BioEDIT 7-10: Vererbungslehre
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BioEDIT 7-10: Vererbungslehre
518 Lebewesen in ihrer Umwelt Vererbungslehre 1. Grundlagen und Gesetzmäßigkeit der Vererbung 1.1. Versuche zur Vererbung A Aufgaben und Versuche – B Zusatzinformationen I. MENDELs Versuchsobjekt, die Gartenerbse MENDEL hat sein Versuchsobjekt offenkundig nach sorgfältigen Überlegungen ausgewählt. Er konnte beim Samenhändler Erbsen in unterschiedlichen Formen und Farben billig kaufen. Erbsen sind Selbstbefruchter, was MENDEL bei vielen seiner Kreuzungen nutzte. Die Kreuzung zweier verschiedener Pflanzen ist mit relativ einfacher Technik möglich. Die problemlose Kultur, der kurze Generationszyklus und die hohe Nachkommenzahl sind genauso Vorteile wie die leicht zu unterscheidenden Merkmale. Unter den verschiedenen Merkmalen wählte MENDEL die folgenden sieben für seine Untersuchungen aus und züchtete diese zunächst für zwei Jahre lang weiter, bis er sicher sein konnte, dass die ausgewählten Sorten in bezug auf ihre Merkmale reinrassig waren: 1. runde oder runzlige reife Samen 4. 3. violette oder weiße Blüten (graue oder weiße ) Samenschale 2. Hülsen gewölbt oder eingeschnürt gelbe oder grüne Keimblätter 5. grüne oder gelbe unreife Hülsen 6. axiale Hülsen und Blüten entlang dem Stängel lange 7. kurze endständige Hülsen und Blüten Sprossachse Sprossachse an der Spitze des Stängels (180-210 cm) (20-30 cm) C Lösungen zu den Arbeitsblättern Arbeitsblatt 1: Blütenbau und künstliche Bestäubung der Erbsenblüte a Fahne b Flügel c Schiffchen d Kelch e Schiffchen f Staubgefäße g Narbe h Fruchtknoten mit h Samenanlagen i Samenanlage j Kelchblatt Arbeitsblatt 2: Kreuzung einer gelbsamigen mit einer grünsamigen Erbsenrasse 1. Man sät grüne und gelbe Samen getrennt aus. Aus den ausgesäten Samen wachsen die Elternpflanzen heran. Man bestäubt die Narben der Pflanzen, die aus den gelben Samen entstanden sind, mit Blütenstaub, der aus den grünen Samen hervorgegangenen Pflanzen. Die heranreifenden Hülsen enthalten nur gelbe Samen. 2. Die gelben Samen sind Embryonen, die nach der Aussaat zu F1-Pflanzen heranwachsen. Biologie 76 194 519 Arbeitsblatt 1: Blütenbau und künstliche Bestäubung der Erbsenblüte Benenne die bezifferten Blütenteile! Biologie heute © 1998 Schroedel Verlag GmbH, Hannover Vererbungslehre Noch nicht voll entwickelte Blüte Biologie 76 194 Vererbungslehre Biologie heute Arbeitsblatt 2: Kreuzung einer gelbsamigen mit einer grünsamigen Erbsenrasse © 1998 Schroedel Verlag GmbH, Hannover 520 P = Parentalgeneration (Elterngeneration), F1 = 1. Filialgeneration (1. Tochtergeneration) 1. Beschreibe die dargestellte Kreuzung zweier Erbsenrassen und ihr Ergebnis! 2. Erkläre, weshalb die Samen in den Hülsen der P-Generation die erste Tochtergeneration darstellen! Biologie 76 194 Vererbungslehre 521 1.2. Erbbild und Erscheinungsbild A Aufgaben und Versuche 1. Monohybride Erbgänge MENDEL fand bei der Auswertung seiner Kreuzungen mit verschiedenen Erbsenrassen für die F2-Generationen von fünf monohybriden Erbgängen folgende Zahlen: 1. 428 Pflanzen mit grünen Hülsen 152 Pflanzen mit gelben Hülsen 2. 787 Pflanzen mit langer Blütenachse 277 Pflanzen mit kurzer Blütenachse 3. 6022 Pflanzen mit gelben Keimblättern 2001 Samen mit grünen Keimblättern 4. 882 Pflanzen mit einfach gewölbten Hülsen 299 Pflanzen mit eingeschnürten Hülsen 5. 651 Pflanzen mit achsen- 207 Pflanzen mit endständigen Blüten ständigen Blüten 2. Intermediärer Erbgang Die Wunderblume wird als Zierpflanze benutzt. Die Blütenfarben rot und weiß werden intermediär vererbt. Ein Züchter hat einen großen Bestand reinrassig rotblühender, reinrassig weißblühender und rosablühender F1-Pflanzen für die Züchtung. Wegen der in Mode gekommenen Farbe rosa muss er möglichst schnell tausende von rosablühenden Pflanzen gewinnen. Aufgaben: a) Welche Kreuzungsmöglichkeiten hat er? b) Fertige für alle Kreuzungsmöglichkeiten Erbschemata an und entscheide dann, mit welcher Kreuzung er am schnellsten eine große Zahl rosablühender Pflanzen erzielt (Symbole: r = rot, w = weiß) Lösungen: a) Aufgabe: Nenne jeweils das dominante und das rezessive Merkmal. Berechne das Zahlenverhältnis für jede der fünf Kreuzungen. 1 rr 2 ww rr 3 rw ww 4 rw rw rw b) Lösung: 1 Verhältnis rr P dominant : rezessiv 1. grüne Hülsen : gelbe Hülsen 2,82 : 1 2. lange Blütenachse : kurze : Blütenachse Geschlechts- r zellen 2,84 : 1 F1 3. gelbe Samen : grüne Samen 3,01 : 1 4. gewölbte Hülsen : eingeschnürte : Hülsen 5. achsenständige Blüten : endständige : Blüten 3,14 : 1 w w rr Geschlechts- r zellen r w r w r w r w F1 rr rw r r w rw rr rw 3 P 2,95 : 1 r 2 P ww ww Geschlechts- w zellen F1 w r 4 P rw w rw Geschlechts- r zellen w r w w w r w w F1 rw w rr r w rw wr ww Mit der Kreuzung rotblühende X weißblühende Pflanzen erreicht der Züchter sein Ziel am schnellsten, denn die Nachkommen aus dieser Kreuzung blühen alle rosa. Alle anderen Kreuzungen ergeben nur jeweils zur Hälfte rosa Pflanzen. Biologie 76 194 522 Vererbungslehre B Zusatzinformationen I. Dominanzbeziehungen sind unterschiedlich Vollständige Dominanz liegt vor, wenn ein heterozygotes Individuum trotz seines genetischen Unterschieds denselben Phänotyp zeigt wie das homozygote Individuum. Ein Beispiel wäre eine rotblühende Pflanze, bei der die beiden Genotypen Aa und AA phänotypisch übereinstimmen. MENDEL beobachtete bei den sieben Genpaaren der Erbse vollständige Dominanz. (Die einzige Ausnahme bildet das Merkmal Blütezeit, wofür seine Versuche unvollständig sind.) Man darf davon ausgehen, dass MENDEL die zu untersuchenden Merkmale sorgfältig ausgewählt hat, denn das Verhältnis zwischen Dominanz und Rezessivität variiert und ist nicht immer eindeutig. Bei dem intermediären Phänotyp der Wunderblume spricht man von unvollständiger Dominanz. Die F1Individuen sind rosa. Tatsächlich muss in solchen Fällen unvollständiger Dominanz der Phänotyp der F1-Individuen nicht genau zwischen den Phänotypen der Eltern liegen. Er kann mehr zu dem einen oder mehr zu dem anderen Elternteil neigen. Die abgebildete „phänotypische Skala“ zeigt mögliche Dominanzverhältnisse. Phänotypische Skala B1 B1 B2 B2 B1 B2 bedeutet hier B1 ist dominant bedeutet hier B2 ist dominant bedeutet hier keine Dominanz; Kodominanz (z. B. Blutgruppe AB) B1 B2 B1 B2 bedeutet hier B1 unvollständig dominant bedeutet hier B2 unvollständig dominant C Lösungen zu den Arbeitsblättern Arbeitsblatt 2: Kreuzung zweier Erbsenbastarde der F1 Arbeitsblatt 1: Dominant-rezessiver Erbgang bei der Erbse Geschlechtszellen B1 B2 B1 B2 G G g g 1. Kombinationsquadrat Geschlechtszellen G g G F1 G G G g G g g g F2 G g Genotyp der F1: G g Phänotyp der F1: gelb G g G g G g g 2. Genotypisches Zahlenverhältnis: GG : Gg : gg = 1/4 : 2/4 : 1/4. Phänotypisches Zahlenverhältnis: gelb : grün = 3/4 : 1/4. Biologie 76 194 Vererbungslehre 523 Arbeitsblatt 3: Intermediärer Erbgang der Wunderblume Geschlechtszellen r r Arbeitsblatt 5: Dominant-rezessiver Erbgang bei Schnecken w w Geschlechtszellen U U u u U u U u U u U u F1 Genotyp F1 Kombinationsquadrat Genotyp r w r w r w r w Phänotyp rosa rosa rosa rosa Geschlechtszellen U u U Arbeitsblatt 4: Kreuzung zweier F1-Bastarde der Wunderblume r r U u Genotyp U u u u Genotyp w r r w r rot rosa F2 r U u 1. a) Kombinationsquadrat Geschlechtszellen U F2 w w w w rosa weiß 2. Genotypisches Zahlenverhältnis: rr : rw : ww = 1/4 : 2/4 : 1/4. Phänotypisches Zahlenverhältnis: Rot : rosa : weiß = 1/4 : 2/4 : 1/4. Arbeitsblatt 6: Münzenversuch zur Kombination der Gene 1. Die Strichliste ergibt annähernd das genotypische Zahlenverhältnis SS : Ss : ss = 1/4 : 2/4 : 1/4, das phänotypische Zahlenverhältnis schwarz : weiß = 1/4 : 3/4. 2. Es handelt sich um einen monohybriden, dominant-rezessiven Erbgang. 3. Die 100 Würfe mit ihren Kombinationen symbolisieren die F2-Generation. 4. Für zwei Genpaare benutzt jeder Schüler ein Zehnpfennig- (Ss) und ein Fünfpfennigstück (Gg). Anmerkung: Addiert man die mittels Strichlisten gewonnenen Werte aller Gruppen der Klasse, so erkennen die Schüler, dass man sich bei einer steigenden Zahl von Würfen immer deutlicher dem erwarteten Zahlenverhältnis annähert. Die Schüler sollen erkennen, dass es sich bei den Vererbungsgesetzen um statistische Gesetze handelt. Biologie 76 194 Vererbungslehre Arbeitsblatt 1: Dominant-rezessiver Erbgang bei der Erbse Das Erbschema zeigt die Kreuzung einer gelbsamigen mit einer grünsamigen Erbsenpflanze. gelb P G Biologie heute Vervollständige das Erbschema, indem du die Buchstabn G und g (Symbole für die Erbanlagen) in die Chromosomensymbole in Geschlechtszellen und Körperzellen einsetzt! Färbe die Samen mit Buntstiften! grün G g © 1998 Schroedel Verlag GmbH, Hannover 524 g P P Bestäubung Geschlechtszellen F1 Genotyp der F1 Farbe der F1 Biologie 76 194 © 1998 Schroedel Verlag GmbH, Hannover Vererbungslehre 525 Arbeitsblatt 2: Kreuzung zweier Erbsenbastarde der F1 Die gekreuzten Erbsenpflanzen gehören zu einer F1-Generation, die aus der Kreuzung einer reinrassig gelbsamigen Pflanze mit einer reinrassig grünsamigen Pflanze gewonnen wurde (G = gelb, g = grün). 1. Vervollständige das Erbschema, indem du die Buchstaben G und g in die Chromosomensymbole der Geschlechtszellen und Körperzellen einsetzt! Färbe die Samen mit Buntstiften! Biologie heute 2. Gib das genotypische und das phänotypische Zahlenverhältnis der F2 an! gelb F1 G gelb g G g F1 Bestäubung Kombinationsquadrat Geschlechtszellen F2 Genotypisches Zahlenverhältnis Phänotypisches Zahlenverhältnis Biologie 76 194 Arbeitsblatt 3: Intermediärer Erbgang der Wunderblume Beim intermediären Erbgang stehen die Nachkommen in der F1 zwischen den Eltern. Vervollständige das Erbschema, indem du die Buchstaben r und w (Symbole für die Erbanlagen) in die Chromosomensymbole in Geschlechtszellen und Körperzellen einsetzt! Färbe die Blütenblätter mit Buntstiften! P weiß rot r r w w Geschlechtszellen F1 Genotyp Phänotyp Biologie 76 194 © 1998 Schroedel Verlag GmbH, Hannover Vererbungslehre Biologie heute 526 © 1998 Schroedel Verlag GmbH, Hannover Vererbungslehre 527 Arbeitsblatt 4: Kreuzung zweier F1-Bastarde der Wunderblume Das Kreuzungsschema zeigt die Kreuzung zweier F1-Pflanzen der Wunderblume, die in bezug auf das Merkmal Blütenfarbe mischerbig sind (r = rot, w = weiß). 1. Vervollständige das Erbschema, indem du die Buchstaben r und w (Symbole für die Erbanlagen) in die Chromosomensymbole in Geschlechtszellen und Körperzellen einsetzt! Gib die Farben der Blüten der F2 an! Biologie heute 2. Nenne genotypisches und phänotypisches Zahlenverhältnis der F2! F1 rosa rosa r w r w Kombinationsquadrat Geschlechtszellen Farbe F2 Farbe Genotypisches Zahlenverhältnis Phänotypisches Zahlenverhältnis Biologie 76 194 Vererbungslehre Arbeitsblatt 5: Dominant-rezessiver Erbgang bei Schnecken Vervollständige das Erbschema, indem du die Buchstaben U und u (Symbole für die Erbanlagen) in die Chromosomensymbole in Geschlechtszellen und Körperzellen einsetzt! ungebändert gebändert © 1998 Schroedel Verlag GmbH, Hannover 528 P U u u Biologie heute U Geschlechtszellen F1 Genotyp Kombinationsquadrat Geschlechtszellen Genotyp F2 Genotyp Schneide die entsprechenden Schnecken aus und klebe sie in die Kästchen! Biologie 76 194 © 1998 Schroedel Verlag GmbH, Hannover Biologie heute Vererbungslehre 529 Arbeitsblatt 6: Münzenversuch zur Kombination der Gene Materialien und Geräte: Zehnpfennigstücke, Papier und Bleistift. Durchführung: Führe den Versuch zusammen mit deinem Platznachbarn durch. Jeder nimmt ein Zehnpfennigstück. Es symbolisiert eine Urgeschlechtszelle. Die Zahl steht für das Gen S (schwarze Haarfarbe beim Kaninchen - dominant), der Zweig auf der anderen Seite der Münze steht für das Gen s (weiße Haarfarbe beim Kaninchen - rezessiv). Beim Werfen kommt entweder S oder s nach oben zu liegen, was eine Spermazelle mit dem Gen S oder eine mit dem Gen s symbolisiert. Bei deinem Platznachbarn werden entsprechend S- oder s-Eizellen symbolisiert. Werft eure beiden Münzen gleichzeitig hoch. Die beiden obenliegenden Gene stellen zusammen eine befruchtete Eizelle dar. 1. Notiere die Genkombinationen von 100 Würfen in einer Strichliste. Ermittelt daran das genotypische Zahlenverhältnis von SS : Ss : ss und das phänotypische Zahlenverhältnis von schwarz : weiß. 2. Notiert, um welchen Erbgang es sich handelt. 3. Welche Generation stellen die 100 Genkombinationen dar? 4. Überlegt, wie man den Versuch ausbauen könnte, um die Kombination mit zwei Genpaaren (S-schwarz, s-weiß und G-glatthaarig, g-angorahaarig) durchzuführen. a) Strichliste für die Genkombinationen SS Ss ss b) c) d) Biologie 76 194 530 Vererbungslehre 1.3. Kann man Erbanlagen kombinieren? A Aufgaben und Versuche C Lösungen zu den Arbeitsblättern 1. Züchung von Kaninchen Ein professioneller Kaninchenzüchter hat unter seinen reinrassigen Kaninchen Tiere, die ein glatthaariges weißes Fell haben und solche, deren Fell angorahaarig und schwarz ist. Wegen der großen Nachfrage möchte er weiße, angorahaarige Tiere züchten. (Glatthaarig, G ist dominant über angorahaarig, g und schwarz, S ist dominant über weiß, s.) Arbeitsblatt 1: Dihybrider Erbgang bei der Erbse Aufgabe: Zeige an Hand eines Erbschemas, wie die Zucht der gewünschten Tiere erfolgt: 1. 2. Tochtergeneration (F2) GGss Gs F1 g r GG R R GG R r G g RR G g R r GG R r GG r r G g R r G g r r G g RR G g R r g g RR g g R r G g R r G g r r g g R r g g r r G r ggSS Gs gS GgSs gS GgSs GS Gs g r gS gs GS GGSS GGSs GgSS GgSs Gs GGSs GGss Ggss Ggss gS GgSS GgSs ggSS ggSs gs GgSs Ggss ggSs ggss 1/16 der F2-Tiere ist angorahaarig und weiß. Diese Tiere werden dann durch Inzucht weitergezüchtet: F2 Geschlechtszellen g R g R Geschlechtszellen F2 G r G R Lösung: P G R ggss gs ggss gs gs gs 2. Zahl der Genotypen: 9. 3. Zahlenverhältnis der Phänotypen: gelb/rund : gelb/runzlig : grün/rund : grün/runzlig = 9/16 : 3/16 : 3/16 : 1/16. 4. In der Diagonalen von oben links nach unten rechts stehen die doppelt reinerbigen Genkombinationen. Von ihnen entsprechen zwei der P-Generation. Zwei sind neu entstandene Rassen. Arbeitsblatt 2: Genkombination beim dihybriden Erbgang im Modellversuch 1. Die Genkombinationen von 100 F2-Pflanzen werden nach sorgfältigem Notieren ausgezählt. 2. 16 F3 ggss ggss B Zusatzinformationen ggss ggss 3. 9 4. Das Zahlenverhältnis der Phänotypen gelb/rund : gelb/runzlig : grün/rund : grün/runzlig wird annähernd bei 9 : 3 : 3 : 1 liegen. – Biologie 76 194 Vererbungslehre 531 Arbeitsblatt 3: Neuzüchtung bei Rindern 1. Die Merkmale „baun“ und „gescheckt“ werden rezessiv vererbt. Arbeitsblatt 4: Dihybrider Erbgang bei der Fruchtfliege 1. 2. C F SE Se sE se SE SSEE SSEe SsEE SsEe Se SSEe SSee SsEe Ssee sE SsEE SsEe ssEE ssEe se SsEe Ssee ssEe ssee 3. Die Rassen mit schwarzem und geschecktem Fell sowie mit braunem und einfarbigem Fell sind neu entstanden. 2. Zahl der Genotypen: 9. 3. Phänotypisches Zahlenverhältnis: (normalflüglig/beborstet) : (normalflüglig/borstenlos) : (stummelflüglig/beborstet) : (stummelflüglig/borstenlos) = 9:3:3:1 Biologie 76 194 Arbeitsblatt 1: Dihybrider Erbgang der Erbse Die Kreuzung einer reinrassigen Erbsenpflanze, deren Samen grün und runzlig sind, mit einer anderen, deren Samen gelb und rund sind, ergibt in der ersten Tochtergeneration durchweg gelbe, runde Samen. Kreuzt man die aus diesen Samen hervorgehenden F1-Pflanzen des Genotyps GgRr untereinander, so erhält man die F2-Generation mit vielen verschiedenen Genotypen. (R = rund, r = runzlig, G = gelb, g = grün) 1. Vervollständige das Kombinationsquadrat! Setze die Symbole für den Genotyp und für den Phänotyp in die Kästchen ein. Färbe die Erbsen mit Farbstiften! 2. Tochtergeneration (F2) G R G r g R g r G R GG R R G r g R g r G g r r 2. Zahl der Genotypen: 3. Zahlenverhältnis der Phänotypen: 4. Die Diagonale von links oben nach rechts unten zeigt: Biologie 76 194 © 1998 Schroedel Verlag GmbH, Hannover Vererbungslehre Biologie heute 532 © 1998 Schroedel Verlag GmbH, Hannover Biologie heute Vererbungslehre 533 Arbeitsblatt 2: Genkombination beim dihybriden Erbgang im Modellversuch Materialien und Geräte: 4 Bechergläser (0,5 l), 100 gelbe, 100 grüne, 100 schwarze und 100 weiße Kunststoffperlen, Bleistift und Papier. Führe mit deinem Platznachbarn folgenden Versuch durch: Nehmt jeder 2 Bechergläser (0,5 l). Gebt jeder in das eine 50 gelbe und 50 grüne, in das andere 50 schwarze und 50 weiße Kunststoffperlen. Die Perlen symbolisieren: gelb = G, gelbe Samenfarbe, grün = g, grüne Samenfarbe, schwarz = R, runde Samenform, weiß = r, runzlige Form. Jeder nimmt aus seinen beiden Gläsern, ohne hinzusehen, eine Kugel. Jeder von euch simuliert so die Kombination der Gene bei der Geschlechtszellenbildung und zwar, der eine für weibliche, der andere für männliche Geschlechtszellen. Die vier Möglichkeiten sind: GR, Gr, gR und gr. Durch Zusammenschieben eurer vier Kugeln symbolisiert ihr eine Befruchtung. (Achtung: Lasst eure Kugeln jeweils auf eurer Seite. Ihr sollt sie nachher wieder in die Gläser tun, aus denen sie stammen!) Die vier Kugeln symbolisieren nun den Genotyp einer F2-Pflanze. Nachdem ihr die Kugeln jeweils in das Glas zurückgegeben habt, aus dem sie genommen wurden, schüttelt ihr die Gläser gut durch. 1. Notiert die Genkombinationen von 100 F2-Pflanzen, die ihr auf die beschriebene Weise „erzeugt“, in einer Strichliste. Strichliste für die Genkombinationen: Genotyp: GGRR 2. Da es vier Möglichkeiten für die weiblichen und vier Möglichkeiten für die männlichen Geschlechtszellen gibt, beträgt die Zahl der möglichen Kombinationen: 3. Die Anzahl der Genotypen beträgt: 4. Das phänotypische Zahlenverhältnis für die 100 Pflanzen lautet: Biologie 76 194 Arbeitsblatt 3: Neuzüchtung bei Rindern 1. Die Kreuzung eines reinrassigen Rindes mit einfarbigem und schwarzem Fell mit einem reinrassigen Rind, dessen Fell braun und gescheckt ist, ergibt in der 1. Tochtergeneration (F1) durchweg Rinder mit einfarbigem und schwarzem Fell. Welche Merkmale werden rezessiv vererbt? 2. Kreuzt man aus dieser F1-Generation Tiere mit dem Erbbild SsEe untereinander, so erhält man in der F2-Generation Tiere mit verschiedenen Erbbildern (S = schwarz, s = braun, E = einfarbig, e = gescheckt). Vervollständige das Kombinationsquadrat! Setze die Symbole für das Erbbild und das Erscheinungsbild in die Kästchen ein! F C SE Se sE se SE Se sE se 3. Welche neuen Rassen sind entstanden? Biologie 76 194 © 1998 Schroedel Verlag GmbH, Hannover Vererbungslehre Biologie heute 534 © 1998 Schroedel Verlag GmbH, Hannover Biologie heute Vererbungslehre 535 Arbeitsblatt 4: Dihybrider Erbgang bei der Fruchtfliege FB Die Kreuzung einer reinrassig normalflügligen, beborsteten Fruchtfliege (Genotyp F B) mit einer f b reinrassig stummelflügligen, borstenlosen Form (Genotyp f b) ergibt in der F1-Generation durchweg normalflüglige, beborstete Fliegen mit dem Genotyp FB f b. Aus der Kreuzung der F1-Tiere untereinander erhält man die F2-Generation mit vielen verschiedenen Genotypen. 1. Vervollständige das Kombinationsquadrat der F2, indem du die entsprechenden Symbole für den Genotyp und für den Phänotyp in die Kästchen einsetzt! 2. Zähle die Genotypen aus! 3. Ermittle das Zahlenverhältnis der Phänotypen! Zu 1. Zu 2. Zahl der Genotypen: Zu 3. Phänotypisches Zahlenverhältnis: Biologie 76 194 536 Vererbungslehre 1.4. Die stoffliche Natur der Erbanlagen A Aufgaben und Versuche B Zusatzinformationen 1. Die Strickleiter als DNA-Modell Die Bausteine der Erbsubstanz, der Desoxyribonucleinsäure, sind Phosphorsäuremoleküle, Zuckermoleküle und die vier organischen Basen Thymin Adenin, Cytosin und Guanin. Das DNA-Modell von WATSON und CRICK gleicht einer gedrehten Strickleiter. – Aufgabe: Beschreibe den Aufbau der Strickleiter indem du die folgenden Fragen beantwortest: a) Aus welchen Bausteinen bestehen die Holme? b) Wie sind die Srossen aufgebaut? c) Wie viele verschiedene „Sprossensorten“ gibt es? 2. Stelle aus den verschiedenfarbigen Kunststoffperlen eines DNA-Steckmodells ein Teilstück der Doppelhelix her. C Lösungen zu den Arbeitsblättern Arbeitsblatt 1: Modell der DNA Das Arbeitsblatt enthält alle Symbole zum modellhaften Aufbau der DNA-Kette. Damit kann modellhaft eine identische Verdoppelung der DNA gelegt werden. Lösung: a) Die Holme bestehen aus einander abwechselnden Zucker- und Phosphorsäuremolekülen. b) Die Sprossen bestehen aus den Basen Thymin Adenin, Cytosin und Guanin. Jeweils zwei Basen bilden eine Sprosse. c) Da nur bestimmte Basenpaarungen möglich sind, gibt es vier „Sprossensorten“: Thymin-Adenin, Adenin-Thymn, Cytosin-Guanin und Guanin-Cytosin. 2. Die Umsetzung der genetischen Information Entsprechend den Informationen auf den DNAAbschnitten werden die Eiweißstoffe im Zellplasma aufgebaut. Aufgabe: Fertige unter Zuhilfenahme deines Biologiebuches ein Fließschema, das die Schritte der Umsetzung der genetischen Information darstellt. Lösung: Im Zellkern Anfertigung von Kopien der DNA-Abschnitte mit den Eiweißrezepten. Kopien ähneln der DNA. ▼ Sie gelangen durch die Kernhülle ins Zellplasma. Ribosomen Kopien gleiten am Ribosom vorbei. ▼ Triplett für Triplett wird abgelesen. ▼ Trägerstoffe tragen die Aminosäuren heran. ▼ Die entsprechenden Eiweißstoffe werden aufgebaut. Biologie 76 194 © 1998 Schroedel Verlag GmbH, Hannover Biologie heute Vererbungslehre 537 Arbeitsblatt 1: Modell der DNA Schneide die Symbole aus! Färbe sie entsprechend der Farbgebung im Schülerband mit Buntstiften! Lege mit ihrer Hilfe verschiedene DNA-Ketten! C T C T C T C T G A G A G A G A C T C T C T C T G A G A G A G A C T C T C T C T G A G A G A G A Biologie 76 194 538 Vererbungslehre 1.5. Vom Gen zum Merkmal A Aufgaben und Versuche – B Zusatzinformationen – C Lösungen zu den Arbeitsblättern Arbeitsblatt 1: Von der Erbinformation zum Eiweiß A Im Zellkern ist die Erbsubstanz (DNA) a gespeichert. Von ihr wird eine Kopie, die Boten-RNA b, angefertigt. Dies geschieht durch Basenpaarung mit freien Nucleotiden c. Die Boten-RNA verlässt durch Poren in der Kernmembran den Zellkern und gelangt ins Zellplasma. B An den Ribosomen d findet die Eiweißsynthese statt. Dazu lagern sich mit Aminosäuren e beladene Träger-RNAs f an entsprechende Tripletts der Boten-RNA an g. C Triplett für Triplett wird abgelesen und jeweils eine Aminosäure an das entstehende Eiweißmolekül angeknüpft h. D Die Träger-RNAs f werden abgespalten, sodass nunmehr ein Eiweißmolekül vorliegt. Arbeitsblatt 2: Eiweißsynthese Die Entschlüsselung der Eiweiß-Biosynthese ist ein sehr schweres und abstraktes Thema. Das Arbeitsblatt soll es auch für schwächere Schülerinnen und Schüler „begreifbar“ machen. Die Lehrkraft kann Kopien des Arbeitsblattes ausgeben und von den Schülern auf Karton aufkleben lassen. Nun werden die Symbole ausgeschnitten, und der in der Abbildung 2 (S. 349) dargestellte Vorgang kann in einzelnen Phasen „nachgelegt“ werden. Zur Ergänzung fehlender Symbole kann das Arbeitsblatt „Modell der DNA“, (S. 537) mitverwendet werden. Biologie 76 194 539 Arbeitsblatt 1: Von der Erbinformation zum Eiweiß Beschreibe den in der Abbildung dargestellten Vorgang! Biologie heute © 1998 Schroedel Verlag GmbH, Hannover Vererbungslehre Biologie 76 194 Vererbungslehre Arbeitsblatt 2: Eiweißsynthese Biologie heute Schneide die Symbole aus und male sie bunt an! Lege den Vorgang der Eiweißsynthese gemäß Abbildung 2 (S. 349) nach! © 1998 Schroedel Verlag GmbH, Hannover 540 A A- Biologie 76 194 Vererbungslehre 541 1.6. Zusammenspiel von Erbgut und Umwelt A Aufgaben und Versuche – B Zusatzinformationen – C Lösungen zu den Arbeitsblättern Arbeitsblatt 1: Untersuchung zur fließenden Modifikabilität 1. – Arbeitsblatt 2: Versuch mit dem GALTONschen Zufallsapparat 1. In dem mit Glas verkleideten Kasten sorgt oben eine trichterförmige Verengung dafür, dass eingeworfene Kugeln durch eine Öffnung genau in der Mitte herunterfallen. Darunter sind mehrere Nagelreihen so angeordnet, dass die nebeneinanderstehenden Nägel jeweils gleichen Abstand haben. Die Nägel einer Reihe stehen zu den Nägeln der darüberliegenden Reihe stets auf Lücke. Unten im Apparat sind mehrere Schächte gleicher Größe angebracht. 2. Beispiel einer Verteilung der Kugeln im Zufallsapparat Anzahl der Bohnensamen 2. Mögliches Beispiel einer ermittelten Variationskurve Biologie 76 194 1. A: Schwimmblatt, B: Tauchblatt 2. Das Erbgut des Wasserhahnenfußes lässt unterschiedliche Variationen für die Blattform zu. Damit sind die Blätter optimal an ihren Lebensraum angepasst. Die flächig ausgebildeten Schwimmblätter halten den Spross aufrecht und lassen das Wachsen der Blütentriebe über die Wasseroberfläche hinaus zu. Bei den Tauchblättern bieten die zerschnittenen, fadenförmigen Blattspreiten dem strömenden Wasser wenig Widerstand. Die größere Oberfläche erleichtert den Gasaustausch. Arbeitsblatt 4: Löwenzahn ist „wandelbar“ Da die beiden Stecklinge von einer Pflanze stammen, besitzen sie das gleiche Erbgut. Die unterschiedlichen Wuchsformen sind also Modifikationen. Die Hochgebirgs-Modifikation b ist kleinwüchsig, behaart und mit langer Pfahlwurzel ausgestattet. Sie stellt eine Standortmodifikation als Anpassungserscheinung an extreme Bedingungen des Hochgebirges (Kälte, Wind, Wasserarmut) dar. © 1997 Schroedel Verlag GmbH, Hannover Arbeitsblatt 3: Modifikation beim Wasserhahnenfuß Vererbungslehre Biologie heute 542 Biologie 76 194 © 1998 Schroedel Verlag GmbH, Hannover Vererbungslehre 543 Arbeitsblatt 1: Untersuchung zur fließenden Modifikabilität Materialien und Geräte: Bohnensamen einer Sorte (reine Linie); Lineal, Schublehre; Bleistift. 1. Die Samen variieren in ihrer Länge (z.B. von 5 bis 20 mm). Miss mit deinem Platznachbarn 100 Samen mit der Schublehre oder dem Lineal aus. Ordnet sie in Klassen von 5, 6, 7, 8, ... 20 mm, in dem ihr die vorgegebene Tabelle zunächst als Strichliste benutzt und später die Anzahl Bohnen jeder Größenklasse festhaltet. Biologie heute Tabelle der Messwerte Länge der Samen 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 mm mm mm mm mm mm mm mm mm mm mm mm mm mm mm mm Strichliste Eigene Zahlen Zahlen aller Gruppen (Summe) Anzahl der Bohnensamen 2. Stellt euren Befund grafisch dar, indem ihr die Anzahl Bohnen der verschiedenen Größenklassen in das vorgegebene Koordinatensystem eintragt. Verbindet die erhaltenen Punkte zu einer Variationskurve. 70 65 60 55 50 45 40 35 30 25 20 15 10 5 1 2 3 4 5 6 7 8 9 0 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 mm Länge der Bohnensamen Biologie 76 194 Vererbungslehre Arbeitsblatt 2: Versuch mit dem GALTONschen Zufallsapparat Materialien und Geräte: Zufallsapparat; Glas- oder Schrotkugeln; Bleistift. Biologie heute 1. Beschreibe den Apparat möglichst genau! © 1998 Schroedel Verlag GmbH, Hannover 544 2. Lass die Kugeln in den Zufallsapparat fallen! Zeichne anschließend auf, wie sich die Kugeln in den Schächten verteilt haben (Stufendiagramm)! Wiederhole den Versuch mehrfach und zeichne erneut! Für 4 Versuche (4 Zeichnungen) sind die Schächte unten vorgegeben. 1 2 3 4 Biologie 76 194 545 Arbeitsblatt 3: Modifikationen beim Wasserhahnenfuß Biologie heute © 1998 Schroedel Verlag GmbH, Hannover Vererbungslehre 1. Beschrifte die Blätter des Wasserhahnenfußes! 2. Beschreibe die Form der Blätter und deute sie als Anpassungserscheinungen! Biologie 76 194 Vererbungslehre Arbeitsblatt 4: Löwenzahn ist „wandelbar“ Biologie heute Aus einer Löwenzahnpflanze wurden 2 Stecklinge geschnitten. Steckling a wuchs in der Ebene auf. Steckling b wurde auf eine Hochgebirgswiese gepflanzt. © 1998 Schroedel Verlag GmbH, Hannover 546 Beschreibe die unterschiedlichen Wuchsformen der beiden Stecklinge und gib eine Vermutung über den Grund ihres unterschiedlichen Aussehens ab! Biologie 76 194 Vererbungslehre 2. 2.1. 547 Vererbung beim Menschen Wie untersucht man Erbanlagen beim Menschen A Aufgaben und Versuche 1. Untersuchungsmethoden der Genetiker Die Vererbungsforschung setzt für Pflanzen und Tiere andere Untersuchungsmethoden ein als für den Menschen. Aufgaben: a) Begründe das unterschiedliche Vorgehen! b) Erkläre, warum die Zwillingsforschung in der Humangenetik eine wichtige Rolle spielt! Lösungen: a) Kreuzungsversuche, Auslese, Ausmerzung und Weiterzüchtung, die man bei Pflanzen und Tieren einsetzt, verbieten sich beim Menschen aus ethischen Gründen. (Der Lehrer wird eventuell darauf hinweisen, dass es inhumane Versuche dieser Art gegeben hat.) Humangenetische Methoden sind z.B. Familien- und Zwillingsforschung. b) Untersuchung und Vergleich gemeinsam oder getrennt aufgewachsener eineiiger und zweieiiger Zwillinge führt wegen der vollständigen Erbgleichheit eineiiger Zwillinge zu wichtigen Erkenntnissen. B Zusatzinformationen I. Aus der Geschichte der Humangenetik Schon den Naturphilosophen des Altertums fiel das gehäufte Auftreten von bestimmten Merkmalen in Familien auf. Der bedeutende Arzt Hippokrates (460 – 377) hatte die Vorstellung, dass alle Körperteile eine Art Saft zur Vererbung beisteuerten. Platon (427 – 347) ging davon aus, dass Vater und Mutter gleichermaßen an der Übertragung der Merkmale beteiligt sind. DE MAUPERTUIS (1698 –1759) berichtete als erster von einer familiären Polydactylie (überzählige Finger). Der englische Arzt J. ADAMS (1756 –1818) kann als Begründer der Humangenetik gelten. Er wusste bereits, dass – es dominante und rezessive Merkmale gibt, – durch Inzucht die Häufigkeit rezessiver Erbleiden steigt, – Erbkrankheiten sich in verschiedenen Altersstadien manifestieren können, – erbliche Krankheitsdispositionen bestimmter Umweltbedingungen bedürfen, um manifest zu werden, – Erbleiden behandelt werden können, wenn man die auslösenden Faktoren zurückdrängen kann. C. F. NASSE (1778 –1851) erklärte 1820 die Bluterkrankheit als geschlechtsgebundenen Erbgang. J. G. MENDEL (1822 –1884) veröffentlichte 1865 seine „Versuche über Pflanzenhybriden“. Er war durch die Auswertung quantitativ ausreichenden Materials zur Aufstellung von Gesetzmäßigkeiten gekommen. FRANCIS GALTON (1822 –1911) untersuchte die Vererbung von Begabungen, führte Familien- und Zwillingsforschung ein und erarbeitete mit seinem Schüler K. PEARSON Grundlagen für die statistische Analyse von Erbvorgängen. Methoden der Humangenetik. Die von der Humangenetik heute genutzten Methoden sind: Familienforschung (Genealogie), Zwillingsforschung, Massenstatistik, Populationsgenetik sowie cytologische und molekularbiologische Methoden. Zwillinge. Auf durchschnittlich 85 Geburten kommt eine Zwillingsgeburt. Auf 3 bis 4 Zwillingsgeburten kommt eine Geburt eineiiger Zwillinge. Die bewusst vereinfachte Abbildung 3 auf Seite 358 zeigt prinzipiell richtig, dass eineiige Zwillinge auf eine einzige befruchtete Eizelle zurückgehen. Das Geschehen ist aber komplizierter. Eineiige Zwillinge entstehen durch die Spaltung der Frucht, die aus einer befruchteten Eizelle hervorgegangen ist. Beim Menschen sind auch eineiige Mehrlinge, sogar Fünflinge bekannt. Man kann also annehmen, dass bis zum 6-Zellstadium durch Spaltung lebensfähige Mehrlinge entstehen können. Spätere Teilungen führen nur dann zu lebensfähigen eineiigen Zwillingen, wenn die Teilung in Längsrichtung erfolgt. Die meisten eineiigen Zwillinge entstehen durch Bildung zweier Embryoblasten in der befruchteten Eizelle. Auch die Bildung zweier Primitivknoten auf dem Keimschild, dessen Aufspaltung und die Trennung von Morulazellen in zwei Komplexe kann zu eineiigen Zwillingen führen. Die entstehenden Zwillinge sind in allen Fällen eineiig, weshalb sie in ihrem Genotyp identisch sind. Zweieiige Zwillinge entstehen aus zwei Eiern eines Follikels eines Eierstocks oder beider Eierstöcke. Sie werden von verschiedenen Spermien befruchtet. Genotypisch entsprechen sie also normalen Geschwistern. Zweieiige Zwillinge haben eigene Placenten, jeweils ein eigenes Chorion und ein eigenes Amnion. Das ist allerdings kein grundsätzliches Unterscheidungsmerkmal! Bei sehr früher Trennung haben nämlich auch eineiige Zwillinge separate Chorien und Amnien. (Angaben nach Mergenthaler, Biologie des Menschen) Biologie 76 194 548 Vererbungslehre II. Zwillingsforschung und Streitpunkt Intelligenz Menschen unterscheiden sich nicht nur in ihren körperlichen, sondern auch in ihren geistigen Merkmalen. Auch hier wirken Erbgut und Umwelt zusammen. Ein Streitpunkt ist immer wieder die Frage: Wie stark ist Intelligenz erblich bedingt? Einige Genetiker gehen von einem hohen erblichen Anteil aus. Zugleich meinen sie, dass Unterschiede der IQ-Werte von Farbigen und Weißen auf genetischen Unterschieden beruhen. Andere Vererbungsforscher heben jedoch hervor, dass durch Kultur und Umwelt bedingte Unterschiede tiefgreifende, unbekannte Auswirkungen haben. Eindeutige Antworten gibt es nicht. Schon die Frage, was ist Intelligenz, ist nicht eindeutig zu beantworten. Zum intelligenten Verhalten bedarf es bestimmter geistiger Fähigkeiten. Man versucht, sie mit sogenannten IQ-Tests zu messen. IQ-Tests, mit denen man den Intelligenzquotienten (IQ) eines Menschen ermittelt, überprüfen mittels zu lösender Aufgaben bestimmte geistige Fähigkeiten, wie z. B. Merkfähigkeit, sprachlichen Ausdruck, schlussfolgerndes Denken, Abstraktionsvermögen und Zahlenverständnis. IQ-Tests werden standardisiert, indem der Durchschnittswert der Bevölkerung bestimmt wird. Nun zeigt sich, dass dieser Wert in den Industrienationen alle zehn Jahre um drei Punkte steigt. Ein normales Testergebnis von 1950 würde heute zum Ergebnis „wenig bis minderbegabt“ führen. Dieser Anstieg der Testintelligenz wird auf schulische Ausbildung, also auf Umwelteinflüsse zurückgeführt. Zwillingsforschung belegt dagegen den erblichen Anteil. Bei eineiigen Zwillingen zeigt sich die größte Übereinstimmung in den IQ-Werten unter allen Verwandten. Heutige Schätzungen gehen davon aus, dass etwa 50 % der Intelligenz erbbedingt sind. C Lösungen zu den Arbeitsblättern Arbeitsblatt 1: Dominant-rezessiver Erbgang beim Menschen Arbeitsblatt 2: Klärung des Erbgangs glatthaarig/kraushaarig bei vorliegendem Familienstammbaum (I) 1. Annahme: Kraushaar ist rezessiv 1. 2. und 3. Kraushaar wird nicht rezessiv vererbt, denn bei Annahme von Rezessivität für Kraushaarigkeit wäre der Phänotyp und damit der Genotyp der Tochter der Familie 4 (Generation B) nicht zu erklären. 2. 50 % haben den Genotyp Ss und 50 % den Genotyp ss; bei der Hälfte der Nachkommen sind die Zähne vorhanden, bei der anderen Hälfte fehlen sie. Biologie 76 194 Vererbungslehre 549 Arbeitsblatt 3: Klärung des Erbgangs glatthaarig/kraushaarig bei vorliegendem Familienstammbaum (II) 1. Annahme: Kraushaar ist dominant 2. und 3. Kraushaar wird dominant vererbt, denn bei Annahme von Dominanz für Kraushaarigkeit ist der Stammbaum widerspruchsfrei zu erklären. Arbeitsblatt 4: Vererbung der Augenfarbe B B <b[ <b[ ı <b[ ı <b[ ı b ı <b[ b b ı <b[ <b[ ı <b[ B <b[ ı Biologie 76 194 550 Vererbungslehre Arbeitsblatt 5: Familienstammbaum für PTH-Schmeckfähigkeit 1. 2. Nichtschmecker sind reinerbig „ss“. Karl kann nur das Gen „s“ weitergeben. Wolfgang muss als Reinerbiger das eine Gen „s“ von Anna geerbt haben. Da sie Schmecker ist, ist ihr Erbbild also „Ss“ 3. Jürgen hat das Erbbild „Ss“ oder „SS“. Seine Mutter ist mischerbig, kann also „s“ oder „S“ weitergeben. Beim Vater sind ebenfalls beide Möglichkeiten denkbar. Im Fall der Reinerbigkeit könnte er nur „S“ weitergeben. Biologie 76 194 551 Arbeitsblatt 1: Dominant-rezessiver Erbgang beim Menschen Das Fehlen der oberen seitlichen Schneidezähne wird beim Menschen dominant vererbt: S = Schneidezähne fehlen, s = Schneidezähne vorhanden. 1. Ergänze im Stammbaum die fehlenden Genotypen und Phänotypen! Es können auch mehrere Genotypen auftreten. Biologie heute © 1998 Schroedel Verlag GmbH, Hannover Vererbungslehre 2. Untersucht man bei einer großen Anzahl von Elternpaaren mit den Genotypen ss und Ss die Nachkommen, so zeigen sich die folgenden Zahlenverhältnisse: genotypisch: phänotypisch: Biologie 76 194 Vererbungslehre Arbeitsblatt 2: Klärung des Erbgangs glatthaarig/kraushaarig bei vorliegendem Arbeitsblatt 2: Familienstammbaum (I) Biologie heute Für das Merkmal glatthaarig/kraushaarig in einer Familie wurde der folgende Stammbau aufgestellt (die verschiedenen Ehen wurden durchnummeriert): © 1998 Schroedel Verlag GmbH, Hannover 552 Um den Erbgang aufzuklären, nimm zunächst an, das Merkmal Kraushaarigkeit würde rezessiv vererbt. Das Gen für Kraushaar hätte dann das Symbol k, das für Glatthaar das Symbol K. 1. Vervollständige den Stammbaum, indem du alle Genotypen angibst! Manchmal kommen für eine Person mehrere Genotypen in Frage! U W – Kraushaar 2. Kraushaar wird rezessiv vererbt, denn: 3. Kraushaar wird nicht rezessiv vererbt, denn: Biologie 76 194 553 Arbeitsblatt 3: Klärung des Erbgangs glatthaarig/kraushaarig bei vorliegendem Arbeitsblatt 2: Familienstammbaum (II) Für das Merkmal glatthaarig/kraushaarig in einer Familie wurde der folgende Stammbau aufgestellt (die verschiedenen Ehen wurden durchnummeriert): Biologie heute © 1998 Schroedel Verlag GmbH, Hannover Vererbungslehre Um den Erbgang aufzuklären, nimm jetzt an, das Merkmal Kraushaarigkeit würde dominant vererbt. Das Gen für Kraushaar hätte dann das Symbol K, das für Glatthaar das Symbol k. 1. Vervollständige den Stammbaum, indem du alle Genotypen angibst! Manchmal kommen für eine Person mehrere Genotypen in Frage! U W – Kraushaar 2. Kraushaar wird dominant vererbt, denn: 3. Kraushaar wird nicht dominant vererbt, denn: Biologie 76 194 Vererbungslehre Arbeitsblatt 4: Vererbung der Augenfarbe 1. Sippentafel Erbanlagen: = Augenfarbe blau = Augenfarbe braun © 1998 Schroedel Verlag GmbH, Hannover 554 Biologie heute Großeltern Eltern Kinder 2. Erbgang Vervollständige den Erbgang! Erbanlagen: B = Augenfarbe braun; b = Augenfarbe blau B B b b b B Biologie 76 194 © 1998 Schroedel Verlag GmbH, Hannover Biologie heute Vererbungslehre 555 Arbeitsblatt 5: Familienstammbaum für PTH-Schmeckfähigkeit Phenylthioharnstoff (PTH) schmeckt manchen Menchen bitter; andere schmecken ihn dagegen nicht. Das Merkmalspaar PTH-Schmeckfähigkeit/PTH-Geschmacksblindheit ist erblich. Das Schmecker-Gen ist dominant. 1. Trage die Symbole für die Erbbilder ein! (Für manche Personen kommen zwei Erbbilder in Frage.) Erbanlagen: S = Schmecker; s = Nichtschmecker ss Ss 2. Begründe unten stehende Aussagen! Karl und Wolfgang sind Nichtschmecker. Daraus folgt, dass Anna den Genotyp Ss hat. Begründung: 3. Welches Erbbild hat Jürgen? Begründe! Biologie 76 194 556 Vererbungslehre 2.2. Die Chromosomen des Menschen 2.3. Mädchen oder Junge – die Chromosomen entscheiden A Aufgaben und Versuche – B Zusatzinformationen I. Chromosomensätze von Tieren (Chromosomenzahlen im diploiden Satz) Säuger Menschenaffen Pavian Makak Kapuzineraffe Rhesusaffe Schwein Schaf Igel Amphibien Grasfrosch Kreuzkröte Axolotl 48 42 44 54 42 38 54 48 26 22 28 Vögel Amsel Graugans Reiher Reptilien Alligator Kreuzotter Zauneidechse Fische Guppy Goldfisch Karpfen 80 80 68 32 36 38 18 94 104 Aus FLINDT, Biologie in Zahlen, Fischer, Stuttg. C Lösungen zu den Arbeitsblättern Arbeitsblatt 1: Das Geschlecht wird vererbt Biologie 76 194 557 Arbeitsblatt 1: Das Geschlecht wird vererbt Ergänze Autosomensätze (A) und Geschlechtschromosomen (X, Y), wo sie in der Zeichnung fehlen! Biologie heute © 1998 Schroedel Verlag GmbH, Hannover Vererbungslehre Biologie 76 194 558 Vererbungslehre 2.4. Blutgruppen sind Vererbungssache 2.5. Die Erforschung von Erbkrankheiten A Aufgaben und Versuche – B Zusatzinformationen – C Lösungen zu den Arbeitsblättern Arbeitsblatt 1: Die Vererbung der Blutgruppen 3. Es handelt sich um einen X-chromosomalgebundenen Erbgang. Das Gen für Rotgrünblindheit liegt auf dem X-Chromosom. Trägt das X-Chromosom des Mannes das krankmachende Gen, so kommt die Krankheit zur Ausprägung, denn es wirkt kein Normal-Gen entgegen. Das Y-Chromosom trägt kein entsprechendes Gen. Frauen mit einem Gen für Rotgrünblindheit sind nicht rotgrünblind, denn das Gen für Farbtüchtigkeit auf dem zweiten X-Chromosom ist dominant. Diese Frauen können aber das defekte Gen weitergeben. Sie sind „Überträgerinnen“. 4. Mr. SCOTTS Mutter ist farbtüchtig, aber sie ist „Überträgerin“. Neben einem Chromosom mit dem Normalgen hat sie eines mit dem defekten Gen, denn die von der Anomalie betroffene Schwester ist homozygot für das defekte Gen. Sie hat sowohl vom Vater als auch von der Mutter ein Chromosom mit dem defekten Gen bekommen. Arbeitsblatt 3: Vererbung einer Missbildung (Kurzfingrigkeit) 1. Arbeitsblatt 2: Der Brief des Mr. SCOTT 1. Mr. Scott 2. Im Verhältnis 1:1. 3. Alle Kinder wären heterozygot kurzfingrig. 2. Rotgrünblindheit. Biologie 76 194 Vererbungslehre 559 Arbeitsblatt 4: Die Bluterkrankheit – ein X-chromosomaler Erbang Biologie 76 194 Vererbungslehre Arbeitsblatt 1: Die Vererbung der Blutgruppen Biologie heute Zeige, welche Blutgruppe die Kinder der drei Elternpaare (a, b, c) jeweils haben können und welche Blutgruppen für das Elternpaar d in Frage kommen! Ergänze dazu in den Stammbäumen den jeweiligen Genotyp bzw. Phänotyp! © 1998 Schroedel Verlag GmbH, Hannover 560 Biologie 76 194 © 1998 Schroedel Verlag GmbH, Hannover Biologie heute Vererbungslehre 561 Arbeitsblatt 2: Der Brief des Mr. SCOTT In einem Brief, den Mr. SCOTT im Mai 1777 an Mr. WHISSON schrieb, heißt es: ... Es ist ein altes Familienleiden: mein Vater hat genau dieselbe Anomalie; meine Mutter und eine meiner Schwestern konnten alle Farben fehlerfrei sehen, meine andere Schwester und ich in der gleichen Weise unvollkommen; diese letzte Schwester hatte zwei Söhne, beide betroffen, aber sie hat eine Tochter, die ganz normal ist. Ich habe einen Sohn und eine Tochter und beide sehen alle Farben ohne Ausnahme; so ging es auch ihrer Mutter; meiner Mutter Bruder hatte denselben Fehler wie ich, obgleich meine Mutter, wie schon erwähnt, alle Farben sehen konnte. Ich kenne kein Grün in der Welt; eine rosa Farbe und ein blasses Blau sehen gleich aus, ich kann sie nicht unterscheiden. Ein kräftiges Rot und ein kräftiges Grün ebenfalls nicht, ich habe sie oft verwechselt, aber Gelb und alle Abstufungen von Blau erkenne ich absolut richtig und kann Unterschiede bis zu einem erheblichen Grad von Feinheit erkennen; ein kräftiges Purpur und ein tiefes Blau verwirren mich manchmal. Ich habe meine Tochter vor einigen Jahren einem vornehmen und würdigen Mann vermählt; am Tage der Hochzeit kam er in einem neuen Mantel aus bestem Stoff in mein Haus. Ich war sehr gekränkt, dass er (wie ich glaubte) in Schwarz kam. Aber meine Tochter sagte, die Farbe sei sehr vornehm; es seien meine Augen, die mich trögen. Er war ein Rechtskundiger und trug einen feinen weinroten Anzug, der für meine Augen so schwarz ist, wie alles Schwarz, das je gefärbt wurde ... 1. Stelle nach dem Lesen des Briefes einen Familienstammbaum auf! Berücksichtige dabei alle im Brief des Mr. Scott erwähnten Personen. Wähle dazu die folgenden Symbole: rotgrünblind U W, farbtüchtig u w. 2. Wie heißt diese Anomalie? 3. Erkläre den Erbgang. 4. Welchen Genotyp haben Mr. SCOTTs Mutter und seine von der Anomalie betroffene Schwester? Begründe deine Entscheidung! Biologie 76 194 Vererbungslehre Arbeitsblatt 3: Vererbung einer Missbildung (Kurzfingrigkeit) Die Kurzfingrigkeit oder Brachydaktylie ist eine dominant vererbte Missbildung. Der 1905 von dem englischen Arzt FARABEE aufgestellte Familienstammbaum ist hier im Ausschnitt abgebildet. (K = Kurzfingrigkeit, k = normale Finger Biologie heute 1. Ergänze im Stammbaum die fehlenden Genotypen und Phänotypen! © 1998 Schroedel Verlag GmbH, Hannover 562 2. In welchem Verhältnis treten im Stammbaum Kurzfingrige zu Normalfingrigen auf? 3. Welches Verhältnis von kurz- zu normalfingrigen Kindern wäre in der Generation 2 zu erwarten, wenn ihre Mutter (Generation 1) homozygot für Kurzfingrigkeit wäre? Biologie 76 194 563 Arbeitsblatt 4: Die Bluterkrankheit – ein X-chromosomaler Erbgang Beim Bluter ist die Gerinnungszeit des Blutes verlängert. Durch ein verändertes Gen ist ein Gerinnungsfaktor ausgefallen. Bluter können bei an sich harmlosen Verletzungen verbluten. Der Ausschnitt aus dem Stammbaum des europäischen Adels zeigt, wie die Bluterkrankheit vererbt wird. Trage die X- und Y-Chromosomen in den Stammbaum ein. Benutze für das Chromosom mit dem Bluter-Gen das Symbol XB. Biologie heute © 1998 Schroedel Verlag GmbH, Hannover Vererbungslehre Biologie 76 194 564 2.6. 2.7. 2.8. 2.9. Vererbungslehre Sie brauchen unser Verständnis und ihre Hilfe Ein Chromosom zuviel – schlimme Folgen Familienberatung ist wichtig Verantwortung des Menschen gegenüber seinen Nachkommen A Aufgaben und Versuche – B Zusatzinformationen I. Pränatale Diagnostik Heute gibt es neben der Fruchtwasserpunktion oder Amniozentese weitere Verfahren pränataler Diagnostik. Während bei der Amniozentese die wenigen gewonnenen Zellen zunächst vermehrt werden müssen und Analyseergebnisse deshalb erst nach ca. zwei Wochen vorliegen, erhält man bei der Chorionzottenpunktion die ersten Ergebnisse schon nach etwa sechs Stunden. Bei diesem Verfahren wird unter Ultraschallkontrolle aus der Plazenta Chorionzottenmaterial abgesaugt. Die enthaltenen Teilungsstadien fetaler Zellen werden zur Chromosomenanalyse benutzt. Leider treten bei diesem Verfahren häufiger Fehlgeburten auf als nach der Fruchtwasserpunktion. Bei der Nabelschnurpunktion entnimmt man aus der Nabelschnur fetales Blut, das anschließend untersucht wird. II. Missbrauch der Eugenik im Nationalsozialismus Der folgende Auszug gibt im Originaltext wieder, wie sich der Verfasser der Abbildungen A und B die Lösungsansätze zu den Problemen vorstellt (aus Dr. B. K. Schultz: Erbkunde, Rassenkunde Rassenpflege. Lehmann Verlag, München 1934): »Die bisherige verkehrte Auffassung von Humanität hat es mit sich gebracht, dass man geistig und körperlich Minderwertigen mit einer vollkommen falschen Einstellung gegenüberstand. Man glaubte, für das Volk ganz etwas Besonderes damit geleistet zu haben, dass man derartigen Unglücklichen ein besonders menschliches und angenehmes Leben verschaffte, vergaß dabei aber in weitestem Ausmaße, gerade für die Aufzucht der wertvollen Erbstämme zu sorgen. Es wird keinem Bauern einfallen, einen verkrüppelten, schwächlichen Baum besonders zu pflegen und zu düngen und diesem allein das Sonnenlicht zukommen zu lassen, dagegen die anderen gesunden Bäume in den Schatten zu stellen. Das war aber bisher tatsächlich der Fall, denn sonst dürfte der Aufwand für körperlich und geistig Abnorme und für Verbrecher nicht so unverhältnismäßig hoch sein. Sind doch die Lebenshaltungskosten für einen Verbrecher höher als für einen Arbeiter und die für den Geisteskranken bedeutender als die für einen mittleren Beamten. Unsere Einstellung in allen diesen Fragen muß heute eine ganz andere sein als bisher. Vor allem muß die Fortpflanzung geistig oder körperlich Minderwertiger verhindert werden und muß es den wertvollen Teilen möglich sein, ein gesundes Leben zu führen und viele tüchtige Kinder aufzuziehen. Wir müssen bedenken, dass in Deutschland nicht weniger als 450 000 mit einem schweren erblichen Gebrechen behaftete Menschen gezählt werden (abgesehen von den Verbrechern), die sich bisher ungehindert fortpflanzen durften und das Volk mit etwa 700 Mill. RM. jährlich belasten...« Biologie 76 194 Vererbungslehre 565 Die zur Bestandserhaltung des Volkes notwendige Geburtenzahl in einer Ehe beträgt ... 3,4 Kinder Männliche Verbrecher in Deutschland haben ............. 4,9 Kinder Auf eine kriminelle Ehe treffen heute ........... 4,4 Kinder Eltern von Hilfsschulkindern haben durchschnittlich ................. 3,5 Kinder Die deutsche Familie hat im Durchschnitt nur ........................................... 2,2 Kinder In einer Familie der gebildeten Schicht sind nur ...................................... 1,9 Kinder A Angenommen ein Volk bestehe aus: 50% HOCHWERTIGE BEVÖLKERUNG JE 3 KINDER 50% MINDERWERTIGE BEVÖLKERUNG JE 4 KINDER NACH 100 JAHREN 23% HOCHWERTIGE MINDERWERTIGE 77% NACH 300 JAHREN B 4% HOCHWERTIGE MINDERWERTIGE Aus der Abbildung A lässt sich erkennen, wie in unverantwortlicher Weise „wissenschaftliche Statistiken“ eingesetzt wurden. So soll die Abbildung A suggerieren, dass die Hauptvermehrungsrate der Bevölkerung bei „unwertem Leben“ liegt, die „wertvollen“ Teile der Bevölkerung nur wenige Kinder zeugen. Dabei wurden die verschiedenen Aspekte bewusst unreflektiert nebeneinander gestellt („männliche Verbrecher“, „kriminelle“ Ehen und sogen. „Hilfsschüler“). Ganz deutlich wird die Angst vor einem „minderwertigen deutschen Volke“ in der Abbildung B geschürt. Von einer fiktiven Annahme ausgehend soll die fürchterliche Vision eines zu 96 % minderwertigen Volkes aufgebaut werden, wenn nicht rechtzeitig „Einhalt geboten“ wird. Neben dieser eindeutigen politischen Zielrichtung ist die Darstellung in höchstem Maße unwissenschaftlich und falsch: 1) Der Prozentsatz z. B. erblich bedingter Krankheiten (und der damit eventuellen Vererbung) entspricht keineswegs den suggerierten Werten. 2) Bei einer großen Anzahl von Erbkrankheiten kann heute durch gezielte medizinische Diagnostik und Behandlung eingegriffen werden (z. B. Diagnose und Diät bei Phenylketonurie). 3) Ob sich die Ansammlung genetischer Defekte in ferner Zukunft einmal negativ auf die menschliche Gesellschaft auswirken wird, ist sehr fraglich. Nach seriösen wissenschaftlichen Berechnungen dauert es über hundert Generationen (ca. 2500 Jahre!), bis sich ein defektes Gen in besorgniserregendem Maße auswirkt. In dieser Zeit ist sicher eine medizinische Lösung des Problems möglich. 4) Immer weniger existieren soziologische und kulturelle Heiratsgrenzen. Dadurch können sich die Gene in einem breiten Genpool weiter verteilen und vermischen, was die Gefahr des Auftretens von rezessiv vererbten Erbkrankheiten sicher weiter vermindern kann. 96% III. Die Genrübe Viren übertragen die Krankheit „Wurzelbärtigkeit“ (Rizomani) bei der Zuckerrübe. Dabei ist das Wachstum der Rübe verändert. An Stelle einer dicken Zuckerrübe erhält der Landwirt dann sehr kleine, knollenartige Gebilde, die viele Wurzelfäden (Wurzelbärte) zeigen. Durch einen Gentransfer ist es gelungen, dass Proteine erzeugt werden, die bei Befall der Rübe durch das Virus dessen RNA regelrecht einpacken. So kann die Erbinformation der Viren nicht in die Zellen eindringen und dort ihre schädigende Wirkung auslösen. Auch im Freilandversuch zeigte sich, dass dieser künstlich in die Pflanze eingebrachte Abwehrmechanismus funktioniert. Freilandversuche sind deshalb wichtig, weil Versuche im Gewächshaus nicht alle Bedingungen wie auf dem offenen Feld simulieren. Im Freiland spielen zusätzlich UV-Bestrahlung, Trockenheit, Hitze, andere Krankheiten oder andere Umweltfaktoren eine große Rolle. Erst wenn die eingebrachte Genmanipulation auch hier ihre Wirkung zeigt, kann die Pflanze mit den neuen Eigenschaften in der Landwirtschaft verwendet werden. Biologie 76 194 566 Vererbungslehre IV. Einschleusung von Fremd-DNA in eine Wirtszelle Um fremde DNA in einen neuen Wirtsorganismus einzuschleusen – sodass sich die DNA vermehren kann –, braucht der Molekulargenetiker geeignete Trägermoleküle, mit denen er die fremde Erbinformation in eine Zelle „einschmuggeln“ kann: Das können Viren oder die Plasmide in Bakterienzellen sein. Plasmide sind relativ kleine, ringförmige DNA-Moleküle, die in vielen Bakterien außerhalb der chromosomalen Erbmasse der Bakterienzelle vorkommen. Sie haben die Fähgkeit zur selbständigen Vermehrung in der Zelle. So lassen sich die Plasmide – aus Bakterien isoliert – gewissermaßen als „Trojanische Pferde“ einsetzen, um fremde DNA in eine Wirtszelle einzuschleusen: Der Gentechniker „schneidet“ das Plasmid an einer Stelle auf. Als „Skalpell“ verwendet er – ebenfalls aus Bakterien isoliert – Restriktions-Enzyme. Diese Enzyme erkennen bestimmte, symmetrisch auf beiden Strängen der DNA verlaufende Abfolgen von vier bis sechs Nukleotiden. Dort setzen die RestriktionsEnzyme einen Schnitt – und zwar so, dass die Schnittstelle in einem DNA-Strang um zwei bis vier Nukleotiden gegenüber der Schnittstelle im anderen DNA-Strang versetzt ist. So entstehen über einen bestimmten Bereich überstehende DNA-Einzelstränge an den Schnittstellen des aufgetrennten Plasmids. Die überstehenden Enden neigen dazu, mit den Basen des Nukleotides eines anderen einzelnen Stranges zusammenzukleben (Sticky end). Diese Eigenschaft nutzt der Gentechniker (wie beim Schneiden eines Filmes eine Szene aus einem Filmstreifen herausgeschnitten und durch eine andere ersetzt wird) zum „Ankleben“ eines fremden Gens. Als „Klebstoff“ wird Enzym verwendet, die DNA-Ligase. Auf diese Weise können Spaltstücke der Fremd-DNA in das Plasmid eingefügt werden. Die Hybrid-Plasmide werden in das Wirtsbakterium – meistens das Colibakterium – eingeschleust (Transformation). Wenn die Bakterienzelle den genetischen Befehlen des eingeschleusten Plasmids gehorcht, produziert sie die „befohlenen“ Produkte und vermehrt die Plasmid-DNA mit dem fremden Gen. Den Vorgang nennt man „Gen-Klonierung“. Es entsteht ein „Klon“ gleicher Gene. C Lösungen zu den Arbeitsblättern Arbeitsblatt 2: Gentransfer Arbeitsblatt 1: Fruchtwasseruntersuchung a Aus Bakterien werden Plasmide als Trägermoleküle gewonnen. b Ein geeignetes Enzym „schneidet“ die DNAStränge des Plasmids – um 4 Nukleotide versetzt – auf. c Die überstehenden Enden der DNA-Stränge „verkleben“ mit den Enden des einzuschleusenden Gens. d Die neu gebildeten Plasmide werden in Bakterien eingeschleust. e Das Bakterium produziert neue Plasmide mit dem eingeschleusten Gen. f Aus den Bakterien können die neu gebildeten Plasmide gewonnen werden. a Mit einer Spritze wird Fruchtwasser aus der Fruchtblase der Schwangeren entnommen. b Durch Zentrifugieren werden die im Fruchtwasser enthaltenen Zellen des Fetus abgetrennt. c / d Von diesen Zellen wird zu ihrer Vermehrung eine Zellkultur angelegt. e Die Chromosomenuntersuchung mit dem Mikroskop zeigt, ob Chromosomenanomalien vorliegen. Biologie 76 194 567 Arbeitsblatt 1: Fruchtwasseruntersuchung Biologie heute © 1998 Schroedel Verlag GmbH, Hannover Vererbungslehre Beschreibe die einzelnen Schritte der Fruchtwasseruntersuchung! a b c/d e Biologie 76 194 Vererbungslehre Arbeitsblatt 2: Gentransfer Beschreibe die Einschleusung eines fremden Gens in ein Bakterium! a) b) Bakterium © 1998 Schroedel Verlag GmbH, Hannover 568 Plasmid Biologie heute Chromosomen DNA c) Enzym d) einzuschleusendes Gen f) e) a b c d e f Biologie 76 194 Vererbungslehre 569 3. Tier- und Pflanzenzüchtung 3.1. Zuchtziele 3.2. Züchtungsmethoden und -erfolge A Aufgaben und Versuche 1. Ernährung der Weltbevölkerung Nach Angaben der UNO betrug die Weltbevölkerung: 1960 1980 1985 3 Milliarden 4,4 Milliarden 4,8 Milliarden die Bevölkerung Afrikas: 276 Millionen 469 Millionen 553 Millionen und ihr Anteil an der Weltbevölkerung: 9,2 % 10,6 % 11,4 % die Bevölkerung Europas: 425 Millionen 484 Millionen 492 Millionen und ihr Anteil an der Weltbevölkerung: 14,1 % 11,0 % 10,2 % Nach UNO-Hochrechnungen wird die gegenwärtige Weltbevölkerung in den nächsten 65 Jahren auf mehr als 9 Milliarden anwachsen. Welternährungslage 1985/86: In den Industriestaaten Überfluss, zum Teil unverkäufliche Überschüsse (EG-Lagerbestände an unverkäuflicher Butter 1985: 1,2 Million t, 1987: 1,34 Millionten t; Magermilchpulver 1985: 1/2 Million t, 1987: 1,3 Millionen t), in vielen, besonders armen Entwicklungsländern, vor allem in Afrika, akute Mangellage. 1985 betrug die Zahl der hungernden Menschen ca. 400 Mill., also über 8 % der Weltbevölkerung. Aufgabe: Lies das angegebene Zahlenmaterial sorgfältig. Notiere Maßnahmen zur Verbesserung der Welternährungslage, die dir im Zusammenhang mit den Zahlen einfallen. Lösung: Die Bevölkerungsexplosion geht vor allem auf die hohen Vermehrungsraten in den Entwicklungsländern zurück. Überbevölkerung wird zu weiterem Hunger führen, obwohl schon gegenwärtig ca. 400 Millionen Menschen hungern. Denkbare Maßnahmen: Geburtenregelung durch empfängnisverhütende Mittel; Umverteilung von Nahrungsmitteln; Produktionssteigerung in den Entwicklungsländern. 2. Verbesserung der Ernährungslage in Mangelgebieten Die FAO (Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der UNO) stellte 1985 fest, „dass auf der Erde genügend Nahrungsmittel erzeugt werden, um theoretisch alle Menschen ausreichend zu ernähren. Dies war jedoch auch 1985 wegen der ungleichen Verteilung der Produktion nicht der Fall, vor allem auch deshalb, weil den Menschen in den Mangelgebieten der Entwicklungsländer teils wegen fehlender Devisen (zum Import von Nahrungsmitteln), teils wegen unzureichender Transport- und Lagermöglichkeiten nicht genügend Ernährungsgüter aus den Überschussregionen zur Verfügung gestellt werden konnten. Die Hauptgründe für die mangelhalfte Nahrungsmittelproduktion und -versorgung der Entwicklungsländer (...): zu geringe Produktivität der Landwirtschaft durch das Fehlen moderner Technologien und geeigneter Bearbeitungsmethoden, hochwertigen Saatguts und ausreichenden Mineraldüngers, aber auch durch leistungshemmende Agrarverfassungen, fehlende Vermarktungsmöglichkeiten, ungenügende Transportmittel u.ä. Hinzu kommen die hohen Ernte- und Nachernteverluste durch Schädlinge, Verderb, Witterungseinflüsse (wegen mangelnder Lager- und Konservierungsmöglichkeiten) sowie der weitverbreitete Rückgang der Bodenfruchtbarkeit als Folge falscher Bewirtschaftung, der Erosion, der Entwaldung usw.“ Aufgabe: Notiere in Stichwörtern alle Maßnahmen zur Verbesserung der Ernährungssituation der Menschen in den Mangelgebieten, die dir beim mehrmaligen Lesen des Textes einfallen. Lösung: Maßnahmen: Schaffung außerlandwirtschaftlicher Arbeitsstätten (Erhöhung der Kaufkraft); Steigerung der Produktion ausführbarer Waren (Steigerung der Devisen für Nahrungsmittel-Importe); Verbesserung der Transportmittel (Verteilung entsprechend Erfordernissen); Ausbau von Lagerkapazitäten. Steigerung der Nahrungsmittelproduktion durch Erhöhung der Produktivität der Landwirtschaft: Einführung moderner Technologien; Verbesserung der Anbau- und Bearbeitungsmethoden; Verwendung hochwertigen Saatguts (wobei der Fehler nur eine oder wenige Sorten anzubauen, vermieden werden muss); ausreichende Düngung des Bodens (auch mit Mineraldünger), Anwendung angemessener Erntemethoden (Geringhalten der Verluste); Schutz vor Schädlingen (vor und nach der Ernte, z. B. Biologische Schädlingsbekämpfung und Konservierung); Schutz vor Witterungseinflüssen (entsprechende Lagerung); Erhaltung der Bodenfruchtbarkeit (Fruchtwechsel, Brache, Erosionsschutz, Walderhaltung). Entwicklungshilfe muss vor allem längerfristige Maßnahmen zur Selbsthilfe bewirken. 3. Auslesezüchtung Die von einem Bohnenfeld geernteten Samen zeigen unterschiedliche Längen, z. B. von 10 bis 19 mm. Durch Auslesezüchtung sollen Pflanzen mit besonders großen Samen gewonnen werden. Aufgaben: a) Beschreibe, wie du als Züchter vorgehen würdest. b) Welche Voraussetzungen müssen gegeben sein, damit du Erfolg hast. (Berücksichtige bei deinen Überlegungen, was du über Modifikationen weißt.) Lösungen: a) Nur die größten Samen werden ausgewählt und ausgesät. Von den Pflanzen, die aus ihnen hervorgehen, wählt man wieder nur die größten Samen als Saatgut aus usw. Biologie 76 194 570 b) Die Züchtung von Bohnenpflanzen mit besonders großen Samen gelingt nur dann, wenn die Samen, von denen man ausgeht, verschiedenen reinen Linien angehören, wenn also die unterschiedliche Länge der Samen erblich ist. Handelt es sich dagegen nur um Modifikanten, dann streuen die Samen der Folgegenerationen genauso in ihrer Länge, wie die der Ausgangsgeneration. Die phänotypische Varianz eines Merkmals setzt sich aus der genetischen und der umweltbedingten Komponente zusammen. Nur die erste spielt für die Auslesezüchtung eine Rolle. 4. Wie eine Kulturpflanze entsteht Die Züchtung der gelben Süßlupine ist ein Beispiel für das Entstehen einer Kulturpflanze aus der Wildform. Aufgabe: Erkläre deinen Mitschülern in einem Referat, welche für den Menschen wichtigen Merkmale bei der Züchtung der Kulturformen der Lupine eine Rolle gespielt haben. Benutze dazu die Bilder 1 bis 8 der FWU-Diareihe 10 02021: Entstehung einer Kulturpflanze - Mais und Lupine. Lösung: Kulturpflanzen entstanden als Ergebnis des Eingreifens des Menschen in das Evolutionsgeschehen. Die Lupinenzüchtung verdeutlicht, wie in wenigen Jahrzehnten unter dem Einfluss von Genmutationen aus einer Wildform eine Kulturpflanze entstand. Die kultivierten Lupinen wurden zunächst für die sogenannte Gründüngung genutzt. Die Pflanzen wurden, nachdem sie ausgewachsen waren, untergepflügt, um dem Boden Stickstoff und Humus zuzuführen. Da eine möglichst große Gründüngermasse erwünscht war, erfolgte durch den Landwirt eine Auslese der hochwüchsigen Mutanten. Der hohe Eiweißgehalt der Pflanzen führte zu dem Wunsch, sie als Futterpflanze zu verwenden. Dem standen die Bitterkeit und Giftigkeit durch den Alkaloidgehalt im Wege. Der Züchter v. SENGBUSCH ging davon aus, dass es von der Lupine – wie bei anderen Schmetterlingsblütlern auch – alkaloidfreie Mutanten geben müsste. Unter Berücksichtigung der niedrigen Mutationsrate ging er von einem außerordentlich umfangreichen Pflanzenmaterial aus. Unter Tausenden von Pflanzen wurde die erste alkaloidarme Mutante gefunden. Bei der gelben Lupine sind z. B. drei rezessive Genmutationen für die starke Reduzierung des Alkaloidgehaltes verantwortlich. Als man die Süßlupine durch Auslesezüchtung als Futterpflanze für Tiere gewonnen hatte, suchte man nach Mutanten mit weiteren, wünschenswerten Eigenschaften: z. B: Platzfestigkeit der Hülsen, Schnellwüchsigkeit, Weichschaligkeit der Samen. Anmerkung: Bei der Beschreibung der Vorteile, die die Kulturpflanze gegenüber der Wildform für den Menschen hat, sollte deutlich werden, dass viele dieser Eigenschaften für die Pflanze eine verschlechterte Anpassung an das Leben in der freien Natur bedeuten. So ist die alkaloidhaltige Wildform vor Tierfraß sicher besser geschützt als die bitterstofffreie Kulturpflanze. 5. Kombinationszüchtung einer neuen Pflanze Ein Züchter hat zwei Lupinensorten: A – eine alkaloidfreie Süßlupine mit leicht platzenden Hülsen; B – eine Pflanze mit dem Bitterstoff, aber platzfesten Vererbungslehre Hülsen. Das erwünschte Merkmal liegt in beiden Pflanzen reinerbig vor. Die Sorte A ist als Viehfutter geeignet, ihre Samen lassen sich aber nur mit großen Verlusten ernten. Die Sorte B ist als Viehfutter ungeeignet, aber erntefreundlich. Der Züchter möchte beide Eigenschaften (ohne Bitterstoff, platzfest) in einer Sorte vereinen. Bei einem Kreuzungsversuch erhielt er in der 1. Tochtergeneration bittere Pflanzen mit platzenden Hülsen. Aufgabe: Erkläre das weitere Vorgehen des Züchters. Stelle ein Erbschema auf. Benutze darin die entsprechenden Anfangsbuchstaben der Eigenschaften. Das dominante Merkmal wird jeweils als großer Buchstabe geschrieben, das entsprechende rezessive Merkmal als kleiner Buchstabe. In welchem Zahlenverhältnis kann er die gewünschte Form erwarten? Lösung: B - bitter; b – ohne Bitterstoff P – platzend; p – platzfest. In der F2 erhält der Züchter folgendes Verhältnis: bitter bitter bitterstoff- bitterstoffplatzend platzfest frei/ frei/ platzend platzfest 9 :3 :3 :1 Für 1/16 der F2-Pflanzen kann der Züchter die erwünschte Form erwarten. 6. Inzucht birgt Gefahren Als besondere Form der Kombinationszüchtung wendet man bei Tieren die Inzucht an. So kreuzt man z. B. bei Rindern nahverwandte Tiere, wie Geschwister, miteinander. Da enge Verwandte in vielen Genen übereinstimmen, erreicht man auf diese Weise schneller die Reinerbigkeit von Anlagen. Mit der Inzucht sind aber auch Gefahren verbunden. Ein Beispiel dafür ist ein Holsteiner Bulle. Er zeigte besonders wertvolle Eigenschaften. Im Jahre 1902 wurde er nach Schweden verkauft. Bereits 1930 gab es in Europa 2000 registrierte Zuchttiere, die Gene von ihm hatten. Nun stieg in dieser Zeit die Zahl haarlos geborener Kälber, die ihe Körpertemperatur nicht zu regeln vermögen und kurz nach der Geburt sterben. Sie zeigten sich homozygot für ein rezessives Gen. Ihr gemeinsamer Stammvater war, wie sich herausstellte, der genannte Holsteiner Bulle. Aufgaben: a) Erkläre den geschilderten Sachverhalt. b) Stelle ein Erbschema für ein haarloses Kalb und seine Eltern auf. Biologie 76 194 Vererbungslehre Lösungen: a) Der Stammvater, der Holsteiner Zuchtbulle, war in bezug auf das Gen für Haarlosigkeit (h) heterozygot (Hh). Das Gen für Haare (H) ist dominant. Die Inzucht führte nun zur Kreuzung heterozygoter Rinder. 1/4 ihrer Nachkommen sind in bezug auf das Gen für Haarlosigkeit homozygot (hh). Die besondere Gefahr der Inzucht liegt im Homozygotwerden rezessiver, schädlicher Gene. b) 571 Hat sich nun eine Sorte als anfällig gegen bestimmte Schädlinge, z. B. gegen Nematoden (Rundwürmer) erwiesen, die in der Knolle Cysten erzeugen und damit Qualität und Ertrag mindern, so wird die Züchtung einer neuen Sorte erforderlich. Nematodenbeständigkeit findet man ursprünglich nur bei Wildformen der Kartoffel. Ausgangspunkt für den Züchter sind also eine Kulturform der Kartoffel und eine nematodenbeständige Wildform. Aufgabe: Überlege und notiere, in welchen Schritten der Züchter zu einer solchen Sorte gelangen könnte. Berücksichtige, dass die Kartoffel sich sowohl vegetativ durch Knollen als auch sexuell durch Samen fortpflanzen kann. 7. Heterosiszüchtung Bei dieser Züchtungsmethode geht man von der Kreuzung verschiedener Rassen von Nutzpflanzen oder Haustieren aus. Man nutzt die dabei entstehenden F1-Bastarde (Hybride). Viele unserer ertragreichen Nutzpflanzen und Haustiere sind Ergebnisse dieser Züchtungsmethode: z. B. Tomaten, Zuckerrüben, Kürbis, Blumenkohl, viele Zierpflanzen und Forstbäume. Hühner und Schweine werden durch Gebrauchskreuzung gezüchtet. (So nennt man die Heterosiszüchtung in der Tierzüchtung.) Aufgabe: Stelle in einem Referat die Vorgehensweise bei dieser Züchtungsmethode dar und berücksichtige die besonderen Schwierigkeiten. Nutze als Beispiele den Mais und das Huhn. Verwende die folgenden FWU-Diareihen und ihre Beiblätter: 10 02021 Entstehung einer Kulturpflanze: Mais und Lupine, ab Bild 9; 10 00682 Hühnerrassen – Legerassen, Bild 9: Zuchtschema einer Gebrauchskreuzung. Lösung: Man gewinnt durch Inzucht weitgehend homozygote Individuen, erzeugt also Rassen oder reine Linien. Die Kreuzung zweier solcher Nutzpflanzenrassen ergibt dann F1-Bastarde. Sie wachsen oft kräftiger und sind leistungsfähiger als ihre Eltern. Man spricht vom luxurierenden Wachstum oder vom Heterosiseffekt. Er hängt wohl mit der Heterozygotie, d. h. dem Zusammentreffen zweier verschiedener Allele von Erbanlagen zusammen und scheint um so stärker, je mehr homozygote Allelpaare bei den Eltern vorlagen. Die besonderen Schwierigkeiten dieser Methode sind dadurch bedingt, dass der Heterosiseffekt nur die F1-Generation betrifft und in den Folgegenerationen wieder schwindet. Aus diesem Grunde müssen die F1-Bastarde, die Nutzpflanzen, immer wieder neu aus den reinen Rassen gewonnen werden. Die Zuchtpflanzen müssen also neben den Nutzpflanzen ständig weiter gezüchtet werden. An den Beispielen Mais und Huhn lassen sich die dabei zu erreichenden Leistungssteigerungen gut verdeutlichen. Anmerkung: Beim Mais lässt sich die Steigerung durch Doppelhybride zeigen. 8. Zuchtziel Schädlingsbeständigkeit Von der Kartoffelpflanze ernten wir die Knollen. Das sind unterirdische, verdickte Sprossteile mit Speicher-, Überwinterungs- und Vermehrungsfunktion. Lösung: Durch die vegetative Fortpflanzung der Knollen wird jeweils das gleiche Erbgut weitergegeben. Im gegebenen Fall muss sexuell fortgepflanzt werden. Kulturform und Wildform werden gekreuzt. Die gewonnenen Samen lassen nicht erkennen, ob sie die gewünschte Genkombination (weitgehende Ähnlichkeit mit der Kulturform und Nematodenbeständigkeit) zeigen. Sie werden später ausgesät. Jede Pflanze wird einzeln aufgezogen. Die gewonnenen Knollen jeder Pflanze werden isoliert zu neuen Pflanzen herangezogen, wobei ein Teil in nematodenverseuchter Erde geprüft wird. Wie häufig das erwünschte Merkmal Nematodenbeständigkeit auftritt, ist davon abhängig, ob es dominant oder rezessiv vererbt wird. Durch Auslese gewinnt man dann die gewünschte Sorte. 9. Zuchterfolge aus unterschiedlicher Sicht Die Züchtung von Hausschweinrassen erbrachte beachtliche Erfolge. Die Züchter erzielten eine größere Wachstumsrate, bessere Futterausnutzung und ein verbessertes Fleisch-Fett-Verhältnis. Zugleich ist aber die Stressanfälligkeit der Tiere erheblich größer geworden. Schon beim Transport muss man damit rechnen, dass Tiere infolge dieser Anfälligkeit sterben. Gegenüber der Anpassung des Wildschweins an das Leben in der freien Natur ist hier also eine Verschlechterung eingetreten. Weitere Zuchterfolge aus Tier- und Pflanzenzüchtung: Durchschnittlicher Jahresmilchertrag: Wildrind 600 l, Milchkuh 4548 l; durchschnittliche Jahreslegeleistung: Wildhuhn 10 Eier, Legehuhn 265 Eier; Spindelbrüchigkeit der Wildgersten-Ähre, Spindelfestigkeit der Kulturform der Gerste; hartschalige Samen bei der Wildform der Lupine, weichschalige Samen bei der Kulturform; Früchte mit Samen bei den Wildformen, samenlose Früchte bei manchen Kulturformen; Wildform des Leins - aufspringende Kapsel, Kulturform - geschlossene Kapsel. Aufgabe: Erkläre für die aufgeführten Beispiele, welchen Vorteil der Mensch jeweils hat. Überlege dir entsprechend für jedes Beispiel, welche Nachteile für die Wildform mit dem neuen Merkmal verbunden wären. Lösung: Beispiel – Die Spindelfestigkeit der KulturGerste ist für den Menschen vorteilhaft, denn sie mindert die Ernteverluste. Die Spindelbrüchigkeit der Wildgersten-Ähre ist für die Verbreitung der Pflanze von Vorteil. Spindelfestigkeit würde ihre Verbreitungschancen mindern. Biologie 76 194 572 Vererbungslehre B Zusatzinformationen I. Biotechnische und gentechnische Verfahren haben die Möglichkeiten der Züchtung erweitert Zu den klassischen Züchtungsmethoden sind in jüngerer Zeit Methoden hinzugekommen, die es erlauben, unverträgliche Arten zu kreuzen. Sogar die Rekombination von DNA-Abschnitten nicht verwandter Organismen ist inzwischen möglich. So lassen sich z.B. biotechnisch aus Pollen haploide Pflanzen gewinnen, die man druch Colchicineinwirkung später diploidisiert. In den Zellkernen dieser Pflanzen liegen dann alle Allele homozygot vor, was die Auslese erwünschter Pflanzen natürlich erleichtert. Mit diesem Verfahren hat man bereits Tomaten, Reis, Raps, Sojabohnen und Tabak gezüchtet. Mit Hilfe der Gentechnik kann man nützliche Abschnitte des Erbmaterials in Pflanzen einschleusen. Man hat auf diese Weise schon eine große Zahl sogenannter transgener Pflanzen hergestellt. Solche durch Gentechnik veränderten Pflanzen können z. B. durch Toxine, die sie mittels neuer Gene erzeugen, insektenresistent sein. Andere sind gegenüber Viruserkrankungen resistent. Auch herbizidtolerante Pflanzen sind erzeugt worden. Bei einer chemischen Unkrautbekämpfung nehmen sie keinen Schaden, während nichterwünschte Pflanzen abgetötet werden. Apfel Aubergine Baumwolle Blumenkohl Brokkoli Erbse Erdbeere Fichte Flachs Gurke Himbeere Kartoffel Kiwi Kohl Luzerne Mais Meerrettich Mohrrübe Papaya Pappel Pfeffer Pflaume Preiselbeere Raps Reis Roggen Salat Sellerie Sojabohne Sonnenblume Spargel Süßkartoffel Tabak Tomate Walnuss Weintraube Weizen Zuckermelone Zuckerrohr Zuckerrübe Transgene Nutzpflanzen (Stand 1992) Diese modernen Züchtungsverfahren sind, bei aller Faszination für die, wie es scheint, unbegrenzten Möglichkeiten, umstritten. Neben irrationaler Furcht, die es gegenüber Neuerungen zu aller Zeit gegeben hat, gibt es durchaus Mahnungen von Wissenschaftlern, die auf mögliche Gefahren hinweisen. So weiß man z.B. über die Stoffwechselprozesse im menschlichen Körper bei Genuss gentechnisch erzeugter Nahrungsmittel noch zu wenig. Die Herbizide oder ihre Abbauprodukte in transgenen Pflanzen könnten im menschlichen Organismus krebsauslösend oder erbgutverändernd wirken. C Lösungen zu den Arbeitsblättern Arbeitsblatt 2: Heterosiszüchtung Arbeitsblatt 1: Zuchtveränderungen beim Schwein 1. 1. Zunächst wurde Wert auf ein fleisch- und speckreiches Schwein gelegt. Später veränderten sich die Verbraucherwünsche hin zu fettarmem Fleisch. Durch 2 Rippen zusätzlich können mehr Koteletts verkauft werden. 2. Weideschwein: Mager, hochbeinig, schlank; Weidetier, Abfallverwerter, Nahrung (gering) Speckschwein: Massiger Körper, starker Fettansatz, starker Muskelansatz; Abfallverwerter, Nahrung (viel Fleisch und Fett) Magerschwein: Starker Muskelansatz, weniger Fett, mehr Rippen bzw. Fleisch; Abfallverwerter, Nahrung (mageres Fleisch) Chromosomenpaare des F1-Bastards 2. Zahl der fördernden Gene: 6. Biologie 76 194 573 Arbeitsblatt 1: Zuchtveränderungen beim Schwein Biologie heute © 1998 Schroedel Verlag GmbH, Hannover Vererbungslehre 1. Beschreibe die Zuchtveränderungen beim Schwein im Verlauf von etwa 250 Jahren! 2. Die Körpergestalt des Schweines lässt auch auf seinen Nutzen für den Menschen und seine Nahrungsbedürfnisse schließen. Welchen Nutzen erbrachten die einzelnen Zuchtstadien? Biologie 76 194 Vererbungslehre Arbeitsblatt 2: Heterosiszüchtung Biologie heute Beim Mais erhält man durch den Anbau von Doppelhybriden besonders hohe Erträge. Die Doppelhybriden gewinnt man durch Heterosiszüchtung. Dazu erzeugt man zunächst durch Inzucht reinrassige Sorten. Sie sind in bezug auf viele Gene homozygot. Im zweiten Schritt werden durch eine Einfachkreuzung Einfachhybride erzeugt. © 1998 Schroedel Verlag GmbH, Hannover 574 Die Rassen I und II haben jeweils 3 dominante, den Ertrag fördernde Gene auf zwei Chromosomenpaare verteilt. 1. Trage die Gene für die Bastardgeneration F1 ein! 2. Wieviel fördernde Gene hat die Bastardgeneration F1? Biologie 76 194