt wie der Bezirksligist um die Ecke. Das
gemeinsame Band ist stets die Leidenschaft für
den Kampf ums runde Leder.
FREITAG – POP, POETRY UND POLITIK
Das Wochenende wird eingeläutet (17.45 Uhr)
von Christian Schwarz, dem Frontmann der
Band Porter, der bei seinem Solo-Auftritt nur
von sich selbst auf der Gitarre begleitet wird.
Melodiös-melancholisch ist der Grundton der
Ape & Feuerstein
Ben Redelings, Foto: Andreas Molatta
Benjamin Eisenberg, Foto: Sebastian Mölleken
Stücke des per Crowdfunding finanzierten Albums „Wolkenstein“. Weiter geht’s (19 Uhr) mit
dem wortgewandten Poetry-Artisten Marco
Jonas Jahn, dem Mann der schneller spricht
als sein Schatten. Schon im letzten Jahr war
Jahn auf der trailer-Wortschatzbühne mit dabei, nun darf man gespannt sein, welche neuen
bissigen Lyrik-Ergüsse der Oberhausener diesmal im Gepäck hat. Endgültig politisch wird es
danach (20.15 Uhr) mit Benjamin Eisenberg
und seinem aktuellen Progamm „Im Visier“. Der
Polit-Kabarettist aus Bottrop verarbeitet die
Ungehörigkeiten und Ungerechtigkeiten auf
der Welt mit äußerst spitzer Zunge zu einer
humorigen Anklagerede gegen die, die es verdienen, und bringt nebenbei noch die eine oder
andere Parodie unter. Nach scharfen Attacken
wird es wieder etwas smoother mit The Rang
Gang (22 Uhr). Das Quintett um den Bochumer Jungen Ingmar Kurenbach (bekannt aus
dem Johnny-Cash-Tribute) kredenzt eine raffinierte, stark an Folk und Blues erinnernde Stilmischung und würzt diese mit osteuropäischen
Einflüssen. In Anlehnung an das amerikanische
Roots-Amalgam Americana nennt die Combo
ihre Musik Europicana.
tierfreudig sind die Freedes in jedem Fall und
lassen an den Ergebnissen auch gerne andere
Menschen teilhaben.
Englisch textet, dazu klassischen Gitarrenrock
der schönsten Sorte macht und deren starke
Stimme schon mal für Gänsehaut beim Zuhörer
sorgt. Für den Ausklang des Festivals auf der
trailer-Wortschatzbühne sorgt das literarische
Dark-Wave-Urgestein Klaus Märkert in einer
gemeinsamen Show mit dem Synth-Wave-Duo
Mängelexemplar. Entgegen des manchmal etwas dunklen Gebarens des Autors lautet das
Motto der Show „Sunny 80s“, in der Märkert
aus seinem überarbeitetem Roman „Hab Sonne“ zitiert.
SAMSTAG – KLAVIER-KABARETT UND LESENDES LEHRERKIND
SONNTAG – DUNKLE LITERATEN UND GESCHMEIDIGER AKUSTIK-ROCK
Am letzten Tag wird zunächst das Publikum
gefordert. Die Improvistationstheater-Gruppe
POTTpourri setzt nämlich auf die Ideen der Zuschauer, die es auf extrem witzige und kreative
Weise umsetzt. Mit nur wenigen Stichworten
ausgestattet, basteln die Impro-Künstler sich
spontan immer wieder neue Theaterstücke, die
auch ohne Skript bestens funktionieren und
unterhalten. Um 15.50 Uhr kommt mit Marek
Firlej ein Avantgardist der Literaturszene. Seine Lese-Show „Science, Drugs & Rock’n’roll“ ist
eine wilde Mischung aus Bildung, Rausch und
Lärm. Ofeua (17.45 Uhr) knüpft an den dunklen
Stil von Firlej an, wirkt dabei aber eher melancholisch als wild. Der ruhige Liedermacher, der
eigentlich Frank Bottke heißt, hat sowohl eigene Songs im Repertoire, häufig mit morbidmakabrer Textung, als auch Interpretationen
berühmter Künstler wie Franz Josef Degenhardt. Gitarristisch geht es im Anschluss (19
Uhr) auch weiter mit Franzi Rockzz, einer jungen Vollblutmusikerin aus Wuppertal, die auf
Die trailer-Wortschatzbühne bietet vier Tage lang
ein abwechslungsreiches Potpourri zahlreicher
kreativer Disziplinen, bei dem sich bei weitem
nicht alles um König Fußball dreht. Fußballjunkies kommen ebenso auf ihre Kosten wie Sportverdrossene, denen ein Monat WM-Geschehen
längst zu den Ohren rauskommt. Nun denn, lasst
die Kleinkunst beginnen!
Matthias Reuter, Foto: Simone Bandurski
The Rang Gang, Foto: Thomas Solecki
BENJAMIN SEIM
Laufende News zur trailer-Wortschatzbühne: www.trailer-ruhr.de/news
Ein alter Bekannter eröffnet am Samstag (19
Uhr) die trailer-Wortschatzbühne: Matthias
Reuter, der kreative Klavier-Kabarettist aus
Oberhausen, war bereits in den letzten Jahren
stets mit von der Partie. Reuter, der erneut allerlei Skurriles zu erzählen hat und sich dabei
selbst rhythmisch auf dem E-Piano begleitet,
ist ein virtuoser Musiker und einfallsreicher
Freigeist. Folgen wird ihm um 20.15 Uhr mit
Bastian Bielendorfer das wohl bekannteste
Lehrerkind der Republik. Ein relativ gewöhnliches Schicksal, sollte man meinen, doch Bielendorfer hat darüber ein Buch geschrieben
(„Lehrerkind – Lebenslänglich Pausenhof“), das
zum Bestseller wurde. Inzwischen hat er sogar ein zweites Werk nachgelegt und ist damit nicht weniger erfolgreich. Zum Ausklang
des Tages (22 Uhr) bringen Die Freedes einen
ganz eigenen Sound auf die Bühne. Psychedelisch-spacig bis progressive-jazzig ist nur ein
Versuch, diesen zu beschreiben. ExperimenMarco Jonas Jahn, Foto: Sebastian Mölleken
Bochum Total
Wortschatzbühne
Das Programm
Donnerstag, 3.7.
Trainer Baade
17.45-18.15 Uhr
19.00-19.30 Uhr
20.15-20.45 Uhr
Bochum Total bietet eine große musikalische Bandbreite
Ben Redelings
Ape & Feuerstein
Trainer Baade
Freitag, 4.7.
The Voice of Porter
17.45-18.15 Uhr
19.00-19.30 Uhr
20.15-20.45 Uhr
22.00-23.00 Uhr
The Voice of Porter
Marco Jonas Jahn
Benjamin Eisenberg
The Rang Gang
Samstag, 5.7.
Bastian Bielendorfer, Foto: Michael Herdlein
19.00-19.30 Uhr
20.15-20.45 Uhr
22.00-22.30 Uhr
Matthias Reuter
Bastian Bielendorfer
Die Freedes
Sonntag, 14.7.
POTTpourri
14.00-15.00 Uhr
15.50-16.10 Uhr
17.45-18.15 Uhr
19.00-19.30 Uhr
20.15-20.45 Uhr
Zuckersüß bis knüppelhart
Jupiter Jones
POTTpourri
Marek Firlej
Ofeua (Frank Bottke)
Franzi Rockzz
Klaus Märkert und Mängelexemplar
Laufende News zur trailer-Wortschatzbühne: www.trailer-ruhr.de/news
Wenn sich die Bochumer Innenstadt um das Bermuda3eck vom 3. bis 6. Juli
zum 29. Mal in das größte Umsonst & Draußen-Festival NRWs verwandelt,
ist das musikalische Spektrum breit aufgestellt, lokale und internationale
Bands vermischen sich ebenso wie alte Bekannte und neue Gesichter.
Zu den Frischlingen zählen die Finalisten des Campus RuhrComer-Festivals,
die nach Vorrunden in vier Ruhrgebietsstädten in der Rotunde auftreten
werden (3.7. ab 19 Uhr). Als Stammgäste dürfen sich Jupiter Jones bezeichnen. Die ehemals dem Punkrock zugeneigten und nun mit poppigen
Indie-Rock liebäugelnden Jungs aus der Eifel sind mit neuem Sänger unterwegs (5.7. 20.45 Uhr). Ebenfalls wiederholt vor Ort sind Susanne Blech (3.7.
19.30 Uhr), die ihr neues Album „Welt verhindern“ in die Meute schleudern
und das Barometer auf Ekstase stellen werden, bevor Frida Gold ein Heimspiel (3.7. 20.45 Uhr, alle 1Live-Bühne) absolvieren, wuchs Sängerin Alina
Süggeler doch in Hattingen auf.
Der elegische Indiepop von MarieMarie (4.7. 17 Uhr, 1Live-Bühne) wird von
zarten Harfenklängen gekrönt und klingt, als würde man Björk mit bassigen
Synthie-Rhythmen Beine machen. Ähnlich fließende Melodien liefern die
Intergalactic Lovers aus Belgien (6.7. 19.30 Uhr, Sparkassen-Bühne).
Zu wilderen Verrenkungen animieren die diversen Ska-Formationen. Die
kürzeste Anreise dürften The Outer Space Association (5.7. 21 Uhr) haben.
Neben Wisecräcker (4.7. 22 Uhr, beide Rotunde) stehen aber vor allem
Rantanplan (6.7. 20.45 Uhr, Ring-Bühne) für erstklassigen Ska-Punk. Tanzbar sind auch die Bands der Kategorie Weltmusik, darunter z.B. die acht Argentinier von Rosario Smowing (3.7. 17 Uhr) und ¡Más Shake! (3.7. 18.15
Uhr, beide Sparkassen-Bühne) mit ihrer südamerikanischen Beat-Explosion.
Härtere Töne schlagen die Bands der Punkfraktion an. Mit Montreal (3.7.
20.45 Uhr), Marathonmann (4.7. 18.15 Uhr), Kmpfsprt (4.7. 19.30 Uhr),
Captain Planet (5.7. 19.30 Uhr, alle Ring-Bühne) oder Findus (5.7. 23 Uhr,
Rotunde) sind verschiedene Spielarten des Deutschpunks vertreten. Im melodischen Punkrock angesiedelt, aber gesanglich härter und englischsprachig sind Idle Class aus Münster (4.7. 21 Uhr). Wer es noch heftiger und mit
einer Portion Shouten wünscht, sollte den Metalcore von To the Rats and
Wolves (4.7. 20 Uhr, beide Rotunde) nicht verpassen. (Hard)Rock in seiner
progressiven bis alternativen Variation bieten z.B. Eat the Gun (5.7., 17
Uhr), The Intersphere aus Mannheim (3.7. 19.30 Uhr) oder die schwedische
Supergroup Viktor & The Blood (5.7., 20.45 Uhr, alle Ring-Bühne). Wer es
dann doch wieder etwas unaufgeregter mag, kann sich bei Singer-Songwritern wie dem Niederländer Tim Vantol (3.7. 20.45 Uhr) oder Jaimi Faulkner
(5.7. 19.30 Uhr, beide Sparkassen-Bühne) entspannen.
In Sachen musikalischer Stilwanderung gepaart mit Skurrilität heben sich
der Porno-Metal von Eskimo Callboy (4.7., 20:45 Uhr, Ring-Bühne), der lyrische Nonsens von Whats(r)apper MC Fitti (4.7. 20.45 Uhr) und Bilderbuch
(5.7. 18.15 Uhr, beide 1Live-Bühne) innovativ ab.
Als Geheimtipp bieten die Off-Stage-Termine kleine, intimere Konzerte.
Highlights dürften dabei der lässige Auftritt der Folk, Blues und Rock’n’RollElemente verbindenden The Smigx (3.7. 22 Uhr, Mandragora), der Doppelgig von Goodbye Fairground und Versus You in der Trompete (4.7. 22 Uhr)
und der deutschsprachige Glam-Punk von Hotel Energieball (6.7. 22 Uhr,
Mandragora) sein.
MAXI BRAUN
28
Literatur-Portrait
Die von Schamp in Tüten hineingerufene „Buh!“-Rufe kann man kaufen. Jedes „Buh!“ kostet 20 Euro, Fotos: Claudia Heinrich
Kein schlechtes Versteck
Der Bochumer Aktionskünstler Matthias Schamp nistet sich zwischen Buchdeckeln ein
Er war schon der weiße Querbalken in einem
Stoppschild, ein Dampfschiff-Schornstein, eine
Markise und eine Comic-Figur: Der Bochumer
Autor und Künstler Matthias Schamp bricht in
seinen Performances und Aktionen Erwartungshaltungen, verwischt augenzwinkernd Grenzen
zwischen Kunsttheorie und –Parodie. Sein „Mythos-Grill“ bringt Frittierdünste in Museen, seine Fotoreihe „Schlechte Verstecke“ wurde in der
Satirezeitschrift Titanic abgedruckt. Nun ist ihm
ein besonderer Coup gelungen: Als Romanfigur
steht er vor keiner geringeren Aufgabe, als die
Welt zu retten…
Der Schamp rettet die Welt!
Nun wäre es ein leichtes, sich selbst in einen Roman hineinzuschreiben, zumal, wenn man wie
Matthias Schamp nicht nur als Bildender Künstler, sondern auch als Autor tätig ist. Doch in diesem Fall hat sich ein Bestsellerautor der Aufgabe
angenommen: Markus Orths, dessen satirischer
Schulroman „Lehrerzimmer“ zur Pflichtlektüre
zu eben diesen zählen dürfte und der in Klagenfurt 2008 mit dem Telekom-Austria-Preis ausgezeichnet wurde, beschwört in seinem neuesten Buch die Apokalypse herauf und stellt dem
Weltuntergang eine Handvoll kuriose Helden
entgegen. Ein schwuler Buddha und eine sexbesessene Teilchenbeschleunigerin zählen ebenso
dazu wie ein mutiger Performancekünstler, niemand geringerer als „der Schamp“…
Markus Orths und Matthias Schamp kennen
sich bereits seit einigen Jahren. „Wir haben uns
bei einer gemeinsamen Lesetournee kennengelernt und gleich bestens angefreundet“, erinnert
sich Schamp, „Sechs Lesungen am Niederrhein,
organisiert vom Literaturbüro Düsseldorf. Ich
glaub 2000 war‘s.“ Orths präzisiert: „Ich hatte
damals meinen ersten Vertrag unterschrieben
für ‚Wer geht wo hinterm Sarg?‘ und Matthias
sein Buch ‚Hirntreiben.EEG. Ein Westernroman‘
veröffentlicht. Bei der Reise haben wir uns sehr
gut kennen gelernt. Mit jedem Abend und jedem
Bier besser…“ Seitdem kreuzen sich ihre Wege
regelmäßig; wenn Orths auf einer Lesereise im
Ruhrgebiet Station macht, lässt man nach Möglichkeit den Abend gemeinsam ausklingen.
Wer passt in einen Roman?
Doch wie kommt man auf die Idee, einen Freund
zur Romanfigur zu machen? „In dem Roman
treffen sich eine Menge ungewöhnlicher Men-
schen“, erläutert Orths, „Ich dachte, wenn ich
darüber hinaus einen finde, den es in Wirklichkeit gibt und der ins Romanszenario passt, dann
wäre das wunderbar irritierend. Man würde sich
fragen: Wenn dieser Mensch existiert, dann vielleicht auch die anderen?“ Mit Sicherheit ist es
zudem von Vorteil, dass dieser Künstler Grenzen
aufweicht und sich mit Projekten befasst, die
vielen Menschen noch weniger greifbar erscheinen dürften als die Beuys‘sche Fettecke. „Ich bin
großer Fan von den Performances von Matthias
Schamp“, erläutert Orths, „aber auch von seinen
Texten und den Hörspielen. Wir sind seit langem
befreundet. In manchen Dingen ticken wir sehr
ähnlich. Irgendwie sind immer alle, denen ich
von den Ideen des Schamp erzähle, total begeistert. Insofern dachte ich schon länger: Das
will ich für einen Roman fruchtbar machen. Ich
habe ihm sehr früh davon erzählt. Denn hätte er
Nein gesagt, hätte ich das auch verstanden. Er
war aber gleich Feuer und Flamme.“ Als Freund
und Romanfigur hatte der Schamp durchaus
auch Mitspracherecht: „Matthias hat den Roman dreimal gelesen, in drei verschiedenen
Fassungen. Er hat sehr viele gute Fragen an den
Text gestellt, die mir beim Schreiben und Bearbeiten enorm geholfen haben, hat immer streng
auf die Glaubwürdigkeit der Figuren geachtet,
die tatsächlich angesichts der wahnsinnigen
Handlungsstränge sehr wichtig ist, und er hat
auch die eine oder andere tolle zusätzliche Idee
gehabt. Dafür bin ich ihm sehr dankbar.“
Abgetaucht im Orths-Kosmos
Doch wie fühlt es sich an, eine Romanfigur zu
sein? Erfahrungen als Comicfigur hat Schamp
schließlich bereits, denn gemeinsam mit dem
hier als Zeichner fungierenden Künstler Gilbert
Geister hat er eine Trilogie konzeptueller Kunstcomics mit den Hauptfiguren Schampman und
Geisterman entwickelt. Eine gewisse Erfahrung
als Superheld kann er also durchaus vorweisen.
Doch die Weltrettung im Roman stellt andere
Herausforderungen dar: „Ja, das Dasein als Romanfigur ist schon eine gänzlich neue Erfahrung. So eine Art ‚Urlaub vom Ich‘, ein Tauchgang in Gefilde, die ich mir vorher nicht mal hab‘
vorstellen können. Der Orths-Kosmos ist ja eine
echte Wunderkammer. Dass mir hier Zugang gewährt wurde, sehe ich als großes Privileg und
echten Luxus an“, schwärmt Schamp und erläutert weiter: „Die dazu notwendige fiktionale
29
Ausstülpung von ‚dem Schamp‘ ist in der Tat
sehr anders als bei der Comicfigur Schampman
– bei der ja die Steuerung in meinen Händen lag.
Im Orths-Kosmos werde ich noch wirklich überrascht. Ich habe Erlebnisse, die ich mir nicht mal
hab‘ vorstellen können. Und so ganz nebenbei
auch ein bisschen zur Rettung der Welt beitragen zu können, ist ja auch schön.“
Dichtung und Wahrheit
Der Roman erscheint am 8. Juli und dann können die Leser den Schamp nicht nur zwischen
den Buchdeckeln kennenlernen, sondern auch
ganz real – denn einen Teil der Lesungen werden
die beiden gemeinsam als Lesungs-Performance
bestreiten. Bei solch einer Präsenz einer Romanfigur, die sozusagen neben ihrem Autor die
Bühne betritt, besteht da keine Angst, dass die
anderen Figuren aus dem Focus des Publikums
verschwinden? Der Autor macht sich da keine
großen Sorgen: „Bei den Lesungs-Performances
wird sicher die Figur Matthias Schamp auch
textlich im Mittelpunkt stehen. Das ergibt sonst
keinen Sinn. Da der Roman aber viele verschiedene ‚Helden‘ hat, die eine große Rolle spielen,
muss ich ohnehin bei jeder Lesung auswählen.
Und auch bei Solo-Lesungen werden dann viele
andere Figuren zwangsläufig durchs Raster fallen. Aber eine Lesung soll ja nur Appetit machen.
Und die anderen Figuren kann dann jeder still
für sich lesend entdecken.“ Schamp freut sich
über die gemeinsame Zeit, die die Lesungen mit
sich bringen werden, aber eine gewisse „Angst“
vor einer ganz bestimmten Situation gesteht er
letztlich dann doch ein: „dass ich, das heißt der
leibhaftige Schamp, irgendwann mal Markus
gegenüber sitze und etwas erzähle und Markus denkt dann die ganze Zeit, dass irgendwas
nicht stimmt, denn ‚der Schamp‘ müsste doch
eigentlich in dieser Situation was ganz anderes
sagen...“
FRANK SCHORNECK
Markus Orths: „Alpha & Omega – Apokalypse für
Anfänger“ | Schöffling & Co. | 528 Seiten | 24,95 €
Leseperformances sind auch im Ruhrgebiet in
Vorbereitung
Textwelten
ComicKultur
Toughe Typen und Sinnsuche
Über Kriegsheimkehrer, Kriminelle und kommunistische Kinder
Digitaler Frontkämpfer
Jaron Lanier, Foto: © Lena Lanier
Jaron Lanier, die Lichtgestalt des Börsenvereins
Die Liste der Preisträger, die mutig gegen Unterdrückung und Totalitarismus kämpften, ist lang. Letztes Jahr erhielt Swetlana Alexijewitsch den
Friedenspreis des Deutschen Buchhandels für ihre Reportagen über jene
Menschen, die in Putins Russland zu den Opfern absurder Großmachtambitionen gehören. Ihre Vorgänger Liao Yiwu und Boualem Sensal prangerten
den staatlichen Terror in China und Algerien an. Nun erhält der in New York
geborene Jaron Lanier den Preis. Ein Computertüftler, der 3D Kameras entwickelte und die ersten Avatare erschuf. Aber der Börsenverein bleibt sich
treu, auch Lanier stemmt sich gegen eine Form des Totalitarismus, deren
Vorboten wir im Moment als mediales Gezänk wahrnehmen.
John Green, der die Teenager auf unserer Schulen spätestens seit seinem
Megaseller „Das Schicksal ist ein mieser Verräter“ hinter sich weiß, prangert
an der Seite von James Patterson und Joanne K. Rowling die Geschäftsmethoden an, mit denen Amazon in den USA und Europa die Buchverlage attackiert. Lanier warnte schon vor 15 Jahren vor der Macht-Akkumulation von
Konzernen wie Amazon und Google, deren Erfolge mit dem Fortschritts-Optimismus der Digitalisierung verschmolzen waren. Ein Entwickler, der zum
Warner mutierte, wie vor ihm schon Joseph Weizenbaum und Clifford Stoll.
Jaron Lanier prägte den Begriff des „digitalen Maoismus“. Gemeint ist eine
Praxis diktatorischer Regime, bei der die Masse den Einzelnen ausstellt, um
mit Hilfe seiner abschreckenden Zerstörung den inneren Zusammenhalt der
Gruppe zu festigen. Zugleich warnte Lanier in seinen Büchern „Gadget, warum die Zukunft uns noch braucht“ und „Wem gehört die Zukunft?“ vor
jenem Wunschdenken, das den Ausbau des Internets mit einer Verbreitung
des Wissens gleichsetzt. Zwar ist der leichte Zugang zur Information ein
Fortschritt, aber mit ihm ist das Wissen noch nicht erworben. Dass Google
den Wissensschatz der Menschheit hortet, heißt noch nicht, dass wir über
ihn verfügen. Wer die aufgereihten Informationen liest, die Wikipedia in
seinen tastenden Formulierungen feilbietet, hat noch kein Wissen verinnerlicht. Immerhin glaubt heute niemand mehr – wie noch zur Jahrtausendwende – dass mit dem Internet die Schulen überflüssig werden würden.
Die Auszeichnung erfolgt zu einem interessanten Zeitpunkt. Denn inzwischen weicht die Skepsis gegenüber den digitalen Errungenschaften
pragmatischen Haltungen, mit denen sich ein Widerstand gegenüber den
Machtbastionen der amerikanischen Konzerne organisieren lässt, die heute weltweit die Kommunikation kontrollieren. Laniers Überlegung, dass die
Ausbeutung der unentgeltlichen Arbeit von Wissenschaftlern und Autoren
letztlich dazu führt, dass der Wissensquell verödet, ist nicht neu. Aber sie
stellt im Zusammenhang mit der Forderung, Nutzer sollten für die Verwendung ihrer Daten einen Betrag erhalten, ein Statement dar, das vom Börsenverein nicht besser hätte formuliert werden können. Mit seinen Dreadlocks,
den publikumswirksamen Auftritten als Musiker neben Ornette Coleman
und Yoko Ono wird mit Jaron Lanier nicht nur ein Kontrahent der OpenSource-Bewegung bekränzt, sondern auch ein populäres Zeichen im Ringen
um das Freihandelsabkommen gesetzt, bei dem die Stimme des Börsenvereins von der Politik überhört zu werden droht.
THOMAS LINDEN
Der Franzose Olivier Morel beantragt gerade seine US-Staatsbürgerschaft,
als er für seine Kriegsheimkehrer-Reportage recherchiert: „Die Rückkehrer –
Wenn der Krieg im Kopf nicht endet“ erzählt von traumatisierten Soldaten
aus dem Irakkrieg. Maëls Zeichnungen tragen die desillusionierte Atmosphäre,
während Morel intensiv Betroffene zu Wort kommen lässt. Ein bewegendes
und kluges Werk (Carlsen). Wie häufig bei autobiografischen Comics, gelingt
die Dramaturgie auch bei „Hexenblut“ von Suskas Lötzerich nur bedingt.
Suska wird als Mädchen geboren, möchte aber ein Junge sein. Der Comic erzählt von einer Kindheit und Jugend voller Irritationen und Kämpfe um Selbstbestimmung. Eine ergreifende Biografie, die auch spannend und mitreißend
erzählt wird, mit ihrem episodenhaften Aufbau aber auch etwas ungelenk
wirkt (Luftschacht).
Auch Mawils „Kinderland“ ist autobiografisch geprägt. Fast 300 Seiten lang
ist die Geschichte aus den letzten Tagen der DDR geraten. Dramaturgisch
sind die Erlebnisse des Mirco Watzke einfacher zu fassen als bei „Hexenblut“,
weil die Handlung nur wenige Wochen umfasst. Dafür geht Mawil bei einigen Szenen über die Planung eines großen Tischtennisturniers an der Schule
stark ins Detail. Selten war deutlicher, dass er zeichnerisch so sehr von dem
Franzosen Baru beeinflusst ist (Reprodukt). Noch ein autobiografisches Werk:
Nach „Das Spiel der Schwalben“ erzählt Zeina Abirached das zweite Mal aus
ihrer Kindheit in Beirut: „Ich erinnere mich“ lautet der programmatische Titel
des Bandes, der eine Kindheit im Bürgerkrieg schildert. Gekonnt setzt Abirached den kindlich-naiven Blick der jungen Ich-Erzählerin ein, um die absurden
Alltagssituationen in der umkämpften Stadt zu schildern. Die Zeichnungen
mit ihren starken, ornamentalen Schwarzweiß-Kontrasten sind schön wie im
Vorgänger-Band, aber mit der additiven Phrase „Ich erinnere mich“ mag sich
kein rechter Erzählfluss einstellen (avant verlag).
Ein Erlebnisbad außer Rand und Band: Einst war hier Weideland, jetzt umschließen riesige Glaskuppeln ein großes Badeparadies. Aber Marine Blandin
erzählt mit „Eine nautische Fabel“ von den Abgründen einer solchen Wasserwelt, in der sich Untiefen auftun, Fabelwesen umherziehen und das soziale
Gleichgewicht langsam außer Kontrolle gerät. Die als Funny gezeichnete Fabel
entfaltet zunehmend düstere, aber auch poetische Momente (Carlsen). Ebenfalls fiktiv und auch mit tierischen Protagonisten besetzt ist „Rezzo und Elisabeth“ von Till Thomas. In stilisierten Zeichnungen erzählt er ein großes Drama
von Liebe, Eifersucht, Macht und Gewalt. Unerbittlich lässt er seine Protagonisten ins Unglück laufen und nur die Stilisierung macht den ganzen Schlamassel erträglich (avant verlag). Toughe Typen: Ein klassischer Noir-Thriller
ist „Parker – Das Syndikat“ von Darwyn Cooke. Es ist bereits Cookes zweite
Adaption eines Richard-Stark-Krimis, die sich auch zeichnerisch vollkommen an den 60er Jahren, der Handlungszeit der Vorlage, orientiert (Eichborn).
Mit „Namen und Orte: Namen“ wird der letzte der vier Teile von Stéphane
Heuets Adaption von Marcel Prousts „Unterwegs zu Swann“ veröffentlicht.
Nach den beiden Alben zu „Im Schatten junger Mädchenblüte“ liegen nun die
ersten sechs Bände von Marcel Prousts sieben Bände umfassenden Hauptwerk „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ als Comicadaption vor. Hier
nun erinnert sich der Erzähler an eine erste Jugendliebe, die unerwidert blieb.
Sentimental sinniert der Erzähler über die Hoffnungen des Verliebten und das
Vergehen der Zeit. Heuet lässt Prousts Werke in wunderschönen Zeichnungen
auferstehen (Knesebeck).
CHRISTIAN MEYER
30
Improvisierte Musik in NRW
Saiten geschabt
Brave Brüder von KLAENG
Neues Label startet in Köln
Von Olaf Weiden
Wer in Odonien feiert, der bekennt sich damit zur freien Kunst. KLAENG,
das sagenhafte Klangkollektiv der freien Kölner Jazzszene, feiert jetzt zum
zweiten Mal in diesem Kunstdschungel in Kölns beliebter Bordellstraße, die
den witzigen Namen Hornstraße trägt.
Ganz so abwegig ist diese Adresse üb„Probehören ist bei dieser
rigens nicht, weil Freunde des Horizonexperimentellen Musik
talgewerbes in der Vergangenheit heiß
obligatorisch“
begehrte Treffen zwischen erotischer
Bühnenshow und hitzigem Jazz inszenierten – selbst die Musikbeamten
der WDR Big Band wurden bereits in diesem Veranstaltungszirkel beobachtet. Hier ergoss sich ein wahrlich prall gefülltes Wunderhorn nicht nur musikalisch – auch die Getränke waren inklusive.
Nicht so in Odonien, dem von der Stadt mehrfach bekämpften und bedrängten Kunsthort, der wegen fehlender Fluchtwege und Brandschutzauflagen eigentlich schon nicht mehr existieren dürfte und wo das Public
Viewing zur Weltmeisterschaft noch Rudelgucken heißt. Aber die Kunst
und seine Streiter sind manchmal nicht unterzukriegen.
Das ist unser Thema auch bei KLAENG, die ihrem konzertant verbundenen
Kollektiv nun noch eine weitere Musiker-Emanzipationswaffe hinzugefügt
haben: Es erschienen die ersten drei CD-Produktionen aus dem erlesenen
Kreis der Jazzjünger auf dem eigenen brandneuen Label. Was diese junge
künstlerische Freiheit dabei hervorgebracht hat, besitzt radikalen Tiefgang.
„Tiefgang“ heißt denn auch der erste Schritt auf den Tonträger, ein Album
des Bassisten Robert Landfermann, der sein ganzes Kollektiv und Gäste
miteinbezieht. Dunkel ist die Grundstimmung dieser atmosphärischen
Klangbilder mit reichlich Bassgebläse aus der Holzabteilung und dem ostinaten Sägeton des Kontrabasses. Die CD trägt so reichlich Herbststimmung, dass sie eigentlich einen Beipackzettel für Depressive benötigt. Wer
Schönheit und Besonnenheit in tiefem Schwarz sucht, ist hier gut aufgehoben. Probehören vor dem Kauf ist bei dieser experimentellen Musik
obligatorisch.
So auch bei einer weiteren bassigen Veröffentlichung von vier Kontrabassisten unter dem Titel BASZ, die ihren Instrumenten intensiv auf den Korpus rücken. Hier wird so ekstatisch gefiddelt und geschrammelt, dass man
eine Empfehlung aussprechen darf: nur für Bass-affine Extremhörer.
Die CD „11 Famous Songs Tenderly Messed Up“ stammt vom Gitarristen Tobias Hoffmann, der Werke von Jazzgrößen wie Gershwin,
Mingus, Miles oder Shorter aufmischt oder besser gesagt
entkernt. Shorters „Iris“ swingt recht einsam und alleingelassen auf der Banjosaite, während Songs von Hendrix
oder der berühmte „Albatross“ von Peter Green mit grotesk verzerrten Sounds zur Landung in einer neuen, etwas traurigen Gestalt ansetzen. Wer das kompromisslos
Olaf Weiden
Besondere liebt, sollte sich sowohl über das Fest als auch
Musiker und
Musikkritiker
über das neue Label schlau machen.
Summer KLAENG-Festival | So 6.7. 12-24 Uhr | Odonien, Hornstraße 85
klaengkollektiv.de
31
KULTUR.KINO.RUHR.
Europa gestalten.
Kompakt Disk
culture club
culture club
präsentiert: Skydiving
präsentiert: Kino-Café
Psychotische Volksmusik
Neue Musik zwischen Rückbesinnung und Revision
Zum Finale der WM erscheint Sébastien Telliers CD „L‘Aventura“, die
mit einer Hommage an die brasilianische Bossa-Psychedelic der frühen
70er Jahre eröffnet und dann den frankophilen Pop der späten 70er und
80er Jahre in Erinnerung ruft. Dabei kennt der ESC-Teilnehmer zwischen
experimentierfreudigem Blick auf Mainstream und „La Boum“-Schmalz
keine Schamgrenze (Record Makers). Dass das Solo-Akustik-Projekt des
Melvins-Gitarristen und -Sängers Buzz Osborne nicht bei Liedermacherei
landet, war absehbar. Und dennoch ist man dann froh, auch akustisch
Osbornes wuchtige Kanten wiederzuerkennen. „This Machine Kills Artists“
quengelt und drängelt genauso wie der über drei Jahrzehnte erprobte gepresste Hardcore der Melvins. Insofern ist das Album vielleicht eher eine
Variation als eine Innovation, aber Letzteres haben die Melvins in den 80er
und 90er Jahren zur Genüge vollbracht (Ipecac).
Das Fire! Orchestra erinnert an opulente Jazz-Kollektive der frühen 70er
Jahre wie Keith Tippets „Centipede“, Carla Bleys „Escalator Over the Hill“
oder Charlie Hadens „Liberation Music Orchestra“. Das 28-köpfige norwegische Kollektiv um Saxophonist Mats Gustafsson wütet auf vier langen
Stücken zwischen Powerrock, Free Jazz und Noise, dass die Splitter fliegen.
„Enter“ heißt das Album, und… ja... es geht ab (rune grammofon). Das Folgende ist nicht nur Volksmusik im Sinne der vielen Menschen, die beteiligt
sind, sondern auch, weil es musikalisch auf ältere Traditionen als Jazz und
Rock zurückgreift: Immerhin auch 15 Musiker aus fünf Bands, allesamt aus
INDOOR SKYDIVING
SAVING MR. BANKS
Der geflügelte Ausspruch „Nur fliegen ist
schöner“ wird beim Indoor Skydiving in
Bottrop in die Tat umgesetzt. Der weltweit modernste Windkanal verspricht
einen puren Andrenalinkick und nahezu
schwerelose Glücksmomente. Ein regelrechtes Airlebnis.
Die Geschichte hinter der Geschichte des
Filmklassikers „Mary Poppins“ nach dem
gleichnamigen Buch von P.L. Travers. Der
Film beleuchtet den Streit zwischen der
britischen Schriftstellerin, dem Hollywood-Mogul Walt Disney (Tom Banks)
und dessen Autorenteam um die künstlerischen und vertraglichen Details der
lang geplanten Verfilmung.
Indoor Skydiving Bottrop
Prosperstraße 297
46238 Bottrop
Tel.: 02041 37 37 30
trailer verlost 3x1 Gutscheine
Airlebnis M bis 3.8. E-Mail an
verlosung@trailer-ruhr.de
Kennwort: „Airlebnis“
ganzjährig einlösbar
unterschiedlichen, eigentlich verfeindeten Ethnien aus der Kasai-Region
des Kongos, bilden die Kasai-Allstars. Sie spielen E-Gitarren, verstärkte
Daumenklaviere, Xylophon und diverse Perkussion-Instrumente. Das alles
aber auf eine aggressiv-rohe Art, die ihre langen, repetitiven und tranceartigen Stücke permanent nach vorne treiben. Über 100 Minuten auf zwei
CDs: „Beware the Fetish“ erscheint als fünftes Album der CongotronicsReihe, in der zuvor bereits Platten des vergleichbar rauen Kollektivs Konono No.1 erschienen sind (Crammed Discs).
Das schwedische Duo The Knife veröffentlicht mit dem digital-only Release „Shake Up Versions“ acht Stücke aus seiner Diskographie in neuen
Versionen, die dem aktuellen, nervösen Sound der Band entsprechen. Wild
perkussiv und psychotisch geben sich die neu arrangierten Elektronikstücke, darunter die großartigen Tracks „Pass This On“ und „Birds“ (Pias).
Lange nicht mehr einen so schönen Promotext gelesen. Alle Bonmots sind
schon da – warum also mühsam neue erfinden? Verknappt ist da über
„Rückverzauberung 9“, die im Auftrag des Festivals „Doofe Musik, Lieder
zum Träumen, Betäuben und Vergessen“ erschienene CD von Wolfgang
Voigt zu lesen: „Narkotische Bläserloops … taumeln Richtung Unendlichkeit … Egerländern auf Valium. Programmatische Langeweile … berauschter Glückseeligkeit … (pop)ambienter Entrücktheit“. So ist es, und es ist
gut so: Schwindsüchtiger Blaskapellen-Ambient (Profan). Nochmal Ambient, aber analog: Dylan Carlson von Earth hat den Soundtrack zu Thomas
Arslans Western „Gold“ mit Nina Hoss beigesteuert und liegt recht nah an
Neil Youngs Tonspur zu Jim Jarmuschs „Dead Man“: Langgezogene, schwer
verzerrte staubige Gitarrenriffs und Drones prägen die atmosphärischen
Stücke (self released).
UCI Kinowelt Ruhr Park
Am Einkaufszentrum, Bochum
Karten: 0234 239 02 34
UCI Kinowelt Duisburg
Neudorfer Straße 36-40
Karten: 0203 301 91 91
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Kennwort: „Saving Mr. Banks Bochum“
oder „Saving Mr. Banks Duisburg“
Mi 6.8. 14.30 Uhr
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PRVRXKU
CHRISTIAN MEYER
präsentiert: Live-Show
THE LAST NIGHT OF
MONTY PYTHON
Die berühmteste Comedy-Truppe Englands, die u.a. mit „Monty Pythons fliegender Zirkus“ weltweite Erfolge feierte,
trifft in „The Last Night of Monty Python“ am 20.7. noch einmal zusammen.
Cinemaxx Essen und Mülheim übertragen die Veranstaltung live.
Cinemaxx Essen
Berliner Platz 4/5
45127 Essen
Cinemaxx Mülheim
Humboldtring Parkplatz 4
(im Rhein Ruhr Zentrum)
45472 Mülheim
trailer verlost 2x2 Karten. E-Mail bis 10.7.
an verlosung@trailer-ruhr.de
Kennwort: „Monty Python Essen“ oder
„Monty Python Mülheim“
32
So 20.7. 20 Uhr
kunst & gut
Bernhard Fuchs, Thurnerschlag, Winter 2012, © B. Fuchs, courtesy Josef Albers Museum Quadrat Bottrop
Annäherung auf Abstand
Bernhard Fuchs im Josef Albers Museum in Bottrop
Den fotografischen Reihen von Bernhard Fuchs wird man nur gerecht, indem man sie sehr behutsam und mit aufmerksamem Blick abschreitet –
oder dementsprechend durchblättert: im Buch, welches Fuchs als eigenes
künstlerisches Medium versteht und das zum Abschluss jeder Bilder-Folge
publiziert wird.
Im Museum Quadrat in Bottrop hängen die Farbfotografien im moderaten,
fast intimen Format in gleichen Abständen nebeneinander. Ausgestellt sind
die „Waldungen“, rund fünfzig Fotografien, die Bernhard Fuchs in den letzten dreieinhalb Jahren in seiner Heimat, dem ländlichen Mühlviertel in Oberösterreich, aufgenommen hat. Sie konzentrieren sich auf die Landschaft im
Übergang zum Wald. Menschen sind keine zu sehen; selten, dass Wege die
Wiesen und Felder queren. Der Waldsaum ist oft auf Abstand gerückt; im
Hintergrund erheben sich Anhöhen, auf denen sich der Baumbestand dicht
zusammenschließt. Der Horizont setzt meist erst im oberen Drittel des Bildes
ein. Bei einigen der Fotografien liegt die Natur unter einer Schneeschicht
oder im Nebel; der Himmel ist milchig und unterscheidet sich dann kaum
vom Weiß auf der Erde. Bernhard Fuchs beobachtet in seinen Fotografien
sachlich, konzentriert. Das Ereignis ist die Natur selbst. Dazu wechseln die
Jahreszeiten und damit die Lichtverhältnisse, auch wenn Fuchs – wie er
berichtet – immer um die gleiche Tageszeit und beim Spazieren auf den
gleichen Routen fotografiert hat. Auch wenn da nichts ist, was uns überraschen könnte, so verbindet die Bilder doch eine besondere Grundstimmung.
Darüber hinaus: Diese Aufnahmen, die so gleich und doch immer wieder
anders sind, erinnern uns an eigene Erfahrungen, auch unserer Kindheit.
Bernhard Fuchs vergleicht die Folge seiner Aufnahmen mit einer – persönlich abgefassten – Erzählung. Er unternimmt eine Annäherung an die Gegend mit ihrer Landschaft. 1971 ist er im oberösterreichischen Haslach geboren und in der Umgebung aufgewachsen, ehe er zum Fotografie-Studium
an die Kunstakademie Düsseldorf (bei Bernd Becher) und an die Hochschule
33
für Grafik und Buchkunst nach Leipzig (zu Timm Rautert) gewechselt ist.
Anschließend ist er wieder nach Düsseldorf gezogen, wo er bis heute lebt.
Zweifelsohne ist die Spannung zwischen der Großstadt und der gering besiedelten Heimat für seine Fotografie wichtig. Damit tritt Fuchs erstmals
Mitte der 90er Jahre in Erscheinung: mit Porträts der Bevölkerung im Mühlviertel, die er bei ihrer landwirtschaftlichen Tätigkeit aufgenommen hat: die
Frauen mit Kopftuch und Kittelschürze, die Männer mit Hut und Stiefeln,
auch die Kinder. Alle hielten kurz für die Fotografie inne, blickten aber kaum
in die Kamera. Parallel dazu nahm Fuchs Pkw‘s auf, die auf Parkplätzen oder
am Straßenrand, immer aber in unbelebten Gegenden abgestellt waren –
schon bei diesen beiden Werkgruppen war das Format klein, die Darstellung
ausgewogen, unspektakulär. Einen weiteren Schritt zu den heutigen Bildern
stellt die Werkgruppe der „Straßen und Wege“ dar, die ebenfalls 2009 in
Bottrop ausgestellt war und genau das zeigt, was der Titel mitteilt. Die Orte
liegen ebenfalls im Mühlviertel, der Wald ist im Wechsel mit den Feldern
zugegen. – Aber die Perspektive der neuesten Bilder ist eine andere, Fuchs
liegt gerade an den feinen Verschiebungen. Und er fängt enorm viel von der
Landschaft ein, das betrifft schon die Farben. Dabei formuliert er ein Grundvertrauen in die Natur; der fotografische Blick wird Teil der Landschaft. Dass
Heinz Liesbrock als Direktor des Bottroper Museums Bernhard Fuchs jetzt,
bereits nach fünf Jahren, wieder zu einer Ausstellung eingeladen hat, erklärt er mit seiner hohen Wertschätzung dieser fotografischen Bilder – das
Kompliment ist berechtigt.
THOMAS HIRSCH
„Bernhard Fuchs – Waldungen“ | bis 10.8.
Josef Albers Museum Quadrat Bottrop | 02041 297 16
Kunstwandel
Kunst in NRW
Bearbeitung von Geschützrohren in der Abteilung Sterkrade © LVR-Industriemuseum
C. Kubisch, audiovisuelle Installation, © VG Bild-Kunst, Bonn, Foto: Mick Vincenz, Arp Museum
Vorwärts und nicht vergessen
Hohe Türme
Vom Kruppschen Hochofen in den Krieg und dann auf die Gedenktafel. So
einfach ließe sich die Ausstellung „1914 – Mitten in Europa“ beschreiben,
wenn da nicht auch diese geballte Masse von 2500 Objekten zu sehen
wäre. Also rein in die Mischanlage auf der Kokerei Zollverein. Vom Wiegeturm geht es hoch über den Parkplatz, 150 Meter weit am Stahlseil in
die vierte Etage. Den Wolken nah noch übers Dach, als hätte es keinen
Strukturwandel gegeben, rauchen am Horizont die Schornsteine, nur der
nah gekommene Wald irritiert den Blick übers Revier. Durch die Stahltür
geht’s in die Ausstellung. Erster Eindruck eine Werbung für den „Vorwärts“
für 1 Mark 10, inklusive martialischem Bergmann mit freiem Oberkörper.
Gleich daneben Hugo Höppeners Lebensreform-„Lichtgebet“ von 1894 und
zu der gleichen Zeit, in der Marsianer („Krieg der Welten“, 1898) zu Dystopien anregten, malte Ludwig Meidner eine apokalyptische Zukunft, wie sie
dummerweise dann auch Realität wurde.
Hinunter geht’s in den „Aufbruch in die Moderne“. An Rhein und Ruhr
am Vorabend des ersten Weltkriegs. Die Verteilerebene im 3. OG ist schon
selbst ein Zeugnis dieses Aufbruchs und schnell wird klar, welche Macht
diese Industrieregion zu dieser Zeit verbarg. Konzerne, Kartelle, die riesigen
Fabrikanlagen und immer noch herrschte der Kaiser in Deutschland, obwohl
das Elektromobil „Runabout“ (1903) längst erfunden war. Die Kapitäne
sorgten für ihre Arbeiter, die sich zwar Karl Ernst Osthaus` Tafelbesteck
nicht leisten konnten, aber von der Gartenstadt-Bewegung profitierten.
Dass es den Staublungen nicht half wissen wir, dennoch war es auch eine
knallharte, innovative Zeit, missverständlich genannt Belle Époque. Man
handelte längst global (!) schuf Netzwerke und die Schnellfotografie, aber
auch Schreib- und Rechenmaschinen und natürlich allerlei Kriegsgerät.
Was daraus werden sollte ist im Mischtrichter der Kokerei allgegenwärtig: Originalaufnahmen von Gemetzel in den Stellungen, aber man muss ja
nicht reinschauen. Der im Kaiserreich beliebte „Kieler Matrosen Anzug“ für
die Jüngsten ist da viel netter, während die älteren wahrscheinlich lieber
nach Köln zur Fa. Allright blickten, die dort Fahrräder, aber auch das ausgestellte 680er Zweizylinder Motorrad von 1910 produzierten.
Aber schon bald wehte die Reichskriegsflagge neben der Fahne des Deutschen Kaiserreichs. „Gott mit uns“, diese Losung hat man gründlich missverstanden. Die Flotte wollte schließlich produziert sein, die Gasmasken
und der Rest der Kriegsausrüstung auch. Sehr degeneriert passt dazu in
Essen das großformatige Ölgemälde „Giftgas-Versuch zur Erprobung von
Gasmasken auf der Wahner Heide in Köln“ (um 1915), das (wer auch
sonst?) die Bayer AG bei Otto Bollhagen in Auftrag gab.
Dann ging das Schlachten los. Die schwere Feldhaubitze M1913 von 1918
steht quasi auf einem Sockel, dahinter flimmern wieder die grässlichen
Schwarzweiß-Bilder. Nach der Fronterfahrung half auch die Propaganda
nichts mehr. Was blieb sind zersägte Denkmäler aus Bochum und die Gedenktafeln des Bildhauers Joseph Enseling für die 2841 Werksangehörigen
der Gussstahlfabrik Friedrich Krupp (1926). Doch der nächste Demagoge
streckte schon seine Finger nach dem Rest der Belegschaft aus.
Von Thomas Hirsch
Es passt. Zur Landschaft, zum Ausstellungsort, zu dessen Konzeption. Am
Rhein bei Remagen befindet sich das Arp Museum, das sich dem Werk von
Hans Arp widmet, der mit seinen abstrakt organischen Bildern und Skulpturen weltberühmt wurde. Oberhalb des dortigen – als Ausstellungs- und
Konzertgebäude legendären – Bahnhofs Rolandseck ragt auf 40 m Höhe
der Neubau von Richard Meier über
„Mit den goldenen
den Mittelrhein mit seinen Bergen und
Haaren der Rapunzel“
Schlössern. Die aktuelle Ausstellung
zum Motiv des Turms macht also besonders Sinn. Sie wendet sich vor allem
der Gegenwartskunst zu. Selbst wenn die Kunstwerke frei assoziativ angelegt sind wie Arps Bronzeplastik „Turmmensch Trier“ (1961), die nur 11 cm
hoch ist, so handelt es sich doch fast immer um vertikal gestreckte Konstruktionen. Mag sein, dass in der Ausstellungshalle zunächst der Wald vor lauter
Bäumen nicht zu sehen ist und dies etwa dem 3,40 m hohen „Golden Tower“
des still pathetischen James Lee Byars schadet. Indes reagieren die Werke
gut aufeinander. Neben Urformen und eigenen Erfindungen liegen konkrete
Bezüge vor, etwa zum Fernsehturm am Berliner Alexanderplatz, zum Eiffelturm oder – besonders originell – zum Schiefen Turm von Pisa.
Es gibt auch Gemälde: mit dem Turm der Rapunzel (von Markus Lüpertz) und
dem Turmbau zu Babel (von Jan Brueghel d.J.). Thematisiert ist der Anschlag
auf das World Trade Center in einer Installation von Malachi Farrell, aber gerade diese aufwändige Arbeit ist zu sehr auf Effekte aus. Überzeugender ist
da schon die winzige Bronze „Happy Hour (Manhattan)“ von Peter Sauerer,
bei der sich die Hochhäuser besoffen zur Seite biegen – oder ist es nur der
Blick auf diese? Ein Erlebnis sind die filigranen Arbeiten von Thomas Virnich (der derzeit eine Einzelausstellung im Museum DKM in Duisburg hat),
welche sich selbst gegen die bunten Menschentürme von Jörg Immendorff
und die edel puristische Türmung weißer Absperrgitter von Bettina Pousttchi
behaupten. Mit Francesco Bertos‘ „Allegorie der Weinlese“ aus der Mitte
der 18. Jahrhunderts ist weitere ältere Kunst – zumal aus der im Museum
beherbergten Sammlung Rau – berücksichtigt, ebenso wie die Ausstellung
den Blick auf liturgische Geräte früherer Jahrhunderte lenkt. Deutlich wird,
dass über das Architektonische mit den Motiven des Aus- und Überblicks,
des Markierens, Schützens und Wohnens hinaus total verschiedene Bedeutungen, Verweise und symbolische Ebenen möglich sind und dass der Turm
in unserem geschichtlichen und körperlichen Bewusstsein fest verankert ist.
Welche Rolle dabei gerade die Sagen und Märchen spielen, zeigt die vielleicht erstaunlichste Arbeit: eine Klanginstallation von Christina Kubisch,
in Szene gesetzt mit den goldenen Haaren der Rapunzel, die zusätzlich für
die Höhe sensibilisiert und den Bahnhof mit dem Neubau
verbindet.
Und ein Weiteres passt so gut: Während also am Mittelrhein die Türme hoch aufragen, sind auf Schloss Moyland
am Niederrhein Beispiele für den flachen Horizont zu
sehen. Dort zeigt die Ausstellung „Der Himmel so weit“
Landschaftsdarstellungen zu dieser Region seit dem 17.
Thomas Hirsch
Jahrhundert. Vom einen Ende NRWs zum anderen ändert
Kunsthistoriker,
Kurator und Journalist sich einiges: in der Landschaft und in der Kunst.
„1914 – Mitten in Europa“ in der Essener Kokerei Zollverein
PETER ORTMANN
„1914 – Mitten in Europa“ | bis 26.10.
Mischanlage der Kokerei Zollverein, Essen | 0201 24 68 14 44
Turm-Skulpturen im Arp Museum Rolandseck
„Rapunzel & Co. Von Türmen und Menschen in der Kunst“ | bis 31.8.
Arp Museum Bahnhof Rolandseck | 02228 942 50
34
RuhrKunst
Abb. 1
Abb. 2
In Zeiten des Krieges
Skulptur
Unter den vielen Ausstellungen, die in diesem
Jahr an den Ausbruch des Ersten Weltkriegs erinnern, ragt „Weltenbrand“ im Osthaus Museum
in Hagen mit seiner präzis verorteten Thematik
heraus. Die Schau konzentriert sich auf die Ereignisse in Hagen selbst und veranschaulicht den
damaligen Zustand der Stadt und Gesellschaft.
Sie ist kulturgeschichtlich angelegt, ohne aber
die Kunst zu vernachlässigen, schließlich befand
sich ein vorzüglicher Bestand an Kunstwerken
im damaligen Folkwang-Museum, das Karl Ernst
Osthaus 1902 gegründet hatte. In den Jahren
vor dem Ersten Weltkrieg hatte sich Hagen als
prosperierende Großstadt mit fast 100.000 Einwohnern etabliert, ehe der Krieg alles änderte.
Davon berichtet die Ausstellung, die weitgehend
aus den Beständen des Osthaus Museums, des
Stadtmuseums und Stadtarchivs Hagen zusammengestellt wurde. Etliche Objekte und Dokumente sind überhaupt zum ersten Mal zu sehen.
Die Schau demonstriert die Leistungen der Stadt
und sie rekonstruiert, im vergleichenden Sehen,
einen Schützengraben wie auch die Umriss-Figur des „Eisernen Schmied“ (1915) von Friedrich
Bagdon, der Sinnbild für die heimische Eisenindustrie war und zu Spenden an die Kriegswitwen
und Waisen animieren sollte. Gleichberechtigt
finden sich „richtige“ Kunstwerke, etwa von Max
Beckmann, Otto Dix, Grosz oder Käthe Kollwitz.
Zu sehen sind auch die Blätter von vergessenen
Künstlern wie Carl Grimm mit seinen Zeichnungen von Rüstungsarbeitern und Hans Slavos
mit seiner Holzschnittfolge „Weltkrieg und Revolution“. Wiederentdeckt wird der Maler Walther
Böttcher, der von Karl Ernst Osthaus gefördert
wurde und im Krieg gefallen ist – also auch die
Schicksale der Künstler spricht diese Ausstellung
an. Und dann kommt in Hagen noch etwas anderes hinzu: Die Schau integriert einzelne Positionen von Künstlern unserer Tage, die sich auf
verschiedene Aspekte des Krieges beziehen. Sie
zeigt Fotografien aus fernen Krisenregionen,
Zeichnungen zum Thema Kriegsverweigerung
und Aquarelle zu Verdun von Bernd Schwarzer,
und auch das ist sehr, sehr sehenswert.
Roter Teppich vor dem Lehmbruck Museum im
Duisburger Kantpark. Das Museum feierte sein
50-jähriges Jubiläum mit der Wiedereröffnung
nach seiner Renovierung standesgemäß. „Standesgemäß“ heißt in Zeiten, in denen kaum Geld
zur Verfügung steht: Das Museum rekonstruiert
seine Geschichte und besinnt sich auf die eigenen Werte, die Sammlung. Es ist der Verdienst
von Söke Dinkla als Direktorin, nun die Qualitäten des Museums herauszuarbeiten. Einst ist
dieses Ausstellungsinstitut mit dem Anspruch
angetreten, ein relevantes Zentrum der Skulptur zu werden, mit dem Nachlass des berühmten
expressionistischen Bildhauers Wilhelm Lehmbruck als Basis. Nun zeigt das Museum Einblicke
in seine Bestände zur Skulptur. In der Fenstergalerie dominieren die Plastiken von Hans Arp
und Max Ernst, in der Halle zum Park hin sind
Meisterwerke der Klassischen Moderne zu sehen,
darunter Bellings „Dreiklang“, Laurens‘ „Clown“,
platziert auf einem Sockel mit langsam drehender Auflagefläche, und natürlich Constantin
Brancusis „Négresse blonde“. Vertreten sind auch
die ZERO-Künstler Mack und Uecker, wobei die
Ausstellungsarchitektur mit Tischen und Vorhängen die Skulpturen übertrieben separiert.
Auch der Lehmbruck-Flügel, 1964 gebaut vom
Sohn von Wilhelm Lehmbruck, wirkt leer, nüchtern. Aber hier steckt ein tieferes Konzept dahinter, und wir sehen die Rekonstruktion der
damaligen Eröffnungsausstellung. Lehmbrucks
Hauptwerke sind hier im Übrigen sämtlich ausgestellt. Gleich am Eingang, im Glaskubus aber
hat Söke Dinkla dem Performancekünstler Tino
Seghal freie Hand gelassen. Er lässt hier ein Paar
körperbetont interagieren in Korrespondenz zu
von ihm ausgewählten Skulpturen der Sammlung.
Wenn Seghal nur etwas zu den Kunstwerken zu
sagen hätte! Weder funktioniert seine Auswahl
noch die Präsentation dieser Skulpturen. Geniale
Künstler müssen nicht auch geniale Kuratoren
sein. Und doch, insgesamt gelingt Söke Dinkla zur
Eröffnung ein Statement – es ist ein ernsthafter
Beginn unter schwierigen Verhältnissen.
„1914“ in Hagen
50 Jahre Lehmbruck Museum
THOMAS HIRSCH
THOMAS HIRSCH
„Weltenbrand – Hagen 1914“ | Osthaus Museum
Hagen | bis 10.8. | 02331 207 31 38
„Eine große Idee – 50 Jahre Lehmbruck
Museum“ bis 18.1.15 | Lehmbruck Museum
Duisburg 0203 283 26 30
Abb. 1: Hans Slavos, aus der Mappe „Erster Weltkrieg und Revolution“, um 1918/20, Holzschnitt (Ausschnitt), Osthaus Museum
Hagen © Nachlass Hans Slavos, Osthaus Museum Hagen
Abb. 2: Ausstellungsansicht Lehmbruck – Flügel – Rekonstruktion
der Ausstellung von 1964, Wilhelm Lehmbruck, im Vordergrund:
Mutter und Kind, 1907, © Foto: Lehmbruck Museum
35
Blick auf Technik
Abb. 3
„Käfer, Crash & Capri-Batterie“
Sind Technik und Kunst tatsächlich Antipoden, deren Berührungen sich nur im Handwerkszeug des
jeweiligen Produzenten manifestieren, oder gibt
es angesichts der „glorreichen“ Technifizierung
der Welt im 20. Jahrhundert weitere Sichtachsen,
die bedeutsam sein könnten? Der Ingenieur Hans
Peter Schiffer hat diese Bedeutung gesammelt
und versucht so, der Themen- und Motivwelt der
Technik in der Kunst nach 1945 nachzuspüren.
Beheimatet im Kunstmuseum Heidenheim zeigt
nun das Kunstmuseum Mülheim an der Ruhr diese
Sammlung unter dem Titel „Käfer, Crash & CapriBatterie – Wie Künstler Technik sehen“. Zwei ganze Räume füllen die rund 80 Arbeiten von Fotografie, Grafik, Zeichnung und Objektkunst bis hin
zu kinetischen Installationen wie Lorenz Lachauers „Rad der Zeit“ (Metall, Holz, Stein, Gummi,
2007), das mechanisch immer wieder aufgezogen
werden muss, aber auch schon mal aussetzt. Zu
Beginn stehen die Standard-Fotografien einer jeden Schau im Ruhrgebiet, Bernd und Hilla Bechers
Industriefotos. Gleich siebenmal zwischen „Zwei
Fördertürme“ (1971) und „Wassertürme“ (2007).
Nach dem DNS-Wasserturm folgen noch Thomas
Struth (Sting Handling, Solar World, 2011), aber
auch zwei Schiffe von Dirk Brömmel. Seine Spezialität. „Kopfüber“ (2013) heißen sie, denn das
Kameraobjektiv hing damals senkrecht von den
Rheinbrücken, um die mächtigen Frachtschiffe
abzulichten und später digital freizustellen.
Im nächsten Raum die Objekte. Wieder große
Namen mit kleinen Arbeiten. Darunter Man Rays
Bügeleisenobjekt „Cadeau“ von 1921, aber als
Replika von 1974. Nebenan, auch mit Bügeleisen, Klapphecks „Die Schwiegermutter“-Litho und
gleich dahinter Günther Ueckers Multiple „Kurzer
Weg“, ein auf Holz genageltes Schlauchstück von
1983. Ein bisschen Druckgrafik-Popart zwischen
Rauschenberg (Arena II, 1969) und Lichtenstein
(Girl with Spray Can, 1964) und dann bleiben nur
noch Beuys‘ titelgebende Capri-Batterie-Multiple
von 1985 und natürlich Marcel Duchamps (18871968) Autoreliefplattenspieler (Dual 1219, produziert von Juni 1969 bis Mai 1972). Im Gehen dann
noch ein Blick auf Horst Pommerenkes Kritzelmaschine. Naja.
PETER ORTMANN
„Käfer, Crash & Capri-Batterie“ | bis 17.8. | Kunstmuseum Mülheim an der Ruhr | 0208 455 41 38
Abb. 3: Günther Uecker, „Kurzer Weg“, 1983 © VG Bild-Kunst,
Bonn 2014
Sammlung
„Spaß am öffentlichen Raum haben“
Der weltweit erste Architekturwettbewerb in Echtzeit in Witten
ste. Im Moment Fußball in Brasilien, im näch- Wir haben uns ganz bewusst für die Ränder des
sten Monat die WM für spielbare Architektur in Ruhrgebiets interessiert. Ich habe mit den KünstWitten. Werden da Brücken weit geworfen oder lergruppen eine Bereisung gemacht, wir haben
wird gegen Häuser getreten?
uns diese Peripherie angeschaut und wollten dort
Katja Aßmann: Das Ganze ist natürlich etwas urbane Brüche und Problemstellungen in Angriff
komplexer. Wir werden neue Architektur bauen, nehmen. Wir sind dann bei fünf Städten gelandet:
und jede Architektur ist dazu gedacht, dass man Hagen, Herdecke, Witten, Wetter und Hattingen.
mit ihr spielen kann. Spielerisch
Diese fünf sind in die Endauswollen wir auch das Thema
wahl gekommen, und wir haben
„Ein Stück weit ist das auch
Stadt angehen und Orte zu be- ein anarchischer Eingriff in die dann eine Online-Kampagne gesonderen, neuen Orten kreieren.
startet. Die Anwohner konnten
öffentliche Ordnung“
Da kommen dann aus aller Welt
sich mit Ideen das Kunstfestival
50 Architekten, Designer und Computerspiel-Ent- quasi in die eigene Stadt holen. In Witten waren
wickler, die gemeinsam diese spielbare Architektur die allerbesten und coolsten Vorschläge, was die
entwickeln. Das heißt, wir werfen nicht, wir treten Künstler alles machen könnten, und somit hat sich
nicht, sondern wir bauen tolle neue Sachen.
die Jury am Ende für Witten entschieden.
Und das soll auch ein Projekt gegen globale
Langeweile sein?
Ganz genau. Das ist aus dem Gedankengut der beiden beteiligten Künstlergruppen entwickelt worden. Das ist zum einen Invisible Playground aus
Berlin, die sich mit Computerspiel-Entwicklungen
beschäftigen, die auch im Realraum zu spielen
sind. 72 Hour Urban Action ist eine Gruppe aus
Tel Aviv, und die haben sich ganz intensiv damit
beschäftigt, wie man wieder Spaß am öffentlichen
Raum haben kann, wie man Spaß daran haben
kann, die Stadt zu benutzen. Und wie man die Langeweile in manchen Städten mit eher langweiliger
internationaler Architektur besiegen kann und
dazu aktiv in die Stadt hineingreift.
ZUR PERSON
Die Architektin Katja Aßmann ist seit Anfang 2012 die künstlerische Leitung von Urbane Künste Ruhr. Zuvor war sie u.a.
Leiterin des Programmbereichs „Stadt der Möglichkeiten“ der
Kulturhauptstadt Europas RUHR.2010. Foto: Roman Mensing
72 Hour Interactions ist weltweit der erste Architekturwettbewerb in Echtzeit. Innerhalb von
drei Tagen und drei Nächten entwerfen und
realisieren internationale Teams Projekte im
öffentlichen Raum, die auf die städtischen Bedürfnisse vor Ort eingehen. Die Mannschaften
arbeiten und schlafen vor Ort und entwickeln
ihre Interventionen innerhalb einer engen Zeitvorgabe, kleinem Budget und begrenztem Raum.
Der erste Wettbewerb fand im September 2010
im Rahmen des Bat-Yam Biennale of Landscape
Urbanism in Israel statt. Nach weiteren Stationen 2012 in Terni (Italien) und Stuttgart
wurde der Wettbewerb zuletzt 2013 auf dem
dänischen Roskilde-Festival durchgeführt. Nun
findet er in Witten statt. trailer sprach mit der
Architektin und Kuratorin Katja Aßmann, die
seit 2012 auch die Urbanen Künste Ruhr leitet.
trailer: Eine Weltmeisterschaft jagt die näch-
Kann künstlerische Nutzungsänderung auch als
anarchischer Eingriff in die öffentliche Ordnung
gesehen werden?
Natürlich wollen die Künstler alles auf den Kopf
stellen. Wenn man sich jetzt die Diskussionen
anschaut, dann wir sind ja seit Monaten mit der
Stadt und auch mit den genehmigenden Behörden
im Gespräch. Da geht es immer wieder darum, wie
wir die Regeln etwas ausdehnen können oder wie
wir sie ein bisschen anders interpretieren können,
um einmal für 72 Stunden etwas ganz Besonderes
in der Stadt zu machen. Ein Stück weit ist das
auch ein anarchischer Eingriff in die öffentliche
Ordnung.
Was ist wichtiger: die Theatralik der Bauhandlungen oder das skulpturale Ergebnis?
Na ja, es gibt ja diese Kooperation zwischen den
Computerspielern und den Architekten. Und manche Ergebnisse werden ja gar nicht gebaut, sondern
nur gespielt. An manchen Stellen wird es also gar
keine skulpturalen Ergebnisse geben. An einigen
schon, aber in erster Linie sind die Sachen temporär gedacht und auch deshalb temporär, um einmal
die Kommunikation innerhalb der Stadt zu erhöhen, und vielleicht auch, um städtebaulich nicht so
gelungene Orte mit neuem Schwung zu versehen.
Warum findet das in Witten statt?
36
Was passiert mit den Interventionen nach der
Weltmeisterschaft? Können die dann vor Ort
auch erworben werden?
Also wir enden mit dem Festival am Samstagabend, dann kommt die Jury und die Siegerehrung.
Den ganzen Sonntag haben die Wittener Zeit, mit
den Arbeiten zu spielen, sie sich anzueignen oder
sich nur anzuschauen. Wir hoffen, dann eben auch
mit den Bürgern und den Politikern entscheiden zu
können, ob etwas bleibt oder nicht. Dann müssen
die Bürger die Skulptur allerdings nicht erwerben,
sondern wir würden sie ihnen schenken, so lange
sie sich verpflichten, für einen festgelegten Zeitraum diese Skulptur zu pflegen und zu erhalten.
INTERVIEW: PETER ORTMANN
72 Hour Interactions – Eine Weltmeisterschaft
für spielbare Architektur | 24.-27.7. | Witten
www.72hourinteractions.com
Ist das eine urbane Skulptur oder doch ein Platz zum
Verweilen? Foto: Mor Arkadir
Lesen Sie die Langfassung unter:
www.trailer-ruhr.de/sammlung
Museumslandschaft NRW
KÖLN – Skulpturenpark
www.skulpturenparkkoeln.de
KölnSkulptur #7 bis Mai 2015
Skulpturale Positionen der
Gegenwartskunst in landschaftlicher
Umgebung und im Dialog mit den hier
kontinuierlich präsentierten Werken
LEVERKUSEN – Museum Morsbroich
www.museum-morsbroich.de
Blinky Palermo bis 11.1.15
Ein Überblick über das grafische Werk
von Blinky Palermo (1943-77), der
zu den wichtigsten Vertretern einer
abstrakten farbbezogenen Malerei gehört
NEUSS – Langen Foundation
www.langenfoundation.de
Otto Piene bis 15.8.
Der 1928 geborene Mitbegründer
der ZERO-Bewegung mit einer
Lichtinstallation und seinen
schwebenden Objekten, die die
Besiedlung des Weltraums thematisieren
OBERHAUSEN – Ludwiggalerie
www.ludwiggalerie.de
Eve Arnold bis 7.9.
Die amerikanische Fotografin mit ihren
sozialkritischen Aufnahmen, ihren
Reisereportagen und Porträts von
Schauspielern wie Marlene Dietrich und
Marilyn Monroe
NEUSS – Langen Foundation
www.langenfoundation.de
Molestina Architekten, Computeranimation zum Entwurf der Neuordnung der Zentralachse der RUB, 2009, © Molestina Architekten, Köln/Madrid; Kunstsammlungen der
Ruhr-Universität Bochum: gestern die stadt von morgen
Museumslandschaft NRW
BEDBURG-HAU – Schloss Moyland
DÜSSELDORF – Museum Kunstpalast
HAGEN – Osthaus Museum
www.moyland.de
www.smkp.de
www.osthausmuseum.de
Der Himmel so weit bis 24.8.
Das flache Land und der tiefe Horizont
als Motiv der Kunst am Niederrhein
mit Fotografien, Malereien und Druckgraphiken vom 17. Jahrhundert bis heute
Kunst und Alchimie bis 10.8.
Beispiele aus der Kunst- und aus der
Kulturgeschichte, welche das Thema
der Metamorphose und der chemischen
Veränderung symbolträchtig aufgreifen
Sammlung De Leeuwenhoeve bis 3.8.
Ein konzentrierter Einblick in die
holländische Privatsammlung mit Werken
von Künstlern wie Karel Appel, Dennis
Oppenheim und Vladmir Nemuchin
BIELEFELD – Kunsthalle
DÜSSELDORF – K21
HAGEN – Emil Schumacher Museum
www.kunsthalle-bielefeld.de
www.kunstsammlung.de
www.esmh.de
Das Glück in der Kunst bis 17.8.
Meisterwerke des Expressionismus und
der Abstraktion aus den Jahren um
1914: als Gegenentwurf, Reaktion oder
Dokumentation des Ersten Weltkriegs
Unter der Erde bis 10.8.
Keller, Höhlen und Erdreich als Motiv
der Kunst im 20. Jahrhundert, u.a. mit
Werken von Henry Moore und Martin
Kippenberger
Schumacher: Schwarz sehen bis 16.8.
Schwarze Gouachen aus den 80er und
90er Jahren des expressiv informellen
Malers, die sich zwischen lichterfüllter
Abstraktion und Landschaft verhalten
BOCHUM – Campus Ruhr-Universität
DUISBURG – Museum DKM
KÖLN – Museum Ludwig
www.kusa-rub-moderne.de
www.museum-dkm.de
www.museum-ludwig.de
gestern die stadt von morgen bis 7.9.
Ein Projekt mit dem Museum Glaskasten
Marl und Kunstmuseum Mülheim zur
städtischen Architektur der 1960er und
70er Jahre und ihrer heutigen Realität
Thomas Virnich bis 25.8.
Ein konziser Werküberblick mit
spielerischen, dabei präzisen
Aneignungen und Verwandlungen
gefundener Holzkonstruktionen in
filigrane Architekturen
Unbeugsam und ungebändigt bis 5.10.
Serien wichtiger Fotografen, die
um 1979 aufgenommen wurden
und gesellschaftliche und politische
Zustände festhalten
BONN – Bundeskunsthalle
www.kah-bonn.de
Afrikanische Meister bis 5.10.
Die Kunst der Elfenbeinküste: Ein
Einblick in 200 Jahre westafrikanische
Kunst mit vierzig individuellen
Bildhauern aus sechs Kunstregionen
Westafrikas
DUISBURG – Museum Küppersmühle
www.museum-kueppersmuehle.de
Willi Baumeister International 4.7.-5.10.
Der deutsche Hauptvertreter der
abstrakten Malerei zur Mitte des 20.
Jahrhunderts mit seinen „Mauerbildern“
und gegenstandsfreien Konstellationen
aus Farbflächen
BONN – LVR-LandesMuseum
www.landesmuseum-bonn.lvr.de
Ulrike Rosenbach bis 5.10.
Ein Überblick über 30 Jahre Schaffen der
Pionierin der Videokunst, die mit diesem
Medium auch Objekte entwickelt und
Performances durchgeführt hat
ESSEN – Museum Folkwang
www.museum-folkwang.de
(Mis)Understanding Photography bis 17.8.
Befragt wird das Medium der Fotografie
aus seiner Geschichte und seiner
Faktizität heraus: als Objekt oder Abbild
und mit Manifesten der Künstler selbst
BOTTROP – Josef Albers Museum
www.quadrat-bottrop.de
Bernhard Fuchs bis 10.8.
Der 1971 geborene Fotograf mit
seiner aktuellen Werkgruppe
„Waldungen“, welche die Landschaft
im oberösterreichischen Mühlviertel
fokussiert
KÖLN – Museum für Ostasiatische Kunst
www.museen.koeln.de
Von Istanbul bis Yokohama bis 7.9.
Fotografien des 19. Jahrhunderts, die die
Reiserouten und Ziele der Europäer nach
Arabien und nach Fernost vorstellen, aus
der Sammlung des Museums
www.ruhrmuseum.de
Chargesheimer bis 18.1.15
1957 hat Chargesheimer für ein Buch
mit Heinrich Böll das Ruhrgebiet und
seine Menschen fotografiert
37
PULHEIM – Synagoge Stommeln
www.synagoge-stommeln.de
Gregor Schneider bis 26.10.
Eine Installation an und mit der alten
Synagoge, welche Gregor Schneider
sozusagen zum Verschwinden bringen
möchte
RATINGEN – Museum
www.museum-ratingen.de
Barbara Heinisch bis 14.9.
Die 1944 geborene Künstlerin, die mit
ihren Malperformances bekannt wurde
und mit ihrer expressiv gestischen
Malerei (weibliche) Figuren auf der
Leinwand bannt
REMAGEN – Museum Rolandseck
www.arpmuseum.org
Leibhaftig bis 25.1.15
Szenenwechsel in der Sammlung Rau
mit Meisterwerken der Malerei und
Skulptur, die den menschlichen Körper
zwischen Stolz und Schmerz, Eros und
Tod zeigen
SIEGEN – Museum für Gegenwartskunst
www.mgk-siegen
Was Modelle können bis 12.10.
Dreidimensionale architektonische
Modelle im wechselnden Zustand
zwischen Entwurf und Vollendung als
filigranes, wandlungsfähiges Medium
von Künstlern
SOLINGEN – Kunstmuseum
KÖLN – Photographische Sammlung
www.kunstmuseum-solingen.de
www.sk-kultur.de
Bergische Kunstausstellung bis 27.7.
Eine Zustandsbeschreibung der jungen
Kunst im Bergischen Land und im
Rheinland; den diesjährigen Hauptpreis
hat der Maler Stefan Ettlinger erhalten
August Sander bis 3.8.
Zum 50. Todesjahr sind teils unbekannte
Werkgruppen des lange in Köln
ansässigen Fotografen zu sehen, der mit
berufsständischen Porträts bekannt wurde
KÖLN – Kolumba
www.kolumba.de
ESSEN – Ruhr Museum
Otto Piene bis #10.8.
Der wichtige Pionier der Avantgarde
der 1950er und 1960er Jahre und
Mitbegründer der ZERO-Gruppe mit
seinen aufblasbaren Skulpturen der
Sky Art
zeigen verhüllen verbergen bis 25.8.
Die Jahresausstellung widmet sich mit
kulturgeschichtlichen Beispielen aus
der Liturgie und mit alter und neuer
Kunst dem Mysterium, das im Schrein
entzogen ist
WUPPERTAL – Von der Heydt-Museum
www.von-der-heydt-museum.de
Menschenschlachthaus bis 27.7.
Hochkarätige deutsche und französische
Kunst, die für das Schreckliche
des Ersten Weltkriegs mit seinen
Begleiterscheinungen besonders an der
Front sensibilisiert
Empfehlungen von Thomas Hirsch
Auswahl
Auswahl
RUHRGEBIET
VIDEO-WETTBEWERB „WIE
IST DAS HIER? 21+1“
bis 8.9.
22. blicke filmfestival
Wenn vom 19. bis 23. November das 22.
blicke filmfestival des ruhrgebiets stattfindet, werden erstmals zehn ausgewählte
Filme eines Online-Sonderwettbewerbs
Blicke in den Pott eröffnen. Unter dem
Motto „Wie ist das hier? 21+1“ können ab
sofort Filme eingereicht werden, die das
Ruhrgebiet von seiner besten, schlechtesten oder einfach einer noch nie betrachteten Seite zeigen. Ebenso vielfältig
wie das Format (Einreichungen auf DVD,
CD, Download-Link oder per Handy) darf
auch die Form gestaltet werden. Aber ob
dokumentarisch oder fiktional, real, animiert oder experimentell: Für alle Filme
gilt eine exakte Länge von 22 Sekunden.
Der Geburts- oder Wohnort der FilmemacherInnen muss außerdem im Ruhrgebiet
liegen. Ab dem 15. Oktober werden alle
eingereichten Filme auf den Webseiten
des blicke-Festivals sowie auf do21.tv und
LABKULTUR.TV zu sehen sein. Auf dem Festival selbst werden zehn zuvor von einer
Jury ausgewählte Beiträge gezeigt. Per
Publikumsvoting werden dann die beiden
besten mit je 500 € dotiert.
Info: www.blicke.org
BOCHUM
KUNSTMUSEUM
5.7.-24.8., Di-So 10-17, Mi 10-20 Uhr
Additionen der Gegenwart
mer Sammlung ist der figürliche Realismus in der Kunst der Gegenwart. Zu
den Künstlern gehören Justine Otto und
Gil Shachar. Die vorgestellten Malereien
und Plastiken sind ironisch und ernsthaft,
formal gebrochen und sachlich präzise,
und sie vermitteln ein Bild unserer Gesellschaft aus der Perspektive der jungen
Generation.
Info: 0234 910 42 30
MATRIX
Fr 11.7. 20 Uhr
insbesondere auf die Probleme der Globalisierung, auf die Deindustrialisierung
und auf die Verbindung von Bochum
mit Detroit aufmerksam machen. Beide
Städte verbinden nämlich eine industrielle Vorgeschichte und wirtschaftliche
Kämpfe. So ist es Etchells Ziel, dass sein
Publikum anfängt, über Fragen nach
Verantwortungsübernahme und gesellschaftlichen Wandel nachzudenken.
Info: 0234 33 33 0
gearbeitet hat, geht er stets von den gleichen formalen Bestimmungen aus. Albers
hat in ein quadratisches Format weitere
Quadrate, teils versetzt, in jeweils einem
eigenen Farbton platziert. Er untersucht
damit, wie sich Farben gegenseitig beeinflussen. Die Gegenstellung des ersten
und des letzten Bildes dieser Serie ist
eine Sensation!
Info: 02041 297 16
THEALOZZI
DINSLAKEN
Mi 2.7. 20 Uhr
The Winery Dogs
Urban Wedding Band
Foto: Paradise Artists
Mit ihrer erst dreijährigen Existenz sind
The Winery Dogs eine ziemlich junge
Band. Von Brooklyn aus beschloss das
Hardrock-Trio alias Mike Portnoy, Billy
Sheehan und Richie Kotzen, mit ihrer
Musik die Welt zu erobern. Im Juli 2013
war das erste Album mit dem Titel „The
Winery Dogs“ in den Läden erhältlich.
Die Songs waren während der intensiven
Zusammenarbeit im August 2012 entstanden; lediglich „Damaged“ und „Regret“ sind zwei Songs, die von Gitarrist
und Sänger Richie Kotzen schon aus der
früheren Beschäftigung mit Musik in das
Album einflossen. Jetzt entert das Hardrock-Trio Europa, im Gepäck natürlich
das erste eigene Album.
Info: 0234 292 102
Angesichts der politischen Lage und der
reichlich angespannten Situation zwischen West und Ost ist es umso schöner,
einer Band zuzuhören, die diese strikten Trennungen überwindet. Anfang der
2000er fanden Roman Babik und der
Kiewer Saxophonist Dimitrij Markitantov
sich zunächst als Duo zusammen, bevor
sich Babik dann 2012 dazu entschloss,
die Urban Wedding Band zu gründen.
Mit Modern Jazz, Folklore und Beats, die
richtig Stimmung machen, verschwimmen die Grenzen – nicht nur im musikalischen, sondern auch politischen Sinne.
So sammelte Babik neben dem Kiewer
Saxophonspieler Markitantov Bodek Janke (Schlagzeug, Percussion) und Martin
Gjakonovski (Bass) um sich.
Info: 0202 243 220
Schon den ganzen Juni hindurch sind
Wolfgang Niedeckens kölsche MundartRocker BAP unterwegs – vornehmlich
natürlich zwischen Rhein und Ruhr. Mit
der Freilichtbühne im Burgtheater Dinslaken haben sie sich für die Region eine
besonders schöne Spielstätte ausgesucht. BAPs aktuelle Tour besticht durch
ein besonderes Konzept: Sie spielen unplugged, also unverstärkt, und vor einem
für ihre Verhältnisse kleinem Publikum.
Beste Voraussetzungen für eine schön
intime Atmosphäre.
Info: 0921 746 006 58
DORTMUND
JOSEF ALBERS MUSEUM
QUADRAT
Die Elenden
bis 10.8., Di-Sa 11-17, So 10-17 Uhr
Homage to the Square – First & Last
How Love Could Be
In seiner losen Reihe von Sammlungspräsentationen des Ruhrgebietes zeigt
das Kunstmuseum Werke aus dem Besitz
von Frank Hense. Thema dieser Bochu-
BAP
DEPOT
Di 1.7. - Sa 5.7.
Gregor Gaida, Kind und Schüssel, 2006, © G.
Gaida, VG Bild-Kunst, Bonn
Fr 25.7. 19 Uhr
BOTTROP
SCHAUSPIELHAUS
Tim Etchells ist Theatermacher, Bildender Künstler und Autor. Eigens für
das Fördergerüst des Deutschen Bergbaumuseums entwarf er ein LED-Plakat,
auf dem weithin lesbar „How Love Could
Be“ steht. Dieser Satz stammt aus dem
Jahre 1961 und zwar von The Miracles.
Deren erste Single „Bad Girl“ wurde von
dem Plattenlabel Motown aus Detroit
vertrieben. Etchells installiert den Satz
im Deutschen Bergbaumuseum in einem
ganz neuen Diskurs und möchte damit
BURGTHEATER
Josef Albers, Homage to the Square „A“, 1950,
Öl/Hartfaser, 77x77 cm, The Cartin Collection
/ Homage to the Square, 1976, Öl/Hartfaser,
61x61 cm © The Josef and Anni Albers
Foundation, VG Bild-Kunst, Bonn
Mit seiner Serie von Malereien „Homage
to the Square“ hat der aus Bottrop stammende, ehemalige Bauhaus-Künstler
Josef Albers, Weltruhm erlangt. Bei dieser Werkgruppe, an der er über 25 Jahre
38
So 6.7. 20 Uhr
Jean Valjean, Cosette, Javert und Fantine
– nach dem Welterfolg im Kino erobert
die Geschichte von Victor Hugo auch die
Theaterbühnen. Vor dem Hintergrund der
Französischen Revolution 1789, entwickelte Hugo eine Geschichte um Heldenmut, Liebe und Freundschaft. Während
die einen auf den Barrikaden sterben,
finden die anderen endlich zusammen.
Rache geht einher mit Vergebung, die
Schrecken revolutionärer Ereignisse mit
Menschen, die einen unverdienten Tod
sterben. In der Inszenierung der AStATheater AG der TU Dortmund entwickeln
die Schauspieler ihre Figuren und erwecken sie auf der Bühne zum Leben. Eine
derart emotional aufgeladene Geschichte kann gar nicht genug unterschiedliche
Inszenierungen und Ansätze verfolgen.
Info: 0231 90 08 06
Auswahl
FZW
Mi 16.7. 20 Uhr
Darkside
Wer zwischen den ganzen Festivals des Juli-Monats zur Abwechselung Lust auf eine
Clubshow hat, sollte sich Darkside dick im
Kalender markieren. Das Duo, an dem der
bekannte New Yorker Produzent Nicolas
Jaar beteiligt ist, hat mit seinem letztes
Jahr erschienenen Debütalbum „Psychic“
für einen der spannendsten ElectronicaEntwürfe der letzten Monate gesorgt. Und
auch die Show der beiden ist mit seinen
farbenfrohen Visuals absolut sehenswert.
Info: 0231 286 808 910
FZW
So 27.7. 20 Uhr
Reel Big Fish
Nach der Tour ist vor der Tour – so könnte
man das Motto von Reel Big Fish beschreiben. Seit 2012 sind die sechs Musiker aus
Kalifornien unterwegs. Was andere Musiker in mehreren Jahren packen, schafft
diese Band innerhalb eines Jahres. 2013
spielten sie zum Beispiel die komplette
Vans Warped Tour in den Staaten, eine
US-Tour mit Goldfinger und eine UK-Tour
mit Less Than Jake und Zebrahead. Reel
Big Fish überzeugen mit New Wave Pop
und Ska, gepaart mit einer großen Portion
Freude am Performen auf der Bühne –
und das seit den neunziger Jahren.
Info: 0231 286 808 910
WESTFALENPARK
Sa 26.7. 12 Uhr
Juicy Beats
Das Juicy Beats ist ein Festival, das schon
lange eine Strahlkraft weit über das Ruhrgebiet hinaus besitzt. Das liegt zum einen
am wunderschönen Westfalenpark mit
seinen vielen kleinen, versteckt gelegenen
Bühnen, zum anderen an der großen stilistischen Bandbreite, die das Line-up bereit
hält. Von Gitarren über Reggae, HipHop
und Electro gibt es auf dem Juicy Beats alles zu sehen – in durchweg hoher Qualität.
2014 sind u. a. Weekend, Milky Chance,
Frittenbude, Calexico und Boys Noize dabei.
Info: 0231 12 04 666
stellung, die frühere Projekte fortsetzt,
möchte auf die Veränderung der urbanen
und landschaftlichen Umgebung durch die
Autobahn aufmerksam machen und reagiert auf die zunehmende Aneignung des
Raumes durch den Straßenverkehr. Neben
„klassischen“ Positionen etwa mit Allan
Kaprow und Wolf Vostell, sind auch Werke
direkt für den jeweiligen Ort entstanden.
Info: 0211 15 92 76 23
ESSEN
CAFÉ NORD
Fr 25.7. - Sa 26.7.
Nord Open Air
Schon seit Jahren gelingt es dem in direkter Nähe der Universität gelegenen
Essener Café Nord immer wieder, Perlen
aus Punkrock und Hardcore ins Ruhrgebiet zu lotsen. Das ist bei der diesjährigen
fünften Ausgabe des Open-Air-Festivals
nicht anders. Biohazard und Sick of It All
sind schließlich wahre Legenden des New
Yorker Hardcore. Bands wie D.A.D., The
Real McKenzies und Peter Pan Speedrock
liefern das passende punkrockige Kontrastprogramm.
Info: 0201 231 207
Königlich chaotisch geht es auf der Bühne des GOP-Varietés zu, denn die Künstlerinnen und Künstler werden ab kommender Woche alles geben, um mit ihrer
Show zu überzeugen. Dabei geht es auf
keinen Fall gesittet zu, denn das Motto
von Chaos Royal verspricht gute Laune
und verrückte Witze. Gewürzt wird dies
mit einem Hauch Exzentrik und Anarchismus. Eine recht explosive Mischung
also, die Unterhaltung vom Feinsten verspricht. Die leicht verrückten, aber sehr
charmanten Schausteller geben daher alles, um Spaß und Freunde zu verbreiten.
Info: 0201 247 93 93
GRILLO-THEATER
Manderlay
Willi Baumeister International
bis 7.9., ganztägig
B1 | A40 – Die Schönheit der
großen Straße
Entlang der A40 von Duisburg nach Dortmund ist derzeit an einzelnen Stellen
Kunst zu entdecken. Die Freiluft-Aus-
Provinz ist da, wo ich bin
Der ewige Kampf zwischen Großstadt und
deren kleineren Ausführung, sprich der
Kleinstadt: Nichts scheint sich geändert zu
haben, zumindest nicht für die Stadt Essen, die sich auch vier Jahre, nachdem sie
zur Kulturhauptstadt ernannt worden war,
immer noch gegen die Großen behaupten
muss. Das Sago Künstlerduo blickt daher
noch einmal in die Vergangenheit und
stellt sich die Frage, ob es denn tatsächlich so schlimm sei, eine Kleinstadt zu
sein. Wahre Größe, das wissen alle, wird
nicht in Maßeinheiten gemessen. Mit
Chansons, Theater und Musik macht sich
das Duo auf die Suche nach dem, was von
„Kulturhauptstadt 2010“ geblieben ist.
Info: 0201 806 88 01
www.cd-andrä.de
Dortmund . Essen . Duisburg . Münster
14.-17.08.2014, Köln
Celebrate
the
games !
gamescom.de
MÜLHEIM
KUNSTMUSEUM
bis 24.8., Di-So 11-18 Uhr
Chaos Royal
4.7.-5.10., Mi 14-18, Do-So 11-18 Uhr
URBANE KÜNSTE RUHR /
MARKUS AMBACH PROJEKTE
Fr 4.7. 20 Uhr
Mi 16.7. - So 7.9.
MUSEUM KÜPPERSMÜHLE
Willi Baumeister (1889-1995), der als Professor an der Stuttgarter Kunstakademie
eine ganze Künstlergeneration prägte, gehörte zu seiner Zeit zu den einflussreichsten und engagiertesten Vertretern der abstrakten Malerei in Deutschland. Vor allem
die „Mauerbilder“ und die „Montaru“-Serie
zählen zum Kanon der abstrakten Kunst.
Baumeister schuf amorphe Gestaltungen
im Farbgrund, die Figürlichkeit umspielen,
begrifflich sich aber nicht fassen lassen.
Die Ausstellung stellt Baumeister zudem
als Netzwerker der Kunstszene vor.
Info: 0203 30 19 48 10
SAGO HINTERHOFTHEATER
gestern die stadt von morgen
GOP-VARIETÉ
Mi 2.7. 19.30 Uhr
DUISBURG
immer mehr zu einer Herrscherin und
sieht sich am Ende selber von ihrem eigenen Rassismus korrumpiert.
Info: 0201 81 22 200
IMPRESSUM
Niklas Goldbach, The World, 2012, HD Video,
13 min., Videostill, © Niklas Goldbach
Die Ausstellung im Museum und beim
Forum City-Center fragt, was aus den
städtebaulichen Entwürfen und Zukunftsvisionen der 1960er- und 1970er-Jahren
geworden ist. Neben dokumentarischen
Innenstadt-Modellen und Architekturfotografien präsentiert sie Videoprojektionen und Installationen von jüngeren
Künstlern, die dem Scheitern der Utopien
nachgehen. Sie ist Teil eines Ausstellungsprojekts von Urbane Künste Ruhr und des
Netzwerkes der RuhrKunstMuseen; Kooperationspartner sind die Kunstsammlungen der Ruhr-Universität Bochum und
das Skulpturenmuseum Glaskasten Marl.
Info: 0208 455 41 38
SCHLOSS BROICH
Sa 5.7. - So 6.7.
Castle Rock
Foto: Martin Kaufhold
Besitzt der Mensch die Fähigkeit, seine Freiheit sinnvoll zu nutzen? In der
Inszenierung von Hermann SchmidtRahmer wird das Publikum mit auf die
Baumwollplantage Manderlay genommen. Obwohl es die Sklaverei schon
seit Jahren nicht mehr gibt, muss die
Protagonistin Grace erkennen, dass
Manderlay diesbezüglich keine Fortschritte gemacht hat. Sie schafft es die
versklavten Arbeiter zu befreien, hat
aber nicht bedacht, dass diese mit ihrer
neuen Lebenssituation nichts anfangen
können. Als Manderlay droht im Chaos
zu versinken, beschließt Grace den ehemaligen Sklaven Nachhilfe in Sachen
Demokratie zu geben, wenn notwendig,
auch mit Gewalt. So entwickelt sie sich
39
Ruhrgebiet, Land der Sommerfestivals:
Das Castle Rock hat sich mittlerweile auf
Anfang Juli und im Mülheimer Schloss
Broich positioniert und setzt auf ein Lineup zwischen Gothic Rock, Folk Metal und
Dark Wave. Für solche Stile passt das
Schloss als Spielstätte natürlich wie die
Faust aufs Auge. Mit dabei sind Bands wie
Ensiferum, Delain und Crematory – alles
Bands, die in heimischen Szene-Magazinen, wie dem Sonic Seducer, in den
höchsten Tönen gelobt werden.
Info: www.castlerock-festival.de
ZUSAMMENGESTELLT VON: THOMAS HIRSCH,
ANNA LENKEWITZ, CHRISTIAN STEINBRINK
Veranstalter-Infos an:
auswahl@trailer-ruhr.de
Herausgeber: trailer Verlag
Joachim Berndt, Büro Bochum
Dr.-C.-Otto-Str. 196, 44879 Bochum
Tel: 0234-94191-0, Fax: -91
E-Mail: info@trailer-ruhr.de
www.trailer-ruhr.de
Redaktion:
Maxi Braun (v.i.S.d.P.), Christian Meyer
Mitarbeit an dieser Ausgabe:
Klaus Bunte, Lutz Debus, Hartmut Ernst,
Sanje Gautam, Rolf-Ruediger Hamacher,
Nina Heinrichs, Thomas Hirsch, Tom Jost,
Anna Lenkewitz, Thomas Linden, Jules Lux,
Karsten Mark, Lisa Mertens, Christian Meyer,
Anne Nüme, Peter Ortmann, Jan Schliecker,
Frank Schorneck, Benjamin Seim, Christian
Steinbrink, Stefan Turiak, Olaf Weiden, HansChristoph Zimmermann
Projektleitung:
Birgit Michels
Grafik:
Amélie Kai, Dominik Empl, Thomas Müller
Anzeigenverwaltung:
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Dr.-C.-Otto-Str. 196, 44879 Bochum
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50321 Brühl
Buchhaltung: Karin Okniewski
Alle nicht gesondert gekennzeichneten
Bilder sind Pressefotos.
trailer wird
d auf
10
00 % Reecyyclingpapieer gedrruckkt
CINQUE STORES | Düsseldorf – Benrather Straße 12 | Mönchengladbach – Am Kämpchen 9–13 | Oberhausen – Centroallee 233a
Berlin – Leipziger Platz (coming soon) | cinque.de