CHE 172.1: Organische Chemie für die Life Sciences

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CHE 172.1: Organische Chemie für die Life Sciences
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CHE 172.1: Organische Chemie für die Life Sciences Prof Dr. J. A. Robinson 5. Aromatische Kohlenwasserstoffe Aufgrund der starken Aromas, das viele Benzolderivate ausströmen, nennt man sie aromatische
Verbindungen. Deshalb gilt Benzol als Stammverbindung der Aromaten. Aromatische Ringe
kommen in vielen biologisch wirksamen Substanzen vor, z.B.:
OH
Me O
Me
N
Benzen
Benzol
(Benzene)
H
N
Cl
OH
N
N
HO
HO
N
N
O
Harnsäure
Oestron
N
Diazepam
(Valium)
N
Me
Nicotin
Wir werden hier nur Benzol-Derivate betrachten, und nicht aromatische Ringe, die ein Heteroatom
enthalten (Kapitel-6), z.B. N, O oder S.
5.1 Die Benennung von Benzolderivaten Der allgemeine Ausdruck für substituierte Benzolderivate lautet Arene. Ein Aren als Substituent
heisst Arylgruppe, abgekürzt Ar-. Die einfachste Arylgruppe heisst Phenyl-, C6H5-, abgekürzt Ph-.
Einige Trivialnamen die häufig vorkommen:
Me
Toluol
(Sdp 110 oC)
NH2
Anilin
(Sdp 184 oC)
O
CHO
Benzaldehyd
(Sdp 178 oC)
COOH
OH
OMe
Anisol
(Sdp 154 oC)
CN
Benzonitril
(Sdp 188 oC)
Me
Me
Me
Phenol
(Smp 43oC)
Acetophenon
(Smp 21oC)
Benzoesäure
(Smp 122oC)
ortho-Xylol
(Sdp 144 oC)
Styrol
(Sdp 145 oC)
Viele monosubstituierte Benzolderivate benennt man, indem man den Substituentennamen dem
Wort "Benzol" voranstellt :
2
1-Brom-2,3-dimethylbenzol
para-Nitrophenol
meta-Chlortoluol
Bei disubstituierten Benzolderivaten können die Substituenten drei mögliche Stellungen zueinander
einnehmen: benachbarte Substituenten 1,2- (ortho), für 1,3-disubstituierte Verbindungen 1,3(meta), für 1,4-disubstituierte Verbindungen 1,4- (para). Die Substituenten werden in
alphabetischer Reihenfolge genannt.
5.2 Die Struktur von Benzol : Aromatizität Im Jahr 1825 erhielt der englische Wissenschaftler Faraday eine farblose Flüssigkeit mit der
empirischen Formel CH. Diese Verbindung war mit der Theorie, nach der jeder Kohlenstoff vier
Valenzen zu anderen Atomen ausbilden musste, nicht so einfach in Einklang zu bringen. Besonders
die ungewöhnliche Stabilität und chemische Trägheit dieser Substanz fiel auf. Man nannte die
Verbindung Benzol und stellte schliesslich die Summenformel C6H6 dafür auf.
Ein Problem damals war, zu verstehen, warum nie zwei unterschiedliche Isomere von einem 1,2disubstituierten Benzolderivat beobachtet werden konnten. Als Lösung schlug Kekulé im Jahre 1865
vor, dass Benzol aus sich rasch ineinander umwandelnden Isomeren von Cyclohexatrien bestehen
sollte. Heute wissen wir, dasss diese Hypothese nicht völlig richtig ist. Nach der modernen
Elektronentheorie kann man Benzol durch zwei äquivalente Resonanzstrukturen des Cyclohexatriens
beschreiben:
Benzol ist ungewöhnlich reaktionsträge. Es geht keine Additionsreaktionen wie normale Alkene ein.
Molekülorbital-Modell des Benzols
Die Abbildung zeigt uns die elektronische Struktur des Benzolrings. Alle Kohlenstoffatome sind
sp2-hybridisiert und jedes p-Orbital überlappt gleichmässig mit seinen beiden Nachbarn. Die auf
diese Weise delokalisierten Elektronen bilden eine π-Elektronen-Wolke oberhalb und unterhalb der
Ringebene.
H
H
H
H
Die sechs cyclisch angeordneten, überlappenden p-Orbitale bilden einen Satz von sechs
Molekülarorbitalen.
Das Benzolmolekül bildet ein regelmässiges Sechseck aus sechs sp2-hybridisierten
Kohlenstoffatomen. Die Länge der aromatischen C-C-Bindung liegt zwischen der einer Einfachund der einer Doppelbindung.
Valenz-Struktur-Beschreibung des Benzols
Die Struktur von Benzol kann durch zwei gleichwertige Resonanzstrukturen von Cyclohexatrien
wiedergegeben werden:
3
Der wirkliche Zustand wird dann als "Zwischenzustand " oder "Resonanz-hybrid" zwischen diesen
Grenzstrukturen wiedergegeben.
Das Zeichen
bedeutet, dass nicht etwa ein dynamisches Gleichgewicht zwischen zwei
verschiedenen Molekülarten existiert, sondern dass der tatsächliche Zustand zwischen den
Grenzstrukturen liegt und von diesen gewissermassen "umschrieben wird". Die Beschreibung einer
wirklichen Struktur durch Kombination von nicht existierender Grenzstrukturen nennt man
Resonanz.
5.3 Stabilität von Benzol Um ein Mass für die relative Stabilität einer Reihe von Alkenen zu bekommen, kann man ihre
Hydrierungswärmen bestimmen. Ein ähnliches Experiment können wir mit Benzol durchführen, und
seine Hydrierungswärme mit der von l,3 Cyclohexadien und Cyclohexen vergleichen :
Obwohl Benzol nur schwer hydriert wird, kann die Reaktion katalytisch durchgeführt werden , und
man erhält für die Hydrierungswärme einen Wert von ∆Ho -206 kJ/mol. Der Unterschied zwischen
den Hydrierungswärmen (und den Bildungsenthalpien ) beträgt ungefähr 124 kJ/mol und wird als
Resonanzenergie von Benzol bezeichnet. Andere Namen dafür sind Delokalisierungsenergie,
aromatische Stabilisierug, oder einfach Aromatizität von Benzol.
5.4 Die Hückel-­‐Regel Mit Hilfe quantentheoretischer Rechnungen lässt sich zeigen, dass ein monocyclisches konjugiertes
Polyen (d.h. alle C-Atome sp2 hybridisiert) besonders stabil ist (d.h. Aromatizität besitzt), wenn es
4n+2 π-Elektronen enthält (n ist ganzzahlig), z.B.:
4
Aromatisch (4n + 2 π-Elektronen)
Naphthalin
Benzol
Anthracen
Phenanthren
[14]-Annulen
Nicht-Aromatisch (4n π-Elektronen)
cyclobutadien
cyclooctatetraen
[16]-Annulen
5.5 Elektrophile aromatische Substitution Aufgrund seiner π-Elektronen besitzt das Benzol-Molekül nucleophile Eigenschaften und reagiert
deshalb vorwiegend mit Elektrophilen, z.B.:
O
NO2
Me
Friedel-Crafts
Acylierung
Nitrierung
SO3H
Sulfonierung
Cl(Br)
Halogenierung
Me
Friedel-Crafts
Alkylierung
Im Gegensatz zu den Alkenen führt ein solcher Angriff zu einer Substitution eines H-Atoms, nicht
zu einer Addition. Z.B. Brominierung in Gegenwart eines Katalysators:
Mechanismus der elektrophilen aromatischen Substitution:
5
Die π-Elektronen aus dem Benzolring greifen Br+ an
Ein Carbokation Zwischenprodukt wird gebildet
Das Carbokation spaltet ein Proton ab
Der erste Schritt ist thermodynamisch ungünstig, da die cyclische Delokalisierung und damit der
aromatische Charakter dabei verloren geht. Nach diesem Schritt wird der aromatische Ring wieder
regeneriert, indem das Proton von dem sp3-hybridisierten Kohlenstoff abgespalten wird. Dies ist
energetisch günstiger als eine Reaktion mit einem Nukleophil, wodurch das Additionsprodukt
entstünde :
H
Energie
Br
H
Br
Br
+ HBr
Reaktionskoordinat
Die Änderung der potentiellen Energie während der Reaktion von Benzol mit einem Elektrophil.
Die Bildung des ersten Übergangszustand ist geschwindigkeitsbestimmend. Das Proton wird
verhältnismässig rasch abgespalten.
Die Reaktion von Benzol mit k.HNO3 bei mässig erhöhter Temperatur führt zur Nitrierung des
Benzolrings:
NO2
H
Konz. H2SO4 reagiert bei RT nicht mit Benzol, sieht man von der Protonierung ab. "Rauchende
Schwefelsäure" (Oleum) greift jedoch elektrophil an, da sie SO3 enthält. Aufgrund der stark
6
elektronenziehenden Wirkung der drei Sauerstoffatome ist das S-Atom in SO3 so elektrophil, dass es
Benzol direkt angreift :
SO3H
H
In Friedel-Crafts-Reaktionen entstehen neue C-C Bindungen. In Gegenwart einer Lewis Säure,
gewöhnlich Aluminiumchlorid, greifen Halogenalkane Benzol unter Bildung von
Alkylbenzolderivaten an (Friedel-Crafts Alkylierung), Alkanoylhalogenide ergeben
Alkanoylderivate (Friedel-Crafts Acylierung):
Cl
+
CH3
CH
CH3
H
CH3
CH3
CH
CH3
CH
CH3
Die Reaktivität des Halogenalkans nimmt in der Reihenfolge RF > RCl > RBr > RI ab. Typische
Lewis-Säuren sind bei dieser Reaktion (nach abnehmender Reaktivität geordnet) AlBr3, AlCl3,
FeCl3, SbCl5 und BF3. Weitere Beispiele:
CH3CH2 Cl
AlCl3 , 25o
Me 3C Cl
AlCl3 , 0o
Cl
AlCl3 , CS2 , 25o
Durch Friedel-Crafts-Acylierung entstehen Aryl-Alkyl-Ketone. Z.B. Benzol reagiert mit
Acetylchlorid in Gegenwart von AlCl3 und bildet Acetophenon :
7
Die Bildung des Acylium-Kations geschieht allgemein durch die Reaktion von Alkanoylhalogeniden
(Acylhaliden) mit AlCl3. Ähnlich reagieren Carbonsäureanhydride mit Lewis-Säuren, z.B.:
O
Allgemein
R-CO-Cl
R
AlCl3
5.6 Induktive-­‐ und Resonanz-­‐Effekte im Benzolring Ein Substituent am Benzolring übt einen elektronischen Effekt aus, indem er entweder
Elektronendichte auf den Ring überträgt, oder Elektronendichte abzieht. Auf diese Weise kann ein
monosubstituierter Benzolring, verglichen mit Benzol, andere chemische und physikalische
Eigenschaften aufweisen, z.B. kann eine elektrophile aromatische Substitutionsreaktion viel
langsamer (d.h. wird desaktiviert) oder schneller (d.h. wird aktiviert) ablaufen als mit Benzol. Das
Abziehen oder Liefern von Elektronen kann durch Induktive- und durch Resonanz-Effekte
zustandekommen.
Induktive- und Resonanz-Effekte beeinflüssen viele chemische und physikalische Eigenschaften von
Aromaten, nicht nur Ihre Reaktivität bei elektrophilen Substitutionsreaktionen.
Induktive- und Resonanz-Effekte
Betrachten wir Beispiele von elektronenliefernden und elektronenziehenden Substituenten:
Me = σ -Donator
Relativ elektronenreicher
Ring (reaktiver)
CF3 = σ -Akzeptor
Relativ elektronenarmer
Ring (weniger reaktiv)
Induktive Effekte sind Polarisationseffekte, die über σ-Bindungen übertragen werden (siehe s.10).
Es ist auch möglich, dass ein Substituent an einen aromatischen Ring mit p-Elektronen zu den pElektronen des Ringes in Konjugation tritt und dadurch entweder negative Ladung aus dem
ungesättigten System abzieht oder negative Ladung in dieses hineindrückt. Häufig spricht man von
einem mesomeren Effekt oder Resonanzeffekt, was daherrührt, dass man in diesen Fällen die
Ladungsdichteverteilung durch Kombination verschiedener Grenzstrukturen beschreiben kann, da
eine Delokalisation der p-Elektronen eintritt, z.B. ein π-Akzeptor
8
O
O
N
O
N
O
N
O
O
O
N
N
O
O
O
Ihre Akzeptorwirkung (die Stärke des mesomeren Effektes) steigt mit der Bereitschaft des
Substituenten, negative Ladung aufzunehmen.
O
O
R
O
R
R
O
R
Andere π-Akzeptorgruppen: In der folgenden Reihe nimmt er darum nach rechts zu:
O
OR
O
O
C N
R
N
O
π-Donorgruppen
Da N elektronegativer ist als C, übt die -NH2 Gruppe einen leicht elektronenziehenden Effekt aus
(induktiver Effekt). Das freie Elektronenpaar des N-Atoms kann jedoch in das aromatische π-System
miteingebracht werden, sodass die Ladungsdichte des Ringes erhöht wird:
N
H
H
H
N
N
H
H
H
H
H
N
N
H
H
Dieser Resonanzeffekt überwiegt den induktiven Effekt bei weitem. Anilin ist deshalb für weitere
Substitution reaktiver als Benzol.
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Das elektronegative O-Atom in Phenol wirkt ebenfalls elektronenziehend (induktiver Effekt). Aber
auch hier überwiegt der Einfluss der Resonanz (p-Donoreffekt), sodass der Benzolkern
elektronenreicher wird:
π-Donorgruppen:
5.7 Orientierung und relative Geschwindigkeit einer Zweitsubstitution Übt ein bereits vorhandener Substituent einen Einfluss darauf aus, an welcher Stelle im Ring ein
Elektrophil angreift, und wie schnell die Reaktion abläuft (im Vergleich zu Benzol)? Schauen wir
zuerst Toluol an, das die induktiv aktivierende Methylgruppe trägt:
Me
Me
Me
Me
+
+
m-Nitrotoluol
o-Nitrotoluol
p-Nitrotoluol
Die elektrophile Nitrierung von Toluol führt hauptsächlich zu ortho und para-Substitution.
Die Nitrierung ist kein Spezialfall:
Me
Me
Me
Br2
Me
FeBr3
Br
+
+
Br
40%
o-Bromtoluol
<1%
m-Bromtoluol
60%
Br
p-Bromtoluol
Trifluormethylbenzol ist gegenüber dem elektrophilen Angriff desaktiviert und reagiert deshalb nur
zögernd. Unter energischen Bedingungen aber erhält man Substitution, jedoch nur in meta-Stellung:
CF3
CF3
Für einen elektrophilen Angriff auf einem resonanz-aktivierten Benzolring ist oft nicht einmal ein
Katalysator notwendig. Die Reaktion verläuft rasch und vollständig regioselektiv zu den (oft
mehrfach) substituierten ortho- und para-Produkten:
3 Br2
Br
OH
OH
NH2
NH2
Br
3 Br2
Br
Br
H2O
H2O
Br
Br
10
O
HN
NHAc
NHAc
NHAc
H2SO4 / HNO3
NO2
Me
+
+
NO2
spüren
m-Nitroacetanilid
21%
o-Nitroacetanilid
OMe
OMe
OMe
OMe
79% NO2
p-Nitroacetanilid
NO2
H2SO4 / HNO3
+
+
Anisol
NO2
2%
40%
o-Nitroanisol
58% NO
2
p-Nitroanisol
m-Nitroanisol
Anisol reagiert ungefähr 1000x schneller als Benzol ! Wenden wir uns nun Benzolderivaten zu, die
durch Resonanz desaktivierende Gruppen tragen. Hierher gehört die Benzoesäure, bei der die
Nitrierung 1000x langsamer verläuft als bei Benzol:
COOH
COOH
COOH
COOH
H2SO4 / HNO3
NO2
+
18%
+
80%
o-Nitrobenzoesäure
NO2
m-Nitrobenzoesäure
2% NO2
p-Nitrobenzoesäure
Die Nitrierung führt überwiegend zum meta-Produkt.
Die Halogene (-F, -Cl, -Br, -I) als Substituenten bilden eine dritte Gruppe, die den Ring
desaktivieren (Chlorbenzol reagiert ≈15-fach langsamer als Benzol), jedoch hauptsächlich orthound para- substituierte Produkte bilden :
Cl
Cl
Cl
Cl
NO2
HNO3/H2SO4
+
+
NO2
2%
30%
68%
NO2
Dirigierende Wirkung von Substituenten bei der elektrophilen aromatischen Substitution:
Ortho- und para-dirigierend
aktivierend
(σ und π-Donorgruppen)
-NH2, -NHR, -NR2
Ortho- und para-dirigierend
desaktivierend
-Cl, -Br, -I
Meta-dirigierend
desaktivierend
(σ und π-Akzeptorgruppen)
-NO2
-CF3
-NH-COR
-NR3+
-OH,
-COOR -CO-R
-OR
-R (Alkyl, Aryl)
5.8 Mechanistische Erklärung -SO3H
-COOH
-CN
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Können wir Mechanismen aufstellen, die diese Selektivitäten erklären können ? Dazu wollen wir die
möglichen Resonanzstrukturen des Kations zeichnen, das nach dem Angriff des Elektrophils (E+)
entsteht. Dabei stellen wir fest, das σ und π-Donorsubstituenten, die ortho- oder para- stehen, das
Zwischenprodukt (und den dazu führenden Übergangszustand) stabilisieren:
Besonders stabile
Resonanzstruktur
Me
Me
Me
H
H
H
E
E
E
Me
Me
Me
Me
H
H
E
H
E
Me
Me
E
H
E
E
Me
H
E
H
Besonders stabile
Resonanzstruktur
Nur durch den Angriff in ortho- und para-Stellung entsteht ein Kation mit einer Resonanzstruktur,
die eine positiven Ladung neben der Alkylgruppe trägt. Da diese Struktur etwas vom Charakter eines
3o-Carbenium-Ions hat, kommt ihr mehr Bedeutung zu (d.h. ist stabiler) als anderen, die die positive
Ladung an einem 2o C-Atom tragen.
Durch einen meta-Angriff dagegen entsteht eine Zwischenstufe, in der keine der möglichen
Resonanzstrukturen von der Stabilität eines 3o-Carbenium-Ions profitiert. Der elektrophile Angriff
auf ein C-Atom ortho- oder para- zu einer Methyl(Alkyl)-Gruppe führt deshalb zu einer
Zwischenstufe, die stabiler ist als die, welche durch einen meta-Angriff entstehen würde. Sie entsteht
daher relativ schnell über einen Übergangszustand mit relativ niedriger Energie (Vgl. Seite 39).
Auch beim elektrophilen Angriff auf einen Resonanz-aktivierten Benzol-Ring kann man die
beobachtete Regioselektivitäten durch Resonanzstrukturen der verschiedenen intermediären
Kationen erklären. z.B.:
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Besonders stabile Resonanzstruktur
OH
OH
H
E
E
OH
OH
H
H
E
E
OH
OH
H
H
H
E
E
E
OH
E
OH
OH
H
OH
H
E
OH
H
E
OH
H
H
E
Besonders stabile Resonanzstruktur
Ortho- und para-Substitutionen sind bevorzugt, da sie über Zwischenprodukte verlaufen, für die man
vier Resonanzstrukturen aufstellen kann, während bei der Zwischenstufe eines meta-Angriffs nur
drei zu formulieren sind.
Wenn wir nun Benzolderivate betrachten, die Resonanz desaktivierende Gruppen tragen:
δ-
O
OH
Cδ+
H
Besonders instabile
Resonanzstruktur
COOH
H
COOH
H
E
E
E
COOH
COOH
COOH
H
H
COOH
H
H
E
E
E
E
COOH
COOH
E
H
Besonders instabile
Resonanzstruktur
COOH
E
H
Der Angriff auf die meta-Position vermeidet hier, dass eine positive Ladung neben der
elektronenziehenden Carboxygruppe entsteht. Bei ortho- und para- Angriff hingegen ist dies nicht
der Fall, d.h. hier müssen recht energiereiche Resonanzstrukturen formuliert werden. Bei anderen
desaktivierenden Substituenten ist die Situation analog.
Halogenatome wie Cl und Br sind räumlich viel grösser als O- und N-Atome. Obwohl ein p-DonorEffekt von -Cl noch vorhanden ist, ist der Resonanz-Effekt nicht so wirksam (wie bei N- und OAtome), weil die p-Orbital am -Cl schlechter mit den benachbarten p-Orbitale des Benzolringes
überlappen. N-, O-, und Cl-Atome sind alle elektronegativ (σ -Akzeptorwirkung), aber mit O- und NAtome ist der Resonanz-Effekt (p-Donor) viel stärker. Das heisst, Chlorbenzol ist weniger reaktiv,
bezorzugt aber immer noch Substitutionsreaktionen in ortho- und para-Positionen. Z.B.
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Cl
Cl
Cl
H
E
Cl
Cl
H
E
H
H
E
E
Ein Resonanzeffekt führt nochmals bevorzugt zu ortho- und para-Produkte.
5.9 Elektrophiler Angriff auf disubstituierte Benzole Die Wirkungen zweier Substituenten auf die relative Geschwindigkeit und auf die Orientierung der
elektrophilen Substitution des Benzolrings addieren sich. Z.B.:
Methyl dirigiert hier
Nitro dirigiert hier
Me
Me
NO2
NO2
Wenn zwei in entgegengesetzte Richtung lenkende Gruppen vorhanden sind, sie üben ihren Einfluss
gewöhnlich unabhängig voneinander aus. Konkurrieren die Substituenten miteinander um den Ort
der Substitution, setzt sich die stärker aktivierende (oder desaktivierende) Gruppe durch. ResonanzEffekte sind normalerweise stärker als Induktive-Effekte.
Z.B.:
Me
Methyl dirigiert hier
Me
OH dirigiert hier
OH
OH
Wenn räumlich ausgedehnte Gruppen vorhanden sind, ist eine Stellung zwischen diesen
Substituenten oft aus sterischen Gründen ungünstig:
Z.B.
Me
Sterisch gehindert
Cl
Me
Cl
In den meisten anderen Fällen ergeben sich Produktgemische.
5.10 Synthetische Aspekte Benzol fällt bei verschiedenen technischen Prozessen an, z.B. in der aromatischen Fraktion von
Rohöl-Destillat. Jährlich werden weltweit etwa 35 Millionen Tonnen Benzol hergestellt. Von 1940
bis ungefähr 1960 wurde das meiste Benzol auf der Basis der Steinkohle hergestellt. Seit 1950 wird
es auch aus Erdöl gecrackt.
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Synthese Planung
Bei der Synthese eines spezifischen Benzolderivats hängt alles davon ab, ob der erste eingeführte
Substituent weitere Substituenten in die richtige Position dirigiert:
Chlorbenzol
NO2
Cl
NO2
Cl
Nitrobenzol
Aromatische-Carbonsäuren
Es gibt bestimmte Reaktionen, welche die dirigierende Wirkung eines Substituenten umkehren
können. z.B. der Benzolring ist wegen seiner Resonanzenergie oxidationsbeständig. Aber eine Alkyl
Seitenkette kann zu einer Carbonsäure oxidiert werden:
Me
z.B. für die Synthese von para-Brombenzoesäure :
Me
COOH
Br
Me
Br
Br
p-Brombenzoesäure
Aromatische-Amine
Eine meta-dirigierende Nitrogruppe kann in die ortho- und para-dirigierende Aminogruppe
umgewandelt werden. Nitrogruppen können zu Aminogruppen reduziert werden:
Für eine Synthese von p-Aminobenzoesäure (ein Bestandteil des Vitamins Tetrahydrofolsäure) :
Me
Toluol
Me
COOH
NO2
NO2
COOH
NH2
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Aufpassen: Friedel-Crafts Reaktionen an Nitrobenzol sind nicht möglich: -NO2 wirkt zu stark
desaktivierend !
5.11 Mehrkernige benzoide Kohlenwasserstoffe Durch Kondensation oder Annelierung mehrerer Benzolringe ergibt sich eine Verbindungsklasse, die
man als mehrkernige benzoide Kohlenwasserstoffe bezeichnet.
z.B.
Naphthalin
Anthracen
Tetracen
(Naphthacen)
Phenanthren
Triphenylen
Pyren
Benzo[a]pyren
An diesen Ringen kann man, wie zu erwarten ist, elektrophile Substitutionen durchführen, die nach
demselben Mechanismus wie die entsprechenden Reaktionen an Benzol und seinen Derivaten
verlaufen. Der neue Hauptschwerpunkt liegt mit der Regioselektivität solche Prozesse, die wir aber
hier nicht betrachten werden.
Viele der mehrkernigen benzoiden Kohlenwasserstoffe sind karzinogen (krebserregend). Ein
besonders gut erforschtes Molekül ist Benz[a]pyren. Benz[a]pyren entsteht bei der Verbrennung
organischer Materie, wie Automobiltreibstoff und Erdöl, bei der Müllverbrennung, bei Waldbränden,
man findet es in Zigaretten und im Zigarrenrauch und sogar in gegrilltem Fleisch.
Wodurch kommt nun die karzinogene Wirkung von Benz[a]pyren zustande ? Man nimmt an, dass
ein oxidierendes Enzym (eine Oxidase) aus der Leber den Kohlenwasserstoff in das C7/C8 -Epoxid
überführt. Ein anderes Enzym (Epoxid-Hydratase) katalysiert die Hydratisierung des Produkts zum
trans-Diol (Vgl. Seite 35). Durch weitere Oxidation entsteht dann das eigentliche Karzinogen, ein
neues C9/C10 -Epoxid:
O
HO
OH
Benzo[a]pyren
HO
OH
Karzinogen
O
Vermutlich erfolgt das krebsauslösende Ereignis dann, wenn der Aminstickstoff des Guanins, einer
der Basen im DNA-Strang, das Epoxid Nukleophil angreift :
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HO
O
HO
OH
H2 N
O
OH
N
HN
N
OH
N
HN
DNA
N
HN
DNA
N
N
O
Bei dieser Reaktion wird die Struktur eines Basenpaare der DNA geändert, was zu Fehlern und
Störungen bei der DNA-Replikation führt. Diese Fehler können zu einer Veränderung (Mutation) des
genetischen Information führen, wodurch dann unter Umstände das Wachstum einer Linie von rasch
und undifferenziert wuchernden Zellen ausgelöst wird, was typisch für Krebs ist.
Benzo[a]pyren+DNA
Graphene
Graphen ist die Bezeichnung für eine Modifikation des Kohlenstoffs mit zweidimensionaler
Struktur, in der jedes Kohlenstoffatom von drei weiteren umgeben ist, so dass sich ein
bienenwabenförmiges Muster ausbildet (Vgl. Oben). Graphen hat ungewöhnliche Eigenschaften, die
es sowohl für die Grundlagenforschung als auch für Anwendungen interessant machen, und zwar vor
allem in der Physik (wie auch der Nobelpreis aussagt, der 2010 vergeben wurde). Beispielsweise
sind Graphen-Flächeneinkristalle innerhalb der Flächen außerordentlich steif und fest. Wegen der
hohen elektrischen Leitfähigkeit von Graphen wird derzeit an der Frage geforscht, ob Graphen
Silicium als Transistormaterial ablösen könnte.