Die mediale Repräsentation und Vernetzung von ethnischen

Transcription

Die mediale Repräsentation und Vernetzung von ethnischen
Master-Studiengang Web-Journalismus und Content Management
MASTER-THESIS
Die mediale Repräsentation und Vernetzung von
ethnischen Minoritäten in der EU –
Wissenschaftliche Untersuchung zur Konzeptionierung
eines Medienzentrums für die Minderheiten in Europa
Name:
Anika Bever
Matrikelnummer:
1433852
E-Mail:
A.Bever@gmx.de
Erstbetreuer:
Dr. Hooffacker
Zweitbetreuer:
Dr. Steinmetz
Datum:
01. Oktober 2009
MASTERARBEIT
Anika Bever
Inhaltsverzeichnis
Selbständigkeitserklärung ..........................................3
1.
Einleitung..................................................................4
2.
Minderheiten.............................................................7
Problematik: Definition und Terminologie................7
Historische Entwicklung der Minderheitenfrage.....11
Sprachen und Identität ..........................................17
Daten und Zahlen mit Analyse ..............................20
Europa ................................................................20
Bundesrepublik Deutschland ..............................22
Sorben...................................................................24
Analyse der web-basierten Medien-Aktivitäten der
Sorben ................................................................28
Friesen ..................................................................34
Analyse der web-basierten Medien-Aktivitäten der
Friesen................................................................37
2.1
2.2
2.3
2.4
2.4.1
2.4.2
2.5
2.5.1
2.6
2.6.1
Medienzentrum.......................................................39
3.
4.
4.1
4.1.1
4.1.1.1
4.1.1.2
4.1.1.3
4.1.1.4
4.1.1.5
4.1.1.6
4.1.1.7
4.1.2
4.1.2.1
4.1.2.2
4.1.2.3
4.1.2.4
4.1.2.5
4.1.2.6
4.1.2.7
4.1.3
4.1.3.1
4.1.3.2
4.1.3.3
4.1.3.4
4.1.3.5
4.2
4.2.1
4.2.1.1
Konzept...................................................................46
OFFLINE ...............................................................49
Medienpädagogik ...............................................49
Kinder-/ Jugendarbeit.......................................52
Fortbildungen ...................................................53
Summerschools ...............................................53
Journalistischer Nachwuchs.............................54
Workshops / Kurse...........................................54
Kooperationen mit Hochschulen ......................54
Medienkulturarbeit ...........................................55
Medienproduktion ...............................................55
Online / Multimedia ..........................................58
Print / Zeitung...................................................58
Audio / Radio ...................................................59
Video / TV / Film ..............................................60
Fotografie / Bild................................................60
Ausstellungen ..................................................61
Publikation .......................................................61
Medienangebot...................................................61
Medien .............................................................62
Archive .............................................................62
Recherche........................................................63
Technik-Verleih ................................................63
Fachberatungen für Schulen / Pädagogen.......63
ONLINE .................................................................63
Startseite Medienzentrum...................................66
Informationen zu den Aufgaben des
Medienzentrums .................................................67
1
MASTERARBEIT
Anika Bever
4.2.1.2
Angebote..........................................................67
4.2.1.2.1
Medienpädagogik .......................................... 67
4.2.1.2.2
Medienproduktion.......................................... 68
4.2.1.2.3
Medienangebot.............................................. 68
4.2.1.3
Informationen zum Medienzentrum..................68
4.2.1.3.1
Organigramm ................................................ 69
4.2.1.3.2
Impressum .................................................... 69
4.2.1.3.3
Sitemap ......................................................... 69
4.2.1.3.4
Karriere / Jobs ............................................... 69
4.2.2
Portal ..................................................................70
4.2.2.1
Wissen Minderheiten .......................................70
4.2.2.1.1
Aktuelles........................................................ 71
4.2.2.1.2
Kooperationen ............................................... 71
4.2.2.1.3
Links.............................................................. 72
4.2.2.1.4
Newsletter ..................................................... 72
4.2.2.2
Community.......................................................72
4.2.2.2.1
Persönlicher Bereich ..................................... 73
4.2.2.2.2
Foren............................................................. 73
4.2.2.2.3
Blogs ............................................................. 74
4.2.2.2.4
Social Networks und Social Sharing.............. 74
4.2.2.2.5
Chat / „digitaler Stammtisch“ ......................... 75
5.
Fazit.........................................................................76
6.
Anhang....................................................................80
Anhang 1: Schematische Darstellung ...................80
Anhang 2: Diagramm ............................................81
Anhang 3: Sorbisches Siedlungsgebiet.................82
6.1
6.2
6.3
7.
6.4
6.5
6.6
6.7
6.8
6.9
6.10
6.11
6.12
6.13
7.1
7.2
Literatur ..................................................................94
Anhang 4: Friesisches Siedlungsgebiet ................83
Anhang 5: Newsdesk ............................................84
Anhang 6: Social Networks ...................................85
Anhang 7: Dreiecksmodell ....................................86
Anhang 8: § 5 Telemediengesetz..........................87
Anhang 9: Schematische Darstellung eines Wikis 89
Anhang 10 Schematische Darstellung mehrerer
untereinander vernetzter Blogs .............................90
Anhang 11: Schematische Struktur der SocialNetwork-Dienste....................................................91
Anhang 12: Schematische Struktur der Social
Sharing..................................................................92
Anhang 13: Aufgabenbereiche von Medienzentren
(Synopse) ..............................................................93
Quellen der Analyse der Medien-Aktivitäten der
Sorben...................................................................99
Quellen der Analyse der Medien-Aktivitäten der
Friesen ................................................................102
2
MASTERARBEIT
Anika Bever
SELBSTÄNDIGKEITSERKLÄRUNG
Hiermit erkläre ich, dass ich die Masterarbeit mit dem Titel „Die
mediale Repräsentation und Vernetzung von ethnischen Minoritäten
in der EU – Wissenschaftliche Untersuchung zur Konzeptionierung
eines Medienzentrums für die Minderheiten in Europa“ selbständig
verfasst habe und keine anderen als die angegebenen Quellen und
Hilfsmittel benutzt habe. Alle Stellen der Arbeit, die wörtlich oder
sinngemäß aus Veröffentlichungen oder aus anderweitigen fremden
Äußerungen entnommen wurden, sind als solche kenntlich gemacht.
Ferner erkläre ich, dass die Arbeit noch nicht in einem anderen
Studiengang als Prüfungsleistung verwendet wurde.
-------------------------------
Ich bin einverstanden, dass die Arbeit nach positiver Begutachtung in
der Universitätsbibliothek zur Verfügung steht.
-------------------------------
3
MASTERARBEIT
1.
Anika Bever
EINLEITUNG
Die Minderheiten in Europa bilden eine beeindruckende quantitative
Größe im Schatten des öffentlichen Bewusstseins: Ein Siebtel der
Bevölkerung der Europäischen Union besteht aus Angehörigen1 einer
Minderheit in dem jeweiligen Land, in dem die Betreffenden ihren
Lebensmittelpunkt haben. Diese Person ist also nicht zugehörig zur
Titularnation, sondern beispielsweise ein Sinti oder ein Deutscher in
Belgien oder ein Same, ein Armenier in der Diaspora, ein Mazedonier
in Griechenland oder ein Schwede in Finnland.
In Deutschland gibt es vier anerkannte Minderheiten: die Friesen, die
Dänen, die Sinti und Roma sowie die Sorben. Diese vier Minderheiten
beziehungsweise Volksgemeinschaften sind – anders als etwa
Asylbewerber oder Migranten – deutsche Staatsbürger, die allerdings
eine andere, eigene, kulturelle Identität haben.
Die Minderheiten in Europa sind – wenn überhaupt – nur als separate
Gemeinschaften
organisiert
oder
vernetzt.
Eine
wirkliche
Kommunikation zwischen diesen verschiedenen Volksgruppen und
auch zwischen Angehörigen derselben Minderheit in verschiedenen
Ländern oder auch nur Regionen findet nicht oder nur sehr
rudimentär
statt.
Um
diese
Kommunikation
zu
verbessern
beziehungsweise um sie überhaupt zu ermöglichen, bedarf es neuer
medientechnischer Ansätze – idealerweise in der zentral aufgestellten
aber dezentral nutzbaren Form eines sogenannten Medienzentrums.
Ausgehend von den Sorben in Sachsen und Brandenburg soll ein
Zentrum der Kommunikation und medialen Präsentation entstehen.
Diese Arbeit beschäftigt sich mit diesem Projekt des Medienzentrums.
1
Der Einfachheit halber wird auf die Nennung der weiblichen Endung verzichtet.
Es sind immer beide Geschlechter gemeint.
4
MASTERARBEIT
Anika Bever
"Die mediale Repräsentation und Vernetzung von ethnischen
Minoritäten in der EU – Wissenschaftliche Untersuchung zur
Konzeptionierung eines Medienzentrums für die Minderheiten in
Europa" – hinter diesem abstrakt formulierten Thema verbirgt sich
eine konkrete und spannende Aufgabe: Die Idee, ein Medienzentrum
für die Minderheiten in Europa zu entwickeln und zu konzeptionieren.
Dabei sind insbesondere zwei große Themengebiete von Interesse,
die im Rahmen dieser Arbeit beleuchtet werden sollen. Der erste
Themenkomplex befasst sich mit den Minderheiten (siehe Kapitel 2).
Wie wird der Begriff Minderheit definiert? Was verbirgt sich hinter der
Volksgruppenproblematik2? Insbesondere soll eine kurze Übersicht
über die Lage der Minderheiten in Deutschland gegeben werden,
speziell die der Sorben und Friesen. Bezogen auf diese beiden
Minderheiten wird dann eine Analyse der Medienaktivitäten im
Onlinebereich durchgeführt.
Der zweite in der vorliegenden Arbeit fokussierte Themenkomplex
behandelt die Hintergründe und Entwicklungen der Medienzentren
(siehe Kapitel 3). Was genau ist ein Medienzentrum? Wie sehen die
Aufgaben von Medienzentren aus? Zur Klärung dieser Fragen werden
vergleichsweise auch Aspekte bestehender regionaler Medienzentren
beispielhaft dargestellt sowie auf Empfehlungen zur Umgestaltung
von Medienzentren aufgrund der Entwicklungen der Neuen Medien
und
des
gewandelten
Verständnisses
der
Aufgaben
eines
Medienzentrums eingegangen.
Aus den Ergebnissen dieser eigenen wissenschaftlichen Recherchen
und Untersuchungen, die im hauptsächlichen auf Grundlage von
Literatur, aber auch mit Hilfe von Interviews und Beobachtungen vor
Ort
2
erarbeitet
wurden,
wird
im
Anschluss
eine
fundierte
Pan/ Pfeil, 2000
5
MASTERARBEIT
Anika Bever
Handlungsempfehlung formuliert (siehe Kapitel 4). Dieses Konzept für
ein Medienzentrum für Minderheiten soll als Arbeitsgrundlage für die
reale Umsetzung eines solchen Zentrums dienen. Aufgrund der
Tatsache,
dass
zum
Zeitpunkt
der
Formulierung
der
Handlungsempfehlungen noch keine genauen Angaben zu den
Rahmenbedingungen vorlagen, musste im Konzept auf Details wie
Budgetierung verzichtet werden. Diese sollen in den folgenden
Monaten im Rahmen weiterer Diskussionen genauer festgelegt
werden.
Die Arbeit beginnt also mit den beiden eigenständigen Kapiteln zur
Definition und Erläuterung sowie Auseinandersetzung mit den
Hintergründen der Begriffe „Minderheiten“ und „Medienzentrum“.
Darauf
aufbauend
wird
das
Konzept
zur
Entwicklung
eines
Medienzentrums für Minderheiten erstellt.
In dieses Konzept fließen sowohl die Ergebnisse der Analyse der
Online-Aktivitäten der Sorben und der Friesen als auch die Resultate
der Betrachtungen des Kapitels zum Medienzentrum ein.
6
MASTERARBEIT
2.
Anika Bever
MINDERHEITEN
In Europa, nach geographischen Gesichtspunkten zwischen Altantik
und Ural, leben nach derzeitigem Stand etwa 307 Volksgruppen
beziehungsweise Minderheiten.3 Bei der Beschäftigung mit der
Problematik dieser Minderheiten und den damit verbundenen
Situationen treten eine Reihe von analytischen Problemen auf. So ist
eine
einheitliche
und
rechtsgültige
Definition
des
Begriffes
Minderheiten nicht existent, geschweige denn, dass der Begriff
unumstritten oder generell üblich wäre.
Im
Folgenden
soll
die
Minderheitenproblematik
insbesondere
hinsichtlich des empirischen Hintergrundes, der definitorischen und
terminologischen Diskussionen und der historischen Entwicklung
besprochen werden. Dabei werden zuerst die Minderheiten in Europa
analysiert (vergleiche 2.4.1), um anschließend die Situation in
Deutschland (vergleiche 2.4.2) genauer zu betrachten. Hier wiederum
werden zwei Minderheiten exemplarisch genauer dargestellt und im
Anschluss deren Auftreten in und Nutzen der Neuen Medien,
insbesondere Aktivitäten im Internet, analysiert.
2.1
Problematik: Definition und Terminologie
Ein erstes Problem bezüglich der Volksgruppenfrage und bei der
Beschäftigung mit den Minderheiten in Europa entsteht bei der Suche
nach einer Definition des Begriffes Minderheiten beziehungsweise der
Terminologie insgesamt. Die Frage der Begriffsbestimmung ist auch
deshalb problematisch, da es bislang keine rechtlich bindende
Definition gibt und daraus schließend politische Diskussionen
entstehen.
3
Jedoch
kann
„[a]ls
umfassende
und
weitgehend
Pan/ Pfeil, 2000: XIV
7
MASTERARBEIT
Anika Bever
akzeptierte Definition […] die von Capotorti angebotene gelten,
wonach ethnische, religiöse und sprachliche Gemeinsamkeiten, ein
kollektives
Bewußtsein,
aber
auch
Staatsbürgerschaft
eine
entscheidende Rolle spielen“.4 Übersichtlicher zitiert Christoph Pan,
was Capotorti für charakteristisch hält:
„Unter Volksgruppe ist danach […] eine Gemeinschaft zu verstehen,
a) die im Gebiet eines Vertragsstaates geschlossen oder in
Streulage siedelt,
b) die zahlenmäßig kleiner ist als die übrige Bevölkerung eines
Vertragsstaates,
c) deren Angehörige Bürger dieses Staates sind,
d) die sich durch ethnische, sprachliche oder kulturelle Merkmale
von den übrigen Staatsbürgern unterscheiden
e) und gewillt sind, diese Eigenart zu erhalten. […]“5
Hinzu kommt, dass es terminologische Probleme gibt. Bisher sind
alleine in dieser Arbeit zwei Begriffe synonym verwendet worden:
Minderheiten und Volksgruppen. Es gibt eine Reihe weiterer
Synonyme beziehungsweise zumindest inhaltsähnliche Begriffe oder
Spezifikationen:
•
Minderheiten
o
Nationale
o
Ethnische
•
Nationalität
•
Volk
•
Sprachgemeinschaft/ -gruppe/ -minderheit
•
Kleines Volk
•
Minorität
4
Sukopp, 296
5
Capotorti, 1977: 96, zitiert nach: Pan/ Pfeil, 2000: XII
8
MASTERARBEIT
Anika Bever
Um das Problem im gesamteuropäischen Kontext zu betrachten,
kommt noch eine weitere Schwierigkeit hinzu: „Im europäischen
Sprachgebrauch herrscht insgesamt eine große Begriffsvielfalt, wobei
die
entsprechenden
Begriffe
zudem
nur
selten
inhaltlich
deckungsgleich gebraucht werden. Mit jeder Begriffsverwendung sind
dabei bestimmte Vor- und Nachteile verbunden.“6 Der Einfachheit
halber sowie auch der großen Bekanntheit geschuldet wird in dieser
Arbeit weiterhin von Minderheiten als auch von Volksgruppen
gesprochen,
wobei
daraus
keine
Rückschlüsse
über
eine
hervorgehobene Bedeutung dieser Begriffe im Vergleich zu den
anderen, oben erwähnten Terminologien zu ziehen sind. Jedoch soll
an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, dass insbesondere dem
Begriff Minderheit auch negative Konnotationen anhaften können:
„Der Begriff Minderheit ist nicht nur im Deutschen, sondern auch
in anderen Sprachen mit einer pejorativen Konnotation behaftet,
aber er umschreibt zugleich sachlich den weitaus größten Teil
der in Europa zahlreichen, aber zumeist zahlenmäßig kleinen
Gemeinschaften, deren Muttersprache nicht die jeweilige
Staatssprache ist und welche mangels numerischem Gewicht
und besonderer Schutzmaßnahmen durch den Rost
demokratischer Spielregeln fallen.“7
Daneben
gibt
es
in
demokratischen
Staaten
eine
gewisse
Verwechslungsgefahr, so dass Minderheiten als politische Größe in
einer demokratischen Ordnung gegenüber der regierenden Mehrheit
verstanden werden. Von diesen ist in dieser Arbeit nicht die Rede,
wenn von Minderheiten gesprochen wird.
Desweiteren ist es in diesem Zusammenhang wichtig darauf
hinzuweisen, dass sich in bestimmten Ländern auch bestimmte
Begrifflichkeiten durchgesetzt haben können. Darauf wird im Rahmen
dieser Arbeit jedoch keine Rücksicht genommen, auch aufgrund der
6
Pan/ Pfeil, 2000: XV
7
Pan/ Pfeil, 2006 [Band 3]: V
9
MASTERARBEIT
Anika Bever
Tatsache, dass sich die Arbeit im Folgenden mit zwei Minderheiten im
Bereich der Bundesrepublik beschäftigt, wo die Begriffe Minderheiten
und Volksgruppen durchaus thematisch zutreffend sind.
Wie schon erwähnt wird beim Begriff Minderheit unterschieden
zwischen nationaler und ethnischer Minderheit. Unter einer nationalen
Minderheit versteht man solche, die ihre „ethnische Identität“8 mit der
einer Gemeinschaft teilt, die anderswo eine Mehrheit bildet, wie
beispielsweise die Dänen in Deutschland. Dagegen spricht man von
einer ethnischen Minderheit beispielsweise im Falle der Sorben als
auch der Friesen in Deutschland, also bei „Angehörigen[n] solcher
Ethnien, die nirgendwo die Bevölkerungsmehrheit in einem Staate
und auch nirgends einen eigenen Nationalstaat bilden“.9
Prinzipiell synonym für Minderheiten und Volksgruppen werden auch
die
Begriffe
Sprachgemeinschaft,
Sprachgruppe
und
Sprachminderheit genutzt. Dies kann in einzelnen begründeten Fällen
sinnvoll sein und sich als beste Bezeichnung herausgestellt haben,
birgt jedoch auch Risiken:
„So ist gelegentlich zu beobachten, daß insbesondere dann aus
einer Volksgruppe eine Sprachgruppe und zuletzt eine
Sprachminderheit
gemacht
wird,
wenn
die
Volksgruppenproblematik in ihrer Vielschichtigkeit politisch
heruntergespielt werden soll. Zu diesem Zweck werden die
potentiell vielfältigen Unterscheidungsmerkmale einer Volksgruppe
auf das Element Sprache reduziert - und damit teils bewußt der
Eindruck eines schlichten Kommunikationsproblems erweckt, das
ausschließlich durch Erwerb zusätzlicher Sprachkompetenz oder
durch Übersetzung zu meistern wäre.“10
Auf politischer Ebene schließt man sich meist der Begriffsverwendung
des
Europarates
8
Pan/ Pfeil, 2000: XII
9
Pan/ Pfeil, a.a.O.
10
an,
der
aus
Vereinfachungsgründen
und
Pan/ Pfeil, 2000: XVII
10
MASTERARBEIT
Anika Bever
stellvertretend für die abgestuften Begrifflichkeiten von „nationalen
Minderheiten“ spricht. Dies ist aufgrund der oben erwähnten
Problematik eine nicht sinnvolle Vereinfachung und wird daher in
dieser Arbeit nicht verwendet.
2.2
Die
Historische Entwicklung der Minderheitenfrage
historische
Entwicklung
der
Volksgruppenproblematik
in
Deutschland ist insbesondere seit den politischen Umbrüchen
1989/90 von erneuter politischer und gesellschaftlicher Brisanz, da
„[s]eit der Wende in Europa, die den Ost-West-Konflikt beseitigt hat,
[…] Ethnizität mit der Volksgruppenfrage wieder akut geworden“11 ist.
Allerdings
beginnt
die
Problematik
bereits
mit
Ende
des
Gottesgnadentums in der Zeit der Französischen Revolution und der
Demokratisierung in Europa im späten 18. und beginnenden
19. Jahrhundert. Dies äußert sich nach Pan insbesondere durch
einen Widerspruch zwischen Theorie und Praxis im Verständnis der
Gleichheit:
„d.h. zwischen dem theoretischen Postulat der Gleichheit der
Bürger, Völker und Staaten einerseits und der Realität ihrer
Ungleichheit andererseits. Dieser Widerspruch äußert sich vor
allem in einem Vormachtsanspruch einzelner Bürger, Völker oder
Staaten zu Lasten anderer.“12
Zu der oben beschriebenen definitorischen Problematik kommt die
historische Entwicklung der Nationalitätenfrage hinzu, die von
zentraler Bedeutung bei der Betrachtung der Minderheitenfrage ist.
So kann jedoch schon an dieser Stelle die Herkunft und Besetzung
des Begriffes Volk thematisiert werden:
11
Pan/ Pfeil, 2000: V
12
Pan/ Pfeil, a.a.O.
11
MASTERARBEIT
Anika Bever
„Die Natur hat Völker durch Sprache, Sitten, Gebräuche, oft durch
Berge, Meere, Ströme und Wüsten getrennt. […] Die
Verschiedenheit der Sprachen, Sitten, Neigungen und
Lebensweisen sollte ein Riegel gegen die anmaßende Verkettung
der Völker, ein Damm gegen fremde Überschwemmungen werden:
denn dem Haushalter der Welt war daran gelegen daß zur
Sicherheit des Ganzen jedes Volk und Geschlecht sein Gepräge,
seinen Charakter erhielt. Völker sollten neben einander, nicht
durch- und untereinander drückend wohnen. […]
Wer in der selben Sprache erzogen ward, wer sein Herz in sie
schütten, seine Seele in ihr ausdrücken lernte, der gehört zum Volk
dieser Sprache. […] Nicht der Schriftsteller gehöret zu diesem
Publicum allein, sondern auch der mündliche Unterweiser, der
Gesetzgeber, der Feldherr, der Redner, der Ordner. Mittelst der
Sprache wird eine Nation erzogen und gebildet: mittels der
Sprache wird sie Ordnungs- und Ehrliebend, folgsam, gesittet,
umganglich, berühmt, fleißig und mächtig. Wer die Sprache seiner
Nation verachtet, entehrt ihr edelstes Publicum; er wird ihres
Geistes, ihres inneren und äußeren Ruhms, ihrer Erfindungen,
ihrer feineren Sittlichkeiten gefährlichster Mörder.“13
Trotz oder gerade aufgrund der nach heutiger Auffassung nicht mehr
zeitgemäßen Darstellungsweise macht diese Schrift Herders von
1793-1797 deutlich, wie sich die Entwicklung in der Anerkennung der
Nation vollzogen hat und welche Bedeutung diese hatte. Dadurch
lässt
sich
die
Problematik
der
Minderheiten
innerhalb
von
Nationalstaaten besser verstehen.
Im Gegensatz zu der Begrifflichkeit und Bedeutung von Volk seit dem
Mittelalter muss man vor dieser Zeit eher von wandernden
Völkerstämmen sprechen. Wird, wie vorne erläutert, Volk mit Nation
gleichgesetzt, geht man davor eher von dem lateinischen Begriff gens
aus: „Es ist die Geschichte herausragender Krieger und bewaffneter
Heere. Gentile Völkerschaften waren stets ethnisch gemischt, sie
waren
niemals
bloße
Abstammungsgemeinschaften,
sondern
vielmehr Aktionsgemeinschaften. Die Stammesbildung war keine
‚Sache
des
Blutes’,
sondern
der
‚Verfassung’“14.Durch
13
Herder, zitiert nach: Jansen; Borggräfe, 2007: 38 f.
14
Boden, 1993: 11
die
12
MASTERARBEIT
Anika Bever
Wanderschaften und Eroberungen verteilten und vermischten sich
diese Gruppen und Völkerstämme auch mit den ansässigen
Menschen. Aus diesen losen Gemeinschaften entwickelten sich
Staaten.
Nach Ludwig15 sah der österreichische Schriftsteller Franz Grillparzer
(1791 – 1872) bereits im 19. Jahrhundert voraus: „Der Weg der
neueren Menschheit führt von der Humanität über die Nationalität zur
Bestialität“, womit er einerseits die positiv besetzten Wesens- und
Charakterzüge der Menschlichkeit und auf der anderen Seite den
Aspekt
der
Brutalität
als
Vorstufe
und
als
Ergebnis
der
Nationalisierung begreift und damit die Idee der Nationalität ad
absurdum führt.
Die Idee des Nationalstaates kann man als ein Problem in der
heutigen europäischen Existenz sehen, da auch gegenwärtig die
europäischen Staaten nach wie vor nach diesem Prinzip organisiert
und aufgebaut sind und dadurch einen weiteren Zusammenschluss
erschweren oder behindern. Aufgrund dieser Konstellation ist die
Realisierung der europäischen Integration nicht möglich. Diese Idee
des 19. Jahrhunderts, wonach „eine Nation (= ein Volk), ein Staat“16
ist, führte zu künstlichen Zwischenlösungen und in extremster Form
zu Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Form von Genoziden und
ethnischen Säuberungen. Diese „sind zwar Verbrechen gegen die
Menschlichkeit, wurden jedoch in der Appeasement-Politik als
vermeintlich notwendiger Preis für Stabilität und Frieden geduldet, in
den 30er Jahren gegenüber Hitler-Deutschland ebenso wie in den
90er
Jahren
gegenüber
großserbischen
Ansprüchen“17.
Die
Problematik bestand darin, dass „diese Gleichung, wonach der
15
Ludwig, 1995: 7
16
Pan/ Pfeil, 2000: 3
17
a.a.O.
13
MASTERARBEIT
Anika Bever
Nationalstaat als Konstante und die ethnische Realität als Variable
angesehen wurde, niemals aufgehen, wie wir heute wissen“18.
Tatsächlich sollten diese Überlegungen zur Erfindung der Nationalität,
wie sie immer wieder genannt wird, als eine Hauptursache der
Volksgruppenproblematik betrachtet werden. Nach Anderson19 ist die
Nation eine Erfindung, ein Modell. Interessant ist in diesem
Zusammenhang Andersons Beobachtung über den Vielvölkerstaat
Sowjetunion: „Daß […] die Sowjetunion mit dem Vereinigten
Königreich die seltene Eigenschaft gemein hat, in ihrer Bezeichnung
die Nationalität zu unterschlagen, deutet darauf hin, daß sie das Erbe
der vornationalen Dynastien des 19. Jahrhunderts übernommen hat
und zugleich der Vorläufer einer internationalistischen Ordnung des
21. Jahrhunderts werden könnte“20. So stellt er weiter fest: „Die
Realität ist ganz simpel: Das so lange verkündete ‚Ende des Zeitalter
des Nationalismus’ ist nicht im entferntesten in Sicht. Das Nation-Sein
ist der am universellsten legitimierte Wert im politischen Leben
unserer Zeit“21. Damit meint Anderson die noch immer gängige
Organisationsform
der
modernen
22
Gemeinschaftsideen wie der UNO
Staaten
wie
auch
die
der
23
und der EU .
Dennoch ist heute die Idee des Nationalstaates als mononationaler
Staat mit heterogener Ethnizität der Bevölkerung überholt, theoretisch
wie praktisch, wobei es sich nach wie vor um die durchgängige
Organisationsform handelt. Obwohl die polyethnische Bevölkerung
gerade der europäischen Staaten auch multinationale Staaten bilden,
bestreitet beispielsweise der französische Staat, dass es überhaupt
18
a.a.O.
19
vergleiche Anderson, 1996
20
Anderson, 1996: 12
21
a.a.O.: 12f.
22
United Nations Organization
23
Europäische Union
14
MASTERARBEIT
Anika Bever
Minderheiten in Frankreich gibt, wobei der politische Hintergrund
dieser Aussage als fragwürdig zu betrachten ist.
„Die meisten der 36 Staaten Europas sind […] als ‚Nationalstaaten’
konzipiert ungeachtet der Tatsache, daß sie ethnisch nicht
homogen und in Wirklichkeit ‚multinationale’ Staaten mit
Volksgruppen bzw. Minderheiten sind, deren Bevölkerungsanteil
von einigen wenigen Prozent bis zu 45% (z.B. Lettland) reicht.
Ethnische Homogenitäten in einem Staat wie z.B. in Island oder
San Marino, ist also die absolute Ausnahme und keinesfalls die
Realität.“24
Daher ist die Beobachtung Martina Bodens, dass „[d]er homogene
Nationalstaat […] jedoch eine Idealvorstellung“25 ist, eine zu
akzeptierende Tatsache.
Das Grundproblem der nationalen Spannungen in Nationalstaaten
definiert der bekannte britische Historiker Eric Hobsbawm als situative
Stimmung und Entwicklung und bezieht diese auf die Zeit zwischen
den beiden Weltkriegen. Seine Äußerungen sind allerdings durchaus
auch auf andere Zeiten zu übertragen:
„Angesichts der bestehenden Verteilung der Völker waren die
meisten der neuen, auf den Trümmern der alten Reiche errichteten
Staaten nicht weniger ‚multinational’ als die alten ‚Völkerkerker’, an
deren Stelle sie traten. Die hauptsächliche Änderung bestand
darin, daß die Staaten jetzt im Durchschnitt viel kleiner waren und
daß die in ihnen lebenden ‚unterdrückte Völker’ jetzt ‚unterdrückte
Minderheiten’ wurden. Die logische Konsequenz aus dem Versuch,
einen
Kontinent
säuberlich
in
zusammenhängende
Territorialstaaten aufzuteilen, die jeweils von einer ethnisch und
sprachlich homogenen Bevölkerung bewohnt wurden, war die
massenhafte Vertreibung oder Vernichtung von Minderheiten.“26
Während der Zeit des Zweiten Weltkrieges und auch nach dessen
Ende kann eher von „Problemverdrängung“ als von konkreter
24
Pan/ Pfeil, 2000: 4
25
Boden, 1993: 12
26
Habsbawm, Eric, zitiert nach: Ludwig, 1995: 9 f.
15
MASTERARBEIT
Anika Bever
„Problemlösung“27
gesprochen
werden.
Dies
betrifft
natürlich
insbesondere das Gebiet der heutigen Bundesrepublik. Mit Ende des
Ost-West-Konflikts wurde „[d]ie bipolare Konfrontation […] durch
multilaterale Kooperationen ersetzt.“28 Die bisher eher im Untergrund
schwelenden
Konflikte
aufgrund
ethnischer
und
nationaler
Unterschiede werden zu dieser Zeit brisant und kehren auf die
politische Agenda der Nationalstaaten wie auch der internationalen
Organisationen zurück:
„Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, in dem der unter der Oberfläche
schwelende Nationalitätenkonflikt mit Vehemenz wieder ins
politische Bewußtsein zurückkehren kann. […] Als Frucht dieser
Bemühungen beginnt allmählich ein System des europäischen
Minderheitenschutzes sichtbar zu werden.“29
Das
Dilemma
zwischen
Ethnizität
und
Demokratie
ist
das
Missverständnis des demokratischen Grundgedankens, nachdem die
Gemeinschaft des Volkes (= Demos) und nicht etwa die ethnische
Größe (= Ethnos) als Basis gilt, wobei Demos konkret an Ethnos
gebunden ist, allerdings nicht umgekehrt: „Die Missachtung dieses
‚kleinen’
Unterschiedes
folgenschwere
zwischen
Wirkungen,
indem
Demos
vielfach
und
Ethnos
hatte
Ethnokratien
statt
30
Demokratien entstanden.“ .
Eine zusätzliche Form der Diskriminierung von Volksgruppen und
Minderheiten in Demokratien ergibt sich durch das Grundprinzip der
Demokratie selbst, welches die politische Macht entsprechend der
größten Zahl sieht. Somit ist eine demokratische Beteiligung von
Minderheiten per Definition nicht möglich:
27
Pan/ Pfeil: a.a.O.
28
Pan/ Pfeil, a.a.O
29
Pan/ Pfeil, 2000: V f.
30
Pan/ Pfeil, 2000: 5
16
MASTERARBEIT
Anika Bever
„Eine Volksgruppe bzw. Minderheit, deren zahlenmäßige Stärke
naturgemäß immer kleiner ist als jene der übrigen
Staatsbevölkerung,
kann
unter
diesen
zwingenden
Voraussetzungen nicht wirklich bei der Bildung legitimer Macht um
die Staatsführung frei konkurrieren. Sie bleibt definitionsgemäß von
vornherein davon ausgeschlossen.“31
Eine Lösung dieses Dilemmas sieht Pan in der Korrektur des
systemeigenen Problems in Form von positivem Minderheitenschutz,
den er wiederum in die zwei Bereiche der individuellen Komponenten
und der Gruppenkomponente („der Mensch besitzt Ethnizität“32)
unterteilt betrachtet: „Die Freiheit und Gleichheit der Individuen
postuliert somit über kurz oder lang auch die Freiheit und Gleichheit
der Völker beziehungsweise Ethnien“33.
2.3
Sprachen und Identität
In Europa gibt es 90 Sprachen34. Darunter sind 53 staatslose
Sprachen, worunter man Sprachen versteht, die im Gegensatz zu
Nationalsprachen in keinem territorialen Staat als Titularsprache
gelten und überhaupt nicht oder maximal als regionale Amtssprache
gelten. Die UNESCO geht in ihrem Weltatlas zu bedrohten
Sprachen35 davon aus, dass Sorbisch und Friesisch als gesprochene
und verstandene Sprachen akut bedroht sind:
Ernsthaft um ihr Überleben fürchten müssen der neuesten Ausgabe
zufolge das Ost- und Nordfriesische. Die Zahl der Menschen, die
Ostfriesisch in seiner historischen Reinform sprechen, sei auf 1.000
gesunken, so die UN-Bildungsorganisation. Auch das im Spreewald
31
Pan/ Pfeil, 2000: 6
32
a.a.O.
33
a.a.O.
34
vergleiche Diagramm (Anhang 2)
35
http://www.unesco.org/culture/ich/index.php?pg=00206
17
MASTERARBEIT
Anika Bever
und der Lausitz gesprochene Sorbisch sei gefährdet, es werde noch
von knapp 20.000 Menschen benutzt. Sowohl Friesisch als auch
Sorbisch stehen auch auf der UN-Charta für bedrohte Sprachen und
werden mit öffentlichen Mitteln gefördert.36
Prinzipiell grenzen sich Völker durch gewisse Faktoren voneinander
ab, unter anderem durch Sprache, Geschichte, Religion, kulturelle
Werte und ein häufig unspezifisches Zusammengehörigkeitsgefühl.
Natürlich ist diese Liste nicht erschöpfend ausgeführt und es treffen
nicht immer alle Merkmale zu – allerdings ist die gemeinsame
Sprache
ein
primäres
Merkmal
der
Unterscheidung
und
Abgrenzung.37
Die meisten europäischen Sprachen haben gemeinsame Ursprünge.
Aufgrund verschiedenster Ursachen entwickelten sich verschiedene
Sprachen, beispielsweise wegen unterschiedlichen geographischen,
genetischen,
sozialen,
typologischen
oder
funktionalen
Gegebenheiten. Meist jedoch gibt es Neugliederungen von Sprachen
insbesondere aufgrund von Kriegen, Wanderbewegungen oder
politischen Teilungen einerseits sowie Veränderungen religiöser,
sozialer, kultureller und wirtschaftlicher Art andererseits bis hin zu
historischen Wandlungen wie der Einführung der allgemeinen
Schulpflicht oder der Industrialisierung. Heute geht man davon aus,
dass es weltweit 2.500 bis 3.000 eigenständige Sprachen gibt, wobei
viele untereinander verwandt sind:
„Die Übergänge zwischen den einzelnen Sprachen sind fließend.
So können sich etwa Polen, Tschechen und Sorben miteinander
unterhalten, weil diese eng miteinander verwandt sind, es würde
ihnen jedoch niemand ihre Eigenständigkeit als Volk
absprechen.“38
36
Schmidt, 2009
37
vergleiche: Boden, 1993
38
Boden, 1993: 22
18
MASTERARBEIT
Anika Bever
Gerade für die Angehörigen von Minderheiten ist die Andersartigkeit
gegenüber der Mehrheits- oder Titularnation von zentraler Bedeutung,
da sich durch die Abgrenzung ihre Eigenständigkeit als Volk erst
ergibt. Diese Idee wird in der Soziologie und in den Cultural Studies
als das Phänomen der negativen Integration verstanden und lässt
sich
neben
vielen
Minderheitenproblematik
weiteren
Bereichen
entsprechend
der
gerade
bei
der
Ursprungsdefinition
nachvollziehen:
„Die gegenseitige Abgrenzung ethnischer Gruppen ist in erster
Linie ein soziologisches Phänomen: Wir- und Ihr-Gruppen (ingroup / out-group). Menschen, die Gemeinsamkeiten haben oder
empfinden, schließen sich zusammen und grenzen sich nach
außen ab. Wichtige Elemente in diesem Zusammenhang sind die
Subjektivität der Perzeption und die Emotionen, die bei
Gruppenidentifikation mitschwingen.“39
Jedoch ist die einzelne Position und eigene Wahrnehmung das
zentrale Kriterium: so sollte das „[m]aßgebliche[s] Element für die
Bestimmung von Ethnien/ Minderheiten […] die Identifikation des
Individuums sein, nicht eine generelle Definition, die entweder
Merkmale abzählt und den Menschen zuordnet oder keines der
Merkmale zuläßt, sondern die Existenz von Unterschieden leugnet.
Eine Gruppe sollte sich also zu ihrem „Anderssein als andere“,
besonders ihrem Anderssein gegenüber der Mehrheit bekennen
dürfen und entsprechenden Schutz genießen, da es andernfalls zu
Konflikten kommen kann.“40
39
a.a.O.: 25
40
a.a.O.: 23
19
MASTERARBEIT
2.4
Anika Bever
Daten und Zahlen mit Analyse
Diese Passage beschäftigt sich mit der Problematik der Erhebung der
demographischen
Größen
der
Minderheiten
als
auch
der
Titularnationen. In Europa gibt es keine einheitlichen oder auch nur
zeitlich zusammen liegenden Erhebungen der Bevölkerungszahlen,
weshalb man sich auch mit Schätzungen oder Fortschreibungen
zufrieden geben muss. So gibt es beispielsweise unterschiedliche
Kriterien, Zählweisen und Darstellungsarten. Alleine die Frage, ob
man bei der Erhebung der Bevölkerungszahlen eines Nationalstaates
die Wohnbevölkerung oder die anwesende Bevölkerung als zu
bestimmende Größe ansieht, ist nicht einheitlich durchgeführt.
Insbesondere bei den Zahlen der Minderheiten und Volksgruppen
kommt erschwerend hinzu, dass offizielle Zahlen und eigene
Angaben der Angehörigen der Volksgruppen häufig erheblich
voneinander abweichen.
2.4.1
Europa
In Europa leben 767 Millionen Menschen. Europa versteht sich in
diesem
Fall
nicht
als
die
politische
Integrationseinheit
der
Europäischen Union, sondern als die geographische Eingrenzung des
Kontinents Europa zwischen Atlantik und Ural. Dabei kann man von
einem „derzeitigen Stand von etwa 307 Volksgruppen / Minderheiten
in Europa“41 ausgehen. Problematisch ist, dass „deren ethnische
Verteilung
nicht
übereinstimmt.
mit
Denn
Europas
in
Europa
staatspolitischer
gibt
es
über
Organisation
80
Völker
verschiedenster Größe, aber nur 36 Staaten (mit mehr als 1 Mio.
Einwohner).“42 Hierin liegt eine Ursache der Volksgruppenfrage, die
insbesondere im östlichen Teil des europäischen Kontinents gerade
41
Pan/ Pfeil, 2000: XIV
42
a.a.O.: 3
20
MASTERARBEIT
Anika Bever
in den letzten beiden Jahrzehnten, also nach dem Kalten Krieg, zu
Bürgerkriegen und Regionalkonflikten geführt hat, wie beispielsweise
auf dem Balkan. Gerade „der Umstand, daß im Zuge des Zerfalls von
drei
Vielvölkerstaaten
(Sowjetunion,
Jugoslawien
und
Tschechoslowakei) auf dem euro-asiatischen Kontinent von 1991 bis
1993 nicht weniger als 22 vorwiegend nach ethnisch-nationalen
Kriterien gebildete Staaten neu“43 entstanden sind, sorgte in der Folge
auch dafür, dass das Thema der Volksgruppenfrage wieder an
politischer Brisanz gewonnen hat.
Zusammenfassend ist als Ergebnis der von Pan veröffentlichten
Untersuchung zu den Volksgruppen in Europa festzuhalten, dass 767
Millionen
Europäer
in
36
Staaten
leben.
Innerhalb
dieser
Gesamtgruppe gibt es etwa 307 größere oder kleinere Volksgruppen
beziehungsweise
Minderheiten
in
Europa,
deren
Angehörige
zusammen 103 Millionen Menschen ausmachen. Dies entspricht etwa
einem Siebtel der Gesamtbevölkerungszahl.
Im Zusammenhang mit diesen quantitativen Größen soll nun auf die
Aktualität der Volksgruppenfrage eingegangen werden. So ist, wie
oben schon ausgeführt, von 36 europäischen Staaten44 auszugehen.
Von diesen Staaten sind nur die Hälfte nicht von ethnischen
Spannungen und Problemen infolge einer Minderheitenproblematik
betroffen. In fünf dieser 36 Staaten gibt es oder gab es bis vor kurzem
gewaltsam ausgetragene ethnische Konflikte (Bosnien-Herzegowina,
Jugoslawien, Kroatien, Russland, Türkei), sieben der 36 Staaten
haben oder hatten Konflikte ethnischer Ursache mit Nachbarstaaten
(Albanien, Bulgarien, Griechenland, Estland, Lettland, Makedonien,
Ukraine). In weiteren sechs Staaten gibt es oder gab es bis vor
43
a.a.O.: V
44
36 Staaten mit über 1 Mio Einwohner. Nicht gezählt sind: Zypern (740.000 E.)
und acht weitere Kleinstaaten: Luxemburg (416.000 E.), Malta (373.000 E.),
Island (270.000 E.), Andorra (71.000 E.), Monaco (32.000 E.), Liechtenstein
(31.000 E.), San Marino (25.000 E.), Vatikan (400 E).
21
MASTERARBEIT
kurzem
Anika Bever
ethnische
Spannungen
(Großbritannien,
Frankreich,
45
Moldawien, Rumänien, Slowakei, Spanien).
Insgesamt haben die 36 europäischen Staaten mit mehr als einer
Million46 Einwohner 869.500.000 Bürger und damit 99,8 Prozent der
europäischen Bevölkerung, wobei die weiteren neun Staaten mit
unter einer Million Einwohnern47 gemeinsam die restlichen 0,2
Prozent der Gesamteinwohnerzahl mit 1.958.400 Einwohnern stellen.
Somit liegt die europäische Einwohnerzahl bei 871.339.400.
2.4.2
Bundesrepublik Deutschland
Die in diesem Unterkapitel verwendeten Zahlen stammen aus dem
Handbuch „Die Volksgruppen in Europa“ von Christoph Pan und
Beate Sibylle Pfeil.48 Die Daten zur Bundesrepublik stammen aus
dem Jahr 1997 und sind demnach nicht aktuell. Allerdings ist davon
auszugehen, dass sich an der prinzipiellen Verteilung wenig geändert
hat.
Soweit
möglich
wurden
aktuelle
Zahlen
vergleichend
hinzugezogen. Dies ist jedoch aufgrund der bereits geschilderten
Problematik (vergleiche 2.3) nicht immer möglich. So ist es in
45
vergleiche Pan/ Pfeil, 2000: 8
46
nach Größe sortiert: Russland (147.000.000), Deutschland (82.000.000),
Großbritannien(57.400.000), Italien (57.000.000), Frankreich (56.600.000),
Türkei(56.100.000), Ukraine (51.500.000), Polen (39.500.000), Spanien
(38.900.000), Rumänien (22.800.000), Niederlande (15.000.000), Ungarn
(10.400.000), Jugoslawien (10.400.000), Griechenland (10.300.000),
Tschechien (10.300.000), Weißrussland (10.200.000), Belgien (10.000.000),
Portugal (9.900.000), Schweden (8.600.000), Bulgarien (8.500.000), Österreich
(7.800.000), Schweiz (6.900.000), Slowakei (5.300.000), Dänemark (5.100.000),
Finnland (5.000.000), Kroatien (4.800.000), Moldawien (4.300.000), Norwegen
(4.200.000), Litauen (3.700.000), Irland (3.600.000), Albanien (3.200.000),
Bosnien-Herzegowina (2.900.000), Lettland (2.500.000), Slowenien (2.000.000),
Makedonien (1.900.000), Estland (1.500.000). (vergleiche Pan/ Pfeil, 2000: 13)
47
nach Größe sortiert: Zypern (740.000), Luxemburg (716.000), Malta (373.000),
Island (270.000), Andorra (71.000), Monaco (32.000), Liechtenstein (31.000),
San Marino (25.000), Vatikan (400). (vergleiche Pan/ Pfeil, 2000: 13)
48
vergleiche Pan/ Pfeil, 2000
22
MASTERARBEIT
Anika Bever
Deutschland rechtlich nicht gestattet, die Zugehörigkeit zu einer
Volksgruppe überhaupt abzufragen.
Nach Angabe des Statistischen Bundesamtes in Wiesbaden werden
Daten von ethnischen Gruppen nicht gesondert aufgenommen,
sondern es wird lediglich nach Nationalitäten unterschieden.
Die
quantitative
Größe
der
Bevölkerung
der
Bundesrepublik
Deutschland lag 1997 bei 82.057.379 Einwohnern. Auf der Grundlage
der Fortschreibungsdaten beträgt die ermittelte aktuellste Größe auf
Grundlage der Zahlen vom 31.12.2007 82.218.000.49 Die Anzahl der
Angehörigen der Titularnation liegt bei 90,8 Prozent (1997).
Insgesamt gibt es auf dem Gebiet der Bundesrepublik vier
Volksgruppen / Minderheiten mit zusammen 152.000 Angehörigen
(1997). Deutschland ist damit der einwohnerreichste Staat der EU
und hat nach Russland die zweitgrößte Bevölkerungszahl im
gesamteuropäischen Vergleich.
Von den 82.057.379 Einwohnern der Bundesrepublik Deutschland
sind 74.539.546 Deutsche, was 90,8 % entspricht (1997). Daneben
machen Ausländer mit 7.365.833 Personen einen Anteil von 9,0 %
aus. Die einzelnen der vier offiziell anerkannten Minderheiten /
Volksgruppen in Deutschland verfügen über folgende Quantitäten:
•
Sorben (Wenden)
60.000 (0,1%)
•
Dänen
50.000 (0,1%)
•
Sinti und Roma
30.000
•
Friesen
12.000
49
Bevölkerungsstand
http://www.destatis.de/jetspeed/portal/cms/Sites/destatis/Internet/DE/Navigation/
Statistiken/Bevoelkerung/Bevoelkerungsstand/Bevoelkerungsstand.psml
(01.09.2009, 16:45)
23
MASTERARBEIT
Anika Bever
Dadurch ergibt sich eine Gesamtgröße von 152.000 Angehörigen der
vier Minderheiten (1997).
Dagegen beziffert sich die Anzahl der Volksgemeinschaft Deutsche
als demographische Größe mit 89.000.000, wobei es sich um alle
Deutschsprachigen50 handelt. Die sorbische Gemeinschaft hat 60.000
Angehörige (1997), die friesische Gemeinschaft51 462.000 (1997).
Neuere Zahlen lassen sich nicht ermitteln, da es keine gesicherten
Statistiken gibt.
2.5
Sorben
„In der Oberlausitz, im Osten des Freistaates Sachsen und in der
Niederlausitz, im Süden des Landes Brandenburg leben die
Sorben, ein slawisches Volk mit fast 1400jähriger Geschichte,
eigener Sprache und Kultur. Das Wissen darüber ist jedoch
verschwindend gering. Das sorbische Volk braucht – wie jede
Minderheit – besonderen Schutz und Förderung, um seine
Lebenskraft zu erhalten und zu stärken.“52
Das westslawische Volk der Sorben53 – ein autochthones Volk – ist
eine der vier anerkannten Minderheiten in Deutschland. Beheimatet
sind die Sorben in den Gebieten der Ober- und der Niederlausitz in
Sachsen und Brandenburg, wobei der Großteil im sächsischen Teil,
der Oberlausitz, lebt und zwischen Bautzen, Hoyerswerda und
Kamenz von einem sorbischen Ballungsgebiet zu sprechen ist. Das
restliche Drittel dieser Minderheit ist in der Niederlausitz in
Brandenburg beheimatet. Wie Pan (vergleiche 2.3.2) geht auch
50
Bundesdeutsche, Österreicher, Deutschschweizer, Elsässer, Lothringer,
Südtiroler, Deutschbelgier, Nordschleswiger, Russlanddeutsche, etc (vergleiche
Pan/ Pfeil, 2000: 11)
51
Westfriesen, Ostfriesen, Nordfriesen (vergleiche Pan/ Pfeil, 2000: 12)
52
Michalk, 2002: 11
53
In der Niederlausitz bezeichnen sich die Sorben auch als Wenden. Vergleiche:
Michalk, 2002, Ludwig, 1995; Pan/ Pfeil, 2000, Schneeweis, 1931
24
MASTERARBEIT
Anika Bever
Ludwig54 von der quantitativen Größe von „etwa 60.000 Sorben (oder
Wenden) in der Lausitz, dem südöstlichen Zipfel des vereinten
Deutschlands“ aus, wobei „etwa 12.000 im Raum Cottbus und
Spreewald (Niederlausitz/ Brandenburg) und ca. 50.000 im Raum
Bautzen (Oberlausitz/ Sachsen)“55 leben. 56
Die Sorbische Sprache wird heute von geschätzten 20.000 bis 30.000
Menschen aktiv beherrscht, wie das sorbische Institut Domowina57
angibt.
Es
gibt
zwei
Schriftsprachen,
das
Obersorbische
(Hornjoserbšćina), das dem Tschechischen ähnlich ist, und das
Niedersorbische (Dolnoserbšćina), das eher an die polnische Sprache
erinnert. Die meisten Sorben sind heute katholischer Konfession.
Das Gebiet der Sorben zwischen Elbe und Saale wurde um 600 nach
Christus von slawischen Völkern besiedelt, wobei die erstmalige
Erwähnung des sorbischen Volkes auf das Jahr 631 zu datieren ist.
Im 10. Jahrhundert wurden sie als Folge der fränkischen Eroberung
christianisiert und verloren auch ihre Unabhängigkeit. Zwischen dem
11. und dem 14. Jahrhundert wurde die Herrscherschicht durch die
deutschen Einwanderer gestellt, überwiegend von Franken, Flamen,
Thüringern und Sachsen. Dagegen verschlechterten sich die
Umstände
zu
Zeiten
der
Weimarer
Republik
aufgrund
der
zunehmenden nationalsozialistischen Tendenzen. 58
54
Ludwig, 1995: 101
55
Stegner, 2006: 52
56
Die geographische Verteilung der Siedlungsgebiete ist auf der Karte in Anhang 3
dargestellt.
57
Die Domowina ist ein politisch unabhängiger und selbständiger Bund der
Sorben/ Wenden, und Dachverband sorbischer Vereine der Ober- und
Niederlausitz. Sie ist Interessenvertreterin des Sorbischen Volkes. (vg.
http://www.domowina.sorben.com/)
58
Boden, 1993: 77 f.
25
MASTERARBEIT
Aufgrund
der
Anika Bever
Lage
ihrer
Heimat,
„die
schwer
zugänglichen
59
Waldgebiete an der Spree“ , waren die Sorben gerade im letzten
Jahrhundert den politischen Gegebenheiten in besonderem Maße
ausgesetzt:
„Im Gegensatz zu den anderen slawischen Völkern schafften es
die Sorben [...] nicht, ein eigenes Staatswesen zu entwickeln. Ihre
Organisation blieb zumeist auf die lokale Ebene begrenzt. So
wurden sie in der Neuzeit zum Spielball der umliegenden
Großmächte.“60
So dezimierte sich die Bevölkerungszahl der Sorben seit dem
19. Jahrhundert merklich von 166.000 Angehörigen, die überwiegend
in der Landwirtschaft tätig waren, bis 1930 auf 111.000. Diese
Dezimierung ergab sich hauptsächlich aufgrund des Wegzugs gerade
der jungen Generation in die Großstädte. Die Periode zwischen dem
Zweiten Weltkrieg und der Wiedervereinigung war insbesondere vom
Raubbau an der Natur durch das SED-Regime gekennzeichnet,
wodurch den Sorben aufgrund des Braunkohleabbaus zwar eine
wirtschaftliche Verbesserung widerfuhr, jedoch auch der Verlust ihrer
Heimat. Dies geschah durch die Gründung von Tagebauten in
Gebieten, wo vorher sorbische Dörfer lagen. Parallel zur ökologischen
Zerstörung ging außerdem „eine neue Kolonialisierung [einher], die
das nachholte, was die Sorben Jahrhunderte lang verhindert hatten.
Immer mehr Deutsche zogen in das Gebiet und der Anteil der Sorben
an der Gesamtbevölkerung sank auf wenige Prozent“61.62
Heute liegt das Hauptsiedlungsgebiet der Sorben in „eine[r] kleine[n]
katholisch-sorbischen Enklave im Dreieck Kamenz – Hoyerswerda –
Bautzen.
Diese
59
Ludwig, 1995: 101
60
a.a.O.
61
a.a.O.: 102
62
vergleiche: a.a.O.
liegt
im
Südwesten
des
ursprünglichen
26
MASTERARBEIT
Anika Bever
Siedlungsgebiets und nahm schon immer eine eigene Entwicklung“63.
Heute ist insbesondere Bautzen von zentraler Bedeutung für die
sorbische Minderheit und gilt als kulturelles Zentrum.
Zahlreiche Vereine sind unter dem Dach der bereits seit 1912
existierenden
Interessenvertretung
Domowina
organisiert.
Das
Bautzener Haus der Sorben (Serbski dom) ist der Sitz der meisten
sorbischen Institutionen. Der Begriff Domowina leitet sich ab vom
sorbischen Namen für Heimat.
Politisch ist die sorbische Minderheit heute, wie auch zu DDR-Zeiten,
eine gut geschützte Gruppe. So war es ihnen beispielsweise möglich,
ihre christlichen Traditionen wie zum Beispiel den Osterritt, der auf
einem
vorchristlichen
Fruchtbarkeitskult
gründet,
weiterhin
auszuüben. Der sorbische Sprachwissenschaftler Helmut Faßke
resümiert diese Zeit wie folgt:
„Zunächst einmal muß man festhalten, daß die Sorben zu keiner
Zeit vergleichbare kulturelle Einrichtungen zur Pflege ihrer eigenen
Sprache, Kultur und Geschichte hatten wie in der verflossenen
Deutschen Demokratischen Republik. Es hat noch nie eine
wissenschaftliche Einrichtung gegeben, die professionell die
sorbische Sprache, Kulturgeschichte und Geschichte untersucht,
gepflegt und den eigenen Landsleuten ins Bewußtsein gebracht
hat. Es hat noch nie ein staatliches Volksensemble gegeben, nie
einen so großen Verlag, der das sorbische Schrifttum in
entsprechender Weise herausbringen konnte. Das ist zunächst
einmal die objektiv gegebene Tatsache.“64
Auch nach der Wende waren die Sorben rechtlich nicht gefährdet und
wurden insbesondere von den Ländern Sachsen und Brandenburg
unterstützt. Seit 1991 existiert die Stiftung für das Sorbische Volk.
Diese praktische politische Organisation entstand aufgrund einer
63
a.a.O.:102
64
zitiert nach: Ludwig, 1995: 103 f.
27
MASTERARBEIT
Anika Bever
Initiative der beiden genannten Bundesländer, wird aber auch vom
Bund unterstützt.65
2.5.1
Analyse
der web-basierten Medien-Aktivitäten der
Sorben66
Die Sorben als traditionsbewusste Minderheit mit langer Geschichte
nutzen eine Vielzahl von verschiedenen Medientypen für eigene
Veröffentlichungen.
Im
Printbereich
werden
regelmäßig
unterschiedliche Publikationen verlegt, wie etwa die obersorbische
Tageszeitung
Wochenzeitung
Serbske
Nowy
Nowiny
Casnik.
Die
und
die
niedersorbische
Monatszeitschrift
Rozhlad
beschäftigt sich hauptsächlich mit Themen rund um die sorbische
Kultur. Daneben gibt es verschiedene Titel von Magazinen und
Zeitschriften.67 68
Auch im Ausland gibt es sorbische Publikationen. So erscheinen drei
Zeitschriften zur Kultur, Sprache und Geschichte der Sorben
außerhalb Deutschlands69 sowie Online-Newsletter70.
65
vergleiche: a.a.O.
66
Die genannten Medienaktivitäten der Sorben beziehen sich auf ausschließlich im
Internet recherchierte Ergebnisse. Dies ist der Tatsache des Schwerpunktes
dieser Arbeit geschuldet. Weitere Informationen zur Mediennutzung der Sorben
lassen sich insbesondere über die Stiftung für das Sorbische Volk und den
Domowina-Verlag erlangen.
67
„Zu den sorbischen Presseerzeugnissen gehören die obersorbische
Tageszeitung "Serbske Nowiny", die niedersorbische Wochenzeitung "Nowy
Casnik", die Monatszeitschrift für sorbische Kultur "Rozhlad", die monatlich
erscheinende Kinderzeitschrift "Płomjo" (obersorbisch) bzw. "Płomje"
(niedersorbisch), die pädagogische Fachzeitschrift "Serbska šula", die
Zeitschriften der katholischen und evangelischen Sorben "Katolski Posoł" und
"Pomhaj Bóh" sowie das sorabistische Fachorgan "Lětopis".“
http://www.sorben.com/Sorbs/indexck.htm
68
vergleiche auch: http://www.serbske-nowiny.de/ sowie
http://www.posol.de/deutsch
69
Česko-lužický věstník (Monatszeitschrift des Spolek česko-lužický (Tschechischsorbischer Freundschaftsverein), in Praha, in tschechischer Sprache); Zeszyty
Łuźyckie (sorabistische Zeitschrift, Herausgeber Uniwersytet Warszawski,
Instytut Filologii Słowiańskiej (bis zu 3 Ausgaben im Jahr), in Warszawa, in
28
MASTERARBEIT
Anika Bever
Als weiterer Anbieter traditioneller Medien ist sicherlich das
Verlagswesen und der 1958 gegründete Domowina-Verlag71 zu
nennen, der das gesamte sorbische Schrifttum entwickelt, verlegt und
vertreibt. Von der Gründung bis ins Jahr 1999 wurden über 3.400 Titel
verlegt. So ist der Domowina-Verlag verantwortlich für
„die Herausgabe zeitgenössischer sorbischer Belletristik und
Kinderliteratur (einschließlich Übersetzungen aus slawischen
Sprachen und der Weltliteratur), sorabistischer wissenschaftlicher
und populärer Literatur in sorbischer und deutscher Sprache,
pädagogische Literatur, herausragender Werke des kulturellen
Erbes sowie die Herausgabe von Zeitungen und Zeitschriften.“72
Auch Ausstellungen sind Medien. Die Stiftung für das sorbische Volk
informiert im Internet über Ausstellungen zu sorbischen Themen.73
Außerdem gibt es Wanderausstellungen, die in und auch außerhalb
Deutschlands präsentiert werden können. Diese können beim Institut
für das Sorbische Volk angefordert werden:
•
Serbja w Němskej - Die Sorben in Deutschland74
•
Die Sorben in der Lausitz (Schwerpunkt Niederlausitz)75
•
Ostern bei den Sorben.76
polnischer Sprache); Texas Wendish Heritage Society and Museum,
(Quartalsschrift der Nachkommen sorbischer Auswanderer, in Serbin,
Giddings/Texas)
70
Wend Sorb Society of South Australia Inc. (Newsletter, in
Athelstone/Südaustralien); Wendish Heritage Society Australia Inc. (Newsletter,
in Heidelberg/Victoria, erscheinen viertel- resp. halbjährlich von Nachkommen
sorbischer Auswanderer)
71
Ludowe nakładnistwo Domowina
72
http://www.sorben.com/Sorbs/indexck.htm
73
http://www.stiftung.sorben.com/index.php?main=nemsce,ausstellungen
74
http://www.stiftung.sorben.com/index.php?main=nemsce,sorbeninde
75
http://lodka.sorben.com/taf1.htm
76
http://lodka.sorben.com/osterausstellung.htm
29
MASTERARBEIT
Anika Bever
Zur Traditionsbewahrung und zur Wahrung des kulturellen Erbes sind
Bibliotheken und Archive sehr wichtig. Unter dem Dach des
Sorbischen Instituts in Bautzen angesiedelt ist sowohl die 1949
gegründete sorbische Zentralbibliothek mit einem bedeutenden
Bestand an slawischer und slawistischer Literatur und einem
Gesamtbestand
von
100.000
Medieneinheiten
als
auch
das
Sorbische Kulturarchiv als öffentliches Archiv für sorbisches und
sorabistisches Archiv- und Sammelgut mit etwa 500 laufenden Metern
des Gesamtbestandes des Sorbischen Kulturarchivs. 77
In Berlin existiert außerdem die Gesellschaft zur Förderung eines
Sorbischen
Kultur-
und
Informationszentrums78,
die
sich
mit
Veranstaltungen wie Sprachkursen und einer öffentlich zugänglichen
Bibliothek um die Belange der Sorben in Berlin bemüht.
Neben diesen beiden genannten Bibliotheken gibt es außerdem die
Spezialbibliothek der Stadt Cottbus79 mit einem Bestand von 6.500
Medieneinheiten.
Im Bereich des Rundfunks gibt es eine Kooperationen zwischen
dem MDR80 und dem RBB81, die durch die Produktion eines
sorbischsprachigen Programms ihrem Bildungsauftrag nachkommen.
Dieser sorbische Rundfunk blickt bereits auf ein halbes Jahrhundert
Geschichte
zurück.82
Täglich
werden
mehrere
Stunden
77
http://www.serbski-institut.de/cms/de/23/Bibliothek-%E2%81%84-Archiv
78
http://www.ski-berlin.de/ultimativ.htm
79
http://www.tu-cottbus.de/einrichtungen/ikmz/servicebereiche/bibliothek/
benutzung-und-service/bibliotheken-in-cottbus/niedersorbische-bibl.html
80
Mitteldeutscher Rundfunk
81
Rundfunk Berlin-Brandenburg
82
„Sorbischsprachige Rundfunksendungen gibt es schon seit über 50 Jahren. Der
Mitteldeutsche Rundfunk (MDR) hat nach seiner Gründung am 1. Januar 1992
das Hörfunkangebot in sorbischer Sprache leicht erweitert. Zur Zeit können auf
der Frequenz 100,4 MHz pro Woche insgesamt 20,5 Stunden Sendungen in der
Muttersprache empfangen werden, darunter Regionalnachrichten, Kulturreporte,
Kinderfunk, Sportberichte, Glückwünsche, Veranstaltungstipps sowie seit April
30
MASTERARBEIT
Anika Bever
sorbischsprachige
Radio-Sendungen
ausgestrahlt:
Aus
seinem
Bautzener Studio im Haus der Sorben sendet der MDR wochentags
ein dreistündiges Frühprogramm in obersorbischer Sprache, sonntags
neunzig Minuten83. Der MDR produziert wöchentlich das zweistündige
Magazin Radio Satkula.
Der RBB sieht seinen „besonderen Programmauftrag“ darin, „dieses
kulturelle Erbe zu fördern und zu erhalten“84 indem er ein breit
gefächertes
Hörfunkangebot
speziell
für
die
sorbischen
beziehungsweise. wendischen Hörer anbietet. Jede Woche werden
insgesamt elfeinhalb Stunden Radioprogramm in sorbischer /
wendischer Sprache für das Bramborske serbske radijo produziert mit
„eine[r] interessante[n] Mischung aus Information und Unterhaltung:
Sendungen zur Geschichte, Kultur und dem gesellschaftlichen Leben
der Sorben/Wenden in Dokumentationen, Features, Reportagen,
Hörspielen, Porträts, Literatur und Musik“85 86. Speziell zur Gewinnung
1999 jeweils am Montagabend eine sorbische Jugendsendung "Satkula". Im
MDR-Fernsehen gibt es jeden Sonntag den Abendgruß für Kinder
("Sandmännchen") auch in sorbischer Sprache (Zweikanal-Ton) und seit
September 2001 das sorbische Magazin "Wuhladko" (mit Untertiteln in
deutscher Sprache) jeden ersten Samstag im Monat von 12.45 - 13.15 Uhr. Die
Rundfunksversorgung für die Niederlausitz liegt seit 1992 in Verantwortung des
RBB (Rundfunk Berlin-Brandenburg) und erstreckt sich wöchentlich auf 6,5
Stunden Hörfunk und ein monatliches spezielles Fernsehmagazin (30 Minuten).
Sorbischer Hörfunk und sorbisches Fernsehen zählen zu den wirksamsten
sprach- und kulturfördernden Kommunikationsmedien.“
http://www.sorben.com/Sorbs/indexck.htm
83
http://www.mdr.de/sorbisches-programm/rundfunk/programm/
84
http://rbb-online.de/unternehmen/programm/sorben/
sendungen_in_sorbischer.html
85
http://rbb-online.de/unternehmen/programm/sorben/
sendungen_in_sorbischer.html
86
Die Lausitz gestern und heute (Mo.); Musik - gern gehört (Di.); Das aktuelle
Mittagsmagazin (Mi.); Lausitzer Impressionen (Do.); Information -UnterhaltungService (Fr.); Familienprogramm: Informationen und Musik, das christliche Wort
zum Tag, Glückwünsche (So.): Zeit: für die Niederlausitz in Niedersorbisch Montag bis Freitag: 12.00 bis 13.00 Uhr; sonn- und feiertags: 12.30 bis 14.00
Uhr. Sender: ORB Rundfunk. Periodizität: Wöchentlich sechseinhalb Stunden
lang. Das sorbische Radioprogramm aus Brandenburg bietet eine interessante
Mischung aus Information und Unterhaltung: Sendungen zur Geschichte, Kultur
und dem gesellschaftlichen Leben der Sorben/Wenden in Dokumentation,
Literatur, Feature, Hörspiel, Musik und Porträt. Frequenzen: UKW 93,4 MHz Radio 3 (NDR/SFB/ORB) UKW 100,4 MHz - MDR 1.
31
MASTERARBEIT
Anika Bever
der jüngeren Hörergruppe gibt es das monatliche 30-minütige
Magazin Bubak.
87
Die niedersorbischen Hörfunksendungen, die vom
RBB produziert werden, stehen auch im Internet zum Nachhören zur
Verfügung.
Seit 1992 gibt es im Regionalprogramm des RBB ein halbstündiges
monatliches Magazin, das niedersorbische Łužyca88. Der MDR
produziert seit 2001 das halbstündige Wuhladko, das nach eigenen
Angaben von sorbischen Rundfunkjournalisten gestaltet wird. Das
Sandmännchen wird sonntags in sorbischer und deutscher Sprache
gesendet.
89
Łužyca90 wird als niedersorbischsprachiges Format
angeboten, was durch deutsche Untertitel beziehungsweise über den
Zweikanalton
in
deutschsprachiger
Version
auch
für
andere
Zuschauer interessant ist:
„Schon seit 1992 gibt es diese rbb-Sendung, gestaltet von Sorben
für Sorben und alle interessierten Zuschauer, die etwas über diese
slawische Volksgruppe erfahren möchten. Im Mittelpunkt des
Magazins stehen Historie und Kultur, Alltag und Probleme dieser
Minderheit, aber auch Bräuche, Traditionen oder das traditionelle
Handwerk.
Filmbeiträge
porträtieren
Menschen,
Städte,
Landstriche. Vierteljährlich gibt es eine monothematische Sendung,
u.a. einen literarischen Streifzug durch den Spreewald“.91
Daneben gibt es ein aktives Engagement des RBB im musikalischen
Bereich
zur
Pflege
und
Aufrechterhaltung
des
sorbischen
87
http://rbb-online.de/unternehmen/programm/sorben/
sendungen_in_sorbischer.html
88
Zeit: jeden dritten Samstag im Monat, 13.30 Uhr. Wiederholung am folgenden
Dienstag, spät. Sender: ORB. Das einzige sorbische Fernsehmagazin, das seit
1992 in niedersorbischer Sprache ausgestrahlt wird. Im Mittelpunkt des
Magazins stehen Historie und Kultur, Alltag und Probleme dieser Minderheit.
Filmbeiträge porträtieren Menschen, Städte und Landstriche. Vierteljährlich gibt
es eine monothematische Sendung.
89
vergleiche http://www.mdr.de/sorbisches-programm/rundfunk/programm/ sowie
http://rbb-online.de/unternehmen/programm/sorben/
sendungen_in_sorbischer.html
90
deutsch: Lausitz
91
http://rbb-online.de/unternehmen/programm/sorben/
sendungen_in_sorbischer.html
32
MASTERARBEIT
Anika Bever
musikalischen Erbes und auch der aktiven Weiterentwicklung, unter
anderem in Form von Neuproduktionen und Konzerten.92
Das monatliche Magazin Łužica des RBB wird produziert von der
Sorabia-Film-Studio, die auch Filme mit sorbischem Hintergrund
produzieren und auch die Synchronisation von Kinder- und Lehrfilmen
durchführen.93
Neben den traditionellen Rundfunkmedien bereitet der RBB sein
sorbisches / wendisches Angebot auch für das Internet auf, und
präsentiert auf zweisprachigen Internetseiten das Programm und
deren Inhalt. Die aktuellsten Ausgaben und Nachrichten der
niedersorbischen / wendischen
Hörfunksendungen,
sowie
das
erwähnte Jugendmagazin Bubak werden im Netz zugänglich
gemacht.94
Der MDR bietet seine Sendung Wuhladko ebenfalls im Internet an:
Als Livestream wird das Magazin in sorbischer Sprache mit
deutschem Untertitel einmal im Monat übertragen.95
Ein
unabhängiges
Online-Magazin
existiert
in
Form
des
Runjewonline.96. Außerdem gibt es ein sorbisches Forum sowie einen
sorbischen Weblog. Ein weiteres Element des Web 2.0 wird von einer
Band genutzt, die ihre Werke über Myspace im Netz präsentiert.97 Es
gibt desweiteren das spezialisierte Forum des Bundes sorbischer
92
Nähere Informationen zur Geschichte des sorbischen Angebots beim RBB siehe
auch: http://rbb-online.de/radio/sorbisches_programm/startseite/
zur_geschichte_des.html
93
http://www.ski.sorben.com/site/docs/german/index.htm
94
http://rbb-online.de/unternehmen/presse/presseinformationen/2004
/radio_im_internet.html
95
http://www.mdr.de/sorbisches-programm/wuhladko/4303706.html
96
http://www.runjewonline.info/
97
Vergleiche: http://www.interserb.de/ sowie http://piwarc.wordpress.com/ sowie
http://www.myspace.com/deyzidoxs
33
MASTERARBEIT
Anika Bever
Studierender e.V.
98
und ein Gästebuch auf der Website eines
99
Gymnasiums.
Neben der Bewahrung ist natürlich auch die Weitergabe und positive
Konservierung der sorbischen Sprache und Kultur von zentraler
Bedeutung.
So
gibt
es
beispielsweise
sorbischsprachige
Kindertageseinrichtungen und Schulen, sorbischen Unterricht, den
Arbeitskreis Weiterbildung des sorbischen Schulvereins und weitere
Angebote, die hier nicht in aller Ausführlichkeit dargestellt werden
können.100
2.6
Friesen
Der germanische Volksstamm der Friesen lebt auf dem Gebiet der
niederländischen und deutschen Nordseeküste. In beiden Staaten
sind die Friesen als Minderheit anerkannt. Die Friesen bilden eine
Volksgruppe sowie den Rest einer Sprachgemeinschaft. In den
Niederlanden leben 750.000 Friesen, davon 360.000 in der Provinz
Friesland,
in
Nordwestdeutschland
leben
10.000
Friesen
im
Küstengebiet und auf Inseln Nordfrieslands sowie etwa 2.000
Angehörige dieser Minderheit im ostfriesischen Saterland.101 Jedoch
ist nach wie vor davon auszugehen, dass es zutrifft, was Bo Sjölin,
schwedischer Professor für Friesisch an der Universität Kiel,
resümierte: „Die Existenz des Friesischen in Deutschland ist das
bestgehütete Geheimnis in der Bundesrepublik“102. Diese Tatsache ist
98
http://www.internecy.de/iforum/?lokalita=2
99
http://www.nsg-cottbus.de/doku.php/de:gaestebuch
100
vergleiche: http://www.sorbischer-schulverein.de/ramiki.html?n sowie
http://www.witajsprachzentrum.de/start.php?lang=deutsch&mitte=home&rechts=home sowie
http://www.nsg-cottbus.de/doku.php/de:gaestebuch
101
Stegner, 2006: 48
102
zitiert nach: Ludwig, 1995: 47
34
MASTERARBEIT
Anika Bever
auch dem Selbstverständnis der Friesen geschuldet, die – im
Gegensatz zu den Sorben – „nie eine starke und einheitliche
nationale Bewegung hervorgebracht [haben], die ihre Anliegen über
ihre
eigenen
Regionen
hinaus
vertreten
konnte[n]“103.
Das
Siedlungsgebiet der Friesen lässt sich mit Hilfe der Karte (siehe
Anhang 4) ablesen.
Historisch sind die Friesen bereits sehr früh in Erscheinung getreten;
so wird bereits in römischen Quellen über den Stamm berichtet. Ihre
größte Bedeutung hatten die Friesen im siebten Jahrhundert nach
Christus unter dem Heidenkönig Redbad, als die Ausdehnung des
friesischen Siedlungsgebietes von Brügge bis zur Weser reichte: „Die
Friesen sind ein westgermanischer Stamm, der um 700 ein Großreich
von Brügge bis zur Weser bildete“104. Im achten Jahrhundert wurden
die Friesen nach anhaltenden Auseinandersetzungen und Kriegen
von den Franken unterworfen und in diesem Zuge christianisiert.
Diese
Zwangschristianisierung wurde
von
den
Friesen
lange
abgewehrt und gipfelte im Totschlag des Missionars Bonifatius im
Jahre
754
in
Westfriesland.
Um
den
Zwängen
der
Bekehrungsversuche und der Herrschaft der Franken zu entkommen,
begann zu dieser Zeit auch eine Migration der Friesen weg vom
angestammten Bereich hin ins heutige Nordfriesland, zuerst in den
Bereich Eiderstedt und in einer zweiten Migrationswelle an den
Küstenstreifen, im zehnten und elften Jahrhundert sowie seit dem 14.
Jahrhundert auch ins Landesinnere. Im Mittelalter lebten die Friesen
vorwiegend vom Fischfang und vom Handel und waren ein
seefahrendes Volk. Das Meer prägte die Identität und das Leben der
Friesen. So betrieben sie auf durch Deiche geschütztem und dem
Meer abgerungenem Marschland auch Ackerbau und Viehzucht. Im
Landesinneren wurde das Leben durch die Schwierigkeiten der
Landwirtschaft in der Heide- und Moorlandschaft bestimmt. Auch oder
103
Ludwig, 1995: 47
104
Boden, 1993: 79
35
MASTERARBEIT
Anika Bever
gerade wegen dieser Kargheit der Landschaft blieb das Gebiet der
Friesen von Herrschaftsansprüchen anderer Volksstämme – mit
Ausnahme der Franken und einiger Wikingerangriffe – verschont,
wodurch die friesische Kultur und Identität lange bewahrt blieb.105
Heute liegt das Kerngebiet der Friesen zwischen dem Ijsselmeer in
den Niederlanden und der Wesermündung. Sie leben an der
Nordseeküste
in
(Niederlande),
„drei Sprachgebieten: Westlauwers
Saterland
(Ostfriesland)
und
Friesland
Nordfriesland
(Küstenstreifen und Inseln)“106.
Das Friesische ist nicht etwa ein Dialekt, sondern es handelt sich um
eine
eigenständige
Sprache
innerhalb
der
westgermanischen
107
Sprachfamilie
. Außerdem war „[d]as Friesische […] zwischen 13.
und 17. Jh auch als Schriftsprache von Bedeutung“108. Jedoch
besitzen „die Friesen [heute] keinen geschlossenen Sprach- und
Siedlungsraum
mehr“109.
Die
Dreiteilung
der
Sprach-
und
Siedlungsgebiete entstand im späten Mittelalter.110
105
vgl: Stegner, 2006; Klemens, 1995, Boden, 1993; Kurowski, 1987
106
a.a.O.
107
vergleiche:Pan, 2000: Tabelle 4: Die Sprachen Europas nach Sprachfamilien
108
Stegner, 2006: 48
109
Ludwig, 1995: 47
110
vgl: Stegner, 2006; Klemens, 1995, Boden, 1993; Kurowski, 1987
36
MASTERARBEIT
2.6.1
Anika Bever
Analyse
der web-basierten Medien-Aktivitäten der
Friesen111
Die friesische Minderheit in Deutschland nutzt Medien und hier
insbesondere die neuen Formen und Möglichkeiten des Internets.
Im Bereich des klassischen Rundfunks gibt es von Seiten des NDR
Berichterstattungen und Sendungen über das Friesische. Der
Minderheitenrat kritisiert jedoch, dass es – im Gegensatz zu den
Sendungen in Minderheitensprachen bei anderen Anstalten – keine
Sendungen in friesischer Sprache gebe.112
Neben den Bemühungen des NDR gibt es allerdings private
Bemühungen über offene Kanäle, wie zum Beispiel das Angebot der
Freie Medien Friese113; die unter anderem streamen und auch
einzelne Audio-Beiträge im Internet zur Verfügung stellen. So gibt es
News
auf
westfriesisch
bei
Omrop
Fryslân
Aktueel114
und
nordfriesische Online-Nachrichten115.
Daneben gibt es eine Reihe privater Blogs und Foren im Netz. Es
existiert beispielsweise das Forum Röekefloose116 eines Vereins zur
Förderung
der
Sprache
speziell
für
Jugendliche
oder
den
ostfriesischen privaten Weblog Termos Taten: Wat mutt, dat mutt –
Ein ostfriesischer Chronist der Wirklichkeit117. Ein weiterer Blog
111
Die genannten Medienaktivitäten der Friesen beziehen sich auf ausschließlich
im Internet recherchierte Ergebnisse, wie auch schon bei Kapitel 2.5.1 zu den
Online-basierten Medien-Aktivitäten der Sorben erwähnt. Dadurch ergibt sich ein
dezidiertes Bild der Aktivitäten und insbesondere des Verständnisses der
eigenen Präsentation und Vernetzung.
112
http://friesenrat.de/cms/front_content.php?idcat=8
113
http://www.jugend-bremen.de/wordpress/?feed=rss2
114
http://www1.omropfryslan.nl/Radio.aspx
115
http://www1.omropfryslan.nl/
116
http://roekefloose.bboard.de/board/fs-42728881nx15074.html
117
http://www.termostat.de/
37
MASTERARBEIT
speziell
zu
Anika Bever
Interessen
118
Ostfriesenblog
.
Das
Informationsplattform
und
Themen
Forum
Team
einer
der
Ostfriesen
Nordfraschlönj
friesischen
ist
ist
die
Mädchen-
Fußballmannschaft.119
Der
Friesisch-Schleswigsche
Verein,
gegründet
1923,
nutzt
mittlerweile das Internet für sein Hauptanliegen: „die Arbeit für den
Erhalt und den Ausbau der friesischen Sprache und einer friesischen
Kultur“ und publiziert regelmäßige Newsletter.120
118
http://www.ostfriesenblog.de/archives/76-Medienkrieg-in-Ost-Friesland.html
119
http://www.boardbook.de/cgi-bin/forenserver/foren/F_1040/cutecast.pl
120
http://www.friiske.de/my.php?sub=16&language=de
38
MASTERARBEIT
3.
Anika Bever
MEDIENZENTRUM
Ein Medienzentrum ist in Deutschland ein inhaltlich besetzter Begriff:
Medienzentrum ist die seit den 1990er Jahren geläufige Bezeichnung
der ehemaligen Bildstellen. Diese haben den Auftrag, Schulen,
Universitäten und weitere Bildungseinrichtungen im weitesten Sinne
mit Medien zu versorgen, Beratungen zum Einsatz von Medien
durchzuführen sowie darüber hinaus medienpädagogische und technische
Weiterbildungen
Herausforderungen
der
durchzuführen.
Neuen
Medien
Gerade
hat
durch
die
sich
das
Aufgabenspektrum der Medienzentren stark erweitert, indem sowohl
Medienkompetenz
und
die
Vermittlung
dieser
als
auch
die
Entwicklung neuer, mediengestützter Unterrichtsformen und auch die
technische Unterstützung von Schulen in Anschaffung und Support
von Medienzentren wahrgenommen werden. Die Bedeutung der
Medienkompetenz kann dabei nicht zu hoch eingeschätzt werden,
sieht
doch
Herzberger-Boss
„Medienkompetenz
[…]
als
4.
Kulturtechnik und […] unbestritten als eine Schlüsselqualifikation in
unserer leistungsorientierten Gesellschaft“121. Die Bedeutung der
medialen Bewahrung und Dokumentation der kommunalen und
regionalen Geschichte wird in den meisten Medienstellen nach wie
vor sehr hoch eingeschätzt.
Medienzentren haben sich, wie oben erwähnt, aus den ehemaligen
Bildstellen entwickelt, sie sind heute überwiegend in staatlicher oder
kommunaler Hand. Eine Ergänzung erfolgt durch kirchliche oder
private Medienzentren, die allerdings teilweise über ein anderes
Selbstverständnis verfügen.
121
Herzberger-Boss, 2004: 2
39
MASTERARBEIT
Anika Bever
Die ursprüngliche Idee zur Einrichtung von Bildstellen war, Lichtbilder
für den Unterricht an Schulen zu sammeln und für Schulen zugänglich
zu machen. Bereits im Mittelalter war die Visualisierung wichtiger
Bestandteil von Unterricht im weitesten Sinne, wobei es sich in dieser
Zeit überwiegend um religiöse Darstellungen handelte. Doch auch
dies
ist
ein
Beleg,
dass
„Visualisierung
im
Unterricht
eine
herausragende Bedeutung hat [und] sich weit zurückverfolgen
[lässt]“122. Die pädagogische Bedeutung der Visualisierung von
Unterrichtsstoffen erkannte auch Jean-Jacques Rousseau, der
gefordert hat „für Erkenntnisprozesse anstelle des Wortes nur noch
sinnlich wahrnehmbare Dinge gelten zu lassen“123.
Durch die technischen Entwicklungen und die neuen Möglichkeiten beispielsweise durch Diaprojektionen - wurde seit Beginn des
20. Jahrhunderts
über
die
Möglichkeiten
von
Bildmaterial
im
Unterricht diskutiert. Durch die Bemühungen von einzelnen Lehrern
wurden Verleihstellen von Bildern gefordert und 1910 die erste dieser
Stellen in Soest umgesetzt. Diese Stelle, gegründet aufgrund der
Initiative
eines
Bezirksregierung
einzelnen
Arnsberg
Pädagogen,
als
wurde
1917
von
der
Lichtbilderhauptstelle
für
die
Jugendpflege im Regierungsbezirk Arnsberg anerkannt.
Zu diesen frühen Aufgaben der reinen Bildarchivierung und bereitstellung kam in den 1920er Jahren das Medium Film als
Verleihform
Erfahrungen
hinzu,
womit
gemacht
im
wurden:
Unterricht
„Etwa
jedoch
1900
schon
schon
früher
soll
der
Universitätsbiologe Pfeffer in Leipzig selbstproduzierte Filme über das
Keimen von Erbsen und Bohnen in Lehrveranstaltungen eingesetzt
haben. Aber erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts war die Entwicklung
122
Starmann, 2000: 7
123
a.a.O.
40
MASTERARBEIT
Anika Bever
soweit fortgeschritten, dass der Film allmählich als Unterrichtsmittel in
Frage kam.“124
Daneben wurde auch die Einweisung für die Pädagogen in die
Technik wichtiger Bestandteil der Arbeit der Bildstellen. Ein
Zentralerlass des Reichsministers für Wissenschaft, Erziehung und
Volksbildung
aus
dem
Jahr
1934
zur
Einführung
einer
flächendeckenden Gründung von Bildstellen hatte auch zur Folge,
dass die Bildstellen unter der Nazi-Diktatur im Zuge der Propaganda
im Schulwesen eine zentrale Bedeutung erlangten. Allerdings waren
hierdurch
auch
die
organisatorischen
Gegebenheiten
der
Weiterentwicklung der Bildstellen nach 1945 mit Schulfernsehen und
Schulfunk sowie Folien und Bildern möglich. Seit den 1980er Jahren
werden analoge Medien wie die seit den 1970er Jahren populären
VHS-Kassetten zunehmend durch digitale Formate auf CD und DVD
und aktuell durch Download-Möglichkeiten über das Internet ersetzt.
Aufgrund der neuen Möglichkeiten der digitalen Verbreitung und auch
der immer preiswerteren Möglichkeiten für Schulen, eigene Medien zu
erwerben und sogar zu produzieren, hat die Bedeutung der
ehemaligen Landesbildstellen in den letzten Jahren abgenommen.
Die Ausstattung der Schulen mit Medien ist überwiegend Aufgabe des
Schulträgers geworden. Demgegenüber steht der zunehmende Erfolg
und die steigende Bedeutung der Medienzentren außerhalb ihrer
traditionellen Aufgaben als „modernes Dienstleistungszentrum für die
Vermittlung
von
Medienkompetenz“125
und
vielen
neuen
und
erweiterten Aufgaben. Neben den klassischen Aufgaben wie die
Versorgung von Schulen oder anderen Bildungseinrichtungen mit
Medien und die Beratung über den Einsatz von Medien erfüllen
Medienzentren heute medienpädagogische
Aufgaben,
verfügen
häufig über eigene Archive oder haben entsprechende Zugänge zu
124
125
a.a.O.
http://www.lwl.org/westfaelischegeschichte/portal/Internet/finde/langDatensatz.php?urlID=7&url_tabelle=tab_insti
tution
41
MASTERARBEIT
Archiven.
Anika Bever
Außerdem
bieten
viele
Medienzentren
neben
den
eigentlichen Medien auch das technische Equipment zum Verleih an.
Gerade auch die rasante Entwicklung der Neuen Medien und die
daraus resultierenden Herausforderungen insbesondere für Schulen
sind
weitere
Aufgabengebiete
beispielsweise
um
der
interaktiven
Medienzentren,
Unterricht
oder
wenn
es
multimediale
Ausbildungselemente geht. Die aktuelle und künftige Bedeutung für
die heutige Informations- und Wissensgesellschaft liegt hier klar auf
der Hand.
Das Landesmedienzentrum Baden-Württemberg hat im März 2003
die Ergebnisse der AG „Fortentwicklung des Medienzentrums“126 mit
Empfehlungen publiziert, welche die Erfordernisse der neuen Medien
und die allgemeinen gesellschaftlichen Entwicklungen hin zur
Wissensgesellschaft berücksichtigt. So definiert schon die Präambel
Medien als „integrative[n] Bestandteil von Freizeit und Kultur“ und
„Multimedia [als] Standort- und Wirtschaftsfaktor“127. Als wichtigste
Herausforderung für die Weiterentwicklung der Medienzentren sieht
die AG ein „bedarfsgerechtes Tableau an Serviceleistungen“,
wodurch die Medienzentren entsprechend der neuen Bedeutung „die
Perspektive
kommunale
Service-
und
Kompetenzzentren
im
Medienbereich aufzubauen, die auch für andere Zielgruppen und in
anderen Zusammenhängen Dienstleistungen anbieten können“128.
Die folgenden fünf Bereiche, die teilweise auch im Konzept
(vergleiche 4) wieder aufgegriffen werden, sind dabei zentral:
126
Empfehlungen zur Fortentwicklung der Medienzentren (2003)
127
a.a.O.: 4
128
a.a.O.: 4
42
MASTERARBEIT
Anika Bever
•
Mediendistribution und Medieninformation
•
Medienpädagogik
•
Medientechnik
•
Regionale Medienproduktion und Archive
•
Medienkulturarbeit und weitere Aufgaben129
Die
genauen
Empfehlungen
der
AG
„Fortentwicklung
der
Medienzentren“ sind in der aus den Empfehlungen übernommen
Synopse in Anhang 13 dargestellt.
Beispiele
für
Medienzentren
mit
verschiedenen
inhaltlichen
Prägungen gibt es viele. Um hier einige Besonderheiten aufzuzeigen,
wurden spezielle Angebote ausgewählt.
Das Medienzentrum Rheinland mit Sitz in Düsseldorf und in
Trägerschaft des Landschaftsverbandes Rheinland veranstaltet ein
jährliches KinderKinoFest, das KiKiFe130. Im Rahmen einer Woche
werden fast 30 ausgewählte Kinderfilme präsentiert. Das KiKiFe steht
sowohl
Schulklassen
Organisationen
und
und
Gruppen
Bildungsträgern
von
als
außerschulischen
auch
Kindern
und
Jugendlichen privat offen. Neben der reinen Filmvorführung werden
diese
„[b]egleitet
[…]
von
einem
bunten
und
vielfältigen
Rahmenprogramm, das Kinder dazu einlädt, aktiv in die Welt des
Filmes einzutauchen“131. Die aktive Medienarbeit mit den Kindern und
Jugendlichen ist von zentraler Bedeutung und macht laut Aussage
der Veranstalter den Erfolg der Veranstaltungsreihe im 24. Jahr aus,
wie auch auf der Internetseite zur Veranstaltung deutlich gemacht
wird:
129
a.a.O.:4
130
http://www.kinderkinofest.de/
131
http://www.kinderkinofest.de/kinderkinofest/
43
MASTERARBEIT
Anika Bever
„Ein Kinobesuch ermöglicht nicht nur unterhaltsame, kurzweilige
und gesellige Freizeitgestaltung – sondern immer auch das
Erschließen der Welt mit Herz und Verstand. Insbesondere Kindern
und Jugendlichen öffnen sich hier Lernwelten, die in der
schulischen und außerschulischen Filmbildungsarbeit gewinn
bringend eingesetzt werden können. Vielfach bieten hochwertige
Kinder- und Jugendfilme Möglichkeiten zur z. B. historischen,
reflektierenden oder ästhetischen Auseinandersetzung, die in
motivierenden Lernprozessen umgesetzt werden kann.“132
Das KiKiFe als medienpädagogische Aufgabe wird unterstützt durch
das Medienzentrum selbst, welches beispielsweise Arbeitsmaterialien
zu den Filmen zur Verfügung stellt und weiterführende Links und
Ansprechpartner nennt.
Ein Beispiel für ein privat geführtes Medienzentrum ist das
„Bürgerhaus Bennohaus“ in Münster: „Durch Ausbau und Vernetzung
der Bereiche Video, Bürgerfernsehen, Radio, Computer, Internet und
Multimedia hat sich das Bennohaus auch als Medienzentrum
etabliert.“
Angeboten
werden
im
Bennohaus
diverse
Medienproduktionen und vielfältige medienpädagogische Initiativen
wie „der Ausbildungs- und Erprobungskanal TV Münster, das
Kinderfernsehen [i:si], das Bürgerradio Studio B, das Medienzentrum
für Senioren und Migranten, der medienpädagogische Projektbereich
des Arbeitskreises Ostviertel (AKO) und die Bildungsstätte im
Bennohaus (BiB)“, wobei der Schwerpunkt auf dem offenen Radio
liegt, welches als Bürgerfunk jedem Interessierten offen steht: „Wer
was zu sagen hat, wer Lust hat, das Mikrofon einmal selbst in die
Hand zu nehmen, der ist in der Radiowerkstatt im Bennohaus am
richtigen Ort.“.133
Die Medienpädagogik im Bennohaus versteht sich als integrierter und
integrierender
132
133
Bestandteil
der
Arbeit
im
Medienzentrum
und
http://www.kinderkinofest.de/aktivemedienarbeit/
http://www.bennohaus.org/content.php?seite=seiten/
medienzentrum_de.php&oph=15
44
MASTERARBEIT
Anika Bever
Bürgerhaus: „Vom Kinderfernsehen bis hin zu europäischen Projekten
bieten
wir
im
Bennohaus
verschiedene
medienpädagogische
Angebote an. Die Angebote stehen für alle Interessierten offen.“134,
wobei auch die Kooperation mit Schulen gesucht wird wie
beispielsweise bei den Medien-AGs.
Es gibt heute diverse und in Art, Ausrichtung und Umfang
unterschiedlichste Ansätze für Medienzentren. Gemein haben diese
die steigende Bedeutung der Vermittlung von Medienkompetenz und
allgemeiner medienpädagogischer Ansätze. Gerade mit der rasanten
Entwicklung
der
Neuen
Medien
haben
sich
viele
dieser
Medienzentren neu und anders aufgestellt und diese Entwicklung als
Chance begriffen. Eine Analyse oder Darstellung von Medienzentren
ist aufgrund dieser Diversifikationen und Homogenitäten in Aufbau,
Organisation und Durchführung der unterschiedlich ausgerichteten
Zentren im Rahmen dieser Arbeit nicht möglich und auch nicht von
essentieller Bedeutung. Stattdessen soll ein allgemeiner Einblick in
Entwicklung und aktuelle Wirklichkeit vorbereitend für das Konzept
verstanden werden, welches im nächsten Kapitel dargestellt wird.
134
a.a.O.
45
MASTERARBEIT
4.
Anika Bever
KONZEPT
Ein Medienzentrum für die Minderheiten in Europa stellt zunächst
eine
progressive
Medienzentrums
dar,
Weiterentwicklung
insbesondere
eines
aufgrund
klassischen
der
spezifischen
Zielgruppe, die eine vergleichsweise sehr starke quantitative und
qualitative Steigerung birgt (siehe Kapitel 2.3). Sind Medienzentren im
Allgemeinen regional ausgerichtet und haben eine spezifische
Entwicklung
hin
zu
ihrer
im
Zeitalter
der
neuen
Medien
weiterentwickelten Aufgabenstruktur (vergleiche 3), so soll das
Medienzentrum für die Minderheiten in Europa zwar eine spezifische
Zielgruppe ansprechen, diese ist jedoch in sich stark heterogen. Es
gibt keine allgemeine regionale Zuordnung; vielmehr ist das
gesamteuropäische Gebiet einzubeziehen,
was
nicht
nur die
Mitgliedsstaaten der EU; sondern auch alle sonstigen auf dem
europäischen Kontinent befindlichen Nationalstaaten einschließt.
Ein Medienzentrum ist, wie unter Punkt 3 thematisiert, eine
organisatorische Größe, die sich aufgrund von technischen und
historischen Entwicklungen ergeben hat. Dementsprechend stellt sich
die Frage, ob man tatsächlich von einem Medienzentrum für die
Minderheiten in Europa sprechen sollte. Grundsätzlich ist von einem
erweiterten Verständnis des Medienzentrums auszugehen. Denkbar
wäre es, ein Kommunikations- oder Informationszentrum, vielleicht
auch
ein
Dokumentationszentrum
für
die
Minderheiten
zu
konzeptionieren und zu verwirklichen. Diese Begrifflichkeiten sind
jedoch in ihrer Bedeutung noch enger besetzt: der Begriff
Kommunikationszentrum
indiziert
zwar
ein
Hauptanliegen
des
Medienzentrums, nämlich die Kommunikation der Minderheiten
untereinander als auch miteinander, jedoch schließt es die Idee der
medialen Präsentation und Vernetzung aus. Ein Informationszentrum
wie auch ein Dokumentationszentrum haben einen musealen
46
MASTERARBEIT
Anika Bever
Charakter als Begriffsbedeutung. Tatsächlich sollte man von einem
erweiterten Verständnis des Begriffes Medienzentrum ausgehen,
welcher
Kommunikation,
Dokumentation
und
Information
mit
einschließt.
Das Medienzentrum für die Minderheiten in Europa muss also mehr
sein, als man sich unter einem Medienzentrum im Allgemeinen
(vergleiche Kapitel 3) vorstellt. Zu Beginn würde der Fokus auf den
Sorben liegen und darauf aufbauend könnten sukzessive weitere
Minderheiten hinzukommen. Insgesamt sollen Minderheiten die
Möglichkeit zu eigenen Medienäußerungen und mehr medialer
Aufmerksamkeit sowie andererseits eine verbesserte Kommunikation
durch neueste Medien online erhalten. Gerade die vielfältigen und
diversen Möglichkeiten des sogenannten Web 2.0 bieten dazu ideale
Möglichkeiten. Insbesondere der Teilbereich des Web 2.0 des Social
Web, wobei die Kommunikation und Interaktion von zentraler
Bedeutung ist. Für Hippner, der synonym für das Social Web von
Social Software spricht, umfasst dieses:
•
„webbasierte Anwendungen,
•
die für Menschen,
•
den Informationsaustausch, den Beziehungsaufbau und die
Kommunikation
•
in einem sozialen Kontext unterstützen.“135
Dadurch entstehen im Umgang mit den Möglichkeiten des Web neue
Formen der Kommunikation und Präsentation. Dabei steht das
Individuum, der einzelne User, im Mittelpunkt. Dieses Individuum
kommuniziert mit anderen, integriert sich in Gruppen. Es herrscht ein
Zustand großer Transparenz und Selbstorganisation. Außerdem
finden
135
durch
Feedbacks
und
anderweitige
Antworten
zitiert nach Ebersbach, Glaser, Heigl, 2008
47
MASTERARBEIT
Anika Bever
Rückkopplungen statt. Nicht einzelne Informationen, sondern die
Verlinkungen und dadurch entstehenden Verknüpfungen stehen im
Zentrum.136 Diese Hintergründe und Features sollen sowohl im
Community-Bereich als auch übertragen beim Erstellen der OnlineAngebote
im
realen
Medienzentrum
genutzt,
eingesetzt
und
verstanden werden.
Durch die Zweiteilung in die beiden Bereiche soll das Zentrum auch
zunehmende Bedeutung im internationalen akademischen und
medialen
Ansehen
erreichen.
Die
schematische
Zeichnung
verdeutlicht die Unterteilung in Online und Offline (vergleiche Anhang
1).
Das Medienzentrum dient in erster Linie als Räumlichkeit zur
Verwirklichung von Kommunikation und Publikation. So soll –
ausgehend
von
den
Sorben
–
ein
großes
Spektrum
an
Medienproduktion und Mediennutzung von und für Angehörige von
Minderheiten entstehen. Im Zentrum sollen Veranstaltungen und
Angebote der Medienbildung und -produktion stattfinden, derweil im
digitalen Bereich die Kommunikationsmöglichkeiten des Internets in
diversen Formen für die verschiedenen Minderheiten zur Verfügung
gestellt werden. Die Ausgestaltung der Online-Aktivitäten soll
beispielsweise in Summerschools und Workshops erfolgen. Dadurch
ergibt
sich
auch
die
Ausrichtung
des
Zentrums
als
Kommunikationsschnittpunkt der Minderheiten und Volksgruppen.
Gerade diese Möglichkeiten der Kommunikation sind teilweise sehr
begrenzt, was von Angehörigen der Minderheiten bezüglich der
Bewahrung von Traditionen und Werte als belastend empfunden wird.
Die Grundidee ist demnach, ein Medienzentrum mit dazugehörigem
Internetportal für die Minderheiten und Volksgruppen in Europa
136
Ebersbach, Glaser, Heigl, 2008: 31 f.
48
MASTERARBEIT
Anika Bever
einzurichten und Teilhabe anzubieten. Dieses wird organisatorisch
von Angehörigen der Minderheiten aufgestellt und ist nicht etwa als
Landesstelle zu sehen. Im Zentrum muss gerade zur Zeit der
Einrichtung der verschiedenen Angebote fachlich versiertes Personal
aus verschiedenen Bereichen anwesend sein: So würde es sich
empfehlen, mit Medienpädagogen und Journalisten zu arbeiten,
ebenso wie mit Web-Entwicklern.
Im
Folgenden
sollen
die
einzelnen
Aufgabenbereiche
des
Medienzentrums dargestellt werden. Zur besseren Verständlichkeit
werden die einzelnen Aufgabenbereiche des Zentrums – in Online
und Offline unterteilt – erläutert, wobei sich einige Schnittmengen
ergeben, auf die im Einzelnen eingegangen wird.
4.1
OFFLINE
Das reale Medienzentrum hat vielschichtige Aufgaben, die sich in drei
Hauptbereiche untergliedern:
•
Medienpädagogik / -bildung
•
Medienproduktion
•
Medienangebot
Im Folgenden werden diese drei Bereiche und die jeweiligen
Aufgaben und Profile genauer dargestellt.
4.1.1
Medienpädagogik
Medienpädagogik als Fachbegriff wird seit den 1960er Jahren genutzt
und seit dieser Zeit ist es schwierig, sich dem Begriff in Form einer
Definition zu nähern. In Anlehnung an Hürther/ Schorb sowie die von
49
MASTERARBEIT
Anika Bever
ihnen genutzte Begriffsbestimmung nach Neubauer/ Tulodziecki
(1979) soll ihre Definition hier genutzt und wiedergegeben werden:
„Medienpädagogik umfasst alle Fragen der pädagogischen
Bedeutung von Medien in den Nutzungsbereichen Freizeit, Bildung
und Beruf. Dort wo Medien als Mittel der Information,
Beeinflussung, Unterhaltung, Unterrichtung und Alltagsorganisation
Relevanz für die Sozialisation des Menschen erlangen, werden sie
zum Gegenstand der Medienpädagogik. Dabei meint die
Sozialisation die Gesamtheit intendierter und nicht intendierter
Einwirkungen auf das Individuum, durch deren kognitive und
emotionale Verarbeitung der Mensch sich in seinem Denken,
Fühlen und Handeln formt. Mediensozialisation wird begriffen als
Prozess der Auseinandersetzung des Einzelnen mit seiner
medialen Umwelt, durch den dieser von ihr geprägt wird, sie aber
ebenso selbst mitprägt. – Gegenstände medienpädagogischer
Theorie und Praxis sind die Medien, ihre Produzenten und Nutzer
im jeweiligen sozialen Kontext. Medienpädagogik untersucht die
Inhalte und Funktionen der Medien, ihre Nutzungsformen sowie
ihre individuellen und gesellschaftlichen Auswirkungen. Sie entwirft
Modelle für die medienpädagogische Arbeit, mit der die Nutzer
über die Kompetenzstufen Wissen und Analysefähigkeit in ihren
speziellen
Lebenswelten
zu
medienbezogenem
und
medienbeziehendem Handeln geführt werden soll.“137
Diese wissenschaftliche Definition des pädagogischen Fachbereiches
ist übertragen auch für die praktische Konzeptionierung des
Medienzentrums von Nutzen, wie sich in den Unterpunkten der
medienpädagogischen Angebote ablesen lässt.
Das Medienzentrum für die Minderheiten wird gerade im Bereich
Medienpädagogik seine zentralen Aufgaben haben – Kommunikation
ist der Kern des Zentrums. Dafür werden verschiedene Bereiche
abgedeckt, die im Folgenden genauer thematisiert werden. Im
Bereich der Medienpädagogik sollen im Medienzentrum diverse
Angebote entwickelt werden. Durch medienpädagogische Ansätze
sollen sowohl die Angehörigen der Minderheiten angesprochen
werden als auch ergänzend Angehörige der Titularnation. Natürlich
137
Hüther/ Schorb, 2004:265
50
MASTERARBEIT
Anika Bever
liegt der Schwerpunkt bei den Minderheiten und hier eben auch ganz
deutlich bei der Generation der Heranwachsenden zur Erhaltung und
Entwicklung der eigenen Sprache und Kultur in der Zukunft.
Inhaltlich soll es insbesondere Workshops, Kurse und Fortbildungen,
gerade auch für Multiplikatoren beispielsweise in Bildungsberufen,
geben.
Daneben
soll
ein
Schwerpunkt
in
der
Kinder-
und
Jugendarbeit liegen.
Außerdem
soll
es
aktive
Medienarbeit
geben:
Bürgerradio,
Videoproduktion, ein regelmäßiges mehrsprachiges Magazin. Zudem
können regelmäßige Veranstaltungen und Projekte die Bekanntheit
des
Medienzentrums
Kommunikationszentrum
erhöhen
gerade
auf
und
dieses
internationaler
als
Ebene
hervorheben. Die aktive Medienarbeit geht davon aus, dass durch
das Handeln im Umgang mit und Gestaltung der Medien verinnerlicht
und gelernt wird.
So lassen sich von der Idee des handelnden Lernens, welche
zurückzuführen ist auf John Deweys (1859 – 1952) ‚Learning by
doing’, in der Medienpädagogik Zielbereiche ableiten, die Schell
formuliert hat:
•
Medien als Mittel der Exploration
•
Medien als Mittel der Herstellung von Öffentlichkeit
•
Medien als Mittel zum örtlich ungebundenen Erfahrungsaustausch
und zur Organisation gemeinsamer Aktivitäten
•
Medien als Mittler der Analyse der Massenkommunikation und
massenmedialer Produkte138
138
vergleiche: Antes, Rothfuß, 2007
51
MASTERARBEIT
Anika Bever
Ein zusätzlich wichtiger Bestandteil im Bereich der Medienpädagogik
sind auch die Förderung des journalistischen Nachwuchses und die
Medienkulturarbeit.
Die
Förderung
des
journalistischen
Nachwuchses
ist
eine
Schlüsselaufgabe des Medienzentrums. Hier empfiehlt sich unter
anderem, durch Summerschools einen internationalen Austausch zu
erreichen. Im Rahmen dieser Treffen soll zum einen ein Workshopund
Kursangebot
stattfinden,
andererseits
auch
eine
Medienproduktion. Besonders im übergreifenden Bereich zu OnlineMedien können hier die Möglichkeiten von Communities thematisiert
und umgesetzt werden.
4.1.1.1
Kinder-/ Jugendarbeit
Kinder werden heute von jüngster Kindheit an mit Medien konfrontiert
und erzogen. Sie wachsen mit Medien auf und leben in einer
Umgebung, in der Medien eine wachsende Bedeutung spielen: „die
Kinder
integrieren
konvergente
Medienangebote
und
Merchandisingprodukte willig in ihren Alltag“139.
Kinder und Jugendliche, die Angehörige einer Minderheit sind, sind
Hauptadressaten der Kinder- und Jugendarbeit des Medienzentrums,
wobei auch eine Ausweitung des Angebotes gerade an Kinder der
gleichen Region durchaus gewünscht ist zur Förderung des
Miteinanders der Kulturen und einem gegenseitigen besseren
Verständnis. Insbesondere sollen im Medienzentrum pädagogische
Angebote stattfinden, bei denen Kinder zum Einen den Umgang mit
Medien lernen und Medienkompetenz vermittelt wird. Daneben liegt
aber der Schwerpunkt auf der Medienproduktion. So sollen
beispielsweise Filmworkshops oder Filmwettbewerbe stattfinden.
139
Hüther/ Schorb, 2004:195
52
MASTERARBEIT
4.1.1.2
Anika Bever
Fortbildungen
Fortbildungen richten sich insbesondere an Multiplikatoren in
Bildungsberufen wie Lehrerinnen und Lehrer oder Erzieherinnen und
Erzieher und andere Akteure der Jugendarbeit. Thematisch müssen
diese Multiplikatoren an Bereiche wie Medienkompetenz und
Mediendidaktik herangeführt werden. Desweiteren sollen Schulungen
und Fortbildungen in allen relevanten Medienformen angeboten
werden, beispielsweise Audioproduktionen oder aktive Videoarbeiten.
Dafür wird ein breit gefächertes Weiterbildungsangebot stattfinden,
welches die theoretischen Themen wie Mediendidaktik oder kommunikation und auch Medienpolitik einschließt, aber auch
praktische
Angebote
wie
Hörspiele
oder
Filmproduktionen,
Podcasting und Trickfilme.
4.1.1.3
Summerschools
Summerschools sollen im Jahresprogramm des Medienzentrums
einen
Schwerpunkt
darstellen.
Insbesondere
sollen
von
Summerschools ältere Schüler und Studenten angesprochen werden.
Das Ziel der Summerschools ist es, internationalen Austausch
einerseits sowie aktive Medienarbeit andererseits zu fördern und zu
begleiten. So sollen während der Summerschools thematisch
angepasste Workshops und Diskussionen sowie Produktionen
stattfinden. Denkbar ist auch die Ausgestaltung des OnlineCommunity-Bereiches für eine spezifische Minderheit während einer
Summerschool.
53
MASTERARBEIT
4.1.1.4
Die
Anika Bever
Journalistischer Nachwuchs
Förderung
des
Medienzentrum
journalistischen
praktisch
durch
Nachwuchses
die
soll
Möglichkeiten
im
der
Medienproduktion umgesetzt werden. Gerade in Kooperation mit
Hochschulen können so Angehörige von Minderheiten im Besonderen
gefördert werden. Auch die Einrichtung eines Volontariats wäre
denkbar, ebenso wie Praktika für Journalismusstudenten.
4.1.1.5
Workshops / Kurse
In Kursen und Workshops sollen Medienkompetenzen vermittelt
werden und die aktive Arbeit mit und für Medien erlernt werden. Dafür
bieten sich die Möglichkeiten des Newsdesk (vergleiche 4.1.2) an, wie
in den vorhergehenden Unterkapiteln erläutert.
4.1.1.6
Schon
Kooperationen mit Hochschulen
beschrieben
Hochschulen
Nachwuchses.
im
wurde
Bereich
Diese
eine
der
sollte
mögliche
Förderung
potenziert
Kooperation
des
mit
journalistischen
werden,
indem
die
Möglichkeiten des modernen Medienzentrums insgesamt an den
Hochschulen eingebracht werden. Hierdurch werden nicht die
Minderheiten direkt angesprochen; stattdessen wird die Bekanntheit
und Akzeptanz der Minderheiten in der Mehrheitsbevölkerung
gestärkt.
54
MASTERARBEIT
4.1.1.7
Anika Bever
Medienkulturarbeit
Medienkulturarbeit für Minderheiten dient besonders der Vermittlung
zwischen den Kulturen und somit der Integration und Transparenz.
Beispiele für Medienkulturarbeit sind Filmreihen wie Open-Air-KinoEvents
im
Sommer
oder
Veranstaltungsreihen
zu
minderheitenspezifischen Themen. Hier sollte gerade die Integration
der Mehrheitsbevölkerung wie auch die Internationalität solcher
Veranstaltungen im Vordergrund stehen. Auch Ausstellungen oder
Theateraufführungen bilden eine Möglichkeit der Medienkulturarbeit
und sollten ebenfalls genutzt werden zur – positiven – Konservierung
des traditionellen Erbes.
4.1.2
Medienproduktion
Traditionell
werden
Medien
entsprechend
ihrer
Gattungen
unterschieden. So gibt es ursprünglich Bücher, Zeitungen und
Zeitschriften sowie andere Print-Medien, außerdem Hörfunk und
Fernsehen. Mit dem Medium Internet haben sich diese Print-Medien
verändert. Es findet eine veränderte Nutzung aber auch eine
angepasste Produktion dieser traditionellen Medien statt. So hat
Arthur Sulzberger, Herausgeber der New York Times sowie der
israelischen Zeitung Haaretz im Jahr 2007 gesagt: “I really don’t know
whether we’ll be printing the Times in five years, and you know what?
I don’t care either”140. Damit spricht sich in Vertretung eine der
bedeutendsten Tageszeitungen der Welt für die digitale Entwicklung
aus. Ähnlich äußert sich auch der Chefredakteur des Guardian, Alan
Rusbridger:
„Was ist riskanter - eine aggressive Strategie der Internetentwicklung
verfolgen oder diese Entwicklung bremsen, in der Hoffnung, die Leser
140
Avriel, 2007
55
MASTERARBEIT
Anika Bever
dadurch zur Printausgabe zurückzuführen? […] Ich vermute, wir
werden aufgrund unserer Entscheidung einige Printleser verlieren;
wahrscheinlich werden es aber kaum mehr sein als die, die wir (und
alle anderen) ohnehin verlieren aufgrund einer sanften Abwanderung
von Print- zu Internetmedien. […] Bis zum nächsten Morgen zu
warten, während andere Internetseiten diese Nachrichten bereits im
Laufe des Tages veröffentlichen, bedeutet, sich dem Risiko der
Belanglosigkeit auszusetzen.“141
Eine
Weiterentwicklung
der
Medienproduktion
vollzieht
sich
insbesondere im Begriff Crossmedia:
„Der Begriff Crossmedia bezeichnet die Kommunikation über mehrere
inhaltlich, gestalterisch und redaktionell verknüpfte Kanäle, die den
Nutzer zielgerichtet über die verschiedenen Medien führt und auf
einen Rückkanal verweist […] Der Begriff Crossmedia wurde
zunächst im Zusammenhang mit Online-Publishing verwendet.
Inzwischen wird es von der Medienwirtschaft als Teilkonzept der
Cross-Channel Konzeption verwendet.“142
Dementsprechend ergibt sich zum aktuellen Zeitpunkt eine gerade
wirtschaftlich schwierige Zeit für die traditionellen Medien, da sich die
Idee des Paid Content nicht verwirklichen ließ. Das Internet als
Konkurrenz zu begreifen ist in dieser Situation zwar verständlich,
jedoch
problematisch.
Stattdessen
setzen
immer
143
Medienproduzenten auf die Möglichkeiten des WWW
mehr
und der
Vernetzung in der Produktion. So entwickelt sich die Idee des
crossmedialen Produzierens. Insbesondere Zeitungen sind Vorreiter,
141
Meier, 2008: 11
142
Corsa, 2007: 9
143
World Wide Web
56
MASTERARBEIT
Anika Bever
was das digitale Newsdesk anbelangt. So bilanziert Klaus Meier: „Die
neue Strategie: „Crossmedia“ = Kreuzen der traditionellen Plattformen
mit neuen digitalen Plattformen wie dem Internet und der mobilen
Kommunikation“.144 So sieht Meier die Hauptaufgabe im Bereich des
crossmedialen Arbeitens in der Organisation der journalistischen und
redaktionellen Arbeit. Daher ist die crossmediale Arbeit in drei Grade
zu unterteilen: koordinierend, kollaborierend, integrierend. Während
sich bei den ersten beiden Graden die traditionellen Arbeitsbereiche
auf die Online-Aufgaben einstellen, besteht bei der integrierten
crossmedialen Arbeit die Hauptidee darin, mehrere Methoden und
Kanäle miteinander in Verbindung zu bringen und die Arbeitsbereiche
zu koppeln.
Ein Beispiel einer solchen crossmedialen Arbeit ist das Newsdesk der
Welt/Morgenpost-Gruppe
in
Berlin145.
Hier
werden
drei
Tageszeitungen, eine Sonntagszeitung sowie die entsprechenden
Online-Ausgaben in einem gemeinsamen Newsroom produziert
(vergleiche Anhang 4).
Entweder am Chef-Balken oder an einem ergänzenden Newsdesk
werden die Ergebnisse und Aufgaben koordiniert und gesteuert,
insbesondere für den Print-Bereich. Dabei ist weiterhin zu beachten,
dass die Arbeit der Journalisten mehrmedial crossmedial ausgerichtet
ist: wer zu einem Außentermin geht, nimmt eine Kamera und/ oder
ein Aufnahmegerät mit. Dadurch ist es möglich, dass er einen TVBericht produziert und einen Audiokommentar, den er entweder im
Radio senden kann oder als Podcast im Netz anbietet. Außerdem
schreibt er einen Bericht für die Print- und/ oder Online-Ausgabe, der
natürlich bebildert ist. Dadurch wir die Arbeit mehrmedial und meist in
themenbezogenen Teams oder auch von einzelnen Journalisten
durchgeführt.
144
Meier, 2008: 3
145
a.a.O.: 15 ff.
57
MASTERARBEIT
Anika Bever
Das Medienzentrum soll ebenfalls ein crossmediales Newsdesk
erhalten. Dies wird das Herz der Medienproduktion des Zentrums
sein,
da
hier
sowohl
die
Medienproduktion
als
auch
die
medienpädagogischen Angebote stattfinden. Hier ist auch eine
wichtige Schnittstelle zwischen Offline und Online – die Produktion
traditioneller wie auch neuer Medien findet hier statt, der Einsatz von
Audio- und Videobeiträgen in verschiedenen Gattungsformen wird
diskutiert. Natürlich wird komplett digital gearbeitet.
4.1.2.1
Online / Multimedia
Der Bereich Online/Multimedia ist der wesentliche Kern der
Produktion, da hier alle Produkte dargestellt werden. Der Aufbau der
Online-Angebote wird im Folgenden genauer erklärt (vergleiche 4.2).
Prinzipiell soll der Workflow im Bereich der Community am Newsdesk
im Rahmen von Summerschools und weiteren Angeboten für
Nachwuchs-Journalisten ausgestaltet werden, wie bereits erläutert
(vergleiche 4.1.1.3 sowie 4.1.1.4).
4.1.2.2
Print / Zeitung
Print / Zeitung als klassische Form des Journalismus ist auch im
Medienzentrum
als
Produktionsbereich
sehr
wichtig.
Dies
ist
insbesondere deshalb der Fall, da hier die klassischen Formen und
Genres des Journalismus präsentiert werden können. Als klassisches
Print-Produkt mit digitalem Mehrwert wird im Medienzentrum ein
Magazin produziert werden (vergleiche 4.1.2.7 sowie 4.2).
Es ist illusorisch, eine eigene und an alle Minderheiten gerichtete
Zeitung
herausbringen
Medienzentrum
zum
medienpädagogische
zu
wollen.
Thema
Angebote
Stattdessen
Zeitung
wird
es
im
insbesondere
geben und Kooperationen mit
58
MASTERARBEIT
Anika Bever
regionalen Zeitungen. So ist es beispielsweise denkbar, dass
regionale Zeitungen bereit zur Zusammenarbeit sind und eine
wöchentliche Rubrik mit einem Minderheiten-Thema verabreden.
4.1.2.3
Audio / Radio
Hiermit ist insbesondere die Produktion von Radio-Beiträgen gemeint.
Diese sollen alsdann im Rahmen von Kooperationen mit regionalen
Radioanstalten
im
Radio
ausgestrahlt
werden.
Für
solche
Kooperationen gibt es bereits Beispiele.146 Anschließend soll es die
Möglichkeit der Weiterverbreitung von Audiobeiträgen im Internet
geben, beispielsweise in Form von Podcasts.
Daneben kann es ein erweitertes Radioangebot für Minderheiten
geben,
welches
ausschließlich
in
Form
von
Online-Radios
ausgestrahlt werden soll. Dies bietet viele Möglichkeiten zu einem
mehrsprachigen Programm verschiedener Minderheiten. Außerdem
ist diese Methode des Radios eine sehr kostengünstige Alternative.
Neben solchen klassischen Radioformaten bieten Hörspiele und
Audioführungen weitere Möglichkeiten, gerade traditionelle Legenden
und ähnliches einem erweiterten Publikum bekannt zu machen und
dieses auch zu erhalten. Durch Audioführungen, ähnlich wie in
Museen, könnten Multimediainstallationen ebenso profitieren wie
klassische Stadtführungen mit anderem Schwerpunkt.
146
Aus seinem Bautzener Studio im Haus der Sorben sendet der MDR
wochentags ein dreistündiges Frühprogramm in obersorbischer Sprache,
sonntags 90 Minuten. Das Fernsehmagazin "Wuhladko", ebenfalls von
sorbischen Rundfunkjournalisten gestaltet, wird im MDR-Landesfunkhaus
Dresden produziert. (http://www.mdr.de/sorbisches-programm/rundfunk/)
59
MASTERARBEIT
Anika Bever
4.1.2.4
Video / TV / Film
Gerade
im
Bereich
Film
bieten
sich
viele
Optionen
der
medienpädagogischen Arbeit an. Allerdings soll am Newsdesk der
Schwerpunkt bei Videos bei Nachrichten und Dokumentationen
liegen. Daneben sind auch andere, kreative Formen willkommen.
Insgesamt
wird
die
Mehrzahl
der
Video-Produktionen
des
Medienzentrums für das Internet aufbereitet und beispielsweise in
Form einer Mediathek dargestellt werden.
In diesem Zusammenhang soll auch auf die Bedeutung des Films als
lebendiges Medium eingegangen werden. Gerade Dokumentationen
vermögen eine emotionale Wirkung auf den Betrachter auszuüben.
Somit wären die Möglichkeiten des Films für die – positive –
Konservierung des Minderheitenerbes zu empfehlen. Filme und
Dokumentationen
können
anschließend
in
gemeinsamen
Produktionen mit anderen Medien in Projekten aufgehen oder
beispielsweise in Form von Medieninstallationen genutzt werden.
4.1.2.5
Der
Fotografie / Bild
Bereich
Zusammenhang
traditionelleren
Fotografie
mit
dem
/
Bild
entspricht
Bereich
Medienverständnis
Print
und
der
insbesondere
/
im
Schreiben
dem
Bebilderung
von
klassischen Artikeln. Daneben soll es jedoch am Newsdesk möglich
sein, Bildbearbeitung und kreative Techniken der Fotografie zu
erlernen, beispielsweise in Workshops.
Neben der digitalen Fotografie sollte im Medienzentrum auch
weiterhin analoges Fotografieren mit seinen vielfältigen individuellen
und künstlerischen Möglichkeiten angeboten werden. Hierfür bietet
sich die Einrichtung eines kleinen Fotolabors an.
60
MASTERARBEIT
4.1.2.6
Anika Bever
Ausstellungen
Ausstellungen sind ein traditionelles Medium, welches nicht in erster
Linie
am
Newsdesk
Medienzentrum
als
produziert
Räumlichkeit
wird.
Prinzipiell
für
soll
Ausstellungen
das
und
Veranstaltungen genutzt werden. Die mediale Begleitung findet intern
über die eigene Medienproduktion statt. Daneben soll es auch
möglich
sein,
Kunsthallen
zu
innovative
Ausstellungskonzepte
verwirklichen.
Hier
sollte
wie
digitale
insbesondere
das
Medienzentrum als Kooperationspartner agieren.
4.1.2.7
Die
Publikation
Publikation
eines
mehrsprachigen
Magazins
mit
dem
thematischen Fokus Minderheiten ist ein späteres Ziel, welches
ebenfalls am Newsdesk produziert werden soll. Inhaltlich soll es auch
die Arbeiten, die im Medienzentrum umgesetzt wurden, aufgreifen.
Daneben soll es eine Online-Version des Magazins geben, welches
erheblichen
Mehrwert
gegenüber
der
Print-Ausgabe
bietet,
beispielsweise durch gesprochene Audio-Artikel, Podcasts, Videos,
und zusätzlichen Angebote wie Kommentar-Funktionen.
4.1.3
Medienangebot
Neben den pädagogischen Angeboten und der Medienproduktion
sollen im Medienzentrum auch klassische Aufgaben erfüllt werden.
Dazu gehören insbesondere Service-Angebote wie der Medien- als
auch der Technik-Verleih. So soll der Verleih Medien verschiedener
61
MASTERARBEIT
Anika Bever
Gattungen insbesondere zur Fort- und Weiterbildung und zur
Vermittlung der minderheitenspezifischen Inhalte als auch zur
Freizeitgestaltung anbieten. Ergänzt wird dieser Service–Bereich
durch entsprechende Beratungsangebote.
4.1.3.1
Medien
Im Medienzentrum stehen traditionelle Medien wie Filme auf DVD,
Hörspiele und andere Audios auf CD sowie Bücher, Zeitschriften und
weitere
Printmedien
beziehungsweise
zum
Verleih,
Lehrerinnen
Bildungseinrichtungen
insbesondere
und
Lehrer
beziehungsweise
für
Schulen
und
andere
Pädagoginnen
und
Pädagogen, aber auch für interessierte Bürger. Daneben stehen
Medien auch zum Download zur Verfügung.
4.1.3.2
Archive
Eine der wichtigsten Funktionen des Medienzentrums ist die
Archivierung. So soll die Möglichkeit bestehen, gegebene Archive zu
digitalisieren. Teile dieser Archive sollen zusätzlich online verfügbar
gemacht und gepflegt werden.
Gerade
durch
die
Bereitstellung
technischer
Möglichkeiten,
traditionelle Archive mit Dias oder Negativen ins digitale Zeitalter zu
überführen, kann das Medienzentrum einen sehr wichtigen Beitrag
zur Traditionserhaltung und Kulturpflege leisten.
62
MASTERARBEIT
4.1.3.3
Anika Bever
Recherche
Es soll möglich sein, im Medienzentrum professionell recherchieren
zu lassen. Dies ist ein Service, der das Medienzentrum einerseits
gegenüber anderen Zentren und gerade gegenüber Bibliotheken an
Profil schärfen soll, andererseits wird dadurch die professionelle und
akademische Herangehensweise unterstrichen.
4.1.3.4
Technik-Verleih
Der Verleih des entsprechenden technischen Equipments ist eine
übliche
Aufgabe
technischen
eines
Medienzentrums.
Grundvoraussetzungen;
um
So
entstehen
Medien
an
die
alle
Interessierten, insbesondere Schulen und andere Bildungsträger, zu
entleihen und nutzbar zu machen.
4.1.3.5
Fachberatungen für Schulen / Pädagogen
Fachberatungen und Schulungen für Pädagogen und andere
Multiplikatoren bilden ebenfalls eine klassische Aufgabe eines
Medienzentrums und sollen im Medienzentrum mit dem Schwerpunkt
auf Minderheiten ebenfalls angeboten werden.
4.2
ONLINE
Die Webpräsenz des Medienzentrums für die Minderheiten in Europa
soll zwei Hauptbereiche haben, die untereinander verlinkt und
anderweitig verknüpft sind. So präsentiert die Einstiegsseite das
Medienzentrum selbst als Institution, mit seinen Aufgaben und der
63
MASTERARBEIT
Anika Bever
Philosophie (vergleiche 3.2.1). Desweiteren wird es einen interaktiven
Portal-Bereich geben (vergleiche 3.2.2). Dieser hat wiederum zwei
Hauptbereiche, nämlich ein Wissensportal (vergleiche 3.2.2.1) als
Informationsplattform
Communitybereich
auf
Basis
(siehe
Kapitel
eines
3.2.2.2)
Wikis
mit
und
dem
Ziel
einen
der
Vernetzung und Kommunikation.
Gestaltung und Funktion verbinden sich in jeder Webpräsenz zu
einem Gesamteindruck: dem Gesicht der Institution, die sich online
vorstellt. Dieses Gesicht vermittelt den eigenen Anspruch mit Blick auf
die Zielgruppe. Dieses Gesicht des Medienzentrums wird dargestellt
auf der Einstiegsseite im Internet. Dabei ist innovatives Design
ebenso eine Selbstverständlichkeit wie eine logische Struktur, die sich
in der Navigation abbildet.
Der Online-Bereich des Medienzentrums besteht aus zwei großen
Einheiten und bildet das Pendant zum realen Medienzentrum.
Der Bereich Online / Multimedia ist sowohl das Herzstück der
medialen Produktion, da hier alle Produkte dargestellt werden, als
auch das weltweit sichtbare Aushängeschild des Medienzentrums.
Darüber hinaus werden mittels der Internetaktivitäten ultimative
Vernetzungsmöglichkeiten geschaffen. Da das Internet wie bereits
dargestellt die Konvergenz aller vorhandenen Medienformen und
zusätzlich Interaktion bietet, kann die Bedeutung der OnlineAktivitäten des Medienzentrums – gerade im Hinblick auf jüngere
Zielgruppen – nicht zu hoch bewertet werden.
Der Aufbau der Online-Angebote wird im Folgenden genauer erklärt.
So soll es beispielsweise eine Online-Version des Magazins geben,
welches erheblichen Mehrwert gegenüber der Print-Ausgabe bietet,
beispielsweise durch gesprochene Audio-Artikel, Podcasts, Videos,
und zusätzlichen Angeboten wie Kommentar-Funktionen.
64
MASTERARBEIT
Anika Bever
Insbesondere der zweite Bereich soll Elemente des Web 2.0 oder
Social Web enthalten, wie schon weiter oben thematisiert. Eine
exakte Definition des häufig zitierten und viel diskutierten Begriffs des
Web 2.0 ist schwierig und sehr komplex. Am ehesten ist die
Beschreibung Tim O’Reillys zutreffend.
„Tim O’Reilly hat mit seiner strukturierten Gegenüberstellung neuer
Internetanwendungen und -technologien, deren Funktionen sowie
der Publikation und Präsentation dieser Erkenntnisse auf der
ersten Web 2.0 Conference im Jahr 2004 eine neue Ära des
Internets eröffnet. Die beschriebenen Funktionen des Web 2.0 sind
nicht alle neu, auch das Web 1.0 kannte Foren, Gästelisten, ASPSoftware-Modelle und Empfehlungsmarketing. Aber zumeist war
die Handhabung umständlicher und das Erscheinungsbild
technisch.“147“
Demnach gibt es eine Reihe von Innovationen, die das Web 2.0
auszeichnet. Technische Voraussetzung ist insbesondere eine hohe
Zugangsgeschwindigkeit sowie offene Programmierungen wie Open
Source Programme, die Reduzierung von Speicher- als auch
Übertragungskosten sowie eine omnipräsente Erscheinung des
Internets im alltäglichen Leben, wie sie heute in vielen Bereichen
vorhanden ist. Daneben gibt es nutzerseitige Voraussetzungen wie
internetaffine und
-erfahrene User sowie mehr Nutzung pro User
und aktiv teilnehmende User. Die verschiedenen Elemente der
Kommunikation und ihre Rolle im Web 2.0 ist dargestellt in einem
Dreiecksmodell (vergleiche Anhang 7).
Denkbar im Sinne einer optimalen Auffindbarkeit aller Angebote ist
eine möglichst eingängige und knapp darstellbare Toplevel-Domain
als „erste Adresse“ zu belegen. Dies kann durchaus ein Akronym
sein, das aus den Anfangsbuchstaben der vollständigen Bezeichnung
des Medienzentrums gebildet wird. Um den übernationalen Anspruch
zu illustrieren sollte eine auf .org oder .net endende, eventuell auch
147
Gehrke, 2007: 91
65
MASTERARBEIT
Anika Bever
auf .eu-Domain genutzt werden. In der Strukturierung der Site
könnten dann wiederum alle ortsgebundenen und offline-Aktivitäten
unter
einer
Sublevel-Domain
unter
der
eigentlichen
Domain
abgebildet werden; Beispielsweise unter http://infoimz.abc.eu.
Im Folgenden werden alle Online-Elemente des Medienzentrums
strukturell beschrieben.
Alle Informations-Seiten des Medienzentrums sollen zumindest in
Englisch und Deutsch dargestellt werden. Wünschenswert wäre es,
zudem
weitere
Sprachen
anzubieten,
insbesondere
die
Landessprachen von Nationen mit hohen Minderheitenanteilen, da
die Angehörigen der Minderheiten ja der Titularsprache fähig sind.
Die Übersetzung in Minderheitensprachen ist der nächste Schritt, der
insbesondere durch Projekte im Medienzentrum wie Summerschools
(vergleiche 4.1.1.3) erarbeitet werden kann.
4.2.1
Dieser
Startseite Medienzentrum
Bereich
ist
das
erste
digitale
Aushängeschild
des
Medienzentrums. Hier sollen in erster Linie Informationen zu den
Aufgaben des Medienzentrums dargestellt und die verschiedenen
Angebote präsentiert werden. Deren detaillierte Inhalte sind an dieser
Stelle nicht gesondert genannt, da sie zum großen Teil von der
zukünftigen Gestaltung abhängen und zum heutigen Zeitpunkt nicht
definiert sind. Sie sollen jedoch als Grundgerüst Informationen zu den
folgenden
Bereichen
umfassen:
66
MASTERARBEIT
Anika Bever
•
Medienpädagogik
•
Medienproduktion
•
Organigramm
•
Impressum
•
Sitemap
•
Karriere / Jobs
4.2.1.1
Informationen zu den Aufgaben des Medienzentrums
An dieser Stelle sollen insbesondere die Aufgaben der verschiedenen
Bereiche präsentiert werden. So können die Hintergründe, Profile und
Ausrichtungen dargestellt werden. Dies funktioniert klassisch über ein
Menü, über welches die einzelnen Bereiche angesteuert werden
können.
4.2.1.2
Angebote
Unter dem Navigationspunkt Angebote sollen die verschiedenen
Aufgabenbereiche
des
insbesondere
auf
soll
Medienzentrums
aktuelle
Termine
dargestellt
und
werden,
Veranstaltungen
hingewiesen werden. So sind alle Informationen schnell und einfach
zugänglich und auffindbar.
4.2.1.2.1 Medienpädagogik
Zum
einen
werden
unter
diesem
Punkt
die
einzelnen
medienpädagogischen Angebote in Form eines Kalenders mit
Suchfunktionalität dargestellt (vergleiche 4.1.1). Außerdem findet an
dieser Stelle die Erläuterung des Profils und des Konzepts der
Medienpädagogik im Medienzentrum statt.
67
MASTERARBEIT
Anika Bever
4.2.1.2.2 Medienproduktion
Hier sollen die vielfältigen Möglichkeiten der Medienproduktionen
dargestellt
werden,
die
im
Medienzentrum
realisierbar
sind
(vergleiche 4.1.2). Denkbar ist auch, das Newsdesk mit seinen
vielfältigen
Produktionsmöglichkeiten
darzustellen
und
konkrete
Beispiele der Produktionen aus den Bereichen Print / Zeitung
(vergleiche 4.1.2.2), Audio / Radio (vergleiche 4.1.2.3), Video / TV /
Film (vergleiche 4.1.2.4), Online / Multimedia (vergleiche 4.1.2.1),
Fotografie / Bild (vergleiche 4.1.2.5), Ausstellung (vergleiche 4.1.2.7)
zu präsentieren.
4.2.1.2.3 Medienangebot
Der
Bereich
Medienangebot
Interessentengruppen
über
das
informiert
die
verschiedenen
vielfältige
Medienangebot
wie
Medien- oder Technikverleih, Archive oder Recherche (vergleiche
4.1.3).
4.2.1.3
Informationen zum Medienzentrum
Der Bereich Informationen zum Medienzentrum soll die Hintergründe
und Entstehungsgeschichte, die Intentionen und Entwicklungen des
Medienzentrums für die Minderheiten in Europa darstellen. Hier kann
außerdem ein Bereich mit Pressemeldungen zum Medienzentrum zu
finden sein.
68
MASTERARBEIT
Anika Bever
4.2.1.3.1 Organigramm
Das Organigramm dient der besseren Verständlichkeit des Aufbaus
und sorgt in diesem Maße auch für eine erhöhte Transparenz der
Aufgabenverteilung.
Das
Organigramm
ist
eine
schematische
Darstellung, die als Diagramm die Abläufe und Zuständigkeiten
darstellt und die Zusammenhänge und den Aufbau verständlicher
machen soll.
4.2.1.3.2 Impressum
Das Impressum ist gesetzlich vorgeschrieben und muss alle
relevanten Informationen im Sinne der rechtlichen Bestimmungen
enthalten.
Nach § 5 Telemediengesetz sind allgemeine Informationspflichten im
Impressum zu erfüllen, wie im Anhang 8 nachzulesen ist.
4.2.1.3.3 Sitemap
Das Sitemap ist eine Art Inhaltsverzeichnis des Internetauftritts,
welches auf die einzelnen Unterseiten verlinkt. Somit dient es der
Navigation und erleichtert das Verständnis des Aufbaus der Seiten.
4.2.1.3.4 Karriere / Jobs
Dieser Bereich dient der Bekanntgabe ausgeschriebener Stellen
sowie der Darstellung von Informationen für Studenten (vergleiche
4.1.1.6) und andere Interessenten für Praktika, ein freiwilliges
Soziales Jahr oder Ähnliches.
69
MASTERARBEIT
4.2.2
Anika Bever
Portal
Das eigentliche Portal mit der Zielgruppe aller europäischen
Minderheiten
wird
sich
mit
der
Balance
aus
gebündelten
Informationen und Interaktionsmöglichkeiten präsentieren. Das Portal
ist mit dem oben beschriebenen Informations- und Wissensbereich
verknüpft.
Das Portal verfügt über zwei Hauptaufgabenbereiche. Zum einen gibt
es einen Informations- und Wissensbereich mit Berichten, Artikeln,
Kartenmaterial und weiteren Quellen mit Angaben und Informationen
zu den Minderheiten. Das Ziel dieses Portals ist außerdem,
Informationen für Interessierte in anschaulicher und attraktiver Weise
zu präsentieren. Außerdem soll es auch einen Service-Charakter
verfolgen, in dem beispielsweise Gesetzestexte und Linksammlungen
für die Angehörigen der Minderheiten bereitgestellt werden. Dieser
Wissensbereich soll im Kern in Form eines Wikis funktionieren. Die
Funktionsweise eines Wikis ist in Form einer schematischen
Darstellung unter Anhang 9 demonstriert.
Außerdem befindet sich im Bereich Portal das Herzstück des
Medienzentrums: die Möglichkeiten des Web 2.0 für die einzelnen
Minderheiten sollen hier verwirklicht werden. So soll es für die
einzelnen Volksgruppen möglich werden, an einer zentralen Stelle
andere Angehörige ihrer Volksgruppe zu treffen und sich in Foren
oder Wikis und Social Networks auszutauschen.
4.2.2.1
Wissen Minderheiten
Der erste Hauptbereich hat den Titel Wissen und ist aufgeteilt in
diverse Unterrubriken. Hier sollen die häufig disparaten und
ungebündelten Informationen, die in den einzelnen Gemeinschaften
der Minderheiten verstreut sind, an einer zentralen Stelle präsentiert
70
MASTERARBEIT
Anika Bever
werden. Innovation würde sich durch die Anwendung einer Google
Search Appliance anbieten, denn damit ließe sich die Indexierung
unter dem Fokus ausgewählter Domains und Quellen sowie
gegebenenfalls spezifischer Stichwörter hoch optimieren.
Eine effiziente Form zur Organisation und Wissensaggregierung
moderner Projekte im Sozial- und Informationstechnologie-Umfeld ist
das sogenannte Wiki. Im Wesentlichen bietet diese Technologie alle
Aspekte einer interaktiven Enzyklopädie sowie die eines Forums.
Diese Methode soll für das Wissensportal eingesetzt werden.
Aufgrund der Selbstkontrollmechanismen der digitalen Gemeinschaft
und der Möglichkeit der Weiterentwicklung von Artikeln ist dadurch
ein hoher Wissensstand zu erzielen: „Wikis fokussieren auf die
kollaborative Erstellung von Texten. Ziel der Community ist es, Inhalte
gemeinsam zu schreiben. Dabei steht die Sache im Mittelpunkt, der
einzelne Autor ist kaum erkennbar.“148 Eine schematische Darstellung
eines Wikis ist unter Anhang 9 zu finden.
4.2.2.1.1 Aktuelles
Für ein lebendiges Portal ist diese Rubrik unerlässlich. Hier sollten wie der Name schon erkennen lässt - vor allem Neuigkeiten aus allen
Bereichen, die thematisch passend sind, angezeigt werden.
4.2.2.1.2 Kooperationen
An dieser Stelle sollte aus Gründen der Benutzerfreundlichkeit eine
Übersicht über bestehende Kooperationen, aber auch Informationen
über die Möglichkeiten und Prozesse für künftige Kooperationen
abgebildet werden. Wie unter OFFLINE (vergleiche 4.1) erwähnt,
148
Ebersbach, Glaser, Heigl, 2008: 33
71
MASTERARBEIT
sollen
Kooperationen
Anika Bever
unter
anderem
mit
Hochschulen
und
insbesondere mit Journalismus-Lehrstühlen eingegangen werden.
4.2.2.1.3 Links
Ebenfalls aus Gründen hoher Usability sollte ein Navigationspunkt für
„Links“ existieren. Eventuell könnten sich hier auch mehrere
thematisch verschiedene und aus dem Wiki generierte Listen
befinden.
4.2.2.1.4 Newsletter
Für Nachhaltigkeit und Beliebtheit sind ein oder mehrere Newsletter,
die periodisch an die eingetragenen Abonnenten oder die Mitglieder
der Online Community verschickt werden, ideal. Dabei kann der Inhalt
durchaus aus wiederverwerteten Inhalten der Site bestehen. Auch
Inhalte der anderen Medienprodukte des Medienzentrums können
hier verwendet werden, um insgesamt die Newsletter aktuell,
interessant und ansprechend zu gestalten und so eine hohe
Bindungswirkung seitens der User zu erreichen.
4.2.2.2
Community
Die vielfältigen Möglichkeiten moderner Open Source Community
Software wie zum Beispiel Drupal149 sind zahlreich und werden
ständig weiterentwickelt. Welche Aspekte im Einzelnen im gegebenen
Kontext sinnvoll und nutzbar wären, würde sich in einem Workshop
beziehungsweise in einer Detailkonzeption zeigen, und könnte nach
149
Überblick http://www.drupalcenter.de/showroom/latest
72
MASTERARBEIT
Anika Bever
einer Testphase bei Bedarf weiterentwickelt werden. Deshalb sollen
hier die klassischen Funktionen einer solchen Community nur
umrissen werden. Selbstverständlich sind alle Funktionen auch
kombinatorisch nutzbar, zum Beispiel ein Blog, kombiniert mit
angegliedertem Forum und Chat.
4.2.2.2.1 Persönlicher Bereich
User sollen sich im Community-Bereich ein eigenes Profil anlegen
können, ähnlich wie in anderen Social Networks. Dieses Profil ist
sozusagen
Ausweis
und
Eintrittskarte
für
die
verschiedenen
innovativen und interagierenden Web 2.0-Angebote der Website.
Dieses Profil ist für angemeldete User sichtbar, Kommunikation ist
auch außerhalb der halböffentlichen Bereiche von Foren und Chats
über Nachrichten möglich.
4.2.2.2.2 Foren
Die klassische Forenfunktion bietet die Möglichkeit dialoghaft zu
diskutieren und dabei eine hierarchische Abbildung der einzelnen
Diskussionen und ihrer Verläufe in einer Baumstruktur oder flach
darzustellen. Sinnvoll und im Sinne des Presserechts und auch der
Verantwortung
der
Betreiber
ist
dabei
die
Moderation
der
Diskussionsplattform und ein Set an ethischen Verhaltensregeln, um
allzu hitzige und abwegige beziehungsweise themenfremde Debatten
zu verhindern.
73
MASTERARBEIT
Anika Bever
4.2.2.2.3 Blogs
Für die aktivsten oder exklusivsten Contributoren der Community
bietet sich die individuelle Publikationsebene des Blogs an. Hier
können beliebig viele und thematisch verschiedene Editionen
geschaffen werden. Ebenso lassen sich klassisch journalistische
Genres wie Reportagen, Berichte, oder Interviews im Blog abbilden.
Zur Definition von Blogs ist wichtig zu wissen, dass „Blogs […]
persönliche gefärbte Journale [sind.] Sie werden meistens von
Einzelpersonen geführt und haben häufig tagesaktuelle Themen zum
Gegenstand. Die Gemeinschaft entsteht durch die Vernetzung der
einzelnen Blogs.“150 Die Erklärung mehrerer untereinander vernetzter
Blogs ist schematisch dargestellt unter Anhang 9.
4.2.2.2.4 Social Networks und Social Sharing
Zum Zwecke des Rankings beziehungsweise der Bewertung
entsprechender Beiträge sollte optional die Möglichkeit gegeben sein,
unter jedem Inhalt sowohl eine interne Einschätzung abzugeben als
auch durch die Vernetzung mittels der Empfehlung an und in anderen
Netzwerken zu wirken. Ein Beispiel der Social Networks in
verschiedenen Spielarten ist in den Möglichkeiten bei Spiegel Online
(vergleiche Anhang 6) dargestellt.
Zu den definitorischen Hintergründen von Social Networks und Social
Sharing sollte man wissen, dass „Social-Network-Dienste […] dem
Aufbau und der Pflege von Beziehungsnetzwerken [dienen]. Es gibt
viele verschiedene Plattformen, die sich an spezifische Gruppen wie
Studenten oder Geschäftsleute richten“, wohingegen „Social Sharing,
gelegentlich auch als objektzentrierte Software tituliert [wird], [und]
bezeichnet eine Gruppe von Anwendungen, die sich mit der
150
Ebersbach, Glaser, Heigl, 2008: 33
74
MASTERARBEIT
Anika Bever
Bereitstellung und dem Tausch von digitalen Inhalten beschäftigen.
Das können beispielsweise Videos, Bilder oder Bookmarks sein.“151
Social-Network-Dienste
und
Social-Sharing
ist
schematisch
dargestellt unter Anhang 11 und 12.
4.2.2.2.5 Chat / „digitaler Stammtisch“
Die
Interaktionsform
des
Chats
ist
ebenfalls
eine
wichtige
Basisfunktion im Communitybereich. Dabei ist ebenso wie beim
Forum gegebenenfalls eine Moderation zu empfehlen. Vor allem
ereignisbezogen kann ein Chat große Bedeutung erlangen und in
dokumentierter Form (Chat-Protokoll) auch nachhaltig für Interesse
von Seiten der User sorgen.
151
Ebersbach, Glaser, Heigl, 2008: 33
75
MASTERARBEIT
5.
Ziel
Anika Bever
FAZIT
dieser
Arbeit
war
es,
ein
fundiertes
Konzept
für
ein
Medienzentrum für die Minderheiten in Europa zu entwickeln.
Die Einstiegsfrage dieser Arbeit war demnach, wie ein solches
Medienzentrum für die spezifische Zielgruppe der Minderheiten
gestaltet werden kann und welche Erfordernisse zu beachten sind.
Dafür wurden die spezifischen Bedürfnisse anhand der aktuellen
Situation und der geschichtlichen Entwicklung der Minderheiten
analysiert. Beispielhaft wurden die beiden Minderheiten der Friesen
und der Sorben und insbesondere deren Auftreten im Internet und die
Nutzung der Neuen Medien und Möglichkeiten des Web 2.0
untersucht
und
dargestellt.
Diese
Untersuchung
zeigte,
wie
unterschiedlich – und teilweise dilettantisch – diese Möglichkeiten
genutzt werden. So gibt es neben quantitativen vor allem auch
qualitative Unterschiede. Problematisch ist vor allem, dass es keine
zentral gesammelten Informationen und Übersichten über die
Nutzung der Neuen Medien durch diese Minderheiten gibt. Daher
gestaltete sich die Recherche in diesem Bereich als komplex und
vielschichtig – nicht zuletzt auch bedingt durch die sorbische und
friesische Sprache.
Wie in der Einleitung erwähnt und unter Punkt 2 ausführlich
beschrieben, stellen die Minderheiten in Europa eine nicht zu
unterschätzende
quantitative
Größe
von
einem
Siebtel
der
Gesamtbevölkerung des geographischen Europa dar. Der Teil
„Minderheiten“ hat sich dem Thema der Volksgruppenproblematik von
historischer und terminologischer Sichtweise genähert und es wurde
insbesondere auf die damit eng verbundene Idee der Nation
eingegangen.
Durch
dieses
Konstrukt
entwickelte
sich
die
Problematik der Minderheiten innerhalb der Nationalstaaten in
76
MASTERARBEIT
Anika Bever
Europa. Akut wurde diese gerade seit der politischen Wende mit dem
Ende des Ost-West-Konfliktes und dem Zusammenbruch der Idee
des Vielvölkerstaates der Sowjetunion. In Deutschland gibt es vier
anerkannte Minderheiten, wovon die Sorben und die Friesen genauer
betrachtet wurden. Dabei wurde die historische Entwicklung dieser
Volksgruppen
kulturellen
thematisiert
Wurzeln
umfassenden
Analyse
sowie
betrachtet.
folgte
auch
Auf
eine
ihre
der
traditionellen
Grundlage
Betrachtung
des
und
dieser
medialen
Verhaltens dieser beiden Gruppen im Internet. Wert wurde hier
insbesondere darauf gelegt, ob und in welchem Umfang die
kommunikativen Möglichkeiten des Web 2.0 genutzt werden. Im
Ergebnis zeigte sich, dass es durchaus Aktivitäten wie Blogs oder
Foren gibt. Auffällig war jedoch insbesondere die schwierige
Recherche: daraus schließend ist eine gemeinsame Anlaufstelle, ein
zentral aufgebautes aber dezentral organisiertes Medienzentrum mit
entsprechendem Community-Bereich sowie einem angegliederten
Wissensportal eine Möglichkeit, die schon vorhandenen Angebote zu
integrieren und weitere zu schaffen. Die Erkenntnisse der Analyse der
Online-Aktivitäten
der
Minderheiten
legen
nahe,
dass
ein
Medienzentrum - und insbesondere die zentralen Online-Angebote
als Alternative oder mindestens als Ergänzung der eigenen Initiativen
- ein wichtiger und entscheidender Impuls für die Angehörigen der
Minderheiten für die Pflege, Erhaltung und Weiterentwicklung ihrer
Kulturen und Sprachen ist.
Im Teil „Medienzentrum“ wurde zum einen die historische Entwicklung
der ehemaligen Bildstellen beleuchtet, die heute von Medienzentren
abgelöst wurden. Außerdem wurden die diversen Möglichkeiten der
Neuen Medien und die Auswirkungen dieser Entwicklungen auf die
Aufgaben und die Profile eines Medienzentrums thematisiert. An
Beispielen wurden die heterogenen Profile von Medienzentren
verdeutlicht. Insbesondere aufgrund der neuen Herausforderungen
erschließen sich auch erweiterte medienpädagogische Aufgaben wie
77
MASTERARBEIT
Anika Bever
beispielsweise die Förderung der Medienkompetenz. Dies ist eine
wichtige Forderung, die an die neuen Medienzentren gerichtet wird.
Auf diese beiden Teile aufbauend wurde anschließend ein Konzept
für das Medienzentrum für die Minderheiten in Europa erstellt. Dabei
ergaben sich einige Probleme aufgrund der spezifischen Ausrichtung
auf eine definierte Zielgruppe – die Minderheiten in Europa – und der
Anforderungen der Integration der traditionellen sowie der Neuen
Medien. Diese Anforderungen in Betracht ziehend wurde ein Konzept
erstellt, welches in zwei Hauptbereiche sowohl bei der Planung und
Organisation und anschließend in der täglichen Arbeit unterteilt ist:
Online und Offline. Der Aspekt „Online“ zeigt dabei die Hauptanliegen
der Web-Präsenz des neuen Medienzentrums, welche zum einen die
Darstellung der Ziele und Elemente des Medienzentrums beinhaltet.
Zum anderen sollen im Online-Bereich zwei weitere große Aufgaben
erfüllt werden: Information und Kommunikation. Für die Information
soll ein Portal auf Wiki-Basis mit relevanten Informationen für und von
den Minderheiten entstehen. Daneben soll für die Kommunikation
eine Community mit vielen verschiedenen Möglichkeiten des Web 2.0
umgesetzt werden, wie Foren, Blogs, Chats, Social Networks oder
Social Sharing. Unter dem Schlagwort „Offline“ wurden die drei
Bereiche Medienpädagogik, Medienproduktion und Medienangebot
angesprochen und dargestellt. Das reale Medienzentrum soll sich
zum Kommunikationszentrum für die Angehörigen der Minderheiten
entwickeln.
Diese Masterarbeit hat damit unter einer zentralen Fragestellung zwei
wesentliche
Aspekte
thematisiert:
die
Minderheiten
und
das
Medienzentrum. Diese beiden Bereiche wurden mit verschiedenen
Schwerpunkten dargestellt als Basis für die Aufgabe dieser Arbeit, die
Erstellung einer fundierten Konzeptionierung für ein Medienzentrum
für die Minderheiten in Europa. Die Erarbeitung eines solchen
Konzeptes – besonders vor dem Hintergrund einer aktuell real
geplanten Umsetzung – war eine interessante Aufgabe und
78
MASTERARBEIT
Anika Bever
Herausforderung, die andere Probleme als erwartet bereithielt, wie
beispielsweise die erschwerte Recherche und schlechte Literaturlage.
Zusammenfassend hat sich durch die Analyse zum einen der
bestehenden Aktivitäten der Sorben und Friesen im Internet als auch
der Ergebnisse der Recherche im Bereich des Medienzentrums
ergeben, dass ein Medienzentrum für die spezifische Zielgruppe der
Minderheiten
durch
die
Integration
der
beiden
Teile
des
Medienzentrums, Online und Offline, eine gute Alternative und
Ergänzung zu der aktuellen Situation ist. Tatsächlich ergeben sich
ausgehend
von
einem
Medienzentrum
diverse
interessante
Möglichkeiten der Kommunikation und Vernetzung der Angehörigen
der Minderheiten.
Diese Möglichkeiten können - unter Würdigung aller bekannten
Schwierigkeiten
zum
Erhalt
Minderheitenkulturen in
und
Europa
zur
und
Weiterentwicklung
gerade
im
der
Hinblick auf
nachwachsende Generationen – einen Schlüssel zur Erhaltung
kultureller Vielfalt im Europa der Zukunft bilden.
Zum aktuellen Zeitpunkt steht als aufbauender Arbeitsschritt die
Diskussion der Ergebnisse an, um darauf aufbauend genauere
Kriterien für die Umsetzung des Medienzentrums festzulegen. Die
Weiterentwicklung
Entscheidungen
des
im
Voraussetzung.
Konzeptes
Rahmen
Daraus
der
entsprechend
Umsetzung
ergeben
sich
der
ist
weiteren
dafür
auch
die
die
Anschlussfragestellungen, die zum einen konkret das Medienzentrum
betreffen und sowohl Details als auch die allgemeine Formulierung
des Feinkonzeptes betreffen. Zudem wäre weiterhin zu untersuchen,
wie
ein
solches
Medienzentrum
die
Anforderungen
der
verschiedensten Minderheiten ganz konkret bezüglich ihrer medialen
Präsentation und Vernetzung erfüllt. Dies sind die Anschlussfragen
und weiteren Aufgaben, die nicht im Rahmen dieser Arbeit behandelt
werden.
79
6.
ANHANG
6.1
Anhang 1:
Schematische Darstellung
6.2
Anhang 2: Diagramm
Die
Mehrheits-
und
Minderheitensprachen
Europas
mit
Sprecherqualität152
90 Sprachen
Mehrheitssprachen
Minderheitensprachen
6 ausschließliche Nationalsprachen
8%
31 Nationalsprachen
Verbreitung auf
„eigenem“
Staatsgebiet
Extraterritoriale
Verbreitung
81 %
6%
89 % der Sprecher
11 % der Sprecher
100 %
152
Pan/ Pfeil, 2000: 35
53 staatslose
Sprachen
5%
MASTERARBEIT
6.3
Anika Bever
Anhang 3: Sorbisches Siedlungsgebiet
153
153
http://www.mdr.de/sorbisches-programm/rundfunk/1913590.html
82
MASTERARBEIT
6.4
Anika Bever
Anhang 4: Friesisches Siedlungsgebiet
154
154
http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/f/f5/Friesengebiet.png
83
MASTERARBEIT
6.5
Anika Bever
Anhang 5: Newsdesk
155
155
Meier, 2008: 16
84
MASTERARBEIT
6.6
Anika Bever
Anhang 6: Social Networks
156
156
www.spiegel.de
85
MASTERARBEIT
6.7
Anika Bever
Anhang 7: Dreiecksmodell157
Kollaboration
KOMMUNIKATION
Wikis
Blog
Social Sharing
Social Networks
Information
Beziehungspflege
157
in Anlehnung an: Ebersbach, Glaser, Heigl, 2008: 35
86
MASTERARBEIT
6.8
Anika Bever
Anhang 8: § 5 Telemediengesetz
§ 5 Allgemeine Informationspflichten158
(1) Diensteanbieter haben für geschäftsmäßige, in der Regel gegen
Entgelt angebotene Telemedien folgende Informationen leicht
erkennbar, unmittelbar erreichbar und ständig verfügbar zu halten:
1. den Namen und die Anschrift, unter der sie niedergelassen sind,
bei juristischen Personen zusätzlich die Rechtsform, den
Vertretungsberechtigten und, sofern Angaben über das Kapital der
Gesellschaft gemacht werden, das Stamm- oder Grundkapital sowie,
wenn nicht alle in Geld zu leistenden Einlagen eingezahlt sind, der
Gesamtbetrag der ausstehenden Einlagen,
2. Angaben, die eine schnelle elektronische Kontaktaufnahme und
unmittelbare Kommunikation mit ihnen ermöglichen, einschließlich der
Adresse der elektronischen Post,
3. soweit der Dienst im Rahmen einer Tätigkeit angeboten oder
erbracht wird, die der behördlichen Zulassung bedarf, Angaben zur
zuständigen Aufsichtsbehörde,
4. das Handelsregister, Vereinsregister, Partnerschaftsregister oder
Genossenschaftsregister, in das sie eingetragen sind, und die
entsprechende Registernummer,
5. soweit der Dienst in Ausübung eines Berufs im Sinne von Artikel 1
Buchstabe d der Richtlinie 89/48/EWG des Rates vom 21. Dezember
1988 über eine allgemeine Regelung zur Anerkennung der
Hochschuldiplome, die eine mindestens dreijährige Berufsausbildung
abschließen (ABl. EG Nr. L 19 S. 16), oder im Sinne von Artikel 1
Buchstabe f der Richtlinie 92/51/EWG des Rates vom 18. Juni 1992
über eine zweite allgemeine Regelung zur Anerkennung beruflicher
Befähigungsnachweise in Ergänzung zur Richtlinie 89/48/EWG (ABl.
EG Nr. L 209 S. 25, 1995 Nr. L 17 S. 20), zuletzt geändert durch die
Richtlinie 97/38/EG der Kommission vom 20. Juni 1997 (ABl. EG Nr.
L 184 S. 31), angeboten oder erbracht wird, Angaben über
a) die Kammer, welcher die Diensteanbieter angehören,
b) die gesetzliche Berufsbezeichnung und den Staat, in dem die
Berufsbezeichnung verliehen worden ist,
c) die Bezeichnung der berufsrechtlichen Regelungen und dazu, wie
diese zugänglich sind,
158
http://www.gesetze-im-internet.de/tmg/__5.html
87
MASTERARBEIT
Anika Bever
6. in Fällen, in denen sie eine Umsatzsteueridentifikationsnummer
nach § 27a des Umsatzsteuergesetzes oder eine WirtschaftsIdentifikationsnummer nach § 139c der Abgabenordnung besitzen,
die Angabe dieser Nummer,
7. bei Aktiengesellschaften, Kommanditgesellschaften auf Aktien und
Gesellschaften mit beschränkter Haftung, die sich in Abwicklung oder
Liquidation befinden, die Angabe hierüber.
(2) Weitergehende Informationspflichten nach anderen
Rechtsvorschriften bleiben unberührt.
88
MASTERARBEIT
6.9
159
Anika Bever
Anhang 9: Schematische Darstellung eines Wikis159
Ebersbach, Glaser, Heigl, 2008: 36
89
MASTERARBEIT
6.10
Anhang
Anika Bever
10
Schematische
Darstellung
mehrerer
untereinander vernetzter Blogs160
160
Ebersbach, Glaser, Heigl, 2008: 57
90
MASTERARBEIT
6.11
Anika Bever
Anhang 11: Schematische Struktur der Social-Network-
Dienste161
161
Ebersbach, Glaser, Heigl, 2008: 80
91
MASTERARBEIT
Anika Bever
6.12 Anhang 12: Schematische Struktur der Social Sharing162
162
Ebersbach, Glaser, Heigl, 2008: 100
92
MASTERARBEIT
6.13
Anika Bever
Anhang 13: Aufgabenbereiche von Medienzentren
(Synopse)
163
163
Empfehlungen zur Fortentwicklung der Medienzentren (2003)
93
MASTERARBEIT
7.
Anika Bever
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Bundesministerium
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Justiz:
§
5
Telemediengesetz:
http://www.gesetze-im-internet.de/tmg/__5.html (16.09.2009, 21:30)
94
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Anika Bever
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Online.
VL
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Übung.
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http://www.drupalcenter.de/showroom/latest
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Ebersbach, Anja; Glaser, Markus, Heigl, Richard (2008): Social Web.
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Westfälische
Geschichte:
http://www.lwl.org/westfaelischegeschichte/portal/Internet/finde/langDatensatz.php?urlID=7&url_tabell
e=tab_institution (11.09.2009, 12:30)
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MASTERARBEIT
Kinderkinofest
Anika Bever
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Ludwig, Klemens (1995): Die Ethnischen Minderheiten in Europa- Ein
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Medienzentrum
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http://www.lmzbw.de/fileadmin/user_upload/Medienzentren/fortentwicklungmedienzentren-20-11-03-Pruefung.pdf (04.09.2009, 15:00)
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