Dicht ist Pflicht

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Dicht ist Pflicht
H e i z u ng s t e c hn i k
Mögliche Ursache
für den Schimmel: Die
OSB-Platte wurde mit warmer
und feuchter Luft beaufschlagt.
Dicht ist Pflicht
Blower-door-Messungen nach EnEV und DIN:
Hintergründe – Messverfahren – Praktisches
Christian Beyerstedt*
Klimaschutz und Energieeinsparung bedingen auch schützende Maßnahmen für die Menschen und vor allem für
die Gebäudehülle. Das wirft Fragen auf, die Planer und
Ausführende beim Bau des Gebäudes beantworten müssen.
Insbesondere die Frage nach dem Wohlfühlklima und der
Behaglichkeit stellt einen immer größeren Stellenwert
für die Bewohner dar. Durch die Messung der Luftdurchlässigkeit kann festgestellt werden, warum es z. B. nicht
behaglich wird und wo Schwachstellen und Undichtigkeiten
vorliegen. Der Bericht soll eine Hilfestellung zu dieser Thematik sein und die praktische Durchführung zeigen.
I
*) Christian Beyerstedt, Wöhler
Messgeräte Kehrgeräte GmbH
n der Energieeinsparverordnung (EnEV) § 6 – aktuelle
Fassung 2007 – findet sich die
Grundlage: „... zu errichtende
Gebäude sind so auszuführen,
dass die wärme­übertragende
Umfassungsfläche einschließlich der Fugen dauerhaft
luftundurchlässig entsprechend den anerkannten Re-
geln der Technik abgedichtet
ist“. Die Dichtheit des Gebäudes nach DIN EN 13829 gilt als
nachgewiesen, wenn der gemessene Volumenstrom – bezogen auf das beheizte oder
gekühlte Luftvolumen – bei
Gebäuden
∑ ohne Raumlufttechnische
Anlagen das 3-fache Gebäudevolumen und
∑ mit Raumlufttechnischen
Anlagen das 1,5-fache Gebäudevolumen
nicht überschritten wird. Die
Druckdifferenz zwischen innen und Außen beträgt dabei 50 Pa.
Grundsätzlich heißt das
im Sinne der EnEV, dass die
Gebäude luftundurchlässig,
also dicht sein müssen, um
Feuchteschäden wie Schimmel vorzubeugen. Sicherlich
wird immer wieder gesagt,
dass bei sanierten Gebäuden,
z. B. durch den Austausch von
Fenstern, die Feuchteschäden zunehmen. Dies ist auch
häufig der Fall. Entscheidend
aber ist, dass man das Gebäude energetisch gesamtheitlich betrachtet. Deshalb
sollte man dafür sorgen, dass
die Feuchtigkeit, deren Abtransport durch die dichten
Fenster nicht mehr gewährleistet ist, auf andere Weise reduziert wird, z. B. durch eine
Lüftungsanlage.
Normative Grundlagen
Das Luftdurchlässigkeitsmessverfahren bietet die Möglichkeit, die Baustelle zu kontrollieren und den Fortschritt
der Arbeiten zu dokumentieren. Auf diese Weise können
Mängel frühzeitig aufgedeckt
und behoben werden, sodass
spätere Bauschäden und hohe
Kosten erst gar nicht entstehen.
Grundlage für die Messung
der Luftdurchlässigkeit einer
Gebäudehülle oder von Gebäudeteilen ist die DIN EN
13829. Das Verfahren kann
benutzt werden, um:
∑ die Luftdichtigkeitsanforderung eines Gebäudes oder
Gebäudeteils nachzuweisen,
∑ die relative Luftdurchlässigkeit verschiedener ähnlicher Gebäude oder Gebäudeteile zu vergleichen,
∑ Undichtigkeiten zu finden,
∑ die Verringerung der Luftdurchlässigkeit zu bestimmen, die durch einzelne,
nacheinander aus­geführte
Verbesserungsmaßnah­men
an einem Gebäude oder Gebäudeteil erreicht wurde.
Des Weiteren ist die DIN
4108 Teil 7 – Fassung August
2001 – zu nennen. Sie gibt Verweise auf die bauliche Ausführung der Luftdichtheit.
So kann auch diese Norm als
Grundlage für ein Luftdurchlässigkeitsmessverfahren angesehen werden.
Der Auftrag einer Luftdichtigkeitsmessung sollte mindestens die Aufnahme der Gebäudedaten, die Messung
nach DIN EN 13829 und die
Leckagenortung umfassen
(darüber hinaus bietet sich
die baubegleitende Beurteilung an). Außerdem ist der
Zweck der Messung festzulegen: Handelt es sich um eine
Abnahmemessung oder um
eine baubegleitende Beurteilung? Die Abnahmemessung
kann erst stattfinden, nachdem die Luftdichtheitsebene
∂ Einbau eines Luftdurchlässigkeitsmessgerätes in einem Fenster und
sorgfältiges Abdichten des Rahmens.
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∂ Leckageortung mittels Rauchpistole.
des zu untersuchenden Gebäudes oder Gebäudeteils fertiggestellt ist.
Grundsätzlich sind geeignete Wetterverhältnisse wichtige Vorraussetzung für eine
aussagekräftige Messung. Ideal sind dazu kleine Temperaturdifferenzen zwischen innen
und außen und geringe meteorologische Windgeschwindigkeiten. Da der Wind erheblichen Einfluss auf die Messung haben kann, sollte nach
Norm der Wind die Stärke 3
(nach Beaufort) oder 6 m/s
nicht übersteigen. Nach Beaufort ist das eine schwache Brise – daran zu erkennen, dass
sich Blätter und dünne Zweige
bewegen und der Wind einen
Wimpel streckt.
Der zu untersuchende Gebäudeteil soll alle absichtlich
beheizten, gekühlten oder
mechanisch belüfteten Räume beinhalten. In Spezialfällen kann der Umfang in Absprache mit dem Auftraggeber festgelegt werden. So
können einzelne Teile eines
Gebäudes separat gemessen
werden, z. B. jede Wohnung
eines Mehrfamilienhauses
für sich. Bei der Beurteilung
der Messergebnisse muss jedoch berücksichtigt werden,
dass die so gemessene Luftdurchlässigkeit auch Strömungen durch Lecks zu angrenzenden Gebäudeteilen
beinhalten kann.
Zur Durchführung selbst
unterscheidet die DIN EN
13829 zwei Arten:
∑ Verfahren A (Prüfung des
Gebäudes im Nutzungszustand). Der Zustand der
Gebäudehülle soll dem Zustand während der Jahreszeit entsprechen, in der Heizungs- oder Klimaanlagen
benutzt werden.
∑ Verfahren B (Prüfung der
Gebäudehülle). Alle Öffnungen in der Gebäudehülle müssen geschlossen
oder abgedichtet werden.
Dieses Verfahren ist dafür
gedacht, die Schäden am
und im Gebäude aufzuzeigen.
Grundsätzlich müssen bei
beiden Verfahren alle äußeren Öffnungen wie Fenster,
Türen oder Schornsteinzüge
geschlossen werden. Weiterhin sollte aus offenen Feuerstellen die Asche entfernt werden. Mechanische Lüftungsund Klimaanlagen müssen
ausgeschaltet und die Durchlässe von mechanischen Lüftungsanlagenteilen abgedichtet werden. Andere Lüftungsöffnungen (z. B. Öffnungen
für natürliche Lüftung) werden für die Zwecke von Verfahren A geschlossen und bei
Verfahren B abgedichtet.
Des Weiteren muss sichergestellt werden, dass ­Siphons in
Abwasserleitungen mit Wasser gefüllt oder die Leitungen
verschlossen sind. Gefahren
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∂ Leckageortung
mittels Volumenstrommessgerät.
durch Abgase aus Wärmeerzeugern müssen durch geeignete ­ Maßnahmen vermieden werden. Dabei sind auch
Wärmeerzeuger in anderen
Wohnungen zu berücksichtigen. Tipp: Die veränderten
Einstellungen sollten notiert
werden, sodass sie nach der
Messung wieder in den ursprünglichen Zustand zurückversetzt werden können.
Die eingesetzten Klebestreifen
zum Abdichten sollten einfach und rückstandsfrei wieder zu lösen sein, damit sie
keine bleibenden Schäden
hinterlassen.
Praktische Vorbereitung
Das Luftdurchlässigkeitsmessgerät wird an einem Fenster oder einer Tür in die Gebäudehülle eingebaut. Ein
einfacher und schneller Aufbau des Gebläses ist hierbei
von großem Vorteil. Wichtig ist zu berücksichtigen,
dass die größte Undichtigkeit
an der Tür oder dem Fenster
auftreten kann, in der das
Gebläse eingebaut ist. Daher
∂ Oftmals entstehen Undichtigkeiten beim Durchführen von elektrischen
Kabeln. Hierzu bieten einige Hersteller sinnvolle Kabeldurchführungen an.
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∂ Schematischer Aufbau eines Gebäudes, dessen Luftdichtheit geprüft wird.
sollte die Wahl der Einbauposition sorgfältig gewählt
werden, vorzugsweise aber
im untersten Geschoss. Sind
mehrere Fenstertypen im Gebäude vorhanden, so ist dasjenige mit der geringsten Leckage auszuwählen. Die Leckage kann beispielsweise per
Ultraschallmessgerät vorher
überprüft werden.
Erste Leckageortung
Nach der Abdichtung
wird das Gebäude auf 50 Pa
Druckdifferenz gebracht und
Schritt für Schritt begangen,
um nach Undichtigkeiten
zu suchen. Falls Öffnungen
(Undichtigkeiten) bei dem
Verschließen/Abdichten vergessen wurden, können die
Arbeiten jetzt nachgeholt werden. Zur Leckageortung eignen sich bestens Rauchstift
und Nebelpistole.
Beinhaltet der Auftrag nicht
nur die reine Messung, sondern auch die anschließende
Leckagenortung, kommen
Rauchstift, Nebelmaschine,
Luftgeschwindigkeitsmessgerät und Thermografiekamera zum Einsatz. Um die Kaltlufteinströmungen im Winter sichtbar zu machen, wird
das Gebäude gegenüber der
Außenluft im Unterdruck gefahren. Mithilfe einer Thermografiekamera können die­
se Leckagen aufgedeckt und
sehr gut zur Dokumentation
herangezogen werden.
Durchführung der Messung
Anschließend, kann mit
der Messung begonnen werden. Nachdem mithilfe des
Luftdurchlässigkeitmessgerätes die natürliche Druckdifferenz überprüft wurde,
erfolgt die Aufnahme der
Gebäudekennlinie. Sie ergibt sich dadurch, dass über
den Gesamtbereich der angestrebten Druckdifferenz in
Schritten von nicht mehr als
10 Pa die einzelnen Volumenströme aufgenommen werden. Die größte Druckdifferenz sollte mindestens 50 Pa
betragen, aber es wird empfohlen, dass Messpunkte bis
hinauf zu 100 Pa aufgenom-
men werden, um eine hohe
Genauigkeit der berechneten
Ergebnisse zu erhalten.
Um den Fehler möglicher
Ventilwirkungen, z. B. bei
Fensterdichtungen, zu kompensieren, sollten zwei Messreihen aufgenommen werden, eine bei Über- und eine
bei Unterdruck. Um die Anforderungen der vorliegenden
Norm zu erfüllen, ist es jedoch
auch zulässig, nur eine Messreihe bei Über- oder Unterdruck zu erstellen. Für jede
Messreihe müssen mindestens
fünf Messpunkte in ungefähr
gleichen Abständen zwischen
der größten und der kleinsten
Druckdifferenz aufgenommen werden. Tipp: Wichtig
ist zu überprüfen, ob sich der
Zustand der Gebäudehülle
während der Messung nicht
geändert hat. Denn es kann
vorkommen, dass abgedichtete Öffnungen undicht oder
Türen, Fenster, Luftdurchlässe durch den erzeugten Druck
aufgestoßen wurden.
Verfügt das Messgerät über
eine Infrarot-Schnittstelle,
können noch vor Ort die Ergebnisse auf einem Drucker
ausgedruckt werden, was für
den Kunden sehr vorteilhaft
ist. Je nach Hersteller und
Ausstattung des Gerätes ist
ein automatischer Messablauf
mit mehreren Messungen in
kurzer Zeit möglich. Die Daten werden im Speicher festgehalten und sind später im
Büro auf einen PC übertragbar.
Die Erstellung des Messwerte- und Leckageprotokolls,
die Fehlerberechnung und
das Zertifikat erfolgen über
eine zum Messgerät gehörige
Software. In dem zu übergebenden Zertifikat erhält der
Eigentümer den Nachweis
über die (hoffentlich) ausreichende Luftdichtheit der
Gebäudehülle gemäß Energieeinsparverordnung. Tipp:
Maßnahmen, die zur Reduzierung der Wärmebrücken
und zur Erzielung der Luftdichtheit erforderlich sind
(wie Luftdichtheitstest und Infrarot-Thermografie) können
mit KfW-Mitteln gefördert
werden. Informationen hierzu gibt es bei der KfW (Kreditanstalt für Wiederaufbau).
Fazit
Eine Messung der Luftdurchlässigkeit macht sich
immer bezahlt. Wichtig ist
nicht nur die Abnahmemessung anzubieten, sondern gerade auch die baubegleitende Messung zur frühen Beseitigung von Mängeln und vor
allem zur Vorbeugung gegen
spätere Schadenersatzforderungen. Weiterhin zeigt sich,
dass eine gründliche Vorbereitung zur Messung und
das anschließende Kundengespräch signifikant wichtig
sind. Als Fazit lässt sich festhalten, dass für die Behaglichkeit und Energieeinsparung
eine ausreichend luftdichte
Gebäudehülle zwingend notwendig ist. Wie schon früher
von Oma empfohlen, hilft
nur eine dichte Kleidung ge∂
gen Erkältung. B i l d e r : Wöhler Messgeräte
Kehrgeräte GmbH,
Bad Wünnenberg
@ Internetinformationen:
www.woehler.de
∂ Aufnahmen wie diese vereinfachen im anschließenden Gespräch mit dem
Auftraggeber die zu empfehlenden energetischen Sanierungsmaßnahmen.
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