Das Bild der Geliebten in Goethes Versen an Lida
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Das Bild der Geliebten in Goethes Versen an Lida
ANNA AMALIA UND GOETHE AKADEMIE ZU WEIMAR WILHELM SOLMS Das Bild der Geliebten in Goethes Versen an Lida 1 Vortragsreihe der Anna Amalia und Goethe Akademie zu Weimar Herausgegeben von PROF. DR. ILSE NAGELSCHMIDT und DR.GABRIELE VON TRAUCHBURG Festvortrag gehalten anläßlich von Goethes Geburtstag am 28. August 2012 in Weimar Mit freundlicher Unterstützung von: Anna Amalia und Goethe Freundeskreis e.V. Ingeborg und Dr. Albrecht Schultz, Wuppertal Karin und Joachim König, Burgau/Schwaben Harald Giersch, Deißlingen Gerlinde Steube, Berlin VideoBlog vom Vortrag und PDF-Version unter: www.AnnaAmalia-Goethe.de Anna Amalia und Goethe Akademie zu Weimar post@AnnaAmalia-Goethe.de www.AnnaAmalia-Goethe.de Umschlagszeichnung: Angelika Kauffmann (1741-1807) »Amor und Psyche«, 1792 Öl auf Leinwand, 215,5 x 164,5 cm Kunsthaus Zürich . Alle Rechte vorbehalten. www.denkena-verlag.de 1. Auflage, Weimar 2012 Printed in Germany, esf-print.de/Berlin ISBN 978-3-936177-63-3 DR. A. J. DENKENA VERLAG W2EIMAR W ILHELM S OLMS Das Bild der Geliebten in Goethes Versen an Lida 3 4 Heute an Goethes Geburtstag möchte ich die Kenner, Liebhaber und Freunde des Dichters zu einem Spiel einladen, das Jurek Becker1 erfunden hat: Das Selbstverständliche kurz unterbrechen. Eine Stunde ohne die bewährten Argumente auskommen. Die Rolle des Gegners übernehmen. Bis die Furcht, sich als der eigene Gegner überzeugend zu finden, sich nach und nach verliert. Das Spiel erst dann beenden, wenn die Rolle leergespielt ist. Geduldig auf diesen Augenblick warten. Kommt er nicht, dann immer weiterspielen bis ans Ende. Wenn Sie die Einladung annehmen, werden Sie am Ende von der Rolle des Gegners noch nicht restlos überzeugt sein, aber vielleicht zu den kleinen, bisher kaum beachteten Versen an Lida Zugang gefunden haben. Unser Interesse gilt ja dem Dichter und nicht dem Liebhaber. Goethe hat im Alter von 71 in einem Gedicht bekannt, er habe „Einer einzigen“ angehört, die er „Lida“ nennt. Wen hat er hinter diesem Namen verborgen? Ist es Charlotte von Stein, was für die Goetheforschung, allerdings erst seit der Veröffentlichung von Goethes an sie adressierten Briefen, selbstverständlich ist, oder Herzogin Anna Amalia, wie Ettore Ghibellino vermutet. Diese Frage ist noch immer nicht geklärt. Ghibellinos Buch2, das erstmals 2003 erschienen ist, wurde damals von der sensationslüsternen Presse gefeiert, von den Goetheforschern jedoch bis heute fast durchwegs ignoriert. Da er für seine These eine Vielzahl von Belegen vorgelegt hat, kann man sein Buch nicht einfach wie Albert Meier als „ingeniöse Schwindelei“3 abtun. Ich hatte deshalb im März in einem offenen Brief die beiden Kontrahenten, die Goethe-Gesellschaft und die Anna Amalia und Goethe Akademie, zu einer wissenschaftlichen Auseinandersetzung aufgefordert4. Nachdem Jochen Golz im Namen des Vor5 stands der Goethe Gesellschaft einen Dialog über diese „Verschwörungstheorie“ abgelehnt hat, um „abseitige Spekulationen“ nicht „über Gebühr aufzuwerten“ 5, und nachdem die von mir angeschriebenen Goetheforscher abgesagt haben, muss ich mich nun selbst in die Pflicht nehmen. Auch ich kann Ihnen nur eine Annahme anbieten. Welche von beiden Frauen Goethes Geliebte gewesen ist, lässt sich, wenn überhaupt, nur durch eine gründliche Untersuchung der an Frau von Stein adressierten Briefe und ihrer Kontexte beantworten. Die Akademie möchte diese Arbeit leisten, kann es aber nicht, da sie über keine Ressourcen verfügt; die Klassik Stiftung Weimar könnte sie leisten, möchte es aber nicht. Können uns ausgerechnet Gedichte hier weiterhelfen, die doch Produkte der Einbildungskraft sind und nicht reale Dokumente wie Tagebuchnotizen oder Briefe? Wem sonst hätte Goethe seine geheimsten Gedanken und Gefühle anvertraut als seinen Gedichten6? Goethe stimmte im Jahr 1818 dem Urteil eines Lesers zu, „dass meine kleinen Gedichte an Lida die zartesten unter allen seien“7. Dieser hatte nur die Gedichte gelesen, die bis dahin erschienen waren. Zu ihnen kommen noch die vielen, meist noch kleineren und meist undatierten Gedichte hinzu, die unter Goethes Briefen an Frau von Stein gelegen haben und erst um 1850 bekannt geworden sind8. Zunächst habe ich aus allen Gedichten aus dem ersten Weimarer Jahrzehnt, die in den meisten Ausgaben auf verschiedene Rubriken verteilt wurden, fünfzig ausgewählt, die sich direkt oder indirekt auf die Geliebte beziehen, und sie chronologisch geordnet9. Dabei ergaben sich drei Gruppen: 17 Gedichte aus dem ersten Weimarer Jahr (November 1775 bis November 1776), dann - nach nur 5 Gedichten aus den nächsten zweieinhalb Jahren - 5 Gedichte vom Herbst 1780 und 4 vom Herbst 1781 und als dritte Gruppe die Gedichte in strenger Form: 9 Epigramme in Distichen aus dem Jahr 6 1782 sowie 5 weitere Epigramme und 5 Stanzen aus dem Jahr 178410. Danach habe ich diese Gedichte wie einen Zyklus von Anfang bis Ende gelesen und die offenen und versteckten Hinweise auf die Geliebte miteinander verknüpft, bis ich das Drama, das sich zwischen den Liebenden abgespielt haben könnte, vor mir sah. 1. »Glück ohne Ruh« im ersten Weimarer Jahr Anna Amalia war Goethe vielleicht schon 1772 oder 1773 begegnet11. Dann hatte Carl Ludwig von Knebel, höchst wahrscheinlich in ihrem Auftrag, Goethe in Frankfurt besucht und in Mannheim mit Erbprinz Carl August zusammengebracht. Dieser hatte sofort Gefallen an ihm gefunden, ihn ein Jahr später in Frankfurt getroffen und erneut zu einem Besuch in Weimar eingeladen. Goethe, der nach der endgültigen Trennung von Lili Schönemann und den geringen Erfolgen als Rechtsanwalt ohnehin von Frankfurt wegstrebte, nahm die Einladung an und traf am 7. November 1775 in Weimar ein. Das Mond-Symbol Zwei der ersten dort verfassten Gedichte dokumentieren noch immer seine Liebe zu Lili, das dritte, „Jägers Nachtlied“12, wurde in der Forschung teils auf Lili, teils auf Charlotte von Stein bezogen, hinter der sich für Ghibellino Herzogin Anna Amalia verbirgt. Goethe hat Eckermann erzählt, er sei in Weimar „sehr bald in leidenschaftliche Zustände geraten“13. Vielleicht hat die neue Liebe, ob zu Charlotte oder zu Anna Amalia, die Erinnerung an die Liebe zu Lili in ihm geweckt. Oder er hatte die „angenehme Empfindung“, dass „sich eine neue Leidenschaft in uns zu regen anfängt, ehe die alte noch ganz verklungen ist.“14 7 Jägers Nachtlied Im Felde schleich ich still und wild, Lausch mit dem Feuerrohr, Da schwebt so licht dein liebes Bild Dein süßes Bild mir vor. Du wandelst jetzt wohl still und mild Durch Feld und liebes Tal Und ach mein schnell verrauschend Bild, Stellt sich dirs nicht einmal? Des Menschen der in aller Welt Nie findet Ruh noch Rast; Dem wie zu Hause, so im Feld Sein Herze schwillt zur Last. Mir ist es denk ich nur an dich Als säh den Mond ich an; Ein süßer Friede kommt auf mich Weiß nicht wie mir getan. Das liebe und süße Bild, das der Dichter auf seinem abendlichen Streifgang vor sich sieht, ist das Bild der Geliebten. Wen dieses Bild darstellt, ist nicht zu erkennen. Er stellt sich vor, dass auch sie jetzt durch Feld und Tal wandelt, und fragt sich, ob ihr auch einmal sein Bild vor Augen steht oder ob es schnell verrauscht ist: das Bild eines Menschen, der nirgends und niemals Ruhe oder Rast findet. „Zu Hause“ dürfte der Ort sein, von dem er losgezogen ist, also nicht Frankfurt, sondern Weimar. Wenn er nur an „dich“, die Geliebte, denkt, ist ihm, als würde er den Mond ansehen. Und weil das Bild der Geliebten mit dem Bild des Mondes in seiner Vorstellung verschmilzt, erfüllt ihn, ohne dass er sich dies erklären kann, ein süßer Friede 15. 8 In „Jägers Abendlied“, der Fassung von 1789, lautet die dritte Strophe: Des Menschen der die Welt durchstreift Voll Unmut und Verdruß, Nach Osten und nach Westen schweift, Weil er dich lassen muß. Hier streift der Dichter voll Unmut und Verdruss durch die Welt, weil er „dich“, die Geliebte, „lassen muss“16. Würde er auch sie verlassen, so würde er weiterhin unmutig herumziehen, wenn er dagegen bleibt, so scheint der Dichter zu hoffen, wird er endlich „Friede“ finden. Wandrers Nachtlied Der du von dem Himmel bist, Alle Freud und Schmerzen stillest, Den, der doppelt elend ist, Doppelt mit Erquickung füllest, - Ach, ich bin des Treibens müde, Was soll all die Qual und Lust? – Süßer Friede, Komm, ach komm in meine Brust! Das himmlische „du“ ist nicht, wie ein „Nachtlied“ erwarten lässt, der Mond, auch „nicht Gott“17, sondern, wie erst im 7. Vers deutlich wird, der „süße Friede“. Den aber scheint wie in „Jägers Nachtlied“ der Mond bewirkt zu haben. Während dieser Friede dort tatsächlich kommt, bittet der Dichter hier darum, dass er zu ihm kommen möge. 9 An den Mond (Erste Fassung) Füllest wieder ‘s liebe Tal Still mit Nebelglanz, Lösest endlich auch einmal Meine Seele ganz. Breitest über mein Gefild Lindernd deinen Blick Wie der Liebsten Auge, mild Über mein Geschick. Das du so beweglich kennst, Dieses Herz im Brand, Haltet ihr wie ein Gespenst An den Fluß gebannt, Wenn in öder Winternacht Er vom Tode schwillt Und bei Frühlingslebens Pracht An den Knospen quillt. Selig, wer sich vor der Welt Ohne Haß verschließt, Einen Mann am Busen hält Und mit dem genießt, Was den Menschen unbewußt Oder wohl veracht’ Durch das Labyrinth der Brust Wandelt in der Nacht. Die erste Fassung, die zwischen den Briefen an die Geliebte gelegen hat, dürfte aufgrund der Nähe zu „Jägers Nachtlied“ schon im Frühjahr 1776 entstanden sein18. Der Mond bescheint das „lie10 be Tal“ wie in „Jägers Nachtlied“ und löst zugleich seine Seele, so wie ihn dort ein „süßer Friede“ erfüllt. In der zweiten Strophe fließt der milde Schein des Mondes mit dem Blick der Liebsten zusammen. Erinnerte ihn in „Jägers Nachtlied“ das Bild der Geliebten an den Mond, so erinnert ihn hier das Bild des Mondes an die Geliebte19. In dem „ihr“ der dritten Strophe sind dann der Mond und die Liebste in eins gesetzt. Durch beide wird er nachts an den Fluss (die Ilm) wie ein Gespenst gebannt. Das „er“ in der vierten Strophe ist wieder der Fluss, der, wenn er über das Ufer schwillt, im Winter den Tod und im Frühling das Leben bringt. Das „wer“ in der fünften Strophe ist nicht mehr „er“, der Dichter oder der Fluss, sondern sie, die Geliebte. „Selig ist“: das ist wie die Seligpreisungen20 ein Versprechen und natürlich auch ein Wunsch. Selig wird sie sein, wenn sie sich ohne Hass aus der Welt zurückziehen und mit ihrem Geliebten das Leben genießen wird. In der letzten Strophe spricht der Dichter bewusst rätselhaft. Was den Menschen nicht bewusst ist und was, wenn sie es wüssten, von ihnen verachtet würde und wofür er wie in einem Labyrinth keinen Ausweg findet, bedrückt ihn auf seiner Wanderung durch die Nacht. Nach Ghibellino ist es Anna Amalia, die sich hinter der Figur der „Liebsten“ verbirgt. Denn sie hatte sich nach der Übergabe der Regentschaft von der Welt zurückgezogen, während sich die gesellschaftliche Position von Charlotte von Stein kaum verändert hatte. Als Antezedenzien zur vorletzten Strophe, „Selig, wer sich vor der Welt/ Ohne Haß verschließt“, hat er sowohl einen Brief Anna Amalias vom Dezember 1773 als auch einen Brief Charlotte von Steins zitiert21. Anna Amalia bekannte dem Minister von Fritsch bei der Übergabe der Regentschaft: „ich bin des Lebens müde“, Charlotte gestand Goethe in einem Brief, den er in dem Stück „Die Geschwister“ vom Oktober 1776 wiedergegeben hat: „Die Welt wird mir wieder lieb (…), wieder lieb durch Sie. (…) Vor einem halben Jahr war ich bereit zu sterben.“Das lag nicht drei Jahre zurück, sondern war, bevor Goethe in ihr Leben getreten ist. 11 Für die Annahme, dass das Mondgedicht an Charlotte von Stein gerichtet ist, spricht auch ihre nach Goethes Aufbruch nach Italien verfasste Umdichtung, in der sie klagt: Lösch das Bild aus meinem Herz Vom geschiednen Freund, Dem unausgesprochner Schmerz Stille Träne weint. Dagegen lässt ein weiteres von Ghibellino angeführtes Indiz eher an Anna Amalia denken: Goethe hat im Weimarer Tagebuch, das er seit Mai 1776 führte, für Personen der Weimarer Hofgesellschaft, mit denen er häufig verkehrte, zu ihrer Tarnung Zeichen aus dem Planetensystem verwendet. So steht das Sonnenzeichen für Charlotte von Stein, das Mondzeichen für Anna Amalia22. Goethe hat neben dem Mondzeichen mehrmals „Abends“ und einmal „Nachts“ 23 notiert und sich auch in den Briefen an die Geliebte mehrfach für den Abend angesagt24. In dem vier Jahre später, am 15. Oktober 1780, entstandenen Gedicht „Um Mitternacht wenn die Menschen erst schlafen / Dann scheinet uns der Mond“ scheint der Mond nicht mehr die Sehnsucht nach der Geliebten, sondern die erfüllte Liebe, eine „Nachtliebe“25, zu symbolisieren. Die Entscheidung zu bleiben Goethe wusste zunächst nicht, wie lange er in Weimar bleiben würde. Während Wieland schon am 26. Januar konstatierte: „Goethe kömmt nicht wieder von hier los. Carl August kann nicht mehr ohne ihn schwimmen noch waten. ’s ist aber doch noch nichts Entschiedenes“, schrieb Goethe drei Tage später an „Frau von Stein“: „Es geht mir verflucht durch Kopf und Herz, ob ich bleibe oder gehe.“ Warum ist er geblieben? 12 In dem oft interpretierten Gedicht „Warum gabst du uns die tiefen Blicke“, das Goethe der Geliebten am 24. April 1776 schickte, fragt der Dichter das „Schicksal“, warum sie und er fähig seien, „einander in das Herz zu sehen“. Während viele Menschen sich lieben, ohne sich zu verstehen, dürfen sie sich nicht lieben, können aber einander verstehen. Obwohl der Dichter überzeugt ist, ihr „wahr Verhältnis“ ausspähen zu können, will er von ihr hören: Sag’, was will das Schicksal uns bereiten? Sag’, wie band es uns so rein genau Ach, du warst in abgelebten Zeiten Meine Schwester oder meine Frau; Wem hat er diese Frage gestellt? Darauf hat Goethe Jahre später, um den 20. September 1780, im Brief an Lavater eine eindeutige Antwort gegeben: „Auch thut der Talisman iener schönen Liebe womit die St[ein] mein Leben würzt sehr viel. Sie hat meine Mutter, Schwester und Geliebten nach und nach geerbt“. Wollte Goethe ihn in sein Geheimnis einweihen oder irreführen? Goethes Geliebte antwortete auf diese verfängliche Frage bereits am nächsten Tag: „Eher kann’s sein, dass ich Ihre Schwester einmal gewesen bin.“ Darauf schrieb er ihr am 27. April zurück: „Adieu liebe Schwester, weil’s denn so sein soll.“ Will er ihr damit Adieu sagen und weggehen? Die Antwort ergibt sich aus der letzten Strophe: Und von allem dem schwebt ein Erinnern Nur noch um das ungewisse Herz, Fühlt die alte Wahrheit ewig gleich im Innern, Und der neue Zustand wird ihm Schmerz. Und wir scheinen uns nur halb beseelet, Dämmernd ist um uns der hellste Tag. Glücklich, dass das Schicksal, das uns quälet, Uns doch nicht verändern mag. 13 Die „alte Wahrheit“ ist die Erinnerung daran, dass sie in einem früheren Leben vereint gewesen seien, der neue Zustand ist, dass sie sich nicht lieben dürfen. Dass ihre Liebe sich nicht am Tag, sondern nur in der Nacht abspielt, wie Ghibellino meint26, geht aus diesen Versen nicht hervor. Auch wenn das Schicksal, dass sie nicht wie Mann und Frau zusammenleben dürfen, sie quält, können auch sie sich glücklich fühlen. Da es sie nicht verändern kann, wird ihre Liebe Bestand haben. Und deshalb ist es ihm unmöglich, wegzugehen, wie das folgende Gedicht vom 6. Mai bestätigt. Rastlose Liebe Dem Schnee dem Regen, Dem Wind entgegen Im Dampf der Klüfte Durch Nebeldüfte Immer zu! Immer zu! Ohne Rast und Ruh! Lieber durch Leiden Möcht ich mich schlagen Als soviel Freuden Des Lebens ertragen. Alle das Neigen Von Herzen zu Herzen, Ach wie so eigen Schaffet das Schmerzen! Wie soll ich fliehen? Wälderwärts ziehen Alles vergebens! Krone des Lebens Glück ohne Ruh Liebe bist du! 14 Was den Dichter in Schnee und Regen herumtreibt, ist die Liebe. Und es ist die gegenseitige Zuneigung, die ihm, aber auch ihr, Schmerzen bereitet. Die Liebe ist zwar ein „Glück ohne Ruh“, doch wenn er wegginge, würde er das Glück, das für ihn die „Krone des Lebens“ ist, verlieren. Seine Unruhe kommt in dem „rastlosen“, mit vielen Zeilensprüngen vorwärts drängenden Rhythmus zum Ausdruck, der gegen Ende der ersten Strophe durch eine dichte Folge betonter Silben unterbrochen wird („Ímmer zú! Ímmer zú!“), und in den beiden auf vier Silben verkürzten Schlussversen mit ihrem markanten Pendelrhythmus „Líebe bíst dú“ zum Stillstand kommt. Kurz darauf, am 25. Juni, wurde Goethe dank der Fürsprache von Anna Amalia Mitglied im „Conseil“, dem Geheimen Rat. In dem ursprünglich „Dem Schicksal“, später „Einschränkung“ betitelten Gedicht vom 3. August 1776 fragt sich der Dichter: Was weiß ich, was mir hier gefällt, In dieser engen kleinen Welt Mit leisem Zauberband mich hält! Was Goethe in Weimar gefallen hat, war offenbar die Geliebte. Und das „leise Zauberband“, das ihn hält, war diesem Wort zufolge noch stärker als das „Zauberfädchen“, mit dem ihn Lili in ihrer von ihm ebenfalls als eng empfundenen Welt festgehalten hatte27. Während er sich damals losgerissen hatte, will er diesmal bleiben, mit Geduld abwarten, wie ihn das Schicksal leiten wird, und „In holder Gegenwart der lieben Zukunft hoffen“. Es ist also die Liebe, die ihn diesmal nicht zur Flucht, sondern zum Bleiben bewogen hat. Dass Goethe vor allem ihretwegen geblieben ist, hat er acht Jahre später in der Stanze „Gewiß ich wäre schon so ferne ferne“ bestätigt. 15 Verbotene Liebe Damit scheint Goethe seine innere Unruhe aber noch nicht überwunden zu haben. Das Hin- und Hergerissensein zwischen Unruhe und „Frieden“, „Freud und Schmerzen“, „Qual und Lust“, „Leiden“ und „Freuden“, „Sorgen“ und „Liebe“, „erhoffen“ und „verzweifeln“ 28 zieht sich wie ein roter Faden durch die Gedichte vom Sommer 1776. Die Ursache für diesen Zwiespalt wird vom Dichter in zwei mit dem Klagelaut „Ach“ beginnenden Gedichten vom 22. Juli und 8. August angedeutet: Ach so drückt mein Schicksal mich Daß ich nach dem unmöglichen strebe. Lieber Engel für den ich nicht lebe Zwischen den Gebürgen leb ich für dich. Wenn er in den Bergen herumwandert, lebt er in seinen Träumen für sie, wenn er in ihrer Nähe ist, aber nicht. Warum strebt er mit dem Wunsch, für sie und mit ihr zu leben, „nach dem Unmöglichen“? Ach wie bist du mir, Wie bin ich dir geblieben! Nein an der Wahrheit Verzweifl ich nicht mehr. Ach wenn du da bist Fühl ich, ich soll dich nicht lieben, Ach wenn du fern bist, Fühl ich, ich lieb dich so sehr. Welche Wahrheit ist hier gemeint? Eine, wegen der er verzweifelt war, nun aber nicht mehr verzweifelt. Die Wahrheit, dass er sie liebt, kann kein Grund zur Verzweiflung gewesen sein. Und an dem Konflikt, dass er sie nicht lieben darf, obwohl er sie so sehr liebt, würde er nach wie vor verzweifeln. Offenbar hat Goethe inzwischen 16 die Wahrheit akzeptiert, dass er seine Liebe zu ihr, wenn sie da ist, nicht zeigen darf. Hätte er bei Charlotte von Stein seine Liebe verbergen müssen, weil sie eine verheiratete Frau war? Goethe hat sie schon im ersten Jahr oft gesehen und oft bei ihr zu Mittag gegessen29, während ihr Ehemann an der Tafel des Herzogs speiste. „Um die Meinung der Weimarer Gesellschaft hat sich Goethe aber überhaupt nicht gekümmert“.30 Diese Feststellung von Richard Friedenthal würde bei einer Beziehung zu Frau von Stein zutreffen, bei einer Beziehung zu Anna Amalia jedoch nicht. Wäre sie bekannt geworden, so hätte dies einen Staatsskandal ausgelöst. »Liebe Sünde«: in Gedanken oder in Werken? Auf der Rückseite des Briefs vom 7. Oktober 1776, in dem er darüber klagt, dass die Geliebte verreist, hat Charlotte von Stein die Verse notiert: Obs unrecht ist was ich empfinde – Und ob ich büßen muß die mir so liebe Sünde Will mein Gewissen mir nicht sagen; „Obs unrecht ist“: diese Frage enthält zugleich die Antwort. Charlotte empfindet Liebe und hält dies für unrecht, ja für eine Sünde, scheint aber zu dieser „mir so lieben Sünde“ bereit zu sein.31 Die erste Anspielung auf leidenschaftliche Küsse findet sich im Gedicht „An den Geist des Johannes Sekundus“. Goethe notierte am 31. Oktober in seinem Tagebuch: „Stein. Angekommen mit ihr zu Nacht gessen Nachts Tanz bis früh 3.“ Charlotte von Stein war damals zusammen mit dem Sturm-und-Drang-Dichter Lenz aus Kochberg zurückgekommen. „Nur Tanz?“ So fragt an dieser Stelle auch Helmut Koopmann32, der sonst eine körperliche Beziehung zwischen Goethe und Charlotte ausschließt. Am 1. November vermerkte Goethe: „Dann [am Abend] nach Tiefurt. Johannes 17 Sekundus“, und am 2. November: „ich in Garten. Ad Manes J. S. [An die Manen = den Geist von Johannes Sekundus]. Dann zu Herdern dann zu H. M. [Herzogin Mutter] wo Punsch getruncken gelesen und gesungen wurde. Nachts gebadet.“33 Goethe hat demnach am 1. November den „erotischen Gedichtzyklus (…) mit dem Titel ‚Basia’ (= Küsse)“ dieses humanistischen Dichters und Gelehrten34 gelesen oder der Herzogin vorgelesen und am 2. November sein Gedicht geschrieben34a. Der Dichter klagt dem Geist seines Vorgängers, den er als „Lieber, heiliger, großer Küsser“ anruft, dass seine Lippe blutet. Gesprungen ist sie! Nicht vom Biß der Holden, Die, in voller ringsumfangender Liebe, Mehr mögt haben von mir, und mögte mich Ganzen Ganz erküssen, und fressen, und was sie könnte! Sondern vom kalten Herbstwind. Trauben- und Bienensaft würden ihm nicht helfen. „Denn von der Liebe alles heilendem / Gift Balsam [vom Balsam der Liebe, der alles Gift heilt] ist kein Tröpfgen drunter.“ Am 3. November schickte er das Gedicht an Charlotte von Stein mit den Zeilen: „Ich bitte Sie um das Mittel gegen die wunde Lippe“, das heißt: um den Balsam der Liebe.“ Koopmann urteilt hier: „Aber das Gedicht verrät selbst den wahren Grund und sollte es wohl auch Charlotte gegenüber.“34b Gewiss, die Lippen wären wohl kaum wegen des kaltes Windes aufgesprungen. Das Gedicht verrät aber nicht, welche von beiden Frauen Goethe damals geküsst hat und ob es überhaupt zu einem Kuss gekommen ist. Denn es dokumentiert nicht den beiderseitigen Liebesgenuss, sondern des Dichters „Liebebedürfnis“ – so der Titel der überarbeiteten Fassung – und sucht zugleich ihr Liebesverlangen zu wecken. Ob Goethe Charlotte von Stein in der gemeinsam verbrachten Nacht bedrängt hat, ob sie seinem Drängen nachgegeben oder wider18 standen hat oder ob mit der „Holden“ die Herzogin gemeint ist, bleibt völlig offen. Goethes erstes Jahr in Weimar stellt auch den Interpreten, der die Rolle von Ghibellino übernommen hat, vor Probleme. Nicht nur in den zitierten Versen, auch in Goethes Tagebuch und in seinen Briefen an Frau von Stein und ihrem Briefwechsel mit Zimmermann finden sich deutliche Hinweise darauf, dass sie Goethes Geliebte gewesen sein könnte. Oder musste sie schon damals seine Geliebte spielen? Enthüllung oder Verschleierung: das ist hier die Frage, die eine unvoreingenommene Untersuchung sämtlicher Zeugnisse erfordert. 2. Ein kaum getrübtes Glück zu Anfang der achtziger Jahre Die Anfang der achtziger Jahre entstandenen Gedichte sind Zeugnisse einer erfüllten, aber geheimgehaltenen und dadurch belasteten Liebe. Weil der Dichter sie über alle Maßen liebt, möchte er, dass die ganze Welt dies erfährt. Zugleich ist er sich bewusst, dass ihm über das „was ich im Herzen verwahre / Ewige Stille geziemt“, und er versichert „seiner Geliebten“, dass er ihrer nur „still“ gedenken darf35. Deshalb hat er sich Mittel und Wege ausgedacht, wie er seine Liebe offenbaren, seine Geliebte aber verbergen kann. Himmelsband Am 15. September 1780 schickte er der Geliebten ein Gedicht, das er ein Jahr später im Tiefurter Journal unter dem Titel „Ode“ und in den „Schriften“ von 1789 unter dem Titel „Meine Göttin“ veröffentlicht hat. Des Dichters Göttin ist die seltsamste Tochter Jupiters, die „Phantasie“. Denkt er auch in diesem Gedicht, in welchem er der Göttin Phantasie den „höchsten Preis“ gibt, an seine Geliebte? 19 Er preist Jupiter, der solch eine schöne Unverwelkliche Gattin Dem sterblichen Menschen Gesellen mögen. Denn uns allein Hat er sie verbunden Mit Himmelsband, Und ihr geboten In Freud und Elend Als treue Gattin Nicht zu entweichen. Nicht allen Menschen hat Jupiter sie zugesellen mögen, sondern „uns allein“, den Poeten. Oder ihm allein? Steht „meine Göttin“ für die Geliebte, der er sich durch eine himmlische Macht verbunden fühlte36? Das folgende Gedicht schickte er der Geliebten drei Monate später, am 8. Dezember 1780: Zum Tanze schick’ ich dir den Strauß Mit himmelfarbnem Band, Und siehst du andern freundlich aus, Reichst andern deine Hand, So denk’ auch an ein einsam Haus Und an ein schöner Band. Indem er mit dem himmelfarbnen Band an das Himmelsband anknüpft, verbindet er seine Göttin mit der Geliebten. Zugleich erinnert er diese an ein noch schöneres Band, das Band der Ehe. Wieder drei Monate später, am 8. März 1781, schreibt er ihr: „Ich habe das liebe Band im Schreiben um die Hand gebunden“, und am 12. März klagt er: „Ich wollte daß es irgendein Gelübde oder Sakrament gäbe, das mich dir auch sichtlich und gesezlich zu 20 eigen machte, wie werth sollte es mir seyn.“ Er möchte mit ihr auch gesetzlich verbunden werden, ist sich aber bewusst, dass dies nicht sein kann37. Deshalb will er wenigstens vor Gott mit ihr verbunden sein: „Die Juden haben Schnüre mit denen sie die Arme beym Gebet umwickeln, so wickle ich dein holdes Band um den Arm wenn ich an dich mein Gebet richte“. Vermutlich hatte er ihr kurz davor das Gedicht „Von mehr als einer Seite verwaist“ geschickt38, das mit den Versen endet: Mein Schutzgeist, eil’, es ihr zu sagen, (…) Und bitte sie zur Lindrung meiner Plagen Um das geheimnißvolle Band; Sie trägt’s, und oft hat mir’s ihr Blick versprochen. Und vermutlich hat er daraufhin das Band erhalten, das seine Sorgen aber nicht gelindert hat. Denn er schreibt ihr am 8. Juli: „Wir sind wohl verheurathet, das heist: durch ein Band verbunden, wovon der Zettel aus Liebe und Freude, der Eintrag aus Kreuz Kummer und Elend besteht.“ „Eine Scheidung von Frau von Stein und eine Heirat mit Goethe wäre rechtlich wohl möglich gewesen. Aber sie hätte frontal gegen die Konventionen verstoßen“, worüber Goethe sich vermutlich hinweggesetzt hätte, sie aber wohl kaum. Eine Heirat von Goethe mit Anna Amalia wäre jedoch „vermutlich ausgeschlossen gewesen.“ Sie hätte diesen Verstoß gegen die Standesgesetze „mit dem Verlust aller Vorrechte und der Apanage bezahlen müssen“, und „er hätte seine Ministerstellung verloren“39 und wäre von allen, die ihn um seinen märchenhaften Aufstieg beneideten, verspottet worden. Versteckte Huldigung im Tiefurter Journal Goethe kündigte der Geliebten im Brief vom 22. September 1781 an, dass „ich an einigen Gedichten mich sinnend ergötze, die ich in 21 das Tiefurter Journal schicke, von da aus sie meiner Besten die Cour machen sollen“. Worüber er beim Dichten gesonnen und was ihn ergötzt hat, dürfte das Anliegen gewesen sein, die Geliebte öffentlich zu preisen, ohne sie bloßzustellen. Das Tiefurter Journal war die in elf handschriftlichen Exemplaren verbreitete Zeitschrift von Anna Amalia, in der damals Mitglieder des Weimarer Musenhofes kleine Werke anonym veröffentlichten40. Im „sechsten Stück“ dieses Journals erschien anonym unter der Überschrift „Nach dem Griechischen“ das später „Nachtgedanken“ betitelte Gedicht. Goethe hatte es seinem Brief vom 20. September 1781 beigelegt, in dem er schreibt: „Was beiliegt ist dein. Wenn du willst so geb ich’s in’s Tiefurter Journal und sage es sei nach dem Griechischen.“ Euch bedaur‘ ich, unglückselge Sterne, Die ihr schön seid und so herrlich scheinet, Dem bedrängten Schiffer gerne leuchtet Unbelohnt von Göttern und von Menschen. Denn ihr liebt nicht, kanntet nie die Liebe! Unaufhaltsam führen ewge Stunden Eure Reihen durch den weiten Himmel. Welche Reise habt ihr schon vollendet Seit ich weilend in dem Arm der Liebsten Euer und der Mitternacht vergessen! Unglückselig ist nun nicht mehr der Dichter, der nachts voller Sehnsucht im Mondschein herumgelaufen war, sondern das sind die Sterne. So schön sie sind und so herrlich sie scheinen, sie werden dafür nicht belohnt, während er liebt und die Liebe kennt. Sie ziehen ewige Stunden durch den Himmel, seitdem er in den Armen der Liebsten weilt, ohne an die Sterne und die Mitternacht zu denken. Ein kaum verhülltes Bekenntnis einer Liebesnacht. 22 Im Brief vom 1. Oktober, in dem er die Veröffentlichung dieses Gedichts ankündigte, berichtete er: „In Leipzig habe ich das Offenbare Geheimnis gesehen und mein Gewissen hat mich gewarnt.“ Sein Gewissen dürfte ihm geraten haben, in den für die Veröffentlichung bestimmten Gedichten an die Geliebte ebenfalls eine poetische Geheimsprache zu verwenden. Im „neunten Stück“ sind weitere Gedichte erschienen. Das erste, „An die Heuschrecke aus dem Griechischen“, späterer Titel: „An die Zykade von Anakreon“, ist tatsächlich eine Übersetzung eines Liebesgedichts von Anakreon, dient aber ebenfalls der Huldigung der Geliebten. Wenn die als selig gepriesene „liebe Kleine“, die „alle Musen“ lieben, eine „Dichterfreundin“ genannt wird, die zwar eine „Erdentochter“, aber „fast den Göttern zu vergleichen“ ist, dann lässt sich dies als eine versteckte Huldigung der von allen Musen geliebten Leiterin des Weimarer Musenhofes verstehen. Darauf folgt im Tiefurter Journal das später „Der Becher“ betitelte Gedicht vom 22. September 1781, wiederum unter der Überschrift „Aus dem Griechischen“, die wiederum der Tarnung der Geliebten dient. Einen wohlgeschnitzten vollen Becher Hielt ich drückend in den beiden Händen, Sog begierig süßen Wein vom Rande. Gram und Sorg’ auf einmal zu vertrinken. Amor trat herein und fand mich sitzen, Und er lächelte bescheidenweise Als den unverständigen bedauernd. „Freund, ich kenn ein schöneres Gefäße Wert die ganze Seele drein zu senken; Was gelobst du, wenn ich dir es gönne, Es mit anderm Nektar dir erfülle?“ 23 „Gram und Sorg’“ dürfte ihm damals vor allem seine prekäre Liebesbeziehung bereitet haben. „Sorge“, schrieb er der Geliebten am 18. Februar 1782, das seien die „Vorstellungen, die aus meiner Liebe aufsteigen.“ Amor bedauert den Dichter für den Unverstand, sich von der Sorge durch übermäßigen Weingenuss befreien zu können, und verspricht ihm ein schöneres Gefäß mit einem besser schmeckenden Inhalt. O wie freundlich hat er Wort gehalten Da er, Lida, dich mit sanfter Neigung Mir, dem lange sehnenden, geeignet. Wenn ich deinen lieben Leib umfasse, Und von deinen einzig treuen Lippen Langbewahrter Liebe Balsam koste, Selig sprech ich dann zu meinem Geiste: Der Dichter dankt Amor, dass er ihm Lida, die lang ersehnte, zugeführt hat. Wenn er anstelle des Bechers Lidas „liebe Hüften“ hält oder, so die spätere Fassung, ihren „lieben Leib“ umfasst und anstelle des Weins den Balsam ihrer Lippen kostet, spricht er „zu meinem Geiste“. Mit dieser „homerischen Wendung“ und mit den anschließenden Vergleichen von Lidas Körper mit den Skulpturen von Vulcanus und des Balsams ihrer Lippen mit dem Wein von Lyäus verstärkt er die Fiktion einer griechischen Vorlage. Zugleich wendet er sich an den Geist Amors, dem er den folgenden Lobpreis widmet. Nein ein solch Gefäß hat außer Amorn Nie ein Gott gebildet noch besessen! (…) Solchen Trank verschafft ihm keine Sorgfalt! Sondern allein die Liebe! Indem Amor dem Dichter verheißt, er könne in dieses schöne Gefäß „die ganze Seele“ versenken, und 24 der Dichter Amor dafür preist, dass von allen Göttern nur er „ein solch Gefäß (…) besessen“ habe, vergleicht er Lida mit Psyche, der Geliebten von Amor, deren Name, der erst in späteren Gedichten genannt wird, „Seele“ bedeutet. Und indem er mit dem Bild des Bechers zeigt, wie er Lida umarmt, küsst und dabei selig ist, offenbart er seine „Herz, Leib und Seele“41 erfassende Liebe zu ihr. Die Namen Lida und Psyche Bis zum Jahr 1781 ist die Geliebte in den Gedichten wie in den Briefen namenlos geblieben. Seit dem 1. Mai 1781 hat Goethe in den Briefen den Namen Lotte verwendet, obwohl er diesen Namen in zwei früheren Briefen, die deshalb kaum für Charlotte von Stein bestimmt waren, als „ominös“ und sogar als „verwünscht“ bezeichnet hat42. Wenn er zwei Tage später der Geliebten schreibt: „Es häuft sich alles um gewisse Begriffe bei mir festzusetzen und mich zu gewissen Entschlüssen zu treiben“, dann dürfte ihn die Sorge um die Geheimhaltung ihrer Beziehung dazu getrieben haben. In den von ihm publizierten Gedichten hat Goethe die Geliebte jedoch niemals Lotte genannt43. Warum nicht? Auch wenn Goethes Gedichte nicht die Wirklichkeit, sondern seine Sicht der Wirklichkeit widerspiegeln, Lügen enthalten sie nicht. In fünf Gedichten hat er die Geliebte mit dem Namen Lida angesprochen. Goethe hatte diesen Namen im Gedicht „Der Becher“ als Decknamen eingeführt, weil sein Gewissen ihm dazu geraten hatte. Am 9. Oktober 1781 schickte er der Geliebten ein Gedicht, dessen erster Vers ursprünglich lautete: „Den einzigen Lotte welchen du lieben kannst“. In Reichardts „Deutsche Gesänge“ von 1788 erscheint statt Lotte der Name Psyche, und in der handschriftlichen Vorlage für die „Schriften“ von 1789 hat Goethe den Namen Lotte durchgestrichen und durch Lida ersetzt und dem Gedicht den Titel „An Lida“ gegeben. 25 An Lida Den Einzigen, Lida, welchen du lieben kannst, Forderst du ganz für dich, und mit Recht. Auch ist er einzig dein. Denn seit ich von dir bin, Scheint mir des schnellsten Lebens Lärmende Bewegung Nur ein leichter Flor, durch den ich deine Gestalt Immerfort wie in Wolken erblicke: Sie leuchtet mir freundlich und treu, Wie durch des Nordlichts bewegliche Strahlen Ewige Sterne schimmern. Dieses Gedicht könnte den Versen an Lida als Motto voranstehen. Denn hier offenbart der Dichter, dass sie sich gegenseitig und ausschließlich lieben. Dabei ist es sie, die ihn für sich fordert, und er, der ihre Forderung akzeptiert, was auf ihren Rangunterschied hinweist. Erneut vergleicht der Dichter das Bild der fernen Geliebten mit dem Bild nächtlicher Gestirne, wobei er den Glanz der Sterne durch die Strahlen des Nordlichts verstärkt. In dem Gedicht, das später den Titel „Versuchung“ erhielt, wird die Geliebte nicht Lida, sondern Lidia genannt44. Da dieses Gedicht den fehlerfreien Distichen zufolge wohl erst 1782 entstanden ist, dürfte Lidia nicht eine Vorform45, sondern eine dem Maß des Pentameters gemäße Umformung von Lida sein. Versuchung Eine schädliche Frucht reicht unsre Mutter dem Gatten Und vom törichten Biß kränkelt das ganze Geschlecht. Von dem heiligen Leibe, der Seelen speiset und heilet, Kostest du, Lidia, fromm, liebliches büßendes Kind, 26 Darum schick ich dir gleich die Früchte voll irdischer Süße, Daß der Himmel dich nicht deinem Geliebten entzieh. Der Dichter stellt der Seelenspeise eine Speise „voll irdischer Süße“ gegenüber. „Unsre Mutter“ ist für ihn nicht die Gottesmutter Maria, sondern Eva. Weil sie Adam die Frucht vom Baum der Erkenntnis reichte, leidet nach christlichem Glaube das ganze menschliche Geschlecht an der Erbsünde. Um von dieser Krankheit geheilt zu werden, hat des Dichters Geliebte das Abendmahl empfangen. Damit die Kirche sie ihm nicht entzieht, schickt er ihr „Früchte voll irdischer Süße“. Mit der Anspielung auf den Sündenfall im Paradies führt er auch Lidia in Versuchung. Und mit der spöttischen Beschreibung des Abendmahls, die gläubige Christen damals wie heute als Blasphemie empfinden dürften, zeigt er, dass er sie für einen aufgeklärten Geist hält. Beides, die Bereitschaft zum Genuss der Liebe und die Aufgeschlossenheit gegenüber kritischen Worten, dürfte eher zu Anna Amalia passen als zu Charlotte von Stein. Goethe hat zur Maskierung seiner Geliebten auch den Namen Psyche benutzt, der sich in zwei Gedichten und in mehreren Briefen findet. Er hat sie dadurch mit Prinzessin Psyche, der Geliebten von Amor, verglichen und zugleich seine „Seele“ genannt46. Das Märchen „Amor und Psyche“ von Apuleus war am Hof von Anna Amalia bekannt. Knebel hatte es am 10. Februar 1780 in Tiefurt vorgelesen, worauf Anna Amalia es aus dem Italienischen übersetzte und im Tiefurter Journal ab dem neunten „Stück“, in dem auch „Der Becher“ erschienen ist, veröffentlichte47. Wenn er die Geliebte in den später „An Lida“ und „Ferne“ betitelten Gedichten erst „Psyche“ und dann „Lida“ nennt, zeigt er erneut, dass er hinter dem Märchen von Amor und Psyche die eigene Liebesgeschichte versteckt hat. 27 Ungleiche Verbindung In drei Epigrammen und einem früheren Vierzeiler hat Goethe den Standesunterschied zwischen der Geliebten und ihm zum Thema gemacht. Am 12. April 1782 schrieb er ihr aus Meiningen: „Hier beste ein Epigramm, davon die Dichtung dein ist“. Dieses Epigramm hat später den Titel „Ferne“ erhalten. Königen sagt man gab die Natur vor andern Gebornen Einen längren Arm und eine stärkre Faust, Doch auch mir geringen verlieh sie das fürstliche Vorrecht Denn ich fasse von fern halte dich, Lida, mir fest. Könige, sagt der Dichter, verdanken das fürstliche Vorrecht nicht der Natur, sondern, so deutet er an, der Monarchie. Ihm aber verlieh die Natur dieses Vorrecht, obwohl er geringen Standes ist. Auch wenn er in der Öffentlichkeit auf Distanz achten muss, hält er Lida dennoch fest. Das „fürstliche Vorrecht“ ist auch das Vorrecht auf eine Fürstin. Und da Goethe in seinem Brief bezeugt, dass die Idee zu diesem Gedicht von der Geliebten stammt, dürfte sich hinter Lida eine Fürstin verbergen, für die der Standesunterschied nicht zählt. Hätte der Dichter seine Geliebte, um sie zu preisen, zu einer Fürstin und „Göttin“ erhöht48, wäre er an keine Standesgrenzen gestoßen. In einem anderen Epigramm aus dieser Zeit setzt er den Vergleich mit Amor und Psyche fort. Hier ist nicht sie höheren Standes, sondern er. Ungleiche Heirat Selbst das himmlische Paar fand doch sich ungleich zusammen, Psyche ward älter und klug, Amor bleibt immer ein Kind. Selbst Amor und Psyche fanden zusammen, obwohl Amor als Gott ungleich höheren Standes war als die sterbliche Prinzessin 28 Psyche. Da Psyche sich entwickelte, während Amor immer ein Kind blieb, wurde diese Ungleichheit aufgehoben. Wenn aber selbst Amor und Psyche ein Musterpaar wurden, warum darf dann nicht auch er seine Geliebte heiraten? Weil eine „ungleiche Heirat“, eine Mesalliance mit einer Herzogin, gegen die damaligen Standesgesetze verstoßen hätte. Goethe hat auch ein lateinisches Epigramm übersetzt, das eine Anekdote über die schwedische Königin Christina zum Inhalt hat, und am 22. November 1784 der Geliebten „nicht ohne Anzüglichkeit“49 geschickt. Du verachtest den Armen, er lehne sich überall nieder, Schöne Königin, wohl lieg ich bald hier und bald dort; Aber fändest du ihn erwachend einst in dem Arme: Du beriefst ihn mit Recht: Lehnt er doch überall an. In einer englischen Version dieser Anekdote sagt die Königin zu einem armen Poeten, der an der St. Pauls Cathedral bettelte: „Ein Armer liegt überall herum“, worauf er antwortet: „Wenn dies wahr wäre, würde ich heute Nacht in deinem Bett liegen.“50 Mit dem extrem ungleichen Paar Bettler und Königin dürfte Goethe erneut auf sein Verhältnis zur Herzogin anspielen. Das Epigramm erinnert an die nicht weniger anzüglichen Verse, die Goethe der Geliebten bereits Ende Dezember 1778 geschickt hatte: Warnung So wie Titania im Feen- und Zauberland Klaus Zetteln in dem Arme fand, So wirst du bald zur Strafe deiner Sünden Titanien in deinen Armen finden. Zur Strafe für seine verbotene Liebe wird er eines Tages aus seinem schönen Traum aufwachen und feststellen, dass er nur eine Phantasiegestalt in seinen Armen hält. 29 Den Armen und den eselsohrigen Handwerker hat er auf sich selbst bezogen, mit der Königin und der Feenkönigin dürfte er die Herzogin, aber wohl kaum ihre Hofdame verglichen haben. Inschriften auf Felsen Goethe schrieb am 17. April 1782 an Knebel: „Ich bin nun auch in den Geschmack der Inschriften – Epigramme – gekommen, und es werden bald die Steine zu reden anfangen.“51 Er verfasste damals als erster deutscher Dichter Epigramme in der klassischen Form des Distichons. Bereits am 5. Mai schickte er Knebel drei Epigramme: „Einsamkeit“, „Erwählter Fels“ und „Ländliches Glück“, von denen die ersten beiden auf Felsen im Weimarer Park und das dritte auf einer Steinbank in Goethes Garten angebracht wurden und dort noch heute zu sehen sind. In mehreren Epigrammen ruft der Dichter die „Felsen und Bäume“ als stumme Zeugen seiner Liebe an. Nachdem er ihnen seine Stimme verliehen hat, werden sie von „Geistern“ und „Nymphen“ bewohnt, „Grazien“ und „Musen“ gesellen sich dazu, und selbst „Amor“, der „himmlische Knabe“, steigt vom Olymp herab52. Der geweihte Platz Wenn zu den Reihen der Nymphen die eine Mondnacht versammelt Sich die Grazien heimlich von dem Olympus gesellen; Hier belauscht sie der Dichter und hört die schönen Gespräche Sieht dem reizenden Tanz ihrer Bewegungen zu. Was der Himmel Herrliches hat was glücklich die Erde Reizendes hervorbringt erscheint dem wachenden Träumer Dann erzählt ers den Musen und dass die Götter nicht zürnen Lehren ihn die Musen bescheiden Geheimnisse sprechen. Das Gedicht entstand „als Sockelinschrift für eine Büste Wielands, die Anna Amalia (…) im Park von Tiefurt aufstellen ließ“. Es greift Motive aus Wielands Versepos „Oberon“ von 1780 auf, von 30 dem Goethe beeindruckt war53. Wenn die Grazien „heimlich“, ohne dass die anderen Götter dies merken, vom Himmel herabsteigen und sich zu den im Mondschein tanzenden Nymphen gesellen, sieht der Dichter ihrem Tanz zu und belauscht ihre Gespräche. Wenn er dann den Musen erzählt, was er als wachender Träumer gesehen und gehört hat, lehren sie ihn, damit die Götter nicht zürnen, „bescheiden Geheimnisse sprechen“. Welche Geheimnisse? Was sich hinter diesem Traumbild verbirgt, bleibt wie im Gedicht „Um Mitternacht“, in dem beide „einen Traum“ tanzen, verborgen. Erwählter Fels Hier gedachte still ein Liebender seiner Geliebten, Heiter sprach er zu mir: werde mir Zeuge du Stein! Doch erhebe dich nicht, du hast noch viele Gesellen, Jedem Felsen der Flur die mich den Glücklichen nährt, Jedem Baume des Walds, um den ich wandernd mich schlinge, Ruf ich weihend und froh: bleibe mir Denkmal des Glücks! Dir allein verleih ich die Stimme, wie unter der Menge Einen die Muse sich wählt, freundlich die Lippen ihm küsst. Auch wenn der Liebende „still“ seiner Geliebten gedachte, sprach er zu einem Felsen und zwar, anders als in den Gedichten des ersten Jahres, „heiter“. Und dieser scheinbar tote „Stein“ hat ihn vernommen und ist zum Zeugen seiner Liebe geworden. Ist „Stein“ ein Hinweis auf Frau von Stein? Wohl kaum, denn damit hätte er sein Geheimnis verraten. Der erwählte Fels darf sich nicht über die anderen Felsen erheben, da der Liebende jeden Fels und jeden Baum seiner Umgebung zum Denkmal seines Glücks geweiht hat. Die Stimme aber hat er nur ihm verliehen. Der Fels kann deshalb bezeugen, dass hier „ein Liebender seiner Geliebten“ gedacht hat, doch wer sie gewesen ist, muss er verschweigen. 31 3. Geheimnisse in Form von Epigrammen und Stanzen aus dem Jahr 1784 Am 28. August 1782, seinem 33. Geburtstag, schrieb Goethe der Geliebten: „Ungern trete ich aus einem Jahr meines Lebens, das mir so viel Glück gegeben hat, und das mir durch die Versicherung deiner Liebe unvergesslich werden wird.“ Warum befürchtete er, dass sein Glück nicht anhalten würde? Friedenthal meint, „dass dies Verhältnis ihm eben nicht genügte“, wobei er an Charlotte von Stein denkt. Dagegen spricht Goethes Brief vom 29. November 1782, in dem er der Geliebten versichert, dass „ich mit Herz Leib und Seele dein eigen bin“. Warum hat er schon ab Juli 1782 sein Tagebuch nicht weitergeführt und zwischen September 1782 und Juni 1784 kein einziges Gedicht über sie verfasst? Goethe schrieb ihr schon am 19. Februar 1782 und nochmals am 4. Mai 1783, dass ihre Liebe ihm Sorge mache, und fügte im zweiten Brief hinzu, dass „der Menschen ganz schweeres Glück an so einem einzigen Faden hängt“. Diese Furcht ist nur im Bezug auf Anna Amalia begründet. Würde ihre Liebe entdeckt, würde der Faden reißen, und sie müssten sich trennen54 Im Juni 1784 dichtete Goethe nochmals zwei Epigramme, die als Felsinschriften gedacht waren. Im ersten ist zusammengefasst, was ihn in den letzten Jahren zum Dichten motiviert und was er beim Dichten bedacht hatte: Was ich leugnend gestehe und offenbarend verberge Ist mir das einzige Wohl, bleibt mir ein reichlicher Schatz Ich vertrau es dem Felsen, damit der Einsame rate Was in der Einsamkeit mich was in der Welt mich beglückt. Ob er seine Liebe stummen Zeugen anvertraut, ob er einen Decknamen für die Geliebte wählt oder sie mit Psyche, einer Königin oder einer Feenkönigin vergleicht, ob er griechische oder lateini32 sche Epigramme umdichtet, mythologischen Figuren wie Nymphen, Grazien oder Musen von seiner Liebe erzählt oder Felsen zu Denkmalen des Glücks formt, er gesteht seine Liebe und leugnet sie zugleich, er offenbart die Gestalt seiner Geliebten und versteckt sie zugleich. Und weil er dies in seinen Gedichten tut, bleibt ihm in der Erinnerung ein reichlicher Schatz und kann jemand, der einsam ist wie er, erraten, was ihn in der Einsamkeit wie in der Welt beglückt hat. Goethe dichtete im Jahr 1784 vier weitere Epigramme und fünf Stanzen, die ursprünglich für das Fragment gebliebene Epos „Die Geheimnisse“ bestimmt waren. Und er versicherte der Geliebten in den zugehörigen Briefen, dass er diese Stanzen nur durch sie und für sie geschrieben habe. Er schickte den Herders am 24. Juli 1784 die ersten drei Stanzen und schrieb der Geliebten einen Tag später: „wenn ich das Gedicht anfange, so geschieht es nur um deinetwillen.“ Der Anfang der ersten Stanze und des ganzen Epos lautet: Doch denke niemand dass mit vielem Sinnen Das ganze Lied er je enträtseln werde. So haben die Goetheforscher bis heute nicht zweifelsfrei geklärt, wer sich hinter der Gestalt der Geliebten verbirgt. In der zweiten Stanze zählt der Dichter auf, was der Mensch als „hohes Glück“ bezeichnet, nämlich Treue, Freundschaft und das Licht, das Weise zu Gedanken und Dichter zu „schönen Bildern“ inspiriert, und bekennt: Das hatt ich all in meinen besten Stunden In ihr entdeckt und es für mich gefunden. Glück ist freilich kein Dauerzustand. In anderen Stunden hat er durch seine Liebe zu ihr Gram und Sorgen erlebt. 33 Als Goethe am 8. August den Herzog auf einer Reise nach Braunschweig begleitete und ein Achsenbruch sie den ganzen Tag über in Dingelstedt festhielt, dichtete Goethe den „Eingang“ zu dem geplanten Epos, der den späteren Ausgaben seiner Werke als „Zueignung“ vorangestellt ist. Er schickte dieses Gedicht wiederum dem Ehepaar Herder mit der Bitte, es „aufs baldigste“ „Frau von Stein“ weiterzuleiten. Drei Tage später schrieb er der Geliebten: „Du wirst dir daraus nehmen was für dich ist, es war mir gar angenehm dir auf diese Weise zu sagen wie lieb ich dich habe.“ Dieses Gedicht ist vielleicht das schönste Bild, das dieses Licht in ihm gezündet hat. Der Dichter wandert an einem frühen Spätsommermorgen auf einen Hügel und sieht sich bald von aufsteigendem Nebel umhüllt. Als die Sonne den Nebel durchdringt und er einen Blick auf die im Glanz der Sonne glühende Landschaft wagt, sieht er, wie ein „göttlich Weib“ auf den Wolken zu ihm herabschwebt. Ihre Frage, ob er sie erkennt, bejaht er, weigert sich aber, ihren Namen zu nennen, weil jeder sie zu besitzen meint. Als er ihr sagt, dass er deshalb ihr Licht vor anderen versteckt habe, schilt sie seinen Egoismus und mahnt ihn, die „Pflicht des Mannes“ zu erfüllen. Nachdem er ihr gelobt hat, die ihm verliehenen Gaben auch „für andere“ zu verwenden, kann er ihr näher treten. Da sieht er, wie sich die Nebelstreifen in den „reinsten Schleier“ verwandeln, den sie ihm mit den Worten schenkt: Aus Morgenduft gewebt und Sonnenklarheit, Der Dichtung Schleier aus der Hand der Wahrheit. Das „göttlich Weib“ ist eine Personifikation der Wahrheit. Sie verleiht dem Dichter nicht nur die Gabe, die blanke Wahrheit, die die Menschen blendet und oft auch verblendet, in schöne Bilder zu fassen, sie legt ihm auch die Pflicht auf, „mit der Welt in Frieden“ zu leben, den Weg zur Wahrheit auch „den Brüdern“55 oder „Freunden“ zu zeigen und mit ihnen „gemeinsam“ zu gehen. 34 Was aus diesem Gedicht ist „für dich“, die Geliebte? Diese lässt sich mit der Göttin der Wahrheit nicht gleichsetzen, aber in einem Punkt vergleichen. „Mit der Welt in Frieden“ zu leben und sich für Gleichgesinnte einzusetzen, dazu dürfte Anna Amalia ihn und die anderen Mitglieder des Weimarer Fürstenhofes angehalten haben. Am 24. August schickte er ihr aus Braunschweig die folgende Stanze und schrieb dazu auf französisch: „Ich schließe mit einem deutschen Vers (= Strophe), der in das Gedicht kommen soll, das ich so sehr liebe, weil ich darin von dir und meiner Liebe zu dir in tausend Formen sprechen kann, ohne dass es jemand außer dir allein versteht.“ Gewiß ich wäre schon so ferne ferne Soweit die Welt nur offen liegt gegangen Bezwängen mich nicht übermächt’ge Sterne Die mein Geschick an deines angehangen Daß ich in dir nun erst mich kennen lerne. Mein Dichten, Trachten, Hoffen und Verlangen Allein nach dir und deinem Wesen drängt Mein Leben nur an deinem Leben hängt. Er wäre längst weitergezogen, aber „übermächt’ge Sterne“ – in Gedichten vom Sommer 1776 hatte er von „Schicksal“ gesprochen - haben ihn bezwungen, indem sie ihrer beider Geschick verbunden haben. Er hat unter diesem Zwang aber nicht gelitten, da er erst in ihr sich selbst kennengelernt hat. Wenn man die Aussage ernst nimmt, dass sein Leben nur an ihrem Leben hängt, dann wird Goethe sie zwei Jahre später kaum freiwillig verlassen haben. * Was hat der Dichter hinter dem Schleier der Poesie über seine Liebe offenbart? Er hat im ersten Weimarer Jahrzehnt eine einzige Frau geliebt und ist ihretwegen in Weimar geblieben. Sie hat seine 35 Liebe schon nach kurzer Zeit erwidert, ihn aber in seine Schranken verwiesen. Er durfte sie nur selten sehen und musste seine Zuneigung zu ihr verbergen. Deshalb war seine Liebe zunächst durch Unruhe, Leid, Schmerzen und Sorgen getrübt. Seit 1780 dokumentieren die Gedichte eine gegenseitige und monogame, eine geistige, seelische und körperliche Beziehung. Sie lieben sich in der Nacht, beim Schein des Mondes und der Sterne. Wenn er in den letzten Versen an Lida immer wieder betont, dass er seine Liebe offenbaren möchte, aber verbergen muss, dass sie ein Geheimnis bleiben muss und dass ihm ewige Stille ziemt, muss es dafür eine Notwendigkeit gegeben haben. Weil ihre Beziehung nicht standesgemäß ist, müssen sie sie streng geheim halten. Dies bereitet ihm zunehmend Sorgen und Verdruss, weshalb er ab Herbst 1782 vorübergehend und ab Herbst 1784 für lange Zeit verstummt. Und was hat er über seine Geliebte verraten? Sie ist eine Fürstin, die er mit der Prinzessin Psyche und einer Königin vergleicht, aber ohne Standesdünkel. Wenn sie unter sich sind, spielt der Standesunterschied keine Rolle. Sie ist nicht prüde und bigott, sie beweist ihm Treue und Freundschaft, sie inspiriert ihn, sie verbindet die Künstler und Gelehrten, die sie um sich versammelt hat, zu einem Freundeskreis und stellt für ihn das Idealbild einer aufgeklärten Herrscherin dar. Dieses Bild passt auf die Herzogin Anna Amalia, die zentrale Figur des Weimarer Musenhofs, aber nicht auf ihre Hofdame und Vertraute Charlotte von Stein. Es zeigt zumindest, wie Goethe die Herzogin gesehen hat oder sehen wollte56. Ich kann, wie anfangs betont, nicht beweisen, dass Goethe seine „Verse an Lida“ in Wahrheit an Anna Amalia gerichtet hat. Aber vielleicht konnte ich Sie, meine sehr geduldigen Zuhörerinnen und Zuhörer, die Sie die Rolle des Gegners bis hierhin mitgespielt haben, davon überzeugen, dass dies in der Goetheforschung nicht länger ein verbotenes Thema sein darf. 36 ANMERKUNGEN 1 Jurek Becker: Anstiftung zum Verrat, in: J. B.: Nach der ersten Zukunft, 1980. 2 Ettore Ghibellino: Goethe und Anna Amalia. Eine verbotene Liebe? Weimar 2003, 3. veränderte Auflage 2007. 3 Rezension von Albert Meier im Goethe Jahrbuch 2007, S. 320. 4 Wilhelm Solms: Alles um Goethe? ALG Umschau Nr. 47, März 2012. 5 Jochen Golz: Gewiss: Alles um Goethe. ALG Umschau Nr. 48, September 2012. 6 Dem stimmt selbst Helmut Koopmann (Goethe und Frau von Stein. Geschichte einer Liebe, München 2001, S. 126) zu, obwohl er seinen Einblick in diese Liebesbeziehung aus den Briefen gewonnen hat: „Erstaunlicherweise geben nicht die Briefe, sondern die Gedichte wohl den deutlichsten Einblick in diese Liebesbeziehung.“ 7 An C. E. Schubarth, 2. 4. 1818. Zitiert von Erich Trunz, HA 1, S. 466. 8 Goethe’s Briefe an Frau von Stein aus den Jahren 1776 bis 1826. Zum erstenmal hg. Durch Adolf Schöll. 3 Bde. Weimar 1848-1851. 9 In Übereinstimmung mit der Münchner Ausgabe (Bd. 2. 1), von der ich nur bei der Datierung von „An den Mond“, „Versuchung“ und „Jugendlich kommt sie vom Himmel“ abweiche (s. u. ). 10 Von diesen fünfzig Gedichten sind 8 kurz nach ihrer Entstehung, 13 in den Schriften von 1789 und 3 in späteren Ausgaben erstmals erschienen, während 25 erst nach Goethes Tod durch die Edition seiner Briefe an Frau von Stein bekannt geworden sind. 11 Hermann Rollet: Die Goethe-Bildnisse, 1883, zitiert und kommentiert von Ghibellino, S. 158f. 12 Die ursprüngliche Fassung von „Jägers Abendlied“ entstand im Dezember 1775 oder im Januar 1776 und wurde im Januar 1776 in „Der Teutsche Merkur“ veröffentlicht. 13 Johann Peter Eckermann: Gespräche mit Goethe, 7. Oktober 1827, Berlin u. Weimar 1982. S. 564. 14 So Goethe über die beiden Vorbilder von Werthers Lotte in „Dichtung und Wahrheit“, 13. Buch. 37 15 Goethe hat „Ein süßer Friede“ (Teutscher Merkur, Januar 1776) später in „Ein stiller Friede“ geändert, vermutlich weil er die ursprüngliche Formulierung auch in „Wandrers Nachtlied“ vom 12. Februar 1776 verwendet hat. 16 Für Emil Staiger (Goethe, Bd. 1, Zürich 1952, S. 329) ist das Gedicht „noch Lili gewidmet“, weil er sie in Frankfurt „lassen“ musste). Diese Deutung wird aber nur durch die Fassung von 1789 gestützt, als ihm Lili nicht mehr nahestand. 17 Karl Eibl, FA I. 1, S. 958. 18 Das Gedicht ist auf eine Melodie von Philipp Christoph Kayser geschrieben, die Goethe bereits Anfang 1776 vorlag. Siehe Bernhard Witte: Johann Wolfgang Goethe Gedichte, Studienausgabe, Stuttgart 2008, S. 573. Dem Herausgeber der Münchner Ausgabe zufolge könnte das Gedicht dem Brief vom 11. 8. 1777 beigelegen haben (MA 2.1, S. 559). 19 Vgl. Erich Trunz, HA 1, S. 470. 20 Vgl. FA 1.2, S. 968. 21 Ghibellino, S. 46f. 22 Ebenda, S. 37. 23 Tagebuch vom 21. Aug. und 21. Dez. 1776, 18. Jan. 1777, 3. Jan., 14. Febr. und 14. Dez. 1778 bzw. vom 13. Nov. 1776. 24 So in den Briefen vom 6. Aug. 1778 , vom 12. und 28. März, vom 16. und 18. Juli 1781 und später. 25 Ghibellino, S. 177. 26 Ebenda, S. 172. 27 „Neue Liebe, neues Leben“. 28 „Jägers Nachtlied“, „Wandrers Nachtlied“, „Rastlose Liebe“, „Ich bin eben nirgend geborgen“. 29 Vgl. a. Nicholas Boyle (Goethe – Der Dichter in seiner Zeit, Bd. I, 17491790, übersetzt von Holger Fliessbach, München 1995, S. 301): „Von Anfang an war die Freundschaft der beiden bei Hofe kein Geheimnis.“ 30 Richard Friedenthal: Goethe. Sein Leben und seine Zeit, Stuttgart/ Hamburg 1963, S. 247. 31 Ghibellino geht auf den Hinweis der Klassik Stiftung Weimar auf Charlottes Verse von 1776 nicht ein, sondern verweist stattdessen auf eine Erinnerung von Henriette von Egloffstein aus dem Jahr 1787. 32 Koopmann (Anm. 6), S. 95. 33 Vgl. den Kommentar von Jochen Golz zu Goethes Tagebüchern Band I. 2, S. 408f. 38 34 Bernd Witte, in: Johann Wolfgang Goethe, Gedichte, Stuttgart 2008, S. 579. 34a Die erhaltene Abschrift von Charlottes Hand ist auf diesen Tag datiert. 34b Koopmann (Anm. 6), S. 96. 35 „Frage nicht nach mir“ und „Erwählter Fels“ (MA 2.1, S. 76 u. 77). 36 „Gewiß ich wäre schon so ferne, ferne“ (MA 2.1, S. 97). 37 Friedenthal (Anm. 30, S. 259) ist der gegenteiligen Ansicht, wobei er Charlotte von Stein vor Augen hat: „Goethe zögert von vornherein – und immer wieder vor allem vor dem ,Letzten‘, einer dauernden, festen Bindung.“ 38 Die ersten vier Verse hatte Goethe schon im Oktober 1778 an die Geliebte geschickt. Die nächsten Strophen mit längeren Versen und zwei durchgehenden Reimklängen sind erst später entstanden. „Die Zeit nach Februar 1781 wird gesichert durch das ß“ [„geheimnißvolle“] in Vers 19 (WA IV. 6, 431). Demnach könnte Goethe das Band vor dem 8. März erhalten haben. Beide haben das Band aber „öfter ausgetauscht“ (MA 2.1, S. 592). 39 Briefliche Auskunft des Rechtshistorikers Michael Stolleis, vgl. a. den Artikel „Missheirat von Dieter Schwab in: Handwörterbuch zur Deutschen Rechtsgeschichte, Bd. 3, Berlin 1984, Sp. 603-607. 40 Vgl. Ursula Salentin: Anna Amalia. Wegbereiterin der Weimarer Klassik, 1996. Tb. München: 4. Aufl. 2008, S. 139f. 41 Goethes Brief vom 29. 11. 1782 ist unterschrieben: „der ich mit Herz Leib und Seele dein eigen bin.“ 42 Briefe vom 4. Juli 1779 und vom 1. Jan. 1780. 43 Das Gedicht „An Lotten“ von 1774 ist Lotte Buff, die inzwischen Kestner hieß, gewidmet. 44 Bei der chronologischen Ordnung der Briefe wurde das Gedicht hinter dem Brief vom 1. Juni 1781 eingereiht, der eine Sendung der ersten Erdbeeren des Jahres begleitete. Das Gedicht ist aber kaum „Goethes erster Versuch in Distichen“ aus dem Jahr 1781 (MA 2.1, S. 583), da Goethe dieses Versmaß hier bereits beherrscht, sondern entstand vermutlich im Frühsommer 1782 (vgl. a. FA I.1, S. 947). 45 Siehe Ghibellino, S. 185. 46 Am 1. Oktober 1781 schrieb er ihr: „Es ist als wenn ich dich immer meine Liebe Seele nennte“, und am 29. Januar 1782: „Ich (…) fand dein liebliches Wort wofür ich dir dancke. Psyche war nicht stumm, du Liebe!“ 47 Ghibellino S. 178f. 48 Wie in „An Annetten“: „Die Du mir Gottheit, Muse und Freund mir bist“ und in Sonette „V. Wachstum“: nun muß ich dich als Fürstin denken“ (HA 1, S. 14 u. 296). 39 49 MA 2.1, S. 601. Ebenda. 51 Herder hatte Anfang 1782 begonnen, griechische Epigramme zu übersetzen. 52 „Einsamkeit“, „Ländliches Glück“, „Der geweihte Platz“. 53 FA I. 1, 588. Da Goethe den Pentameter offensichtlich noch nicht beherrscht, dürfte das Gedicht noch vor dem ersten datierten Distichon, „Königen sagt man“, d. h. vor dem 12. April 1782, entstanden sein. 54 Vgl. Ghibellino, S. 187. Er verweist als weiteren Beleg auf den Besuch der Gräfin Görtz in Weimar im Oktober 1782, bei dem sie ihrem Mann über Goethes Beziehung zur Herzogin berichtete (S. 74). 55 Ein Hinweis auf die Freimaurer-Loge Anna Amalia, der Goethe seit 1780 angehörte? 56 Leider tragen die beiden jüngsten Biographien, „Anna Amalia. Wegbereiterin der Weimarer Klassik“ von Ursula Salentin (Köln 1996) und „Anna Amalia von Weimar“ von Leonie und Joachim Berger (München 2006) zu einem objektiven Bild der Herzogin, ihrer Rolle für den „Weimarer Musenhof“ und ihrer Beziehung zu Goethe wenig bei, da die erste dieses Bild verklärt, die zweite dagegen verzerrt. In Bergers Kapiteln über die Jahre 1775 bis 1786 kommt keine einzige Begegnung von Anna Amalia und Goethe zur Sprache. 50 40 GEDICHTE AN LIDA Entstehung Erstdruck Schriften Briefe 1789 1848-51 Jägers Nachtlied Winter 75/76 1776 Eislebens Lied Winter 75/76 1776 • 12.2.76 1780 • • 76? • • 6.5.76 • Wandrers Nachtlied Warum gabst du uns die tiefen Blicke An den Mond • 14.4.76 Frühjahr Rastlose Liebe Hier bildend nach der reinen stillen • 29.6.76 • 7.7.76 • Und ich geh meinen alten Gang Alles geben die Götter, die unendlichen 17.7.76 Zwischen Felsen wuchsen hier 21.7.76 Ach so drückt mein Schicksal mich 22.7.76 Was weiß ich, was mir hier gefällt 3.8.76 • • • • Ach, wie bist du mir, 7.8.76 • Hierhergetrabt die Brust voll tiefem 2.9.76 • Kehre nicht in diesem Kreise 76 Ich bin eben nirgend geborgen 16.10.76 An den Geist des Johannes Secundus • 2.11.76 • • Was mir im Kopf und Herzen stritt 28.4.77 • Mit einer Hiazynthe 25.4.78 • Von mehr als einer Seite verwaist v 1-4 17.6.78 • So wie Titania 12.78 Deine Grüsse hab ich wohl erhalten 19.4.79 Meine Göttin 15.9.80 1815 • • 1781 • Um Mitternacht, wenn die Menschen 15.10.80 • Zum Tanze schick ich 9.12.80 • 16.12.80 • Denn ach bald wird in dumpfes Unbehagen 12.80? • Sag ich’s euch, geliebte Bäume An die Heuschrecke 9.81 41 1781 • Entstehung Erstdruck Schriften Briefe Nachtgedanken 20.9.81 1781 • Der Becher 22.9.81 1781 • Den einzigen Lotte welchen du lieben 9.10.81 1788 • Arm an Geiste kommt heut spät Der geweihte Platz 3.82? 3./4.82 Königen sagt man hat die Natur • • • 12.4.82 • • • (•) vor 5.5.82 • (•) vor 5.5.82 • (•) Einsamkeit vor 5.5.82 Erwählter Fels Ländliches Glück 1782 Frage nicht nach mir und was ich 82? Ungleiche Heirat 82? • Eine schädliche Frucht 82? • • Was ich leugnend gestehe und offenbarend 23.6.84 Felsen sollten nicht Felsen und Wüsten 24.6.84 Doch denke niemand dass mit vielen 25.7.84 1820 Wohin er auch die Blicke kehrt und wendet 25.7.84 1827 Jugendlich kommt sie vom Himmel Sommer 84? 1856 • • • • zw. 1782 u. 84 Zueignung 8.8.84 Gewiss ich waere schon so ferne ferne • • Denn was der Mensch in seinen Erdeschr. 25.7.84 Als der Undankbare floh • • • 24.8.84 • Du verachtest den Armen, er lehne 22.11.84 • Wecke nicht den Amor, es schläft der 22.11.84 • 28.6.86 • Woher sind wir geboren (•) = Briefe an Knebel 42 Weiterführende Informationen: Ettore Ghibellino: Goethe und Anna Amalia Eine verbotene Liebe 4. veränderte und erweiterte Auflage, Weimar 2012, 336 Seiten, 41 überw. farb. Abb., Broschur, 19,90 Euro ISBN 978-3-936177-66-4 Dr. A. J. Denkena Verlag Ettore Ghibellino: Goethe and Anna Amalia. A Forbidden Love?, transl. Dan Farrelly, Carysfort Press, Dublin 2007 360pp., Paperback 25,- Euro ISBN 978-1-904505-24-2 www.carysfortpress.com Ilse Nagelschmidt (Hrsg.) Alles um Liebe Anna Amalia und Goethe 1. Interdisziplinäres Symposium Tagungsband Weimar 2008, 284 Seiten, Broschur, 24,90 Euro ISBN 978-3936177-10-7, Dr. A. J. Denkena Verlag Ilse Nagelschmidt, Stefan Weiß, Jochanan Trilse-Finkelstein (Hrsg.) Anna Amalia und Goethe, 2. Interdisziplinäres Symposium Tagungsband Weimar 2010, 464 Seiten, Broschur, 24,90 Euro ISBN 978-3-936177-152, Dr. A. J. Denkena Verlag 43 Prof. Dr. Wilhelm Solms Geboren 1937 in Lich/Oberhessen, Studium der Neueren deutschen Literatur und der Musik an der Universität München und der Musik-Hochschule Wien. Dissertation über Goethes West-östlichen Divan, Assistent und Leiter des Planungsteams Hochschuldidaktik an der Universität München, ab 1977 Professor für Neuere deutsche Literatur und Medien an der Universität Marburg, seit 2001 im Ruhestand. Vorstandssprecher der Arbeitsgemeinschaft Literarischer Gesellschaften und Gedenkstätten in Berlin (1986-2004), Vorsitzender des Marburger Literaturforums (1988-2002), Vizepräsident der Europäischen Märchengesellschaft (19891993), Vorsitzender der Gesellschaft für Antiziganismusforschung (seit 2002). Leitung von Literaturforen mit Autoren und Autorinnen über österreichische, deutsch-schweizerische, rumäniendeutsche und deutsch-orientalische Literatur, komische Literatur, erotische Literatur von Frauen sowie Märchentagungen und Tagungen zum Antiziganismus. Forschungsschwerpunkte: Goethe, neueste deutsche Literatur, Grimms Märchen, Zigeunerbilder deutscher Dichter, Antiziganismus. Letzte Buchveröffentlichungen: Die Moral von Grimms Märchen (1999), »Kulturloses Volk«? Berichte über »Zigeuner« und Selbstzeugnisse von Sinti und Roma (2007), »Zigeunerbilder«. Ein dunkles Kapitel der deutschen Literaturgeschichte. Von der Frühen Neuzeit bis zur Romantik (2008). Vorträge bei der Goethe-Gesellschaft in Weimar, Beiträge in den Goethe-Jahrbüchern 1982 und 2003. ISBN 978-3-936177-63-3 DR. A. J. DENKENA VERLAG WEIMAR 44