Teil 1/Ausgabe 1, 2012
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Teil 1/Ausgabe 1, 2012
Gemessen wird seit vielen tausend Jahren! Messtechnik Beispiel Ägypten Dies sind Seiten, in denen nicht nur über Sensoren für Techniker berichtet wird, die sind auch für Kollegen, Familie, Freunde oder Kinder gedacht. Also liebe Leser, zeigt diese Seiten weiter und diskutiert darüber. Deshalb haben wir uns diesmal einem alten und auch jungen Thema angenommen. Alt ist die Messtechnik an den Ursprüngen der Zivilisation im alten Ägypten, die vor 4.000 bis 5.000 Jahren begann, und jung sind die aktuellen Revolutionsereignisse in Nordafrika und Ägypten, wo vieles heute noch im Fluss ist. Daher berichten wir in zwei Abschnitten über Messtechnik in Ägypten, zuerst in dieser Ausgabe über die 'alte' Messtechnik, und dann im zweiten Teil in Ausgabe 2/2012 über Messtechnik und relevante Industrien im jungen, heutigen Ägypten. Messtechnik im 'alten' Ägypten Vor über 10.000 Jahren wurden die ersten Menschen sesshaft. Der Ackerbau und die Viehzucht wurden 'erfunden'. Dies geschah zuerst in den großen Flußtälern, wie am Nil in Ägypten, am Euphrat und Tigris im heutigen Irak, am Hoangho in China oder am Indus in Pakistan. In Ägypten dominierten die jährlich wiederkehrenden NilÜberschwemmungen das Leben der Menschen. Fruchtbarer Nilschlamm 46 SENSOR MAGAZIN 1/2012 wurde während der Überflutungen regelmäßig auf die Felder gespült und ermöglichte reichhaltige Ernten. Die Bauern organisierten sich, es wurden erste Vorratshaltungen durchgeführt und Handel getrieben. Es bildeten sich Dörfer und Städte mit politischer Führung und einem Götterglauben. Dies führte zur Errichtung eines ersten Staatswesens mit einer frühen Arbeitsteilung. Es gab Könige, Priester, Beamte und Bauern. Damit ver- bunden waren bald Übereinkommen und Absprachen zu den grundlegenden Größen, wie Zeiten, Längen, Gewichte und andere Parameter. Um 3.400 v. Chr. kam es zur Entwicklung der ersten Schrift, die frühesten Hieroglyphen fanden sich in Königsgräbern in Abydos in Oberägypten. Der erste König war Menes, der um 3.100 v. Chr. Ober- und Unterägypten einigte und die Hauptstadt Memphis gründete. Unter seinen Nachfolgern erlebte Ägypten eine kulturelle Blüte, die ersten Pyramiden wurden in Sakkara (die Stufenpyramide für König Djoser vom Wesir, Arzt und Baumeister Imhotep) gebaut, und danach die gewaltigen Pyramiden von Cheops, Chephren und Mykerinos in Giza. Auch dazu war eine ausgeklügelte Messtechnik notwendig. Das Messwesen begann wahrscheinlich mit der Zeitbestimmung und mit der Wegmessung, und dazu kamen PANORAMA auch Massebestimmungen, etwa das Volumen von Korbinhalten, die getauscht wurden. Die erste jährliche Zeitmessung richtete sich nach der Nil-Überflutung im Herbst, wodurch das Land jeweils mit fruchtbarem Schlamm überflutet wurde. Die Flut kam dann nach 365 Tagen wieder, parallel dazu zog die Sonne in dieser Zeit ihren Gang durch den Sternenhimmel. Das ägyptische Kalenderjahr wurde etwa 2.900 v. Chr. eingeführt und hatte drei große Jahreszeiten: Überschwemmung, Aussaat und Hitze, jede zu vier Monaten mit jeweils 30 Tagen Dauer. Durch die 12 Neumonde im Jahr wurde dieses in 12 Monate geteilt, jeweils 30 Tage lang. Dann kamen fünf zusätzliche Tage zum Ausgleich dazu, das Jahr hatte also 365 Tage, ohne ein Schaltjahr. Dieser 'einfache' Sonnenkalender wurde von den Priestern möglicherweise schon 2.800 v. Chr. zur Hochwasservorhersage genutzt. Die Monate wurden in jeweils drei Wochen zu zehn Tagen unterteilt. Die tägliche Zeit wurde aus der beobachteten Höhe des Sonnenstands bestimmt. Dies erfolgte direkt oder aus der Lage des Schattens von einem in die Erde gesteckten Stock oder einem Baum – das Prinzip der Sonnenuhr war erfunden. Die tägliche Zeiteinteilung lag schon seit etwa 4.000 v. Chr. bei jeweils 12 gleichlangen Stunden am Tag und weiteren 12 Stunden bei Nacht. Insbesondere zur Zeitmessung während der Nachtstunden wurden Wasseruhren verwendet. Dafür wurden steinerne Gefäße eingesetzt, die eine konische Form hatten, die sich nach unten verjüngten. Im Boden dieses Gefäßes befand sich eine kleine Öffnung, durch die Wasser ausfloss. Das Innere der Wasseruhr war durch die Einritzung in zwölf Stunden unterteilt. An den Außenseiten wurden oftmals Gottheiten dargestellt, die be-stimmte Gestirne verkörpern. Das jährliche Nil-Hochwasser bestimmte das Leben. Planung und Vorratshaltung setzte ein, und das Acker- ▲ Abb. 1: Auslauf-Wasseruhr Bild: bpk Bildagentur Preussischer Kulturbesitz / Ägyptisches Museum ▲ Abb. 2: Nilometer der Nilinsel Elephantine bei Assuan Bild: Rolf Pötschke, Hannover, Oktober 2007 land wurde nach den Überschwemmungen neu vermessen. Nilometer in Assuan auf der Insel Elephantine / Philae wurden um 2.200 v. Chr. gebaut. Weitere Nilometer gab es in Edfu und in Kairo, wo die Höhe des Nil-Hochwassers bestimmt wurde, denn danach richtete sich die Erwartung des Ernteerfolgs. Abb. 2 zeigt das Nilometer der Insel Elephantine bei Assuan SENSOR MAGAZIN 1/2012 47 PANORAMA ▲ Abb. 3: Ägyptischer Maßstab Bild: bpk Bildagentur Preussischer Kulturbesitz / Ägyptisches Museum ▲ A bb. 4: Relief einer Waage für ärztliche Anwendungen, zur Herstellung von Salben und anderen Medikamenten (Kom Ombo Tempel, griechische Zeit) ▲ Abb. 5: Zahlensystem der Ägypter aus der Zeit des römischen Kaisers Augustus, basierend auf einer viel älteren Vorstufe. Dies Nilometer ist eine 'Treppenanlage', die am unteren Ende eine 'Tür' besitzt, in die das Wasser bei Nilhochstand hineinfließen kann und anhand von Messlatten, die in die Wände der 'Treppe' geschlagen (und modern aus Marmor einge- 48 SENSOR MAGAZIN 1/2012 lassen) sind, waren die Fluthöhen und die Verweildauer des Hochwassers abzulesen. Nach jeder Überflutung musste das Land praktisch neu vermessen und verteilt werden, da der Nilschlamm alles überdeckte. Dazu verwendeten die Priester Seile mit Knoten in regelmäßigen Abständen, das Merkhet, das die Länge des Mittelstücks eines Palmwedels besaß. Besondere Leistungen zeigten sich bei den Großbauten wie den Pyramiden. Die Seiten waren exakt auf die vier Himmelsrichtungen ausgerichtet, die Bauplätze wurden vermutlich mit gespannten Stricken vermessen, und es wurde eine Art Wasserwaage zur Nivellierung des Bodens eingesetzt. Im alten Ägypten sind Ellen aus Stein und Metall mit eingeritzter Unterteilung seit etwa 1.500 v. Chr. gefunden worden. Die 'königliche Elle' (Mahi) war danach 52,4 cm lang und galt für die Abgaben an den König und die Priester. Für das tägliche Leben wurde die 'gemeine Elle' (Mahi nets) verwendet, die etwa 45 cm lang war. Diese Elle wurde unterteilt in sieben Handbreiten (Sop = Hand) zu je vier Fingern (Teba = Finger). Weitere Kleinmaße gab es für Erta = Spanne, Remen = Oberarm. Im handwerklichen Bereich wurden entsprechend genormte Messlatten aus Holz benutzt. Für große Entfernungen gab es die Meile, die aus 10.000 königlichen Ellen bestand und 10,48 km maß. Für diese Distanzen benutze man Seile. Insbesondere für die regelmäßigen Landvermessungen entwickelten die alten Ägypter ein Zahlensystem, das dem unseren schon sehr ähnlich war (Abb. 5). Das war ein Dezimalsystem mit Einern, Zehnern und Zehnerpotenzen, bis zu einer Million. Jede Zahl wird dabei so oft als nötig wiederholt. Die höchsten Stellen waren links angeordnet. Jede Zahl ist durch Symbole gekennzeichnet, die in zwei Zeilen angeordnet waren. Die ersten Waagen wurden schon etwa 5.000 v. Chr. verwendet, mit zwei Schalen und ersten Gewichten. Für Waagen im täglichen Leben nutzten Ägypter die Maßeinheiten Kedet, und das Deben zu 10 Kedet. Diese Einheiten galten seit etwa 4.000 v. Chr., bis ins Mittlere Reich. Bekannt wurden Gewichtstücke zu ½ Kedet, 1 Kedet, 2 ½ , 5, 10 und 50 Kedet. Ein Deben wiegt 90,96 g. Mit diesen Gewichten wurden PANORAMA ▲ A bb. 6: Neben der Waage des Totengerichts steht der Gott Thot mit einem Ibiskopf (rechts) und protokolliert das Ergebnis vom Wiegen des Herzens beim Totengericht. Daneben der schakalköpfige Gott Anubis. Zeitgenössischer Papyrus aus Luxor. ▲ Abb. 7: Wandmalerei aus dem Grab des Nakht in Theben, um 1.400 v. Chr. Bild: bpk Bildagentur Preussischer Kulturbesitz / Ägyptisches Museum wahrscheinlich nur sehr wertvolle Waren, wie Edelmetalle, Edelsteine, Weihrauchharze, Gewürze oder Arzneimittel u. ä. gewogen. Auch in ihren religiösen Vorstellungen verwendeten die alten Ägypter die Waage. So wurden den Verstorbenen Papyrusrollen ins Grab gegeben, die Anweisungen für das Leben im Jenseits enthalten. Im Jenseits kam Thot die Aufgabe des Totenführers zu: Er geleitete die Verstorbenen zum Totengericht, bei dem das Herz des Verstorbenen auf einer großen Waage gegen die Feder der Göttin Maat (der Gerechtigkeit) abgewogen wurde. War das Herz leichter als die Feder, war der Tote gerechtfertigt und damit würdig, unter den Göttern im Jenseits zu leben. Thot nahm das Wiege-Ergebnis auf und hielt es auf seinen Schreibtafeln fest. Hohlmaße wurden zur Mengenbestimmung von Getreiden, Gewürzen oder Gold benutzt, das Hin (mit 0,48 l). 10 Hin waren 1 Hequat (4,8 l), 10 Hequat ergaben ein Char (Sack) mit 48 l. Die Getreidemenge etwa wurde mit entsprechenden Maßkörben für die Vorratshaltung bestimmt, wie in Grabkammern verewigt (Abb. 7 aus dem Jahre 1400 v. Chr.). Résumé Einige dieser alten Maßeinheiten und Erfahrungen sind über viele Generationen überliefert worden und sind uns daher erhalten. Andere wurden vom Wüstensand verschüttet und Jahrhunderte lang darin vergraben. Erst nach 1.800 n. Chr. ist das Interesse an dieser alten Kultur wieder erwacht, Ausgrabungen setzten ein und die Geschichte wird bis heute langsam weiter erforscht. Aber Ägypten besteht nicht nur aus der alten Messtechnik, deren Wurzeln mehrere Jahrtausende zurück reichen. Auch heute gibt es einige für uns interessante Messtechnik-Aktivitäten in Ägypten. Darüber berichten wir in der nächsten Ausgabe 2/2012 des SENSOR MAGAZIN. - gt - SENSOR MAGAZIN 1/2012 49