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312 Originalarbeit: Die gesundheitliche Relevanz von Innenraumbelastungen – Die Bedeutung von Gerüchen Berufsgenossenschaft Handel und Warendistribution, Mannheim Die gesundheitliche Relevanz von Innenraumbelastungen – Die Bedeutung von Gerüchen Stefan Mayer S. Mayer: Die gesundheitliche Relevanz von Innenraumbelastungen – Die Bedeutung von Gerüchen. Zbl Arbeitsmed 63 (2013) 312–323 Schlüsselwörter: Innenraumbelastungen, VOC, Schimmelpilze, Geruch Zusammenfassung: Die Zahl der Meldungen über gesundheitliche Beschwerden in Innenräumen nimmt seit Jahren zu. Die Meldungen umfassen ein sehr breites Spektrum an gesundheitlichen Beschwerden der Atemwege, der Augen, der Haut sowie neurologische und konstitutionelle Symptome. Gemeinsam ist diesen gesundheitlichen Beschwerden die unspezifische Genese. Als Ursache wird von den Betroffenen in der Regel eine Schadstoffbelastung der Luft angenommen. Im Vordergrund der Forschungstätigkeiten stehen zum einen flüchtige organische Kohlenwasserstoffverbindungen (VOC) und zum anderen Schimmelpilze bzw. deren Sporen und Stoffwechselprodukte. Kausale Zusammenhänge zwischen den vorkommenden Konzentrationen an VOC oder Schimmelpilzen und den gesundheitlichen Beschwerden konnten bislang nicht ermittelt werden. Nicht geklärt ist zum Beispiel die Frage, warum Beschäftigte in Innenräumen über gesundheitliche Beschwerden klagen, obwohl die Belastungen der Luft in der Regel im Bereich der Hintergrundbelastung bzw. im Bereich von Referenzwerten liegen. Offen ist auch, warum nicht alle gleichermaßen exponierten Beschäftigten über Beschwerden klagen und die Symptome unterschiedlich sind, warum Frauen häufiger betroffen sind als Männer und warum Beschäftigte in Fällen von verdecktem Schimmelpilzbefall über gesundheitliche Beschwerden berichten, obwohl keine direkte Exposition besteht. Ein nahezu durchgängiges Merkmal von Innenräumen, aus denen gesundheitliche Belastungen gemeldet werden, ist das Vorhandensein von unangenehmen Gerüchen. Nach bisherigem Erkenntnisstand ist es unwahrscheinlich, dass Gerüche in Innenräumen gesundheitliche Beschwerden im Sinne von toxikologischen oder physiologischen Veränderungen auslösen. Aufgrund von Besonderheiten des Geruchssinns hat dieser einen ungefilterten Zugang zu den Zentren für Emotionen und Ängste. Unangenehme Gerüche, die häufig als Indikator für eine Schadstoffbelastung gewertet werden, können über die Induktion von Besorgnis und Angst Stressreaktionen auslösen, die zu den typischen Beschwerdebildern aus belasteten Innenräumen führen können. Auch die o.g. Besonderheiten von Innenraumbelastungen können über die Wahrnehmung von Gerüchen und deren Wirkungen erklärt werden. Die teilweise unsachliche Berichterstattung in den Medien über mögliche gesundheitliche Effekte trägt wahrscheinlich mit zum Entstehen von Verunsicherung und Ängsten bei. Relevance of indoor air pollutants — Significance of odors S. Mayer: Relevance of indoor air pollutants — Significance of odors. Zbl Arbeitsmed 63 (2013) 312–323 Key words: Indoor air pollution, VOC, mould, odour Summary: Since years the incidence of adverse health outcomes in indoor environments is still increasing. The reported health outcomes comprise a broad spectrum including irritation of eyes, airways and skin as well as neurological and constitutional symptoms. Common to the reported symptoms is the non specific genesis. The affected individuals suppose usually an indoor air pollution as the cause for their illness. Research has focused mainly on volatile organic hydrocarbon compounds (VOC) and moulds and their metabolites. However, a causal relationship was not found yet. Additionally some open questions remain. Why get individuals sick although concentrations of VOC or moulds or their metabolites are usually at the background level? Why dot all exposed individuals get sick and complain about the same symptoms? Why complain more women than men? Why get individuals sick in cases of hidden mould and no direct exposure exists? A common feature of complaints about indoor air pollution is the report of unpleasant odors. According to the actual knowledge it is unlikely that odors in indoor environments themselves elicit illness in the sense of toxicological or physiological effect. Anschrift des Autors: Dr. rer. nat. Stefan Mayer Berufsgenossenschaft Handel und Warendistribution ■ 68145 Mannheim ■ S.Mayer@bghw.de Zbl Arbeitsmed 63 (2013) 312–323 Due to some specific features odors have a direct access to the centers of emotions like anxiety. Unpleasant odors are usually taken as evidence for air pollution and can stimulate worry and anxiety to get sick. Via this route unpleasant odors can induce stress reactions which are to a large part identical with those reported for indoor environments. The perception of odors offers also answers to the mentioned open questions. The way how the indoor air pollution is covered by the mass media can contribute to the increasing incidence of adverse health outcomes in indoor environments. Hintergrund Seit einigen Jahren nimmt die Zahl der Die beobachteten gesundheitlichen teln, Farben, Mobiliar, Pestizide in Verdachtsmeldungen auf Vorliegen einer Beschwerden umfassen in der Regel unTeppichen, CO2, Ozon, Radon etc. Berufskrankheit aus Innenräumen bzw. spezifische Symptome, die 1983 von der • Stoffe biogenen Ursprungs wie Schimmelpilze und Bakterien oder Büroräumen zu. Die gesundheitlichen WHO unter dem Begriff des Sick Builderen Stoffwechselprodukte wie flüchBeschwerden, die angeführt werden, ding Syndroms zusammengefasst wurtige organische Kohlenwasserstoffumfassen in der Regel Symptome wie den. Bezogen auf ein betroffenes Geverbindungen mikrobiellen Ursprungs Kopfschmerzen, Hautausschlag, bren- bäude ist von einem Sick Building Syn(MVOC) etc. nende Augen oder Atemwegsreizungen. drom auszugehen, wenn 10–20 % der Als Ursache wird von den Betroffenen Beschäftigten über unspezifische Symp- • Weitere Faktoren wie Lärm, künstliche Lüftung, Temperaturen, fehlende in der Regel eine Belastung der Luft tome klagen und die Beschwerden nach Ergonomie, unzureichende Beleuchdurch Gefahrstoffe oder biologische dem Verlassen des Gebäudes abklingen. tung, Zeitdruck, Konflikte etc. Arbeitsstoffe vermutet. Ermittlungen vor Die Gesundheitssymptome lassen sich Ort und Analysen der Raumluft hinsicht- in die folgenden sieben Kategorien einVon den Betroffenen wird in der Regel lich der Belastung durch Schimmelpilze teilen: oder durch flüchtige organische Kohlen- – Irritationen der Augen, Nase und eine chemische oder biologische Belastung der Luft als Ursache vermutet. Diewasserstoffverbindungen (VOC) haben Rachen bislang nur selten klare Anhaltspunkte – Trockene, juckende Haut, Hautaus- se sollen im Vordergrund des vorliegenden Beitrags stehen. für eine gesundheitsrelevante Belastung schläge der Luft erbracht. Die Konzentrationen – Neurologische Symptome wie Kopflagen meistens im Bereich der Innenschmerzen, Schwindel, Konzentrati- Chemische Belastungen der Luft Die Zuordnung unspezifischer gesundraumarbeitsplatz-Referenzwerte (Hahn onsdefizite et al. 2011). In den Fällen, in denen eine – Konstitutionelle Symptome wie ge- heitlicher Beschwerden zu einer vermuteten Schadstoffbelastung der Luft hat Schimmelpilzbelastung bestand, lagen neralisierte Schwäche, Müdigkeit die Schimmelpilzkonzentrationen in der – Heiserkeit, pfeifende Atmung, Kurz- in den vergangenen Jahrzehnten zugenommen (Hodgson 2002). Bei der ErRegel im Bereich der Hintergrundbelasatmigkeit, Husten tung und auch die Zusammensetzung – Erhöhte Häufigkeit von Atemwegs- forschung der Ursachen standen und stehen die VOC im Vordergrund, von der Schimmelpilzarten wies in der Regel infekten keine Auffälligkeiten auf. – Irritation des Geruchs- und Ge- denen in Innenräumen eine große Zahl an verschiedenen Verbindungen auftreDie Anfänge des Sick Building Synschmackssinns ten kann. Kostiainen et al. (1995) identidroms liegen in den 70er Jahren. Damals kam es zu Veränderungen in der ArchiAllen Symptomen gemeinsam ist die fizierten mehr als 200 Verbindungen tektur und der Gestaltung von Arbeits- unspezifische Ätiologie bzw. die Tat- sowohl in Gebäuden mit als auch ohne plätzen. Charakteristische Merkmale sache, dass sie durch eine Vielzahl von gesundheitliche Beschwerden bei Beschäftigten. Häufige Stoffgruppen sind waren die Einrichtung von Großraum- Ursachen ausgelöst werden können. büros, künstliche Raumlüftung, die VerDie Suche nach Ursachen wird da- Alkane, Aldehyde, Alkohole, Ketone, wendung neuer Baumaterialien und in- durch verkompliziert, dass die meisten Ester, Terpene, Sesquiterpene, Alkyldustriell gefertigter Büroeinrichtung. Symptome nicht oder nur schwer objek- benzene und chlorierte aliphatische Ein für diese Zeit typisches Problem war tivierbar sind und ausschließlich auf Kohlenwasserstoffe. Die Konzentration das Ausgasen von Formaldehyd aus subjektiven Angaben beruhen. Beispiels- und Zusammensetzung der VOC in InPressspanplatten. Weitere Entwicklun- weise können Juckreiz, Kratzen im Hals nenräumen unterliegt ständigen Vergen, insbesondere der letzten Jahre, sind oder Kopfschmerzen nicht direkt ge- änderungen hinsichtlich der Konzentrationen und der Zusammensetzung die zunehmende Abdichtung der Gebäude messen werden. und Dämmungsmaßnahmen, um die Die möglichen Ursachen sind sehr (Weschler et al. 2009, Hahn et al., 2011). Heizkosten zu senken. Parallel zu diesen vielfältig und lassen sich grob in drei Während Formaldehyd in den 70er und 80er Jahren häufig in erhöhten Konzenbaulichen Veränderungen stieg die Zahl Kategorien einteilen: der gesundheitlichen Beschwerden in • Chemische Stoffe in der Luft wie trationen anzutreffen war, stellt dies derInnenräumen an. VOC aus Teppichen, Reinigungsmit- zeit eine Ausnahme dar. 313 314 Original article: Relevance of indoor air pollutants — Significance of odors Das Spektrum der gesundheitlichen Effekte, die durch VOC ausgelöst werden können, ist sehr breit. Entsprechend der Einstufung nach Gefahrstoffrecht reichen diese von gesundheitsschädlich (z.B. Toluol, Stryrol, Trichlorethan), reizend (z.B. 1-Pentanol, Hexanal, Nonanal), sensibilisierend (z.B. Limonene, Naphtalene, -Pinen), giftig (z.B. Phenol, n-Hexadecan) bis zu krebsauslösend (z.B. Formaldehyd). Ergebnisse epidemiologischer Untersuchungen deuten auf eine Assoziation zwischen dem Auftreten von VOC in erhöhten Konzentrationen und dem Auftreten von Allergien bei Kindern hin. In der Liss-Studie mit 2563 Kindern wurde zwischen dem Vorkommen von erhöhten VOC-Konzentrationen und einem medizinisch gesicherten Ekzem und allergischen Symptomen ein Odds ratio von 1,9 (95 % CI: 1,4 – 2,7) bzw. 1,8 (95 % CI: 1,3 – 2,6) festgestellt (Herbarth et al. 2006). Gyntelberg et al. (1994) beobachteten eine signifikante Korrelation zwischen der Gesamtkonzentration an VOC (TVOC) im sedimentierten Staub und dem Auftreten von Konzentrationsdefiziten (Korrelationskoeffizient r = 0,85) sowie Kopfschmerzen (Korrelationskoeffizient r = 0,72). Die Bestimmung von TVOC-Konzentrationen wurde teilweise als Indikator für Innenraumluftqualität empfohlen. Die alleinige Bestimmung von TVOC wird aber auch kritisch gesehen, da spezifische Substanzen möglicherweise bereits bei niedrigen Konzentrationen eine Gesundheitsgefahr darstellen können aber bei der Betrachtung der Gesamtkonzentration aufgrund von niedrigen Einzelkonzentrationen nicht ins Gewicht fallen (Feltens et al., 2010). Die gesundheitlichen Effekte, die bei einer VOC-Exposition beobachtet werden, differieren in Abhängigkeit der untersuchten VOC, der Dauer und Häufigkeit der Exposition, den untersuchten Endpunkten und individuellen Prädispositionen wie Asthma oder Atopie. Informationen, welche Luftschadstoffe für welche Symptome verantwortlich sind, und wie der zugrunde liegende physiologische Prozess aussehen soll, sind nur selten verfügbar. Ein aktuell diskutierter Wirkmechanismus besteht im Auslösen von oxidativem Stress durch VOC, der wiederum lokale und systemische Entzündungsprozesse auslöst, die ihrerseits eine erhöhte Suszeptibilität gegenüber verschiedenen Stoffen und Allergenen bewirkt, die dann zu den Gesundheitseffekten führen (Lu et al., 2007, Feltens et al., 2010, Mörbt et al., 2011). Inwieweit diese Prozesse, die unter In-vitro Bedingungen untersucht wurden, in der Praxis relevant sind, ist bislang nicht geklärt. Ein anderer Wirkmechanismus wird in der chemischen Reaktion verschiedener Stoffe zu neuen Stoffen mit stark reizenden Eigenschaften vermutet. Solche Reaktionen könnten beispielsweise durch Ozon katalysiert werden (Wolkoff et al., 2006). Ein kausaler Zusammenhang zwischen einer Exposition gegenüber VOC in dem in belasteten Innenräumen typischen Konzentrationsbereich und den beobachteten gesundheitlichen Beschwerden ließ sich bislang nicht feststellen. Ursachen hierfür sind beispielsweise sehr kurze Expositionszeiten in Untersuchungen an Probanden. Bei epidemiologischen Studien wurde teilweise eine Diskrepanz zwischen den subjektiven Angaben zur Schwere der Beschwerden und den Ergebnissen medizinischer Untersuchungen beobachtet (Hodgson, 2002). Die Konzentrationen an VOC und anderen luftgetragenen Schadstoffen, die in Innenräumen in der Regel vorliegen, sind in der Regel gering bis sehr gering und liegen teilweise um den Faktor 100 bis 10.000 unterhalb der Arbeitsplatzgrenzwerte (Kostiainen 1995, Wolkoff 2005). Warum dennoch in Innenräumen die oben genannten Symptome auftreten, ist unklar, zumindest im Hinblick auf die Wirkung von VOC und anderen Luftschadstoffen (Wolkoff und Nielsen, 2001). Wenn die niedrigen VOC-Konzentrationen an Innenraumarbeitsplätzen tatsächlich für die gesundheitlichen Beschwerden verantwortlich wären, müssten dann nicht an industriellen Arbeitsplätzen mit erheblich höherer Belastung mehr und vor allem gravierendere gesundheitliche Wirkungen auftreten? Neben VOC werden auch andere luftgetragene Schadstoffe als Auslöser für die Sick Building Problematik diskutiert. Hierzu zählen beispielsweise VOCs mit einer geringeren Flüchtigkeit, Staub, CO2, NO2, Ozon und andere. Einen Überblick über mögliche Wirkungen geben die Übersichtsarbeiten von Jones (1999), Bernstein et al. (2008) und Norbäck (2009). Wie bei den VOCs treten diese Schadstoffe in der Regel nur in sehr geringen Konzentrationen und weit unterhalb von Arbeitsplatzgrenzwerten auf, weshalb sich auch hier die Frage stellt, weshalb es bei diesen niedrigen Konzentrationen zu gesundheitlichen Beschwerden kommt. Biologische Belastungen der Luft In den Fällen, in denen Feuchtigkeit in Innenräumen auftritt, kann es zum Wachstum von Schimmelpilzen und Bakterien kommen. Damit kann eine Exposition gegenüber Sporen, Myzel- und Zellfragmenten, Zellwandbestandteilen wie Endotoxinen oder -Glukanen und mikrobiellen Metaboliten verbunden sein. Voraussetzung für mikrobielles Wachstum ist Feuchtigkeit. Seppänen und Kurnitzki (2009) gehen nach Auswertung verschiedener Studien davon aus, dass in 20 bis 65 % der Gebäude Feuchtigkeit vorkommt. Mudarri und Fisk (2007) führten mehrere Untersuchungen in den USA durch und ermittelten eine Prävalenzrate für das Auftreten Feuchtigkeit von ca. 50 %. Douwes kommt in einem Review für die WHO zu dem Schluss, dass Feuchtigkeit in ca. 10 bis 50 % der Gebäude in wohlhabenden Ländern vorkommt. Die weitestgehend übereinstimmende Häufigkeit zeigt, dass Feuchtigkeit und die Gefahr von mikrobiellem Wachstum weit verbreitet sind. Schimmelpilze und einige Bakterien, insbesondere Aktinomyzeten, weisen ein sensibilisierendes Potenzial auf. Von Zellwandbestandteilen wie Endotoxinen und -Glukanen können reizende Wirkungen ausgehen, unter anderem auf die Schleimhäute der Atemwege. Zu den mikrobiellen Metaboliten zählen eine Vielzahl von unterschiedlichen Stoffen, von denen viele leicht flüchtig sind und einen charakteristischen Geruch aufweisen und die als VOC mikrobiellen Ursprungs bezeichnet werden (MVOC). Zbl Arbeitsmed 63 (2013) 312–323 Im Vordergrund der Forschung zu den allergischer Rhinitis belegen (Bush möglichen gesundheitlichen Wirkungen et al., 2006). mikrobieller Innenraumbelastungen steBemerkenswerterweise wird teilweise hen Atemwegsbeschwerden. Auf der zwischen der Wirkung von Feuchtigkeit Grundlage einer Vielzahl von Studien und der Wirkung von Schimmelpilzen liegen mittlerweile ausreichende Hin- differenziert. Die Metastudie des Instiweise für eine Assoziation zwischen tutes für Medizin der Nationalakademie dem Vorkommen von Feuchtigkeit und der Wissenschaft der USA ergab HinSchimmelpilzen und verschiedenen Atem- weise auf eine Assoziation zwischen wegsbeschwerden vor (Tab. 1). Feuchtigkeit und Atemnot sowie dem Trotz der intensiven Forschung fehlen Auftreten von Asthma, wohingegen für aber auch bei den biologischen Belas- Schimmelpilze diese Assoziation nicht tungen der Innenraumluft Belege für bzw. nur in abgeschwächter Ausprägung einen kausalen Zusammenhang zwi- festgestellt wurde (Institute of Medicischen Feuchtigkeit und Schimmel und ne, 2004). den gesundheitlichen Beschwerden. Dies Neurologische und konstitutionelle gilt auch für die häufig genannten aller- gesundheitliche Symptome wie Kopfgischen Symptome. Die Amerikanische schmerzen, Konzentrationsdefizite und Gesellschaft für Allergologie, Asthma generalisierte Müdigkeit als mögliche und Immunologie geht in ihrem Posi- Folgen von Feuchtigkeit und Schimmeltionspapier zu gesundheitlichen Beein- pilzen stehen im Vergleich zu den Atemträchtigungen durch Schimmelpilzexpo- wegsbeschwerden nur selten im Fokus sition davon aus, dass keine Belege der Forschung zur Bedeutung biologivorliegen, die einen kausalen Zusam- scher Arbeitsstoffe im Innenraum und menhang zwischen Schimmelpilzen in wurden weder durch die WHO noch Innenräumen und dem Auftreten von durch andere Institutionen in vergleich- barer Weise ausgewertet. Epidemiologische Studien, die solche Symptome untersuchen, weisen häufig Mängel auf, da allein schon eine repräsentative Auswahl der Probanden und der Vergleichsgruppen problematisch ist (Terr, 2009). MVOC umfassen ähnlich wie VOC verschiedene chemische Verbindungen wie Aldehyde, Ketone, Ester etc., nicht aber chlorierte bzw. halogenierte Kohlenwasserstoffverbindungen. Viele MVOC weisen einen charakteristischen muffigen, modrigen Geruch auf, weshalb sie auch als Indikator für eine mikrobielle Kontamination genutzt werden, insbesondere wenn eine mikrobielle Besiedlung nicht sichtbar ist. An der Gesamtkonzentration der VOC machen MVOC nur einen geringen Anteil aus (Amman, 1998). Durch die geringen Geruchsschwellen können MVOC teilweise aber bereits in sehr niedrigen Konzentrationen wahrgenommen werden. Eine Übersicht über die zugeschriebenen gesundheitlichen Wirkungen von MVOC findet sich bei Amman (1998). Tabelle 1: Übersicht über den Stand der Wissenschaft bezüglich eines möglichen Zusammenhangs zwischen Feuchtigkeit und Schimmel und verschiedenen Atemwegsbeschwerden (aus WHO 2009) Updated conclusion Outcome (in ltalics if conclusion changed) Conclusion of the Institute of Medicine (2004) Sufficient evidence of a causal relationship None None Sufficient evidence of an association Asthma exacerbation Sufficient evidence More studies; close to sufficient evidence of causation Upper respiratory tract symptoms Sufficient evidence Many new studies, but not of improved quality Cough Sufficient evidence Many new studies, but not of improved quality Wheeze Sufficient evidence Many new studies, some of improved quality Asthma development Limited or suggestive evidence of association More studies of improved quality Dyspnoea Limited or suggestive evidence of association More studies Current asthma Not evaluated First evaluation Respiratory infections Not evaluated First evaluation Limited or suggestive evidence of association Bronchitis Allergic rhinitis Not evaluated Not evaluated separately First evaluation First evaluation Inadequate or insufficient evidence to determine whether an association exists Altered lung function Allergy or atopy Asthma, ever Not evaluated Not evaluated Not evaluated First evaluation First evaluation First evaluation Additional evidence from new data 315 316 Originalarbeit: Die gesundheitliche Relevanz von Innenraumbelastungen – Die Bedeutung von Gerüchen Die zugrunde liegenden Effekte auf die Atemwege werden von Larsen et al. (1998) auf eine Histaminfreisetzung aus Zellen der Bronchialschleimhaut zurückgeführt. Walinder (2005) beobachtete einen Anstieg der Myeloperoxidase und Lysozymkonzentration in der Nasallavage nach einer dreistündigen Exposition gegenüber 3-Methylfuran in einer Konzentration von 1 mg/m³. Die physiologischen und biochemischen Prozesse, wie MVOC Kopfschmerzen, Konzentrationsdefizite, generalisierte Müdigkeit und andere typische Sick Building Symptome auslösen sollen, sind nicht geklärt. Möglicherweise verstärken MVOC bestehende Symptome durch direkte oder neurogene Entzündungsprozesse (Amman 1998). Das Umweltbundesamt geht derzeit davon aus, dass toxische Wirkungen von MVOC nach heutigem Kenntnisstand im Innenraum nicht relevant sind, da solche Wirkungen – wenn überhaupt – erst bei Konzentrationen auftreten, wie sie im Innenraum nicht erreicht werden (Umweltbundesamt 2002). Eine besondere gesundheitliche Relevanz wird Mykotoxinen zugeschrieben. Mykotoxine umfassen ein breit gefächertes Spektrum an unterschiedlichen pilzlichen Stoffwechselprodukten. In vielen Studien konnte grundsätzlich ein toxisches Potenzial für diese Stoffe nachgewiesen werden. Die möglichen Wirkungen auf die Gesundheit sind sehr vielfältig, z.B. toxische Wirkungen auf die Leber, die Nieren oder die Nerven, tremorgene Wirkungen aber auch krebsauslösende Wirkungen. Eine besonders hohe Toxizität wird den Mykotoxinen beigemessen, die von Stachybotrys chartarum gebildet werden, u.a. makrocyclische Trichothecene wie Satratoxin G. In einer Studie von Yike et al. (2006) konnte bei Personen, die eine nachweisliche Exposition gegenüber Stachybotrys chartarum hatten, Addukte von Satratoxin G an Serum-Albumin festgestellt werden. In niedrigen Dosen können Trichothecene aber auch immunstimulierend wirken (Bondy und Pestka, 2000). Die Datenbasis, dass Mykotoxine im Innenraum für die beobachteten Beschwerdesymptome eine Rolle spielen, wird trotz der Hinweise, dass Mykotoxine gesundheitsschädliche Effekte auslösen können, von der WHO als sehr dünn eingestuft (WHO, 2009). Dass unangenehme Gerüche in Innenräumen für die beobachteten gesundheitlichen Beschwerden von Bedeutung sein können, ist grundsätzlich nicht neu (Knasko et al., 1990, Wolkoff et al., 2006). Im Vergleich zu den Erklärungsansätzen über eine Belastung der Luft oder andere Faktoren, wie raumklimatische Bedingungen oder Überlastung bei der Arbeit, standen Gerüche bislang aber nur selten im Fokus der Untersuchungen. Im Folgenden soll der Kenntnisstand über die Wahrnehmung von Gerüchen in Innenräumen und deren mögliche Bedeutung für das Entstehen von gesundheitlichen Beschwerden näher betrachtet werden. Offene Fragen Obwohl die bisherige Forschung zu Gefahrstoffen und biologischen Arbeitsstoffen eine Vielzahl von Hinweisen für die gesundheitliche Relevanz dieser Stoffe in der Luft in Innenräumen und die Sick Building Problematik gebracht hat, sind bislang einige Aspekte bzw. Besonderheiten offen geblieben. Dazu zählen u.a. folgende Fragen: • Wie kommt es zu gesundheitlichen Beschwerden bei Konzentrationen, die weit unterhalb der Grenzwerte oder im Bereich der Hintergrundkonzentration liegen? • Warum klagen nicht alle der expo- Gerüche – Übersicht nierten Beschäftigten über gesundDer Geruchssinn ist der älteste unseheitliche Beschwerden? rer Sinne. Sensoren für chemische Sub• Warum treten bei Frauen häufiger stanzen finden sich bereits in den prigesundheitliche Beschwerden auf? mitivsten Lebewesen und dienen bei• Warum klagen Beschäftigte über ge- spielsweise der Orientierung, der Nahsundheitliche Beschwerden, obwohl rungssuche oder bei der Suche und der der Schimmelpilzbefall in der Bau- Auswahl der Partner für die Fortpflankonstruktion steckt und keine direkte zung. Teilweise ist der Geruchssinn den Exposition besteht? anderen Sinnen wie Gehör oder den Augen überlegen. Eines der beeinDie oben genannten Ansätze zur Er- druckendsten Beispiele hierfür ist der klärung der Sick Building Problematik Seidenspinner (Bombyx mori), dessen haben diese Fragen bislang nicht oder Männchen in der Lage sind, noch ein nur teilweise beantworten können. Er- einziges Molekül pro Kubikzentimeter schwert wird dies nicht zuletzt durch die wahrzunehmen und so ihre Partnerinnen unspezifische Natur vieler der typischen selbst über große Distanzen finden Beschwerden wie Kopfschmerzen, können. Übelkeit oder Konzentrationsdefizite, Dem evolutionären Alter des Gedie sich mit einem toxikologischen bzw. ruchssinns ist möglicherweise die Tatphysiologischen Erklärungsansatz nur sache geschuldet, dass der Geruchssinn schwer erfassen lassen. sich auch anatomisch und funktionell Eine mögliche Ursache für die ge- von den anderen Sinnen unterscheidet. sundheitlichen Beschwerden im Zu- Optische oder akustische Signale wersammenhang mit dem Sick Building den von den Augen bzw. den Ohren über Syndrom, sind unangenehme Gerüche. den Thalamus zu den korrespondierenGerüche können teilweise noch bei Kon- den Regionen der Hirnrinde geleitet. zentrationen wahrgenommen werden, die Der Thalamus wirkt wie ein erster Filter, weit unterhalb bestehender Grenzwerte der entscheidet, welche Signale zur und teilweise unterhalb der analytischen Verarbeitung weiter geleitet werden. GeNachweisgrenze liegen. Die Wahrneh- ruchsinformationen werden dagegen zumung von unangenehmen Gerüchen ist mindest teilweise direkt in den primären häufig mit der Besorgnis verbunden, olfaktorischen Kortex geleitet, der wiedass es sich um gesundheitsschädliche derum intensiv mit dem Hypothalamus, Stoffe handelt. Die Wahrnehmung von der Hypophyse, dem Hippocampus und Gerüchen beinhaltet einige Besonder- der Amygdala verknüpft ist (Sela 2010, heiten, die bei der Erklärung der oben Herz, 2010). genannten Fragen helfen können. Zbl Arbeitsmed 63 (2013) 312–323 Die Amygdala spielt eine zentrale nen wie Hunger, Durst, Müdigkeit und Rolle in der Verarbeitung und Speiche- circadiane Prozesse. rung von emotionalen und instinktiven Der direkte Zugang von Gerüchen Reaktionen wie Angst (Sergerie et al., bzw. Geruchssignalen zur Amygdala, 2008, Soudry et al. 2011). Dazu zählen dem Hippocampus, zum Hypothalamus, auch die Emotionen, die mit Gerüchen und zum autonomen Nervensystem bieverbunden werden (Pouliot und Jones- ten Gerüchen einen priveligierten ZuGrotman 2008). Untersuchungen von gang zu sensorischen, affektiven, phyZald und Pardo (1997) mit der Positron- siologischen und emotionalen ProzesEmissions-Tomographie zeigten, dass sen. Auf diese Weise können Gerüche stark abstoßende Gerüche den zerebra- unsere Wahrnehmung und unser Verhallen Blutstrom in der Amygdala und dem ten beeinflussen (Howard et al., 2009). orbitofrontalen Kortex verstärkten, wo- Unabhängig davon ob Gerüche aus hingegen weniger abstoßende Gerüche benachbarten Industrieanlagen oder nur im orbitofrontalen Kortex den Blut- vom üppig aufgetragenen Parfüm stamstrom bzw. die Aktivität erhöhte, nicht men, können diese ein breites Spektrum aber in der Amygdala. Vor dem Hinter- an Reaktionen auslösen (Dalton 1996). grund, dass die Amygdala ein Zentrum Wie weitreichend Gerüche Körperfür die Verarbeitung von Emotionen wie funktionen beeinflussen können, wird Ängsten ist, können insbesondere un- durch den McClintock-Effekt verdeutangenehme Gerüche ungefiltert starke licht. Beobachtungen durch McClintock Emotionen hervorrufen. Dies kann das (1971) haben gezeigt, dass sich bei Frauausgeprägte Belästigungspotenzial von en der Menstruationszyklus synchroniunangenehmen Gerüchen erklären. sierte, wenn diese längere Zeit gemeinDer Hippocampus ist von zentraler sam in einem Raum geschlafen haben. Bedeutung für das Langzeitgedächtnis, In einer Studie von Preti et al. (1986) zu für die Reaktion auf Stress und die diesem Effekt wurde Frauen mehrmals Verarbeitung emotionaler Erfahrungen. pro Woche nachts ohne ihr Wissen Über die neuroanatomische Verbindung Achselschweiß einer Frau unter die Nase zwischen Geruch und Emotion bzw. appliziert. So sollten mögliche ConAmygdala und Hippocampus hinaus founder wie Sozialverhalten ausgeschlosverbindet beide eine gemeinsame Evo- sen werden. Nach einigen Monaten lution: die Amygdala und der Hippo- passten sich die Menstruationszyklen campus haben sich aus dem gleichen der Frauen dem der Spenderfrau an. Gewebe, dem olfaktorischen Cortex, Weitere Hinweise für den unbewussgebildet (Herz 2010). ten Einfluss von Gerüchen haben VersuDer Hypothalamus empfängt Infor- che mit Androstenon ergeben. Es hanmationen u.a. von der Amygdala und ist delt sich dabei um eine Verbindung, die verantwortlich für eine Reihe von phy- im männlichen Achselschweiß vorkommt siologischen Prozessen und Aktivitäten und die auch als menschliches Pherodes autonomen Nervensystems. Im Hy- mon diskutiert wird (Wysocki und Preti, pothalamus werden Neurohormone syn- 2004). Sitzplätze in Wartezimmern von thetisiert und ausgeschüttet, die ihrer- Arztpraxen wurden mit Androstenon seits die Ausschüttung von Hypophysen- präpariert. Frauen bevorzugten die prähormonen steuern. Die Hypophysen- parierten Sitze, unabhängig davon, wo hormone beeinflussen unter anderem die Sitzplätze oder wie bequem diese die Nebennieren, die ihrerseits die Aus- waren (Kirk-Smith and Booth, 1980). schüttung von Stresshormonen wie Cor- Dieses Experiment wurde mehrfach tisol oder Adrenalin beeinflussen. Die- überprüft und führte immer zu den ser Aktivierungspfad wird auch als HPA gleichen Ergebnissen. Achse (engl. hypothalamus-pituitaryBadia et al. (1990) untersuchten, ob adrenal axis) bezeichnet und ist ein zen- Gerüche auch während des Schlafs traler neuroendocriner Regelkreis für wahrgenommen werden und ob diese zu Stressreaktionen (Heinrichs und Koob, Reaktionen führen. Die Autoren konn2004). Über diesen Regelkreis kontrol- ten signifikante physiologische Veränliert der Hypothalamus Körperfunktio- derungen beim Herzschlag, EEG EMG und Bewegungen der Augenlider nachweisen, was ein weiteres Indiz für den unbewussten Einfluss von Gerüchen auf Körperfunktionen ist. Bedeutung von Gerüchen für das Entstehen von gesundheitlichen Beschwerden in Innenräumen Wie kommt es zu gesundheitlichen Beschwerden bei Konzentrationen, die weit unterhalb der Grenzwerte oder im Bereich der Hintergrundkonzentration liegen? Eine der auffälligen Besonderheiten bei gesundheitlichen Beschwerden im Innenraum ist die Beobachtung, dass diese häufig auf Luftbelastungen zurückgeführt werden, die weit unterhalb von Grenzwerten liegen. Ein weiterer bemerkenswerter Aspekt ergibt sich aus verschiedenen epidemiologischen Studien, die zeigen, dass verschiedene Parameter der Luftbelastung wie die Staubkonzentration oder die TVOCKonzentration in Gebäuden ohne gesundheitliche Beschwerden höher waren als in Gebäuden mit Beschwerden (Bischof et al., 2004; Wolkoff et al., 2006). Viele flüchtige chemische und biologische Stoffe in der Luft weisen einen mehr oder weniger intensiven Geruch auf. Verglichen mit den jeweiligen Schwellen für die Reizwirkung liegen die Schwellen für die Geruchswahrnehmung deutlich niedriger (ComettoMuniz, 2004; Nielsen et al., 2007). Insbesondere flüchtige Schwefelverbindungen haben Wahrnehmungsschwellen, die teilweise um drei bis vier Größenordnungen niedriger liegen als bei reinen Kohlenwasserstoffverbindungen (Schiffmann 2000). Über den charakteristischen Geruch können Stoffe in der Luft bereits in Konzentrationen wahrgenommen werden, die teilweise unterhalb der analytischen Nachweisgrenze liegen. Aus evolutionärer Sicht stellen Gerüche ein wichtiges Signal dar, das vor Feinden oder verdorbener Nahrung warnt. Die Wahrnehmung von Gerüchen kann deshalb zu erhöhter Aufmerksamkeit und Anspannung führen. Bereits eine erhöhte Anspannung ist in der Regel mit physiologischen Veränderungen verbunden (Oken et al., 2006). Dies gilt ins- 317 318 Original article: Relevance of indoor air pollutants — Significance of odors besondere für unangenehme Gerüche. (Shusterman 1991; Bulsing 2009; nehm, neutral bzw. unangenehm riechen Vor allem wenn Gerüche mit negativen Sucker 2009). Von Stressreaktionen ist könne. Obwohl es sich nur um vorErfahrungen oder mit negativen Erwar- bekannt, dass diese viele Körperfunktio- getäuschte Gerüche handelte, berichtetungen verknüpft werden, können diese nen beeinflussen und zu einer Vielzahl ten die Probanden mit dem scheinbar als relevante Stressoren agieren (Sucker von unspezifischen Symptomen führen unangenehmen Geruch häufiger über 2009; Bulsing 2009). können, die weitestgehend identisch mit gesundheitliche Beschwerden als die Nach bisherigem Erkenntnisstand ist den Symptomen des Sick Building Syn- Probanden mit dem scheinbar neutralen es unwahrscheinlich, dass Gerüche bzw. droms sind. oder angenehmen Geruch. Auch Dalton die entsprechenden Stoffe in dem KonUm zu verstehen, wie Gerüche zu et al. (1997) und Dalton (1999) konnten zentrationsbereich, wie er in belasteten gesundheitlichen Beschwerden führen wiederholt zeigen, dass mit gezielten Innenräumen vorgefunden werden kann, können, ist es von zentraler Bedeutung, Informationen der Probanden über die gesundheitliche Beschwerden im Sinne sich bewusst zu machen, dass die senso- Eigenschaften eines Geruchs die Erwarvon toxikologischen oder physiologi- rischen Signale, wie sie von der Nase tungen über mögliche Auswirkungen schen Veränderungen auslösen (Cain ausgehen, nur einen Teil der Wahrneh- gesteuert werden konnten. Wenn inforund Cometto-Muniz, 2004). Ausnah- mung ausmachen. Die Wahrnehmung miert wurde, dass der Geruch schädlich men können auftreten, sofern sehr hohe von äußeren Reizen ist in der Regel ein sein könnte, wurde sowohl die GeruchsKonzentrationen vorkommen, die die zusammengesetzter Prozess, bei dem intensität als auch die Reizwirkung Reizschwelle überschreiten. In der Re- die rein sensorischen Informationen mit höher angegeben als in den Fällen, in gel wird in Innenräumen aber bereits gespeicherten assoziierten Informatio- denen den Probanden gesagt wurde, der über gesundheitliche Beschwerden be- nen verknüpft werden (Dalton 2012). Geruch habe positive Eigenschaften. richtet bei Konzentrationen, die weit Die Informationen, mit denen die senso- Van den Bergh et al. (1999) beobachteunterhalb der Reizschwellen liegen. rischen bzw. olfaktorischen Signale ver- ten ein verändertes Atemverhalten von Auf der Grundlage einer systemati- knüpft werden, umfassen zum Beispiel Probanden nach Exposition gegenüber schen Auswertung der Literatur kommt Erfahrungen, die bei der ersten Wahr- einem harmlosen aber geruchsintensiHerz (2009) zu dem Schluss, dass für die nehmung gemacht wurden oder gelernte ven Stoff, wenn die Probanden vorher in Wirkung von Gerüchen auf die Stim- Informationen. Die Interpretation olfak- Konditionierungsversuchen lernten, den mung, auf physiologische Prozesse und torischer Signale wird stark durch den Geruch mit unangenehmen Wirkungen auf das Verhalten eine hohe Evidenz vor- Kontext beeinflusst, in dem das Signal zu verbinden. Die Ergebnisse unterstreiliegt. Als mögliche Erklärungsansätze bzw. der Geruch wahrgenommen wird. chen, dass kognitive und emotionale wurden pharmakologische und psycho- Daneben stellen Erwartungen und der Faktoren die Wahrnehmung und Reaktilogische Mechanismen untersucht, wo- Glaube an bestimmte Wirkungen wich- on auf einen Geruch verändern können bei die psychologischen Mechanismen tige weitere Faktoren dar, die die Inter- (Bulsing 2009). die Wirkungen umfassender erklären pretation eines Geruchssignals und seiDas Auslösen gesundheitlicher Bekonnten. In Übereinstimmung mit die- ne Wirkung bestimmen können. schwerden durch negative Erwartungen sem Befund zeigten Untersuchungen Wie sehr Erwartungen unsere Wahr- wird auch als Nocebo-Effekt bezeichnet von Bulsing (2009) dass die Assoziati- nehmung beeinflussen, wird deutlich an und stellt den Gegenpart zu Placebo-Efonsstärke zwischen den Begriffen Ge- einem Versuch von Slosson (1899). Eine fekten dar. Die mögliche Wirkung posiruch und Krankheit signifikant stärker Flasche mit destilliertem Wasser wurde tiver Erwartungen ist gut dokumentiert war als die Assoziationsstärke zwischen vor einem Auditorium aufgestellt. Den und wird in der pharmakologischen ForGeruch und Gesundheit. Anwesenden wurde mitgeteilt, dass es schung genutzt. Das Potenzial von PlaEine der häufigsten Reaktionen auf sich um eine Chemikalie mit einem aus- cebowirkungen bzw. das Ausmaß, wie unangenehme Gerüche ist die Belästi- geprägten Geruch handle und dass man stark Erwartungen die Wahrnehmung gung (van Thriel 2008). Wenn unange- die Hand heben solle, sobald man den beeinflussen, wird deutlich an einer Stunehme Gerüche registriert werden, wer- Geruch wahrnimmt. In der ersten Reihe die von Moseley et al. (2002). Patienten den diese in der Regel als potenziell ge- hoben die meisten nach ca. 15 Sekunden mit einer Osteoarthritis des Knies erhielsundheitsschädlich eingestuft, unabhän- die Hände. Nach ca. 40 Sekunden hatten ten teilweise eine operative Behandlung gig von den tatsächlichen Eigenschaften ca. drei Viertel der Anwesenden die nach dem Stand des Wissens, ein ande(Dalton 1999). Die Reaktionen auf un- Hände gehoben, obwohl es sich nur um rer Teil der Patienten erhielt nur eine angenehme Gerüche können von ein- destilliertes Wasser handelte. Ein wei- Scheinoperation, bei der die Haut auffacher Abneigung zur Belästigung, zur teres Beispiel stellt ein Versuch von geritzt und wieder vernäht wurde. Über Verstärkung bestehender gesundheitli- Knasko et al. (1990) dar. Hier wurden einen Zeitraum von zwei Jahren wurden cher Beschwerden und zu Stressreaktio- die Probanden in drei Gruppen eingeteilt die Patienten untersucht und befragt. Zu nen führen, die von Beeinträchtigungen und gegenüber vernebeltem Wasser keinem der Zeitpunkte zeigte sich ein des Wohlbefindens, zu selbstkonditio- exponiert. Je nach Gruppe wurde ihnen Unterschied zwischen den Gruppen. nierten Verhaltensänderungen und zu aber mitgeteilt, dass es sich um eine Im gleichen Ausmaß, wie positive Efphysiologischen Veränderungen reichen chemische Verbindung handle, die ange- fekte auf die Gesundheit möglich sind, Zbl Arbeitsmed 63 (2013) 312–323 sind auch negative Effekte möglich (Be- Besorgnis über mögliche gesundheitli- Abhängigkeit vom jeweiligen Symptom. nedetti et al., 2003; Rief et al., 2011). El- che Konsequenzen befragt. Die Wahr- Ähnliche Ergebnisse ermittelten Sahlsenbruch et al. (2012) konnten zeigen, nehmung von Gerüchen und die Besorg- berg et al. (2010) sowie Bachmann et al. dass Bauchschmerzen durch das Aus- nis über mögliche Wirkungen zusam- (1995) in einer Studie mit drei unterlösen negativer oder positiver Erwartun- men waren bestimmend für die Häufig- schiedlichen Gebäuden und 624 beteigen experimentell verstärkt oder abge- keit, mit der gesundheitliche Symptome ligten Bürobeschäftigten. Mendell (2008) schwächt werden konnten. Auch im Hin- angegeben wurden. Das Odds ratio für beobachtete für gesundheitliche Beblick auf allergische Reaktionen gibt es die Prävalenz von Kopfschmerzen be- schwerden der unteren Atemwege eine Hinweise, dass diese durch Erwartungen trug in der Gruppe mit Wahrnehmung Prävalenzrate von 4,2 % und für die ausgelöst werden können. Mackenzie von Gerüchen und der Besorgnis mögli- oberen Atemwege von 20,8 %. Zhang (1886, zitiert in Gottfried und Wu 2009) cher gesundheitlicher Folgen 38,1. (2011) berichtete in einer Studie mit 48 beschreibt eine Patientin, die beim AnGerüche bzw. deren Signale haben beteiligten Schulen über Inzidenzraten blick einer künstlichen Rose mit ausge- einen direkten Zugang zur Amygdala im Bereich von 1–20 % während eines prägten Heuschnupfensymptomen rea- und damit dem Zentrum für Emotionen. Zeitraums von 22 Monaten. Takeda et al. gierte. Die enge Verknüpfung der Amygdala (2009) untersuchten neu gebaute private Erwartungen bezüglich möglicher mit dem Hypothalamus und der HPA- Wohnungen und ermittelten eine Prävanegativer gesundheitlicher Folgen haben Achse ermöglicht es Gerüchen, Symp- lenzrate von 21,6 % für typische Sick einen starken Einfluss auf die Bewer- tome hervorzurufen, die weitgehend mit Building Symptome. tung von Gerüchen, da sie einen Filter denen des Sick Building Syndroms Die unterschiedliche individuelle Wahrfür die Wahrnehmung von Körperfunk- identisch sind. Insbesondere der Zugang nehmung und Interpretation von Gerütionen bilden (Bell und Paton, 2001). zum autonomen Nervensystem, das der chen kann erklären, warum die expoDurch negative Erwartungen wird die bewussten Kontrolle entzogen ist, er- nierten Beschäftigten so unterschiedlich Aufmerksamkeit auf mögliche gesund- klärt auch, warum es so schwierig ist, reagieren. Der gleiche Geruch kann bei heitliche Folgen verstärkt. In diesen sich den Emotionen, die mit Gerüchen verschiedenen Personen sehr unterschiedSituationen ist die Bereitschaft, auch verbunden sind, zu entziehen. liche Reaktionen auslösen, abhängig unbedeutende körperliche Symptome Die hedonische Qualität von Gerü- von den Assoziationen, den Erfahrunim Sinne der Erwartungen zu interpre- chen ist ein bestimmendes Kriterium für gen und den Erwartungen, die mit dem tieren, erhöht. In der Folge kann es zu die Bewertung der Luftqualität. Unan- Geruch verbunden werden. Beispielssich selbst erfüllenden Erwartungen genehme Gerüche werden häufig als weise kann der Geruch von Bohnerkommen, die mit jedem scheinbar pas- Hinweis auf eine Schadstoffbelastung wachs bei einer Person Erinnerungen an senden Symptom weiter verstärkt wer- der Luft interpretiert und können dann eine schöne, unbeschwerte Schulzeit den bis hin zum Gefühl der Sicherheit. Besorgnis und Angst vor gesundheitli- hervorrufen, wohingegen der gleiche GeEine zentrale Rolle bei Nocebo-Effek- chen Schäden auslösen. ruch bei einer anderen Person Beklemten wird der Auslösung einer antizipatoVor dem Hintergrund, dass Gerüche mungen und Ängste hervorruft, weil der rischen Angst zugeschrieben. Angst bzw. die Klagen über unangenehme Geruch an Versagen und soziale Auswiederum ist eine Emotion, die durch Gerüche ein nahezu durchgängiges grenzung in der Schule erinnert. Gerüdie Amygdala und den Hypothalamus Merkmal der Sick Building Problematik che, die von einer Person als belästigend bzw. die HPA-Achse gesteuert wird. sind und dass Gerüche auch in niedrigen empfunden werden, werden möglicherDie Besorgnis und die Angst, durch Konzentrationen Stressfaktoren und Aus- weise von einer anderen Person kaum Umweltschadstoffe krank zu werden, löser von gesundheitlichen Beschwer- wahrgenommen (Dalton und Jaén, 2010). hat in den vergangenen Jahrzehnten den darstellen können, wird deutlich, Dalton (2003) zufolge kann die Variatrotz der Erfolge bei der Reduktion von warum selbst bei geringen und gerings- tion in der Wahrnehmung und der ReakUmweltbelastungen zugenommen. Gleich- ten Stoffkonzentrationen Beschäftigte tion auf Gerüche im Wesentlichen auf zeitig hat die Zahl unspezifischer Krank- in Innenräumen Symptome des Sick zwei Arten von Faktoren zurückgeführt heitsbilder wie idiopathische Umwelt- Building Syndroms entwickeln können. werden: unverträglichkeit, multiple Chemikalien1. Faktoren, die die sensorische WahrWarum klagen nicht alle der exponiersensitivität und ähnlicher umweltassonehmung beeinflussen, wie z.B. Alter, ziierter Krankheitsbilder zugenommen ten Beschäftigten über gesundheitliche Krankheiten, Alkoholmissbrauch oder (Sparks 2000; Carlsson et al., 2005; Beschwerden? berufliche Exposition und Die Erfahrung zeigt, dass in betroffe- 2. Faktoren, die die Verarbeitung der Dalton 2012). In einer Studie von Shustermann et al. nen Gebäuden nicht alle exponierten sensorischen Informationen betref(1991) wurden über 2000 Personen, die Beschäftigten in gleichem Maße über fen, z.B. Erwartungen, Affektivität, in der Nähe von verschiedenen Depo- gesundheitliche Beschwerden klagen. Strategien der Stressbewältigung. nien wohnten, nach der Häufigkeit von Norbäck (1990) ermittelte PrävalenzraGeruchsbelastungen, nach gesundheitli- ten für verschiedene Sick Building Neben früheren Erfahrungen spielen chen Symptomen und hinsichtlich einer Symptome zwischen 14 und 40 % in Persönlichkeitseigenschaften wie die 319 320 Originalarbeit: Die gesundheitliche Relevanz von Innenraumbelastungen – Die Bedeutung von Gerüchen Affektivität eine bedeutende Rolle für Häufigkeit der Meldungen mit 35,9 % Warum klagen Beschäftigte bei einem die Wahrnehmung und Bewertung von gegenüber 19,4 % bei den Frauen höher. versteckten Schimmelpilzbefall über Gerüchen. Personen mit einer negativen Die Autoren kommen zum Schluss, dass gesundheitliche Beschwerden, obwohl Affektivität neigen dazu, eher Stress zu die höhere Melderate bei Frauen unab- der Schimmelpilzbefall in der Baukonempfinden und Symptome zu entwi- hängig ist von den meisten persönlichen, struktion steckt und keine direkte Expockeln – selbst wenn keine offensichtli- tätigkeitsbezogenen und gebäudebezo- sition besteht? Ein Schimmelpilzbefall ist nicht imchen Stressoren vorhanden sind. Sie genen Bedingungen. entwickeln teilweise eine übersteigerte In einer Untersuchung von Sucker mer eindeutig erkennbar. Je nach UrsaAufmerksamkeit und tendieren dazu, (2009) in der Umgebung von sechs In- che der Feuchtigkeit kann der Schimuneindeutige Eindrücke in negativer dustrieanlagen bezüglich des Einflusses melpilzbefall in der GebäudekonstruktiWeise zu interpretieren und über mehr der Geruchsintensität und der hedo- on, z.B. hinter Rigipsplatten oder unter gesundheitliche Beschwerden zu klagen nischen Eigenschaften der emittierten dem Fußboden versteckt sein. Unter(Watson und Pennebaker, 1989). Gerüche auf die Häufigkeit von Mel- suchungen von Pirinen (2006) in 291 In einer Studie von Smeets, Maute und dungen über gesundheitliche Beschwer- finnischen Wohnungen mit FeuchtigDalton (unveröffentlicht, beschrieben in den war der Faktor weibliches Ge- keitsproblemen ergab, dass der SchimDalton 2003) wurden Probanden nach schlecht nahezu immer mit erhöhten melpilzbefall in ca. einem Drittel der ihrer Affektivität in zwei Gruppen ein- Melderaten verbunden. Dalton (1999) Fälle in der Baukonstruktion versteckt geteilt und gegenüber Isopropanol in stellte in Expositionsstudien mit ver- war. Wie es in solchen Fällen zu einer einer Konzentration von 400 ppm über schiedenen Gerüchen fest, dass der Fak- Exposition kommen kann, ist unklar eine Dauer von 30 Minuten exponiert. tor weibliches Geschlecht am besten mit (Institute of Medicine, 2004). Weder Die Gruppe mit Personen, die eine aus- der Reaktivität gegenüber den Gerüchen Schimmelpilzsporen noch Myzelbestandteile können sich aktiv in der Luft fortgeprägte negative Affektivität aufwie- korrelierte (R² = 0,89). sen, gab eine signifikant höhere IntensiDass Frauen häufiger über gesundheit- bewegen. Deshalb ist es fraglich, wie tät der Reizung an. liche Beschwerden klagen, wird nicht versteckte Schimmelpilzschäden zu eiBesorgnis, Angst und Depressionen nur im Zusammenhang mit Innenraum- ner Exposition führen können. Ändesind nach Eriksson et al. (1996) wesent- belastungen und der Sick Building Pro- rungen im Luftdruck können zu einem liche Merkmale einer negativen Affekti- blematik berichtet und muss als multi- Austausch von Luft zwischen den konvität und haben signifikanten Einfluss kausales Phänomen betrachtet werden. struktiven Hohlräumen und der Umgeauf die Entwicklung von Sick Building Wichtige Faktoren sind dabei nach van bungsluft beitragen. Dies dürfte aber Symptomen. Die große Vielfalt an Va- Wijk und Kolk (1997) u.a. die benach- kaum zu einer relevanten Exposition riationen in der sensorischen Empfind- teiligte soziale Stellung der Frau in der führen. Es gibt Studien, die in Fällen von lichkeit, den individuellen Erfahrungen, Gesellschaft, eine stärkere Neigung, auf verstecktem Schimmelpilzbefall über den Persönlichkeitseigenschaften und Signale aus dem Körper zu achten, eine eine erhöhte Konzentration von Schimweiteren Faktoren bietet eine Erklärung, stärkere Tendenz zur Somatisierung und melpilzen in der Luft berichten. Es ist warum die Reaktion von exponierten eine größere Bereitschaft, über gesund- aber wahrscheinlich, dass die Untersuchungstätigkeiten, wie z.B. das ÖffBeschäftigten auf eine Belastung der heitliche Beschwerden zu berichten. Luft in Innenräumen so unterschiedlich Teilweise wird eine bessere Wahrneh- nen von Hohlräumen, hierzu maßgebist (Dalton und Jaén, 2010). mung von Gerüchen durch Frauen dis- lich beigetragen haben (Institute of Mekutiert. Choudhury et al. (2003) beob- dicine, 2004). Im Gegensatz zu Sporen Warum treten bei Frauen häufiger achtete in einem Test über das Geruchs- oder Myzelfragmenten werden MVOC gesundheitliche Beschwerden auf? gedächtnis, dass Frauen sich besser an an die Luft abgegeben und können über Eine fast durchgängig auftretende Ei- Gerüche erinnern konnten. Untersuchun- Diffusionsprozesse in die Raumluft gegenheit der Sick Building Problematik gen von Ohberg et al. (2002) zum Ge- langen bzw. sich dort verbreiten. Aufist, dass Frauen häufiger über gesund- ruchsgedächtnis ergaben, dass Frauen grund dieser Eigenschaften werden heitliche Beschwerden klagen als Män- sich bei familiären Gerüchen besser er- MVOC auch als Indikator für einen verner (Bachmann und Myers, 1995; Burge innern konnten als Männer. Bei Alltags- steckten Schimmelpilzbefall genutzt. 2004). Im ProKlima Projekt mit 14 Ge- gerüchen stellten die Autoren keinen Die auftretenden Konzentrationen sind bäuden und 888 untersuchten Frauen Geschlechtsunterschied fest. aber gering und bislang liegen keine und 576 untersuchten Männern berichAuch wenn die Ursachen für das bes- Hinweise vor, dass von den Konzentrateten 44,3 % der Frauen über gesund- sere Abschneiden von Frauen bei der tionen, wie sie im Innenraum auftreten, heitliche Beschwerden, wohingegen es Wahrnehmung und Zuordnung von Ge- eine toxische Wirkung ausgeht (Umbei den Männern 26,3 % waren (Brasche rüchen noch nicht abschließend geklärt weltbundesamt 2002). Aufgrund der et al., 2001). Selbst nach Bildung von ist, kann dies aber die höheren Raten an niedrigen Geruchsschwellen können Subgruppen mit einheitlichen Bedin- gesundheitlichen Beschwerden in belas- MVOC aber bereits in geringen Konzengungen hinsichtlich des sozialen Status teten Gebäuden zumindest teilweise er- trationen wahrgenommen werden. Der und der Arbeitsbedingungen lag die klären. muffig modrige Geruch nach Schimmel Zbl Arbeitsmed 63 (2013) 312–323 führt in der Regel zur Besorgnis und zur häufig auf starke Gerüche. Millqvist Angst, krank zu werden und kann die und Löwhagen (1996) beobachteten bei oben beschriebene Kaskade von der Asthmatikern Asthmaanfälle nach ExWahrnehmung bis hin zu Stressreaktio- position gegenüber Parfüm. Bell et al. nen auslösen. Der unangenehme Geruch (1998) gehen davon aus, dass auch die kann somit erklären, warum Personen steigende Zahl an Erkrankungen wie über gesundheitliche Beschwerden be- Depressionen, Angstzustände und Sorichten, auch wenn kein unmittelbarer matisierung zu den gesundheitlichen Kontakt zu Schimmelpilzen besteht. Beschwerden in belasteten Innenräumen beitragen. Einschränkungen Auch wenn Gerüche vieles in belasteÜber die Wirkung von unangenehmen ten Innenräumen erklären können, darf Gerüchen in belasteten Innenräumen dies nicht dahingehend interpretiert können viele Phänomene in Gebäuden werden, dass gesundheitliche Beschwermit einer Sick Building Problematik er- den nur noch als Stressreaktion auf unklärt werden. Daneben sind aber auch angenehme Gerüche abgetan werden. weitere mögliche Faktoren zu berück- Gesundheitliche Beschwerden müssen sichtigen, die direkt oder indirekt auf die stets ernst genommen und die Ursachen Gesundheit wirken können. Dazu zäh- beseitigt werden. Dies gebieten die ethilen beispielsweise falsch eingestellte schen und nicht zuletzt auch die wirtLüftungsanlagen, zu hohe oder zu nied- schaftlichen Grundlagen unseres Hanrige Temperaturen oder zu hohe oder zu delns. niedrige Feuchtigkeit, die die Qualität Bei einer Sanierung ist zu beachten, der Innenraumluft, bzw. deren Wahrneh- dass die Quellen für die unangenehmen mung beeinflussen können. Daneben Gerüche gänzlich beseitigt werden. können weitere Stressoren relevant sein, Auch wenn die auslösenden Gerüche die nicht im Zusammenhang mit der In- nur noch in Spuren wahrnehmbar sind, nenraumluft stehen oder die unabhängig besteht die Gefahr, dass sie weiterhin davon gleichzeitig präsent sind. Dazu Besorgnis, Angst und in der Folge zählen fehlende Ergonomie, unzurei- Stressreaktionen auslösen. chende Beleuchtung, Überlastung durch Gerüche bieten eine Chance, gesunddie Arbeit, ungleiche Bezahlung, Kon- heitliche Beschwerden in Innenräumen flikte etc. Insbesondere Einflüsse, denen zu erklären. Informationen und Aufkläman nicht ausweichen bzw. die man rung über die mögliche Wirkung von nicht selbst steuern kann, werden oft als unangenehmen Gerüchen als Stressoren besonders belastend empfunden (Bischof kann zu einer Versachlichung im Umet al., 2004; Weinberg et al., 2010). gang mit der Belastungssituation führen. Die Tatsache, dass unangenehme GeVoraussetzung für eine zielführende rüche Stressoren darstellen und zu ge- Diskussion ist eine sachliche Darstelsundheitlichen Beschwerden in Innen- lung der bislang vorliegenden Erkennträumen führen können, darf nicht dazu nisse. Insbesondere beim Thema Schimführen, dass das mögliche Gesundheits- mel und mögliche Gesundheitsgefahren risiko durch Schadstoffe, auch bei nied- wird durch unsachgemäße Presseberichrigen Konzentrationen, vernachlässigt te und Informationen im Internet teilbzw. unterschätzt wird. Zu beachten ist weise Verunsicherung geschürt. Für Gutin diesem Zusammenhang die Vielzahl achter, Testanbieter, Umweltapotheker, an möglichen Prädispositionen, die dazu Labore, Sanierer, Autoren, Verlage und führen können, dass vergleichsweise sonstige Anbieter sind „Schimmelpilze“ geringe Belastungen zu gesundheitlichen ein wichtiger Markt, teilweise werden Beschwerden führen. Beispielsweise deshalb Ängste gezielt geschürt, auch nimmt die Zahl der Allergiker seit Jah- mit wissenschaftlich nicht belegten Beren zu. Damit steigt auch die Wahr- hauptungen (Seidl, 2010). Sobald ein scheinlichkeit, dass Beschäftigte oder modriger oder muffiger Geruch wahrgeBewohner auf niedrige Schadstoffkon- nommen wird, kann dies insbesondere zentrationen in der Innenraumluft rea- bei Laien die oben genannten Stressgieren. Auch Asthmatiker reagieren reaktionen auslösen. Vor diesem Hinter- grund ist es dringend erforderlich, dass in den Medien objektiv über die möglichen Gesundheitsgefahren in Innenräumen berichtet wird. Danksagung Besonderer Dank geht an Frau Dr. Nadja von Hahn (IFA, Sankt Augustin) und Frau Dr. Pamela Dalton (Monell Chemical Senses Center, Philadelphia) für ihre wertvollen Hinweise. Literatur Ammann, Harriet M (1998) Microbial Volatile Organic Compounds. Bioaerosols: Assessment and Control 1 – 17. Bachmann O, Myers JE (1995) Influences on Sick Building Syndrome symptoms in three buildings. Soc. Sci. Med. 40 (2): 245–251. Badia P, Wesensten N, Lammers W, Culpepper J, Harsh J (1990) Responsiveness to olfactory stimuli presented in sleep. 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