KOGötz Zum 100. Geburtstag On his 100th birthday
Transcription
KOGötz Zum 100. Geburtstag On his 100th birthday
K.O.Götz K.O.Götz Zum 100. Geburtstag On his 100 th birthday Bestands- und Ausstellungskatalog Collection and exhibition catalogue herausgegeben von edited by Ingrid Mössinger und and Kerstin Drechsel bearbeitet von co-edited by Cornelius Krell Kunstsammlungen Chemnitz Sandstein Verlag · Dresden Dank Acknowledgement Inhalt Content Für die großzügigen Schenkungen danken wir K.O. Götz 6 Prolog // Prologue und Rissa sowie der K.O. Götz und Rissa-Stiftung. i n g r id m ö ssi n g e r We would like to express our thanks to K.O. Götz and Rissa as well as to the K.O. Götz and Rissa Foundation for the generous donations. 9 Essays // essays 10 Karl Otto Götz in den Kunstsammlungen Chemnitz Karl Otto Götz in the Collection of the Kunstsammlungen Chemnitz Katja Margarethe Mieth, Chemnitz C o r n e l i u s K r e l l Joachim Lissmann, Saarbrücken 23 Der informelle Impuls // The Art Informel Impulse M E l a n i e F r a n k e 3 9A b b i l d u n ge n / / I l l u s t r a t i o n s Mit freundlicher Unterstützung 1 4 7 Be s t a n d s v e r ze i c h n i s / / i n v e n t o r y This publication was supported by 1 6 7 A n h a n g / / a p p e n d i x Sächsische Landesstelle für Museumswesen 168 Biografie // Biography 195Rückblicke // Reminiscences 196 Ausstellungen // Exhibitions 205 Bibliografie // Bibliography 208 Fotonachweis // Photo credits 209 Autoren // Authors 2 10 Impressum // Imprint Essays Essays Karl Otto Götz in den Kunstsammlungen Chemnitz Karl Otto Götz in the Collection of the Kunstsammlungen Chemnitz 1 Tynel, 1958 Tynel, 1958 co r n e l i u s k r e l l Karl Otto Götz (* 1914), der am 22. Februar 2014 seinen 100. Geburtstag feiert, gehört zweifellos zu den wichtigsten Vertretern des Informel in Deutschland. Er ist zudem einer der letzten noch lebenden Protagonisten dieser Kunstrichtung. Von den 1930er Jahren an bis heute hat er ein äußerst vielfältiges und umfangreiches Werk geschaffen, das von unbändiger Neugier und Experimentierfreude geprägt ist. Dies zeigt sich schon an den Medien und Techniken, in denen der Künstler arbeitet. Von Götz sind nicht nur Gemälde, Stahlreliefs und Lithografien überliefert, sondern auch Holz- und Linolschnittarbeiten, Monotypien, Lackdrucke, Luftpumpenbilder, Luminografien sowie Terrakotta- und Keramikarbeiten. Parallel zu seinem bildkünstlerischen Œuvre entstanden mehrere Gedichtbände, wissenschaftliche Beiträge zur Informationstheorie und Kybernetik sowie die zweibändige Autobiografie »Erinnerungen und Werk«1, ein eindrucksvolles Zeugnis seines bewegten Lebens bis zu diesem Zeitpunkt. In den 1950er Jahren avanciert er zudem durch seine Mitgliedschaft in der Künstlergruppe CoBrA und die von ihm selbst verlegte Zeitschrift »META« zu einem der wichtigsten Vermittler zwischen der nationalen und der internationalen Kunstszene.2 In den Kunstsammlungen Chemnitz ist sein Werk mit insgesamt 152 Arbeiten gut dokumentiert. Neben drei Gemälden und einer Stahlskulptur verfügt das Museum über 142 Lithografien sowie fünf Entwurfszeichnungen für die farbigen Bleiglasfenster im Treppenhaus der Kunstsammlungen. Bis auf eines der Gemälde, eine Leihgabe aus der Sammlung Lühl in Mönchengladbach, sind alle Werke zwischen 1992 und 2004 über mehrere großzügige Schenkungen des Künstlers und seiner Frau Rissa sowie ihre gemeinsame Stiftung in den Besitz des Museums gelangt.3 Dank dieser umfangreichen Schenkungen und der freundschaftlichen Verbundenheit des Künstlers mit dem Museum konnten ihm die Kunstsammlungen Chemnitz bereits Ausstellungen widmen. 1993 richteten sie unter dem Titel »K.O. Götz. Arbeiten auf Papier 1934 – 1993« eine Retrospektive aus.4 2004 fand anlässlich des 90. Geburtstags eine weitere Schau statt. Mit der Ausstellung »K.O. Götz – Zum 100. Geburtstag« wird die Reihe der Ausstellungen zum Künstler fortgesetzt und erstmals der gesamte Bestand seiner Werke in den Kunstsammlungen Chemnitz publiziert. Obwohl nicht alle Werkphasen sowie alle von Götz geschaffenen Gattungen in Chemnitz vertreten sind, erlaubt es der Bestand, seine künstlerische Entwicklung exemplarisch nachzuzeichnen. Während die drei Gemälde aus den Jahren 1958, 1993 und 2004 einen weiten Bogen über seine Schaffenszeit und die entwickelten »Bildschemata«5 schlagen, ermöglichen die 142 Lithografien, die zwischen 1983 und 10 Karl Otto Götz (b. 1914) celebrates his 100th birthday on 22 February 2014. He is undoubtedly one of the most important representatives of Art Informel in Germany as well as one of the last protagonists of this art movement still alive. From the 1930s up to the present he has created an extremely diverse and extensive oeuvre characterised by boundless curiosity and enthusiasm for experimentation. This is immediately obvious in the media and techniques the artist uses. Götz has not only produced paintings, steel reliefs, and lithographs but also wood and linocuts, monotypes, gloss paint prints, air-pump pictures, light paintings, and terracotta and ceramic works. Parallel to his artistic pictorial oeuvre, he has also written several volumes of poetry and a two-volume autobiography Erinnerungen und Werk 1, an impressive account of his eventful life up to the present day. In the 1950s he became one of the most important intermediaries between the national and international art scenes, as a member of the art group CoBrA and with the magazine META, which he published himself.2 His oeuvre is well documented in the Kunstsammlungen Chemnitz with 152 works, including 3 paintings and a steel sculpture as well as 142 lithographs and 5 designs for the coloured lead glass windows in the stairwell of the museum. Apart from one painting that has been lent by the Sammlung Lühl in Mönchengladbach, all the works entered the museum’s collection as the result of several generous donations made between 1992 and 2004 by the artist and his wife Rissa as well as their mutual foundation.3 Thanks to these substantial donations and Götz’s friendly ties with the museum, the Kunstsammlungen Chemnitz has already been able to devote exhibitions to the artist. In 1993 a retrospective was mounted entitled K.O. Götz. Works on Paper 1934 – 1993.4 A further show celebrated his 90th birthday in 2004. The current exhibition K.O. Götz — Zum 100. Geburtstag continues this series of exhibitions on the artist and sees for the first time the publication of a complete list of his works in the collection. Although not all of Götz’s work phases and genres are represented in Chemnitz, the inventory of works demonstrates his artistic development in an exemplary manner. While the three paintings from the years 1958, 1993, and 2004 span a lengthy period in his creative life and display the “pictorial schemata”5 he developed, the 142 lithographs produced between 1983 and 2004 allow deep insight into Götz’s intensive engagement with this technique. Here it is interesting to note the parallels between his painterly practice and his lithography. Other examples of Götz’s use of a range of media are his steel relief Ingrid and his only work in leaded-glass for the windows of the Kunstsammlungen Chemnitz. 2004 geschaffen wurden, einen vertieften Einblick in Götz’ intensive Auseinandersetzung mit dieser Technik. In diesem Zusammenhang soll auch auf Parallelen zwischen dem malerischen und dem lithografischen Schaffen verwiesen werden. Ebenfalls in verschiedenen Medien arbeitete Götz mit dem Stahlrelief »Ingrid« und dem in seinem Schaffen einmaligen Glasfenster in den Kunstsammlungen Chemnitz. 1958: Tynel Bereits Ende der 1940er Jahre hat der Künstler nach einer schnellen Arbeitsweise gesucht und experimentierte in diesem Zusammenhang mit Lackdruck und Monotypie – ein Druckverfahren, bei dem auf Glas-, Acryl- oder Metallplatten gezeichnet wird. Aber erst 1952 gelingt ihm mit der Rakel (einem Stück Holz mit einer Gummilippe) und einer Mischung aus Kleister und Gouache der künstlerische Durchbruch. Das Wort »Rakel« stammt vom französischen Begriff racle und bedeutet Kratzeisen oder Abstreichholz. Bei bestimmten Tiefdrucktechniken wird eine Rakel eingesetzt, um überschüssige Farbe vom Druckzylinder zu entfernen; beim Siebdruck dient sie dazu, Farbe durch die Öffnungen des Siebes auf die zu bedruckende Fläche zu pressen.6 Im Rückblick schreibt Götz über diese für sein Werk entscheidende »künstlerische […] Zäsur«7: »Als ich im Sommer 1952 Kleisterfarben für meinen kleinen Sohn anrührte, fand ich quasi durch Zufall meine schnelle Maltechnik: Erst Kleister aufs Papier, dann mit Gouache schnell hineingearbeitet, dann mit dem Messer oder Rakel die Farbe aufgerissen, dann wieder mit Gouache hinein, und fertig war das Bild. War das Ergebnis nicht zufriedenstellend, so konnte ich das Ganze mit einem Lappen abwischen ... und von vorn anfangen.«8 Diese Technik prägt fortan sein informelles Schaffen und führt ihn zu einer »Synthese zwischen den Formabwandlungen [der ›Fakturenfibel‹] und der schnellen Handschrift der Monotypien«9. Durch diese neue Technik und das damit verbundene Arbeitsprozedere gelingt es dem Künstler, das Verhältnis zwischen Vorder- und Hintergrund in seinen Bildern stärker zu kontrollieren. In den folgenden Jahren entwickelt Götz seine Technik systematisch weiter, indem er neben der Farbe Schwarz auch chromatische Farben und neue Formenelemente in seine Bilder hineinbringt. 1954 beginnt der Maler zudem streichholzschachtelgroße Skizzen zu seinen Bildern anzufertigen, um die routinemäßige Wiederholung bestimmter Bildschemata zu vermeiden. Zum Teil greift er einzelne dieser Schemata später wieder auf, um sie mit anderen zu kombinieren. 1958: Tynel By the end of the 1940s, the artist had already searched for a quick way of working. To this end, he experimented with gloss paint prints and monotypes — a printing method of drawing directly onto glass, acrylic, or metal plates. But it was not until 1952 that he achieved his artistic breakthrough using a squeegee (a wooden tool with a rubber blade) and a mixture of glue and gouache. The German word for squeegee, Rakel, comes from the French term racle, which means a rake or wooden scraper. In some forms of intaglio printing, this tool is used to remove superfluous ink from the printing cylinder; in silkscreen printing it is used to press the ink through the holes in the screen mesh onto the surface to be printed.6 Looking back, Götz wrote about this “artistic watershed”7: “In summer 1952, while mixing distemper paints for my small son, I by chance found my fast painting technique: first spread paste on the paper, then swiftly add gouache, then work the paint around with a knife or squeegee, then add more gouache, and the painting was finished. If the result did not satisfy me, I could wipe the lot away with a rag … and start again.”8 This technique shaped his future informal way of working from then on, leading him to a “synthesis between variations in form (the ‘Primer of Forms’) and the speedy style of the monotypes”.9 Using this new technique and its working procedures, the artist succeeded in gaining more control over the relationship between fore- and background in his pictures. In the following years, Götz continued to systematically extend his technique. He started to use chromatic colours as well as black, and included new shapes in the composition. In 1954 the painter also began to make matchbox-sized sketches for his pictures, in order to 11 2 Karl Otto Götz bei der Arbeit in seinem Atelier an der Düsseldorfer Kunstakademie, Herbst 1959 3 Jackson Pollock bei der Arbeit in seinem Atelier in East Hampton, 1950, Karl Otto Götz at work in his studio at the Fotografie von Hans Namuth Kunstakademie Düsseldorf, autumn 1959 Jackson Pollock at work in his studio barn in East Hampton, 1950, photograph by Hans Namuth 1958, auf dem Höhepunkt des Informel und rund sechs Jahre nach Entdeckung der neuen Technik, entsteht das Gemälde »Tynel« (Abb. 1). Diese kleinformatige Arbeit in den Maßen 81,5 × 65 cm ist in einer Mischtechnik auf Leinwand entstanden. In ihr geht eine schwarze Farbbahn von der linken oberen Ecke aus, die in einer Schleife weit nach rechts ausgreift und sich in der Bildmitte zu einem Knäuel oder Strudel verdichtet. Am rechten oberen Bildrand schießt diese in sich verdrehte Schleife teilweise sogar über den Bildrand hinaus. Götz hat in diesen Strudel mit der Rakel mehrmals »hineingearbeitet«10, sodass Schlieren, Farbspritzer und Verwerfungen entstanden. Komplementär dazu geht von der rechten unteren Ecke eine zweite Farbspur aus, die sich in der Bildmitte mit dem bereits beschriebenen Knäuel vereint. Links neben diese zweite Faktur hat der Maler seine Signatur gesetzt. Es fällt auf, dass die Verteilung der Farbbahnen innerhalb des Bildes ungewöhnlich ist: Die linke untere und die rechte obere Ecke sind bis auf einige Farbspritzer praktisch leer. Hinterfangen werden diese beiden dynamischen Farbbahnen, die an die japanische Ch’an-Kalligrafie erinnern, von diffusen hell- und dunkelblauen Farbwolken.11 Obwohl aus dem Gemälde deutlich hervorgeht, dass Götz die blaue Struktur vor der schwarzen Farbbahn auf die Leinwand gebracht hat, changieren diese Struktur sowie die schwarze Faktur beständig zwischen Figur und Grund, sodass sich kaum noch sagen lässt, ob das Bild überhaupt eine räumliche Dimension aufweist und wie diese genau zu fassen wäre. So schwierig das Verhältnis von Vorder- und Hintergrund in »Tynel« bestimmbar ist, so wenig lässt sich der von Götz angedeutete 12 avoid routinely repeating specific pictorial schemata. He took up some of these pictorial schemata again later, to recombine them with others. The painting Tynel was made (fig. 1) in the heyday of the Art Informel movement in 1958, about six years after Götz discovered this new technique. This small-scale work measuring 81.5 × 65 cm was executed in mixed media on canvas. A black swath of paint extends from the upper left corner and swerves far off to the right, to then form a cluster or maelstrom in the picture centre. At the upper right edge of the picture, this ribbon twisting about itself even partially overshoots the edge of the image. Götz “worked into”10 this swirl several times with a squeegee, creating smears, colour splodges, and disruptions. Complementary to this, a second trace of colour rises from the bottom right-hand corner to join the cluster in the middle. The painter signed the work to the left of this second element. The unusual distribution of bands of colour within the picture is interesting, for the bottom left and upper right corners are almost empty, apart from a few splatters of paint. The two dynamic stripes of black paint, reminiscent of Japanese Ch’an calligraphy, are set against diffuse light and dark blue clouds of colour.11 Although the painting reveals quite clearly that Götz applied the blue structure to the canvas before adding the black bands, this blue texture and the black configuration constantly oscillate between appearing as figure and as pictorial ground, making it almost impossible to say whether the image even has a spatial dimension and how specifically this could be grasped. Just as the relationship between fore-and background in Tynel cannot be pinned down, so too the “Formling” 12 or casting implied by the artist appears difficult or impossible to decipher in relationship to anything figurative. It would be more correct to speak of shapes in the process of becoming, whose further development cannot be predicted. Similar colour traces can be found in the lithographs Frisso (1988) and Pilsa (1992) (fig. cat. 57 and 78), both made considerably later than Tynel. Tynel is notable for its strength of vitality and movement and its conspicuous drive as well as its spontaneity, surprise, and speed. These qualities are largely a result of Götz’s way of working — a threestep method alternating between rapid artistic interventions and moments of observation and reflection.13 The collector Willi Kemp (b. 1927), who was one of the few to have the chance to observe Götz’s artistic methods firsthand, has given a vivid summary of the artist’s manner of working on the painting Kemp (1976), which bears his name: “As soon as the glue has been spread over the canvas, the first »Formling«12 auf Gegenständliches zurückführen. Treffender wäre von im Entstehen begriffenen Formen zu sprechen, deren weitere Entwicklung nicht absehbar ist. Ähnliche Farbspuren weisen in dem Zusammenhang die Lithografien »Frisso« (1988) und »Pilsa« (1992) (Abb. Kat. 57 und 78) auf, die aber beide deutlich später als »Tynel« entstanden sind. »Tynel« ist von einer starken Dynamik und Bewegung, von einem auffälligen Schwung sowie von Spontaneität, Zufall und Geschwindigkeit geprägt. Dies hängt nicht zuletzt mit der Arbeitsweise von Götz zusammen – ein dreistufiges Prozedere, das zwischen schnellen künstlerischen Eingriffen und Momenten der Betrachtung und Reflexion changiert.13 Der Sammler Willi Kemp (*1927), der als einer der wenigen Gelegenheit hatte, dem künstlerischen Malprozess von Götz unmittelbar beizuwohnen, hat die Arbeitsweise des Künstlers anhand des nach ihm benannten Bildes »Kemp« (1976) eindrücklich in Worte gefasst: »Unmittelbar nachdem Kleister auf die Leinwand aufgestrichen ist, folgt der erste Malakt mit einem dieser langstieligen Pinsel. Die Leinwand im Auge haltend, geht der Maler ganz konzentriert ein paar Schritte nach rechts, dann nach links, um einen Pinsel aufzunehmen und eine Farbspur anzubringen. Dies geschieht schnell, federnd, dynamisch, ja geradezu tänzerisch. Es ist wie eine Attacke, die nur wenige Sekunden dauert. Dabei greift er die Leinwand richtig an. Dann geht er zurück, spült den Pinsel im Wasser aus und nähert sich langsam, prüfend wieder dem entstehenden Bild. Götz arbeitet auch mit dem leeren Pinsel und erzielt dadurch eine Vielzahl von Grautönen und Passagen zwischen Schwarz und Weiß. Er steht nicht auf der Leinwand, sondern arbeitet vom Rand her. Stets hat er vorher festgelegt, ob ein Hoch- oder Querformat entsteht. Jedes Bild hat eine Standansicht, ein Unten und ein Oben. Die Spannung steigert sich, als K.O. Götz den ca. 30 cm langen Rakel […] in die rechte Hand nimmt. Er ist nun gezwungen, dicht über der Leinwand zu arbeiten. Mit einer ungeheuren Schnelligkeit zieht er einen scharfen Schnitt in die nasse Farbe und schleudert sie über die Leinwand hinaus. Diese Rakelzüge werden mit dem Schwung des ganzen Körpers ausgeführt und steigern sich zu solcher Rasanz, dass der Maler über die Leinwand hinausgerissen wird und sich fangen muss, um nicht zu straucheln. Dann: kurzes Überlegen und wieder ein blitzschnelles Sezieren der schwarzen Fläche mit dem – wie es scheint – messerscharfen Rakel. Diese Phasen dauern nur Sekunden.«14 Diese Beschreibung unterstreicht, wie stark Götz’ Malweise den Malern des amerikanischen abstrakten Expressionismus, insbesondere Jackson Pollock (1912 – 1956), verpflichtet ist. Augenfällig wird dies auch auf Siegfried Kühls (1940 – 2001) 1959 entstandenen Foto- paint is applied with a long-handled brush. Keeping an eye on the canvas and deeply concentrated, the painter takes a couple of steps to the right, then to the left, to pick up a brush and apply a stroke of colour. This happens quickly, with a springing step, dynamically, almost as if dancing. It is like an onslaught lasting just a few seconds. during which he really assaults the canvas. Then he steps back, washes out the brush in water, and slowly reapproaches the developing picture, scrutinising it. Götz also works with an empty brush, creating a multitude of grey hues and modulations between black and white. He does not stand on the canvas but works from the edges. He always decides in advance whether the format should be portrait or landscape, and the position of top and bottom is clearly defined in every case. Excitement mounts as K.O. Götz takes the squeegee, which is about 30 cm wide […] in his right hand. He now has to work bending closely over the canvas. With incredible speed, he makes a deep groove in the wet paint and hurls the excess from the canvas. He throws his whole body into these sweeps of the squee gee, which become so violent that the painter is pulled off balance toward the canvas and has to steady himself to avoid stumbling. A moment to take stock and he slices again into the black surface again with lightning speed with the — seemingly — razor-sharp squeegee. These phases last just a few seconds.”14 The description shows how deeply Götz’s painterly practice was influenced by the American Abstract Expressionist painters, especially Jackson Pollock (1912 – 1956). This is also apparent in the photographs made of Götz at work by Siegfried Kühl (1940 – 2001), which, if only 13 Abbildungen Illustrations 1 Tynel, 1958 2 Triphell, 1993 1 Tynel, 1958 2 Triphell, 1993 40 41 3 Zybel, 2004 3 Zybel, 2004 43 5 Bleigefasste Glasfenster im Treppenhaus der Kunstsammlungen Chemnitz (Außenansicht), 1995 5 Leaded-glass window in the stairwell of the Kunstsammlungen Chemnitz (seen from outside), 1995 46 5 Fenster 1 und 2, Treppenhaus der Kunstsammlungen Chemnitz (Innenansicht), 1995 5 Window 1 and 2, stairwell of the Kunstsammlungen Chemnitz (seen from inside), 1995 47 11 Ohne Titel, 1983 | 12 Ohne Titel, 1984 | 13 Ohne Titel, 1984 | 14 Ohne Titel, 1987 11 Untitled, 1983 | 12 Untitled, 1984 | 13 Untitled, 1984 | 14 Untitled, 1987 52 15 Ohne Titel, 1987 15 Untitled, 1987 53 43 Selva B, 1987 44 Kal 91, 1990 43 Selva B, 1987 44 Kal 91, 1990 66 67 66 Zeisig, 1992 | 67 Tan, 1992 68 Faque I, 1992 | 69 Faque II, 1992 66 Zeisig, 1992 | 67 Tan, 1992 68 Faque I, 1992 | 69 Faque II, 1992 84 85 Bestandsverzeichnis Inventory Das Verzeichnis umfasst die Gemälde, Lithografien, Entwurfszeichnungen, Glasfenster und eine Skulptur von Karl Otto Götz im Bestand der Kunstsammlungen Chemnitz. Wenn nicht anders vermerkt, wurden die Lithografien mit schwarzer Farbe auf weißem Papier gedruckt. Signatur, Bezeichnung und Datierung der Grafiken wurden, wenn nicht anders angegeben, mit Bleistift ausgeführt. Bei den Maßangaben steht Höhe vor Breite, bei den Lithografien folgt das Darstellungsmaß dem Blattmaß, bei dem Stahlrelief sind die Maße in der Reihenfolge Höhe × Breite × Tiefe angegeben. Bis auf wenige Blätter tragen alle Lithografien den Prägestempel mit dem Monogramm von Manfred Hügelow, Grafik–Edition–Vertrieb, Offenbach. Fehlt der Prägestempel, wurde dies vermerkt. W e r k v e r ze i c h n i s s e Re l i e f Hügelow 1994 Hügelow, Manfred (Hg.): Karl Otto Götz: Werkverzeichnis der Original-Lithographien 1946 – 1994, Offenbach/Main 1994. 4 Ingrid, 2002 Stahl geschmiedet, schwarz lackiert 120 × 264 × 11,5 cm signiert vorne unten rechts: K. O. G. Kunstsammlungen Chemnitz, Inv.-Nr. Pl 223 2004 Schenkung des Künstlers Lissmann 33 Abb. S. 44 – 45 Hügelow 1995 Hügelow, Manfred (Hg.): Karl Otto Götz: Werkverzeichnis der Original-Lithographien 1994 – 1995, Ergänzungsband, Offenbach/Main 1995. Hügelow 2002 Hügelow, Manfred (Hg.): Karl Otto Götz: Werkverzeichnis der Original-Lithographien 1996 – 2001, 2. Ergänzungsband, Offenbach 2002. The inventory encompasses the paintings, lithographs, design drawings, glass windows and one sculptures by Karl Otto Götz in the Kunstsammlung Chemnitz. If not otherwise stated, the lithographs were printed with black paint on white paper, and the signature, title, and date of the graphic works were done in pencil. Artwork dimensions list height before width; in the case of the lithographs, the dimensions of the sheet precede those of the printed image; the dimensions of the steel reliefs are listed in the sequence height, width, and depth. Apart from a few sheets, all the lithographs are embossed with the monogram of Manfred Hügelow Lithographers, Offen bach. If the stamp is missing this is noted. C a t a l og u e o f W o r k s Re l i e f Hügelow 1994 Hügelow, Manfred (ed.), Karl Otto Götz: Werksverzeichnis der Original-Lithographien 1946 – 1994, Offenbach/Main, 1994. 4 Ingrid, 2002 Forged steel, painted black 120 × 264 × 11.5 cm Signed on front, bottom right: K. O. G. Kunstsammlungen Chemnitz, Inv. no. Pl 223 Gift of the artist 2004 Lissmann 33 Fig. p. 44 – 45 Hügelow 1995 Hügelow, Manfred (ed.) Karl Otto Götz: Werkverzeichnis der Original-Lithographien 1994 – 1995, supplementary volume, Offenbach/Main, 1995. Glossary* Hügelow 2002 Hügelow, Manfred (ed.) Karl Otto Götz: Werkverzeichnis der Original-Lithographien 1996 – 2001, 2nd supplementary volume, Offenbach, 2002. Proofproof This term indicates that the first print made by the artist in these cases was intended as a test of the colour scheme in preparation for the final print-run. Lissmann 2006 Lissmann, Joachim (ed.) K.O. Götz: Werkverzeichnis: Bilder 2003 bis 2006, Stahlreliefs 2000 bis 2006, Holzvögel 2003 bis 2005, Alsdorf, 2006. Edition The edition is the complete number of prints that were made from the stone. Artist’s prints, proof prints and test prints made during the preparatory process are not included in an edition and therefore not numbered. Kappes 2011 Kappes, Manfred (ed.) Karl Otto Götz: Werkverzeichnis der Original-Lithographien 2002 – 2005, 3rd supplementary volume, Alsdorf, 2011. Glasfenster G l a s s w i n d ow s Glossar* Andruck und Probedruck Diese Bezeichnungen bedeuten, dass der Künstler in diesen Fällen den ersten Druck als Test zur Farbbestimmung für den Auflagendruck verwendet hat. Auflage Die Auflage bezeichnet die Gesamtzahl der Abzüge, die von einem Stein hergestellt wird. Außerhalb einer Auflage liegen die Künstlerdrucke, die Probedrucke sowie die Zustandsdrucke, die nicht nummeriert werden. Jeder Abzug einer Auflage wird in der Regel vom Künstler mit Bleistift nummeriert, das heißt, es werden in arabischen oder römischen Ziffern Angaben über die Nummer des Blattes und die Höhe der Auflage gemacht. Künstlerdruck Mit dem Begriff »Künstlerdruck« (»Épreuve d’artiste«) werden Abzüge bezeichnet, die der Künstler für den eigenen Gebrauch hergestellt hat und die vor der nummerierten Auflage und zusätzlich zur angegebenen Auflagenhöhe gedruckt werden. Künstlerdrucke sind von Götz mit den Vermerken »E. A.«, »EA« oder »épreuve d’artiste« bezeichnet oder mit dem Kürzel »h. c.« (»hors de commerce) oder »H. C.« versehen worden, was bedeutet, dass diese Abzüge nicht für den Handel bestimmt sind. In der Regel werden diese Abzüge dem Künstler vom Verlag oder dem Herausgeber als Belegexemplare überlassen und betragen in der Regel ca. zehn Prozent der Auflage. Lissmann 2006 Lissmann, Joachim (Hg.): K.O. Götz: Werkverzeichnis: Bilder 2003 bis 2006, Stahlreliefs 2000 bis 2006, Holzvögel 2003 bis 2005, Alsdorf 2006. Kappes 2011 Kappes, Manfred (Hg.): Karl Otto Götz: Werkverzeichnis der Original-Lithographien 2002 – 2005, 3. Ergänzungsband, Alsdorf 2011. 5 Farbige Bleiglasfenster im Treppenhaus der Kunstsammlungen Chemnitz, 1995 bleigefasstes, farbiges Glas Fenster unten: 206 × 46 cm bzw. 206 × 40 cm Fenster oben: 89,5 × 46 cm bzw. 89,5 × 40 cm ausgeführt von der Firma Jochen Köthe, Burgstädt 1995 Schenkung des Künstlers, der Sparkasse Chemnitz, der Götz und Rissa-Stiftung, der Neuen Chemnitzer Kunsthütte e. V. und der Freunde der Kunstsammlungen Chemnitz Abb. S. 46 – 49 G em ä l d e 1 Tynel, 1958 Mischtechnik auf Leinwand 81,5 × 65 cm signiert unten Mitte: K.O. Götz verso auf dem Bildträger oben signiert, datiert und bezeichnet: K.O. Götz | MAi 1958 | »Tynel« Kunstsammlungen Chemnitz, Inv.-Nr. L 37 Dauerleihgabe der Sammlung Lühl Abb. S. 40 Makulatur Unter einem mit »Makulatur«-Druck bezeichneten Blatt versteht man ein beschmutztes oder fehlerhaft bedrucktes Blatt. In der Regel werden diese Arbeiten nicht ins Werkverzeichnis des Künstlers aufgenommen. Es handelt sich bei diesen Drucken um Unikate. 2 Triphell, 1993 Acryl auf Papier auf Leinwand 175,3 × 145,5 cm signiert unten Mitte: K.O. Götz verso auf dem Bildträger oben links signiert, bezeichnet und datiert: K.O. Götz | »Triphell« | 1993 Kunstsammlungen Chemnitz, Inv.-Nr. 1217 1994 Schenkung des Künstlers Abb. S. 41 Zustandsdruck Unter dem vom Künstler ebenfalls in einigen Blättern verwendeten Begriff »Zustandsdruck« (»Épreuve d’état«) versteht man den Abdruck von einem noch nicht fertiggestellten Stein. Er dient zur weiteren Bearbeitung durch den Künstler und wird jeweils nur in kleinen Auflagen hergestellt. Von einer Druckgrafik können mehrere Zustandsdrucke angefertigt werden. So heißt es auf einigen Blättern von Götz beispielsweise »2. Zustandsdruck«. Von Sammlern werden diese Unikate und Kleinstauflagen hoch geschätzt. 3 Zybel, 2004 Acryl auf Leinwand 200 × 260 cm signiert unten rechts: K.O. Götz verso auf dem Bildträger oben links signiert, bezeichnet und datiert: K.O. Götz | »Zybel« | 2004 Kunstsammlungen Chemnitz, Inv.-Nr. 1293 2004 Schenkung von Karin Götz (Rissa) Lissmann L 26/04 Abb. S. 42 – 43 E n t w u r f s ze i c h n u n ge n f ü r f a r b i ge B l e i g l a s f e n s t e r 6 Entwurf für Fenster 1, 1994/1995 Farbstifte, Deckfarbe auf kopierter Vorlage 39,7 × 17,7 cm verso signiert und datiert: K.O. Götz 1994/95 bezeichnet: N° 1 N° 1 Kunstsammlungen Chemnitz, Inv.-Nr. Z 2555 b 1995 Schenkung des Künstlers Abb. S. 50 7 Entwurf für Fenster 2, 1994/1995 Farbstifte, Deckfarbe auf kopierter Vorlage 41 × 19,2 cm verso signiert und datiert: K.O. Götz 1994/95 bezeichnet: N° 2 N° 2 Kunstsammlungen Chemnitz, Inv.-Nr. Z 2555 c 1995 Schenkung des Künstlers Abb. S. 50 Artist’s Print The term “artist’s print” applies to prints made by the artist for his own use. They are before the numbered print-run and are not included in the total for the edition. These were marked by Götz in several ways: with the letters “E. A.”, “E A” or “épreuve d’artiste” or with the abbreviation “h. c.” (hors de commerce) or “H. C.”, meaning that these prints were not for sale. As a rule, these prints were passed on by the artist as sample copies to the publisher or editor and generally amounted to some 10% of the print-run. Misprint The term “misprint” designates a soiled or imperfect print, which would not normally be included in the inventory of the artist’s work. These prints are unique. Test print Some prints are labelled “test print” or “épreuve d’état” (“test prints”) by the artist. These were printed from a block that was not yet finished, so that the artist could continue to work on it. Only a few test prints would be made. Thus, Götz labelled some of these “2nd test print”, for example. Collectors value these unique prints and very small print-runs highly. * Cf. Stegmann, Markus; Zey, René: Lexikon der graphischen 8 Entwurf für Fenster 3, 1994/1995 Farbstifte, Deckfarbe, Bleistift auf kopierter Vorlage 39,7 × 19 cm verso signiert und datiert: K.O. Götz 1994/95 bezeichnet: K Mitte N° 3, (etwas verzerrt zum Parallelogramm wegen der Projektion vom Karton korrigiert) Kunstsammlungen Chemnitz, Inv.-Nr. Z 2555 d 1995 Schenkung des Künstlers Abb. S. 51 Künste. Techniken und Stile, Reinbek near Hamburg 1992. 5 Coloured leaded-glass window in the Kunstsammlungen Chemnitz, 1995 Coloured leaded glass Lower window: 206 × 46 cm and 206 × 40 cm Upper window: 89.5 × 46 cm and 89.5 × 40 cm Executed by the Firma Jochen Köthe, Burgstädt Gift of the artist 1995, the Sparkasse Chemnitz, the Götz and Rissa Foundation, the Neuen Chemnitzer Kunsthütte e.V. and the Friends of the Kunstsammlungen Chemnitz Fig. p. 46 – 49 Paintings 1 Tynel, 1958 Mixed media on canvas 81.5 × 65 cm Signed bottom centre: K.O. Götz Verso signed on the upper support, dated and titled: K.O. Götz | MAi 1958 | “Tynel” Kunstsammlungen Chemnitz, Inv. no. L 37 on permanent loan from the Sammlung Lühl Fig. p. 40 2 Triphell, 1993 Acrylic on paper on canvas 175.3 × 145.5 cm Signed bottom centre: K.O. Götz Verso signed on the support upper left, dated and titled: K.O. Götz | “Triphell“ | 1993 Kunstsammlungen Chemnitz, Inv. No. 1217 Gift of the artist 1993 Fig. p. 41 3 Zybel, 2004 Acrylic on canvas 200 × 260 cm Signed bottom right: K.O. Götz Verso signed on the upper support, dated and titled: K.O. Götz | “Zybel“ | 2004 Kunstsammlungen Chemnitz, Inv. No. 1293 Gift of Karin Götz (Rissa) 2004 Lissmann L26/04 Fig. p. 42 – 43 De s i g n d r a w i n g s f o r c o l o u r e d l e a d e d - g l a s s w i n d ow s 6 Design for window 1, 1994 – 1995 Coloured pencils, opaque paint on template 39.7 × 17.7 cm Verso Signed and dated: K.O. Götz 1994/95 Title: N° 1 N° 1 Kunstsammlungen Chemnitz, Inv. no. Z 2555 b Gift of the artist 1995 Fig. p. 50 7 Design for window 2, 1994 – 1995 Coloured pencils, opaque paint on template 41 × 19.2 cm Verso Signed and dated: K.O. Götz 1994/95 Title: N° 2 N° 2 Kunstsammlungen Chemnitz, Inv. no. Z 2555 c Gift of the artist 1995 Fig. p. 50 8 Design for window 3, 1994 – 1995 Coloured pencils, opaque paint on template 39.7 × 19 cm Verso Signed and dated: K.O. Götz 1994/95 Title: K Mitte N° 3, (etwas verzerrt zum Parallelogramm wegen der Projektion vom Karton korrigiert) Kunstsammlungen Chemnitz, Inv. no. Z 2555 d Gift of the artist 1995 Fig. p. 51 * Vgl. dazu: Stegmann, Markus; Zey, René: Lexikon der graphischen Künste. Techniken und Stile, Reinbek bei Hamburg 1992. 148 149 Biografie Biography 1914 Karl Otto Götz wird am 22. Februar in Aachen-Burtscheid als Sohn des Textil ingenieurs Karl Otto Götz und seiner Frau Martha Elisabeth, geb. Wötzel, geboren. Wohnsitz der Familie ist die Dammstraße 5 (heute 1 – 3). Sowohl Vater als auch Mutter stammen ursprünglich aus der sächsischen Industriestadt Werdau bei Zwickau. Der Großvater mütterlicherseits war Direktor einer Spinnerei und ließ seiner Tochter schon früh Malunterricht erteilen. Sie war künstlerisch talentiert und malte, bis ihr der Haushalt mit den vier Kindern keine Zeit mehr ließ. Karl Otto Götz was born on 22 February in Aachen-Burtscheid, son of the textile engineer Karl Otto Götz and his wife Martha Elisabeth, née Wötzel. The family lived at Dammstrasse 5 (today 1 – 3). His father and mother were both originally from the industrial town of Werdau, near Zwickau, Saxony. His maternal grandfather was the director of a spinning mill and ensured that his daughter received painting lessons at an early age; she was relatively talented and continued to paint, until looking after a home with four children left her little time to pursue it further. 1914 – 1919 Der Vater wird aufgrund der Mobilmachung für den Ersten Weltkrieg auf die Festung Ehrenbreitstein bei Koblenz eingezogen und kehrt erst Ende 1918 beziehungsweise Anfang 1919 zur Familie nach Aachen zurück. As a result of mobilization for the First World War his father was drafted to the Ehrenbreitstein fortress near Koblenz and only returned to his family in Aachen in late 1918 or early 1919. 1920 – 1923 Götz besucht die Volksschule in Aachen, wo er erstmals Zeichen- und Malunter richt erhält. Parallel dazu widmet er sich Experimenten mit einem Fotoapparat, den ihm sein Vater schenkt. Zugleich beschäftigt er sich auch mit der Ausgestaltung eines von ihm selbst entworfenen Puppentheaters. Götz attended primary school in Aachen, where he was given his first lessons in drawing and painting. Parallel to this he experimented with a camera he received from his father. He also spent some time decorating a puppet theatre of his own design. 1926 Durch den Französisch-Nachhilfeunterricht lernt er den späteren Maler und Grafiker Erich Mueller-Kraus (1911 – 1967) kennen, mit dem er bis zu dessen Tod in Kontakt bleibt. Ab den 1930er Jahren betreiben die beiden Freunde gemeinsam Naturstudien in der Eifel, die sie anschließend zu Hause in Linolschnitt umsetzen. Durch Mueller-Kraus, der zu der Zeit bereits die Kunstgewerbe- 168 schule besucht, wird Götz in die Aachener Segelfluggruppe eingeführt, in der er bis 1932 aktiv mitwirkt. 1930 absolviert Götz die A-Prüfung im Segelfliegen auf der Wasserkuppe/Rhön. Im folgenden Jahr zieht die Familie in ein eigenes Haus, das der Vater am Stadtrand von Aachen, in der Maria-Theresia-Allee 229, erbauen ließ. During tutoring in French, Götz became acquainted with the future painter and graphic artist Erich Mueller-Kraus (1911 – 1967), with whom he remained in contact throughout his life. Beginning in the 1930s, the two friends undertook nature studies in the Eifel region, which they later carried out as linocuts at home. Through Mueller-Kraus, who was already attending the school of art and design, Götz made the acquaintance of the Aachen gliding group, in which he was active until 1932. In 1930 Götz took the solo flight examination in gliding on the Wasserkuppe mountain in the Röhn region. The following year, the family moved into a house of their own, which his father had built on the periphery of Aachen, at Maria-Theresia-Allee 229. 1932 Götz besucht dem Vater zuliebe die Webeschule und parallel dazu heimlich die Kunstgewerbeschule in Aachen, da der Vater seinem Wunsch, Künstler zu werden ablehnend gegenübersteht. Es entstehen erste abstrakte Holz- und Linolschnitte im expressionistischen und kubistischen Stil. Gleichzeitig beschäftigt sich Götz mit der Kunst von Juan Gris (1887 – 1927) und Wassily Kandinsky (1866 – 1944), dessen Schrift »Über das Geistige in der Kunst« (1911) er begeistert liest. As a favour to his father, Götz attended the weaving school, while at the same time secretly attending the school of art and design in Aachen—because of his father’s scepticism about his wish to become an artist. His first abstract woodand linocuts were in an expressionist and cubist style. At the same time Götz studied the art of Juan Gris (1887 – 1927) and Wassily Kandinsky (1866 – 1944), whose essay “On the Spiritual in Art” (1911) he read with enthusiasm. 1933 – 1946 Ab 1933 signiert Götz seine experimentellen und abstrakten Arbeiten aus Sicherheitsgründen nicht mehr mit seinem Namen, sondern mit dem Symbol einer fliegenden Möwe. Die gegenständlichen Arbeiten, die für den Verkauf bestimmt sind, sowie das Linolschnitt-Porträt von Mueller-Kraus, das Götz 1935 anfertigt, signiert er weiterhin mit dem Kürzel KOG. Erst 1946 beginnt Götz, in manchen Fällen neben dem Symbol der Möwe wieder mit seinem eigenen Namen zu signieren. Beginning in 1933, Götz signed his experimental and abstract works not with his name but with the symbol of a seagull in flight, for his own personal safety. The figurative works intended for sale, such as his 1935 linocut portrait of Erich Mueller-Kraus, he continued to sign using the abbreviation KOG. It was 1946 before he began to add his own name again, sometimes alongside the symbol. 1934 Anfang des Jahres erhält Götz eine Volontärsstelle in einer Dürener Teppichfabrik, wo er klassische Ornamente in ein Raster überträgt (patronieren). Diese Tätigkeit gibt ihm die finanzielle Freiheit, sich in seiner Freizeit weiterhin seinen abstrakten Holzschnitt- und Gouache-Arbeiten zu widmen. At the beginning of the year, Götz took on a position as a trainee at a carpet factory in Düren, where he transferred classical ornaments onto a grid. This work meant the financial freedom to continue devoting his free time to his abstract woodcuts and gouache works. 1935 Nach der Entlassung aus dem Arbeitsdienst unternimmt Götz im Frühjahr mit dem Fahrrad eine mehrmonatige Italienreise, die ihn bis nach Florenz und Torre del Lago in der Toskana führt und die er durch den Verkauf von Auftragsporträts und Landschaftsbildern finanziert. Gleichzeitig entstehen zahlreiche Pastellarbeiten und Gouachen. Nach seiner Rückkehr nach Aachen im Spätherbst entstehen erste Spritzbilder im Stil der Surrealisten. Zu diesem Zweck stellt Götz Schablonen amorpher Formen her, spritzt mit der Fixierspritze verdünnte Anilin- oder Aquarellfarbe darüber und zeichnet mithilfe von Gouachefarben oder Kreide Figurationen in diese hinein, die an Menschen, Tiere oder Phantasiegebilde erinnern. Im gleichen Jahr entstehen zusammen mit Anneliese Brauckmeyer-Hager (1904 – 1997), die er an der Webeschule kennenlernt und später heiratet, erste surrealistische Fotogramme in der Dunkelkammer ihrer Wohnung. Götz koloriert diese Fotogramme mit Eiweißlasurfarben oder Wachskreiden. Im Jahr darauf werden diese Experimente fortgesetzt. Im Sommer beginnt Götz mit Film zu experimentieren. Sein Ziel ist es, die formalen Vorgänge seiner Fotoexperimente und Spritzbilder kinetisch zu gestalten. Dabei arbeitet der Künstler mit einer geliehenen 9,5-mm-PathéSchmalfilmkamera und mehreren Projektoren. Insgesamt entstehen drei kurze Filme, die jedoch ebenso wie das übrige malerische und zeichnerische Frühwerk während der Bombardierung Dresdens im Februar 1945 zerstört werden. Having completed his labour service in spring, Götz went cycling in Italy for several months, a trip that took him to Florence and Torre del Lago in Tuscany and was financed through the sale of commissioned portraits and landscape paintings. He also carried out numerous pastel and gouache works. After returning to Aachen in late autumn, he created his first spray paintings in the style of the Surrealists. For these works, Götz made stencils of amorphous forms, sprayed them out with aniline or watercolour paints diluted with fixative, and used gouache paints or chalk to inscribe them with figurations reminiscent of humans, animals, or fantasy forms. That same year, he did his first Surrealist photograms, working with Anneliese Brauckmeyer-Hager (1904 – 1997), a student at the weaving school and his future wife, in a dark room she had in her apartment. Götz coloured these photograms using albumen paints or wax crayons. He continued these experiments the following year. That summer the artist started experimenting with film, with the aim of lending motion to the formal processes involved in his photo experiments and spray paintings. He worked with a borrowed 9.5 mm Pathé ciné film camera and several projectors. He made a total of three short films, which, however, were destroyed in February 1945, along with his other early paintings and drawings, during the bombing of Dresden. 1935 – 1945 Von 1935 bis Kriegsende erhält Götz Mal- und Ausstellungsverbot durch die Reichskulturkammer, nachdem er mit Freunden die sogenannte Wawil-Ausstellung in Aachen veranstaltet hat. Dennoch arbeitet er heimlich weiter. Es kommt zum Bruch mit dem Vater, der ihn aufgrund seines Berufswunsches aus dem Haus wirft. Mueller-Kraus regt Götz zu künstlerischen Versuchen mit Wachskreide an, die in einem 1,2 m breiten Wachsbild gipfeln, auf dem sich eine stark abstrahierte menschliche Figur sukzessiv in einen Vogel verwandelt. From 1935 until the end of the war Götz was banned by the Reichskultur kammer from painting and exhibiting because he and his friends had organised the so-called Wawil exhibition in Aachen. Nevertheless, he continued to work in secret. A rupture occurred with his father, who threw him out of the house in a dispute over his choice of profession. Erich Mueller-Kraus encouraged Götz to use wax crayons for his art, culminating in a 1.2 metre-wide wax image showing a highly abstract human figure gradually transforming into a bird. 1936 Aus Sicherheitsgründen ist Götz gezwungen, mehrmals sein Atelier zu wechseln. Über einen Freund lernt er das Buch »What is Surrealism?« des englischen Kunstkritikers und Philosophen Herbert Read (1893 – 1968) kennen, das großen Eindruck auf ihn ausübt. Über den Verlag gelangt er an die Adresse von Read, woraus sich bis Kriegsausbruch ein reger Briefkontakt entwickelt, in dem aktuelle Arbeiten von Götz und Texte von Read diskutiert werden. Nach dem Krieg knüpft Götz wieder an diesen Kontakt an. Götz beschäftigt sich mit dem französischen Surrealismus und beginnt surrealistische Gedichte zu übersetzen. Götz was forced to move his studio several times because of fears for his safety. Through a friend he discovered and was greatly influenced by the book What is Surrealism by the English art critic and philosopher Herbert Read (1893 – 1968). He acquired Herbert Read’s address through the publisher and a correspondence that would last until the outbreak of war developed about Götz’s current works and Read’s texts. Götz re-established contact with the author after the war. Götz became interested in French Surrealism and began translating Surrealist poems. 169 1936 – 1938 Götz absolviert seinen Wehrdienst bei der Luftwaffe in Gütersloh. Dort wird er als Fernsprecher und Telegrafenbauer ausgebildet. Heimlich und von seinem Vorgesetzten unbemerkt verfolgt Götz seine malerischen Experimente im kleinen Format weiter. Götz did his military service with the air force in Gütersloh, where he was trained to install telephone and telegraph lines. Götz pursued his painting experiments in small format, covertly and unnoticed by his superior. 1938 – 1939 Mitte Oktober 1938 wird Götz als Unteroffizier aus dem Wehrdienst entlassen und zieht zur Familie von Anneliese Brauckmeyer-Hager nach Wurzen in Sachsen, wo er sich ein kleines Atelier einrichtet. Götz arbeitet intensiv an seiner künstlerischen Weiterentwicklung. Doch die Zeit ist knapp – bis zum Kriegsausbruch bleiben ihm nur zehn Monate. Mit den Bildern, die zu dieser Zeit entstehen, lässt Götz alles Gegenständliche hinter sich. Stattdessen interessiert er sich immer stärker für die Verknüpfung verschiedener malerischer Fakturen und Formfamilien. In mid-October 1938, Götz was released from military service and moved to live with Anneliese Brauckmeyer-Hager’s family in Wurzen, Saxony, where he set up a small studio. Götz worked intensely on his art, but time was short and war would break out only ten months later. In paintings done at this time, Götz completed his break with figuration. Instead, he became increasingly interested in combining various painterly structures and form families. 1939 – 1940 Am 28. August 1939 wird Götz eingezogen und in Nordhausen im Harz stationiert, wo ihm die Aufgabe zukommt, als Unteroffizier junge Rekruten auszubilden. Da Götz in dieser Zeit über ein eigenes Zimmer verfügt, gelingt es ihm, nach Dienstschluss ungestört zu zeichnen und zu malen. Götz was conscripted into the army on 28 August 1939 and stationed in Nordhausen, in the Harz region, where his task as a non-commissioned officer was to train young recruits. Götz had his own room during this period, so he was able to draw and paint in his free time. 1940 – 1941 Anfang Januar wird die Einheit von Götz nach Dresden verlegt, wo er den Kunsthändler und Galeristen Heinrich Kühl (1886 – 1965) kennenlernt, der als erster Kunsthändler Arbeiten des Künstlers erwirbt. Bis Ende der 1940er Jahre arbeitet Götz mit Kühl zusammen. Während dieser Zeit verkauft Kühl mehrere Monotypien und Gouachen des Künstlers. Götz seinerseits kauft im Gegenzug bei Kühl zahlreiche Druckgrafiken von Wassily Kandinsky, Marc Chagall (1887 – 1985), El Lissitzky (1890 – 1941), Oskar Schlemmer (1888 – 1943), László MoholyNagy (1895 – 1946) und von den Expressionisten. 170 Über Kühl lernt Götz bedeutende Maler und Fotografen kennen, wie Otto Dix (1891 – 1969), Edmund Kesting (1892 – 1970) und Wilhelm Lachnit (1899 – 1962) und den Kunsthistoriker Will Grohmann (1887 – 1968), mit dem ihn bis zu dessen Tod eine enge Freundschaft verbindet. Auch in der Nachkriegszeit bringt Grohmann Götz mit bedeutenden Künstlern und Galeristen im In- und Ausland zusammen und verschafft ihm Gelegenheit, an wichtigen Ausstellungen, wie z. B. der »documenta II« in Kassel (1959), teilzunehmen. Es entstehen Aquarelle und die ersten Luftpumpenbilder, bei denen Götz mit einer Luftpumpe gezielt nasse Farbe auf dem Malgrund verteilt. In early January Götz’s unit was moved to Dresden, where he became acquainted with the art dealer and gallery owner Heinrich Kühl (1886 – 1965), the first dealer to acquire the artist’s works. Götz was represented by Kühl until the late 1940s, during which time Kühl sold several of his monotypes and gouaches. Götz in turn purchased numerous prints by Wassily Kandinsky, Marc Chagall (1887 – 1985), El Lissitzky (1890 – 1941), Oskar Schlemmer (1888 – 1943), László Moholy-Nagy (1895 – 1946), and the Expressionists from Kühl. Through Kühl, Götz met painters and photographers such as Otto Dix (1891 – 1969), Edmund Kesting (1892 – 1970), and Wilhelm Lachnit (1899 – 1962), as well as the art historian Will Grohmann (1887 – 1968), with whom he maintained a close life-long friendship. In the post-war era, Grohmann also brought Götz into contact with important artists and gallery owners, in Germany and abroad, and provided him the opportunity to take part in important exhibitions, for example, documenta II, in Kassel (1959). He painted watercolours and created his first air pump paintings, in which he used a pump to disperse wet paint on the painting ground. K.O. Götz im Sommer 1914 Im Alter von zehn Jahren; Scherenschnitt des Vaters (1924) Mit Skizzenblock auf dem Schulhof der Hindenburgschule K.O. Götz, summer 1914 At the age of 10; paper cutting by his father (1924) in Aachen (1930/31) With a sketchbook in the yard of the Hindenburgschule in Aachen (1930/31) 1941 – 1945 Zwischen April 1941 bis November 1945 wird Götz als Jägerleitoffizier mit seiner Einheit nach Norwegen verlegt, wo er für den Ausbau des Fernsprech- und Telegrafenbaunetzes zuständig ist. Ende 1941 gewährt man ihm Urlaub, den er für ein Studiensemester an der Dresdner Kunstakademie nutzt. Obwohl ihn der Unterricht langweilt, genießt er die Zeit fernab des Kriegsgeschehens und nutzt sie für seine Malerei. Grohmann, der ihn während dieses Aufenthaltes regelmäßig besucht, bestärkt ihn in seiner künstlerischen Arbeit. Ende März 1942 ist Götz gezwungen, wieder zu seiner Einheit nach Norwegen zurückzukehren. 1942 erhält er über Grohmann die Adresse von Willi Baumeister, woraus sich ein reger Briefwechsel zwischen den beiden Künstlern entwickelt, in dem sie sich über ihr künstlerisches Schaffen austauschen. Regelmäßig schicken sie sich kleine Fotos oder Zeichnungen ihrer Arbeiten. Nur ein Jahr später wird Götz Baumeister anlässlich eines Radarlehrgangs auch persönlich in Stuttgart kennenlernen. 1943 wird Götz zum Flugplatz Gossen, südlich von Trondheim in Norwegen, abkommandiert, wo er die Führung der 10. Staffel des Jagdgeschwaders 5 übernimmt. Aufgabe von Götz ist es, den Schiffsverkehr entlang der Küste von Norwegen über Funkverkehr mit den Jägerpiloten zu schützen. Im Juli 1943 erhält Götz den letzten Heimaturlaub vor Ende des Krieges, den er wiederum in Dresden verbringt. 1940 in seinem Atelier im Dresdner Carus-Palais Juni 1941 in Drammen, Norwegen Im Februar 1944 auf der Marinestation in Kap Stadlandet In his studio in the Carus Palais, Dresden, 1940 In Drammen, Norway, June 1941 At the Stadlandet marine station, February 1944 171 Kunstsammlungen Chemnitz san dstei n