Theaterpädagogisches Begleitmaterial
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Theaterpädagogisches Begleitmaterial
Theaterpädagogisches Begleitmaterial Liebe Lehrerinnen und Lehrer, Alles was du darfst, darf ich auch. Und wenn du dich kaputt machst, mache ich mich auch kaputt. Für Luisa steht ihr Entschluss fest: Wenn Karl mit den Drogen nicht aufhört, wird sie damit anfangen. Karl hört nicht damit auf... Wie Superhelden wollen sich Luisa und Karl in Superman ist tot fühlen: Sie kleiden sich wie sie und identifizieren sich mit deren Welt. Luisa ist DC-Fan, schwärmt für Batman, Superman & Co., Karl dagegen steht voll hinter MARVEL, somit Spider-Man, Hulk und Iron Man. Für die beiden Comicfans ist zwischen ihnen die große Liebe und somit ist völlig klar, dass alles miteinander geteilt wird, auch der Rausch und die Abstürze. Drogen machen dich unbesiegbar! Drogen machen dich glücklich! Drogen ermöglichen dir alles! Drogen machen unsterblich. Oder? Joerg Bitterich, Leiter der Sparte Kinder– und Jugendtheater der BLB, entschied sich für Superman ist tot von Holger Schober um Menschen ab 14 Jahren zu zeigen, welche Gefahren hinter der Annahme stehen, unsterblich zu sein. Die Geschichte erzählt von den Folgen des Drogenkonsums, wie schnell man in die Szene rutschen kann und wie tief die Abgründe sein können. Als Inszenierung im Klassenzimmer richtet sich dieser Trip unmittelbar an seine Zuschauer. Um mit Ihrer Klasse diese Inszenierung besser bearbeiten zu können, soll dieses Begleitmaterial eine Hilfestellung sein. Gerne können Sie uns auch kontaktieren, Fragen stellen, oder eine kostenlose Vor– oder Nachbereitung durch die Theaterpädagogik für Ihre Klasse buchen. Ramona Parino Catharina Guth Leitende Theaterpädagogin Theaterpädagogin Theaterpädagogisches Begleitmaterial 2 Inhalt Superman ist tot - Das Stück Seite 04 Spielpraktische Übungen Einführung 05 Warm - Up 06 Einzel-/Partnerübung 07 Gruppenübung 08 Auszüge aus der Stückfassung 09 Anregungen für die Vor-/Nachbereitung 11 Der Autor 12 Der Regisseur 13 Das Ensemble 14 Interview mit dem Autor Interview mit dem Regisseur 15 17 Schülermeinung zur Textfassung 19 Themenverwandte Artikel 21 Quellen 32 Impressum 33 Theaterpädagogisches Begleitmaterial 3 Das Stück Luisa und Karl. Das ist wie Batman und Catwoman oder Superman und Lex Luthor. Oder wie Star Wars gegen Star Trek, Knight Rider gegen MacGyver. Nur bei der Frage "Zu dir oder zu mir?" sind die beiden sich schnell einig. Um der tristen Wirklichkeit zu entfliehen, erfinden sie ständig neue ComicFiguren. Oder sie nehmen Drogen. Insbesondere Karl genießt die tägliche Volldröhnung, und aus Liebe zu ihm wird auch Luisa bald zum Junkie. Vollgepumpt mit Drogen fühlen sie sich unbesiegbar. Doch der Absturz droht. Nach Schwarze Milch oder Klassenfahrt nach Auschwitz zeigen wir zum zweiten Mal ein Stück von Holger Schober. Seine Dialoge sind Dichtung und Collage, verdichtet, verspielt und voller Anspielungen auf Film, Musik, Comic, Internet und alles, was uns Zeitgenossen die Zeit stiehlt. Als besonderen Gast bei dieser Produktion stellen wir Philter vor. Der Tontechniker, Musiker, und Progressive Trance - DJ arbeitet zum ersten Mal für die BLB und stellt ein DJ-Set aus eigenen Tracks als Tonspur für die Heldentaten und Karambolagen in Superman ist tot bereit. Ab 14 Jahren/ab 9. Klasse Theaterpädagogisches Begleitmaterial 4 Spielpraktische Übungen Im folgenden Teil finden Sie einige Übungsvorschläge, die Sie zur praktischen Vor- und Nachbereitung des Vorstellungsbesuchs verwenden können. So können Sie Ihren Schülern einen weiteren Blickwinkel auf das Stück und seine Figuren ermöglichen. Es empfiehlt sich, zunächst eine Warm-Up-Übung zu machen, um die Schüler aus dem alltäglichen Schulleben herauszulösen und Verletzungen vorzubeugen. Außerdem schaffen diese Übungen eine offene Atmosphäre, die den Einstieg ins Spiel sehr erleichtern. Am Ende einer spielerischen Einheit sollten Sie mit Ihren Schülern die gesammelten Eindrücke besprechen. Hierbei ist zu beachten, dass Empfindungen jeder Art subjektiv sind, und es daher keine richtigen oder falschen, sondern lediglich unterschiedliche Erfahrungen gibt. In einer Übung werden Sie den Begriff Publikumssituation finden: um diese herzustellen, platzieren Sie die Klasse auf einer Seite des Raumes und etablieren auf der anderen Seite eine Spielfläche, die im weiteren Verlauf als Bühne dient. Theaterpädagogisches Begleitmaterial 5 Warm - Up Spiderman spinnt ein Netz Themengebiet: Bewegung, Gedächtnis, Blickkontakt Ziel: Steigerung der Konzentrationsfähigkeit Zeit: 10-15 Minuten Material: handgroßer, weicher Ball Die Gruppe steht im Kreis, der Spielleiter gibt den Ball ins Spiel, indem er ihn zu einem im Kreis gegenüberliegenden Spieler wirft. Der Ball wird nun solange quer durch den Kreis geworfen bis jeder Spieler ihn einmal hatte (um den Überblick zu behalten, legt sich in der ersten Runde jeder, der den Ball hatte, die Hand auf den Kopf). Dieses Netz wird nun beibehalten und mindestens dreimal wiederholt, bis sich jeder die Reihenfolge eingeprägt hat. Der Kreis wird nun aufgehoben, die Spieler bewegen sich frei durch den Raum und werfen den Ball weiter in der festgelegten Reihenfolge zu den anderen Spielern. Wenn der Ball zu Boden geht, legen sich die Spieler auf den Boden, bis der Ball zurück im Spiel ist. Variation I: Jeder Wurf kann zeitgleich mit einem Begriff belegt werden, z.B. übermenschliche Fähigkeiten wie Gedankenlesen, fliegen, Röntgenblick etc. Die Begriffe können für die Kette festgelegt werden oder geändert werden. Variation II: Es können beliebig viele Netze mit unterschiedlichen Bällen gesponnen werden. Wichtig: Machen Sie die Spieler zu anfangs darauf aufmerksam, sich zu merken zu wem sie den Ball werfen und von wem sie ihn bekommen Jedem Wurf geht ein Blickkontakt mit dem Fänger voraus Das Zielen auf den Brustkorb erleichtert das Fangen Motivieren Sie die Spieler so zu werfen, dass gut gefangen werden kann Die Begriffe sollten sich nicht wiederholen Theaterpädagogisches Begleitmaterial 6 Gruppenübung Gedankenübertragung Themengebiet: Wahrnehmung und Gruppendynamik Ziel: Impulse wahrnehmen und ihnen nachgehen Dauer: 10-15 Minuten Die Gruppe steht im Kreis und jeder Spieler nimmt den neutralen Stand ein: beide Füße stehen hüftbreit, fest auf dem Boden und die Arme hängen locker an den Seiten. Der Spielleiter beginnt, indem er mit einem gegenüberliegenden Spieler deutlichen Blickkontakt aufnimmt. Beide Spieler versuchen sich nun in einem exakt zeitgleichen Klatschen in die eigenen Hände - es sind mehrere Versuche möglich, bis das Klatschen von den andren Spielern als zeitgleich, als „ein Laut“ wahrgenommen wird. Der Spieler wendet sich anschließend vom Spielleiter ab zu einem anderen Spieler und das zeitgleiche Klatschen beginnt aufs Neue und wiederholt sich bis alle Spieler dran waren. Ziel ist es, von Spieler zu Spieler nur ein Klatschen zu benötigen und als Gruppe einen gleichmäßigen Rhythmus entstehen zu lassen. Wichtig: Halten Sie die Spieler zu absoluter Konzentration auf den Partner an der Blick liegt dabei nicht auf den Händen des anderen, sondern auf den Augen Der neutrale Stand ist notwendig, um allzeit bereit zu sein Nach mehrmaligem fehlgegangen Klatschen, eine kurze Pause einlegen und die Arme ausschütteln. Theaterpädagogisches Begleitmaterial 7 Partnerübung Das Duell der Superhelden Thematik: Aufmerksamkeit, Reaktionsvermögen Ziel: Genauigkeit und Beobachtung Zeit: 15-20 Minuten Die Gruppe teilt sich in Zweiergruppen auf (es sind auch Dreiergruppen möglich, falls in jeder Gruppe Wert auf einen Schiedsrichter gelegt wird). Die beiden „Superhelden“ stehen sich im Duell gegenüber, max. einen Meter voneinander entfernt. Einer der beiden, Spieler A beginnt eine deutliche Bewegung, der Gegenüber, Spieler B spiegelt diese möglichst exakt und zeitgleich. Zuerst nur die Hände, dann können Arme und Beine hinzu genommen werden. Der Spielleiter gibt an, wann Spieler A und B die Zuständigkeiten tauschen. Abschließend kann eine Publikumssituation eingenommen werden, um sich die einzelnen Duelle anzuschauen. Variation I: Die Übergänge der Zuständigkeit wird nicht vom Spielleiter vorgegeben sondern von den Spielern untereinander übertragen ohne es abzusprechen. Die Kommunikation erfolgt, ähnlich wie bei der vorausgegangen Gruppenübung über klaren Blickkontakt und gemeinsamen Impuls. Für Zuschauer sollte nicht erkennbar sein, wer gerade führt und wann der Wechsel vollzogen wurde. Variation II: Die Bewegungen werden nicht gespiegelt sondern als Angriff und Gegenangriff ausgeführt Wichtig: Achten Sie zu anfangs auf langsame, simple Bewegungen um in die Übung einzusteigen Es dürfen alle Richtungen (vorwärts, rückwärts, seitlich, oben, unten) bedient werden aber Spieler A muss diese deutlich vorgeben Die Bewegungen müssen für Spieler B erkennbar und sichtbar sein, z.B. Bewegungen hinter dem Rücken sind nicht erlaubt Theaterpädagogisches Begleitmaterial 8 Auszug aus der Stückfassung LUISA BIST DU BESCHEUERT? WIR KÖNNEN UNS DOCH NICHT SO EINE SCHEIßE REINZIEHEN! Karl Warum nicht? Ich habe mir das schon oft reingezogen und schau mich an, mir geht es gut. LUISA Dir geht es überhaupt nicht gut. KARL Ja, aber das hat nichts mit dem Tilidin zu tun. LUISA Hör zu, kiffen ist eine Sache, aber das… Was ist das nächste? Willst du dir Koks in die Nase blasen? KARL Geht nicht, meine Nasenscheidenwand ist kaputt. LUISA Soll das heißen… KARL Willst du wirklich eine Frage stellen, auf die du die Antwort nicht hören willst? LUISA Was noch? KARL Die Frage ist eher, was nicht. LUISA Du bist krank, weißt du das? KARL Ja. Deshalb brauche ich meine Medizin. LUISA Ich mache dabei nicht mit. Ich liebe dich, verdammt nochmal und ich werde nicht zusehen, wie du dich selbst zerstörst. KARL Du musst ja nicht zusehen. LUISA Das ist nicht witzig, verdammt nochmal! KARL Finde ich schon. LUISA Mach doch, was du willst. Luisa will gehen. KARL Warte mal. LUISA Du hast 30 Sekunden. KARL Du sagst, du liebst mich und dann bekomme ich 30 Sekunden? LUISA 25. KARL Du bist süß, wenn du hart zu mir bist. LUISA 20. KARL Hör zu, ich habe mir das auch nicht so vorgestellt, okay? Keiner Theaterpädagogisches Begleitmaterial 9 nimmt sich vor, ein Junkie zu werden. Das passiert einfach. Du rauchst, du trinkst, dann kiffst du und irgendwann reicht dir das nicht. Irgendwann willst du mehr. Und irgendwann noch mehr. Und dann reicht dieses „noch mehr“ nicht. Dann muss es immer weiter gehen, weiter und weiter. Dur brauchst irgendeinen Scheiß, um drauf zu kommen, dann brauchst du irgendeinen Scheiß, um wieder runter zu kommen. Dann brauchst du irgendeinen Scheiß, damit du überhaupt irgendwas fühlst. Und irgendwann brauchst du einfach nur noch irgendeinen Scheiß, weil es ohne gar nicht mehr geht. […] Bitte. Geh nicht weg. Ich… ich kann nicht ohne dich. Weißt du, ich war in meinem Leben auf so viel Scheiße drauf, aber die beste Scheiße, auf der ich je drauf war, bist du. LUISA Ich bin also die beste Scheiße deines Lebens. Karl Ja. Die bist die absolut beste Scheiße, auf der ich je drauf war. Von dir will ich high sein, für den Rest meines Lebens. Von dir will ich nie wieder runter kommen. Ich bitte dich. Hör nicht auf, meine Scheiße zu sein. LUISA Du bist so romantisch. KARL Das habe ich von dir gelernt. Also? LUISA Wirst du mit dem Zeug aufhören? KARL Nein. LUISA Wirst du es versuchen? KARL Nein. LUISA Wirst du gut zu mir sein? KARL Ja. […] Theaterpädagogisches Begleitmaterial 10 Anregungen für die Vor-/Nachbereitung Wozu erschaffen die Menschen Superhelden? Welche Fähigkeit hätte dein persönlicher Superheld(-in)? Wer oder was sind „DC“ und „Marvel“? Inwiefern kann es Parallelen zwischen Superhelden und Drogenabhängigen geben? Inwieweit ist es nachvollziehbar, dass Marihuana als „Einstiegsdroge“ bezeichnet wird? Warum nimmt Karl Drogen? Wie beschafft er sich diese? Welche Möglichkeiten gibt es, auf den Drogenkonsum des Freundes/der Freundin zu reagieren? Warum lässt sich Luisa darauf ein, schließlich auch Drogen zu nehmen? Tragen Karl und Luisa tatsächlich diese Kostüme oder ist es nur deren Imagination? Welche Andeutungen hierzu gibt es im Text? Welche Gedanken hattest du zur Musik? Inwiefern waren für dich die Goa und Trance-Elemente gut gewählt? Woran erkennt man eine Abhängigkeit von einem Suchtmittel? Wo können Süchtige Hilfe erhalten? Wie könnten die Leben von Karl und Luisa ohne die Drogen verlaufen? Wären sie dann auch ein Paar? Theaterpädagogisches Begleitmaterial 11 Der Autor Holger Schober wurde 1976 in Graz geboren und studierte Schauspiel am Max Reinhardt Seminar in Wien. Ab 2005 war er Teil des Leitungsteams am Theater an der Gumpendorfer Straße in Wien, von 2009 bis 2011 Leiter des Kinderund Jugendtheaters am Landestheater Linz. Für sein Stück Hikikomori wurde er für den Deutschen Jugendtheaterpreis 2006 nominiert. Die Inszenierung von Dominik Günther am Thalia Theater Hamburg wurde außerdem für den „Faust“Theaterpreis in der Kategorie „Herausragende Inszenierung Jugendstück“ - nominiert und zum Berliner Kinder- und Jugendtheatertreffen „Augenblick mal!“ - 2009 eingeladen. Neben seiner Autorentätigkeit arbeitet Holger Schober ebenso erfolgreich als Schauspieler und Regisseur. Im November 2010 kam am Theater Heilbronn Superman ist tot zur Uraufführung. Theaterpädagogisches Begleitmaterial 12 Der Regisseur Joerg Bitterich wurde in Stuttgart geboren. Er absolvierte seine Schauspielausbildung in Mainz und war anschließend fest an der Landesbühne Wilhelmshaven und am Theater Paderborn engagiert. Seit 2002 arbeitet er als Regisseur und inszenierte dabei am Staatstheater Braunschweig, an den Theatern Trier, Bamberg und Paderborn, am Landestheater Neuss und anderen Theatern. Seit der Spielzeit 2012.2013 ist er künstlerischer Leiter der Kinder– und Jugendtheatersparte an der Badischen Landesbühne Bruchsal. Hier inszenierte er u.a. in der letzten Spielzeit bereits Schwarze Milch oder Klassenfahrt nach Auschwitz von Holger Schober - ebenfalls mit Frederik Kienle und Sandra Förster im Ensemble. Theaterpädagogisches Begleitmaterial 13 Das Ensemble Frederik Kienle wurde 1981 in Nürtingen, Baden-Württemberg, geboren und verbrachte seine Jugend in Rottweil, wo er auch sein Abitur machte. Seine Schauspielausbildung absolvierte er in den Jahren 2005 bis 2009 in der „Schule des Theaters im Theater der Keller“ in Köln. Erste Bühnenerfahrungen sammelte er in Köln und an den Wuppertaler Bühnen. Seit der Spielzeit 2012.2013 gehört Frederik Kienle zum festen Ensemble des Kinder- und Jugendtheaters der Badischen Landesbühne. Sandra Förster wurde 1988 in Frankfurt am Main geboren und machte ihr Abitur in Karben. Ihre Ausbildung zur Schauspielerin hat sie 2012 an der Schauspielschule Mainz erfolgreich abgeschlossen und hat bereits zeitgleich als „Annika“ in Pippi Langstrumpf an der Badische Landesbühne gespielt. Seit der Spielzeit 2012.2013 verstärkt Sandra Förster als festes Ensemblemitglied das Kinder- und Jugendtheater der Badischen Landesbühne. Theaterpädagogisches Begleitmaterial 14 Interview mit dem Autor Holger Schober Regisseur Joerg Bitterich im Gespräch mit Holger Schober über Superman ist tot: Kürzlich ist ein neuer Superman Film in die Kinos gekommen, da schien Superman sehr lebendig. Wieso ist er bei dir tot? Lustigerweise hab ich mir diesen Titel geliehen. Da gibt es nämlich einen Song von Marius Müller- Westernhagen, der heißt Superman ist tot. Es ist kein besonders guter Song, der geht irgendwie so „Superman ist tot, Holland ist in Not“. Aber ich hielt das damals schon für einen Titel, den man mal verwenden könnte. Das Stück war ja ursprünglich ein Auftragswerk für ein Theater und sollte sich um das Thema Komasaufen drehen. Darüber hatte ich aber gerade erst geschrieben und wollte mich lieber mit dem Thema Superhelden und dieser Superheldendroge Tilidin beschäftigen. Darüber hatte ich eine Dokumentation im Fernsehen gesehen. Wer die nimmt, glaubt, er ist Superman. Die Idee hat mich interessiert, dass man Drogen einwirft und danach denkt, man ist eine literarische Figur. Und Drogen sind ja nun ein genauso heftiges Thema wie Komasaufen, da spielen genauso Selbstzerstörung, Gruppenzwang, Abhängigkeit, usw. eine Rolle. Ein weiterer Grund, warum mir der Titel gefällt, ist, dass er aussagt, dass es heute keine Helden mehr gibt bzw. fragt, wer heute unsere Helden sind und ob wir welche brauchen. Superman ist ja in den Dreißigerjahren in den USA erfunden worden, in der Großen Depression waren solche Figuren ganz wichtig. Heutzutage sind alle Helden gebrochen, ob es jetzt Spiderman ist oder die X-Men oder Hulk: Es gibt keine strahlenden Helden mehr. Brauchen wir sie nicht mehr? Brauchen würden wir sie wahrscheinlich schon. Aber in der Kunst und auch im Comic muss heute alles ambivalent sein, sonst ist es nicht interessant genug. Wobei Spiderman, wenn er in seinem Anzug steckt, schon ein strahlender Held ist. Das war das Neue an den Marvel-Figuren, bei den DC Comics sind die Helden mehr oder weniger Menschen ohne große Probleme – gut, Batman hat seine Eltern verloren, dafür ist er aber Milliardär, er hat keinen Stress, wenn er nachts Verbrecher jagt und dafür morgens nicht zur Arbeit geht. Genauso wie Superman, der ein angesehener Reporter ist, der sich keine Existenzsorgen machen muss. Dann haben sie bei Marvel angefangen mit Helden wie Spiderman, der Student ist und nicht weiß, wie er die Miete zahlen soll und tagsüber die Welt rettet, dafür aber nichts kriegt. Oder Hulk, der ein Monster ohne Willen ist, der eigentlich nur zufällig gute Sachen macht. Und wenn ein Guter ihn ärgert verdrischt er ihn auch. Deswegen hat sich das Bild vom strahlenden Helden so gewandelt, obwohl sie, wenn sie in Aktion sind, natürlich noch strahlen. Captain America ist auch strahlend, nur hat er halt privat große Probleme weil er nach 80 Jahren wieder aufgetaut wird und sich in der Welt nicht mehr auskennt, also ich glaube schon, dass man die noch braucht, heutzutage, die strahlenden Helden. Luisa und Karl erfinden für sich eine Menge Superhelden neu. Was für einen Helden würdest du für unsere Gegenwart erfinden? Mein Sohn ist sieben Jahre, mit dem erfinde ich oft Helden, neulich hat er zum Beispiel Messero erfunden, Messero kann seine Hände zu Messern machen und Captain Green, Captain Green kann überall Pflanzen wachsen lassen. Das wär vielleicht eine Idee für einen heutigen Helden. Ich bin ja totaler Superhelden – Comicfan – ich schreibe zur Zeit auch an meinem ersten Comic – darum ist Superman ist tot auch ein sehr persönliches Stück. Karl - Theaterpädagogisches Begleitmaterial 15 das bin eigentlich ich, bis auf die ganz schlimme Drogenerfahrung. Das war bei mir nicht ganz so heftig. Lass uns über Klassenzimmerstücke sprechen: In diesem Genre gehörst du zu den Pionieren, hast viele solcher Stücke geschrieben, gespielt, inszeniert und warst Mitbegründer des „Wiener Klassenzimmertheaters“ – was ist für dich der Vorteil oder das Tolle am Klassenzimmertheater? Allein der Vorgang, dass du als Theater zu den Schülern hingehst, dorthin wo sie ihr ganzes Schulleben verbringen und dort ganz andere Regeln aufstellst und was ganz anderes machst. Gut, am Theater ist sowieso keine Vorstellung wie die andere, beim Klassenzimmertheater kann aber wirklich ALLES mögliche passieren, und vieles davon ist mir auch schon passiert. Manchmal werden Themen berührt, die in der Klasse gerade akut sind, wenn ich das merke, muss ich unterbrechen und wir müssen erstmal alle gemeinsam darüber sprechen. Einfach so die Vorstellung durchziehen und danach nach Hause gehen, das geht beim Klassenzimmertheater nicht. Wenn es gut gemacht ist, dann ist es viel mehr als nur Theater. Das macht es wirklich zu einem tollen gemeinsamen Erlebnis für die Zuschauer und die Spieler. Müssen Stücke speziell dafür geschrieben sein oder kann man mit jedem Stück ins Klassenzimmer gehen? kannst denen nicht irgendwas vorspielen, du musst wirklich – wie Max Reinhardt sagt: nicht Verstellung ist die Aufgabe des Schauspielers, sondern Enthüllung – im Klassenzimmer musst du wirklich enthüllen und nicht verstellen! Wenn du in der Klasse als Schauspieler irgendwas machst, was nicht authentisch ist oder nicht gefüllt kannst du dich verabschieden. Das ist aber auch das Tolle, dass du deinem Publikum so nah bist und spürst die auch, die spielen und atmen mehr oder weniger mit, das hilft dir auch sehr als Schauspieler. Im Wiener Klassenzimmertheater arbeiten wir sehr interaktiv. Ein Stück haben wir zum Beispiel gemacht über Wertschätzung, wo das Publikum unter anderem dazu aufgefordert wurde, zu äußern, was sie aneinander schätzen. Ganze Klassengemeinschaften haben danach wieder funktioniert, wurde uns gesagt. Da arbeiten wir zum Teil mit Experten und Psychologen zusammen, das geht über das normale Theater weit hinaus, was mir sehr gefällt. Da hast du das Gefühl – das hört sich jetzt pathetisch an – aber da hast du das Gefühl, du kannst damit ein wenig die Welt verändern. Vielen Dank für deine Zeit und das schöne Schlusswort: Die Welt verändern, das hört sich gut an. Ja, das versuchen wir mal. Für mich muss es ein Stück sein, das wirklich im Klassenzimmer spielt. Also jemand kommt in die Klasse weil er dieses und jenes Bedürfnis hat – ich würde jetzt nicht Hamlet im Klassenzimmer spielen außer ich hab eine Idee, was Hamlet in die Klasse führen könnte. Man schreibt schon anders, man muss sehr viel klarer sein. Das Klassenzimmer erlaubt nicht so viel Kunstfertigkeit, es erlaubt nicht so viel Herumlavieren um das Thema. Das Stück muss sehr klar, sehr präzise und auf den Punkt sein, auch schauspielerisch. Du kannst dem Publikum dort nichts vormachen, du Theaterpädagogisches Begleitmaterial 16 Interview mit dem Regisseur Joerg Bitterich Joerg, warum hast du dich als Leiter des BLBKinder- und Jugendtheaters dafür entschieden, Superman ist tot zu inszenieren? Unserem jugendlichen Publikum wollten wir ein Stück zum Thema Drogenmissbrauch anbieten, das dieses verbreitete Phänomen von einer anderen Seite beleuchtet. Fakten über Stoffe und ihre Wirkungen, über Zahlen von Abhängigen, Kriminalitätsraten und gesundheitliche Folgen werden in der Schule gelehrt, aber was passiert dabei wirklich, was macht die Verführungskraft von Drogen aus? Was bringt so viele Menschen dazu, sich mit Stoffen anzureichern, von denen sie wissen, dass sie schädlich sind? Dem Autor Holger Schober ist ein Stück gelungen, das zwei junge Menschen dabei begleitet, wie sie abrutschen, er fällt aber kein Urteil über sie. Er liebt diese beiden und schenkt den Schauspielern und damit uns, dem Publikum, pointierte Dialoge, verrückte Situationen und lenkt doch unseren Blick, ohne dass wir es gleich bemerken, genau auf die Wunden seiner Figuren. Was macht das Thema Superhelden gerade für Menschen ab 14 interessant und vielleicht auch notwendig? Superman und seine Kollegen sind einerseits sehr plakative Gestalten, ausgestattet mit Superkräften, die es eigentlich unmöglich machen, sie als Rollenvorbilder in Betracht zu ziehen. Auf der anderen Seite sind sie einer starken Moralvorstellung von Recht und Unrecht verpflichtet und bieten damit Orientierung in unsicheren Zeiten. Einen großen Teil ihres Reizes macht sicher aus, dass sie in einer in sich geschlossenen Welt agieren, die eigene Gesetze hat und dazu einlädt, sich da hineinzuträumen, was Luisa und Karl im Stück ja lustvoll betreiben. Für unser Publikum kann interessant sein, sich mit diesen klaren Moralvorstellungen auseinander zu setzen und dazu Stellung zu beziehen. Darin sind wir alle ja ständig gefordert, denn eine vorherrschende eindeutige Moral gibt es zum Glück nicht mehr, im Gegenzug aber muss sich jeder einzelne selbst orientieren und mag sich damit, gerade im heranwachsenden Alter, hin und wieder überfordert fühlen. Superman ist tot erzählt von der ersten großen Liebe, den Gefahren des Drogenkonsums, Sex... Euer Zielpublikum steckt mitten in der Pubertät - wie direkt konfrontierst du sie mit den Themen in deiner Inszenierung für das Klassenzimmer? Als darstellende Künstler sehen wir uns in einer Art Stellvertreter-Rolle, wir nehmen uns heraus, Menschen, Beziehungen und Konflikte so zu zeigen, wie es im normalen Umgang vielleicht unpassend wäre. Andererseits suchen und finden wir Formen der Übertragung und Verfremdung, die die Haltungen der Figuren hautnah erlebbar und nachvollziehbar machen, dem Publikum aber auch die Möglichkeit zur Distanzierung lassen. Unseren Auftrag sehen wir auch darin, unser junges Publikum mit künstlerischen Darstellungsformen vertraut zu machen, die sie gerade im Klassenzimmer hautnah miterleben können. Gutes Theater ermöglicht die Wahrnehmung mit allen Sinnen, im besten Fall führt das Erlebte dann zu Reflektion und Dialog. Zum Gelingen eines nachhaltigen Theatererlebnisses tragen besonders auch die Theaterpädagogisches Begleitmaterial 17 kostenfreien Vor- und Nachbereitungen unserer Theaterpädagogik bei. Als besonderes Schmankerl hast du den Trance -DJ Philter zur Produktion dazu geholt. Warum hast du dich für diesen Musikstil entschieden? Philter produziert seit Jahren genrespezifische Musik für die sogenannte Goa-Szene und ist damit als DJ europaweit unterwegs. Goafans mögen schnelle, körperliche, dabei weiche, raumgreifende elektronische Musik, die für sich allein schon Rauschzustände hervorzurufen scheint. Über diese Art von Sound lassen wir Luisas und Karls Sehnsüchte und Gefühle spürbar werden. Karl und Luisa erfinden im Stück zahlreiche Superhelden. Welche besondere Fähigkeit hätte dein ganz persönlicher Superheld(-in)? Mein Superheld ist HumorMan, er lässt sich durch nichts aus der Ruhe bringen, hat stets ein freundliches Wort, respektiert auch seine Feinde und sagt zu dir, wenn dir gerade ein Glas Milch auf deine Tastatur gefallen ist: Du kannst aber gut loslassen. Vielen Dank, herzliche Grüße an HumorMan und TOITOITOI für eure Premiere! Theaterpädagogisches Begleitmaterial 18 Schülermeinung zur Textfassung Max Hammesfahr, 14 Das Theaterstück Superman ist tot handelt von der Beziehung zwischen Karl und Luisa. Karl arbeitet in einer Comicbuchhandlung und nimmt jede Art von Drogen. Luisa arbeitet in einer Apotheke und hatte in der Vergangenheit gar nichts mit Drogen zu tun. Dies ändert sich jedoch durch die Liebe zu Karl. Während ihres Rausches fliehen sie immer wieder in die Welt der Superhelden. Auch wenn Luisa DCFan und Karl gegnerischer MarvelFan ist, lieben sie sich über alles. Im Verlauf des Stückes wird gezeigt, wie die Drogen Karl und Luisa kaputt machen, in welchem Zustand sich das Paar während dem Rausch befindet und wie ihre Beziehung verläuft. Das Stück zeigt in mehreren Abschnitten die vermeintlich lustigen und spannenden, aber auch die schrecklichen Seiten des Drogenkonsums. Wie zum Beispiel, dass man sich selbst und andere Personen in Gefahr bringt, dass es der Gesundheit schadet und dass man abhängig davon wird. Außerdem wird Luisa im Laufe des Stücks von Karl schwanger und durch den ständigen Drogenkonsum gefährdet sie auch ihr Baby. Dadurch wird gleichzeitig die Frage gestellt, ob Karl und Luisa überhaupt fähig sind, ein Kind großzuziehen. Das Theaterstück springt laufend zwischen realer und berauschter Welt. Dabei wird vor allem deutlich, dass der Rauschfaktor von Karl und Luisa sich pro Rausch sichtlich erhöht und sie auf immer verrücktere Ideen kommen. Die Altersfreigabe von 14 Jahren ist angemessen, da es um ein ernstes und kompliziertes Thema geht und ein wenig brutal und ekelig ist. Zudem kommt man in diesem Alter vielleicht das erste Mal mit Drogen in Kontakt und hat seine erste Beziehung mit einem Mädchen/ Jungen. In diesem Alter ist es außerdem erlaubt, Superheldenfilme wie Batman oder Spiderman zu sehen, was das Interesse am Theaterstück zusätzlich steigen lässt. Unter anderem wird auch sehr offen mit dem Thema Sex umgegangen und wie man sich dabei im Rausch verhält. Das ist nicht schlimm, da es auch sehr wichtig ist, wie die Beziehung zwischen Karl und Luisa verläuft. Das Stück bringt einen zum Nachdenken, ob die Beziehung zwischen Karl und Luisa richtig ist oder ob es andere Möglichkeiten gibt, seine Liebe auszudrücken, und ob man Drogen nehmen sollte, nur weil es Andere tun. Theaterpädagogisches Begleitmaterial 19 Außerdem sollte es nicht nur von Jugendlichen entsprechenden Alters, sondern auch von Erwachsenen gesehen werden. Um sie zum einen über Drogen und zum Anderen über die Gefühlswelt der Zielgruppe aufzuklären. Das Prinzip eines Klassenzimmerstücks ist gut, da man das Schauspiel hautnah und in bekannter Umgebung miterlebt. Das heißt, dass die Schüler sich nicht von der Umgebung ablenken lassen und sich mehr auf das Stück konzentrieren können. Auch wenn das Thema Superhelden für mich persönlich eher uninteressant ist, stört es in Superman ist tot nicht und führt zu einem ernsten und nicht langweiligen Theaterstück. Max Hammesfahr absolvierte ein einwöchiges BOGY-Praktikum in der Theaterpädagogik der Badischen Landesbühne und befasste sich mit der Textfassung zu Superman ist tot. Theaterpädagogisches Begleitmaterial 20 DC vs Marvel: Die größten Unterschiede der beiden Comicriesen DC und Marvel zu vergleichen, ist wie ein Vergleich zwischen Äpfeln und Äpfeln. Es gibt wenige signifikante Unterschiede, doch auch hier gibt es immer Ausnahmen von der Regel. Realismus Im Marvel-Universum sind die Charaktere mit all ihren alltäglichen Sorgen und Nöten ein bisschen realitätsnaher. Iron Man ist in seine Sekretärin Pepper Potts verliebt, doch kann seine Liebe nicht gestehen. Spiderman verliert Job, Frau, Geld und Wohnung. Dieses Motiv zieht sich fast durch die gesamte Marvel Helden Liste. Die DC -Welt ist trotz aller Superschurken die heilere von beiden. Man hat nie das Gefühl, den Helden könnte wirklich etwas Ernstes zustoßen. Das liegt auch daran, dass Helden wie Superman und Batman von DC zu makellosen zu Mega-Ikonen aufgebaut wurden. Inzwischen hat DC diese Strategie allerdings überdacht. So ist der Batman aus den Reboots des Regisseurs Christopher Nolan mit ein paar menschlichen Schwächen ausgestattet. Die extrem überzogenen Szenen aus alten Batman-Comics, in denen man den Unterschied zu den Superman Marvel Comics kaum noch feststellen konnte, gehören der Vergangenheit an. […] Marvel untersteht Walt Disney während DC sich unter der Ägide von Warner Brothers befindet. Eigentlich müssten die Rollen umgekehrt sein. Insbesondere in den Filmen entfernt sich Marvel aber immer stärker von diesem Hardcore- Image. Während DC und Warner Brothers mit V wie Vendetta, zwei Batman Reboots und Watchmen einen neuen dunklen Weg eingeschlagen hat, sind MarvelVerfilmungen wie X-Men, Spider Man, Fantastic Four oder Iron Man sehr bunt und humorvoll gehalten. Vor allem Comiczeichner Alan Moore, dessen DC-Grafiknovelle Watchmen vom Times-Magazin zu einem der hundert wichtigsten Bücher des 20. Jahrhunderts gewählt wurde, würde eigentlich besser zum Image von Marvel passen. Die Crisis Einer der größten Unterschiede zwischen den Verlagen ist wohl die Crisis on Infinite Earths oder auf Deutsch Krise der Parallelerden. Die Serie beendete das Konzept des Multiversums im DC-Universum. Multiversum bedeutet, dass es im DC-Universum verschiedene Versionen verschiedener Planeten, so auch verschiedene Versionen der Erde gab. Auf den verschiedenen Erdversionen lebten zum Teil Helden, die es auf den anderen Erdversionen nicht gab. Wann immer etwas passierte, das mit den Fähigkeiten und Hintergrundgeschichten eines Superhelden nicht zusammenpasste, wurde dies damit erklärt, dass es in einer Parallelwelt geschah. Diese Unterschiede waren für DC-Laien und damit auch für potenzielle neue Fans nur schwer begreiflich. Die Crisis on Infinite Earths oder kurz die Crisis befreite DC wieder aus dieser unvorteilhaften Situation. So etwas hat es bei Marvel nie gegeben. Theaterpädagogisches Begleitmaterial 21 Tilidin: Trend-Droge mit gefährlicher Wirkung Der Missbrauch des Schmerzmittels Tilidin als Droge ist nach Angaben des Berliner Jugendhilfeträgers Evin weiterhin ein großes Problem unter Jugendlichen. "Es wird nicht weniger - im Gegenteil, der Missbrauch nimmt immer mehr zu", sagte Evin-Geschäftsführer Said Tisini anlässlich einer Präventionsveranstaltung zum Thema. "Wir beobachten in unserer täglichen Arbeit, dass Tilidin nicht nur konsumiert wird, sondern auch mehr Jugendliche davon abhängig werden." Tilidin wird eigentlich als Schmerzmittel verabreicht. Experten beklagen jedoch die Suchtgefahr mit der Folge von starken psychische Veränderungen. Vor allem bei gläubigen Muslimen ist Tilidin beliebt Seit einigen Jahren hat sich das Schmerzmittel Tilidin zu einer sehr beliebten Droge vor allem unter jugendlichen Kriminellen entwickelt. Besonders die Berliner Stadtteile Neukölln und Wedding sind von diesem besorgniserregenden Trend betroffen. Da für gläubige Muslime Medikamente - anders als Drogen wie Heroin, Cannabis oder auch Alkohol - nicht grundsätzlich verboten sind, sind es häufig türkisch- und arabischstämmige Teenager, die Tilidin nehmen. Dies könnte jedoch auch daran liegen, dass das Mittel zur Gruppe der Opiate zählt. Opium hat in der Türkei noch einen hohen Stellenwert, weshalb der Konsum auch kulturell überliefert sein könnte. Die enthemmende Wirkung von Tilidin Tilidin ist ein Schmerzmittel, das zum Beispiel in der Krebstherapie eingesetzt wird. Doch das Mittel macht nicht nur schmerzfrei, sondern wirkt eben auch enthemmend. Professor Rainer Thomasius, Leiter der Drogenambulanz am Uni-Klinikum Hamburg-Eppendorf, erklärte im Interview mit "Focus-Schule", dass letztendlich bei der Einnahme von Tilidin zwei Dinge zum aggressiven Verhalten führen: "Die Persönlichkeit des Konsumenten und der pharmakogene Effekt des Medikaments, der eine Euphorisierung, eine ganz milde Antriebssteigerung und die Reduktion von Urteilsvermögen und Gefühlskontrolle verursacht." Thomasius weiter: "Das kann dazu führen, dass hemmende Mechanismen gegenüber der eigenen inneren Wut und Aggressionen dem Konsumenten nicht mehr zur Verfügung stehen. Und dann bricht das aus, was an Aggressivität vorhanden ist." Tilidin, die "Amokdroge"? Als Folge dieser Wirkung werden die Konsumenten schmerzfrei und hemmungslos genug, um sich beispielsweise auf eine Schlägerei einzulassen oder einen Raub durchzuführen. Für Polizeibeamte wird die Festnahme eines Konsumenten meist zur äußerst unangenehmen Pflicht. Die Täter wehren sich in in ihrem Größenwahn oft mit allen Kräften. Der "Berliner Kurier" bezeichnete Tilidin einst sogar als "Amokdroge": Mike P, der 16-jährige Messerstecher, der 2006 bei der Eröffnung des Berliner Hauptbahnhofs wahllos zahlreiche Menschen niederstach, hatte vor seiner Tat Tilidin genommen. Und auch Robert Steinhäuser, der Amokläufer von Erfurt, soll mehrmals Tilidin konsumiert haben. Es kommt beim Tilidin-Konsum schnell zur Überdosierung Theaterpädagogisches Begleitmaterial 22 Aber die Droge kann auch für die Konsumenten selbst zur großen Gefahr werden. Grundsätzlich lasse sich die Wirkung kaum abschätzen, so Thomasius. Dazu komme es leicht zur Überdosierung, denn das Tilidin hat eine Wirkungsverzögerung von etwa 30 Minuten, was viele Jugendliche dazu bringe, schnell noch mehr zu trinken. Eine Überdosis könne schwerwiegende Komplikationen auslösen: von Bewusstseinstrübungen bis hin zum Koma. Auch in der medizinischen Behandlung wird Tilidin gespritzt. Dabei tritt allerdings keine Opiatwirkung ein. Beim Missbrauch hingegen wird der Stoff oral eingenommen. Der Effekt ist, dass selbst in Kombination mit Naloxon, einem suchthemmenden Mittel, Tilidin so zu erheblichen euphorischen Zuständen führen kann. Damit ist ebenfalls das Abhängigkeitspotenzial sehr groß. Beschaffungskriminalität nimmt zu Tilidin ist in Deutschland als "verkehrsfähiges und verschreibungsfähiges Betäubungsmittel" im Betäubungsmittelgesetz aufgenommen. Das bedeutet, dass der Umgang ohne Erlaubnis oder Verschreibung generell strafbar ist. Viele Jugendliche fälschen die Rezepte. Da allerdings die Berliner Apotheker das Problem inzwischen kennen und viele Ärzte Jugendlichen aus Prinzip kein Tilidin mehr verschreiben, weichen die Täter immer öfter in andere Bundesländer aus, um gefälschte Rezepte einzulösen. So warnte schon vor längerer Zeit die Apothekerkammer Baden-Württemberg auf ihrer Internetseite vor gefälschten TilidinRezepten. Theaterpädagogisches Begleitmaterial 23 Gewaltrausch durch Schmerzmittel Tilidin? Enthemmt und angstfrei: Die Droge Tilidin soll von jugendlichen Straftätern in Berlin angeblich missbraucht werden, um bei Schlägereien mutiger zu sein. Trend- oder Amokdroge wird pauschalisiert. Doch die Gefahr ist eine ganz andere. "Hemmungslose Gewalt. TrendDroge lässt Jugendliche durchdrehen" - so titelt Spiegel Online in einem Artikel über das Medikament Tilidin. "Wer sich mit Tilidin Mut antrinkt, ist kaltblütig und schmerzfrei genug, um andere Jugendliche abzuziehen, eine Schlägerei zu gewinnen oder eine Tankstelle auszurauben", schreibt das Magazin. Und: Konsumenten des Schmerzmittels seien in der Mehrzahl junge Araber. Der Bogen zum Brennpunkt-Thema Jugendgewalt ist geschlossen. Tilidin wird vor allem in der Schmerztherapie angewendet, bei Tumorerkrankungen oder Verbrennungen. "Problematisch ist das Suchtpotenzial", erklärt Frau Constanze Jacobowski, zuständig für Sucht und Drogen bei der Ärztekammer Berlin. Psychisch sei man schnell drauf, dauerhaft genommen mache es körperlich abhängig. Tilidin macht angstfrei, man geht größere Risiken ein, fühlt sich enthemmt und euphorisch. Bringen sich die Kriminellen tatsächlich absichtlich mit der Droge in Fahrt, um sich vor Gewalttaten zu enthemmen? Statistisch lässt sich das nicht belegen. Es gebe keine Zahlen zu Gewalttaten, bei denen die Täter unter Einfluss von Tilidin standen, sagt Olaf Schremm vom Dezernat für Wirtschafts- und Umweltdelikte beim LKA Berlin. Festgehalten werde lediglich ein allgemeines "stand unter Drogeneinfluss". Eine Zuordnung hält Schremm für dringend nötig. Immerhin sei das Tilidin-Phänomen bereits seit mindestens drei Jahren bekannt. 2000 Rezepte gefälscht Auswertbar ist jedoch eine andere Zahl. Rund 2000 Rezepte wurden in den beiden vergangenen Jahren jeweils in Berlin gefälscht. Schremm geht davon aus, dass auf rund 90 Prozent dieser Rezepte das Medikament Tilidin "verschrieben" wurde. Die Dunkelziffer dürfte noch weit höher liegen. Inzwischen sind die Krankenkassen und Apothekerverbände für das Thema sensibilisiert, so dass es den Tätern zunehmend erschwert wird, ihre gefälschten Tilidin-Rezepte einzulösen. Tilidin gilt beim LKA als Gruppendroge, die vor allem in Großstädten oder Ballungsgebieten wie dem Ruhrgebiet verbreitet sind. Die Theorie der Polizei: Die Beschaffung wird von Banden organisiert. Jugendgangs und Cliquen putschen sich dann gezielt vor Prügeleien damit auf. Experte: Euphorie ist ein willkommenes Gefühl Straßensozialarbeiter Jürgen Schaffranek von Gangway e.V. hält diese Sichtweise für problematisch. "Natürlich stellt die Polizei diesen Zusammenhang her, wenn sie Straftäter festnimmt, die das Zeug im Körper haben. Es macht Theaterpädagogisches Begleitmaterial 24 schmerzfrei und daraus folgern die Beamten eine Absicht." Dennoch müsse man beachten, dass die Jugendlichen Tilidin vornehmlich nehmen, weil sie ihrer Realität entfliehen wollen. "Meist sind es Jugendliche, die auf der Straße leben, allein und perspektivlos sind. Da ist Euphorie ein willkommenes Gefühl", so Schaffranek. Gleichzeitig bewegten sich die Konsumenten oft im Bandenmilieu und begingen Gewalt- oder Raubdelikte. Aber Schaffrenek betont: "Die nehmen das nicht, um zu schlägern, sondern weil es sie in einen angenehmen Zustand versetzt." Zwar räumt er ein, dass es in einigen Gruppen auch wegen der Schmerzfreiheit konsumiert werde. Dennoch sei die Straftat nicht die eigentliche Motivation der Jugendlichen. Auch dass die Droge vor allem bei muslimischen Jugendlichen verbreitet sei, wie Spiegel Online schreibt, betrachtet der Sozialarbeiter aus einem anderen Blickwinkel. Tilidin lasse sich eben gut verbergen, weil es für Muslime im Gegensatz zu Alkohol und anderen Drogen als Medikament nicht grundsätzlich verboten ist. In der medizinischen Behandlung wird Tilidin gespritzt. Eine Opiatwirkung tritt dabei nicht ein. Beim Missbrauch wird der Stoff dagegen oral eingenommen. Der Effekt: Selbst in Kombination mit Naloxon, einem suchthemmenden Mittel, kann Tilidin so immer noch zu erheblichen euphorischen Zuständen führen - und bietet somit ein starkes Abhängigkeitspotenzial. Das LKA würde Tilidin gerne im Betäubungsmittelgesetz sehen. Sozialarbeiter Schaffranek sieht darin keine Lösung. "Das ist weder abschreckend, noch erleichtert es die Aufklärung." Der TilidinKonsument werde dadurch nur in eine Ecke gedrängt. Ein offener Umgang und die Suche nach Hilfe würden erschwert. Und die Szene interessiert ohnehin nicht, ob der Stoff legal ist oder nicht. Sozialarbeiter: Anreize nehmen Auf seiner Internetseite klärt Gangway e.V. über Tilidin auf und versucht damit, den Konsumenten die Anreize zu nehmen. "Die meisten Jugendlichen unterschätzen die Gefahr. Die denken, es macht ein bisschen high, sie können lange Sex haben und das war's. Das Suchtpotenzial ist den wenigsten bewusst. Und der Entzug ist genauso hart wie bei Heroinabhängigen." Theaterpädagogisches Begleitmaterial 25 Das alte Leben ist vergangen Roger erzählt: „Als ich zwei Jahre alt war, ließen sich meine Eltern scheiden. Später heiratete meine Mutter einen türkischen Staatsbürger. Als ich älter wurde, erwies sich die Situation zu Hause für mich als je länger desto schwieriger. Der Stiefvater war streng zu mir, die Grossmutter verhätschelte mich, die Kollegen verführten mich und meine Mutter versuchte verzweifelt alles zusammenzuflicken. Auch in der Schule und in der Ausbildung häuften sich die Probleme. Ich war ein Kind unserer Zeit, ein verweichlichter Konsument, auf der Suche nach dem Sinn. Schliesslich hatte ich von allem genug und lief davon. Ich hatte die hirnrissigsten Ideen Mit siebzehn, beim ersten Joint, log ich mir ehrlich überzeugt vor, es wäre mein Letzter. Und natürlich war ich – als ich schon längst regelmässig kiffte – überzeugt, jederzeit bedenkenlos aufhören zu können. Nach zwei Jahren nahm ich meinen ersten LSD-Trip und schon bald konsumierte ich Kokain. Ich passte meinen Selbstbetrug fortlaufend dem sich fortsetzenden, neurotischen Suchtverhalten an. Alle anderen, nur nicht ich, waren an der ganzen Misere schuld. Immer mehr faszinierte mich das Mystische, das Spiel mit der unsichtbaren Welt. Bald war ich sehr beeindruckt von mir, kam auf die hirnrissigsten Ideen und hielt mich für einen grossen Philosophen, Denker und Magier. Noch vor nicht allzu langer Zeit hatte ich lauthals ge-prahlt, nie Heroin zu spritzen. Und nun war ich genau dort gelandet. Selbstverständlich hatte ich tausend Begründungen parat, um die Drogensucht, den Schwulenstrich, die Hurerei und meine unzähligen Diebstähle zu rechtfertigen. Endlich verhängte der Richter nach fortgesetzter Straffälligkeit einen vierjährigen Freiheitsentzug über mich. Ich stand vor der Frage: Gefängnis oder Therapie? Ich wählte das kleinere von beiden Übeln: die Therapie. Ich hatte einige Christen kennengelernt, durch die ich Erstaunliches über Gott hörte. Mit der jenseitigen Welt hatte ich ja in der Vergangenheit genug experimentiert. Aber mit Gott machte ich ganz neue Erfahrungen. So entschied ich mich für eine christliche Therapie. Ich lernte die Geister zu unterscheiden. Lehrreiche Rückfälle Nach der Therapie stellte ich mir die Frage, was jetzt aus mir werden sollte. Zuerst wollte ich wissen, ob Zigaretten-, Hasch-, und Alkoholkonsum in den gleichen Topf gehören wie harte Drogen. Und so hatte ich vereinzelte Drogenrückfälle. Meine Lehre daraus: Ein drogensüchtiger Gassenprediger, das wäre mir zu wenig. […] ... und heute Unterdessen habe ich noch eine Ausbildung in Webpublishing abgeschlossen. Hauptberuflich arbeite ich nach wie vor als selbstständig erwerbender Maler. Aber mein eigentliches Ziel ist es, hier in der Zentralschweiz Menschen für Jesus zu gewinnen, damit sie Antworten auf ihre Lebensfragen erhalten.“ Theaterpädagogisches Begleitmaterial 26 Co-Abhängigkeit: Die verkannte Krankheit Acht Millionen Co-Abhängige gibt es in Deutschland. Sie sind wie der kranke Partner im Strudel der Sucht. Die eigene Person tritt in den Hintergrund. Hier sind Hausärzte gefordert. In Gesprächen muss die Wahrnehmung wieder auf die eigene Person zurückgeführt werden. Bei Patienten, die partout nicht über sich selbst sprechen, sondern nur über den Partner, die immer wieder zum Partner hin lenken, alles vom Partner abhängig machen und sogar Sätze sagen wie: "Wenn ich nicht da wäre, würde für meinen Partner die Welt zusammenbrechen", bei diesen Patienten sollten Hausärzte hellhörig werden. Denn hier spricht alles für eine CoAbhängigkeit. Dann sind Hausärzte gefordert, diese Patienten zu sich selbst zurückführen. Angehörige von Abhängigen versuchen zu helfen Co-Abhängigkeit ist ein Begriff aus dem Suchtbereich. Von der Sucht sind immer auch Menschen im Umfeld des Kranken betroffen. Deshalb wird von einem "Suchtsystem" gesprochen. Angehörige von Abhängigen versuchen zu helfen, zu beschützen, zu warnen, zu erklären und zu rechtfertigen. Der abhängige Partner wird vor den Kindern und Nachbarn entschuldigt. Frauen von Alkoholikern denken sich Alibis aus für ihren Mann, zum Beispiel für den Arbeitgeber. Sie holen ihn abends aus der Kneipe ab, damit er nicht ganz versackt. Kinder von Tabletten-süchtigen Müttern putzen, waschen, kochen und übernehmen die Erwachsenenfunktionen, damit die Familie funktioniert und zusammengehalten wird. Mütter bezahlen die Schulden von spielsüchtigen Kindern und nehmen einen Kredit nach dem anderen auf … Aus Hilfsbereitschaft wird irgendwann Aggression Co-Abhängige Verhaltensweisen seien nicht unbedingt pathologisch, so Professor Götz Mundle, Chefarzt der Oberbergklinik Berlin/ Brandenburg in Wendisch Rietz. Es sei ganz normal, dass Menschen helfen und Kranke unterstützen wollen. Das sei gut gemeint, in diesen Fällen aber der falsche Weg, sagte der Psychiater und Psychotherapeut im Gespräch mit der "Ärzte Zeitung". Co-Abhängige Angehörige sind wie der süchtige Partner "im Strudel der Krankheit". "Sie sind im Netz des anderen gefangen." Wenn sich die Abhängigkeit zuspitzt, verändert sich analog auch die Ausprägung der Co-Abhängigkeit. Drei Phasen werden unterschieden. Nach der anfänglichen Entschuldigungs- und Beschützerphase kommt eine Kontrollphase. Alkohol wird weggeschüttet, Medikamente werden versteckt. Nach außen wird die Fassade aufrecht erhalten. Das Verhalten sei von Bemühungen und Kontrolle geprägt im Sinne von "Wenn ich mir nur genügend Mühe gebe, werde ich die Situation in den Griff bekommen", heißt es in einer Broschüre des Blauen Kreuzes. Schließlich kippt die Situation, und Theaterpädagogisches Begleitmaterial 27 es kommt zur Anklagephase: Der Abhängige wird zum Sündenbock. Drohungen, Aggressionen, Isolierung mit Ausgrenzung, Verachtung, Abwenden vom Betroffenen sind die Folgen. Die Not führt oft zu Medikamentenmissbrauch Häufig haben Co-Abhängige psychosomatische Symptome wie Kopf-schmerzen, Herzbeschwerden, Verspannungen oder Depressionen. Es kommt zu sozialen Veränderungen, da Außenkontakte aus Scham gemieden werden. Oft entwickeln die Angehörigen - um ihre Not zu kompensieren - einen Medikamenten- oder Nahrungsmittelmissbrauch, der ebenfalls zur Sucht werden kann. Um die acht Millionen Co-Abhängige soll es in Deutschland geben, die allermeisten davon Frauen. Es gebe zwar keine genaue epidemiologische Untersuchung, dennoch halte er die Zahl für realistisch, sagte Mundle. "Denn viele Menschen sind in solchen falsch verstandenen Beziehungsmustern gefangen." Frauen seien vor allem deshalb betroffen, weil Suchterkrankungen hauptsächlich bei Männern vorkommen. Es habe nichts damit zu tun, dass Frauen besonders zu einem Helfersyndrom tendieren. Das gebe es bei Männern genauso. Entscheidend sei, die Wahrnehmung zur eigenen Person zurückzuführen, denn im Laufe der Krankheit des Partners ist die eigene Person völlig in den Hintergrund geraten: "Wie geht es Ihnen in dieser Situation? Merken Sie, unter welchem Druck Sie stehen?" Man müsse helfen, die eigenen Grenzen zu erkennen, so Mundle, das mangelnde Selbstwertgefühl, die Wut und die Ohnmacht. "Denn dahinter steckt immer Ohnmacht. Das ist identisch wie beim Abhängigen - beide sind der Krankheit ohnmächtig ausgeliefert." Im Arztgespräch sollte die Situation analysiert werden, um klar zu machen, wie es wirklich um den coabhängigen Patienten steht. Dabei gilt es, bei ihm zu bleiben und sich nicht verführen zu lassen, über den Abhängigen zu reden! Sätze wie "Ohne mich käme er gar nicht zurecht" müssen hinterfragt werden: "Stimmt das wirklich?" […] Mundle: "Der Mechanismus, der einer Co-Abhängigkeit zugrunde liegt, trifft beide Geschlechter gleich." Hausärzte haben die Aufgabe, das Problem zu erkennen und anzusprechen Hausärzte sind vor allem bei der Diagnose gefragt. Sie hätten die wichtige Aufgabe, das Problem bei Patienten zu erkennen und anzusprechen, sagt Mundle. Theaterpädagogisches Begleitmaterial 28 Bilanz 2013: Drogenmissbrauch fordert fünf Tote im Raum Karlsruhe Karlsruhe/Stuttgart (ps/ks) - BadenWürttembergs Innenministerium hat die Statistik zur Anzahl der Menschen, die 2013 in Folge ihres Drogenkonsums starben, veröffentlicht. Erneut konnte ein Rückgang der Todesopfer verzeichnet werden - die Zahl ist so niedrig wie seit 1989 nicht mehr. Auch im Regierungsbezirk Karlsruhe sank die Zahl der Drogentoten. Waren es im Jahr 2012 noch 127 Drogentote in Baden-Württemberg, so sank diese Zahl im Jahr 2013 auf 118. Damit erreicht sie den niedrigsten Stand seit über 20 Jahren. Betroffen waren großteils Männer - insgesamt starben im vergangenen 95 von ihnen am Missbrauch von Drogen. Erstmals seit mehreren Jahren befindet sich kein Jugendlicher unter den Drogentoten. Der Großteil der Fälle, in denen Menschen an den Folgen ihrer Drogensucht sterben, lasse sich nach wie vor auf Heroin - oft in Kombination mit anderen Rauschgiften oder Alkoholzurückführen. 2013 verzeichnete das Innenministerium 58 Todesfälle in diesem Zusammenhang - 2012 waren es 48. Besorgniserregend sei die Zunahme des Konsums von Amphetamin sowie den sogenannten "Legal Highs", so Innenminister Gall. Die Menge an sichergestellten synthetischen Drogen sei von 41 auf 220 Kilogramm angestiegen. Auch der Fund von 204.000 Ecstasy-Tabletten im vergangenen Jahr auf der Autobahn A5 sei ein deutlicher Beleg für die hohe Verfügbarkeit. Fünf Drogentote im Raum Karlsruhe Im Regierungsbezirk Karlsruhe (Rhein-Neckar-Kreis, Stadtkreis Mannheim, Rastatt, Enzkreis, Calw, Neckar-Odenwald-Kreis, Heidelberg, Freudenstadt, Pforzheim, BadenBaden) kamen der Statistik zufolge im abgelaufenen Jahr 24 Menschen durch ihren Drogenkonsum ums Leben. Im Jahr 2012 waren hier noch 30 Opfer zu vermelden. Im Karlsruher Stadtkreis hat sich die Zahl im Vergleich zum Vorjahr nicht verändert - sie liegt in beiden Jahren bei drei. Im Karlsruher Landkreis hingegen verdoppelte sich die Zahl von eins auf zwei. […] Auszug aus dem Jahresbericht 2013 des Baden Württembergischen Landesverband für Prävention und Rehabilitation: Zahlen zu Beratung und Behandlung Insgesamt besuchten im letzten Jahr 1085 hilfsbedürftige Menschen die Karlsruher Fachstelle und 1142 die Bruchsaler Stelle; 1568 Personen davon waren männlich, 579 weiblich. Die größte Anzahl, nämlich 750 aller Klienten wurden als alkoholabhängig diagnostiziert, 212 als opiatabhängig; 135 Personen wiesen einen schädlichen Gebrauch von Alkohol auf, 102 einen schädlichen Gebrauch von Cannabis. Zahlenmäßig folgt darauf die Personengruppe der Cannabisabhängigen mit 89 und die der pathologischen Spieler mit 87 Personen. Beide Stellen vermittelten 136 Personen in stationäre Rehabilitationseinrichtungen; an den Fachstellen selbst wurden 75 ambulante Behandlungen durchgeführt, 20 davon als Kombitherapie mit stationärem Teilaufenthalt. 120 Patienten wurden nach erfolgreicher Entwöhnungsbehandlung in der Nachsorge weiter betreut. Theaterpädagogisches Begleitmaterial 29 Konsumsituation in Deutschland Jeder vierte Erwachsene (26,5%) im Alter von 18 bis 64 Jahren hat schon einmal eine illegale Droge probiert (ESA 2009). Dabei handelt es sich überwiegend um Cannabisprodukte. 7,4% der Erwachsenen probierten bereits andere illegale Substanzen wie Heroin, Kokain oder Amphetamine, deren aktueller Konsum in den vergangenen 30 Tagen mit 0,6% bei den Erwachsenen wesentlich geringer ausfällt. Dabei nehmen Männer deutlich öfter illegale Drogen zu sich als Frauen; gleichzeitig konsumieren jüngere Erwachsene unter 30 Jahren häufiger illegale Substanzen als ältere Erwachsene. 7,2 % der Kinder und Jugendlichen im Alter von 12 bis 17 Jahren machten bereits Erfahrungen mit illegalen Drogen (Drogenaffinitätsstudie 2011). Insgesamt 4,9 % der Jugendlichen im Alter von 12 bis 17 Jahren konsumierten auch in den letzten zwölf Monaten vor der Befragung (12 - Monats-Prävalenz) eine illegale Droge, von denen wiederum weniger als die Hälfte (2,0 %) berichten, dass dieser Konsum nicht länger als 30 Tage zurückliegt (30-TagePrävalenz). Ein regelmäßiger Konsum illegaler Drogen ist für etwa jeden hundertsten Jugendlichen festzustellen. Insgesamt 0,9 % der 12- bis 17Jährigen geben an, in den letzten zwölf Monaten eine illegale Droge mehr als zehnmal genommen zu haben. Auch hier zeigt sich, dass diese Erfahrungen wesentlich durch Cannabis bestimmt sind. Bei Kindern und Jugendlichen gilt: Je jünger sie sind, desto seltener haben sie illegale Drogen konsumiert, Mädchen deutlich seltener als Jungen. Dabei zeigt sich unabhängig vom Geschlecht die Tendenz, dass Konsumenten legaler Suchtmittel wie Alkohol, Zigaretten oder Shisha häufiger bereits illegale Substanzen probierten oder regelmäßig konsumieren. Nach Cannabis steht der Konsum von Ecstasy, Kokain und Amphetaminen bei dieser Altersgruppe im Vordergrund, wobei die einzelnen Konsumprävalenzen dieser drei Substanzen unter einem Prozent liegen. Schätzungen zufolge konsumieren insgesamt etwa 200.000 Personen in Deutschland illegale Substanzen (ohne Cannabis) risikoreich, die Mehrheit davon injiziert Heroin. Detaillierte Zahlen zum Konsum illegaler Drogen in Deutschland können dem jährlich von der Deutschen Beobachtungsstelle für Drogensucht (DBDD) veröffentlichten REITOX-Bericht entnommen werden. Der aktuelle Bericht wurde am 15. November 2012 der Öffentlichkeit vorgestellt. Drogentodesfälle Die Zahl der drogenbedingten Todesfälle sank im Jahr 2012 auf 944 Personen und damit auf den niedrigsten Stand seit 1988. Die höchsten Anteile an der Gesamtzahl entfielen auf die bevölkerungsreichsten Länder Bayern (23 Prozent) und NordrheinWestfalen (22 Prozent). Gemessen an den Einwohnerzahlen waren wie im Vorjahr Berlin und Hamburg am stärksten belastet. 81 Prozent der Rauschgifttoten waren Männer, 19 Prozent Frauen. Der Altersdurchschnitt aller Drogentoten lag mit knapp über 37 Jahren nur unwesentlich über dem des Vorjahres. Theaterpädagogisches Begleitmaterial 30 Beratung und Behandlung Ein Verzeichnis der Suchtberatungsstellen nach Bundesland findet sich auf der Internetseite der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung Die Einrichtungsdatenbank der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen enthält darüber hinaus alle wichtigen Informationen zu den bundesweit über 1800 ambulanten Suchtberatungsstellen und 800 stationären Suchthilfeeinrichtungen. Es besteht die Möglichkeit, "maßgeschneiderte" Hilfeangebote mit detaillierten Informationen zu den Einrichtungen zu finden. […] Eine weitere Plattform, die Menschen mit aussagekräftigen Informationen über Opiatabhängigkeit und über die Möglichkeiten im Umgang mit dieser versorgt, steht unter www.mytreatmentmychoice.eu bereit. Die in 12 Sprachen verfügbare Seite informiert über verschiedene Möglichkeiten der Genesung, Selbsthilfegruppen und Patientenrechte und enthält persönliche Erfahrungsberichte von ehemaligen Abhängigen, Patienten und Familienmitgliedern." Rauschgiftkriminalität Im Jahr 2012 wurde ein deutlicher Anstieg der Sicherstellungen von kristallinem Methamphetamin (Crystal) verzeichnet. Mit insgesamt 3.512 Sicherstellungsfällen gab es rund doppelt so viele wie bei Ecstasy. Bei Amphetamin dagegen wurden auf jeweils hohem Zahlenniveau eine geringere Zahl an Sicherstellungsfällen und eine niedrigere beschlagnahmte Gesamtmenge verzeichnet. Deutlicher gestaltet sich der Rückgang der Fallzahl und der Sicherstellungsmenge bei Heroin. Dass allerdings auch im Jahr 2012 große Einzelmengen von Heroin nach und durch Deutschland transportiert wurden, belegt unter anderem eine Lieferung von 250 kg, die zunächst per Frachtschiff von der Türkei über Frankreich nach Bremerhaven geschmuggelt und nach Umladung und Weitertransport auf dem Landweg schließlich in den Niederlanden sichergestellt werden konnte. Die mit 268 kg größte in Deutschland beschlagnahmte Einzelmenge an Kokain gelangte auf dem Seeweg nach Hamburg, wo es zum Zwecke des europaweiten Vertriebs zwischengelagert wurde. In weit höherer Frequenz als auf dem Seeweg wurde Kokain per Luftpost oder mittels Flugkurieren aus Südamerika nach Deutschland geschmuggelt. Die Mehrzahl der Sicherstellungen erfolgte im Transit am Flughafen Frankfurt/Main. Die Herstellung synthetischer Drogen – überwiegend von Methamphetamin – findet in Kleinlaboren statt. 2012 ist die Anzahl der sichergestellten Labore leicht angestiegen. Heroin und Kokain wird vollständig aus dem Ausland bezogen. Die Zahl der erstauffälligen Konsumenten harter Drogen (EKhD) sank um 8.2 % im Jahr 2012 auf 19.559 Personen im Vergleich zum Vorjahr. Während die Zahlen der erstauffälligen Konsumenten von Heroin, Kokain, Crack und Meth-/ Amphetaminen sanken, stieg die Zahl der erstauffälligen EcstasyKonsumenten deutlich an. Theaterpädagogisches Begleitmaterial 31 Quellen Jahresbericht Kompakt 2013 des Baden Württembergischen Landesverband für Prävention und Rehabilitation http://www.fluter.de/de/drogen/thema/8994/ http://www.tagesspiegel.de/politik/deutschland/jugendgewaltgewaltrausch-durch-schmerzmittel-tilidin/1148498.html http://www.t-online.de/eltern/jugendliche/id_20092880/tilidin-trenddroge-mit-gefaehrlicher-wirkung.html http://www.vollhigh.ch/berichte/roger.php http://www.aerztezeitung.de/praxis_wirtschaft/w_specials/special-arztpatient/article/659878/co-abhaengigkeit-verkannte-krankheit.html http://de.over-blog.com/ DC_vs_Marvel_Die_groten_Unterschiede_der_beiden_Comicriesen1228321780-art226227.html Theaterpädagogisches Begleitmaterial 32 Impressum Badische Landesbühne Bruchsal Intendant: Carsten Ramm Verwaltungsleiter: Norbert Kritzer Die Badische Landesbühne Am Alten Schloss 24 76646 Bruchsal Tel.: 07251.7270 Fax: 07251.72746 E-Mail: info@dieblb.de www.dieblb.de Redaktion und Layout: Catharina Guth guth@dieblb.de Ramona Parino parino@dieblb.de Dramaturgie: Larissa Benszuweit Fotos: Sonja Ramm Theaterpädagogisches Begleitmaterial 33