Patrick Süskind, DAS PARFUM
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Patrick Süskind, DAS PARFUM
Stefanie Gröber <stefanie.groeber@gmx.at> Patrick Süskind, DAS PARFUM Geschichte eines Mörders Patrick Süskind wurde 1949 in Ambach am Starnberger See geboren. Sein Vater Wilhelm Emanuel Süskind war Schriftsteller, Übersetzer und langjähriger Mitarbeiter der Süddeutschen Zeitung. Süskind studierte in München und Frankreich Geschichte, arbeitete dann aber wie sein Vater als freier Schriftsteller. Süskinds Prosastücke werden millionenfach gelesen, etliche Drehbücher sind verfilmt worden. Er lebt in München, Paris und Südfrankreich und gehört unzweifelhaft zu den bekanntesten Autoren der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur. Über sein eigentliches Leben weiß die Öffentlichkeit allerdings recht wenig. Er entzieht sich der Medienmaschinerie und ihren Talkshows, Interviews und Fototerminen. Mehrere ihm angediente Literaturpreise hat er abgelehnt. Seine Erfolge beginnen 1981 mit der Aufführung des Ein-Personenstückes "Der Kontrabaß", er arbeitet auch bei der Erstellung von Drehbüchern für zwei erfolgreiche Fernsehserien "Monaco Franze" und "Kir Royal" mit. Die Lobeshymnen der Kritiker überschlagen sich beim Erscheinen des Romans "Das Parfum" im Jahre 1985. Die "Geschichte eines Mörders" wird zum Sensationserfolg, und Marcel Reich-Ranicki feiert Süskind mit den Worten: "Also das gibt es immer noch und schon wieder: Einen deutschen Schriftsteller, der des Deutschen mächtig ist; einen zeitgenössischen Erzähler, der dennoch erzählen kann; einen Romancier, der uns nicht mit dem Spiegelbild unseres Bauchnabels belästigt; einen jungen Autor, der trotzdem kein Langweiler ist". Zwei Jahre später veröffentlicht Süskind "Die Taube", und im Jahre 1991 erscheint "Die Geschichte von Herrn Sommer". Süskinds Einzelgängerwesen leben alle in eigentümlich isolierten Räumlichkeiten; der Kontrabaßspieler in einem schallisolierten Raum, der Wachmann Noel aus "Die Taube" in einer winzigen Mansarde. Grenouille lebt sieben Jahre in einer Höhle unter der Erde, in der er nicht einmal ausgestreckt liegen kann. Der Ich-Erzähler aus der "Geschichte von Herrn Sommer" verbringt einen großen Teil seines Lebens auf Bäumen, abgehoben von den anderen Menschen. Und Sommer ist immer auf Wanderschaft, denn er hat zwar ein Heim, aber kein Zuhause. Süskinds Roman "Das Parfum - Geschichte eines Mörders" führt uns in die Epoche der Aufklärung, also in die Epoche in der die Emanzipation des Bürgertums stattfindet. Im Bereich der Wissenschaften und der Religion, der Gesellschaft, der Politik und der Wirtschaft werden alte Strukturen aufgebrochen und durch neue ersetzt. Normen und Werte werden relativiert, in diesem Buch wird am Ende sogar ein Mörder vergöttert, die Konsequenzen der Aufklärung haben Irritationen hervorgerufen. In dieser Zeit entwickeln sich die Lehre von den Riechstoffen sowie die Lehre von den Gerüchen. Gestank und Krankheit werden gleichgesetzt. Neben dem Kampf der Hygieniker, der zur Errichtung von Sickergruben und Kanalisation, organisierter Straßenreinigung und geregelter Abfallbeseitigung führt, beginnen sich die Hygieniker auch gegen Körpergeruch zu wenden. Der Siegeszug des Parfums beginnt. Die Hauptfigur des Romans erlernt den Beruf des Parfumeurs und schließt die Ausbildung mit einem Gesellenbrief ab. Bedeutende Abschnitte des Lebens der Hauptfigur spielen in der Welt der Parfumeure und der Parfumherstellung. Inhaltsangabe: Jean-Babtiste Grenouille wird am 17.7.1738 in Paris, dem allerstinkendsten Ort des Königreichs Frankreich, am Verkaufsstand seiner Mutter, einer ledigen Fischhändlerin geboren. Grenouille ist mit einem besonders hochentwickelten Geruchssinn ausgestattet, hat aber keinen Eigengeruch. Der Versuch der Mutter Grenouille wie schon ihre Stefanie Gröber <stefanie.groeber@gmx.at> anderen Kinder zuvor sterben zu lassen scheitert und sie wird wegen mehrfachen Mordes hingerichtet. Das Kind wird von Amts wegen in die Obhut einer Amme gegeben. Doch die Ammen ekeln sich vor dem Kind ohne Eigengeruch, und haben Angst, es sei der Teufel. So kommt Grenouille zu einer gefühllosen Frau ohne Geruchssinn. Mordanschläge seiner Mitzöglinge, die ihn aufgrund seines Äußeren und seiner Zurückgezogenheit hassen, übersteht er ebenso wie Krankheiten und Unglücksfälle. Er lernt nur unzureichend die menschliche Sprache, beginnt aber damit seine Umgebung geruchlich zu erfassen und die gesammelten Gerüche in seinem Gedächtnis zu speichern. Als Grenouille acht Jahre alt ist wird er an den Gerber Grimal verkauft, bei dem er unter unmenschlichen Bedingungen hausen und arbeiten muß. Er übersteht die tödliche Krankheit Milzbrand, arbeitet tüchtig und in seiner kargen Freizeit erfaßt er ganz Paris olfaktorisch. Im September des Jahres 1753 steigt ihm ein besonderer Geruch in die Nase. Er kommt von einem jungen Mädchen. Grenouille bringt das Mädchen um und saugt dessen Geruch aus. Dank diesem ist er in der Lage all seine Gerüche im Gedächtnis zu ordnen. Er erkennt seine Bestimmung und hat zum Ziel der größte Parfumeur aller Zeiten zu werden. Moralische Skrupel wegen der Ermordung des Mädchens hat er nicht. Ein Auftrag führt ihn zum Parfumeur Baldini, der sein schlecht gehendes Geschäft aufgeben möchte. Grenouille demonstriert ihm wie er Gerüche erkennt und Düfte kreiert, und so ändert der begeisterte Baldini seine Pläne und kauft Grimal Grenouille ab. Während Grenouille nun Unmengen von Düften für Baldini produziert, lernt er die Sprache der Parfumeure und die Techniken. Baldini ist nun der erfolgreichste Parfumeur von ganz Frankreich. Doch als es Grenouille nicht gelingt bestimmten Stoffen ihre Düfte zu rauben, wird er sterbenskrank.(...Leseprobe S. 130...) Erst als Baldini ihm Grasse als Ort mit den besten Techniken der Duftgewinnung nennt, bessert sich Grenouilles Zustand. Er bricht nach Grasse auf, doch dort ist ihm der Menschengeruch so zuwider, dass er sich zum menschenfeindlichsten Ort Frankreichs zurückzieht. Er lebt dort sieben Jahre von Moos, Wasser und kleinen Tieren. Er träumt von sich als göttlichem Weltenerzeuger und betrinkt sich in Rauschzuständen an seinen gesammelten Geruchserinnerungen wie an Wein. Als er seinen Eigengeruch nicht erkennt, verläßt Grenouille die Höhle. Verwildert gelangt er zum Marquis de la Taillade-Espinasse, der ihn als lebenden Beweis für die von ihm entwickelte Theorie vom "fluidum letale" betrachtet. Er unterzieht Grenouille einer Kur, läßt ihn herausputzen und führt ihn vor eine Gelehrtenversammlung als Demonstrationsobjekt. Grenouille gelingt es einen Menschengeruch zu mischen, dessen Wirkung er erfolgreich erprobt. Zum ersten Mal wird er von den Menschen akzeptiert. Er faßt den Entschluß, Menschen zu beherrschen und sie durch ein Parfum dazu zu bringen, ihn zu lieben. Von Montepellier aus zieht Grenouille nach Grasse. Er spürt einen faszinierenden Geruch, welcher von einem Mädchen ausgeht. Doch er tötet das Mädchen diesmal nicht, sondern gibt sich zwei Jahre Zeit, um zu warten, bis sich der Geruch voll entfaltet hat. In dieser Zeit stellt er fest, mit welcher Methode man lebenden Wesen den Geruch am besten nehmen kann und stellt mit den unterschiedlichsten Methoden verschiedene Eigengerüche her, die er in unterschiedlichen sozialen Situationen verwendet. Von der Angst gepackt, den Duft des Mädchens einmal verlieren zu müssen, entschließt sich Grenouille den Duft des Mädchens als kostbaren Edelstein in ein Diadem einzubauen. Die Basis dafür sollen ihm 24 weitere Mädchen liefern, die er tötet, um deren Duft zu ernten. Die Bevölkerung ist aufgrund der Morde verängstigt, doch die Unruhe nimmt ein Ende, als nach einem Bittgottesdienst die Morde aufhören. Nur der Vater des Mädchens, Antoine Richis, durchschaut das System der Morde, wenn auch nicht das Motiv, und bringt seine Tochter Laure aus der Stadt um sie zu verheiraten und damit für den Mörder wertlos zu machen. Grenouille folgt ihnen, bringt Laure in einem Gasthauszimmer um und enfleuriert sie. Stefanie Gröber <stefanie.groeber@gmx.at> (....Leseprobe S. 274-6, 279-80...) Grenouille kehrt nach Grasse zurück, doch die Polizei verhaftet ihn. Er gesteht die Taten, verschweigt aber trotz Folter seine Motive. Als er am Tag der Hinrichtung vor die Menschen geht - sein Parfum hat er fertiggestellt und sich mit einigen Tropfen beträufelt - glaubt niemand mehr, dass er der Mörder sein könne. Alle Menschen lieben ihn plötzlich, und die geplante Hinrichtung entwickelt sich zu einer Massenorgie. Doch Grenouille wehrt sich gegen den Triumph und möchte den Widerhall des Hasses spüren. Dies vereitelt aber sein Parfum. Als auch noch Antoine Richis Grenouille umarmt, anstatt ihn endlich zu töten, fällt Grenouille in eine Ohnmacht. Er erwacht in Laures Bett, und Antoine Richis bitte ihn sein Adoptivsohn zu werden. Grenouille verläßt Grasse und kehrt nach Paris zurück, zur Stätte seiner Geburt. Er übergießt sich mit seinem Parfum, und erscheint den Dieben und Mördern dort wie ein Engel. In einem kannibalistischen Akt stürzen sie sich auf Grenouille. Zerhacken ihn auf dreißig Teile und fressen ihn auf. Grenouille ist vom Erdboden verschwunden. Die Kannibalen jedoch haben "zum ersten Mal etwas aus Liebe getan". Grenouille: Das Monster, der Mörder, der Zeck. Der Protagonist des Romans ist mit Merkmalen, Verhaltensweisen und Eigenschaften ausgestattet, die für mindestens zehn Figuren aus einem Horrorkabinett gereicht hätten. Er scheint mit Nüstern zu sehen, seine Augen sind keine Menschenaugen, sondern von "unbestimmter Farbe, zwischen austern-grau und opal-weiß-cremig, von einer Art schleimigen Schleier überzogen und offenbar noch nicht sehr gut zum Sehen geeignet", so Pater Terrier über das Kind. Mit seinen animalischen Instinkten durchstreift Grenouille die Stadt. Auf seinem Weg nach Grasse wandert er oft bei Nacht, weil ihn das Sehen mit den Augen schmerzt. Wenn der Untertitel des Romans "Die Geschichte eines Mörders" lautet, so werden durch diese sachliche Information Erwartungen geweckt. Die Leser begleiten den 26-fachen Mörder auf seinem Weg, und man hegt sogar aufgrund seines "Täter- und zugleich OpferStellung" sogar Sympathie für Grenouille. Außerdem sind seine Morde nicht brutal, sie erinnern eher an stille Feiern und sind frei von jeglichem sexuellen Aspekt, wenngleich die Erotik im Buch eine Rolle spielt. Grenouille wird, um sein Äußeres und seinen Charakter zu beschreiben, immer wieder mit Tieren verglichen, die eher negativ besetzte Assoziationen wecken. Er wird als Kröte, schwarze Spinne bezeichnet und als schlangenhaft charakterisiert. Der Vergleich mit dem Zeck dominiert jedoch. Die Leser erfahren, dass ein Zeck häßlich, grau, klein, einsam, stumm, taub, stur, bockig, zäh und unansehnlich ist. Dass das Leben Grenouilles dem einer Zecke gleicht, wird ebenfalls verdeutlicht, und zwar an der Stelle, an der Grimal seinem Gerbergehilfen einige Freiheiten zusteht: "Die Zeit des Überwinterns war vorbei. Der Zeck Grenouille regte sich wieder. Er witterte Morgenluft. Die Jagdlust packte ihn". Baldini: Baldini ist ein Kritiker der Aufklärung und verabscheut es in die Zukunft zu blicken. Er sieht die Ursache seines bevorstehenden wirtschaftlichen und sozialen Untergangs im "hemmungslosen Tatendrang" und der "Experimentiersucht" des neuen Zeitalters. Die wirtschaftlichen Entwicklungen sind für ihn ein Wahnsinn. Er steht Veränderungen ablehnend gegenüber, weil er nicht fähig ist sich mit zu verändern. Marquis de la Taillade-Espinasse: der Marquis ist im Gegensatz zu Baldini weltoffener, gebildeter und zukunftsorientiert. Er hat sich einen gewissen Ruhm in wirtschaftlichen Kreisen erworben, u.a. mit aberwitzigen Theorien, doch zu seinem Durchbruch fehlt ihm noch ein schlagkräftiger Beweis hinsichtlich seiner Theorie vom "fluidum letale". Der Marquis ist naiv, und Grenouille treibt sein Spiel mit ihm. Richis: Antoine Richis ist die Verkörperung des reichen Handels- und KaufmannsBürgertum. Er verfügt über einen wachen Geist und eine gehörige Portion Menschenverstand. Doch der Versuch Richis' seinen Verstand zu gebrauchen endet in einem Desaster, denn die Vernunft muß vor der Verführungskraft des Parfums kapitulieren. Stefanie Gröber <stefanie.groeber@gmx.at> "Das Parfum" ist ein Roman. Im Roman wird nicht wie in einer Novelle ein einzelnes Gipfelerlebnis dargestellt, sondern ein breiter Lebensausschnitt oder das gesamte Leben einer oder mehrerer Personen. Süskinds Sprache ist musikalisch angelegt. Die Hauptfigur erfaßt die Umwelt nahezu nur olfaktorisch, deshalb stammen die dominanten Wortfelder aus den Bereichen Duft und Gestank. Seine besondere Aufmerksamkeit schenkt der Autor der genaueren Beschreibungen des Parfumeurwesens und der Parfumherstellung. Zur Beschreibung dienen auch immer wieder Vergleiche wie "der Schweiß des Mädchens aus Paris riecht frisch wie der Meereswind, ihr Haar süß wie Nussöl" und Kontraste á la "frisch, aber nicht reißerisch" oder "blumig, ohne schmalzig zu sein". Der traditionelle Erzählstil ist eingängig. Eine Geschichte wird, unter nahezu vollständigem Verzicht auf die Elemente moderner Romane wie Montage, Rück-Vorblenden, Perspektivenwechsel, innerer Monologe u.a. erzählt. Ein auktorialer Erzähler nimmt die Leser bei der Hand und führt sie in die Welt seiner Charaktere und in die stinkende und duftende Welt des 18. Jhrdt. in Frankreich ("Zu der Zeit, von der wir reden, herrschte in den Städten ein für uns moderne Menschen kaum vorstellbarer Gestank"). Andere Stilmittel sind Aufzählungen, wie z.B. "Ahornholz, Eichenholz, Kiefernholz, Ulmenholz, ...", oder die Verwendung von Superlativen ("Paris ist der allerstinkendste Ort", "das größte Geruchsrevier der Welt"). Süskind spielt auch mit Wiederholungen, so kommt zum Beispiel im zweiten Abschnitt des ersten Kapitals gar 17 mal das Verb "stinken" vor. Süskinds monströser Mörder hat etliche literarische Vorbilder: Hugos Quasimodo, der Glöckner von Notre-Dame, mit dem Grenouille sein Äußeres teilt; Chamissos Peter Schlemihl hat keinen Schatten, Süskinds Grenouille keinen Eigengeruch; E.T.A. Hoffmanns Goldschmied Cardillac sieht in der Nacht, während sich Grenouille durch die Nacht riecht; der Froschkönig läßt sich ebenso als Ahn erkennen wie der gute Zwerg Nase. Im Buch erscheinen verschiedene Motive wie das des Kindermordes, der unglücklichen Liebe, sowie das religiöse Motiv des Schöpfungsaktes und mehrere philosophische Bezüge.