Schmerz - betanet
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Ein Engagement der betapharm Schmerz Soziallexikon Die größte Suchmaschine für Sozialfragen im Gesundheitswesen in Deutschland. 4.800 Stichwörter helfen gezielt, soziale, rechtliche und finanzielle Fragen einfach und verständlich zu beantworten. Finden Sie z.B. Antworten auf folgende Fragen: – Wie ist die Zuzahlung bei Arzneimitteln geregelt? – Wie bekomme ich einen Schwerbehindertenausweis? – Welche Vorsorge kann ich treffen, für den Fall, dass ich nicht mehr selbst entscheiden kann? Patientenratgeber Die Broschüren bieten gebündelt und verständlich sozialrechtliche und psychosoziale Informationen zur folgenden Themen und Krankheiten: – – – – – – Behinderung & Soziales Brustkrebs & Soziales Demenz & Soziales Depression & Soziales Epilepsie & Soziales Migräne & Soziales – Multiple Sklerose & Soziales – Osteoporose & Soziales – Patientenvorsorge – Pflege – Psychosen, Schizophrenie & Soziales – Schmerz & Soziales Patientenfilme Zu Asthma, Brustkrebs, Darmkrebs, Demenz, Depression, Diabetes, Osteoporose, Rheuma, Schlaganfall. Die Initiative „betaCare – Verbesserung der Patientenversorgung und Prävention“ wird gefördert durch die betapharm Arzneimittel GmbH, ein Generika-Unternehmen mit hochwertigen und preiswerten Qualitätsarzneimitteln. Schmerz & Soziales Gesundheit ist unser Ziel! betaCare-Wissenssystem www.betaCare.de & Soziales Michael Ewers Liebe Leserin, lieber Leser, chronische Schmerzen haben vielfältige Auswirkungen bei Betroffenen und deren Angehörigen. Gut informiert zu sein über Leistungsansprüche und Behandlungs möglichkeiten kann dabei vieles erleichtern. betapharm setzt sich seit Jahren aktiv für eine verbesserte Versorgungsqualität im Gesundheitswesen ein. Aus diesem Engagement hat sich betaCare – das Wissens system für Krankheit & Soziales – entwickelt, welches Antworten auf alle sozialen Fragen rund um eine Krankheit bietet. Der vorliegende betaCareRatgeber „Schmerz & Soziales“ informiert Sie daher umfassend zu Themen wie Arbeitsunfähigkeit und finanzielle Leistungen, Rehabilitation und Schwerbehinderung. Impressum Herausgeber und Redaktion beta Institut gemeinnützige GmbH Institut für angewandtes Gesundheitsmanagement, Entwicklung und Forschung in der Sozialmedizin Geschäftsführer: Michael Ewers Kobelweg 95, 86156 Augsburg Telefon 0821 450540, Telefax 0821 450549100 EMail: info@betainstitut.de www.betainstitut.de Text Sabine Bayer Maria Kästle Andrea Nagl Anja Wilckens Mit herzlichen Grüßen, Layout und Gestaltung Manuela Mahl Michael Ewers Autoren und Herausgeber übernehmen keine Haftung für die Angaben in diesem Werk. Geschäftsführer betapharm & beta Institut Alle Bausteine des betaCareWissenssystems mit seinen vielfältigen Inhalten finden Sie unter www.betaCare.de. Mehr über das soziale Engagement und die Produkte der betapharm Arzneimittel GmbH finden Sie unter www.betapharm.de. Alle Rechte vorbehalten © 2014 Copyright beta Institut gemeinnützige GmbH Der Ratgeber einschließlich all seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Herausgebers unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Reproduzierung, Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen oder Datenverarbeitungsanlagen. 10. Auflage Januar 2014 Schutzgebühr 5,– Euro Inhaltsverzeichnis Vorbemerkung _______________________ 2 Chronische Schmerzen _________________ 3 Schmerzarten ________________________ 4 Schmerzmessung _____________________ 6 Soziale Auswirkungen chronischer Schmerzen ________________ 7 Behandlung _________________________ 8 Umgang mit Schmerzpatienten _________ 14 Auswirkungen auf Angehörige _________ 15 Arbeitsunfähigkeit und finanzielle Leistungen ________________ 17 Arbeitsunfähigkeit ___________________ 18 Entgeltfortzahlung __________________ 20 Krankengeld ________________________ 20 Arbeitslosengeld bei Arbeitsunfähigkeit __ 27 Zuzahlungen in der gesetzlichen Krankenversicherung _________________ 29 Zuzahlungen _______________________ 30 Zuzahlungsbefreiung bei Erreichen der Belastungsgrenze _________________ 33 Rehabilitation _______________________ 39 Bereiche der Rehabilitation ____________ 40 Zuständigkeiten _____________________ 41 Medizinische Rehabilitation____________ 42 Anschlussheilbehandlung _____________ 47 Reha-Sport und Funktionstraining ______ 49 Stufenweise Wiedereingliederung _______ 51 Berufliche Rehabilitation/Teilhabe am Arbeitsleben ________________________ 53 Übergangsgeld ______________________ 56 Schwerbehinderung __________________ 77 Schwerbehindertenausweis ____________ 79 Grad der Behinderung bei Krankheiten mit chronischen Schmerzen ____________ 81 Parkerleichterung____________________ 88 Rente wegen Erwerbsminderung _______ 91 Ernährung bei Opioidanwendung _______ 95 Sexualität und Kinderwunsch bei Opioidanwendung ________________ 97 Autofahren und Führerschein __________ 99 Autofahren unter Schmerzmitteln______ 101 Zweifel an der Fahrtauglichkeit ________ 102 Urlaub und Reisen __________________ 105 Eine erholsame Reise ________________ 106 Schmerzmittel bei Auslandsaufenthalt __ 107 Krankenversicherungsschutz __________ 109 Sport und Bewegung ________________ 111 Schmerzmittel und Sucht ____________ 115 Adressen __________________________ 117 Opioid-Ausweis ____________________ 121 Patientenvorsorge __________________ 123 Anhang ___________________________ 127 Schmerzfragebogen _________________ 128 Impressum _________________________ 129 Haushaltshilfe ______________________ 57 Pflege _____________________________ Häusliche Krankenpflege ______________ Pflegeversicherung___________________ Pflegebedürftigkeit __________________ Pflegestufen ________________________ Pflegehilfsmittel_____________________ Praktische Hinweise zur Pflege von Menschen mit chronischen Schmerzen ___ Wohnumfeldverbesserung/ Wohnungsumbau ____________________ 61 62 65 65 68 71 73 75 1 Vorbemerkung Schmerzen sind eine vertraute Empfindung. Sie können normal und sinnvoll sein – eine Warnung unseres Körpers vor einer Gefahr oder einer Verletzung. Problematisch werden Schmerzen erst, wenn diese für uns zu einem alltäglichen und dauerhaften Begleiter werden. Man spricht dann von chronischen Schmerzen. Dieser Ratgeber ist in erster Linie für Patienten geschrieben, die von chronischen Schmerzen betroffen sind. Dabei ist den Autoren bewusst, dass „Schmerzerkrankungen“ sehr unterschiedlich verlaufen und die Auswirkungen sich von Patient zu Patient unterscheiden. Aufgrund der individuellen Situation der Betroffenen, wird es zwangsläufig so sein, dass nicht alle Kapitel dieses Ratgebers auf jeden zutreffen. Jeder braucht andere Hilfen. Die Auswahl der Themen im Ratgeber richtet sich danach, welche Fragen erfahrungsgemäß bei Menschen mit chronischen Schmerzen aufkommen können und welche sozialversicherungsrechtlichen Leistungen häufig von Bedeutung sind. Aus medizinisch-therapeutischer Sicht gibt dieser Ratgeber nur einen kurzen Überblick – im Kern informiert er wie alle betaCare-Ratgeber zu sozialrechtlichen und psychosozialen Themen. Betroffene und Angehörige sollten sich bewusst machen, dass im Sozialrecht Formalitäten wie Anträge und Fristen schwerwiegende Konsequenzen auf mögliche (finanzielle) Leistungen und den Versicherungsschutz haben können. Das Wissen über die sozialen Auswirkungen der chronischen Schmerzen und über Möglichkeiten den Alltag zu gestalten, kann zudem helfen Sicherheit und Orientierung zu gewinnen. 2 ©Fred Goldstein_fotolia.com Chronische Schmerzen In Deutschland leiden ca. 8–16 Millionen Menschen unter chronischen Schmerzen. Dies entspricht ca. 10–20 % der Bevölkerung. Über ein Drittel der Betroffenen machen sich Sorgen, sie könnten aufgrund ihrer Schmerzen ihre Arbeitsstelle verlieren. 39 % der Patienten mit chronischen Schmerzen sind der Ansicht, dass ihr Gesundheitszustand negative Auswirkungen auf das Zusammenleben mit Familie und Freunde hat, und 21 % haben das Gefühl aufgrund ihrer Schmerzen gesellschaftlich isoliert zu sein (Quelle: Europäisches Weißbuch Schmerz, 2010). Chronische Schmerzen sind immer präsent und nehmen Einfluss auf die Lebensqualität des Einzelnen zu jeder Tageszeit in jeder Lebenssituation. 3 Schmerzarten Die Arbeitsgemeinschaft der Schmerztherapeuten der WHO hat eine allgemeingültige Differenzierung zur Unterscheidung von akutem und chronischem Schmerz getroffen. Akuter und chronischer Schmerz Grundsätzlich sind „akuter“ und „chronischer“ Schmerz zu unterscheiden: • Akuter Schmerz ist zeitlich begrenzt und hat eine Warnfunktion, die den Körper zur Schutzhandlung zwingt. Nach Behandlung der Ursache klingt dieser Schmerz in einem absehbaren Zeitraum wieder ab. • Chronischer Schmerz hält über einen Zeitraum von 3–6 Monaten und länger an. Die Ursache des chronischen Schmerzes ist nicht auffindbar oder bekannt und nicht ursächlich therapierbar. Der Schmerz hat seine Warnfunktion verloren und wird zur eigenständigen Erkrankung, die als chronische Schmerzkrankheit bezeichnet wird. Unser Nervensystem verfügt über ein sogenanntes Schmerzgedächtnis. Es entsteht, wenn akute Schmerzen über einen längeren Zeitraum bestehen und unbehandelt bleiben. Die Nerven werden gereizt und senden dauerhaft immer stärkere Schmerzsignale an das Gehirn. Es setzt ein „Gewöhnungseffekt“ ein und die Nerven senden Schmerzsignale selbst dann, wenn der eigentliche Schmerzauslöser nicht mehr vorhanden ist. Dieser Prozess wird Chronifizierung genannt, der eigentliche Auslöser fehlt, die Schmerzen bleiben und verselbständigen sich. Damit dieser Mechanismus erst gar nicht in Gang kommt, sollte jeder Mensch akute Schmerzen ernst nehmen und rechtzeitig behandeln lassen. So lässt sich verhindern, dass akute Schmerzen chronisch werden. Dieser Ratgeber behandelt ausschließlich das Thema chronische Schmerzen. Chronischer Schmerz kann infolge einer anderen Erkrankung entstehen, z. B. nach einem Unfall, bei Rheuma, Diabetes oder Krebs. Die häufigsten chronischen Schmerzen sind: • Kopfschmerzen • Nervenschmerzen • Rückenschmerzen • Rheumaschmerzen • Arthroseschmerzen • Fibromyalgie • Tumorschmerzen 4 Als chronisch schmerzkrank gelten auch Patienten, bei denen der Schmerz ein Hauptsymptom ihrer Grundkrankheit geworden ist. Wenn das Schmerzleiden sich verselbstständigt, sind Patienten auch physisch (Beweglichkeit, Geschicklichkeit), psychisch (Befindlichkeit, Stimmung), geistig (Denken) und sozial (Familie, Freunde) beeinträchtigt. Diese umfangreichen Auswirkungen sind der Grund dafür, dass chronischer Schmerz auch auf diesen verschiedenen Ebenen behandelt werden muss (siehe S. 8). Hier noch einige Fachbegriffe, denen Patienten begegnen können: • Nozizeptoren Schmerzempfänger und Reizleitungssysteme im Körper, die auf eine drohende oder eingetretene Verletzung oder auf verschiedene Reize des Körpergewebes reagieren. • Nozizeptorenschmerzen Gewebestörungen, bei denen die Nozizeptoren intakt bleiben, z. B. bei chronischen Rückenschmerzen, Tumorschmerzen, chronischen Entzündungsschmerzen. • Somatischer (den Körper betreffender) Schmerz Eine Unterart des Nozizeptorenschmerz. Entsteht durch Reizung der Nozizeptoren der Haut, Gelenke, Skelettmuskulatur u. a. und ist scharf begrenzt, gut lokalisierbar und stechend. • Viszeraler (die Eingeweide betreffender) Schmerz Zweite Unterart des Nozizeptorenschmerz. Entsteht durch Reizung der Nozizeptoren in den inneren Organen des Becken-, Bauch und Brustraums. Diese Schmerzen sind drückend, ziehend und nicht gut lokalisierbar. • Neuropatischer Schmerz Beim neuropathischen Schmerz werden die Nozizeptoren geschädigt, z. B. durch Reizung, Verletzung, Druck. Neuropathischer Schmerz hat zwei unterschiedliche Beschwerdebilder: – Schneidend, stechend und attackenweise auftretend. – Dauerschmerz, der als brennend oder bohrend beschrieben wird. Beispiele für neuropathischen Schmerz: Phantomschmerz nach Amputationen, Neuralgie bei Herpes Zoster, Polyneuropathie. Fachbegriffe 5 Schmerzmessung Voraussetzung für eine angemessene Schmerztherapie ist die genaue Diagnose. Doch wie misst man Schmerzen? Das geht nicht so einfach wie beim Fiebermessen. Die Deutsche Schmerzgesellschaft stützt die Beurteilung von Schmerzen auf 4 Eckpfeiler. Die ersten 3 Bereiche werden durch den Arzt beurteilt, der vierte durch den Patienten: 1. Anamnese Welche Vorerkrankung liegen vor? Wie hat sich der Schmerz entwickelt? 2. Medizinische Untersuchung mit besonderem Blick auf die Nerven. 3. Familienanamnese Welche Faktoren in Berufs- und Privatleben und welche persönlichen Verhaltensmuster (psychosoziale Faktoren) können einen bedeutenden Einfluss auf die chronischen Schmerzen haben. 4. Beurteilung der Schmerzen durch den Patienten mithilfe eines Schmerztagebuchs, eines Schmerzfragebogens oder einer Schmerzskala. Schmerzen werden vom Patienten subjektiv empfunden. Ohne die Mitwirkung des Patienten ist es für den Arzt schwierig, den Schmerz einzuschätzen. Deshalb ist wichtig, dass der Patient seinen Schmerz erfasst und zum Ausdruck bringen kann. Ein Beispiel für einen Schmerzfragebogen finden Sie auf S. 128. Weitere Hilfsmittel zum Beschreiben und Erklären von Schmerzen sind Skalen, mit denen Patienten zeigen, benoten oder beschreiben können, wie stark die Schmerzen sind. In Schmerztagebüchern können Patienten regelmäßig notieren, wie und wo die Schmerzen auftreten, welche Tätigkeiten/ Bewegungen sie ausgeführt, welche Therapien sie durchgeführt oder welche Medikamente sie eingenommen haben. 6 Soziale Auswirkungen chronischer Schmerzen Chronische Schmerzpatienten geraten ohne schmerzlindernde Therapie leicht in einen Kreislauf von Angst, Hoffnungslosigkeit und Depression. Dies hat soziale Auswirkungen auf das tägliche Leben: • Manche Schmerzpatienten verlassen wegen ihrer starken Beschwerden das Haus nur noch, wenn es unumgänglich ist, z. B. für einen Arzt- oder Apothekenbesuch. • Wer schmerzbedingt nicht mehr gut gehen oder während eines Konzert- oder Restaurantbesuchs nicht längere Zeit sitzen kann, zieht sich schnell zurück. Die Sorge, diesen Situationen nicht mehr gewachsen zu sein, oder Bedenken, diese Dinge unter Schmerzen auch nicht genießen zu können, verstärken die Rückzugstendenzen bei Schmerzpatienten. Soziale Isolation kann die Folge sein. • Schmerzpatienten geben häufig Sport und Hobbys auf, zum Teil weil Bewegung unter Schmerzen nicht möglich ist, zum Teil aus Schwäche und Müdigkeit, denn viele Patienten mit starken Schmerzen essen nicht genug oder schlafen schlecht. • Ein hoher Rechtfertigungsdruck belastet manche Schmerzpatienten. Sie können vieles nicht mehr so erledigen oder mitmachen wie vorher, aber chronische Schmerzen sind nicht sicht- oder beweisbar. Die Gefahr, als Simulant abgetan zu werden, ist hoch. Um dem Druck und den Verletzungen aus dem Weg zu gehen, ziehen sich manche Betroffene zurück. • Schmerzpatienten können (verständlicherweise) oft gereizt sein, können die Freude am Leben ebenso verlieren wie die Hoffnung auf Besserung. Wenn die Schmerzerkrankung sehr lange anhält und Therapieerfolge ausbleiben, kann das zu psychischen Veränderungen bis hin zur psychischen (Folge-) Erkrankung führen. Eine individuelle Schmerztherapie mit dem Ziel, dem Patienten tagsüber Aktivität bei geringen Schmerzen sowie eine erholsame Nachtruhe zu ermöglichen, durchbricht diesen Kreislauf oder lässt ihn bei rechtzeitigem Einsatz gar nicht erst entstehen. 7 ©Xuejun Ii_fotolia.com Behandlung Chronische Schmerzen entstehen aus verschiedenen Gründen, sie sind von unterschiedlichen Faktoren abhängig und entwickeln sich verschieden. Es gibt keine Therapie, die allen Patienten hilft, aber fast allen Patienten kann geholfen werden. In der Regel besteht die Therapie aus mehreren Bausteinen, z. B.: • Medikamente (siehe S. 9) • Physikalische Therapie und Physiotherapie (siehe S. 10) • Ergotherapie (siehe S. 11) • Akupunktur (siehe S. 11) • Psychologische Behandlung (siehe S. 12) • Entspannung (siehe S. 12) • Invasive Behandlungen (siehe S. 13) • Operative Eingriffe (siehe S. 14) • Medizinische Rehabilitation (siehe S. 42) Wenn die Behandlung chronischer Schmerzen sich komplex aus mehreren Bausteinen zusammensetzt, sprechen Schmerztherapeuten von „multimodaler Therapie“ oder „spezieller Schmerztherapie“. Der Einstieg in die Therapie kann ganz oder teilweise in einer Klinik erfolgen, wo der Patient gründlich untersucht wird und verschiedene Therapiebausteine ausgetestet und optimiert werden. Wenn eine multimodale Therapie läuft, wird in der Regel alle 6 Monate überprüft, ob die Therapie noch angemessen ist. 8 Wie sich auch immer der persönliche Therapiebaukasten zusammensetzt, wichtig ist, alle Therapievorgaben auch wirklich zu befolgen. Patienten können durch ihr Verhalten entscheidend dazu beitragen, dass die Schmerzen weniger und die Lebensqualität besser wird. Eigeninitiative und Selbstmanagement sind hier von entscheidender Bedeutung. „Schonen und leiden“ ist ein Weg, der in den meisten Fällen die Schmerzerkrankung verschlimmert. Eigenverantwortung Zum Selbstmanagement gehört auch die Information über die Erkrankung. Wenn die Patienten geistig dazu in der Lage sind, sollten sie sich über ihre Form der Schmerzen informieren und die Therapiebausteine, die sie betreffen, in der Wirkung und im Zusammenwirken verstehen. Das heißt aber nicht, dass sich das ganze Leben nur noch um den Schmerz dreht – im Gegenteil: Auch Ablenkung durch Aktivität ist eine wichtige Verhaltensstrategie gegen den Schmerz. Praxistipps! Folgende Tipps können Patienten das Leben mit chronischem Schmerz erleichtern: • Den behandelnden Arzt bezüglich der Schmerzen ansprechen. Schmerzen können mit der richtigen Behandlung gelindert werden. Eventuell wird der Arzt zu einem Schmerztherapeuten oder in eine Schmerzklinik überweisen. • Den Arzt informieren, wenn eine eingeleitete Schmerztherapie nicht ausreichend wirksam ist oder Nebenwirkungen auftreten. Möglicherweise gibt es ein besser verträgliches Medikament. • Schmerztagebuch führen: Das hilft, die Wirksamkeit der Schmerztherapie einzuschätzen und diese richtig anzupassen. • Besuch einer Selbsthilfegruppe für Schmerzpatienten. Austausch mit anderen Betroffenen und gegenseitiges Profitieren von Erfahrungen. • Sich im Alltag so weit als möglich von den Schmerzen ablenken und auf Dinge konzentrieren, die Freude bereiten. Bewusste Konzentration auf Anderes kann helfen, die Schmerzen eine Zeitlang auszublenden. • Die Beschäftigung mit Tieren oder das Engagement in einer Selbsthilfegruppe, der Kirchengemeinde oder einem Verein fördern und erhalten die Lebensfreude und schützen vor Isolation und Vereinsamung. • EntspannungsübungenlindernSchmerzenunderhöhensodie Lebensqualität. Da Schmerzen verschiedene Ursachen haben, werden auch verschiedene Medikamenttypen angewandt, zum Teil auch mehrere in Kombination. Über die medikamentöse Therapie entscheidet allein der Arzt. Insbesondere achtet er auf Nebenwirkungen und Wechselwirkungen verschiedener Medikamente. Medikamente 9 Folgende Medikamenttypen werden häufig in der Schmerztherapie eingesetzt: • Einfache Schmerzmittel • Schmerz- und Entzündungshemmer wirken am Entstehungsort des Schmerzes, beeinflussen zum Teil aber auch die Weiterleitung und Verarbeitung der Schmerzimpulse. • Opioide wirken stärker als die vorherigen Gruppen, weil sie direkt an den Schaltstellen des Nervensystems andocken und so die Schmerzwahrnehmung verhindern. Für Opioide gibt es spezielle Vorschriften, z. B. wenn man Auto fährt oder ins Ausland reist, siehe S. 99 und S. 105. Viele Opioide haben Nebenwirkungen, z. B. Übelkeit oder Verstopfung, gegen die dann zusätzlich Medikamente eingenommen werden müssen. • Pflanzliche Arzneimittel ergänzen meist andere Schmerzmittel, so dass teilweise die Dosis gesenkt werden kann und Nebenwirkungen gelindert werden. • Antidepressiva beeinflussen die Schmerzverarbeitung. • Krampflösende Medikamente (Antikonvulsiva) kommen aus der Epilepsiebehandlung und können Nervenschmerzen beeinflussen. Bei der medikamentösen Therapie der meisten chronischen Schmerzen ist wichtig, die Medikamente genau nach dem vorgegebenen Schema einzunehmen. Es wird nicht gewartet, bis der Schmerz kommt, sondern der Patient sollte im Idealfall ständig schmerzfrei sein. Andernfalls kann sich eine Abhängigkeit entwickeln. Näheres dazu siehe S. 115. Medikamente bilden oft die Basis, damit ein Patient andere Behandlungsbausteine, z. B. Bewegungs- und Verhaltenstherapie, überhaupt umsetzen kann. Informationen zum Thema Zuzahlung und Zuzahlungsbefreiung finden Sie ab S. 29. Physikalische Therapie und Physiotherapie 10 Zur physikalischen Therapie und Physiotherapie zählen: • Massagen • Wasseranwendungen/Kneippgüsse • Wärme- und/oder Kältebehandlungen • Fango • Elektrotherapie (TENS = transkutane elektrische Nervenstimulation, Zwei- und Vierzellenband und Ultraschall) • Sport- und Bewegungstherapie Ob Wärme oder Kälte, Physiotherapie oder Kraftsport, Massage oder Wasser, Strom oder Ultraschall – es kommt immer auf den individuellen Schmerz an. Verallgemeinernd kann man sagen, dass es häufig darum geht, Verspannungen abzubauen, Muskelfunktionen zu erhalten oder neu aufzubauen, den Körper (und mittelbar auch das seelische Gleichgewicht) zu stärken. Die Maßnahmen der Physikalischen Therapie und Physiotherapie sind anerkannte Heilmittel und können durch den behandelnden Arzt verordnet werden. Informationen zum Thema Zuzahlung und Zuzahlungsbefreiung finden Sie ab S. 29. Inzwischen ist es auch eine allgemein anerkannte Meinung, dass Bewegung dazu führt, dass der Körper Endorphine ausschüttet, die Schmerzen lindern. Mehr zu Sport und Bewegung siehe S. 111. Die Maßnahmen der Ergotherapie dienen der Wiederherstellung der motorischen und kognitiven Fähigkeiten. Ergotherapeuten bedienen sich dabei aktivierender und handlungsorientierter Methoden, unter Einsatz von Übungsmaterial, spielerischen, handwerklichen und gestalterischen Techniken sowie lebenspraktischen Übungen. Ergotherapie umfasst auch Beratungen zur Schul-, Arbeitsplatz-, Wohnraum- und Umfeldanpassung. Die Maßnahmen der Ergotherapie sind anerkannte Heilmittel und können durch den behandelnden Arzt verordnet werden. Informationen zum Thema Zuzahlung und Zuzahlungsbefreiung finden Sie ab S. 29. Ergotherapie Akupunktur kann Schmerzen lindern. Die Krankenkasse übernimmt die Kosten bei chronischen Schmerzen der Lendenwirbelsäule oder des Knies infolge einer Gonarthrose. Akupunktur Voraussetzungen für die Kostenübernahme und Therapieumfang: • Chronische Schmerzen der Lendenwirbelsäule, die seit mindestens 6 Monaten bestehen und gegebenenfalls nichtsegmental bis maximal zum Kniegelenk ausstrahlen (pseudoradikulärer Schmerz): Akupunktur mit jeweils bis zu 10 Sitzungen innerhalb von maximal 6 Wochen und in begründeten Ausnahmefällen bis zu 15 Sitzungen innerhalb von maximal 12 Wochen, jeweils mindestens 30 Minuten Dauer, mit jeweils 14 bis 20 Nadeln. • Chronische Schmerzen in mindestens einem Kniegelenk durch Gonarthrose, die seit mindestens 6 Monaten bestehen, mit jeweils bis zu 10 Sitzungen innerhalb von maximal 6 Wochen und in begründeten Ausnahmefällen bis zu 15 Sitzungen innerhalb von maximal 12 Wochen: Akupunktur mit jeweils mindestens 30 Minuten Dauer, mit jeweils 7 bis 15 Nadeln, je behandeltem Knie. 11 Eine erneut abrechenbare Behandlung kann frühestens 12 Monate nach Abschluss einer Akupunkturbehandlung erfolgen. Wer Akupunktur in Anspruch nehmen will, sollte bei seiner Krankenkasse Adressen von Vertragsärzten erfragen, die mit den Krankenkassen abrechnen können. Psychologische Behandlung Bei chronischen Schmerzen spielen häufig psychosoziale Faktoren eine Rolle, deshalb sind entsprechende Behandlungsansätze unverzichtbar. Allerdings haben viele Patienten Vorbehalte gegen Psychotherapeuten – „leider“, muss man hier sagen. Denn chronische Schmerzen beeinträchtigen immer auch die Psyche und führen nicht selten zu Depressionen. Umgekehrt können ein richtiges Verhalten und ein angemessener Umfang mit der Erkrankung die Schmerzen lindern. Es gibt sehr viele psychologische Therapien. Bei chronischen Schmerzen wird in der Regel ein (kognitiv-)verhaltenstherapeutischer Ansatz gewählt. Auf verschiedenen Wegen, z. B. Patientenschulung oder Therapie, wird versucht, dass der Patient Verhaltensweisen ändert, die z. B. den Schmerz verstärken. Bei psychischen Störungen mit Krankheitswert übernimmt die Krankenversicherung die Kosten bestimmter psychotherapeutischer Behandlungen im Sinne einer Krankenbehandlung. Der Patient kann sich seinen Therapeuten selbst aussuchen und zum Test 5, bei einer analytischen Psychotherapie bis zu 8, Probesitzungen machen. Für eine Psychotherapie ist keine Überweisung durch einen Arzt erforderlich. Der gewählte Psychotherapeut muss allerdings eine Kassenzulassung haben, damit die Krankenkasse die Kosten übernimmt. Der Patient muss bei seiner Krankenkasse einen Antrag auf Feststellung der Leistungspflicht für Psychotherapie stellen. Hierzu teilt der behandelnde Psychotherapeut der Krankenkasse die Diagnose mit, begründet die Indikation und beschreibt Art und Dauer der Therapie. Derzeit anerkannt sind psychoanalytisch begründete Verfahren und Verhaltenstherapie. Zu den anerkannten psychoanalytisch begründeten Verfahren zählen die tiefenpsychologisch fundierte und die analytische Psychotherapie. Für andere Therapien übernehmen die Kassen die Kosten nur im Einzelfall. Entspannung 12 Entspannungsmethoden werden sowohl in der physikalischen als in der psychologischen Behandlung eingesetzt. Viele Methoden können Patienten selbst erlernen und dann (Eigeninitiative!) selbst gezielt nutzen. Sie reduzieren Verspannungen und Stress, wirken also auf Körper und Seele gleichermaßen und können den Schmerz reduzieren. Bei Schmerztherapien werden oft folgende Methoden eingesetzt: • Progressive Muskelentspannung nach Jacobson Gezieltes An- und Entspannen einzelner Muskelgruppen. • Autogenes Training Der Patient stellt sich etwas vor („Ich fühle mich ganz warm.“) und der Körper folgt der Vorstellung. • Yoga Entspannt und dehnt die Muskeln. • Biofeedback-Verfahren Bestimmte Körperzustände, z. B. Spannung, werden in Signale übersetzt und dann lernen die Patienten, diese Signale (also ihren Körperzustand) zu beeinflussen. Eingesetzt werden auch Hypnose, Tai-Chi, Qigong, FeldenkraisMethode, Imaginations- und Meditationstechniken. Mit diesen Methoden gehen Patienten „auf Abstand“ zu ihren Schmerzen. Keine der genannten Entspannungsmethoden kann durch einen Arzt verordnet werden, da diese keine anerkannten Heilmittel sind. Jedoch bieten viele Krankenkassen im Rahmen ihrer Bonusund Prämienprogramme eine teilweise oder komplette Kostenerstattung für Entspannungskurse an, welche an Volkshochschulen, bei Sportvereinen, in Fitnessstudios und in Ergo- und Physiotherapiepraxen angeboten werden. Details sollten mit den zuständigen Krankenkassen im Vorfeld abgeklärt werden. Anleitung zu den verschiedensten Entspannungsmöglichkeiten geben Reha-Kliniken für Schmerzkranke oder Ergotherapeuten und Krankengymnasten (Physiotherapeuten). Bei chronischen Schmerzen werden zum Teil auch invasive (= eingreifende) Verfahren eingesetzt. Dazu zählen z. B. • Spritzentherapien Örtliche Betäubungsmittel werden z. B. bei chronischen Rückenschmerzen gespritzt. Das lindert nicht nur den Schmerz, sondern fördert auch die Entspannung oder reduziert – wenn Entzündungshemmer mit gespritzt werden – Entzündungen. • Nervenstimulation Beim Rückenmark werden Elektroden angebracht, die mit einem Nervenschrittmacher verbunden sind, der ähnlich einem Herzschrittmacher regelmäßig Impulse aussendet. Auf Signal hemmen die Elektroden die Weiterleitung von Schmerzreizen. • Schmerzmittelpumpe Wird nur bei sehr starken Schmerzen eingesetzt und ermöglicht die Gabe von Schmerzmitteln direkt in den Epiduralraum (Bereich um das Rückenmark). Invasive Behandlung 13 Operative Eingriffe Chronische Schmerzen, die beispielsweise durch einen Bandscheibenvorfall oder durch den Verschleiß von Gelenksknorpel entstanden sind, können durch eine Operation deutlich reduziert werden. Bandscheibenoperationen und ein Ersatz eines künstlichen Gelenkes stellen in der Regel in der ärztlichen Behandlungskette die letzte Möglichkeit dar. Operative Eingriffe werden stationär durchgeführt. Im Anschluss daran ist eine stationäre und/oder ambulante Rehabilitation sinnvoll. Weitere Informationen siehe Rehabilitation (S. 39) und Zuzahlungen und Zuzahlungsbefreiung in der gesetzlichen Krankenversicherung (S. 29). Umgang mit Schmerzpatienten Der Umgang mit einem Schmerzpatienten hat einen gewissen Einfluss auf die Erkrankung selbst. Anteilnahme verbunden mit Motivation wirkt sich günstig aus. Dagegen können übermäßige Bemitleidung und „Bemutterung“ das Schmerzempfinden des Patienten verstärken. Angehörigen wird empfohlen, dem Patienten Zuneigung und Aufmerksamkeit zeitlich unabhängig von seinen Schmerzäußerungen zu schenken. Das ist wichtig, um den Schmerz im Leben des Patienten nicht zusätzlich zum Mittelpunkt zu machen, was durch die Koppelung „starker Schmerz = Aufmerksamkeit des Partners“ passieren kann. Hilfreich für Schmerzpatienten ist alles, was vom Schmerz ablenkt: Gespräche, gemeinsame Erlebnisse, z. B. Spaziergänge oder Gesellschaftsspiele. Besonders hilfreich zur Schmerzbewältigung sind Hobbys, die hohe Konzentration erfordern, z. B. das Erlernen und Spielen eines Musikinstruments oder Malen. Der Partner oder der Angehörige kann mit leichten Massagen am Rumpf, an den Händen oder den Füßen Erleichterung verschaffen. Massagen wirken auf den Patienten entspannend und wohltuend, außerdem fördern sie die Durchblutung. Der Patient sollte befragt werden, in welchen Körperbereichen und in welcher Stärke er die Massage als angenehm empfindet. Oft sind das Körperstellen, die am weitesten von den schmerzenden Bereichen entfernt sind. Durch die angenehme Berührung, z. B. am Fuß, wird der Patient von Schmerzen am Rücken abgelenkt, seine Muskeln können sich entspannen und er fühlt sich wohl. 14 Auswirkungen auf Angehörige Wenn ein Mensch schwer erkrankt, beeinflusst das auch das gesamte Umfeld. Das gilt für Schmerzerkrankungen ganz besonders: Die Familie des Patienten leidet oft unter der Situation. Gesunde Menschen können sich kaum in die Lage eines schmerzkranken Angehörigen hineinversetzen – das kann zu Konflikten führen. Aber auch die eigene Hilflosigkeit angesichts der Schmerzen des Angehörigen ist schwer zu ertragen. Eventuell muss der gesunde Partner mehr und mehr Aufgaben übernehmen, so dass für eigene Belange und Sorgen kaum noch Raum bleibt. Umso wichtiger ist es, sich diese eigene Zeit ganz bewusst zu nehmen. Ist der Schmerzpatient sehr oft gereizt, sollten sich Angehörige bewusst machen, dass diese „Launen“ keine Böswilligkeit sind, sondern Ausdruck des Leidens. Dennoch ist es schwer, dies auf Dauer auszuhalten, deshalb sollten sich Angehörige hilfreiche, ausgleichende Ansprechpartner im Umfeld oder in Selbsthilfegruppen für Angehörige suchen. Wenn die Schmerzerkrankung sehr lange anhält und Therapieerfolge ausbleiben, werden manche Schmerzpatienten depressiv. Sie fühlen sich in Beruf sowie Alltag überfordert und familiäre Konflikte häufen sich. Lange Phasen der Arbeitsunfähigkeit und daran anschließende Arbeitslosigkeit oder Erwerbsminderung sind nicht selten. Finanzielle Probleme können die Folge sein, der gewohnte Lebensstandard einer Familie sinkt oder die Abzahlung des Hauses kann z. B. nicht mehr geleistet werden. Wenn die Familie diesen Belastungen nicht mehr gewachsen ist, sollte sie fachmännische Hilfe in Anspruch nehmen. Familienberatungsstellen oder eine Paar- oder Familientherapie können in schwierigen Lebenssituationen Hilfestellung bieten und zerstörende Prozesse in der Partnerschaft aufhalten. Falls der Schmerzpatient an Krebs leidet, sind auch psychosoziale Krebsberatungsstellen eine sinnvolle Anlaufstelle bei familiären Problemen – sofern deren Ursache in der Erkrankung liegt. Eine chronische Schmerzerkrankung wird nicht zwangsläufig zur Belastung für die Partnerschaft, sondern kann auch dazu führen, dass aus einem vielleicht oberflächlichen „nebeneinander Leben“ eine tief verbundene Gemeinschaft entsteht. 15 16 ©Bernd_Leitner_fotolia.com Arbeitsunfähigkeit und finanzielle Leistungen Schwere Schmerzen, die z. B. durch einen Bandscheibenvorfall oder durch den Verschleiß von Gelenkknorpeln entstehen, sind in Deutschland einer der häufigsten Gründe für Arbeitsunfähigkeit. 17 Arbeitsunfähigkeit Definition „Arbeitsunfähigkeit“: Arbeitsunfähigkeit (AU) ist ein durch Krankheit oder Unfall hervorgerufener regelwidriger Körper- oder Geisteszustand, aufgrund dessen der in der Kranken- und Unfallversicherung Versicherte seine bisherige Erwerbstätigkeit nicht oder nur unter Gefahr der Verschlimmerung des Zustands weiter ausüben kann. Die AU ist Voraussetzung für Entgeltfortzahlung und Krankenoder Verletztengeld. Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, dem Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit und die voraussichtliche Dauer unverzüglich mitzuteilen. Die Beurteilung anhaltender Schmerzen und der daraus resultierenden Arbeitsunfähigkeit ist komplex. Neben Grunderkrankung und Allgemeinzustand spielt auch die psychische Stabilität des Patienten eine Rolle. Arbeitsunfähigkeit: Welche Hilfen greifen wann? Nachfolgend eine vereinfachte grafische Darstellung, welche Hilfen greifen (können), wenn ein Arbeitnehmer längere Zeit arbeitsunfähig ist. Arbeitsunfähigkeit (Krankmeldung) – Seite 18 Entgeltfortzahlung vom Arbeitgeber (in der Regel 6 Wochen) – Seite 20 Krankengeld von der Krankenkasse (bis max. 78 Wochen) – Seite 20 Aussteuerung aus der Krankenkasse – Seite 25 Rente wegen Erwerbsminderung Seite 91 18 Arbeitslosengeld bei Arbeitsunfähigkeit Seite 27 Medizinische Rehabilitation Seite 42 Berufliche Reha – Seite 53 Übergangsgeld – Seite 56 Bei Anwendung von Opioiden können aufgrund möglicher Nebenwirkungen wie Sehstörungen, Müdigkeit, Konzentrationsstörungen, Übelkeit und Schwindel manche Schmerzpatienten ihren Beruf vorübergehend oder dauerhaft nicht mehr ausüben. Opioidanwendung Das gilt besonders für Berufe, in denen der Patient sich selbst oder andere gefährden kann, z. B.: • Absturzgefahr bei Schwindel (Gerüstbauer, Dachdecker, Zimmerer) • Verletzungsgefahr infolge von Sehstörungen (Arbeiter an laufenden Maschinen, handwerkliche Berufe, Verkehrsteilnehmer) • Fehlleistungen infolge von Müdigkeit und Aufmerksamkeitsstörungen (Heilberufe, Therapeuten, handwerkliche Berufe, Fernfahrer) Bei vorübergehender Schmerzmitteleinnahme wird eine Krankschreibung ausreichend sein, um unangenehme Folgen für Schmerzpatienten weitgehend zu vermeiden. Bei dauerhaft auf starke Schmerzmittel angewiesenen Menschen kann jedoch eine Umsetzung im Betrieb oder eine Umschulung notwendig werden. Manche Schmerzpatienten möchten auf die Einnahme von Schmerzmitteln verzichten, aus Sorge, infolge der Nebenwirkungen nicht mehr arbeiten gehen zu dürfen. Menschen mit chronisch starken Schmerzen erhalten durch den Verzicht auf Schmerzmittel nicht ihre Arbeitsfähigkeit, da unter solchen Schmerzen die Bewegungs- und Konzentrationsfähigkeit zu stark beeinträchtigt ist. Ziel der Schmerzbehandlung ist die schnellstmögliche Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit, denn mit zunehmender Krankheitsdauer sinkt die Chance auf ein schmerzfreies Leben. 19 Entgeltfortzahlung Die Entgeltfortzahlung ist eine arbeitsrechtliche Regelung und keine Leistung der Sozialversicherung. Entgeltfortzahlung erhalten alle Arbeitnehmer, auch geringfügig Beschäftigte und Auszubildende, unabhängig von der wöchentlichen Arbeitszeit, sofern sie ein ununterbrochenes Arbeitsverhältnis von 4 Wochen haben. Die Arbeitsunfähigkeit muss dem Arbeitgeber unverzüglich mitgeteilt werden. Die gesetzliche Anspruchsdauer auf Entgeltfortzahlung beträgt 6 Wochen und wird in Höhe von 100 % des üblichen Arbeitsentgelts bezahlt. Falls während einer Arbeitsunfähigkeit eine neue Krankheit auftritt, verlängern sich die 6 Wochen Entgeltfortzahlung nicht. Wegen derselben Erkrankung besteht ein Entgeltfortzahlungsanspruch nur für insgesamt 6 Wochen. Ein erneuter Anspruch besteht erst, wenn der Arbeitnehmer mindestens 6 Monate wegen derselben Erkrankung nicht arbeitsunfähig war, d. h. berufstätig war oder als Arbeitsloser dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stand. Dieselbe Erkrankung bedeutet, dass sie auf derselben Ursache und demselben Grundleiden beruht. Falls der Arbeitgeber keine Entgeltfortzahlung leistet und die Krankenkasse noch nicht zahlt, keine Einkünfte oder kein verwendbares Vermögen zur Verfügung stehen, ist es sinnvoll, sich bezüglich finanzieller Hilfen an das Sozialamt oder die Agentur für Arbeit zu wenden. Krankengeld Gesetzlich pflichtversicherte Schmerzpatienten, die länger als 6 Wochen arbeitsunfähig sind oder während der Arbeitsunfähigkeit ihren Arbeitsplatz verlieren, erhalten Krankengeld von der Krankenkasse. Das Krankengeld ist eine sogenannte Lohnersatzleistung, d. h. es wird nur gezahlt, wenn nach 6 Wochen kein Anspruch (mehr) auf Lohnfortzahlung durch den Arbeitgeber besteht. 20 Weitere Voraussetzungen sind: • Versicherteneigenschaft zum Zeitpunkt des Eintritts der Arbeitsunfähigkeit. • Arbeitsunfähigkeit aufgrund Krankheit oder • stationäre Behandlung in Krankenhaus, Vorsorge- oder Reha-Einrichtung auf Kosten der Krankenkasse. • Es handelt sich immer um dieselbe Krankheit bzw. um eindeutige Folgeerkrankungen derselben Grunderkrankung. Tritt während der Arbeitsunfähigkeit eine weitere Krankheit auf, verlängert sich die Leistungsdauer dennoch nicht. Voraussetzungen Anspruch auf Krankengeld entsteht: • bei Krankenhausbehandlung mit der stationären Aufnahme im Krankenhaus bzw. in Vorsorge- oder Reha-Einrichtungen. • bei Arbeitsunfähigkeit mit dem auf die ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit folgenden Tag. Anspruch auf Krankengeld Praxistipp! Für einen Anspruch auf Krankengeld ist es wichtig, auf eine lückenlose Attestierung durch den Arzt zu achten. Der Anspruch entsteht erst einen Tag nach der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit. Spätestens am letzten Tag der Krankschreibung muss also beim Arzt ein neues Attest ausgestellt werden. Auch das Wochenende zählt bei der Berechnung mit. Ist das ärztliche Attest beispielsweise bis Freitag gültig, ist spätestens an diesem Tag der Arzt aufzusuchen. Ein Arztbesuch am Montag ist bereits zu spät. Unter bestimmten Voraussetzungen, wie z. B. einer Kündigung vom Arbeitgeber, kann der Anspruch auf Krankengeld durch eine nicht lückenlose Attestierung verloren gehen. Keinen Anspruch auf Krankengeld haben: • Versicherungspflichtige Personen in Einrichtungen der Jugendhilfe. • Teilnehmer an Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben sowie zur Berufsfindung und Arbeitserprobung, die nicht nach dem Bundesversorgungsgesetz erbracht werden; Ausnahme bei Anspruch auf Übergangsgeld. • Studenten (in der Regel bis zum Abschluss des 14. Fachsemesters oder bis zur Vollendung des 30. Lebensjahres). • Praktikanten. • Familienversicherte. • Bezieher einer vollen Erwerbsminderungsrente, Erwerbsunfähigkeitsrente, einer Vollrente wegen Alters, eines Ruhegehalts, eines versicherungspflichtigen Vorruhestandsgehalts. Kein Anspruch auf Krankengeld 21 • Personen die infolge der Gesundheitsreform 2007 krankenversicherungspflichtig wurden (§ 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V). Ausnahme: Dennoch Anspruch auf Krankengeld haben abhängig und nicht nur geringfügig Beschäftigte. • Bezieher von Arbeitslosengeld II und Sozialgeld. Mit dem Tage der Bewilligung einer Rente endet der Anspruch auf Krankengeld. Wurden für eine gewisse Zeit gleichzeitig Rente und Krankengeld gezahlt, so fordert die Krankenkasse das Krankengeld zurück. Der Versicherte darf unter Umständen lediglich den Teil des Krankengeldes behalten, der über die Rente hinausging (sogenannter Spitzbetrag). Freiwillig Versicherte Hauptberuflich Selbstständige, die freiwillig in einer gesetzlichen Krankenversicherung zum allgemeinen Beitragssatz von 15,5 % versichert sind, haben einen Krankengeldanspruch ab der 7. Woche Arbeitsunfähigkeit. Alternativ können sie den ermäßigten Beitragssatz von 14,9 % zahlen und einen Wahltarif für das Krankengeld abschließen. Angestellte, die aufgrund von Überschreiten der Versicherungspflichtgrenze freiwillig versichert sind, erhalten ab der 7. Woche Arbeitsunfähigkeit Krankengeld. Höhe Das Krankengeld beträgt • 70 % des Arbeitsentgelts (sogenanntes Bruttoentgelt), • maximal aber 90 % des Nettoarbeitsentgelts. Bei der Berechnung werden auch die Einmalzahlungen in den letzten 12 Monaten vor der Arbeitsunfähigkeit berücksichtigt. Berechnungsbeispiel Das Krankengeld wird kalendertäglich für 30 Tage je Kalendermonat gezahlt. Das folgende Berechnungsbeispiel enthält keine regelmäßigen Zusatzleistungen. Monatlich brutto 3.000,– e 3.000,– e : 30 für Kalendertag = 100,– e davon 70 % = 70,– e Monatlich netto 1.800,– e 1.800 : 30 für Kalendertag = 60,– e davon 90 % = 54,– e Folgt: Krankengeld beträgt brutto 54,– e täglich Abgezogen vom Krankengeld werden Sozialversicherungsbeiträge für die Arbeitslosen-, Pflege- und Rentenversicherung. Die Krankenkasse übernimmt die Beiträge der Krankenversicherung und jeweils die Hälfte der drei genannten 22 Versicherungen. Damit ergibt sich in der Regel zusätzlich ein Abzug von 11,98 % bei Krankengeldempfängern mit Kindern bzw. von 12,23 % bei kinderlosen Empfängern. Tarifverträge können vorsehen, dass der Arbeitnehmer für eine gewisse Dauer, in der Regel abhängig von Betriebszugehörigkeit und Lebensalter, einen Zuschuss zum Krankengeld vom Arbeitgeber erhält. Bei freiwillig Versicherten über der Beitragsbemessungsgrenze wird nur das Arbeitsentgelt bis zur Höhe der kalendertäglichen Beitragsbemessungsgrenze berücksichtigt, das ist 2014 ein Betrag von 135,– e (= Beitragsbemessungsgrenze 48.600,– e : 360). Da das Krankengeld 70 % dieses Arbeitsentgelts beträgt, kann es maximal 94,50 e täglich betragen. Das Krankengeld wird kalendertäglich für 30 Tage je Kalendermonat gezahlt. Bei Bezug von Arbeitslosengeld oder Unterhaltsgeld wird Krankengeld in Höhe dieser Leistungen gezahlt. Höchstbetrag des Krankengeldes Die Dauer des Krankengeldes wegen derselben Krankheit beträgt maximal 78 Wochen (546 Kalendertage) innerhalb von 3 Jahren ab Beginn der Arbeitsunfähigkeit. Bei den 3 Jahren handelt es sich um die sogenannte Blockfrist. Dauer Die Blockfrist beginnt mit dem erstmaligen Eintritt der Arbeitsunfähigkeit für die ihr zugrunde liegende Krankheit. Bei jeder Arbeitsunfähigkeit wegen einer anderen Erkrankung beginnt eine neue Blockfrist. Es ist möglich, dass mehrere Blockfristen nebeneinander laufen. „Dieselbe Krankheit“ heißt: identische Krankheitsursache. Dazu zählen Krankheitsschübe (z. B. bei Morbus Bechterew) oder Folgeerkrankungen einer nicht ausgeheilten Grunderkrankung. Die Leistungsdauer verlängert sich nicht, wenn während der Arbeitsunfähigkeit eine andere Krankheit hinzutritt. Es bleibt bei maximal 78 Wochen. Nach Ablauf der Blockfrist (= 3 Jahre), in der der Versicherte wegen derselben Krankheit Krankengeld für 78 Wochen bezogen hat, entsteht ein erneuter Anspruch auf Krankengeld wegen derselben Erkrankung unter folgenden Voraussetzungen: • erneute Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit, • mindestens 6 Monate lang keine Arbeitsunfähigkeit wegen dieser Krankheit und • mindestens 6 Monate Erwerbstätigkeit oder der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stehend. Erneuter Anspruch auf Krankengeld wegen derselben Krankheit 23 Zeiten, in denen der Anspruch auf Krankengeld zwar theoretisch besteht, aber tatsächlich ruht oder versagt wird, werden wie Bezugszeiten von Krankengeld angesehen. Beispiel Der Arbeitgeber zahlt bei Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers dessen Arbeitsentgelt bis zu 6 Wochen weiter (§ 3 EntgeltfortzahlungsG), d. h.: Der Anspruch auf Krankengeld besteht zwar, aber er ruht (§ 49 Abs. 1 SGB V). Erst danach gibt es Krankengeld. Die 6 Wochen Entgeltfortzahlung werden aber wie Krankengeld-Bezugszeiten behandelt, so dass noch maximal 72 Wochen (78 Wochen abzüglich 6 Wochen = 72 Wochen) Krankengeld gezahlt wird. Praxistipp! Zahlt der Arbeitgeber bei Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers das Entgelt nicht weiter, obwohl hierauf ein Anspruch nach § 3 Entgeltfortzahlungsgesetz besteht, gewährt die Krankenkasse bei Vorliegen der Voraussetzungen das Krankengeld, da das Krankengeld nur bei tatsächlichem Bezug des Arbeitsentgelts ruht. Der Anspruch des versicherten Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber auf Entgeltfortzahlung geht dabei auf die Krankenkasse über. Ruhen des Anspruchs 24 Der Anspruch auf Krankengeld ruht: • bei Erhalt von (mehr als einmalig gezahltem) Arbeitsentgelt. Das gilt besonders bei Entgeltfortzahlung (§ 3 EntgeltfortzahlungsG) bis zu 6 Wochen. Wenn das Arbeitsentgelt niedriger als das Krankengeld ist, wird die Differenz als Krankengeld geleistet. Nicht darunter fallen Zuschüsse zum Krankengeld, soweit sie zusammen mit dem Krankengeld das Nettoeinkommen nicht übersteigen. • bei Inanspruchnahme von Elternzeit nach dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz bis zum dritten Geburtstag eines Kindes. Dies gilt nicht, wenn die Arbeitsunfähigkeit vor Beginn der Elternzeit eingetreten ist oder wenn das Krankengeld aus einer versicherungspflichtigen Teilzeitbeschäftigung während der Elternzeit errechnet wird. • bei Bezug von Versorgungskrankengeld, Übergangsgeld, Arbeitslosengeld, Arbeitslosengeld bei beruflicher Weiterbildung, Kurzarbeitergeld, Winterausfallgeld; auch bei Ruhen dieser Ansprüche wegen einer Sperrzeit. • bei Bezug von Mutterschaftsgeld oder Arbeitslosengeld. • solange die Arbeitsunfähigkeit der Krankenkasse nicht gemeldet ist. Meldefrist bis zu einer Woche nach Beginn der Arbeitsunfähigkeit. Krankengeld wird gekürzt um den Zahlbetrag der • Altersrente, Rente wegen Erwerbsminderung oder Landabgabenrente, jeweils aus dem Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte, • Teilrente wegen Alters aus der Rentenversicherung, • Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung (früher: Rente wegen Erwerbs- bzw. Berufsunfähigkeit), • Knappschaftsausgleichsleistung, Rente für Bergleute, Kürzung des Krankengeldes soweit die Leistung nach Beginn der Arbeitsunfähigkeit oder stationären Behandlung zuerkannt wird. Praxistipp! Wenn eine der genannten Zahlungen eintrifft, ist dies der Krankenkasse schnellstmöglich mitzuteilen. Das erspart spätere Rückzahlungen. Wenn der behandelnde Arzt oder der Arzt des medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (sogenannter Vertrauensarzt der Krankenkasse) die Erwerbsfähigkeit des Versicherten als erheblich gefährdet oder gemindert einschätzt und dies der Krankenkasse mitteilt (häufig kontaktieren die Krankenkassen Ärzte gezielt mit dieser Fragestellung, um den weiteren Rehabilitationsbedarf abzuklären), kann die Krankenkasse dem Versicherten eine Frist von 10 Wochen setzen, um einen Antrag auf Rehamaßnahmen zu stellen. Kommt der Versicherte dieser Aufforderung nicht fristgerecht nach, ruht mit Ablauf der Frist der Anspruch auf Krankengeld und die Mitgliedschaft bei der Krankenkasse in ihrer bisherigen Form endet. Wird der Antrag später gestellt, lebt der Anspruch auf Krankengeld mit dem Tag der Antragstellung wieder auf. Zu beachten ist hierbei, dass der Rentenversicherungsträger nach Prüfung des Antrags auch zur Erkenntnis kommen kann, dass Rehamaßnahmen keine Aussicht auf Erfolg (Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit) mehr haben und den Antrag auf Rehamaßnahmen dann direkt in einen Antrag auf Erwerbsminderungsrente umwandelt. Wegfall des Krankengelds bei fehlender Mitwirkung Wird der Anspruch auf Krankengeld (78 Wochen Arbeitsunfähigkeit innerhalb von 3 Jahren wegen derselben Erkrankung) ausgeschöpft und ist der Versicherte noch immer arbeitsunfähig, endet auch seine Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung! Dieser Vorgang wird Aussteuerung genannt. Ende des Krankengelds durch Höchstbezugsdauer/ Aussteuerung aus der Krankenkasse 25 In der Regel informieren die Krankenkassen das Mitglied 2–3 Monate vor der Aussteuerung. Damit weiter ein Anspruch auf medizinische Leistungen besteht, ist es wichtig Mitglied der Krankenkasse zu bleiben. Es gibt folgende Möglichkeiten: • Freiwillige Versicherung bei einer gesetzlichen Krankenkasse. • Familienversicherung (wenn z. B. der Ehemann/die Ehefrau Mitglied einer gesetzlichen Krankenkasse ist). • Beantragung von Arbeitslosengeld bei Arbeitsunfähigkeit, einer Sonderform des Arbeitslosengelds im Sinne der Nahtlosigkeit Ende des Krankengelds durch Anspruch auf Altersrente Das Krankengeld endet auch automatisch mit dem Tag, ab dem ein gesetzlicher Anspruch auf eine Rente wegen Alters aus der gesetzlichen Rentenversicherung besteht. Man sollte daher bei entsprechenden Ansprüchen seine Altersrente rechtzeitig beantragen. Praxistipp! Nach Ende der Mitgliedschaft besteht für Krankengeldbezieher noch für einen Monat ein sogenannter nachgehender Leistungsanspruch, allerdings ohne Krankengeld. Wer keinen Anspruch auf eine kostenfreie Familienversicherung hat, sollte daher spätestens innerhalb dieses Monats eine freiwillige Mitgliedschaft beantragen. Da die freiwillige Mitgliedschaft sich unmittelbar an den Tag des Endes der Mitgliedschaft anschließen muss, besteht auch keine Möglichkeit, diese erst zum Ende des nachgehenden Leistungsanspruchs beginnen zu lassen. Wer hilft weiter? Ansprechpartner sind die Krankenkassen. 26 Arbeitslosengeld bei Arbeitsunfähigkeit Wenn ein Versicherter keinen Anspruch auf Krankengeld mehr hat, aber weiterhin arbeitsunfähig ist, kann er „Arbeitslosengeld bei Arbeitsunfähigkeit“ beantragen. Diese Zahlung ist eine Sonderform des Arbeitslosengelds und überbrückt die Zeit ohne Arbeitslosengeld (weil man nicht vermittelt werden kann), bis eine andere Leistung, z. B. Weiterbildung oder Rente, gezahlt wird. Folgende Voraussetzungen müssen erfüllt sein: • Arbeitsunfähigkeit. • Arbeitslosigkeit oder • Bestehen eines Arbeitsverhältnisses, das jedoch aufgrund einer Krankheit/Behinderung schon mindestens 6 Monate nicht mehr ausgeübt werden konnte. • Erfüllung der Anwartschaftszeit Die Anwartschaftszeit ist erfüllt, wenn der Antragsteller in den letzten 2 Jahren vor der Arbeitslosenmeldung und dem Eintritt der Arbeitslosigkeit mindestens 12 Monate (= 360 Kalendertage) in einem Versicherungspflichtverhältnis stand. Über andere berücksichtigungsfähige Zeiten informieren die Agenturen für Arbeit. • Der Arbeitslose steht wegen einer Minderung seiner Leistungsfähigkeit länger als 6 Monate der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung, weswegen kein Anspruch auf Arbeitslosengeld besteht. • Es wurden entweder Abgestufte Erwerbsminderungsrente beim zuständigen Rentenversicherungsträger beantragt oder Maßnahmen zur beruflichen Eingliederung Behinderter (Teilhabe am Arbeitsleben, Medizinische Rehabilitation). • Der Antrag muss innerhalb eines Monats nach Zugang eines entsprechenden Aufforderungsschreibens der Agentur für Arbeit gestellt worden sein. Wurde ein solcher Antrag unterlassen, ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld nach Ablauf der Monatsfrist bis zu dem Tag, an dem der Arbeitslose den Antrag stellt. Hat der Rentenversicherungsträger die verminderte Erwerbsfähigkeit bereits festgestellt, besteht kein Anspruch auf „Nahtlosigkeits-Arbeitslosengeld“. Voraussetzungen 27 Dauer Höhe Das Arbeitslosengeld im Wege der sogenannten Nahtlosigkeit wird gezahlt, bis über die Frage der verminderten Erwerbsfähigkeit entschieden wird, längstens bis der Arbeitslosengeldanspruch endet. Damit überbrückt es die Übergangszeit, in der der Rentenversicherungsträger über das Vorliegen einer verminderten Erwerbsfähigkeit entscheidet. Relevant ist, was der Arbeitslose zuletzt im Bemessungszeitraum (in der Regel die letzten 52 Wochen vor Arbeitslosigkeit) als VollErwerbstätiger verdient hat. Es kommt nicht darauf an, was der Arbeitslose aufgrund der Minderung seiner Leistungsfähigkeit verdienen könnte. Wird für die Zeit des Nahtlosigkeits-Arbeitslosengelds rückwirkend Übergangsgeld gezahlt oder Rente gewährt, erhält der Arbeitslose nur den evtl. überschießenden Betrag. War das Nahtlosigkeits-Arbeitslosengeld höher, muss er den überschießenden Betrag jedoch nicht zurückzahlen. Praxistipp! Wird dem Arbeitslosen vom Rentenversicherungsträger Leistungsfähigkeit von mehr als 15 Stunden wöchentlich bescheinigt, muss er sich, um weiterhin Arbeitslosengeld zu beziehen, der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stellen – auch wenn er mit der Entscheidung des Rentenversicherungsträgers nicht einverstanden ist und gegen diese gerichtlich vorgeht. Obwohl das Verhalten des Arbeitslosen gegenüber dem Rentenversicherungsträger (Geltendmachung von Leistungsunfähigkeit) im Widerspruch zum Verhalten gegenüber der Agentur für Arbeit (Leistungsfähigkeit und Bereitschaft zur Arbeitsaufnahme) steht, muss der Arbeitslose im Verfahren mit dem Rentenversicherungsträger keine Nachteile befürchten, da die Beurteilung über die Leistungsfähigkeit ausschließlich nach objektiven Maßstäben erfolgt. Auf subjektive Erklärungen des Arbeitslosen („sich dem Arbeitsmarkt zur Verfügung zu stellen“) kommt es nicht an. Wer hilft weiter? Die örtliche Agentur für Arbeit. 28 Zuzahlungen in der gesetzlichen Krankenversicherung Durch häufige Verordnung von Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln fallen bei chronisch schmerzkranken Patienten verschiedene Zuzahlungen an. 29 Zuzahlungen Versicherte ab 18 Jahren müssen zu bestimmten Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung Zuzahlungen leisten. Die nachfolgenden Regelungen gelten auch für Sozialhilfeempfänger. Die folgende Auflistung enthält alle Zuzahlungen, auch wenn sie bei Chronischen Schmerzen nicht relevant sind. Doch für eine mögliche Zuzahlungsbefreiung (siehe S. 33) werden sie alle einbezogen. Übersicht Zuzahlungen Arzneimittel Zuzahlung (umgangssprachlich „Rezeptgebühr“): 10 % der Kosten, mindestens 5,– E, maximal 10,– E, in keinem Fall mehr als die Kosten des Arzneimittels. Preis/Kosten bis 5,– € 5,01 € bis 50,– € 50,– € bis 100,– € Ab 100,– € Zuzahlung Preis = Zuzahlung 5,– € 10 % des Preises 10,– € Zuzahlungsfreie Arzneimittel: Aufgrund des Arzneimittelwirtschaftlichkeitsgesetzes (AVWG) entscheidet der Spitzenverband Bund der Krankenkassen, welche Arzneimittelwirkstoffe von der Zuzahlung befreit werden können. Auf www.gkv-spitzenverband.de > Service > Zuzahlungen und Befreiungen > Befreiungsliste Arzneimittel (Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen) ist eine Übersicht der zuzahlungsbefreiten Arzneimittel zu finden, die 14-tägig aktualisiert wird. Festbeträge: Der Festbetrag ist der erstattungsfähige Höchstbetrag bei einem Arzneimittel. Liegt der Preis eines verordneten Arzneimittels darüber, muss der Versicherte selbst den Differenzbetrag (Mehrkosten) zahlen. Die Zuzahlung richtet sich nach dem (niedrigeren) Festbetrag. In der Summe zahlt der Patient also Mehrkosten plus Zuzahlung. Den Differenzbetrag müssen auch Versicherte zahlen, die von der Zuzahlung befreit sind. Für Patienten lohnt es sich immer, aktiv nach kostengünstigen Alternativen zu fragen. 30 Verbandmittel 10 % der Kosten, mindestens 5,– €, maximal 10,– €, in keinem Fall mehr als die Kosten des Verbandmittels. Heilmittel 10 % der Kosten zuzüglich 10,– € je Verordnung. Heilmittel im sozialrechtlichen Sinn sind äußerliche Behandlungsmethoden wie z. B. Massage, Fangopackung oder Ergotherapie. Hilfsmittel 10 % der Kosten, mindestens 5,– €, maximal 10,– €. Bei zum Verbrauch bestimmten Hilfsmitteln beträgt die Zuzahlung 10 % je Packung, maximal jedoch 10,– € monatlich. Hilfsmittel sind ein Gegenstände oder ein Geräte, wie z. B. Hörgerät, Protese, Brille, Krücken oder Rollstuhl. Häusliche Krankenpflege 10 % der Kosten pro Tag, begrenzt auf 28 Tage im Kalenderjahr, zuzüglich 10,– € je Verordnung. Häusliche Krankenpflege bedeutet, dass ein Patient zu Hause von Fachpersonal versorgt wird. Soziotherapie 10 % der Kosten pro Tag, mindestens 5,– €, maximal 10,– €. Soziotherapie ist die ambulante Betreuung schwer psychisch kranker Menschen. Haushaltshilfe 10 % der Kosten pro Tag, mindestens 5,– €, maximal 10,– €. Eine Haushaltshilfe ist eine fremde oder verwandte Person, die die tägliche Arbeit im Haushalt erledigt (siehe S. 57). Krankenhausbehandlung, Anschlussheilbehandlung 10,– € pro Kalendertag, für längstens 28 Tage pro Kalenderjahr. Bereits im selben Jahr geleistete Zuzahlungen zu Krankenhausund Anschlussheilbehandlung (siehe S. 47) werden angerechnet. Ambulante und stationäre Leistungen zur Rehabilitation 10,– € pro Kalendertag an die Einrichtung, in der Regel ohne zeitliche Begrenzung. 31 Fahrtkosten 10 % der Fahrtkosten (bei medizinisch angeordneten Fahrten), mindestens 5,– €, maximal 10,– €, in keinem Fall mehr als die Kosten der Fahrt. Auch für Fahrten von Kindern. Nicht befreiungsfähige Zuzahlungen Folgende Zuzahlungen werden bei der Berechnung der Zuzahlungsbefreiung nicht berücksichtigt: • Zahnersatz Die Krankenkasse übernimmt: – 50 % der Regelversorgungskosten (= Festzuschuss) – 60 % der Regelversorgungskosten bei 5 Jahren Vorsorge (nachgewiesen durch das Bonusheft) – 65 % der Regelversorgungskosten bei zehn Jahren Vorsorge (nachgewiesen durch das Bonusheft) Den Rest zahlt der Versicherte zu. Darüber hinaus gelten beim Zahnersatz besondere Härtefallregelungen. • Kieferorthopädische Behandlung bei Erwachsenen 20 % der Kosten und nur, wenn zusätzlich kieferchirurgische Behandlungsmaßnahmen erforderlich sind, ansonsten zahlt der Versicherte voll. 32 Zuzahlungsbefreiung bei Erreichen der Belastungsgrenze Die Belastungsgrenze soll verhindern, dass insbesondere chronisch Kranke, Behinderte, Versicherte mit einem geringen Einkommen und Sozialhilfeempfänger durch die Zuzahlungen zu medizinischen Leistungen unzumutbar belastet werden. Die Belastungsgrenze liegt bei 2 % des jährlichen Bruttoeinkommens. Das Bruttoeinkommen zum Lebensunterhalt ist als Familienbruttoeinkommen zu verstehen. Es errechnet sich aus dem Bruttoeinkommen des Versicherten und dem Bruttoeinkommen aller Angehörigen des Versicherten, die mit ihm in einem gemeinsamen Haushalt leben. Berechnung des Bruttoeinkommens Angehörige des Versicherten sind: • Ehepartner. • Kinder bis zum Kalenderjahr des 18. Geburtstags. • Kinder ab dem Kalenderjahr des 19. Geburtstags, wenn sie familienversichert sind. • eingetragene gleichgeschlechtliche Lebenspartner (nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz). • sonstige Angehörige nach § 7 Abs. 2 KVLG (Krankenversicherung der Landwirte). Nicht zu den Angehörigen zählen Partner einer eheähnlichen verschiedengeschlechtlichen oder nicht eingetragenen gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft. Von diesem Bruttoeinkommen zum Lebensunterhalt wird ein Freibetrag abgezogen: • Für den ersten im gemeinsamen Haushalt lebenden Angehörigen des Versicherten 4.977,– E (= 15 % der jährlichen Bezugsgröße). • Nur für Mitglieder in der Krankenversicherung der Landwirte: für jeden weiteren im gemeinsamen Haushalt lebenden Angehörigen des Versicherten und des eingetragenen gleichgeschlechtlichen Lebenspartners 3.318,– E (= 10 % der jährlichen Bezugsgröße). • Für jedes Kind des verheirateten Versicherten sowie für jedes Kind eines eingetragenen gleichgeschlechtlichen Lebenspartners 7.008,– E als Kinderfreibetrag, wenn es sich um ein Kind beider Ehegatten handelt, ansonsten 3.504,– E (§ 32 Abs. 6 EStG). • Für das erste Kind eines alleinerziehenden Versicherten 4.977,– E (= 15% der jährlichen Bezugsgröße). • Für jedes weitere Kind eines alleinerziehenden Versicherten 7.008,– E. 33 Einnahmen zum Lebensunterhalt Einnahmen zum Lebensunterhalt sind: • Altersrenten • Arbeitsentgelt • Krankengeld • Arbeitslosengeld • Arbeitseinkommen (bei selbstständiger Tätigkeit) • Einnahmen aus Kapitalvermögen, Vermietung und Verpachtung • Witwen- oder Witwerrente und andere Renten wegen Todes • Einnahmen von Angehörigen im gemeinsamen Haushalt (Ehegatte, familienversicherte Kinder, eingetragene gleichgeschlechtliche Lebenspartner). Nicht hierzu zählen Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft • Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung, wenn diese die Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz übersteigt (§ 31 BVG) • Grundrente für Hinterbliebene nach dem Bundesversorgungsgesetz (§ 38 BVG) • Elterngeld, aber nur der Betrag, der über dem Sockelbetrag von 300,– E bzw. bei doppeltem Bezugszeitraum von 150,– E liegt Bei Empfängern von Hilfe zum Lebensunterhalt (Sozialhilfe), von Arbeitslosengeld II und von Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, wird jeweils nur der Regelsatz des Haushaltsvorstands als Bruttoeinkommen für die gesamte Bedarfsgemeinschaft gezählt. Nicht zu den Einnahmen zählen zweckgebundene Zuwendungen, z. B.: • Pflegegeld • Blindenhilfe • Taschengeld vom Sozialamt für Heimbewohner • Beschädigten-Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) • Rente oder Beihilfe nach dem Bundesentschädigungsgesetz bis zur Höhe der vergleichbaren Grundrente nach dem BVG • Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung, soweit diese der Grundrente nach dem BVG entspricht oder geringer ist • Kindergeld • Elterngeld in Höhe des Sockelbetrags von 300,– € bzw. 150,– € (bei doppeltem Bezugszeitraum), Landeserziehungsgeld • Ausbildungsförderung (BAföG) • Leistungen aus Bundes- und Landesstiftungen „Mutter und Kind – Schutz des ungeborenen Lebens“ 34 Zuzahlungen werden als „Familienzuzahlungen“ betrachtet, d. h. es werden die Zuzahlungen des Versicherten mit den Zuzahlungen seiner Angehörigen, die mit ihm im gemeinsamen Haushalt leben, zusammengerechnet. Dasselbe gilt auch bei eingetragenen gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften. Zuzahlungsbefreiung/ Rückerstattung der Zuzahlung Ausnahme: Ist ein Ehepartner beihilfeberechtigt und/oder privat krankenversichert, werden die Zuzahlungen, die auch dieser evtl. leisten muss, nicht als Familienzuzahlung berechnet, das bedeutet, die gesetzliche Krankenkasse erkennt diese nicht als Zuzahlungen in ihrem Sinne an. Beim Familieneinkommen werden allerdings beide Einkommen herangezogen und somit als Grundlage für die Zuzahlungsbefreiung genommen. Überschreiten die Zuzahlungen 2 % der o. g. Bruttoeinnahmen im Kalenderjahr (= Belastungsgrenze), erhalten der Versicherte sowie sein Ehegatte und die familienversicherten Kinder, die mit ihm in einem gemeinsamen Haushalt leben, für den Rest des Kalenderjahres eine Zuzahlungsbefreiung bzw. den Mehrbetrag von der Krankenkasse zurückerstattet. Ist das Ehepaar bei verschiedenen gesetzlichen Krankenkassen, dann errechnet eine Krankenkasse, ab wann die Voraussetzungen für die Zuzahlungsbefreiung erreicht sind, und stellt ggf. eine Zuzahlungsbefreiung aus. Dies wird der anderen Krankenkasse mitgeteilt, so dass die Versicherten für den Rest des Jahres keine Zuzahlungen mehr leisten müssen. Berechnungsbeispiel Ehepaar mit 2 Kindern: Jährliche Bruttoeinnahmen aller Haushaltsangehörigen: minus Freibetrag für Ehegatte (= erster Haushaltsangehöriger): minus Freibetrag für 2 Kinder (2 x 7.008,– €): ergibt Zwischensumme: davon 2 % = Belastungsgrenze: 30.000,– € 4.977,– € 14.016,– € 11.007,– € 220,14 € Wenn im konkreten Beispiel die Zuzahlungen die Belastungsgrenze von 220,14 € im Jahr übersteigen, übernimmt die Krankenkasse die darüber hinausgehenden Zuzahlungen. Nach Ablauf eines Kalenderjahres ist der Krankenkasse die weitere Dauer der Behandlung nachzuweisen. Auf Verlangen der Krankenkasse kann eine Überprüfung durch den MDK erfolgen. Verschiedene Krankenkassen bieten ihren Versicherten ein Quittungsheft an, in dem sie übers Jahr alle Quittungen von Zuzahlungen sammeln können. Quittungsheft 35 Praxistipp! Die Belastungsgrenze wird im Nachhinein wirksam, weshalb Patienten immer alle Zuzahlungsbelege aufbewahren sollten, da nicht absehbar ist, welche Kosten im Laufe eines Kalenderjahres auflaufen. Wenn ein Versicherter im Lauf des Jahres die „Belastungsgrenze“ erreicht hat, sollte er sich mit seiner Krankenkasse in Verbindung setzen. Die Krankenkasse wird dem Patienten die Zuzahlungen zurückerstatten, die die 2-%ige Belastungsgrenze übersteigen. Bei Erreichen der Belastungsgrenze wird für den Rest des Jahres eine Zuzahlungsbefreiung ausgestellt. Sonderregelung für chronisch Kranke Für chronisch Kranke, die wegen derselben schwerwiegenden Krankheit in Dauerbehandlung sind, gilt eine andere Belastungs– grenze: Sie gelten bereits dann als „belastet“, wenn sie mehr als 1 % der jährlichen Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt für Zuzahlungen ausgeben müssen/mussten. Überschreiten die Zuzahlungen 1 % der Bruttoeinnahmen im Kalenderjahr (= Belastungsgrenze), erhalten der chronisch Kranke, sein Ehepartner und die familienversicherten Kinder für den Rest des Kalenderjahres eine Zuzahlungsbefreiung und es werden zu viel gezahlte Zuzahlungen von der Krankenkasse zurückerstattet. Definition „schwerwiegend chronisch krank“ Als „schwerwiegend chronisch krank“ gilt, wer sich wenigstens ein Jahr lang wegen derselben Krankheit mindestens einmal pro Quartal in ärztlicher Behandlung befindet und mindestens eines der folgenden Kriterien erfüllt: • PflegebedürftigkeitmitPflegestufe2oder3. • GradderBehinderung(GdB)vonmindestens60oder eine Minderung der Erwerbsfähigkeit bzw. ein Grad der Schädigungsfolgen (GdS) von mindestens 60 % (Schwerbehinderte). GdB oder GdS muss durch eine schwerwiegende Krankheit begründet sein. • EinekontinuierlichemedizinischeVersorgung(ärztliche oder psychotherapeutische Behandlung, Arzneimitteltherapie, Versorgung mit Hilfs- und Heilmitteln) ist erforderlich, ohne die aufgrund der chronischen Krankheit nach ärztlicher Einschätzung eine lebensbedrohliche Verschlimmerung der Erkrankung, eine Verminderung der Lebenserwartung oder eine dauerhafte Beeinträchtigung der Lebensqualität zu erwarten ist. 36 Die reduzierte Belastungsgrenze bei Zuzahlungen für chronisch Kranke gilt in der Regel nur dann, wenn sich der Patient an regelmäßiger Gesundheitsvorsorge beteiligt hat oder sich therapiegerecht verhält. Vorsorge und therapiegerechtes Verhalten Hierbei gelten bestimmte Altersgrenzen: • Wer nach dem 1.4.1972 geboren ist und das 35. Lebensjahr vollendet hat, muss jedes 2. Jahr am allgemeinen Gesundheitscheck zur Früherkennung von Krankheiten, insbesondere von Diabetes, Herz-Kreislauf- und Nierenerkrankungen teilnehmen. Wer das nicht tut und chronisch erkrankt, für den liegt die Belastungsgrenze bei 2 % vom Bruttoeinkommen. • Frauen, die nach dem 1.4.1987 geboren sind und das 20. Lebensjahr vollendet haben, sowie Männer, die nach dem 1.4.1962 geboren sind und das 45. Lebensjahr vollendet haben, und die an einer Krebsart erkranken, wofür Früherkennungsuntersuchungen angeboten werden, können die 1-%-Belastungsgrenze nur dann in Anspruch nehmen, wenn sie sich über die Chancen und Risiken der entsprechenden Untersuchungen von einem hierfür zuständigen Arzt haben beraten lassen. • Gesundheitsuntersuchungen und Beratung müssen mittels einer ärztlichen Bescheinigung über therapiegerechtes Verhalten dokumentiert werden, sogenannter Präventionspass. Ausgenommen von der Feststellung therapiegerechten Verhaltens sind Schwerbehinderte mit einem Grad der Behinderung über 60 und Pflegebedürftige der Pflegestufen II oder III. • Ausgenommen von der Pflicht zur Beratung bzw. zu Gesundheitsuntersuchungen sind Versicherte – mit schweren psychischen Erkrankungen – mit schweren geistigen Behinderungen oder – die bereits an der zu untersuchenden Erkrankung leiden. Sonderregelung für Empfänger von Sozialhilfe, Arbeitslosengeld II und Grundsicherung Bei Empfängern von Hilfe zum Lebensunterhalt (Sozialhilfe), von Arbeitslosengeld II und von Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung wird jeweils nur der Regelsatz der Regelbedarfsstufe 1 als Bruttoeinkommen für die gesamte Bedarfsgemeinschaft gezählt, d. h.: Der jährliche Zuzahlungsgesamtbetrag beträgt 93,84 €, bei chronisch Kranken 46,92 €. Sonderregelung für Sozialhilfeempfänger 37 Sonderregelung für Sozialhilfebewohner im Heim 38 Sonderregelung für Sozialhilfebewohner im Heim Heimbewohner, die Sozialhilfe beziehen, müssen nicht mehr Zuzahlungen leisten, bis sie die „1-%- bzw. 2-%-Grenze“ erreicht haben und damit eine Zuzahlungsbefreiung erhalten, sondern haben auch die Möglichkeit, dass der örtlich zuständige Sozialhilfeträger den Gesamtbetrag (93,84 E bzw. bei chronisch Kranken 46,92 E) an die Krankenkasse des Heimbewohners vorab überweist. Dieser als Darlehen gewährte Gesamtbetrag wird sodann in monatlichen kleinen Ratenbeträgen mit dem Taschengeld des Heimbewohners verrechnet. ©WavebreakmediaMicro_fotolia.com Rehabilitation Bei chronischen Schmerzen können medizinische Reha-Leistungen Teil des Behandlungskonzeptes sein. 39 Grundsätzlich gilt: Reha(bilitation) geht vor Rente (§ 9 SGB VI). Das heißt: Es wird möglichst versucht, mit Rehamaßnahmen den Renteneintritt zu verhindern oder zu verzögern. Bereiche der Rehabilitation Hier ein kurzer Überblick über die Bereiche der Rehabilitation: • Medizinische Leistungen zur Rehabilitation Medizinische Leistungen zur Rehabilitation dienen insbesondere der Ausheilung einer Erkrankung und der Wiederherstellung der Gesundheit. • Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (früher „berufsfördernde Maßnahmen“) sollen die Erwerbsfähigkeit erhalten, verbessern, (wieder-)herstellen und möglichst dauerhaft sichern. • Ergänzende Leistungen zur Rehabilitation und Teilhabe Ergänzende Leistungen zur Rehabilitation und Teilhabe sind Leistungen zur Wiedereingliederung, um das Ziel der Rehamaßnahmen zu erreichen und zu sichern. Dazu zählen z. B. Übergangsgeld, Haushaltshilfe, Reisekosten, Kinderbetreuungskosten. • Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft (§§ 55 ff. SGB IX). Sie werden auch als „soziale Reha“ bezeichnet. Dazu zählen z. B. Hilfen zur Teilhabe am gesellschaftlichen und kulturellen Leben, z. B. Besuche von Veranstaltungen, Mitgliedschaft in einem Verein, Kauf von Büchern und Zeitungen, Hilfen bei der Beschaffung, Ausstattung und Erhaltung einer behindertengerechten Wohnung (z. B. Bau einer Rampe für Rollstuhlfahrer, Beseitigung von Schwellen, Verbreiterung von Türen). Für Schmerzpatienten können aus diesen Leistungen folgende Maßnahmen relevant sein: • ambulante Rehamaßnahmen • stationäre Rehamaßnahmen (umgangssprachlich „Kuren“ genannt) • Rehasport und Funktionstraining • stufenweise Wiedereingliederung • Berufsfindung und Arbeitserprobung 40 Zuständigkeiten Nahezu alle Träger der Sozialversicherung können für die Kostenübernahme von Rehamaßnahmen zuständig sein. Bei Schmerzpatienten sind dies insbesondere: • Rentenversicherungsträger erbringen Leistungen zur Medizinischen Rehabilitation und zur Teilhabe am Arbeitsleben, wenn die Erwerbsfähigkeit erheblich gefährdet oder schon gemindert ist und diese durch die Rehamaßnahme wesentlich gebessert oder wiederhergestellt werden kann. • Krankenkassen sind zuständig bei Leistungen zur Medizinischen Rehabilitation, soweit es um den Erhalt oder die Wiederherstellung der Gesundheit geht und wenn nicht andere Sozialversicherungsträger solche Leistungen erbringen. • Agenturen für Arbeit übernehmen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, wenn kein anderer Sozialversicherungsträger hierfür zuständig ist. • Sozialämter treten nachrangig für die Leistungen zur Medizinischen Rehabilitation und zur Teilhabe am Arbeitsleben ein, wenn kein anderer Sozialversicherungsträger vorrangig zuständig ist. Spätestens 2 Wochen nachdem ein Antrag auf Reha-Leistungen bei einem Reha-Träger eingegangen ist, muss dieser Träger geklärt haben, ob er hierfür zuständig ist. Die „Zuständigkeitsklärung“ soll verhindern, dass ein Antrag zwischen verschiedenen Trägern hin- und hergeschoben wird. Nach einer weiteren Woche wird über die beantragte Leistung entschieden, außer der Antrag wurde – bei Erklärung der Unzuständigkeit – an einen weiteren Reha-Träger weitergeleitet. Die Weiterleitung erfolgt (automatisch) durch den Träger, der zunächst den Antrag erhielt. Dieser „weitere“ (zweite) Träger entscheidet innerhalb von 3 Wochen, nachdem der Antrag bei ihm eingegangen ist. Eine nochmalige Weiterleitung gibt es nicht, auch wenn sich später herausstellen sollte, dass der zweite Träger nicht zuständig ist. Die Erstattung der Aufwendungen erfolgt dann zwischen den Trägern, ohne Auswirkung auf den Versicherten. Sofern ein Gutachten zur Ermittlung des Reha-Bedarfs nötig ist, muss das Gutachten 2 Wochen nach Auftragserteilung vorliegen und die Entscheidung über den Antrag 2 Wochen nach Vorliegen des Gutachtens getroffen sein. Zuständigkeitsklärung 41 In der Praxis werden Anträge, die bei der Krankenkasse gestellt werden in der Regel an die Rentenversicherung weitergeleitet, wenn • der Antragssteller noch nicht aus dem Erwerbsleben ausgeschieden ist, • Ansprüche gegenüber der Rentenversicherung hat und • durch die Rehabilitation eine Wiederherstellung/Verbesserung der Erwerbsfähigkeit zu erwarten ist. Wer hilft weiter? Wenn eine Rehabilitation empfohlen, aber noch nicht beantragt wurde, weil erst geklärt werden muss, wer als Kostenträger zuständig ist, sind die sogenannten „Servicestellen“ die richtigen Ansprechpartner. Letztere bieten Unterstützung in allen Fragen zur Rehabilitation. Es gibt sie bei fast allen Kommunen und sie arbeiten rehaträgerübergreifend. Adressen finden Sie unter www.reha-servicestellen.de. Medizinische Rehabilitation Die Medizinische Rehabilitation umfasst Maßnahmen, die auf die Erhaltung oder Besserung des Gesundheitszustands ausgerichtet sind und vorwiegend die Durchführung medizinischer Leistungen erfordern. Es gibt zwei Arten Medizinischer Rehamaßnahmen: ambulante und stationäre. Letztere werden umgangssprachlich Kuren genannt. Grundsätzlich gilt: Ambulant vor stationär. Das heißt: Erst wenn ambulante Maßnahmen nicht ausreichen, werden stationäre Leistungen erbracht. Leistungen 42 Zur Medizinischen Rehabilitation zählen z. B.: • Anschlussheilbehandlung nach Krankenhausaufenthalt (siehe S. 47) • Entwöhnungsbehandlung für Suchtkranke • Stufenweise Wiedereingliederung (siehe S. 51) • Geriatrische Rehabilitation für ältere Menschen Zwischen 2 bezuschussten Rehamaßnahmen – egal ob ambulant oder stationär – muss in der Regel ein Zeitraum von 4 Jahren liegen. Nicht anzurechnen sind Leistungen der medizinischen Vorsorge. Ausnahmen macht die Krankenkasse nur bei medizinisch dringender Erforderlichkeit. Dies muss mit Arztberichten oder einem Gutachten des behandelnden Arztes bei der Krankenkasse begründet werden. Wartezeit Der Rentenversicherungsträger genehmigt Medizinische Rehamaßnahmen vor Ablauf der 4-Jahres-Frist, wenn vorzeitige Leistungen aus gesundheitlichen Gründen dringend erforderlich sind, weil ansonsten mit einer weiteren Minderung der Leistungsfähigkeit zu rechnen ist. Ambulante Rehamaßnahmen führt der Patient wohnortnah durch bzw. nimmt sie in Anspruch. Er wohnt zu Hause und nicht in der Reha-Einrichtung, d. h. der Patient kommt morgens in die behandelnde Einrichtung und verlässt diese nachmittags oder abends wieder. Eine ambulante Rehamaßnahme hat immer Vorrang vor einer stationären. Ambulante Rehamaßnahmen Voraussetzungen für ambulante Rehamaßnahmen: • Eine ambulante Krankenbehandlung reicht nicht für den angestrebten Reha-Erfolg aus. • Durchführung der ambulanten Rehamaßnahme in einer Vertragsklinik, in Einrichtungen mit Versorgungsvertrag oder in wohnortnahen Einrichtungen (Kliniken) mit bedarfsgerechter, leistungsfähiger und wirtschaftlicher Versorgung. Ob eine ambulante Rehabilitation in einer Klinik ohne Versorgungsvertrag stattfinden darf, muss im Einzelfall immer vom Rentenversicherungsträger geprüft werden. Dauer Eine ambulante Rehamaßnahme dauert längstens 20 Behandlungstage. Eine Verlängerung ist aus medizinischen Gründen möglich. Bei einer stationären Medizinischen Reha(bilitation) (umgangssprachlich „Kur“) wohnt der Patient für die Zeit der Rehamaßnahme in einer entsprechenden Einrichtung. Stationäre medizinische Rehabilitation Voraussetzungen für die Beantragung von stationären Rehamaßnahmen sind: • Eine ambulante Rehamaßnahme reicht nicht aus. • Die stationäre Aufnahme ist aus medizinischen Gründen erforderlich. • Durchführung der stationären Rehamaßnahmen in Einrichtungen mit Versorgungsvertrag. 43 Dauer Stationäre Rehamaßnahmen dauern längstens 3 Wochen. Eine Verlängerung aus medizinischen Gründen ist möglich. Praxistipp! Nimmt ein Elternteil, der zu Hause Kinder betreut, an einer ambulanten oder stationären Rehamaßnahme teil, kann unter bestimmten Voraussetzungen eine Haushaltshilfe (siehe S. 57) gewährt werden. Antrag Den Antrag auf eine Medizinische Rehamaßnahme beim zuständigen Träger sollte zweckmäßigerweise der Arzt gemeinsam mit dem Patienten stellen. Erforderlich sind zudem eine ärztliche Bescheinigung, Arztbericht(e) und der sogenannte Selbstauskunftsbogen. Der Leistungsumfang bei Rehamaßnahmen liegt im Ermessen des Sozialversicherungsträgers und wird aufgrund medizinischer Erfordernisse festgelegt. Praxistipp! Antragstellung bei der Krankenkasse Erkennt der behandelnde Arzt die Notwendigkeit einer Reha, so muss er bei der Krankenkasse einen Antrag auf „Einleitung von Leistungen zur Rehabilitation oder alternativen Angeboten“ stellen. Kommt nach Ansicht der Krankenkasse eine Rehamaßnahme und sie selbst als Kostenträger in Betracht, dann bekommt der Arzt die „Verordnung von medizinischer Rehabilitation“ zugeschickt. Falls der Antrag bei einem anderen Kostenträger (z. B. Rentenversicherungsträger) gestellt werden muss, wird dies von der Krankenkasse mitgeteilt. Antragstellung mit ausführlicher Begründung Eigentlich genügt bei den Anträgen auf Rehamaßnahmen die Angabe der Indikationen nach der ICD-10 (Internationale Klassifikation der Krankheiten). Es ist jedoch mittlerweile fast zur Regel geworden, dass der Arzt die Notwendigkeit der medizinischen Rehabilitation ausführlich begründet. Auf jeden Fall vermindert es das Risiko einer Ablehnung beim Kostenträger, wenn dem Antrag sofort eine ausführliche ärztliche Begründung beigefügt wird. Es kann durchaus sein, dass der MDK (Medizinischer Dienst der Krankenversicherung) über das ärztliche Attest hinaus den Patienten zu einer Begutachtung einlädt, um die Notwendigkeit der Rehamaßnahme zu prüfen. 44 Ambulante medizinische Rehamaßnahmen werden auf den Urlaub angerechnet, außer wenn Arbeitsunfähigkeit bescheinigt ist. Bei Arbeitsunfähigkeit besteht auch Anspruch auf Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber. Stationäre medizinische Rehamaßnahmen dürfen nicht auf den Urlaub angerechnet werden. Deshalb besteht auch Anspruch auf Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber. Urlaub Die Leistung wird in der Regel im Inland erbracht. • Ist der Kostenträger die Krankenkasse, kann der Patient eine zugelassene und zertifizierte Reha-Einrichtung selbst wählen. Sind die Kosten höher als bei den Vertragseinrichtungen der Krankenkasse, zahlt der Patient die Mehrkosten. Die letzte Entscheidung liegt jedoch bei der Krankenkasse. Diese versucht, unter Berücksichtigung der Wirtschaftlichkeit und der Erkrankung des Versicherten, den Wünschen des Patienten zu entsprechen. • Ist der Kostenträger die Rentenversicherung, kann der Arzt eine Reha-Einrichtung vorschlagen. Soll die Maßnahme in einer bestimmten Einrichtung stattfinden, muss der Arzt das ausdrücklich vermerken und möglichst auch begründen. Auch die persönliche Lebenssituation, das Alter, das Geschlecht, die Familie oder die religiösen Bedürfnisse der Betroffenen sollten bei der Wahl eine Rolle spielen und berücksichtigt werden. Wahl der Reha-Einrichtung Praxistipp! Das „Handbuch Reha- und Vorsorgeeinrichtungen“ enthält einen Überblick über rund 1.400 Reha-Kliniken. Es erscheint jedes Jahr im Verlag MMI und liegt z. B. in Beratungsstellen aus. Versicherte ab dem 18. Geburtstag müssen bei fast allen stationären Rehamaßnahmen 10,– € Zuzahlung pro Tag leisten: • In der Regel zeitlich unbegrenzt für ambulante und stationäre Rehamaßnahmen der Krankenkasse. • Längstens 42 Tage innerhalb eines Kalenderjahres für stationäre Medizinische Rehamaßnahmen des Rentenversicherungsträgers. Bereits im selben Kalenderjahr geleistete Zuzahlungen an den Rentenversicherungsträger und die Krankenkasse werden angerechnet. • Findet die stationäre Rehamaßnahme als Anschlussheilbehandlung (siehe S. 47) statt, so begrenzt sich die Zuzahlung bei der Krankenkasse auf 28 Tage und beim Rentenversicherungsträger auf 14 Tage. Eine bereits geleistete Zuzahlung für die vorhergegangene Krankenhausbehandlung wird berücksichtigt. Zuzahlung 45 Zuzahlungsfreie Reha-Leistungen Keine Zuzahlung wird fällig bei • ambulanten Reha-Leistungen der Rentenversicherung • Reha-Leistungen der Unfallversicherung • Bezug von Übergangsgeld • Kinderheilbehandlungen • Anschlussheilbehandlungen der Unfallversicherung Die Befreiung von der Zuzahlung ist bei Überschreiten der Belastungsgrenze möglich. Näheres dazu ist im Kapitel „Zuzahlungsbefreiung bei Erreichen der Belastungsgrenze“ (siehe S. 33). Zuzahlungsbefreiung in der gesetzlichen Rentenversicherung Keine Zuzahlung an die Rentenversicherungsträger ist zu leisten: • bei Kinderheilbehandlung, • bei ambulanten Leistungen, • von Personen, die bei Antragstellung das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, • von Beziehern von Übergangsgeld, • Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, • von Eltern, aus deren Versicherung Leistungen für ihre Kinder erbracht werden, auch wenn die Kinder das 18. Lebensjahr vollendet haben, • von Personen, deren monatliches Netto-Einkommen unter 1.107,– e liegt. Teilweise befreit von der Zuzahlung sind Personen, • die ein Kind haben, solange für dieses Kind ein Anspruch auf Kindergeld besteht oder • die pflegebedürftig (Pflegebedürftigkeit) sind, wenn ihr Ehegatte sie pflegt und deshalb keine Erwerbstätigkeit ausüben kann oder • deren Ehegatte pflegebedürftig ist und keinen Anspruch auf Leistungen der Pflegeversicherung hat und • deren Einkommen bestimmte Grenzen nicht überschreitet. Die Zuzahlung richtet sich bei Antragstellung 2014 nach folgender Tabelle: Monatliches Nettoeinkommen bis 1.107,– € ab 1.107,– € ab 1.140,– € ab 1.200,– € 46 Zuzahlung keine 8,50 € 9,50 € 10,– € Antrag auf Zuzahlungsbefreiung Wenn die Voraussetzungen vorliegen, kann die Befreiung von der Zuzahlung beantragt werden. Dem Antrag sind eine Entgeltbescheinigung des Arbeitgebers oder eine behördliche Bescheinigung (Rentenbescheid) und ggf. weitere Hinzuverdienstbescheinigungen beizufügen. Anschlussheilbehandlung Die Anschlussheilbehandlung (AHB) ist eine im unmittelbaren Anschluss an eine Krankenhausbehandlung oder eine ambulante Operation erforderliche Weiterbehandlung in einer spezialisierten Reha-Einrichtung. Sie zählt zur Medizinischen Reha. Eine AHB muss in der Regel innerhalb von 14 Tagen nach der Entlassung beginnen, möglichst jedoch direkt im Anschluss an einen Krankenhausaufenthalt. Sie muss beim jeweiligen Sozialversicherungsträger beantragt werden. Die Genehmigung einer AHB hängt von unterschiedlichen Indikationen ab, deshalb muss die Diagnose in der AHB-Indikationsliste des zuständigen Sozialversicherungsträgers enthalten sein. AHB-Indikationsgruppen sind: • Krankheiten des Herzens und des Kreislaufs • Krankheiten der Gefäße • entzündlich-rheumatische Erkrankungen • degenerativ-rheumatische Erkrankungen und Zustand nach Operationen und Unfallfolgen an den Bewegungsorganen • gastroenterologische Erkrankungen und Zustand nach Operationen an den Verdauungsorganen • endokrine Krankheiten • Krankheiten und Zustand nach Operationen an den Atmungsorganen • Krankheiten der Niere und Zustand nach Operationen an Nieren, ableitenden Harnwegen und Prostata • neurologische Krankheiten und Zustand nach Operationen an Gehirn, Rückenmark und peripheren Nerven • onkologische Krankheiten • gynäkologische Krankheiten und Zustand nach Operationen AHB-Indikationsgruppen 47 Ziel Dauer Voraussetzungen Ziel einer Anschlussheilbehandlung ist, verloren gegangene Funktionen oder Fähigkeiten wiederzuerlangen oder auszugleichen und die Patienten wieder an die Belastungen des Alltags- und Berufslebens heranzuführen. Die Kosten werden in der Regel für eine Dauer von 3–4 Wochen übernommen. Eine Verlängerung ist bei medizinischer Begründung durch Arzt oder Klinik möglich. Eine der folgenden versicherungsrechtlichen Voraussetzungen muss erfüllt sein: • Wartezeit von 15 Jahren oder • 6 Kalendermonate mit Pflichtbeiträgen in den letzten 2 Jahren oder • Bezug einer Erwerbsminderungsrente oder • Wartezeit von 5 Jahren bei verminderter oder in absehbarer Zeit gefährdeter Erwerbsfähigkeit oder • Anspruch auf große Witwen- bzw. Witwerrente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Persönliche und medizinische Voraussetzungen: • Indikation nach der Indiktionsliste (S. 47) • Akutphase der Erkrankung bzw. Wundheilung muss abgeschlossen sein. • Patient muss frühmobilisiert sein, z. B. durch krankengymnastische Übungen im Krankenhaus. • Patient muss selbsthilfefähig sein, d. h.: ohne Fremdhilfe zur Toilette gehen, selbstständig essen, sich allein waschen und ankleiden können. • Patient sollte reisefähig sein. Ein Krankentransport ist nur in Not- und Ausnahmefällen möglich. Antrag Kostenträger Die Anschlussheilbehandlung muss bereits von den behandelnden Krankenhausärzten eingeleitet werden. Nach der Entlassung ist es für niedergelassene Ärzte nur in Ausnahmefällen möglich, eine Anschlussheilbehandlung zu begründen. Die Kosten der Anschlussheilbehandlung können von nahezu allen Sozialversicherungsträgern übernommen werden. Wer hilft weiter? Informationen und Leistungen erhält man vom zuständigen Kostenträger: Krankenkasse, Rentenversicherungsträger, Berufsgenossenschaft oder Sozialamt. 48 Reha-Sport und Funktionstraining Bei chronischen Schmerzen richten sich Rehasport und Funktionstraining oft auf die Grunderkrankung aus, denn eine Verbesserung der Grunderkrankung kann auch die chronischen Schmerzen reduzieren. Als Rehasport gelten zum Beispiel bewegungstherapeutische Übungen. Sie dienen der Stärkung von Ausdauer, Koordination, Flexibilität, Kraft und psychischer Leistungsfähigkeit. Hierzu zählen unter anderem Gymnastik, Leichtathletik, Schwimmen, Bewegungsspiele in Gruppen sowie spezielle Gruppen für Herzpatienten. Rehasport Funktionstraining wirkt besonders mit den Mitteln der Krankengymnastik und der Ergotherapie gezielt auf körperliche Strukturen (Muskeln, Gelenke etc.) und wird unter Anleitung und Überwachung vor allem durch Krankengymnasten durchgeführt. Funktionstraining Funktionstraining ist immer organorientiert, es dient dem Erhalt von Funktionen, der Beseitigung oder Verbesserung von Funktionsstörungen sowie dem Hinauszögern von Funktionsverlusten einzelner Organsysteme oder Körperteile. Es ist angezeigt beispielsweise bei degenerativen und entzündlichen Veränderungen der Bewegungsorgane wie Rheuma und Osteoporose. Als Funktionstraining gelten z. B. auch Trocken- und Wassergymnastik. Die Renten-, die Unfall-, die Krankenversicherung und die Agentur für Arbeit übernehmen Reha-Sport oder Funktionstraining als ergänzende Leistung zur Rehabilitation unter folgenden Voraussetzungen: • Reha-Sport oder Funktionstraining wird ärztlich verordnet. Die Verordnung ist von einem Arzt zu erstellen, der das Leiden und dessen Folgen behandelt. Sie soll enthalten: – Diagnose und gegebenenfalls Nebendiagnosen, so weit diese berücksichtigt werden müssen oder Einfluss auf die Verordnungsnotwendigkeit nehmen. – Gründe und Ziele, weshalb Reha-Sport/Funktionstraining erforderlich ist. – Dauer und Anzahl der wöchentlich notwendigen Übungseinheiten. – zur Auswahl der geeigneten Sportart. Voraussetzungen 49 • Reha-Sport oder Funktionstraining erfolgt in Gruppen und • unter ärztlicher Betreuung. • Der „Antrag auf Förderung von Rehabilitationssport/ Funktionstraining“ muss auf dem dementsprechenden Vordruck gestellt werden. Dieser Vordruck ist bei Sportvereinen, Ärzten und den zuständigen Leistungsträgern erhältlich. Zuständigkeit Dauer Wird während einer Leistung zur Reha die medizinische Notwendigkeit einer Reha-Sport-Maßnahme festgestellt, ist vom Arzt der Behandlungsstätte eine Empfehlung im sogenannten „Abschlussbericht“ auszusprechen, und der behandelnde Arzt hat dem Reha-Sport oder Funktionstraining zuzustimmen. Der Reha-Sport muss dann innerhalb von 3 Monaten nach der Rehamaßnahme beginnen. Kostenträger sind in der Regel die Rentenversicherungsträger. Geht dem Reha-Sport oder Funktionstraining keine Leistung zur Reha voraus, ist die Krankenkasse zuständig. Bei Geringverdienenden oder nicht Versicherten kommt unter Umständen das Sozialamt für die Kosten auf und orientiert sich dabei an der Kostenübernahme durch die Krankenkasse. Rehasport bzw. Funktionstraining dauert • in der Rentenversicherung in der Regel 6 Monate, bei medizinischer Erforderlichkeit längstens 12 Monate. • in der Unfallversicherung in der Regel unbegrenzt. • in der gesetzlichen Krankenversicherung in der Regel 18 Monate, bei bestimmten Erkrankungen bis zu 36 Monate. Danach kann der Arzt eine neue Verordnung ausstellen. Wer hilft weiter? Die Adressen von Reha-Sportgruppen in der Region sind bei den Krankenkassen zu erfragen. Diese haben eine Übersicht über die Sportvereine und -gruppen, mit denen sie vertraglich Kostenvereinbarungen (regional unterschiedlich) getroffen haben. 50 Stufenweise Wiedereingliederung Rückenbeschwerden verursachen Arbeitsunfähigkeit häufiger als jede andere Diagnose. Deshalb spielt besonders bei diesen Patienten die berufliche Wiedereingliederung im Anschluss an Akutbehandlung und medizinische Rehabilitation eine entscheidende Rolle beim Erhalt des Arbeitsplatzes. Ziel der Stufenweisen Wiedereingliederung („Hamburger Modell“) ist, arbeitsunfähige Arbeitnehmer nach längerer schwerer Krankheit schrittweise an die volle Arbeitsbelastung heranzuführen und so den Übergang zur vollen Berufstätigkeit zu erleichtern. Während der Stufenweisen Wiedereingliederung ist der Arbeitnehmer noch krankgeschrieben. Möglich ist die Stufenweise Wiedereingliederung in der Regel nur, wenn der Arbeitgeber zustimmt. Die Stufenweise Wiedereingliederung ist eine Maßnahme der Medizinischen Rehabilitation. Findet sie im unmittelbaren Anschluss an eine medizinische Rehamaßnahme statt, d. h. wird sie innerhalb von 4 Wochen nach Entlassung aus einer Reha-Klinik angetreten, ist die Rentenversicherung Kostenträger. Trifft dies nicht zu, ist in den meisten Fällen die Krankenversicherung zuständig. In speziellen Fällen kann auch die Agentur für Arbeit oder die Unfallversicherung Kostenträger der Stufenweisen Wiedereingliederung sein. Kostenträger Bei allen genannten Kostenträgern müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein: • Der behandelnde Arzt stellt fest, dass die bisherige Tätigkeit wenigstens teilweise wieder aufgenommen werden kann. • Es liegt vor und während der Maßnahme eine Arbeitsunfähigkeit vor. • Arbeitgeber und Arbeitnehmer stimmen der Maßnahme zu. • Der Versicherte wird am bisherigen Arbeitsplatz eingesetzt. Voraussetzungen Schwerbehinderte und gleichgestellte Arbeitnehmer haben im Gegensatz zu nicht schwerbehinderten Arbeitnehmern gegen den Arbeitgeber einen Anspruch auf Zustimmung zur Stufenweisen Wiedereingliederung, sofern ein Wiedereingliederungsplan über alle aus ärztlicher Sicht zulässigen Arbeiten und eine Prognose darüber vorliegt, ob und wann mit der vollen oder teilweisen Arbeitsfähigkeit zu rechnen ist. Mit Hilfe dieser Angaben kann der Arbeitgeber dann entscheiden, ob ihm die Beschäftigung zumutbar ist. Hält der Arbeitgeber die Beschäftigung für nicht zumutbar, kann er die Mitwirkung an der Wiedereingliederung ablehnen. 51 Dauer Finanzielle Sicherung Die Dauer der Stufenweisen Wiedereingliederung ist abhängig vom individuellen gesundheitlichen Zustand. In der Regel dauert sie 6 Wochen bis 6 Monate. In der Regel erhält der Versicherte während der Stufenweisen Wiedereingliederung weiterhin sog. Entgeltersatzleistungen, d. h., Krankengeld von der Krankenkasse, Übergangsgeld vom Rentenversicherungsträger, Verletztengeld von der Berufsgenossenschaft oder Arbeitslosengeld bei Arbeitsunfähigkeit von der Agentur für Arbeit. Falls der Arbeitgeber während der Maßnahme freiwillig Arbeitsentgelt entrichtet, dann wird dies angerechnet und führt zu Kürzungen bzw. zum Wegfall der Entgeltersatzleistung. Es besteht allerdings keine Zahlungspflicht für den Arbeitgeber. Praxistipp! Arzt und Patient füllen gemeinsam den Antrag auf Stufenweise Wiedereingliederung aus und erstellen gemeinsam einen „Wiedereingliederungsplan“ aus dem hervorgeht, mit welcher Tätigkeit und Stundenzahl der Arbeitnehmer beginnt und in welchem Zeitraum, Art und Umfang der Tätigkeit gesteigert werden. Wer hilft weiter? Krankenkassen, Agentur für Arbeit, Berufsgenossenschaften oder Rentenversicherungsträger, behandelnder Arzt und Arbeitgeber. 52 Berufliche Rehabilitation/ Teilhabe am Arbeitsleben Möglicherweise können Schmerzpatienten ihren erlernten Beruf nicht mehr ausüben. Allerdings führt dies noch nicht zu einer sofortigen Berentung. Wie lange Patienten noch berufstätig sein können, hängt vom Verlauf der Erkrankung ab, von den speziellen Anforderungen des Berufsbildes und unter Umständen von Nebenwirkungen der Medikamente. Mit einem Schwerbehindertenausweis des Versorgungsamtes (Details siehe S. 79) haben Schmerzpatienten einen verbesserten Kündigungsschutz sowie Anspruch auf technische Hilfsmittel, welche die Arbeit erleichtern/möglich machen. Mit dem Arzt sowie mit dem Integrationsamt sollte besprochen werden, welche Veränderungen am Arbeitsplatz notwendig sind. Es gibt mehrere Arten von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, unter anderem: 1. Hilfen zur Erhaltung oder Erlangung eines Arbeitsplatzes 2. Berufsvorbereitung 3. Berufliche Bildung 4. Übernahme weiterer Kosten 5. Zuschüsse an den Arbeitgeber Leistungen der beruflichenRehabilitation Nachfolgend Informationen zu den einzelnen Leistungen. 1. Hilfen zur Erhaltung oder Erlangung eines Arbeitsplatzes Vorrangiges Ziel ist es, den bisherigen Arbeitsplatz zu erhalten. Ist dies nicht möglich, wird nach einem anderen, geeigneten Arbeitsplatz im bisherigen oder aber in einem anderen Betrieb gesucht. In diesem Rahmen übernehmen vorwiegend die Berufsgenossenschaften und Rentenversicherungsträger im Zusammenwirken mit der Bundesagentur für Arbeit unter anderem folgende Leistungen: • Umsetzung im Betrieb, Vermittlung eines neuen Arbeitsplatzes in Form beruflicher Anpassung, Weiterbildung und Ausbildung. • Gründungszuschuss für Arbeitslose, die sich selbstständig machen, um dadurch die Arbeitslosigkeit zu beenden oder zu verhindern. • Fahrtkostenbeihilfe für die täglichen Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstelle, soweit der Versicherte ansonsten unzumutbar belastet wäre und das Reha-Ziel absehbar ist. 53 • Trennungskostenbeihilfe bei erforderlicher auswärtiger Arbeitsaufnahme und damit verbundener doppelter Haushaltsführung. Das tägliche Pendeln oder der Umzug der Familie zum Arbeitsort müssen unzumutbar sein. • Übergangsbeihilfe bei Arbeitsaufnahme bis zur ersten vollen Lohnzahlung. Die Übergangsbeihilfe wird in der Regel als Darlehen gewährt. • Umzugskostenbeihilfe soweit eine Arbeitsaufnahme am Wohnort unmöglich ist. 2. Berufsvorbereitung Zu den Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben zählt die Berufsvorbereitung einschließlich der wegen eines Gesundheitsschadens erforderlichen Grundausbildung. Darunter fallen die ganzheitliche Stabilisierung der Persönlichkeit und des sozialen Umfelds neben Aufbau und Festigung der Motivation und der beruflichen Fähigkeiten. 3. Berufliche Bildung Zur beruflichen Bildung zählen Maßnahmen zur Anpassung an den Beruf, Ausbildung und Weiterbildung einschließlich des dafür erforderlichen Schulabschlusses. Nicht dazu zählen allgemeinbildende Maßnahmen. 4. Übernahme weiterer Kosten Die Berufsgenossenschaften und Rentenversicherungsträger übernehmen auch Kosten, die mit den Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in unmittelbarem Zusammenhang stehen. Hierzu zählen z. B.: • Lehrgangskosten, Prüfungsgebühren, Lernmittel, • Arbeitskleidung, Arbeitsgeräte (z. B. Werkzeuge) sowie • Kosten für Unterkunft und Verpflegung, wenn für die Teilnehmer einer Maßnahme eine Unterbringung außerhalb des eigenen oder des elterlichen Haushalts nötig ist (z. B. unzumutbar weiter Anfahrtsweg), wegen der Art und Schwere der Behinderung oder zur Sicherung des Erfolgs der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. 5. Zuschüsse an den Arbeitgeber Die Reha-Träger können Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben auch als Zuschüsse an den Arbeitgeber leisten. Anspruchs- und antragsberechtigt ist der Versicherte; der Arbeitgeber ist „nur“ Begünstigter ohne eigenes Antragsrecht. Die Gewährung eines Zuschusses kann von Bedingungen und Auflagen abhängig gemacht werden. 54 Zuschüsse an den Arbeitgeber gibt es z. B. als • Ausbildungszuschüsse zur betrieblichen Ausführung von Bildungsleistungen, • Eingliederungszuschüsse, • Zuschüsse für Arbeitshilfen im Betrieb, • Kostenerstattung für eine befristete Probebeschäftigung, • Umschulung, Aus- oder Weiterbildung im Betrieb. Die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben sollen für die Zeit erbracht werden, die vorgeschrieben oder allgemein üblich ist, um das angestrebte Berufsziel zu erreichen. • Die berufliche Eingliederung dauert in der Regel bis zur Erreichung des angestrebten Berufsziels in der hierfür vorgeschriebenen oder allgemein üblichen Zeit im Sinne der notwendigen Ausbildungsdauer. • Die Ausbildung dauert in der Regel bis zu 2 Jahre bei ganztägigem Unterricht. Eine Teilförderung (eines Ausbildungsabschnitts) innerhalb einer geschlossenen Weiterbildungsmaßnahme ist nicht möglich. Dauer Eine Verlängerung ist denkbar bei: • bestimmter Art und Schwere der Behinderung • Lage und Entwicklung des Arbeitsmarkts • voller Ausschöpfung des Leistungsvermögens des Behinderten • Erlernbarkeit des Ausbildungsberufs nicht unter 2 Jahren Bei Teilnahme an Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben werden Beiträge zur Kranken-, Unfall-, Pflege- und Rentenversicherung sowie Beiträge zur Arbeitslosenversicherung übernommen. Beiträge zur Arbeitslosenversicherung werden nicht bei Bezug von Übergangsgeld gezahlt. Soziale Sicherung Wer hilft weiter? Die Leistungen werden von verschiedenen Trägern übernommen, meist aber von der Agentur für Arbeit, vom Rentenversicherungsträger oder der Berufsgenossenschaft. Die Anträge auf Kostenübernahme sollten gestellt werden, bevor die Maßnahmen in die Wege geleitet werden. Erster Ansprechpartner ist oft das Integrationsamt oder der Integrationsfachdienst. Diese helfen bei Fragen der beruflichen Integration weiter. Adressen der Integrationsämter finden Sie unter www.integrationsaemter.de. 55 Übergangsgeld Übergangsgeld überbrückt einkommenslose Zeiten während der Teilnahme an Rehamaßnahmen oder an Maßnahmen zur Teilhabe am Arbeitsleben. Übergangsgeld wird je nach Voraussetzungen vom jeweiligen Reha-Träger gezahlt. Höhe und Dauer sind im Wesentlichen einheitlich geregelt, nur die Voraussetzungen unterscheiden sich bei den Leistungsträgern. Höhe Die Berechnungsgrundlage des Übergangsgelds beträgt bei allen Trägern 80 % des letzten Bruttoverdienstes, höchstens jedoch den Nettoverdienst. Das Übergangsgeld beträgt: • 75 % dieser Berechnungsgrundlage bei Versicherten, – die ein Kind haben oder – die pflegebedürftig sind und durch ihren Ehegatten gepflegt werden, der deshalb keine Erwerbstätigkeit ausüben kann, oder – deren Ehegatte pflegebedürftig ist und keinen Anspruch auf Leistungen aus der Pflegeversicherung hat. • 68 % dieser Berechnungsgrundlage für die übrigen Versicherten. Bei Arbeitslosigkeit im Anschluss an Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben vermindert sich das Übergangsgeld jeweils um 8 %, also auf 67 % bzw. 60 % der Berechnungsgrundlage. Dauer 56 Die Reha-Träger zahlen Übergangsgeld • für den Zeitraum der Leistung zur Medizinischen Rehabilitation bzw. zur Teilhabe am Arbeitsleben. • während einer Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben: maximal 6 Wochen bei gesundheitsbedingter Unterbrechung einer Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben, • nach einer Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben: maximal 3 Monate bei anschließender Arbeitslosigkeit nach einer abgeschlossenen Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben, soweit kein Anspruch auf Arbeitslosengeld für 3 Monate besteht. • nach Abschluss von Leistungen zur Medizinischen Rehabilitation bzw. zur Teilhabe am Arbeitsleben bei Erforderlichkeit weiterer Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, soweit Arbeitsunfähigkeit vorliegt und kein Anspruch auf Krankengeld oder keine Vermittelbarkeit in eine zumutbare Beschäftigung besteht. Allerdings wird in diesem Fall das Übergangsgeld reduziert. • Findet eine Stufenweise Wiedereingliederung (siehe S. 51) im unmittelbaren Anschluss (innerhalb von 4 Wochen) an Leistungen zur medizinischen Reha statt, dann wird das Übergangsgeld bis zu deren Ende gezahlt. ©WavebreakmediaMicro_fotolia.com Haushaltshilfe Wenn für chronische Schmerzpatienten der Aufenthalt in einem Krankenhaus oder einer Rehaklinik notwendig wird, stellt sich oft die Frage, wer sich in dieser Zeit um die Weiterführung des Haushaltes kümmert. Haben die Schmerzpatienten Kinder, kommt die sogenannte Haushaltshilfe in Betracht. 57 Eine Haushaltshilfe ist eine fremde oder verwandte Person, die die tägliche Arbeit im Haushalt erledigt. Sie übernimmt alle zur Weiterführung des Haushalts notwendigen Arbeiten, z. B. Einkauf, Kochen, Waschen oder Kinderbetreuung. Die Kosten werden in der Regel dann übernommen, wenn die haushaltsführende Person ins Krankenhaus muss und zu Hause Kinder unter 12 Jahren zu versorgen sind. Voraussetzungen Haushaltshilfe kann eine Leistung der Krankenversicherung, der Unfallversicherung oder der Rentenversicherung sein, bei Geringverdienenden oder nicht Versicherten auch eine Leistung der Sozialhilfe, die sich dabei an den Leistungen der Krankenversicherung orientiert. Die Krankenkasse oder die Rentenversicherung stellt eine Haushaltshilfe, wenn: • die Weiterführung des Haushalts nicht möglich ist wegen Krankenhausbehandlung, medizinischer Vorsorgeleistungen, häuslicher Krankenpflege oder Medizinischer Rehabilitation und • ein Kind im Haushalt lebt, das bei Beginn der Haushaltshilfe das 12. Lebensjahr noch nicht vollendet hat oder das behindert und auf Hilfe angewiesen ist, z. B. für Ernährung, Körperpflege, seelische Betreuung und • keine im Haushalt lebende Person (auf Volljährigkeit kommt es nicht an) den Haushalt weiterführen kann, z. B. wegen sehr hohem Alter, schlechtem Gesundheitszustand, des Umfangs der Haushaltsführung. Wichtig ist hierbei, dass sich die andere im Haushalt lebende Person (z. B. der Ehepartner oder ältere Kinder) nicht wegen der Weiterführung des Haushalts von ihrer Berufstätigkeit, Berufs- oder Schulausbildung beurlauben lassen muss, d. h. der Haushaltsangehörige kann seine eigene berufliche oder schulische Rolle beibehalten. Praxistipps! Der gesetzliche Grundanspruch auf die Kostenübernahme für eine Haushaltshilfe besteht, wenn ein Kind unter 12 Jahren im Haushalt lebt. Viele Krankenkassen weichen von diesem Grundanspruch durch individuelle Satzungsleistungen zu Gunsten ihrer Versicherten ab und bezahlen die Haushaltshilfe auch, wenn die Kinder älter sind oder in Einzelfällen sogar, wenn gar keine Kinder mehr im Haushalt leben. Es sollte individuell mit der Krankenkasse abgeklärt werden, in welchem Umfang die Kostenübernahme für eine Haushaltshilfe in der Satzung festgelegt ist. 58 Anspruch auf Haushaltshilfe besteht auch bei Mitaufnahme der haushaltsführenden Person als Begleitperson ins Krankenhaus. Zudem müssen die weiteren Voraussetzungen (siehe S. 98) vorliegen. Wurde der Antrag auf eine Haushaltshilfe abgelehnt und leben Kinder im Haushalt, deren Versorgung infolge der Erkrankung der Mutter/des Vaters nicht gewährleistet ist, kann beim Jugendamt ein Antrag auf ambulante Familienpflege gestellt werden. Sachleistungserbringung Vorrangig erbringen die Krankenkassen und die Rentenversicherungsträger eine Sachleistung, d. h.: Sie bezahlen eine Haushaltskraft einer Vertragsorganisation, die sich der Versicherte in der Regel selbst aussuchen kann. Leistungsumfang Die Krankenkassen haben mit geeigneten Organisationen (z. B. Trägern der freien Wohlfahrtspflege, ambulanten Pflegediensten oder Sozialstationen) Verträge über die Erbringung von Haushaltshilfe geschlossen. Haushaltshilfekräfte dieser Vertragsorganisationen erbringen die Leistung und rechnen dann direkt mit der Krankenkasse ab. Selbst beschaffte Haushaltshilfe Wenn die Sachleistungserbringung nicht möglich ist, werden die Kosten für eine selbst beschaffte Haushaltshilfe in angemessener Höhe, d. h. in Anlehnung an das tarifliche oder übliche Entgelt einer Haushaltshilfe, von Krankenkasse oder Berufsgenossenschaft übernommen. Dies muss unbedingt vorher mit dem Leistungsträger abgesprochen und von diesem genehmigt sein. Für Verwandte und Verschwägerte bis zum 2. Grad, d. h.: Eltern, Kinder, Großeltern, Enkelkinder, Geschwister, Stiefeltern, Stiefkinder, Stiefenkelkinder, Schwiegereltern, Schwiegerkinder, Großeltern des Ehepartners, Schwager/Schwägerin, kann es lediglich eine Erstattung der Fahrkosten und des Verdienstausfalls geben (siehe unten), nicht aber eine Kostenerstattung für eine selbst beschaffte Haushaltshilfe. Fahrtkosten, Verdienstausfall Die Krankenkassen und die Rentenversicherungsträger können die erforderlichen Fahrtkosten und den Verdienstausfall für Verwandte und Verschwägerte bis zum 2. Grad erstatten. Den Verdienstausfall muss der Arbeitgeber bestätigen. Ein entsprechendes Formular gibt es bei den Kostenträgern. 59 Anderweitige Unterbringung Ausnahmsweise können die zuständigen Kostenträger anstelle der Haushaltshilfe die Kosten für die Mitnahme oder anderweitige Unterbringung der Kinder bis zur Höhe der Haushaltshilfe-Kosten übernehmen, soweit darunter der Reha-Erfolg nicht leidet. Dies gilt vornehmlich bei Gewährung der Haushaltshilfe-Leistung durch die Rentenversicherung (§ 54 Abs. 2 SGB IX). Zuzahlung Die Zuzahlung beträgt 10 % der Kosten pro Kalendertag, jedoch mindestens 5,– € und höchstens 10,– €. Eine Befreiung von der Zuzahlung ist bei Erreichen der Belastungsgrenze möglich (siehe S. 33). Wer hilft weiter? Antragsformulare für eine Haushaltshilfe gibt es bei den Krankenkassen, den Berufsgenossenschaften und den Rentenversicherungsträgern. Sie beraten auch bei Detailfragen und geben individuelle Auskünfte. 60 ©MAST_fotolia.com Pflege Erkrankungen, die mit starken Schmerzen einhergehen, können je nach Verlauf und Therapie möglicherweise zu einer vorübergehenden oder dauerhaften Pflegebedürftigkeit führen. 61 Häusliche Krankenpflege Häusliche Krankenpflege bedeutet, dass ein Patient zu Hause von Fachpersonal versorgt wird. Neben der medizinischen Versorgung kann das auch die Körperpflege, Ernährung, Mobilität und den Haushalt des Patienten umfassen. Die häusliche Krankenpflege wird in der Regel von der Krankenkasse finanziert und ist nicht zu verwechseln mit der „häuslichen Pflege“ der Pflegeversicherung (siehe S. 65). Die Krankenversicherung stellt unter bestimmten Voraussetzungen eine häusliche Krankenpflege oder übernimmt die Kosten dafür. In Einzelfällen tritt die Krankenhilfe des Sozialhilfeträgers für die Kosten ein. Häusliche Krankenpflege kann verordnet werden, wenn: • eine Krankenhausbehandlung erforderlich, aber nicht ausführbar ist (z. B. Patient verweigert aus nachvollziehbaren Gründen die Zustimmung zur Krankenhauseinweisung) oder • eine Krankenhausbehandlung vermieden oder verkürzt wird. In beiden Fällen handelt es sich um die sogenannte Krankenhausvermeidungspflege oder • sie zur Sicherung des ärztlichen Behandlungszieles erforderlich ist (z. B. falls der Arzt Injektionen im nötigen Umfang nicht selbst vornehmen kann). In diesem Fall handelt es sich um die sogenannte Sicherungspflege und • keine im Haushalt lebende Person den Patient im erforderlichen Umfang pflegen und versorgen kann. Praxistipp! Einige Krankenkassen weichen durch individuelle Satzungsleistungen vom gesetzlichen Grundanspruch zu Gunsten ihrer Versicherten ab und übernehmen freiwillig die Kosten für eine häusliche Krankenpflege, auch wenn oben genannte Voraussetzungen nicht vorliegen. Dies ist individuell mit der zuständigen Krankenkasse zu klären. OrtderPflege 62 Ist die Krankenkasse der Kostenträger, wird die häusliche Krankenpflege an geeigneten Orten erbracht, an denen sich der Patient regelmäßig aufhält, z. B.: • in der Wohnung des Patienten. • in betreuten Wohnformen, z. B. Wohngemeinschaften. • in Schulen und Kindergärten. • bei besonders hohem Pflegebedarf in Werkstätten für Behinderte. • bei besonders hohem Bedarf an medizinischer Behandlungspflege (für mindestens 6 Monate) ausnahmsweise in Heimen. Die Krankenhausvermeidungspflege ist bis zu 4 Wochen je Krankheitsfall möglich. In medizinisch begründeten Fällen (Prüfung durch MDK) auch länger. Dauer Bei der Sicherungspflege ist keine zeitliche Begrenzung durch den Gesetzgeber vorgegeben, jedoch ist die Dauer von der Satzung der Krankenkasse abhängig. Die Krankenhausvermeidungspflege umfasst: • Behandlungspflege • Grundpflege • Hauswirtschaftliche Versorgung Umfang Die Sicherungspflege umfasst: • Behandlungspflege. • Grundpflege nur, wenn dies in der Satzung des Kostenträgers geregelt ist. • Hauswirtschaftliche Versorgung nur, wenn dies in der Satzung des Kostenträgers geregelt ist. Behandlungspflege bedeutet: • medizinische Hilfeleistungen, z. B. Verabreichung von Medikamenten, Anlegen von Verbänden, Injektionen, Messen der Körpertemperatur, Spülungen und Einreibungen oder • verrichtungsbezogene krankheitsspezifische Pflegemaßnahmen z. B. An- und Ausziehen von Kompressionsstrümpfen der Klasse 2, Sekret absaugen oder Wechseln einer Sprechkanüle. Auch wenn sie bereits im Hilfebedarf bei der Feststellung der Pflegebedürftigkeit in der Pflegeversicherung berücksichtigt worden sind, sind diese verordnungsfähig. Leistungsinhalte Grundpflege bedeutet: pflegerische Leistungen nichtmedizinischer Art, z. B. Körperpflege, Ernährung, Mobilität. Hauswirtschaftliche Versorgung bedeutet: z. B. Einkaufen, Kochen, Putzen, Spülen, Waschen, Heizen. Praxistipp! Voraussetzung für eine Kostenübernahme der Häuslichen Krankenpflege durch die Krankenkasse ist, dass auf der Verordnung des Arztes Behandlungspflege verordnet ist. Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung ohne Notwendigkeit von Behandlungspflege wird nicht übernommen. 63 Verordnung Die Verordnung einer häuslichen Krankenpflege erfolgt in der Regel durch einen Vertragsarzt, z. B. den Hausarzt. Hält ein Krankenhausarzt bei Entlassung eines Patienten eine häusliche Krankenpflege für erforderlich, so kann er diese anstelle des Vertragsarztes für maximal 3 Tage verordnen. Der Krankenhausarzt sollte vor der Entlassung den weiterbehandelnden Vertragsarzt darüber informieren. Zuzahlung Versicherte ab dem 18. Geburtstag zahlen 10 % der Kosten pro Tag für längstens 28 Tage im Kalenderjahr sowie 10,– € pro Verordnung. Sachleistungserbringung Vorrangig erbringen die Krankenkassen eine Sachleistung, d. h.: Sie bezahlen eine Pflegekraft einer Vertragsorganisation, die sich der Versicherte in der Regel selbst aussuchen kann. Die Krankenkassen haben mit geeigneten Organisationen (z. B. Trägern der freien Wohlfahrtspflege, ambulanten Pflegediensten oder Sozialstationen) Verträge über die Erbringung von häuslicher Krankenpflege geschlossen. Pflegekräfte dieser Vertragsorganisationen erbringen die Leistung und rechnen dann direkt mit der Krankenkasse ab. Wenn die Sachleistungserbringung nicht möglich ist, werden die Kosten der Pflegekräfte der Sozialstationen, Krankenpflegevereine etc. von der Krankenkasse übernommen. Dies muss unbedingt vorher mit dem Leistungsträger abgesprochen und von diesem genehmigt sein. Ausnahme Die Krankenkassen erstatten die Kosten für eine selbst beschaffte Kraft in angemessener Höhe (d. h. in Anlehnung an das tarifliche oder übliche Entgelt einer Pflegekraft), falls: • die Krankenkasse keine Kraft für die häusliche Krankenpflege stellen kann, z. B. wenn die Kapazität der von der Krankenkasse eingestellten Pflegekräfte erschöpft ist. • die selbst beschaffte Pflegekraft geringere Kosten verursacht. • die zu pflegende Person aus nachvollziehbaren Gründen nur eine bestimmte, selbst ausgewählte Kraft akzeptiert. Diese Kraft muss geeignet sein, pflegerische Dienste zu erbringen, was allerdings nicht notwendigerweise eine abgeschlossene Ausbildung voraussetzt. Richtlinien Der Gemeinsame Bundesausschuss hat zur Häuslichen Krankenpflege Richtlinien erstellt. Diese können Sie unter www.g-ba.de > Informations-Archiv > Richtlinien downloaden. Wer hilft weiter? 64 Krankenkassen beantworten weitere Fragen zur Häuslichen Krankenpflege. Pflegeversicherung Die gesetzliche Pflegeversicherung bietet Leistungen für Patienten, die mindestens ein halbes Jahr gepflegt werden müssen. Pflegebedürftigkeit Damit die Pflegekasse Leistungen übernimmt, müssen zwei Voraussetzungen erfüllt sein: Pflegebedürftigkeit und Vorversicherungszeit. Im Unterschied zur häuslichen Krankenpflege muss die Pflegebedürftigkeit für voraussichtlich 6 Monate bestehen. Definition „Pflegebedürftigkeit“ Pflegebedürftigist,werwegeneinerkörperlichen,geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens auf Dauer, voraussichtlich für mindestens 6 Monate, in erheblichem oderhöheremMaßederHilfebedarf.DieSchwerederPflegebedürftigkeitwirdinPflegestufen(sieheS.68)eingeteilt. Krankheiten oder Behinderungen sind: • Verluste, Lähmungen oder andere Funktionsstörungen am Stütz- und Bewegungsapparat • Funktionsstörungen der inneren Organe oder der Sinnesorgane • Funktionsstörungen des zentralen Nervensystems, wie Antriebs-, Gedächtnis- oder Orientierungsstörungen, sowie endogene Psychosen, Neurosen oder geistige Behinderungen Krankheiten/ Behinderungen Gewöhnliche und wiederkehrende Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens sind: • Körperpflege: Waschen, Baden, Zahnpflege, Kämmen, Rasieren, Darm- oder Blasenentleerung. • Ernährung: Mundgerechte Zubereitung und Aufnahme der Nahrung. Gewöhnliche und wiederkehrende Verrichtungen 65 • Mobilität: Selbstständiges Aufstehen und Zubettgehen, An- und Auskleiden, Gehen, Stehen, Treppensteigen, Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung. • Hauswirtschaftliche Versorgung: Einkaufen, Kochen, Reinigen der Wohnung, Spülen, Wechseln und Waschen der Wäsche und Kleidung, Heizen. Hilfe besteht in der • Unterstützung bei diesen gewöhnlichen und wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens. • teilweisen oder vollständigen Übernahme dieser Verrichtungen. • Beaufsichtigung oder Anleitung bei diesen Verrichtungen. Antrag Pflegeleistungen müssen vom Versicherten bei der Pflegekasse beantragt werden. Zwischen Antragstellung und Genehmigung können mehrere Wochen vergehen. Falls in dieser Zeit bereits eine Pflegeperson notwendig ist, muss diese selbst bezahlt werden. Wird der Antrag genehmigt, übernimmt die Pflegekasse die Kosten rückwirkend zum Tag der Antragstellung in Höhe der genehmigten Leistungen. Diesbezüglich ist es wichtig, sämtliche Belege vorweisen zu können. Falls dazu kein Geld vorhanden ist: Vorübergehend kann beim Sozialamt „Hilfe zur Pflege“ beantragt werden. Liegen die Voraussetzungen vor, geht das Sozialamt in Vorleistung und rechnet dann bei Bewilligung des Pflegeantrags direkt mit der Krankenkasse ab. Pflegetagebuch Die Pflegekassen bieten ein Pflegetagebuch an, in das alle an der Pflege beteiligten Personen ihre Pflegezeiten und Pflegetätigkeiten eintragen. Es ist sinnvoll, dieses Pflegetagebuch 2 Wochen vor Erscheinen des MDK sorgfältig zu führen. Dabei wird minutengenau festgehalten, wie viel Zeit die einzelnen Tätigkeiten im Rahmen der Pflege und hauswirtschaftlichen Versorgung einnehmen. So bekommt der Pflegende einen Überblick über den gesamten Hilfebedarf und Zeitaufwand der täglichen Pflege. Das Pflegetagebuch ist in Spalten angelegt. Hinter jede pflegende Tätigkeit kann der Zeitaufwand in Minuten und die Art der Hilfe (Anleitung, Beaufsichtigung, Unterstützung, teilweise oder volle Übernahme) eingetragen werden. Als pflegende Tätigkeiten sind aufgelistet: • Körperpflege Waschen, Duschen, Baden, Rasieren, Kämmen, Mund- und Zahnpflege, Blasenentleerung, Darmentleerung, Intimpflege, Wechseln von Inkontinenzartikeln 66 • Mobilität Aufstehen vom Bett, Aufstehen vom Rollstuhl, Zubettbringen, Ankleiden, Auskleiden, Gehen/Bewegen im Haus, Stehen, Treppensteigen, Begleiten zum Arzt • Ernährung Mundgerechte Zerkleinerung der Nahrung, Füttern • hauswirtschaftliche Versorgung Einkaufen, Kochen, Reinigen der Wohnung, Spülen, Wechseln der Wäsche, Waschen, Bügeln, Beheizen der Wohnung Bei der Begutachtung sollte das ausgefüllte Pflegetagebuch zusammen mit allen medizinischen Unterlagen dem MDK vorgelegt werden. Dieser sieht dann nicht nur eine „Momentaufnahme“, sondern den ständigen Hilfebedarf, was die gerechte Beurteilung vereinfacht. Die Pflegekasse beauftragt den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) mit der Prüfung der Pflegebedürftigkeit. Die Pflegebedürftigkeit bestimmt die Pflegestufe, die dann von der Pflegekasse festgelegt wird. Prüfung der Pflegebedürftigkeit Der MDK nimmt beim Pflegebedürftigen einen Begutachtungstermin wahr. Er erfasst dabei die Aufwendungen für Verrichtungen der Pflege im konkreten Fall des Pflegebedürftigen, legt in einem Gutachten fest, welche Aufwendungen erforderlich sind, und stellt einen Pflegeplan auf. Die Pflegekasse stuft den Pflegebedürftigen nach Erhalt des Gutachtens in eine Pflegestufe ein. Der Bescheid über Pflegegeld bzw. Pflegesachleistungen geht dem Antragsteller zu. Praxistipp! Die Richtlinien zur Begutachtung von Pflegebedürftigkeit nach dem SGB XI sind für das gesamte Bundesgebiet einheitlich und für alle Pflegekassen sowie für die MDKs verbindlich. Der MDS bietet die Begutachtungsrichtlinien unter www.mds-ev.org > Dokumente und Formulare > Pflege zum Herunterladen an. 67 Pflegestufen Die Pflegestufe ergibt sich aus der Schwere der Pflegebedürftigkeit und bedingt die Höhe der Leistungen der Pflegekasse. Die Pflegestufe wird von der Pflegekasse festgelegt. Basis sind die Richtlinien der Spitzenverbände der Krankenkassen und die Pflegebedürftigkeit, die der MDK (Medizinischer Dienst der Krankenversicherung) beurteilt. Die Zuordnung zu einer Pflegestufe, die Anerkennung als Härtefall sowie die Bewilligung von Leistungen dürfen bis zu 3 Jahren befristet werden. Die Befristung erfolgt, wenn eine Verringerung des Hilfebedarfs nach Einschätzung des MDK zu erwarten ist und kann wiederholt werden. PflegestufeI– erheblichPflegebedürftige Hilfebedarf besteht einmal täglich für wenigstens zwei Verrichtungen aus den Bereichen Körperpflege, Ernährung oder Mobilität und zusätzlich mehrfach in der Woche bei der hauswirtschaftlichen Versorgung. Der Zeitaufwand eines Familienangehörigen oder einer anderen nicht als Pflegekraft ausgebildeten Pflegeperson beträgt für die Grundpflege und die hauswirtschaftliche Versorgung wöchentlich im Tagesdurchschnitt mindestens 90 Minuten. Davon müssen auf die Grundpflege mindestens 46 Minuten entfallen. Leistungen Pflegestufe I E/mtl. Pflegegeld 235,– Pflegegeld bei erheblichem, allgemeinem Betreeungsbedarf 305,– Pflegesachleistungen bis zu 450,– Pflegesachleistung bei erheblichem, allgemeinem Betreuungsbedarf bis zu 665,– bis zu anteilig 450,– bis zu 1.550,– Kombinationsleistung Teilstationäre Tages- oder Nachtpflege Stationäre Kurzzeitpflege (längstens 4 Wochen/Jahr) Vollstationäre Pflege 68 1.023,– Ersatzpflege, Verhinderungspflege durch Fachkräfte und nicht verwandte Laienhelfer bis zu 1.550,– Ersatzpflege durch verwandte Laienhelfer bis zu 235,– Hilfebedarf besteht mindestens dreimal täglich zu verschiedenen Tageszeiten für Verrichtungen aus den Bereichen Körperpflege, Ernährung oder Mobilität und zusätzlich mehrfach in der Woche bei der hauswirtschaftlichen Versorgung. PflegestufeII– schwerPflegebedürftige Der Zeitaufwand eines Familienangehörigen oder einer anderen nicht als Pflegekraft ausgebildeten Pflegeperson beträgt für die Grundpflege und die hauswirtschaftliche Versorgung wöchentlich im Tagesdurchschnitt mindestens 3 Stunden. Davon müssen auf die Grundpflege mindestens 2 Stunden entfallen. Leistungen Pflegestufe II Pflegegeld Pflegegeld bei erheblichem, allgemeinem Betreeungsbedarf Pflegesachleistungen Pflegesachleistung bei erheblichem, allgemeinem Betreuungsbedarf Kombinationsleistung Teilstationäre Tages- oder Nachtpflege bis zu 1.100,– bis zu 1.250,– bis zu anteilig 1.100,– Stationäre Kurzzeitpflege (längstens 4 Wochen/Jahr) bis zu 1.550,– Vollstationäre Pflege Ersatzpflege, Verhinderungspflege durch Fachkräfte und nicht verwandte Laienhelfer Ersatzpflege durch verwandte Laienhelfer E/mtl. 440,– 525,– 1.279,– bis zu 1.550,– bis zu 440,– Hilfebedarf besteht täglich rund um die Uhr, auch nachts, bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität und zusätzlich mehrfach in der Woche bei der hauswirtschaftlichen Versorgung. PflegestufeIII– Schwerstpflegebedürftige Der Zeitaufwand eines Familienangehörigen oder einer anderen nicht als Pflegekraft ausgebildeten Pflegeperson für die Grundpflege und die hauswirtschaftliche Versorgung beträgt wöchentlich im Tagesdurchschnitt mindestens 5 Stunden. Davon müssen auf die Grundpflege mindestens 4 Stunden entfallen. Leistungen Pflegestufe III Pflegegeld Pflegesachleistungen Kombinationsleistung Teilstationäre Tages- oder Nachtpflege Stationäre Kurzzeitpflege (längstens 4 Wochen/Jahr) Vollstationäre Pflege Ersatzpflege, Verhinderungspflege durch Fachkräfte und nicht verwandte Laienhelfer Ersatzpflege durch verwandte Laienhelfer bis zu E/mtl. 700,– 1.500,– anteilig 1.550,– bis zu 1.550,– 1.550,– bis zu 1.550,– bis zu 700,– 69 Härtefall Ein Härtefall liegt bei Erforderlichkeit eines außergewöhnlich hohen und intensiven Pflegeaufwands vor, der das übliche Maß der Pflegestufe III weit übersteigt. Dies ist z. B. dann der Fall, wenn Hilfe bei der Grundpflege mindestens 6 Stunden, davon mindestens dreimal in der Nacht, erforderlich ist oder mehrere Pflegepersonen notwendig sind. Leistungen Härtefall Pflegesachleistungen monatlich Vollstationäre Pflege monatlich Höherstufung E bis zu 1.918,– 1.918,– Die Einstufung in eine höhere Pflegestufe ist immer dann möglich, wenn sich der Pflegeaufwand erhöht. Dazu ist ein Antrag bei der Pflegekasse zu stellen und ein erneutes Feststellungsverfahren über den MDK nötig, das auch als Wiederholungsgutachten bezeichnet wird. Als Wiederholungsgutachten gilt auch die Begutachtung im Auftrag der Pflegekasse, wenn diese den Hinweis erhält, dass die häusliche Pflege nicht mehr in ausreichender Weise gewährleistet ist. Praxistipp! Reicht der Pflegebedarf für die Pflegestufe I nicht aus, erhält der Hilfebedürftige prinzipiell keine Leistungen der Pflegeversicherung. Ausnahmsweise kann es finanzielle Hilfen vom Sozialamt geben. An den vom MDK festgestellten Pflegebedarf ist das Sozialamt gebunden. Die hilfebedürftige Person sollte dann beim zuständigen Sozialamt einen Antrag auf Hilfe zur Pflege stellen. 70 ©Yamix_fotolia.com Pflegehilfsmittel Die Pflegeversicherung bezahlt bei Patienten, die zu Hause gepflegt werden, bestimmte Pflegehilfsmittel. Diese sind nicht zu verwechseln mit den Hilfsmitteln, deren Kosten die Krankenkasse übernimmt (siehe S. 72). Bei Pflegekassen oder in Sanitätshäusern ist ein Pflegehilfsmittelverzeichnis erhältlich, das über die Kostenübernahme informiert. Die meisten Produkte werden nicht doppelt als Hilfsmittel und als Pflegehilfsmittel aufgeführt. Ausnahmen bilden aber zum Beispiel Bettschutzeinlagen, Krankenunterlagen, Pflegebetten oder Einmalhandschuhe. Der Arzt muss stets entscheiden, ob pflegerische Aspekte maßgebend sind oder der Erfolg einer Krankenbehandlung gesichert bzw. eine Behinderung ausgeglichen werden soll. Pflegehilfsmittel und technische Hilfen gehören im Rahmen der Pflegeversicherung zur häuslichen Pflege. Sie können in der Regel neben den anderen Leistungen der häuslichen Pflege gewährt werden. Auch Zuschüsse für Maßnahmen zur Verbesserung des Wohnumfeldes (siehe S. 75) zählen hierzu. Prinzipiell müssen die Vorversicherungszeit erfüllt und eine Pflegestufe festgestellt werden. Voraussetzungen 71 Kategorien Kostenübernahme Pflegehilfsmittel sind Hilfsmittel • zur Erleichterung der Pflege z. B. Pflegebetten und Zubehör, Pflegebett-Tische • zur Körperpflege/Hygiene z. B. Waschsysteme, Duschwagen, Bettpfannen, Urinflaschen • zur selbstständigen Lebensführung z. B. Hausnotrufsysteme • zur Linderung von Beschwerden z. B. Lagerungsrollen und -halbrollen • die zum Verbrauch bestimmt sind z. B. saugende Bettschutzeinlagen zum einmaligen Gebrauch, Schutzbekleidung, Desinfektionsmittel. Nicht zu den Pflegehilfsmitteln gehören Mittel des täglichen Lebensbedarfs, die allgemeine Verwendung finden und üblicherweise von mehreren Personen benutzt werden oder in einem Haushalt vorhanden sind. Die Versorgung mit Pflegehilfsmitteln erfolgt in der Regel durch Vertragspartner der Pflegekasse. Bezieht der Versicherte aufgrund eines berechtigten Interesses Pflegehilfsmittel bei einem anderen Leistungserbringer, der nicht Vertragspartner der Pflegekasse ist, muss der Versicherte die Mehrkosten selbst tragen. Um dies zu vermeiden, sollte sich der Versicherte vorab die Vertragspartner der Pflegekasse benennen lassen. Bei der Kostenübernahme ist zu unterscheiden zwischen Pflegehilfsmitteln, für die ein Festbetrag besteht, und Pflegehilfsmitteln ohne Festbetrag. • Pflegehilfsmittel mit Festbetrag. Die Kassen übernehmen die Kosten bis zur Höhe des Festbetrags. • Pflegehilfsmittel ohne Festbetrag beim Vertragspartner. Die Kassen übernehmen die Kosten bis maximal zur Höhe des vertraglich vereinbarten Preises. • Pflegehilfsmittel ohne Festbetrag bei Leistungserbringern, die nicht Vertragspartner der Pflegekasse sind. Die Kassen erstatten nur Kosten in Höhe des niedrigsten Preises einer vergleichbaren Leistung eines Vertragspartners. Kostenträger 72 Die Pflegekasse zahlt Pflegehilfsmittel nachrangig gegenüber anderen Hilfsmitteln, die bei Krankheit und Behinderung von den Krankenkassen, den Berufsgenossenschaften oder den Rentenversicherungsträgern geleistet werden. Das heißt: War beispielsweise bislang die Krankenkasse für einzelne Hilfsmittel zuständig, bleibt sie dies auch weiterhin, unabhängig davon, ob zur krankheitsbedingten Behinderung auch Pflegebedürftigkeit im Sinne des Pflegeversicherungsgesetzes hinzukommt. Der Antrag für die Kostenübernahme eines Pflegehilfsmittels kann ohne ärztliche Verordnung bei der Pflegekasse gestellt werden. Diese stellt eine Bestätigung über die Notwendigkeit der Pflegehilfsmittel aus. Unter Vorlage dieser Bestätigung erhält der Versicherte vom zugelassenen Leistungserbringer die benötigten Pflegehilfsmittel. Der Leistungserbringer verrechnet direkt mit der Pflegekasse. Versicherte ab dem 18. Geburtstag müssen für technische Hilfen folgende Zuzahlung leisten: • 10 % der Kosten des Hilfsmittels • maximal 25,– € je Hilfsmittel • Bei leihweiser Überlassung von technischen Pflegehilfsmitteln entfällt die Zuzahlung, es kann jedoch eine Leihgebühr anfallen. Zuzahlungen Maßnahmen zur Verbesserung und Anpassung des Wohnumfelds eines Pflegebedürftigen erleichtern oder ermöglichen die Pflege oder die selbstständige Lebensführung zu Hause. Die Zuschüsse leistet die Pflegekasse, da diese Maßnahmen zu den Pflegehilfsmitteln zählen. Personen, die die Belastungsgrenze überschreiten, können von der Zuzahlung befreit werden. Quittungen über Zuzahlungen zu Pflegehilfsmitteln sollten auf jeden Fall aufbewahrt werden, denn diese Ausgaben werden bei der Ermittlung einer möglichen Zuzahlungsbefreiung (siehe S. 33) berücksichtigt. Zuzahlungsbefreiung Praktische Hinweise zur Pflege von Menschen mit chronischen Schmerzen Spezielle Pflegehilfsmittel (siehe Abschnitt Pflegehilfsmittel) wie Matratzen und Lagerungssysteme können erheblich zur Schmerzlinderung des Patienten beitragen. Bestimmte Lagerungstechniken, die bei Kursen für pflegende Angehörige erlernt werden können, verbessern das Wohlbefinden des Patienten. 73 Jede Beschäftigung mit dem Patienten, die ihm Ablenkung von Eintönigkeit und Schmerzen verschafft, wirkt sich positiv auf seine Lebenszufriedenheit aus. Beispielsweise kann man mit dem Patienten Bilder oder Fotos anschauen und Erinnerungen austauschen. Die Bilder können mit doppelseitigem Klebeband an der Decke über dem Patienten befestigt und regelmäßig ausgetauscht werden, damit auch der liegende Patient Anregung hat und nicht nur zur weißen Decke hinaufschaut. Auch Tücher in der Lieblingsfarbe des Patienten können eine Alternative zur eintönigen Zimmerdecke sein. Durch Vorlesen oder Singen können Angehörige dem Patienten vielleicht eine Freude machen. Auch bewusst ausgewählte Musik oder Fernsehsendungen können von Schmerzen ablenken, denn Langeweile und monotoner Lebensrhythmus können das Schmerzempfinden verstärken. Eine Dauerbeschallung des Patienten durch Fernsehen und Radio sollte jedoch vermieden werden, da dies nicht anregt, sondern abstumpfend oder nervend wirkt. PalliativePflege Bei der Pflege von Menschen, die sich aufgrund einer nicht heilbaren, weit fortgeschrittenen Krankheit in der letzten Lebensphase befinden (= Palliativphase), steht die Linderung der Schmerzen im Vordergrund. Die Angst vor starken Schmerzen des Kranken ist oft der Grund dafür, dass Angehörige Bedenken haben, einen Sterbenden zu Hause zu pflegen. Bei einer adäquaten Schmerztherapie in Verbindung mit guter Aufklärung und Anleitung des Pflegenden lässt sich ein Teil dieser Sorge mit Sicherheit nehmen. Bei Patienten, die sich verbal nicht mehr äußern können, ist die Schmerzeinschätzung durch den pflegenden Angehörigen ein wichtiger Aspekt der Schmerztherapie. Die Betreuungsperson sollte auf folgende Anzeichen bei dem Patienten achten: • Mimik – entspannt oder verzerrt? • Schlaf – ruhig, unruhig oder gar nicht? • Schonhaltungen (unnatürliche Körperhaltung zur Vermeidung oder Verminderung von Schmerzen) – ständig oder gelegentlich? • Schutz von schmerzhaften Körperstellen – Abwehren von Berührungen? Die Beobachtungen des Pflegenden unterstützen den Arzt bei der Auswahl der richtigen Schmerztherapie. 74 Wer hilft weiter? Oft wünschen sich Angehörige professionelle Unterstützung bei der Pflege und Betreuung des Sterbenden. Hospizdienste bieten praktische Hilfe, z. B. durch Nachtwachen, Sterbebegleitung sowie Trauerarbeit mit den Hinterbliebenen. Außerdem gibt es in immer mehr Regionen das Angebot SAPV (= Spezialisierte ambulante Palliativversorgung). Sie sind darauf ausgerichtet, die Pflege zu Hause zu ermöglichen, auch wenn die Therapie, z. B. von Schmerzen, schwierig wird. Wohnumfeldverbesserung/ Wohnungsumbau Maßnahmen zur Verbesserung und Anpassung des Wohnumfelds eines Pflegebedürftigen erleichtern oder ermöglichen die Pflege oder die selbstständige Lebensführung zu Hause. Die Zuschüsse leistet die Pflegekasse, da diese Maßnahmen zu den Pflegehilfsmitteln zählen. Prinzipiell müssen die Vorversicherungszeit erfüllt, eine Pflegestufe festgestellt und die Maßnahmen bei der Pflegekasse beantragt werden. Voraussetzungen Voraussetzung für die Gewährung eines Zuschusses ist, dass die vorgesehenen Maßnahmen die häusliche Pflege ermöglichen oder erheblich erleichtern oder dass eine möglichst selbstständige Lebensführung des Pflegebedürftigen wiederhergestellt, also die Abhängigkeit von der Pflegekraft verringert wird. Es muss sich um Maßnahmen in der Wohnung des Pflegebedürftigen handeln oder um Maßnahmen in dem Haushalt, in dem der Pflegebedürftige aufgenommen ist und gepflegt werden soll. Gegebenenfalls schaltet die Pflegekasse den MDK zur Begutachtung der häuslichen Pflegesituation ein. Dieser stellt vor Ort fest, ob entsprechende Mängel für die Pflegesituation und Sicherheitsrisiken vorliegen und ob die Wohnraumanpassung dabei hilft, einen Umzug in ein Heim zu verhindern. Die Entscheidung, ob und in welcher Höhe ein Zuschuss zur Verbesserung des Wohnumfeldes gewährt wird, liegt im Ermessen der Pflegekasse. 75 Bezuschussungsfähige Maßnahmen Höhe Selbstbeteiligung/Eigenanteil Eingliederungshilfe Antrag Beispiele bezuschussungsfähiger Maßnahmen sind: • Einbau einer Dusche. • Einbau und Anbringung von Treppenliften. • Türverbreiterungen. • Installation von Wasseranschlüssen. • Ein- und Umbau von Mobiliar entsprechend der individuellen Erfordernisse der Pflegesituation. Zu den Kosten zählen auch statische Gutachten, Antragsgebühren, Kosten der Bauüberwachung, nachgewiesene Fahrtkosten und der Verdienstausfall von am Bau mithelfenden Angehörigen und Bekannten. Die Zuschusshöhe kann maximal 2.557,– E je Maßnahme betragen. Der Eigenanteil des Pflegebedürftigen beträgt: • 10 % der Kosten der Maßnahme, • höchstens jedoch 50 % seiner monatlichen Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt. Reichen die Leistungen der Wohnumfeldverbesserungen für die notwendigen Umbaumaßnahmen nicht aus, können Leistungen auch im Rahmen der Eingliederungshilfe über das örtliche Sozialamt beantragt werden. Dabei dürfen allerdings bestimmte Einkommensgrenzen nicht überschritten werden. Bevor der Versicherte eine Wohnumfeldanpassung durchführen lässt, welche von der Pflegekasse finanziert werden soll, ist ein Antrag zu stellen. Es kann sein, dass die Pflegekasse mehrere Kostenvoranschläge verlangt, bis sie die Maßnahme genehmigt. Wenn eine Wohnumfeldverbesserung durchgeführt wird und der Versicherte danach mit der Rechnung zur Pflegekasse geht, wird kein Zuschuss gewährt. Wer hilft weiter? Viele Städte und Gemeinden haben Beratungsstellen für Wohnraumanpassung und barrierefreies Wohnen. Meistens sind diese Stellen der Behinderten- oder Seniorenberatung angeschlossen. In manchen Fällen kommen die Berater auch in die Wohnung des Pflegebedürftigen, um gemeinsam zu sehen, welche Veränderung sinnvoll und durchführbar ist. 76 © goodluz_fotolia.com Schwerbehinderung Schwere chronische Schmerzen bei Erwachsenen oder Kindern können dazu führen, dass ein Patient als schwerbehindert eingestuft wird. 77 Unterstützung und Hilfen für behinderte Menschen sind hauptsächlich im SGB IX – Rehabilitation und Teilhabe – geregelt. Als schwerbehindert gilt, wem vom Versorgungsamt ein Grad der Behinderung (GdB) von mindestens 50 zugesprochen wurde. In der Regel haben chronische Schmerzpatienten Anspruch auf einen Schwerbehindertenausweis. Definition „schwerbehindert“ und „behindert“ Als schwerbehindert nach dem SGB IX (§ 2 Abs. 2 SGB IX) gelten Personen mit einem Grad der Behinderung (GdB) von mindestens 50. Leistungen nach dem SGB IX erhalten sie nur, wenn sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung in Deutschland haben. Als behindert nach dem SGB IX (§ 2 Abs. 1 SGB IX) gelten Personen, deren körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit zu einer Beeinträchtigung führen, die für einen Zeitraum von mehr als 6 Monaten von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt. Sie sind von Behinderung bedroht, wenn die Beeinträchtigung zu erwarten ist. Schwerbehinderte erhalten auf Antrag beim Versorgungsamt einen Schwerbehindertenausweis. Dieser kann je nach Art der Behinderung Merkzeichen enthalten, wodurch der Schwerbehinderte Vergünstigungen in Anspruch nehmen kann. Kündigungsschutz Die Kündigung eines Schwerbehinderten bedarf in der Regel der vorherigen Zustimmung des Integrationsamts. Die Kündigungsfrist beträgt mindestens 4 Wochen. Zusatzurlaub Schwerbehinderte haben Anspruch auf zusätzlich 5 bezahlte Urlaubstage im Jahr. Bei mehr oder weniger als 5 Arbeitstagen in der Woche erhöht bzw. vermindert sich der Zusatzurlaub entsprechend. Wer hilft weiter? Arbeitsrechtliche Auskünfte (Kündigungsschutz, Zusatzurlaub) erteilt das örtliche Integrationsamt. 78 Unter bestimmten Voraussetzungen kann von der Agentur für Arbeit auf Antrag die Gleichstellung erteilt werden. Personen mit einem Grad der Behinderung (GdB) von weniger als 50, aber mindestens 30, erhalten die Gleichstellung, wenn sie dadurch einen geeigneten Arbeitsplatz erlangen oder behalten können. Gleichgestellte genießen wie Schwerbehinderte einen besonderen Kündigungsschutz. Sie haben jedoch im Gegensatz zu Schwerbehinderten keinen Anspruch auf Zusatzurlaub oder auf vorgezogenes Altersruhegeld nach Vollendung des 60. Lebensjahres. Gleichgestellte bekommen keinen Schwerbehindertenausweis und keine Erleichterungen im Personenverkehr. Gleichstellung Praxistipp! Der Antrag auf Gleichstellung muss unmittelbar bei der Agentur für Arbeit gestellt werden, unter Vorlage des Feststellungsbescheids des Versorgungsamts und eines Schreibens des Arbeitgebers, der den Antragsteller als Schwerbehinderten einstellen bzw. weiterbeschäftigen würde. Die Gleichstellung wird mit dem Tag der Antragsstellung wirksam. Sie kann befristet werden. Wer hilft weiter? Informationen zum SGB IX und zu „Jobs für schwerbehinderte Menschen“ gibt die Agentur für Arbeit und das Integrationsamt. Schwerbehindertenausweis Der Schwerbehindertenausweis belegt Art und Schwere der Behinderung und muss vorgelegt werden, wenn Vergünstigungen für Behinderte beantragt oder in Anspruch genommen werden. Die Ausstellung eines Schwerbehindertenausweises erfolgt auf Antrag des Schwerbehinderten. Antragsformulare sind beim Versorgungsamt erhältlich. 79 Praxistipp! Folgende Punkte sind beim Beantragen des Ausweises zu beachten: • NichtnurdieGrunderkrankung,sondernauchalle zusätzlichen Beeinträchtigungen (z. B. Sehfehler) und Begleiterscheinungen angeben. • KlinikenundÄrzteanführen,dieambestenüberdie angeführten Gesundheitsstörungen informiert sind. Dabei unbedingt die dem Antrag beiliegenden Schweigepflichtsentbindungen und Einverständniserklärungen ausfüllen, damit das Versorgungsamt bei den angegebenen Stellen die entsprechenden Auskünfte einholen kann. • AntragstellungmitdembehandelndenArztabsprechen. Der Arzt sollte in den Befundberichten die einzelnen Auswirkungen der Erkrankung (z. B. körperliche Belastbarkeit) detailliert darstellen. Diese Kriterien, nicht allein die Diagnose, entscheiden über den Grad der Behinderung. • BereitsvorhandeneärztlicheUnterlagengleichbeiAntrag stellung mit einreichen, z. B. Krankenhausentlassungsbericht, Kurbericht, alle die Behinderung betreffenden Befunde in Kopie. • Lichtbildbeilegen. • NachderFeststellungdesGradesderBehinderung(GdB) bekommt der Behinderte vom Versorgungsamt einen sogenannten Feststellungsbescheid. Ab einem GdB von 50 besteht die Möglichkeit, einen Schwerbehindertenausweis zu bekommen. Gültigkeitsdauer Der Ausweis wird in der Regel für längstens 5 Jahre ausgestellt. Ausnahme: Bei einer voraussichtlich lebenslangen Behinderung kann der Ausweis unbefristet ausgestellt werden. Verlängerung: Die Gültigkeit kann auf Antrag höchstens zweimal verlängert werden. Danach muss ein neuer Ausweis beantragt werden. Ausweis im Scheckkartenformat 80 Seit 1.1.2013 kann der Schwerbehindertenausweis als Identifikationskarte im Bankkartenformat ausgestellt werden. Über den genauen Zeitpunkt der Umstellung entscheidet jedes Bundesland selbstständig. Ab 1.1.2015 wird er nur noch in dieser Form ausgestellt. Alle alten Ausweise im Papierformat, die bis 31.12.2014 ausgestellt werden, gelten noch solange, bis ihre eingetragene Gültigkeitsdauer abläuft. Verschlechtert sich der Gesundheitszustand eines Menschen mit Schwerbehindertenausweis oder kommt eine weitere dauerhafte Einschränkung dazu, dann sollte beim Versorgungsamt ein Antrag auf Erhöhung des Grades der Behinderung (GdB) gestellt werden. Der Vordruck für den Antrag wird auf Anfrage vom Versorgungsamt zugeschickt und es wird geprüft, ob ein neuer Schwerbehindertenausweis mit eventuell neuen Merkzeichen ausgestellt wird. Antrag auf Erhöhung Grad der Behinderung bei Krankheiten und chronische Schmerzen Der Grad der Behinderung (GdB) wird durch das Versorgungsamt festgestellt, soweit er nicht bereits anderweitig festgestellt wurde, z. B. durch Rentenbescheid oder durch eine Verwaltungs- oder Gerichtsentscheidung. Für die Feststellung gibt es bundesweite Richtlinien, die sogenannten „Versorgungsmedizinischen Grundsätze“. GdB und GdS haben die Auswirkungen von Funktionsbeeinträchtigungen auf alle Lebensbereiche, nicht nur die Einschränkungen im Erwerbsleben zum Inhalt. Sie sind ein Maß für die körperlichen, geistigen, seelischen und sozialen Auswirkungen einer Funktionsbeeinträchtigung aufgrund eines Gesundheitsschadens. GdB und GdS werden nach gleichen Grundsätzen bemessen. Die Begriffe unterscheiden sich lediglich dadurch, dass der GdS nur auf Schädigungsfolgen (kausal) bezogen ist, während der GdB auf alle Gesundheitsstörungen unabhängig von ihrer Ursache (final) bezogen ist. GdB und GdS werden in 10er-Graden bis maximal 100 angegeben. Die Bezeichnung GdB wird im Schwerbehindertenrecht (SGB IX) verwendet. Die Bezeichnung GdS wird im sozialen Entschädigungsrecht verwendet, deren Rechtsgrundlage das Bundesversorgungsgesetz (BVG) ist. Dessen Kernstücke bilden insbesondere die Kriegsopferversorgung und die Opferentschädigung. GdB und Grad der Schädigungsfolgen (GdS) 81 Versorgungsmedizinische Grundsätze Das Versorgungsamt richtet sich bei der Feststellung der Behinderung nach den „Versorgungsmedizinischen Grundsätzen“. Diese enthalten allgemeine Beurteilungsregeln und Einzelangaben über die Höhe des GdB bzw. GdS. Es handelt sich allerdings nur um einen Orientierungsrahmen, die Berechnung des GdB/GdS ist vom individuellen Einzelfall abhängig. Die „Versorgungsmedizinischen Grundsätze“ ersetzen seit 1.1.2009 die „Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht“ und können beim Bundesjustizministerium unter www.gesetze-im-internet.de/versmedv/ anlage_8.html eingesehen werden. Bemessung Für die Bemessung des GdB ist vor allem die tatsächliche Leistungseinschränkung durch die Erkrankung bzw. Behinderung maßgeblich. Bei der Beurteilung ist vom klinischen Bild und von den Funktionseinschränkungen im Alltag auszugehen. Die GdB von mehreren Erkrankungen werden dabei nicht zusammengerechnet. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander. In den Fällen, in denen nach dem Sitz und dem Ausmaß der pathologischen Veränderungen eine über das übliche Maß hinausgehende und spezielle ärztliche Behandlung erfordernde Schmerzhaftigkeit anzunehmen ist, können höhere Werte angenommen werden. Dies gilt insbesondere bei Kausalgien und bei stark ausgeprägten Stumpfbeschwerden nach Amputationen (Stumpfnervenschmerzen, Phantomschmerzen). Ein Phantomgefühl allein bedingt keine zusätzliche GdB/MdE-Bewertung. Beispiele für die Begutachtung von chronisch schmerzhaften Erkrankungen: Gesichtsneuralgien (z. B. Trigeminusneuralgie) 0–10 leicht (seltene, leichte Schmerzen) 20–40 mittelgradig (häufigere, leichte bis mittelgradige Schmerzen, schon durch geringe Reize auslösbar) 50–60 schwer (häufige, mehrmals im Monat auftretende starke Schmerzen bzw. Schmerzattacken) 70–80 besonders schwer (starker Dauerschmerz oder Schmerzattacken mehrmals wöchentlich) 82 Entzündlich-rheumatische Krankheiten (z. B. Bechterew-Krankheit) 0– 10 ohne wesentliche Funktionseinschränkung mit leichten Beschwerden 20– 40 mit geringen Auswirkungen (leichtgradige Funktionseinbußen mit Beschwerden, je nach Art und Umfang des Gelenkbefalls, geringe Krankheitsaktivität) 50– 70 mit mittelgradigen Auswirkungen (dauernde erhebliche Funktionseinbußen und Beschwerden, therapeutisch schwer beeinflussbare Krankheitsaktivität) 90– 100 mit schweren Auswirkungen (irreversible Funktionseinschränkungen, hochgradige Progredienz) Auswirkungen über 6 Monate anhaltender aggressiver Therapien sind ggf. zusätzlich zu berücksichtigen. Gefäßerkrankungen: arterielle Verschlusskrankheiten, Arterienverschlüsse an den Beinen (auch nach rekanalisierenden Maßnahmen)… 0–10 … mit ausreichender Restdurchblutung, Pulsausfall ohne Beschwerden oder mit geringen Beschwerden (Missempfindungen in Wade und Fuß bei raschem Gehen) ein- oder beidseitig 20 30– 40 50–60 70–80 … mit eingeschränkter Restdurchblutung (Claudicatio intermittens Stadium II): Schmerzen ein- oder beidseitig nach Gehen einer Wegstrecke in der Ebene von mehr als 500 m Schmerzen ein- oder beidseitig nach Gehen einer Wegstrecke in der Ebene von 100–500 m Schmerzen ein- oder beidseitig nach Gehen einer Wegstrecke in der Ebene von 50–100 m Schmerzen ein- oder beidseitig nach Gehen einer Wegstrecke in der Ebene von weniger als 50 m … Schmerzen nach Gehen einer Wegstrecke unter 50 m mit Ruheschmerz (Stadium III) einschließlich trophischer Störungen (Stadium IV) 80 einseitig 90–100 beidseitig Auch bei Osteoporose ist der GdB/GdS-Grad vor allem von der Funktionsbeeinträchtigung und den Schmerzen abhängig. Eine ausschließlich messtechnisch nachgewiesene Minderung des Knochenmineralgehalts rechtfertigt noch nicht die Annahme eines GdB/GdS-Grades. Außergewöhnliche Schmerzen sind ggf. zusätzlich zu berücksichtigen. 83 Nachteilsausgleiche Die Nachteilsausgleiche sind abhängig von den Merkzeichen und dem Grad der Behinderung (GdB). Es gibt folgende Merkzeichen: • Merkzeichen G: erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr sowie erhebliche Geh- und/oder Stehbehinderung • Merkzeichen aG: außergewöhnliche Gehbehinderung • Merkzeichen H: hilflos • Merkzeichen Bl: blind oder hochgradig sehbehindert • Merkzeichen RF: Rundfunkbeitragsermäßigung oder -befreiung • Merkzeichen B: ständige Begleitung bei Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel notwendig • Merkzeichen Gl: gehörlos und an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit mit schwerer Sprachstörung Merkzeichenabhängige Nachteilsausgleiche Merkzeichen aG – außergewöhnlich gehbehindert • Unentgeltliche Beförderung im öffentlichen Nahverkehr nach Erwerb einer Wertmarke (§§ 145–147 SGB IX) • Kraftfahrzeugsteuerbefreiung (§ 3a Abs. 1 KraftStG) • Anerkennung der Kfz-Kosten für behinderungsbedingte Privatfahrten als außergewöhnliche Belastung: bis zu 15.000 km x 0,30 € = 4.500,– € (§ 33 EStG) • Kostenloser Fahrdienst in vielen Gemeinden und Landkreisen mit unterschiedlichen kommunalen Regelungen • Parkerleichterungen, Parkplatzreservierung (§ 46 Abs. 1 StVO) Merkzeichen B – Notwendigkeit ständiger Begleitung • Unentgeltliche Beförderung der Begleitperson im öffentlichen Nah- und Fernverkehr, ausgenommen bei Fahrten in Sonderzügen und Sonderwagen (§§ 145–147 SGB IX) • Unentgeltliche Beförderung der Begleitperson bei den meisten innerdeutschen Flügen und der Regionalverkehrsgesellschaften. Details regeln die Tarife der Fluggesellschaften. • Unentgeltliche Beförderung von Begleitpersonen blinder Menschen im internationalen Eisenbahnverkehr (Internat. Personen- und Gepäcktarif TCV) Merkzeichen Bl – blind • • • • 84 unentgeltliche Beförderung im öffentlichen Nahverkehr Kraftfahrzeugsteuerbefreiung Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht Sozialtarif beim Telefon: Vergünstigung von 8,72 e netto monatl. (siehe „RF“) • Pauschbetrag als außergewöhnliche Belastung bei der Einkommenssteuererklärung: 3.700,– e • Parkerleichterungen, Parkplatzreservierung • Gewährung von Blindengeld (Landesblindengeldgesetze) • in vielen Gemeinden Befreiung von der Hundesteuer Merkzeichen G – erheblich gehbehindert • Unentgeltliche Beförderung im öffentlichen Nahverkehr nach Erwerb einer Wertmarke (§§ 145–147 SGB IX) oder Kraftfahrzeugsteuerermäßigung (§ 3a Abs. 2 Satz 1 KraftStG) • Abzugsbetrag für behinderungsbedingte Privatfahrten bei einem GdB ab 70: bis zu 3.000 km x 0,30 € = 900,– € (§ 33 EStG) • Mehrbedarfserhöhung bei der Sozialhilfe: 17 % (§ 30 SGB XII) Merkzeichen Gl – gehörlos • unentgeltliche Beförderung im öffentlichen Nahverkehr oder Kraftfahrzeugsteuerermäßigung • Sozialtarif beim Telefon bei einem GdB von 90: Ermäßigung bei den Verbindungsentgelten bis zu 8,72 € netto monatlich im Rahmen des ISDN-Sozialtarifs und für Verbindungen im T-Net durch die Deutsche Telekom, wenn diese dauerhaft als Verbindungsnetzbetreiber voreingestellt ist • Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht Merkzeichen H – hilflos • unentgeltliche Beförderung im öffentlichen Nahverkehr • Kraftfahrzeugsteuerbefreiung • Pauschbetrag als außergewöhnliche Belastung bei der Einkommenssteuer: 3.700,– e • in vielen Gemeinden Befreiung von der Hundesteuer Merkzeichen RF – Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht • Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht (§ 6 Abs. 1 RGebStV) • Sozialtarif beim Telefon: Ermäßigung bei den Verbindungsentgelten bis zu 6,94 € netto monatlich im Rahmen des ISDN-Sozialtarifs und für Verbindungen im T-Net durch die Deutsche Telekom, wenn diese dauerhaft als Verbindungsnetzbetreiber voreingestellt ist. • Bei zusätzlicher Blindheit, Gehörlosigkeit oder Sprachbehinderung mit einem GdB von mindestens 90 (Sprachbehinderung allein GdB von 30): Vergünstigung von 8,72 € netto monatlich 85 GdB-abhängige Nachteilsausgleiche Nachteilsausgleiche, die bei einem niedrigen GdB angeführt sind, gelten auch für alle höheren GdB. GdB 20 • Teilnahme am Behindertensport (§ 29 Abs. 1 Nr. 4 SGB I) GdB 30/40 • Gleichstellung (§ 2 Abs. 3 SGB IX) • Kündigungsschutz bei Gleichstellung (§ 68 Abs. 3 SGB IX) • Steuerfreibetrag (§ 33b EstG) GdB 30 = 310,– €; GdB 40 = 430,– € GdB 50 • • • • • • • • • • • • • • • • • Schwerbehinderteneigenschaft (§ 2 Abs. 2 SGB IX) Steuerfreibetrag: 570,– € (§ 33b EStG) Bevorzugte Einstellung, Beschäftigung (§§ 81, 122 SGB IX) Kündigungsschutz (§§ 85 ff SGB IX) Begleitende Hilfe im Arbeitsleben (§ 102 SGB IX) Freistellung von Mehrarbeit (§ 124 SGB IX) Eine Arbeitswoche Zusatzurlaub (§ 125 SGB IX) Altersrente mit 60/63 (§§ 37, 236a SGB VI) Vorgezogene Pensionierung von Beamten mit 60 bzw. 62 (§ 52 BBG) Stundenermäßigung bei Lehrern: bundeslandabhängig Pflichtversicherung in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung für Behinderte in Werkstätten (SGB V u. SGB VI) Beitragsermäßigung bei Automobilclubs, z. B. ADAC, DTC (Satzungen der Clubs) Ermäßigung des Flugpreises für BVG-/SVG-Beschädigte (Passagetarife der Lufthansa) Kfz-Finanzierungshilfen für Berufstätige (z. B. § 20 SchwbAV i. V. m. KfzHV) Abzug eines Freibetrags bei der Einkommensermittlung im Rahmen der sozialen Wohnraumförderung bei Pflegebedürftigkeit nach § 14 SGB XI: 2.100,– € (§ 24 Wohnraumförderungsgesetz) Freibetrag beim Wohngeld bei Pflegebedürftigkeit (§ 14 SGB XI): 1.200,– € (§ 13 Wohngeldgesetz) Ermäßigung bei Kurtaxen (Ortssatzungen) GdB 60 • Steuerfreibetrag: 720,– € (§ 33b EStG) GdB 70 • Steuerfreibetrag: 890,– € (§ 33b EStG) • Werbungskostenpauschale: 0,30 €/km (§ 9 Abs. 2 EStG) • Abzugsbetrag für Privatfahrten: GdB 70 + Merkzeichen G: bis zu 3.000 km x 0,30 € = 900,– €(§ 33 EStG) 86 GdB 80 • Steuerfreibetrag: 1.060,– € (§ 33b EStG) • Freibetrag beim Wohngeld bei Pflegebedürftigkeit (§ 14 SGB XI): 1.500,– € (§ 13 Wohngeldgesetz) • Abzug eines Freibetrags bei der Einkommensermittlung im Rahmen der sozialen Wohnraumförderung bei Pflegebedürftigkeit (§ 14 SGB XI): 4.500,– € (§ 24 Wohnraumförderungsgesetz) • Preisnachlass bei verschiedenen Mobilfunkbetreibern • Abzugsbetrag für Privatfahrten: GdB 70 + Merkzeichen G: bis zu 3.000 km x 0,30 € = 900,– € (§ 33 EStG) GdB 90 • Steuerfreibetrag: 1.230,– € (§ 33b EStG) • Sozialtarif beim Telefon: Bei Blindheit, Gehörlosigkeit oder Sprachbehinderung: Ermäßigung bei den Verbindungsentgelten bis zu 8,72 € netto monatl. im Rahmen des ISDN-Sozialtarifs und für Verbindungen im T-Net durch die Telekom, wenn diese dauerhaft als Verbindungsnetzbetreiber voreingestellt ist. GdB 100 • Steuerfreibetrag: 1.420,– € (§ 33b EStG) • Freibetrag beim Wohngeld: 1.500,– € (§ 13 Wohngeldgesetz) • Freibetrag bei der Erbschafts- und Schenkungssteuer in bestimmten Fällen (§ 13 Abs. 1 Nr. 6 ErbStG) • Vorzeitige Verfügung über Bausparkassen- bzw. Sparbeiträge (Wohnungsbau-Prämiengesetz bzw. Vermögensbildungsgesetz) • Abzug eines Freibetrags bei der Einkommensermittlung im Rahmen der sozialen Wohnraumförderung 4.500,– € (§ 24 Wohnraumförderungsgesetz) Schwerbehinderten wird – teilweise auf freiwilliger Grundlage – eine Reihe von weiteren Nachteilsausgleichen zugestanden, z. B.: • Eintrittspreisermäßigungen (z. B. Filme, Theater, Sportveranstaltungen, Museen) • Benutzung der Abteile und Sitze, die Schwerbehinderten in Verkehrsmitteln vorbehalten sind • bevorzugte Abfertigung in Ämtern • Beitragsermäßigungen für Mitglieder von Vereinen, Interessenverbänden etc. Weitere Nachteilsausgleiche 87 Parkerleichterung Als „Erleichterung im Personenverkehr“ bekommen Schwerbehinderte einen Parkausweis und/oder einen Sonderparkplatz. Parkausweis Schwerbehinderte mit Merkzeichen „aG“ oder „Bl“ erfüllen die Voraussetzung für den Parkausweis. Beim Parkausweis handelt es sich um eine Ausnahmegenehmigung, die bei der örtlich zuständigen Straßenverkehrsbehörde beantragt werden muss. Der Parkausweis ist gut sichtbar hinter der Windschutzscheibe anzubringen. Er berechtigt dazu • auf Behindertenparkplätzen zu parken. • im eingeschränkten Halteverbot, im Zonenhalteverbot und auf Anwohnerparkplätzen bis zu 3 Stunden zu parken. Die Ankunftszeit ist durch eine Parkscheibe kenntlich zu machen. • im Zonenhalteverbot oder an Stellen, an denen Parkzeitbegrenzungen bestehen, die zugelassene Parkdauer zu überschreiten. • in Fußgängerzonen während der Ladezeit zu parken. • in verkehrsberuhigten Bereichen auch außerhalb der gekennzeichneten Flächen zu parken, sofern der durchgehende Verkehr nicht behindert wird. • an Parkuhren und Parkscheinautomaten ohne Gebühr und zeitlich unbegrenzt zu parken. Regionale Besonderheiten Es lohnt sich, bei der jeweiligen Stadt-, Gemeinde- oder Kreisverwaltung oder Verkehrsbehörde nach regionalen Parkerleichterungen zu fragen, da diese nicht bundesweit einheitlich festgelegt sind. Nähere Informationen finden Sie unter www.betanet.de > Parkerleichterungen > Regionale Besonderheiten. Einige Bundesländer räumen die oben genannten Parkerleichterungen auch Schwerbehinderten ein, die nicht das Merkzeichen „aG“ im Schwerbehindertenausweis haben (z. B. für Osteoporose-Patienten). Praxistipp! Zur Beantragung: Passfoto, Schwerbehindertenausweis und den letzten Bescheid des Versorgungsamtes mitbringen. Ein Parkausweis kann auch beantragt werden, wenn der berechtigte Schwerbehinderte nicht selbst in der Lage ist, das Fahrzeug zu führen. Bei schwerbehinderten Kindern, die die Voraussetzungen erfüllen, können die Eltern den Parkausweis beantragen und ihn nutzen, wenn das Kind befördert wird. 88 Seit Anfang 2001 wird nur noch ein einheitlicher EU-Parkausweis für Schwerbehinderte ausgestellt, der in allen EU-Ländern gilt. Zum Ausweis gehört eine Broschüre, die über die jeweiligen Parksonderrechte aufklärt. Im Ausland muss dann der Text in der Landessprache aufgeklappt und sichtbar neben den Ausweis gelegt werden. Seit Januar 2011 gibt es einen neuen blauen Parkausweis, der nicht nur bundesweit, sondern in der gesamten EU gültig ist. Die alten blauen Parkausweise haben seither ihre Gültigkeit verloren. EU-Ausweis Für Schwerbehinderte mit Merkzeichen „aG“ können bestehende Parkmöglichkeiten oder Einzelparkplätze in unmittelbarer Nähe der Wohnung reserviert werden. Sonderparkplatz Voraussetzungen hierfür sind: • Es ist kein genügender Parkraum vorhanden. • Der Behinderte hat keine Garage oder keinen Abstellplatz in zumutbarer Entfernung zu seiner Wohnung. Praxistipp! Der Sonderparkplatz für Schwerbinderte mit Merkzeichen „aG” ist bei der örtlich zuständigen Straßenverkehrsbehörde zu beantragen und wird entsprechend beschildert. Die Behörde erteilt auch weitere Auskünfte. Wer hilft weiter? Die örtlich zuständige Straßenverkehrsbehörde. 89 90 © antiksu_fotolia.com Rente wegen Erwerbsminderung Schmerzpatienten, die bei Ablauf des Krankengeldes noch nicht wieder arbeitsfähig sind, und dies voraussichtlich innerhalb von 6 Monaten auch nicht werden, können eine „Rente wegen Krankheit“, die Erwerbsminderungsrente, beantragen. 91 Es gibt zwei Arten der Erwerbsminderungsrente: die volle Erwerbsminderungsrente und die teilweise Erwerbsminderungsrente. • Voll erwerbsunfähig ist, wer aus gesundheitlichen Gründen auf nicht absehbare Zeit außerstande ist, eine berufliche Tätigkeit von mindestens 3 Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes auszuüben. • Teilweise erwerbsunfähig ist, wer aus gesundheitlichen Gründen auf nicht absehbare Zeit eine berufliche Tätigkeit von mindestens 3, aber weniger als 6 Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes ausüben kann. Diese Renten werden in allen Fällen nur auf Antrag gezahlt. Anspruch auf die Erwerbsminderungsrente besteht bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres. Seit Januar 2012 wird die Altergrenze schrittweise auf 67 Jahre angehoben. Wer aus gesundheitlichen Gründen nur noch eine Teilzeitarbeit von mindestens 3 Stunden, aber weniger als 6 Stunden ausüben kann und zugleich arbeitslos ist, gilt als voll erwerbsgemindert und erhält Rente wegen voller Erwerbsminderung. Für vor dem 2.1.1961 Geborene gelten weiterhin • die Regelung der Berufsunfähigkeitsrente, d. h. der bisherige Beruf kann nur noch weniger als 6 Stunden täglich ausgeübt werden, und • der sogenannte „Berufsschutz“, d. h. der erreichte berufliche Status ist so weit wie möglich zu erhalten, was bei der Erwerbsminderungsrente nicht der Fall ist, da hier von „den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes“ ausgegangen und geprüft wird, ob der Patient auch in einem anderen Berufszweig einsetzbar ist. Voraussetzungen Befristung Folgende Voraussetzungen müssen erfüllt sein: • Erfüllung der Wartezeit (= Mindestversicherungszeit) von 5 Jahren gilt z. B. als erfüllt, wenn die Minderung der Erwerbsfähigkeit aufgrund eines Arbeitsunfalls oder einer Schädigung während des Wehr- oder Zivildienstes eingetreten ist und • in den letzten 5 Jahren vor Eintritt der Erwerbsunfähigkeit 3 Jahre Pflichtbeiträge geleistet wurden. Die Erwerbsminderungsrente ist in der Regel befristet. Sie wird für längstens 3 Jahre gewährt. Danach kann sie wiederholt werden. Unbefristet wird die Rente nur gewährt, wenn keine Verbesserung der Erwerbsminderung mehr absehbar ist, davon ist nach 9 Jahren auszugehen. 92 Die Höhe der teilweisen bzw. der vollen Erwerbsminderungsrente wird individuell errechnet. Sie ist von mehreren Faktoren abhängig, z. B. Beitragszeiten, Beitragshöhe, Rentenartfaktor. Die monatliche Rentenhöhe (brutto) kann beim Rentenversicherungsträger erfragt werden. Die Höhe der vollen Erwerbsminderungsrente (brutto) kann auch aus der jährlichen Renteninformation entnommen werden, in der Regel sind dabei die Rentenabschläge berücksichtigt. Höhe Praxistipps! • Antrag: Dem Rentenantrag sind zweckmäßige ärztliche Unterlagen (z. B. Befundbericht des Hausarztes) sowie alle Versicherungsnachweise beizufügen, damit er möglichst schnell bearbeitet werden kann. • BeiNotwendigkeitderWeiterführungderRenteisteinneuer bzw. ein Verlängerungsantrag nötig. Im Antrag sind die Einschränkungen des Versicherten durch den Arzt möglichst genau zu beschreiben bzw. die Angaben aus dem Erstantrag zu bestätigen, falls keine Verbesserung eingetreten ist. Der Versicherte kann dabei mithelfen, indem er sich selbst genau beobachtet bzw. sich von seiner Umgebung beobachten lässt, um festzustellen, worin er im Vergleich zu anderen Gleichaltrigen behindert/eingeschränkt ist. Die meisten Ärzte schätzen es sehr, wenn der Patient diese Aufzeichnungen mit zur Sprechstunde bringt. Auch selbstständig Erwerbstätige können eine volle Erwerbsminderungsrente beanspruchen, wenn sie nach dem Ergebnis der medizinischen Untersuchungen nicht mehr in der Lage sind, 3 Stunden täglich zu arbeiten. Die weitere Ausübung der selbstständigen Erwerbstätigkeit auf Kosten der Gesundheit ist rentenunschädlich. Das erzielte Einkommen ist dabei allerdings auf die Rente wegen Erwerbsminderung anzurechnen und kann den Rentenzahlbetrag mindern. Selbstständigkeit Die volle Erwerbsminderungsrente wird nur dann ungekürzt ausgezahlt, wenn der Hinzuverdienst monatlich 450,– e nicht übersteigt. Bei höherem Hinzuverdienst kann die Rente nur noch in geringerer Höhe oder überhaupt nicht mehr ausgezahlt werden. Hinzuverdienst Wer hilft weiter? Auskünfte und Beratungsstellen vor Ort vermitteln die Rentenversicherungsträger, welche auch individuelle Rentenberechnungen vornehmen. 93 94 © Ben_fotolia.com Ernährung bei Opioidanwendung Je nach Grunderkrankung oder zusätzlichen Erkrankungen sollten Patienten bestimmte Diätempfehlungen beachten, z. B. eine kalziumreiche Ernährung bei Osteoporose. 95 Viele Krankenkassen bieten Ernährungsberatung für eine gesunde Ernährung im Allgemeinen und im Besonderen für ernährungsbedingte oder durch die Ernährung zu beeinflussende Krankheiten. Spezielle Empfehlungen gibt es für Schmerzpatienten, die auf Opioide angewiesen sind. Sie leiden als Nebenwirkung der Opioide oft unter Verstopfung, die durch ungünstige Ernährung verstärkt werden kann. Ausreichend trinken! Alkohol meiden! 96 Viele Betroffene – besonders Ältere und Frauen – trinken zu wenig, so dass sie bereits vor der Opioid-Anwendung unter Verstopfung leiden. Deshalb sollten Schmerzpatienten besonders auf eine reichliche Flüssigkeitszufuhr achten. 2 bis 3 Liter Flüssigkeit pro Tag sind empfehlenswert, am besten eignen sich Wasser und Kräutertees. Patienten, die Schwierigkeiten haben, ihre tägliche Trinkmenge einzuschätzen, sollten sich die Tagesration am Morgen bereitstellen oder einen Trinkplan erstellen. Opioide und Alkohol verstärken sich gegenseitig in ihren Wirkungen und Nebenwirkungen. Patienten sollten deshalb grundsätzlich auf alkoholische Getränke verzichten. Eine Ausnahme kann bei Tumorpatienten in fortgeschrittenem Stadium und anderen Palliativpatienten gelten. Alkoholgenuss darf hier unter dem vorrangigen Aspekt der Lebensqualität betrachtet werden, falls der Patient den Wunsch danach äußert. Ausgewogene Vollwertkost Schmerzpatienten sollten eine ausgewogene Vollwerternährung mit reichlich Obst und Gemüse anstreben. Wasserreiches Obst und Gemüse, z. B. Melonen, Gurken, Tomaten, helfen, genug Flüssigkeit (siehe oben) aufzunehmen. Lebensmittel, welche die Verstopfung begünstigen, sollten durch ballaststoffreiche Speisen ersetzt werden, z. B. Vollkornbrot statt Weißbrot. Zusätzlich bringen eingeweichte Trockenfrüchte oder Leinsamen einen trägen Darm in Schwung. Essen mit Genuss Wichtig ist genussvolles Essen sowie langsames und gründliches Kauen. Patienten mit starken Schmerzen neigen zum Teil dazu, nicht mehr genug zu essen: aus Schwäche, Depression, Appetitlosigkeit oder weil sie bei den Mahlzeiten vor Schmerzen nicht ruhig sitzen können. ©Deklofenak_fotolia.com Sexualität und Kinderwunsch bei Opioidanwendung 97 Sexualität Nur in seltenen Fällen wirken sich Opioide auf die Sexualität aus, so kann z. B. die Libido herabgesetzt sein. Schon vorhandene Probleme, z. B. Impotenz, können dadurch eventuell verstärkt werden. Meist aber macht die Anwendung von Opioiden intimes Zusammensein und erfüllende Berührung erst wieder möglich, weil nicht mehr der Schmerz, sondern der Genuss im Vordergrund stehen kann. Bei partnerschaftlichen oder sexuellen Problemen können sich Betroffene z. B. an die deutschlandweit vertretenen Beratungsstellen von Pro Familia wenden. Kinderwunsch Sofern die Grunderkrankung es zulässt, dürfen Frauen, die auf Opioide angewiesen sind, auch schwanger werden. Jede Einnahme von Schmerzmittlen, auch von frei verkäuflichen, sollte vorher mit dem Arzt geklärt werden. Wichtig ist, dass bei Patientinnen mit Kinderwunsch der Hormonstatus kontrolliert und bei Bedarf entsprechend hormonell behandelt wird. Das Kind einer mit Opioiden behandelten Frau entwickelt während der Schwangerschaft eine körperliche Abhängigkeit von den angewandten Schmerzmedikamenten, von denen es nach der Geburt schrittweise entwöhnt werden muss. Laut Experten stellt die Entwöhnung des Säuglings ein geringeres Problem dar, als die Schwangerschaft unter großen Schmerzen auszutragen. 98 ©Kurhan_fotolia.com Autofahren und Führerschein Viele Menschen mit chronischen Schmerzerkrankungen sind auf das Auto angewiesen, da sie aufgrund ihrer Schmerzen oft nicht in der Lage sind, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen, längere Strecken zu gehen oder Einkäufe zu tragen. 99 Unter welchen Umständen Schmerzpatienten selbst Auto fahren dürfen, soll in diesem Kapitel beantwortet werden. Führerschein und schwere Krankheit Auch nach einer Krankheit und trotz körperlicher Einschränkung (z. B. bei Rheuma, Osteoporose) wollen viele Menschen weiterhin selbstständig und mobil sein und deshalb Auto fahren. Doch wer sich infolge körperlicher oder geistiger Mängel nicht sicher im Verkehr bewegen kann, darf am Verkehr nur teilnehmen, wenn er selbst Vorsorge getroffen hat, dass er andere nicht gefährdet (§ 2 Abs. 1 Fahrerlaubnis-Verordnung [FeV]). In der Anlage 4 der FeV sind häufig vorkommende Erkrankungen und Mängel verzeichnet, die die Eignung zur Führung von Kraftfahrzeugen längere Zeit beeinträchtigen oder aufheben können. Neben den einzelnen Erkrankungen sind mögliche Beschränkungen oder Auflagen aufgeführt (§ 11 FeV). Die Anlage 4 finden sie im Internet unter www.fahrerlaubnisrecht.de > Gesetzessammlung > Anlagen zur FeV. Ist ein Patient fahruntauglich und steuert dennoch ein Kraftfahrzeug, macht er sich strafbar und muss für mögliche Schäden selbst aufkommen. Bei einem Unfall muss er mit strafrechtlichen und versicherungsrechtlichen Konsequenzen rechnen. Bei Führerscheininhabern, die auf Schmerzmittel angewiesen sind, ist der behandelnde Arzt verpflichtet, den Patienten auf mögliche Einschränkungen und Gefahren hinzuweisen. Der Arzt sollte dem Patienten schriftlich bestätigen lassen, dass er auf die Gefahr hingewiesen wurde, andernfalls könnten Ärzte für die Kosten möglicher Unfälle haftbar gemacht werden. Ob der Patient dies dann bei der zuständigen Führerschein- bzw. Kfz-Zulassungsstelle meldet und seine Fahrtauglichkeit prüfen lässt, bleibt dem Patienten überlassen. Erstantrag auf Führerschein 100 Der Antrag auf Erteilung einer Fahrerlaubnis ist bei der Führerscheinstelle im Landratsamt oder bei der Stadtverwaltung zu stellen. Die Antragstellung kann auch über die Fahrschule vorgenommen werden. Bei diesem Antrag ist anzugeben, ob eine körperliche oder geistige Einschränkung vorliegt. Dies sollte der Antragssteller wahrheitsgemäß angeben. Die Führerscheinstelle entscheidet dann, ob und welche Gutachten beizubringen sind und wer diese erstellen kann. Laut Straßenverkehrsordnung ist das Autofahren bei Schmerzmitteleinnahme erlaubt, sofern die Medikamente zur Behandlung einer Krankheit notwendig und vom Arzt verordnet sind. Der behandelnde Arzt sollte die Fahrtauglichkeit des Patienten beurteilen, dokumentieren und dem Patienten entsprechende Hinweise geben. Autofahren unter Schmerzmitteln Bei nachgewiesener Intoxikation und anderen Wirkungen von Arzneimitteln, die die Leistungsfähigkeit zum Führen eines Kraftfahrzeugs beeinträchtigen, ist bis zu deren völligem Abklingen die Voraussetzung zum Führen von Kraftfahrzeugen aller Art nicht gegeben. Verschiedene Studien zur Schmerztauglichkeit ergaben, dass bei stabiler Dosierung im Allgemeinen keine wesentlichen Einschränkungen bezüglich Belastbarkeit, Konzentration, Orientierung, Aufmerksamkeit oder Reaktionsfähigkeit des Anwenders zu beobachten sind. Dauerbehandlung mit Arzneimitteln Trotzdem muss auch bei Schmerzpflastern genau wie bei allen anderen Opioiden Folgendes ernst genommen werden: • Fahrtüchtige Patienten sollten einen Opioid-Ausweis (siehe Kapitel „Opioid-Ausweis“, Seite S. 121) mit sich führen. Im Opioid-Ausweis vermerkt der Arzt, dass der Betroffene auf diese Medikamente angewiesen ist. Patienten können sich auf Wunsch auch einer sachkundigen Prüfung durch den medizinisch-psychologischen Dienst des TÜV unterziehen und sich bei Bestehen eine offizielle Bescheinigung der Fahrtüchtigkeit ausstellen lassen. • Während der Einstellungsphase – z. B. von Morphin – wird das Führen eines Fahrzeugs wahrscheinlich nicht möglich sein, da in den ersten 14 Tagen sowie nach jeder Dosiserhöhung aufmerksamkeitseinschränkende Nebenwirkungen häufig sind. Bei gut eingestellten Patienten, die nicht mehr unter Sehstörungen, Müdigkeit, Übelkeit, Erbrechen oder Schwindel leiden, steht dem Autofahren nichts entgegen. • Auch wenn der Arzt die grundsätzliche Erlaubnis zum Autofahren gibt, sollte der Patient vor jeder Fahrt seine Fahrtauglichkeit selbst kritisch einschätzen. Bei Bedenken bezüglich der Fahrtauglichkeit sollte der Patient besser ein Taxi oder öffentliche Verkehrsmittel benutzen. • Da Alkohol die Nebenwirkungen von Schmerzmitteln verstärken kann, sollte bezüglich des Autofahrens vollständig darauf verzichtet werden. Der Patient sollte darauf hingewiesen werden, dass ein plötzliches Absetzen der Schmerzmedikamente oder der grundsätzliche Verzicht auf Schmerzmittel trotz starker Schmerzen keineswegs fahrtauglich machen. 101 ©Daniel Bujack_fotolia.com Zweifel an der Fahrtauglichkeit Bestehen Zweifel an der Fahrtauglichkeit, fordert die Führerscheinstelle in der Regel ein fachärztliches Gutachten. Der Facharzt sollte nicht der behandelnde Arzt sein. Bestehen laut diesem Fahrzeuggutachten noch immer Bedenken, fordert die Führerscheinstelle ein medizinisch-psychologisches Gutachten bzw. eine medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU). Die MPU setzt sich aus folgenden Teilen zusammen: • Fragebögen, die vom Patienten ausgefüllt werden müssen, als Vorbereitung des Arzt- und Psychologengesprächs • Leistungstests zur Prüfung der Reaktions- und Wahrnehmungsfähigkeit sowie der Reaktionsgeschwindigkeit • Medizinischer Bereich: Körperlicher Allgemeinzustand, Sinnesfunktionen, fachärztlicher Befund, neurologischer Befund (falls erforderlich), Medikamenteneinnahme werden berücksichtigt. • Psychologischer Bereich: Wahrnehmung, Aufmerksamkeit, Orientierung, Reaktion, Belastbarkeit werden beurteilt. Im Gespräch mit dem Arzt und Psychologen geht es um die Einstellungen zum Straßenverkehr (Vorausschauen, Planen, Erkennen von Gefahren), aber auch um die Fähigkeit zur Selbsteinschätzung und den Umgang mit Schwierigkeiten. 102 Als dritte Möglichkeit kann die Führerscheinstelle ein technisches Gutachten (vom TÜV oder der DEKRA) fordern. Dabei werden Umbauten bzw. Zusatzgeräte am Kraftfahrzeug festgelegt, die wegen der Behinderung erforderlich sind. Auch eine Fahrprobe mit Prüfer kann gefordert werden. Nach dieser TÜV-Prüfung werden die erforderlichen Auflagen bzw. Beschränkungen in den Führerschein eingetragen. Will der behinderte Autofahrer diese Auflagen oder Beschränkungen ändern, ergänzen oder streichen lassen, weil sich z. B. sein gesundheitlicher Zustand verbessert hat, muss er das bei der Führerscheinbehörde erneut beantragen. Nur die Behörde kann ein erneutes technisches Gutachten veranlassen. Zu den Umbauten am Auto gehören beispielsweise: • Handbedienung von Bremse, Kupplung und Gas • Lenkhilfen • Rollstuhl-Einstiegs- und Verladehilfen Kommt der Betroffene der Forderung der Führerscheinstelle zur Erstellung des oben genannten Gutachtens nicht nach, kann der Führerschein eingezogen werden. Die Kosten des Gutachtens trägt der Patient. Wer hilft weiter? Bei Fragen helfen der behandelnde Arzt, die Führerscheinstelle, TÜV oder DEKRA sowie Stellen, die medizinisch-psychologische Untersuchungen durchführen. 103 104 Urlaub und Reisen 105 Eine erholsame Reise Reisen sind grundsätzlich positiv zu bewerten, da eine unbekannte Umgebung und neue Eindrücke vom Schmerz ablenken. Die Reise sollte möglichst stressfrei geplant werden, z. B. Hilfe eines Reisebüros in Anspruch nehmen, Gepäck vorab einchecken, damit der Schmerzkranke nicht lange in der Schlange stehen muss. Praxistipps! • Ausreichend Pausen einplanen. • Eventuell muss die medikamentöse Therapie höher dosiert werden als zu Hause, weil – die An- und Abreise für viele Patienten besonders belastend ist (z. B. langes, unbequemes Sitzen im Flugzeug) und – im Urlaub oft ein Teil des Therapiespektrums wie Akupunktur, Physio- oder Psychotherapie wegfällt. • FürMigränepatienten kann der Jetlag problematisch werden. Deshalb sollte auch im Urlaub der normale Tagesrhythmus eingehalten werden. Eventuell ist Melatonin empfehlenswert. • Opioid-Patienten sollten sich bei Zeitverschiebung sofort auf den Tagesrhythmus vor Ort einstellen und Übergangsprobleme mit niedriger dosierten Präparaten, z. B. Tropfen, überbrücken. • DieAnwendung von Schmerzpflastern kann in heißen Ländern problematisch werden, da schweißfeuchte Haut eine höhere Dosis aus dem Pflaster schwemmt. Eventuell auf niedriger dosierte Pflaster ausweichen. • Patienten, die TENS-Geräte benutzen, kommen in heißen Ländern mit einer geringeren Stromintensität aus als zu Hause, da schweißfeuchte Haut besser leitet als trockene. Am Flughafen gibt es keine Probleme mit dem Gerät, wenn der Patient die Gebrauchsanweisung vorlegen kann. • Vor Beginn der Reise sollten sich Patienten über Fragen des Auslandskrankenversicherungsschutzes, der Reiserücktrittsversicherung sowie die Möglichkeiten eines Rückholdienstes informieren. • DieTelefonnummern der behandelnden Ärzte und Zentren zu Hause sollten im Urlaub immer griffbereit sein, um bei Problemen telefonisch Rat einholen zu können. • PatientensolltenInformationen über ihre Erkrankung, Medikamente, Unverträglichkeiten und Verhalten im Notfall in der Landessprache mit sich führen. Viele Selbsthilfegruppen und Fachgesellschaften bieten solche Informationen an oder wissen, wo sie zu erhalten sind. 106 Manchmal ist es stressfreier und erholsamer, die Reise von einem – mit den Belangen Behinderter vertrautem – Reiseveranstalter organisieren zu lassen oder sich einer entsprechenden Reisegruppe anzuschließen. Dies ermöglicht auch schwerbehinderten Menschen eine Reise ins entfernte Ausland. Veranstalter und Anbieter von Behindertenreisen erfährt man beim örtlichen Reisebüro. In manchen Reiseländern ist die Gefahr relativ hoch, durch ungewohnte Speisen oder verunreinigtes Trinkwasser Durchfall zu bekommen. Manchen Reisenden wird auch bei Flügen oder Seereisen übel, so dass sie sich übergeben müssen. Bei Durchfall oder Erbrechen können Schmerzmittel, die über den Mund eingenommen wurden, eventuell nicht mehr ausreichend wirken. Eine Möglichkeit, die Unterversorgung des Patienten zu vermeiden, sind Opioide, die über ein Pflaster durch die Haut aufgenommen werden. Diese sollte sich der Patient vorsorglich verordnen lassen. Schmerzmittel bei Auslandsaufenthalt Schmerz- und Betäubungsmittel können bei der Einreise in andere Länder beschlagnahmt werden. Patienten, die auf diese Medikamente angewiesen sind, müssen deshalb den Beipackzettel sowie – in nichtdeutschsprachigen Ländern auf englisch – ein ärztliches Attest vorweisen können, das erklärt, dass der Patient das Medikament auf ärztliche Verordnung einnehmen muss und es dazu dient, ihn während des Aufenthalts gesund zu erhalten. Es wird empfohlen, diese ärztliche Erklärung von der Gesundheitsbehörde des jeweiligen Bundeslandes beglaubigen zu lassen. Der Patient darf die Menge an Schmerzmitteln mit sich führen, die er wegen seines Gesundheitsproblems für die Zeit des Aufenthalts benötigt. Bei der Zollerklärung müssen diese Medikamente angegeben werden. Es ist ratsam, bei der zuständigen Botschaft in Deutschland die genauen Richtlinien des jeweiligen Landes zu erfragen. 107 Grundsätzlich ist zwischen Reisen in Schengen-Länder (v. a. Europa) und in „andere“ Ländern zu unterscheiden. • Für Schengen-Länder ist die „Bescheinigung für das Mitführen von Betäubungsmitteln im Rahmen einer ärztlichen Behandlung bei Auslandsreisen“ erforderlich. In den Schengen-Ländern herrscht Reisefreiheit ohne Grenzkontrollen. Bei Auslandsreisen muss jedoch ein Reisepass als Ausweisdokument mitgeführt werden. • Für die anderen Länder gilt die „Bescheinigung für Reisende, die mit Betäubungsmitteln behandelt werden und mit diesen verreisen müssen“. Sie können die Formulare zudem beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) unter www.bfarm.de > Betäubungsmittel > Formulare heruntergeladen werden. Auf dieser Internetseite finden sich auch weitere Details zur Mitnahme von Schmerzmitteln ins Ausland. Patienten, die auf Opioide angewiesen sind, sollten immer ihren Opioid-Ausweis mit sich führen (siehe S. 121). Transport der Medikamente 108 Die Medikamente sollten immer aufgeteilt transportiert und aufbewahrt werden: einen Teil im Handgepäck, den anderen im Koffer; einen Teil im Hotelzimmer, einen Teil im Safe, einen Teil für unterwegs. Falls ein Gepäckstück abhanden kommt oder eingebrochen wird, ist auf jeden Fall die Medikamentenversorgung gesichert. Auf Flugreisen sollte man Schmerzmittel im Handgepäck mitführen, weil Temperatur- und Druckverhältnisse im Gepäckraum stark schwanken und die Wirksamkeit der Medikamente beeinträchtigen können. Schmerzmedikamente vertragen nur einen bestimmten Temperaturbereich, ideal ist deshalb der Transport in einer Isoliertasche. Aufgegebene Koffer können zudem abhanden kommen oder verspätet eintreffen. Krankenversicherungsschutz Bei Reisen ins Ausland sollten Schmerzpatienten auf ihren Auslandskrankenschutz achten, sich gegen Infektionen besonders schützen und auf die Verträglichkeit von Nahrungsmittel achten. Rechtzeitig vor Reiseantritt sollte der Krankenversicherungsschutz im Ausland geklärt werden. Mit der Europäischen Krankenversichertenkarte (EHIC-Karte) besteht Versicherungsschutz in den EU-Staaten bzw. Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR), die mit Deutschland das sogenannte Sozialversicherungsabkommen abgeschlossen haben. Die Krankenkasse muss allerdings nur die Kosten übernehmen, die auch in Deutschland für die jeweilige Behandlung anfallen würden, und das kann im Zweifel zu einer hohen Eigenbelastung führen. Zudem wird mit der EHIC-Karte beim behandelnden Arzt im Ausland manchmal eine Barzahlung verlangt oder es findet gar keine Behandlung statt. Es ist auch daran zu denken, dass die Kosten für einen Rücktransport nicht übernommen werden, sofern dieser medizinisch nötig sein sollte. EHIC-Karte In anderen Ländern (z. B. USA, Asien) gilt nur ein stark eingeschränkter Versicherungsschutz und auch der nur unter bestimmten Voraussetzungen. Für etwa 10,– € im Jahr kann man bereits einen guten Versicherungsschutz durch eine private Auslandsreisekrankenversicherung erhalten. Anbieter sind z. B. Versicherungsgesellschaften, Banken oder Automobilclubs. Auch die Krankenkassen können ihren Versicherten eine Auslandsreisekrankenversicherung vermitteln. Kosten Wer hilft weiter? Weitere Informationen erhalten Sie über: • dieKrankenkassen. • dieDVKA (Deutsche Verbindungsstelle Krankenversicherung – Ausland), Pennefeldsweg 12c, 53177 Bonn, Telefon 0228 9530-0, Fax 0228 9530-600, www.dvka.de, E-Mail post@dvka.de. 109 110 © Peter Atkins_fotolia.com Sport und Bewegung Sport und Bewegungsübungen können Schmerzen lindern, Verspannungen lösen, Kraft und Lebensqualität zurückbringen und Schmerzen vorbeugen. 111 Schmerz lindern Bei chronischen Schmerzerkrankungen kann regelmäßige, gezielte Bewegung das Leiden bessern. Der Körper bildet bei sportlicher Betätigung Endorphine, die ähnlich wie Opioide schmerzstillend wirken und zusätzlich auf natürliche Weise die Stimmung aufhellen. Grundsätzlich muss vor Beginn des Trainings eine Beratung durch den Arzt oder Therapeuten erfolgen, da sich falsches Training ungünstig auswirken kann. Wichtig ist, sich regelmäßig zum Training zu motivieren, auch und gerade dann, wenn das therapeutisch angeleitete Training (das oft befristet ist) ausläuft. Dreimal pro Woche Bewegung oder Training sind in der Regel am sinnvollsten. Kleinere Dehnübungen können auch mehrmals täglich durchgeführt werden. Allerdings sind pauschale Empfehlungen nicht möglich, da Schmerz eine sehr individuelle Erkrankung ist: Was dem einen nutzt, kann dem anderen schaden. Und die Tagesform ist verschieden: Was am einen Tag gerade recht ist, kann am anderen Schmerzen auslösen. Eine gewisse Trainingsdisziplin ist notwendig, um den „inneren Schweinehund“ zu überwinden. Aber „verbissenes“ Training und Überanstrengung können die Erkrankung verschlimmern. Patienten sollten lernen, auf ihren Körper zu hören und ihr Training anzupassen und sich über ihre Erfahrungen mit Ärzten, Therapeuten und anderen Betroffenen austauschen. Im allgemeinen kann man sagen, dass das Training Körpergefühl und Wohlbefinden verbessert. Bewegungsschmerz 112 Wenn Schmerzen bei bestimmten Bewegungen auftreten, versuchen Patienten, diese Bewegungen zu vermeiden, stark einzuschränken oder Ersatzbewegungen zu machen. Doch das Ruhigstellen verschlimmert auf Dauer den Schmerz, da sich Muskeln, die nicht bewegt werden, fortschreitend abbauen und sich Gelenkkapseln und Sehnen zusammenziehen. Die Folge ist, dass die Bewegung gar nicht mehr oder nur unter Schmerzen ausgeführt werden kann. Ersatzbewegungen können zu Verspannungen oder Fehlhaltungen führen, was ebenfalls Schmerzen nach sich ziehen kann. Bei Bewegungsschmerzen ist eine vorherige Schmerztherapie Voraussetzung für den gezielten Muskelaufbau. Physiotherapie und sinnvolles Training sind unter großen Schmerzen nicht möglich, aber mit Linderung der Schmerzen steigt der natürliche Bewegungsdrang des Patienten. Vielen Patienten mit chronischen Schmerzen nützt ein gezieltes Training der Muskulatur durch Reha-Sport und Funktionstraining. Damit kann z. B. die Wirbelsäule wieder besser stabilisiert werden, und Schmerzen, die durch Fehlhaltungen und Verspannungen entstehen, reduzieren sich. Generell kann hier von „Krafttraining“ gesprochen werden, das aber nur unter Anleitung von Therapeuten durchgeführt werden sollte, die Erfahrung mit Schmerzpatienten haben und die individuelle Schmerzerkrankung und -therapie kennen. Neben klassischen Kraftgeräten und Hanteln werden oft Therabänder (breite Gummibänder) genutzt. Geeignete Trainingsformen Kontakte zu Anbietern von Reha-Sport und Funktionstraining (siehe auch S. 49) bekommt man über die Krankenkasse, spezielle Schmerztherapeuten, Schmerzkliniken, Selbsthilfegruppen oder Physio- und Ergotherapeuten. Bewegung und Sport sollen Freude machen. Tanztherapie ist hier ein Ansatz, der das Angenehme mit dem Nützlichen, den Sport mit der Gemeinschaft verbindet. Geeignete Sportarten sind solche, die „sanfte“ Bewegungen erfordern, keine ruckartigen oder extremen Kraftanstrengungen oder gar Stresssituationen hervorrufen. Hierzu zählen z. B.: • Radfahren: Niedriger Gang, schnell treten. • Langlaufen, Wandern und (Nordic)Walking: Gutes Schuhwerk, ggf. Stöcke. Ausgeglichen und gleichmäßig vorwärtsbewegen. • Schwimmen: Klären, welcher Stil geeignet ist. Brustschwimmen ist bei Lendenwirbel-, Hüft- und Knieproblemen oft weniger geeignet. Beachten, ob warmes oder kaltes Wasser besser ist. • Gezielte Gymnastik, Wassergymnastik und Aqua-Jogging. • Yoga, Tai-Chi, Chigong und ähnliche Methoden verbinden in der Regel Anspannung, Dehnung und Entspannung zu einem harmonischen Ganzen. 113 114 Schmerzmittel und Sucht Weil Morphine von Drogenabhängigen missbraucht werden, haben oft sowohl Arzt als auch Patient große Bedenken bezüglich dieser hochwirksamen Schmerzmittel. 115 Von Sucht spricht man jedoch nur bei unkontrolliertem, zwanghaftem Einsatz einer Droge. Solch eine Sucht kommt bei medikamentösem Gebrauch von Opioiden unter Überwachung eines erfahrenen Arztes so gut wie nicht vor. Da Opioide bei retardierten (= verlangsamten) Präparaten ihre Wirkung nicht schubartig entfalten, kommt es auch nicht zu Rauschzuständen. Bei stärksten Schmerzen bieten Dosierungstechniken wie Schmerzpflaster oder implantierte Schmerzpumpen einen noch vorsichtigeren Medikamenteneinsatz. Allerdings kann durch falsche Einnahmegewohnheiten eine Medikamentensucht antrainiert werden. Schmerzmittel müssen deshalb immer zur festgesetzten Zeit eingenommen werden. Keinesfalls sollte der Patient die Einnahme hinauszögern, bis die Schmerzen wieder stark geworden sind, da der Körper sonst ähnlich wie bei Süchtigen nach Schmerzlinderung und der nächsten Dosis verlangt. Wenn die Schmerzmittel nach Zeitschema eingenommen werden – ohne dass der Schmerz wieder stark zu spüren ist, bleibt die Suchtgefahr klein. Eine körperliche Gewöhnung tritt bei fast allen Medikamenten ein, die über einen längeren Zeitraum eingenommen werden. Medikamentengewöhnung ist jedoch keine Sucht im eigentlichen Sinn, da die Gewöhnung bei Bedarf veränderbar ist. Unter einer Opioid-Dauertherapie mit sehr hohen Dosen entwickeln Patienten eine körperliche Abhängigkeit. Bei abruptem Absetzen der Medikamente entstehen Entzugs syndrome wie Schwitzen oder Übelkeit. Diese Reaktionen lassen sich durch eine langsame Dosisreduzierung der Medikamente vermeiden. 116 Adressen 117 ©robynmac_fotolia.com Beratung und Informationsmaterial über die modernen Methoden der Schmerzbehandlung sowie Kontakt zu Selbsthilfegruppen und zu schmerztherapeutischen Einrichtungen sind unter anderem bei nachfolgenden überregionalen Organisationen erhältlich. Weitere Ansprechpartner und Adressen finden Sie unter www.betacare.de Deutsche Schmerzliga e. V. Adenauerallee 18, 61440 Oberursel Telefon 0700 375375375 Montag bis Freitag von 9-12 Uhr E-Mail: info@schmerzliga.de www.schmerzliga.de Deutsche Schmerzhilfe e. V. Sietwende 20, 21720 Grünendeich Telefon 04142 810434 E-Mail: geschaeftsstelle@schmerzhilfe.org FORUM SCHMERZ im Deutschen Grünen Kreuz e. V. Nikolaistraße 3, 35037 Marburg E-Mail: dgk@dgk.de www.forum-schmerz.de Deutsche Schmerzgesellschaft e. V. Bundesgeschäftsstelle Alt-Moabit 101 b, 10559 Berlin Telefon 030 394096890 E-Mail: info@dgss.org www.dgss.org Deutsche Gesellschaft für Schmerztherapie e. V. Adenauer Allee 18, 61440 Oberursel Telefon 06171 28600 E-Mail: info@dgschmerztherapie.de www.dgschmerztherapie.de 118 Krebsinformationsdienst KID Deutsches Krebsforschungszentrum Im Neuenheimer Feld 280, 69120 Heidelberg Telefon 0800 4203040 Krebsinformationsdienst 8–20 Uhr E-Mail: krebsinformationsdienst@dkfz.de www.krebsinformationsdienst.de Überregionale Informationsdienste für spezielle schmerzhafte Erkrankungen Deutsche Rheuma-Liga Bundesverband e.V. Maximilianstraße 14, 53111 Bonn Telefon 0228 766060 E-Mail: bv@rheuma-liga.de www.rheuma-liga.de Fibromyalgie-Liga Deutschland (FLD) e.V. Monika Jäger (stellvertretende Vorsitzende) Friedensstraße 36, 57392 Schmallenberg Telefon 02974 833607 E-Mail: info@fibromyalgie-liga.de www.fibromyalgie-liga.de Aktion Gesunder Rücken (ARG) e.V. Postfach 103, 27443 Selsingen Telefon 04284 9269990 www.agr-ev.de Deutsche Vereinigung Morbus Bechterew e.V. Bundesverband Geschäftsstelle Ludwig Hammel Metzgergasse 16, 97421 Schweinfurt Telefon 09721 22033 E-Mail: DVMB@bechterew.de www.bechterew.de Geschäftszeiten: Montag bis Freitag von 8.00-16.00 Uhr Erster Montag im Monat 18.00–20.00 Uhr (telefonische Abendsprechstunde) Bundesselbsthilfeverband für Osteoporose e.V. (BfO) Kirchfeldstraße 149, 40215 Düsseldorf Telefon 0211 3013140 E-Mail: info@osteoporose-deutschland.de www.osteoporose-deutschland.de Geschäftszeiten: Montag bis Donnerstag von 7.30–16 Uhr, Freitag 7.30–13.00 Uhr 119 Wirbelsäulenliga e. V. WSL Geschäftsstelle Widenmayerstr. 29, 80538 München Telefon 089 21096966 E-Mail: info@wirbelsaeulenliga.de www.wirbelsaeulenliga.de Amputierten-Initiative e. V. Bundesverband für Arm- und Beinamputierte Dagmar Gail Spanische Allee 140, 14129 Berlin Telefon 030 8032675 E-Mail: info@amputierten-initiative.de www.amputierten-initiative.de 120 Opioid-Ausweis Menschen, die dauerhaft auf Opioide angewiesen sind, sollten einen sogenannten Opioid-Ausweis mit sich führen. Im Opioid-Ausweis sind die Schmerzmedikamente, die Dosierung und die Einnahmedaten vermerkt. 121 Neben einer schriftlichen Einnahmeanordung können mit diesem Ausweis mitbehandelnde Ärzte über die Notwendigkeit der Opioide und die Art der Dosierung informiert werden. Die Vorlage des Ausweises stellt in der Regel sicher, dass die Schmerztherapie auch in fremden Krankenhäusern, z. B. nach Unfällen oder bei Akuterkrankungen im Urlaub, fortgeführt und der Patient weiterhin schmerzmedikamentös versorgt wird. Betroffene sollten ihren Opioid-Ausweis in der Brieftasche mit sich führen. Es ist unter Umständen notwendig, auch Angehörige oder Freunde über den Ausweis in Kenntnis zu setzen, damit das Dokument im Notfall dem fremden Arzt bzw. im Krankenhaus vorgelegt wird. Auch für Patienten, die gegenüber Behörden ihre Fahrtauglichkeit nachweisen müssen, ist ein Opioid-Ausweis unerlässlich. Näheres dazu im Abschnitt „Autofahren unter Schmerzmitteln“ auf Seite 101. Ein entsprechender Ausweis kann über die Geschäftsstelle der Deutschen Gesellschaft für Schmerztherapie e. V. bezogen werden: Deutsche Gesellschaft für Schmerztherapie e. V. Adenauerallee 18, 61440 Oberursel Telefon 06171 28600 E-Mail: info@dgschmerztherapie.de www.dgschmerztherapie.de > Service Bestellungen > Formular für Opioidausweisbestellung 122 Patientenvorsorge Im Idealfall machen sich Menschen über den Bereich „Patientenvorsorge“ Gedanken, wenn sie noch gesund sind und tragfähige Entscheidungen für die Zukunft treffen können. 123 Zunehmende Einschränkungen durch Schmerzerkrankungen, können Anlass sein, sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen. Wobei zu betonen ist, dass eine Beschäftigung mit der Patientenvorsorge auch dann sinnvoll ist, wenn keine Erkrankung vorliegt. Es ist für jeden hilfreich, frühzeitig vorzusorgen, um sich und seinen Angehörigen oder Freunden einen entspannten Blick in die Zukunft zu ermöglichen. Im Rahmen der Patientenvorsorge können Menschen regeln, wie in wichtigen Lebensbereichen für sie entschieden werden soll und welche medizinischen Maßnahmen gewünscht sind, falls sie sich selbst nicht mehr dazu äußern können. Für Zeiten, in denen durch die Erkrankung körperliche, geistige und/oder psychische Fähigkeiten verloren gehen und man die eigenen Angelegenheiten nicht mehr oder nicht mehr in vollem Umfang regeln kann, werden persönliche Wünsche und Vorstellungen schriftlich niedergelegt, um einer „Fremdbestimmung“ durch andere vorzubeugen. Patientenvorsorge kann man ab dem 18. Geburtstag treffen. Vorher haben die Eltern das Sorgerecht. Angehörige von volljährigen Personen können nur rechtsverbindliche Erklärungen abgeben oder Entscheidungen treffen, wenn sie dafür bevollmächtigt oder als gerichtlich bestellte Betreuer eingesetzt sind. Das gilt auch für nahe Angehörige wie Geschwister, Eltern oder Ehepartner. Erklärungen Für die Patientenvorsorge gibt es drei verschiedene schriftliche Erklärungen: • Vorsorgevollmacht • Betreungsverfügung • Patientenverfügung Vorsorgevollmacht und Betreuungsverfügung sind sich ähnlich: Darin legen Sie für Ihre Alltagsangelegenheiten eine oder mehrere Personen fest, die für Sie handeln und entscheiden dürfen. Die beiden Formen unterscheiden sich darin, wie stark die von Ihnen eingesetzten Personen von offizieller Seite kontrolliert werden. 124 Die Vorsorgevollmacht ist sinnvoll, wenn man für den Fall der eigenen Hilflosigkeit eine Vertretung wünscht und eine absolut vertrauenswürdige Person kennt, die diese Vertretung übernehmen möchte. Das kann sich auf einzelne oder alle Bereiche des Lebens beziehen. Der Bevollmächtigte entscheidet dann anstelle des Patienten und wird in der Regel nicht kontrolliert. Da dies sehr schwerwiegende Entscheidungen sein können, sollten die eigenen Vorstellungen mit dem in der Vorsorgevollmacht vorgesehenen Bevollmächtigten besprochen werden. Vorsorgevollmacht Zu den Aufgabebereichen des Bevollmächtigten können insbesondere gehören: • Gesundheitssorge und Pflegebedürftigkeit • Vermögenssorge • Wohnungs- und Mietangelegenheiten • Aufenthalt und Unterbringung • Post- und Fernmeldeverkehr • Behörden- und Ämtervertretung • Beauftragung von Rechtsanwälten und Vertretung vor Gerichten Eine Betreuungsverfügung ist eine schriftliche Willensäußerung, die dem Betreuungsgericht vorschlägt, wer im Falle einer Betreuung die persönlichen Angelegenheiten übernehmen soll oder auf keinen Fall übernehmen sollte. Eine Betreuung wird dann gerichtlich angeordnet, wenn ein Mensch selbst nicht mehr entscheiden kann. Die Betreuungsverfügung ist heranzuziehen, wenn Sie keine Person kennen, die Ihr uneingeschränktes Vertrauen genießt, so dass Sie diese, im Rahmen einer Vorsorgevollmacht, bevollmächtigen würden oder, wenn Sie bestimmten Personen misstrauen. Die eingesetzten Betreuer werden vom Betreuungsgericht kontrolliert. Eine Betreuungsverfügung kann auch Vorgaben für den Betreuer enthalten. Wenn eine Vorsorgevollmacht (s. o.) vorliegt, die einem Bevollmächtigten ausreichend Befugnisse erteilt, dann wird kein Betreuer eingesetzt. Betreuungsverfügung Mit der Patientenverfügung legt man schriftlich fest (ohne Einschaltung eines fremden Entscheiders), wie in bestimmten medizinischen Situationen die Behandlung in der letzten Lebensphase erfolgen soll. Das kann, wenn gewünscht, auch den Hinweis auf eine Organspende einschließen. Patientenverfügung In der Patientenverfügung kann festgelegt werden, unter welchen konkreten Bedingungen eine Behandlung • erst gar nicht begonnen werden darf, das heißt unterlassen werden muss bzw. • nicht weiter fortgeführt werden darf, das heißt beendet werden muss. 125 Eine Patientenverfügung ist rechtlich bindend, wenn die gewünschte Behandlung (oder Nicht-Behandlung) auf die vorliegende Krankheitssituation zutrifft – das festzulegen erfordert aber medizinische Fachkenntnis. Deshalb sollte man sich bei der Erstellung einer Patientenverfügung vom Arzt beraten lassen. Testament Ein Testament wird immer erst nach dem Tod wirksam, deshalb ist es nicht Bestandteil der Patientenvorsorge. Wer hilft weiter? Informationen geben Hausärzte, Amts- und Betreuungsgerichte, Rechtsanwälte und Notare. 126 Anhang 127 128 Michael Ewers Liebe Leserin, lieber Leser, chronische Schmerzen haben vielfältige Auswirkungen bei Betroffenen und deren Angehörigen. Gut informiert zu sein über Leistungsansprüche und Behandlungs möglichkeiten kann dabei vieles erleichtern. betapharm setzt sich seit Jahren aktiv für eine verbesserte Versorgungsqualität im Gesundheitswesen ein. Aus diesem Engagement hat sich betaCare – das Wissens system für Krankheit & Soziales – entwickelt, welches Antworten auf alle sozialen Fragen rund um eine Krankheit bietet. Der vorliegende betaCareRatgeber „Schmerz & Soziales“ informiert Sie daher umfassend zu Themen wie Arbeitsunfähigkeit und finanzielle Leistungen, Rehabilitation und Schwerbehinderung. Impressum Herausgeber und Redaktion beta Institut gemeinnützige GmbH Institut für angewandtes Gesundheitsmanagement, Entwicklung und Forschung in der Sozialmedizin Geschäftsführer: Michael Ewers Kobelweg 95, 86156 Augsburg Telefon 0821 450540, Telefax 0821 450549100 EMail: info@betainstitut.de www.betainstitut.de Text Sabine Bayer Maria Kästle Andrea Nagl Anja Wilckens Mit herzlichen Grüßen, Layout und Gestaltung Manuela Mahl Michael Ewers Autoren und Herausgeber übernehmen keine Haftung für die Angaben in diesem Werk. Geschäftsführer betapharm & beta Institut Alle Bausteine des betaCareWissenssystems mit seinen vielfältigen Inhalten finden Sie unter www.betaCare.de. Mehr über das soziale Engagement und die Produkte der betapharm Arzneimittel GmbH finden Sie unter www.betapharm.de. Alle Rechte vorbehalten © 2014 Copyright beta Institut gemeinnützige GmbH Der Ratgeber einschließlich all seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. 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