Materialmappe Tschick - Westfälisches Landestheater

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Materialmappe Tschick - Westfälisches Landestheater
Theaterpädagogische Materialien
Premiere: 08.02.2014
Aufführungsdauer: ca. 90 Minuten
Herzlich Willkommen
im Westfälischen Landestheater!
Am Westfälischen Landestheater feierte am 08.02.2014 „Tschick“ von Robert Koall
nach dem gleichnamigen Roman von Wolfgang Herrndorf Premiere.
Vor 2 Jahren kannten die Buchhändler in Castrop-Rauxel „Tschick“ noch nicht.
Mittlerweile ist der Roman von Wolfgang Herrndorf weder aus den Bücherregalen
und Nachttischen, noch von den Theaterbühnen wegzudenken. „Tschick“ ist in der
Spielzeit 2013/14 das meist inszenierte Theaterstück an deutschen Bühnen.
Der schnelle Erfolg lässt sich vermutlich darauf zurück führen, dass der Autor einen
Bestseller für alle Altersklassen geschrieben hat. Es ist ein Abenteuerroman, der
einen Moment des Jungseins einfängt, der am Besten ewig dauern könnte.
Hier ein paar Pressestimmen zu der Castrop-Rauxeler Inszenierung:
„Maik und Tschik erfüllen sich den Teenagertraum von Freiheit und Abenteuer. Im
geklauten Lada irren sie durch die Gegend und treffen schrille, aber nette Typen. Steffen
Weixler gibt wunderbar den lässigen Russland-deutschen Tschick mit entsprechendem
Akzent und Daniel Printz glänzt als etwas schüchterner Maik aus wohlhabendderangiertem Elternhaus. […] In witzig-pointierten Dialogen wird ihr Ausbruch
rückblickend erzählt, gespielt.“ (Ruhr Nachrichten 10.02.14, Britta Helmbold)
„Tschick ist eine Reise durch die Seelenlandschaft Pubertierender. Eine Suche im
Niemandsland. Mit überraschenden Entdeckungen eher am Wegesrand als am
vermeintlichen Ziel.“ (Ruhr Nachrichten 29.01.14, Jörg Reiners)
Mit dem vorliegenden Begleitmaterial erhalten Sie Anregungen zur Vor- und
Nachbereitung des Vorstellungsbesuches im Unterricht sowie dramaturgische
Informationen zum Stück.
Wenn Sie einen Vorstellungsbesuch durch eine unserer Theaterpädagoginnen
vorbereiten oder nachbereiten lassen möchten, zögern Sie nicht anzurufen oder eine
E-Mail zu senden.
Wir freuen uns auch über Feedback zur Inszenierung oder zu dieser Infomappe.
Herzliche Grüße aus dem WLT
Westfälisches Landestheater e.V. Theaterpädagogik
Sabine Eschen
Europaplatz 10 44575 Castrop-Rauxel
Tel.: 02305 – 978026
E-Mail: eschen@westfaelisches-landestheater.de
Inhaltsverzeichnis
Besetzung....................................................................................................................4
Zum Stück ...................................................................................................................5
Zum Autor....................................................................................................................6
Auszug aus dem Onlineblog „Arbeit und Struktur“.......................................................7
Wann hat es „Tschick“ gemacht, Herr Herrndorf?.......................................................9
Nachgespräch............................................................................................................11
Die Rollen .................................................................................................................12
Rollenfragebogen..................................................................................................12
Die Kostüme..............................................................................................................14
Das Bühnenbild für einen „Road-Movie“....................................................................15
Textauszüge aus der WLT-Strichfassung .................................................................17
Die Walachei..........................................................................................................17
Geheimnisse teilen................................................................................................20
Mit Mutter im Swimmingpool..................................................................................22
Ein Brief an................................................................................................................24
Quellen.......................................................................................................................25
Service Theater & Schule..........................................................................................26
Impressum.................................................................................................................26
Besetzung
Maik............................................................................................................Daniel Printz
Tschick...................................................................................................Steffen Weixler
Isa............................................................................................................Julia Panzilius
Inszenierung..................................................................................Katrin Herchenröther
Ausstattung …..............................................................................................Anja Müller
Dramaturgie............................................................................................Sabrina Ullrich
Theaterpädagogik..................................................................................Sabine Eschen
Regieassistenz/Abendspielleitung.................................................Svenja Marija Topler
Foto: Volker Beushausen, v.l.: Daniel Printz, Steffen Weixler, Julia Panzilius
Zum Stück
Tschick
Robert Koall,
nach Wolfgang Herrndorf
Letzter Schultag vor den großen Ferien, zwei Achtklässler, ein klappriges, geknacktes Auto
und eine Reise ohne Karte und Kompass. Maik Klingenberg wird die Sommerferien wohl
wieder alleine am Pool der elterlichen Villa verbringen. Doch dann kreuzt Tschick auf, der
neue Mitschüler Andrej Tschichatschow, ein Musterbeispiel der Integration. Er ist unterwegs
auf dem Weg in die Walachei, um seine Familie zu besuchen. Schon bald fahren die beiden
Jungs einfach los, durch Orte irgendwo im Nirgendwo, bevölkert von seltsamen Menschen,
wie den Risi-Pisi essenden Friedmanns oder der verdreckten Isa. Eine Heldenreise durch die
sommerliche deutsche Provinz, mit dem Wind im Rücken und dem Geruch von Abenteuer in
der Nase. Ein literarisches Roadmovie über eine ungewöhnlich Freundschaft, die erste Liebe
und grenzenlose Freiheit eines Sommers; voll Wehmut, weil er nicht ewig dauern kann.
Wolfgang Herrndorf, 1965 in Hamburg geboren, hat Malerei studiert und unter anderem für
die “Titanic” gezeichnet. 2002 erschien sein Debütroman “In Plüschgewittern”. Im Jahr 2008
wurde er für “Diesseits des Van-Allen-Gürtels” mit dem Deutschen Erzählerpreis
ausgezeichnet. “Es geht also doch: Man kann auf Deutsch intelligente und zugleich extrem
lustige Geschichten schreiben”, schrieb dazu Ijoma Mangold in der Süddeutschen Zeitung.
2011 erhielt er für “Tschick” den Clemens Brentano Förderpreis der Stadt Heidelberg sowie
den Deutschen Jugendbuchpreis, 2012 wurde er mit dem Hans-Fallada-Preis
ausgezeichnet. Seit zwei Jahren steht der Roman “Tschick” auf den Bestsellerlisten und vor
allem auf den Nachttischen der Jugend.
Foto: Volker Beushausen, v.l.:Steffen Weixler, Daniel Printz, Julia Panzilius
Zum Autor
Wolfgang Herrndorf
Wolfgang Herrndorf wurde am 12. Juni 1965 in Hamburg geboren
und starb am 26. August 2013 in Berlin, wo er auch beigesetzt
wurde.
Er studierte Malerei an der Akademie der Bildenden Künste
Nürnberg. Er arbeitete als Illustrator und Autor unter anderem für
das Fanzine Luke & Trooke, den Haffmans Verlag und die
Satirezeitschrift Titanic.
2002 erschien sein Debütroman „In Plüschgewittern“
Quelle: www.coppywrite.de
im Zweitausendeins-Verlag, bei dem es sich (trotz des knapp 30-jährigen Protagonisten) laut
Herrndorf um einen „Adoleszenzroman“ handelt. Von der Kritik wurde der Roman der
Popliteratur zugeordnet, eine überarbeitete Fassung von „In Plüschgewittern“ erschien 2008
als Taschenbuch im Rowohlt Verlag. 2007 brachte der Eichborn Verlag unter dem Titel
Diesseits des Van-Allen-Gürtels eine Reihe zusammengehöriger Kurzgeschichten
Herrndorfs heraus; im selben Jahr erschien im SuKuLTuR-Verlag ein von Herrndorf
erfundenes Interview mit einem (nicht vollkommen vertrauenswürdigen) Kosmonauten, das
Science-Fiction-Elemente enthält. Der unzuverlässige Erzähler ist ein wiederkehrendes
Element in Herrndorfs Prosa, das auf den Einfluss Vladimir Nabokovs zurückgeht.
Sein großer schriftstellerischer Erfolg begann mit der Veröffentlichung von „Tschick“ im Jahre
2010, einem weiteren Bildungsroman. Es handelt von der ungewöhnlichen Freundschaft
zwischen einem 14-Jährigen aus bürgerlichen Verhältnissen und einem verwahrlosten
jugendlichen Spätaussiedler aus Russland. Das Werk wurde 2010 mit dem Deutschen
Jugendliteraturpreis, 2011 mit dem Clemens-Brentano-Preis und 2012 mit dem HansFallada-Preis ausgezeichnet. Das in 16 Sprachen übersetzte Buch hatte sich bis Dezember
2012 allein in Deutschland über 750.000 Mal verkauft.
Das Buch stand über ein Jahr auf der deutschen Bestsellerliste. Im November 2011 erschien
der Roman „Sand“, der Merkmale des Kriminalromans, des Gesellschaftsromans und des
historischen Romans vereinigt. Laut Herrndorf wäre es auch möglich, „Sand“ dem „Genre
des Trottelromans“ zuzuordnen. Nachdem 2011 bereits „Tschick“ für den Preis der Leipziger
Buchmesse nominiert gewesen war, wurde Herrndorf dieser Preis 2012 für „Sand“
schließlich zugesprochen. Im selben Jahr gelangte „Sand“ auf die Shortlist des Deutschen
Buchpreises.
Nachdem bei ihm im Februar 2010 ein bösartiger Hirntumor festgestellt worden war, begann
Herrndorf ein digitales Tagebuch, den Blog „Arbeit und Struktur“, in dem er über sein Leben
mit der tödlichen Krankheit berichtete. Er erschien posthum im Dezember 2013 bei Rowohlt
in Buchform, wie es sich der Autor gewünscht hatte.
Quelle: www.wikipedia.de
Auszug aus dem Onlineblog „Arbeit und Struktur“
2002 veröffentlichte Wolfgang Herrndorf seinen Debütroman „In Plüschgewittern“. 8 Jahre
später wird bei ihm ein Gehirntumor diagnostiziert, schnell wachsend, tödlich. Der Autor
beschließt, noch mindestens ein Buch zu schreiben – jeden Tag ein Kapitel. Während seiner
Krankheit verfasst er den Onlineblog „Arbeit und Struktur“. Anbei einige Auszüge:
8.3. 2010 13:00
Gestern haben sie mich eingeliefert. Ich trug ein Pinguinkostüm. Jetzt habe ich einen
Panoramablick über ein trapezförmiges Stück Spree, den Glaszylinder des
Hauptbahnhofs, einen Kanal und klassizistische Gebäude. Auf dem Mäuerchen um die
Neuropsychiatrie herum sitzt eine Schulklasse. Mein Bedürfnis, unter Zucken und
Schreien einen Zettel durchs Fenster hinunterzuwerfen, wächst: “Hilfe! Ich bin nicht
verrückt! Ich werde gegen meinen Willen hier festgehalten! Das mit dem Pinguin war nur
ein Scherz, ihr könnt Marek fragen oder Verboten Wolf!” Aber erstens kann man die
Fenster nicht öffnen und zweitens, fürchte ich, würden sie den Witz nicht kapieren.
24.3. 2010, 16:39
Der Jugendroman, den ich vor sechs Jahren auf Halde schrieb und an dem ich jetzt
arbeite, ist voll mit Gedanken über den Tod. (…) Wenn ich das drin lasse, denken alle, ich
hätte es nachher reingeschrieben. Aber soll ich es deshalb streichen?
28.3. 2010, 21:44
Die letzten Tage den Jugendroman gesichtet und umgebaut, Übersicht erstellt, einzelne
Kapitel überarbeitet, neue entworfen. Jetzt von Anfang an: jeden Tag mindestens ein
Kapitel. In spätestens 52 Tagen ist es fertig. Heute: Kapitel 1.
19.4. 2010, 13:17
Am besten geht’s mir, wenn ich arbeite. Ich arbeite in der Straßenbahn (…), im
Wartezimmer zur Strahlentherapie, (…) die Minute, die ich in der Umkleide stehen muss
(…). Ich versinke in der Geschichte, die ich da schreibe, wie ich mit zwölf Jahren
versunken bin, wenn ich Bücher las.
25.4. 2010, 8:52
Zwei Tage lang wenig geschafft, dem Hirn beim Regenerieren zugeschaut. (…) Der
Anfang des Romans war leicht, (…) aber immer spürbarer wird jetzt zur Mitte hin das
Problem, die Fäden in der Hand zu behalten.
11.5. 2010, 17:32
Der ungeheure Trost, der darin besteht, über das Weltall zu schreiben. Heute die Szenen
mit dem Sternenhimmel, mit Starship Troopers und der Entdeckung der Nacht eingebaut.
(…) Warum ist der Anblick des Sternenhimmels so beruhigend? Und ich brauche nicht
mal den Anblick. Vorstellung und Beschreibung reichen.
11.9. 2010, 11:32
Das erste Exemplar von Tschick mit der Post. Ganzen Vormittag Korrektur gemacht.
Rechtschreibfehler bedrücken mich kaum noch, aber die vielen überflüssigen und
falschen Sätze.
8.10. 2010, 16:07
Drei Wochen ist Tschick raus, und in keiner Buchmessebeilage und keiner Zeitung. Es ist
mir nicht so gleichgültig wie früher.
15.1. 2011, 17:36
Gerade werden die Filmrechte verhandelt. (…) 25 Jahre am Existenzminimum
rumgekrebst und gehofft, einmal eine 2-Zimmer-Wohnung mit Ausblick zu haben. Jetzt
könnte ich sechsstellige Summen verdienen, und es gibt nichts, was mir egaler wäre.
4.8. 2013 14:51
Ich kann nichts schreiben, nicht lesen, kein Wort.
Ich will spazieren. Wo will ich hin. Den ganzen Winter habe ichs gefunden.
Schluss
Wolfgang Herrndorf hat sich am Montag, den 26. August 2013 gegen 23.15 Uhr am Ufer
des Hohenzollernkanals erschossen.“
2011 erhielt Herrndorf den Clemens-Brentano-Preis und den Deutschen Jugendliteraturpreis
für „Tschick“. Die Jury erwähnt in ihrer Begründung, dass Herrndorf eine Gemeinsamkeit
seiner früheren Lieblingsbücher aufgefallen sei: `Die Erwachsenen werden schnell aus der
Geschichte verbannt, die Helden brechen zu einer großen Reise auf und die geht aufs
Wasser.´ Herrndorf ist die Modernisierung seiner Kindheitslektüren perfekt gelungen.
„Ebenso großartig wie Maik und Tschick sind die anderen Figuren dieses Roadmovies mit
starken Charakteren ausgestattet. (…) Das feine Gespür des Autors für jugendrelevante
Themen, komische Dialoge, der jugendlich-authentische Erzählton und der bis zum filmreifen
Finale konsequent durchgehaltene Spannungsbogen machen den Roman herausragend.“
Chefdramaturg des Staatsschauspiel Dresden Robert Koall erarbeitete 2011 dann die
Bühnenfassung von „Tschick“.
Quelle: www.wolfgang-herrndorf.de
Wann hat es „Tschick“ gemacht, Herr Herrndorf?
31.01.2011
Der Ort des Gesprächs, irgendwo in Berlin, tut nichts zur Sache. Und dass Wolfgang
Herrndorf eigentlich keine Interviews gibt, merkt man ihm nicht an.
[...]
Dann sprechen wir jetzt über „Tschick“. Warum ein Jugendroman?
Ich habe um 2004 herum die Bücher meiner Kindheit und Jugend wieder gelesen, „Herr der
Fliegen“, „Huckleberry Finn“, „Arthur Gordon Pym“, „Pik reist nach Amerika“ und so. Um
herauszufinden, ob die wirklich so gut waren, wie ich sie in Erinnerung hatte, aber auch, um
zu sehen, was ich mit zwölf eigentlich für ein Mensch war. Und dabei habe ich festgestellt,
dass alle Lieblingsbücher drei Gemeinsamkeiten hatten: schnelle Eliminierung der
erwachsenen Bezugspersonen, große Reise, großes Wasser. Ich habe überlegt, wie man diese
drei Dinge in einem halbwegs realistischen Jugendroman unterbringen könnte. Mit dem Floß
die Elbe runter schien mir lächerlich; in der Bundesrepublik des einundzwanzigsten
Jahrhunderts als Ausreißer auf einem Schiff anheuern: Quark. Nur mit dem Auto fiel mir was
ein. Zwei Jungs klauen ein Auto. Da fehlte zwar das Wasser, aber den Plot hatte ich in
wenigen Minuten im Kopf zusammen.
Mit generationsspezifischen Ausdrücken und Angewohnheiten sind Sie dabei sparsam
umgegangen. Trotzdem muss man ja herausfinden, was 1995 Geborene so mit ihrer Zeit
und ihrem Geld anfangen. Sie sind Jahrgang 1965, woher wissen Sie das?
Ich weiß es nicht. Aber das kam mir gar nicht so problematisch vor, dass es sich um
Jugendliche handelt - oder jedenfalls nicht problematischer als Handwerker, Ärzte oder
Lokführer, wenn man die im Roman auftauchen oder sprechen lässt. Ich glaube nicht, dass
Jugend ein spezielles Problem darstellt, auch wenn Scheitern da oft spektakulärer wirkt.
Wobei ich mir nicht einbilde, es perfekt gemacht zu haben. Ich habe meinem Erzähler einfach
zwei Wörter gegeben, die er endlos wiederholt, und den Rest über die Syntax geregelt. Wenn
man erst anfängt, mit Slang um sich zu schmeißen, wird man doch schon im nächsten Jahr
ausgelacht.
Versetzen wir uns ins Jahr 2030. Ihr Buch ist seit zehn Jahren Schullektüre.
Neuntklässler stöhnen, wenn sie den Namen Wolfgang Herrndorf hören. Welche Fragen
zum Buch müssen in Aufsätzen beantwortet werden?
Ich fürchte, man wird sich im Deutschunterricht am Symbolträchtigen aufhängen, an der
Schlussszene . . .
. . . in der Maik unter Wasser in einem Swimmingpool die Hand seiner Mutter hält,
während oben die Polizei wartet . . .
. . . oder an der Szene mit dem Elixier. Das bin ich jetzt auch schon häufiger gefragt worden:
Was das für ein Elixier ist, das der Alte mit der Flinte den beiden da aufdrängt? Aber das weiß
ich ja auch nicht. Das war nur, weil mich beim Schreiben jemand auf die „Heldenreise“
aufmerksam machte, ein Schema, nach dem angeblich fast jeder Hollywood-Film
funktioniert. Da müssen die Protagonisten unter anderem immer ein solches Elixier finden.
Habe ich natürlich gleich eingebaut.
Nur damit Ihre Helden es eine Minute später aus dem Fenster schmeißen. Ist das eine
subtile Kritik an irgendwelchen Erzählformen?
Nein, bestimmt nicht. Allgemeine Ansichten zur Literatur habe ich nie gehabt und nie
verstanden. […]
Der Kritiker Gustav Seibt hat „Tschick“ in die Tradition der deutschen Romantik,
Tieck, Eichendorff gestellt. „Tschick“ als Buch der deutschen Romantik, geschrieben
mit amerikanischen Mitteln. War das so beabsichtigt?
Ich weiß nicht, ob Seibt das so meint, aber das wäre ja generell erst mal nicht falsch. Nur dass
man von „beabsichtigt“ bei mir nicht wirklich sprechen kann. Ich denke mir beim Schreiben
meist erst mal nicht viel außer „es sollte nicht langweilig sein“, und wo das dann hinsteuert,
kann einem bei einem Roadmovie ja auch angenehm egal sein . . . Ich merke gerade, dass ich
mich in erzromantische Positionen verrenne.
In Wirklichkeit verlassen Sie Berlin doch nie. Was hat es mit den Landschaften auf sich,
die Maik und Tschick durchreisen, wo gibt es diese Mondlandschaften? Wo die Berge,
„ungeheuer hoch und mit Steinzacken obendrauf“?
Im Gegensatz zu meinen Helden bin ich nie in Ostdeutschland gewesen und habe die Reise
nur mit Google Maps unternommen. Da kann man von oben nicht sehen, wie hoch die Berge
sind. Aber ich war nie ein großer Freund der Recherche. Ich habe versucht, Gegenden zu
beschreiben, wie Michael Sowa sie malt: Auf den ersten Blick denkt man, genauso sieht es
aus in der Natur! Und wenn man genauer hinschaut, sind es vollkommen durchkonstruierte
Sachen, die archetypischen Landschaften wie in idealen Tagträumen.
Maiks Mutter ist Alkoholikerin, auch Tschick hat ein Alkoholproblem. Warum gleich
zwei Trinker?
Das liegt daran, dass ich das Buch mit einer großen Unterbrechung in zwei Zügen geschrieben
und das nicht gemerkt habe. Also, es ist mir dann natürlich selbst aufgefallen, aber ich hab' es
auch nicht mehr geschafft, es ganz rauszuschmeißen.
Man hat ja oft einen bestimmten Leser im Kopf, für den man schreibt. Geht Ihnen das
auch so beim Schreiben?
Schon. Keine konkrete Person, aber einen schlauen Leser, der alles kapiert.
[...]
Maik und Tschick lassen beim Aufbruch in die Walachei ihre Handys zurück. Warum?
Ich habe mir überlegt, Spannung, ich kann keine Spannung, und wenn ich jetzt noch ein
Handy habe, mein lieber Mann, wie soll ich das denn regeln? Ich will Verfolgungsjagden in
der Wüste!
[...]
Quelle: www.faz.net
Nachgespräch
Ein Stuhlkreis oder eine u-förmige Bankanordnung sind für den Austausch in der Gruppe am
Besten geeignet. Fragen, die von SchülerInnen gestellt werden, sollten möglichst an die
Gruppe weitergegeben werden. Hier einige Anregungen für Fragen, wenn Sie einen
bestimmten Aspekt des Stücks vertiefen wollen:
Wie hießen die Figuren im Stück?
Welcher Schauspieler hat welche Rollen gespielt?
Wie beschreibt Maik seinen Mitschüler Tschick, als er neu in die Klasse kommt?
Wann schließen sie Freundschaft?
Maik und Tschick fahren mit dem Lada von Berlin aus los, ohne Landkarte.
Welche Stationen machen sie auf ihrer Reise?
Welche Episode findet Ihr am spannendsten, lustigsten oder interessantesten und warum?
Fandet Ihr Passagen zu lang / langweilig?
Wie fandet Ihr das Einheitsbühnenbild?
Wie wurden die unterschiedlichen Stationen der Autofahrt auf der Bühne angedeutet?
Wie fandet Ihr die Kostüme?
Wie würdet Ihr die drei Figuren Maik, Tschik und Isa beschreiben?
Wie fandet Ihr die verschiedenen Musikstücke, die in der Inszenierung verwendet wurden?
Welche Atmosphäre hat die Musik von Richard Kleidermann gemacht?
Welche Musik würdet Ihr gerne in einem „Roadmovie“ hören?
Was ist für euch das Besondere an dem Stück?
Worin unterscheidet es sich von anderen Theaterstücken, die Ihr gesehen habt?
Foto: Volker Beushausen, v.l.: Daniel Printz
Die Rollen
Um euch in die Rollen von Maik, Tschick und Isa hinein zu versetzen, könnt ihr den
Rollenfragebogen für eine von euch gewählten Figur ausfüllen und eure Antworten mit denen
eurer Mitschüler vergleichen.
Rollenfragebogen
Name, Alter
Lieblingsessen
Lieblingsmusik
Lieblingsfilm
Lieblingsbuch
Lieblingsfach
Sport, Hobby
Schon mal eine Mutprobe gemacht? Was für eine?
Vor welchen Eigenschaften Deiner Freunde hast Du großen Respekt?
Dein bestes Geburtstagsgeschenk
Dein peinlichster Moment, an den Du dich erinnerst
Dein größter Traum
Was Du mal wirst oder nie werden wirst
Was bringt Dich auf die Palme?
Deine größte Sehnsucht
Wo wolltest Du schon immer mal hinfahren?
Was sollte in richtig guten Sommerferien alles passieren?
Foto: Volker Beushausen, v.l.: Daniel Printz, Steffen Weixler
Die Kostüme
Foto: Volker Beushausen, v.l: Julia Panzilius, Daniel Printz, Steffen Weixler
Wie würdet Ihr die drei Jugendlichen beschreiben, wenn Ihr das Foto seht?
Haben sie einen speziellen Kleidungsstil?
In welchen Kostümteilen erkennt Ihr einen Unterschied im sozialen Status zwischen Maik
und Tschick?
Was malt Ihr euch aus z.B.
− was ihre Eltern für Berufe haben,
− Wie wohnen sie? In einer Wohnung, einem Haus oder einem Zimmer? Und wie ist es
eingerichtet?
Das Bühnenbild für einen „Road-Movie“
Tschick ist ein Roman, der auch als „Road-Movie“ bezeichnet wird.
Im Kino kennt man den ein oder anderen Roadmovie, z.B. „Easy Rider“ oder „Bonnie and
Clyde“
„Roadmovie ist die Bezeichnung für ein in den 1960er Jahren in den Vereinigten
Staaten aufgekommenes Filmgenre. Die Handlung spielt dabei überwiegend auf
Landstraßen und Highways, die Reise wird zur Metapher für die Suche nach Freiheit
und Identität der Protagonisten. Oft wird in diesen Filmen die erzählende Wirkung
von Liedern aus der Pop und Rockmusik eingesetzt.
Beim Roadmovie […] geht es geht darum, eine Reise zu machen, nicht oder nur
vorgeblich darum, auch anzukommen. Roadmovies handeln vorwiegend vom
Unterwegssein.“ (www.wikipedia.de)
Wie würdet Ihr das Bühnenbild für die Inszenierung von „Tschick“
gestalten, wenn sich die Spielorte ständig wechseln?
Welche unterschiedlichen Orte kamen im Stück vor?
Welche Orte standen für Euch im Stück zentral?
Zeichnet Skizzen von den Bühnen-Elementen, die Ihr wichtig findet für die Umsetzung von
„Tschick“.
In der Vorbereitung:
− In der Schule
− zu Hause bei Maik
− auf der Straße, unterwegs auf Sandpiste, Autobahn, Landstraße...
− zu Mittag bei der Familie mit den vielen Kindern
− an einem klaren See
− auf einem Hügel unter Sternenhimmel
− an der Tankstelle
− auf einem Schrottplatz
− bei Horst Fricke
− im Krankenhaus…
Wie würdet Ihr das Auto „auf die Bühne bringen“?
Wie kann man 90 Minuten einen Autotripp auf einer Bühne darstellen?
Was sollte das Bühnenelement „Auto“ dafür alles können?
In den Proben hat sich herausgestellt, es soll z.B. geparkt werden können und nicht in
anderen Szenen im Weg herum stehen, mit dem Bühnenelement „Auto“ sollten
unterschiedliche Fahr-Geschwindigkeiten dargestellt werden und es soll einfach auf
verschiedene Weisen bespielt werden (ein- und aussteigen, durch das Schiebedach
aussteigen) und die Akustik sowie die Sicht auf die Darsteller nicht behindern.
Sammelt vorab eure Ideen, welche Art von Bühnenelementen sich dafür eignen!
Das Bühnenbildmodell von Anja Müller
„Herchenröther verlagerte die Handlung auf einen Schrottplatz: „Tschick, Maik
und Isa sind alle auf ihre ganz unterschiedliche Weise Außenseiter. An den
Rand gedrängt, wie Schrott. Da macht es natürlich Sinn, die Handlung auf
einem Schrottplatz stattfinden zu lassen.“
(Ruhr Nachrichten, 29.01.14, Jörg Reiners)
Textauszüge aus der WLT-Strichfassung
nach der Vorlage von Rober Koall
Die Walachei
TSCHICK Und wenn wir einfach Urlaub machen. Wir haben doch nichts zu tun. Machen
wir einfach Urlaub wie normale Leute.
MAIK
Wovon redest du?
TSCHICK Der Lada und ab.
MAIK
Das ist nicht ganz das, was normale Leute machen.
TSCHICK Aber könnten wir, oder?
MAIK
Nee.
TSCHICK Warum denn nicht?
MAIK
Nee. Wo willst du denn überhaupt hin?
TSCHICK Ist doch egal.
MAIK
Wenn man wegfährt, wär irgendwie gut, wenn man weiß, wohin.
TSCHICK Wir könnten meine Verwandtschaft besuchen. Ich hab einen Großvater in der
Walachei.
MAIK
Und wo wohnt der?
TSCHICK In der Walachei.
MAIK
Hier in der Nähe oder was? Irgendwo da draußen?
TSCHICK Nicht irgendwo da draußen, Mann. In der Walachei.
MAIK
Das ist doch dasselbe.
TSCHICK Was ist dasselbe?
MAIK
Irgendwo da draußen und Walachei, das ist dasselbe.
TSCHICK Versteh ich nicht.
MAIK
Walachei ist nur ein Wort, Mann! So wie Dingenskirchen. Oder Jottwehdeh.
TSCHICK Meine Familie kommt von da.
MAIK
Ich denk, du kommst aus Russland?
TSCHICK Ja, aber ein Teil kommt auch aus der Walachei. Mein Großvater. Und meine
Großtante und mein Urgroßvater und – was ist daran so komisch?
MAIK
Das ist, als hättest du einen Großvater in Jottwehdeh. Oder in Dingenskirchen.
TSCHICK Und was ist daran so komisch?
MAIK
Jottwehdeh gibt’s nicht, Mann! Jottwehdeh heißt janz weit draußen. Und die
Walachei gibt’s auch nicht. Wenn du sagst, einer wohnt in der Walachei, dann
heißt das, er wohnt in der Pampa.
TSCHICK Und die Pampa gibt’ s auch nicht?
MAIK
Nein.
TSCHICK Du nervst, echt. Mein Großvater wohnt irgendwo am Arsch der Welt in einem
Land, das Walachei heißt. Und da fahren wir jetzt hin.
MAIK
Ich kenn hundertfünfzig Länder der Welt mit Hauptstädten komplett.
Walachei gibt’s nicht.
TSCHICK Mein Großvater ist cool. Der hat zwei Zigaretten im Ohr. Und nur noch
einen Zahn. Ich war da, als ich fünf war oder so.
MAIK
Was bist du denn jetzt eigentlich? Russe? Oder Walacheier oder was?
TSCHICK Deutscher. Ich hab ’n Pass.
MAIK
Aber wo du herkommst.
TSCHICK Aus Rostow. Das ist Russland. Aber die Familie ist von überall.
Wolgadeutsche. Volksdeutsche. Und Banater Schwaben, Walachen,
MAIK
TSCHICK
MAIK
TSCHICK
MAIK
TSCHICK
MAIK
TSCHICK
MAIK
TSCHICK
MAIK
TSCHICK
MAIK
TSCHICK
MAIK
TSCHICK
MAIK
TSCHICK
jüdische Zigeuner –
Was?
Was, was?
Jüdische Zigeuner?
Ja, Mann. Und Schwaben und Walachen –
Gibt’s nicht.
Was gibt’s nicht?
Jüdische Zigeuner. Du erzählst einen Scheiß. Du erzählst die ganze Zeit Scheiß.
Überhaupt nicht.
Jüdische Zigeuner, das ist wie englische Franzosen! Das gibt’s nicht.
Natürlich gibt’s keine englischen Franzosen. Aber es gibt jüdische
Franzosen. Und es gibt auch jüdische Zigeuner.
Zigeunerjuden.
Genau. Und die haben so ’n Dings auf dem Kopf und fahren in Russland rum
und verkaufen Teppiche. Kennt man doch, die mit dem Dings auf dem Kopf.
Kippe. Kippe auf dem Kopf.
Kippe am Arsch. Ich glaub kein Wort.
Kennst du nicht diesen Film mit Georges Aznavour?
Film ist Film. Im richtigen Leben kannst du nur entweder Jude sein oder
Zigeuner.
Aber Zigeuner ist keine Religion, Mann. Jude ist Religion. Zigeuner ist
einer ohne Wohnung.
Die ohne Wohnung sind zufällig Berber.
Berber sind Teppiche! (TSCHICK zeigt M. Stinkefinger)
Die Walachei, gibt´s die?
Die Walachei ist eine historische Landschaft im Süden Rumäniens. Sie wird im Norden von
den Karpaten, im Süden, Westen und Osten von der Donau begrenzt. Im Nordosten
entspricht die Grenze etwa dem Lauf des Flusses Sereth. Die Nachbarregionen der
Walachei sind innerhalb Rumäniens das Banat, Siebenbürgen, die Dobrudscha und die
Moldau. Im Süden grenzt die Walachei an den Nachbarstaat Bulgarien, im Westen an
Serbien.
Die Walachei umfasst im Wesentlichen die Walachische Tiefebene. Zur Walachei gehört
jedoch auch die auf rund 600 m, vereinzelt auch höher ansteigende Vorbergzone der
Karpaten sowie das Getische Hochland. Das gesamte Gebiet nimmt eine Fläche von rund
77 000 Quadratkilometern ein und damit mehr als ein Viertel des rumänischen Staates.
Die meisten Siedlungen der Walachei sind Dörfer und Kleinstädte. Nur wenige Siedlungen
haben sich zu Großstädten entwickelt. Abgesehen von Bukarest und Craiova liegen sie alle
am Rande der Walachei im Übergangsbereich zu den Nachbarlandschaften. Mehr noch als
die übrigen Städte Rumäniens haben insbesondere die Industriestädte der Walachei schwer
unter Umweltproblemen zu leiden.
Wichtigstes städtisches Zentrum ist Bukarest im Mittelpunkt der Großen Walachei und ist
gleichzeitig die Hauptstadt Rumäniens hat heute rund 2 Millionen Einwohner.
www.wissen.de
Quelle: www.bing.com
Foto: Volker Beushausen, v.l: Daniel Printz, Steffen Weixler
Geheimnisse teilen
TSCHICK
MAIK
TSCHICK
MAIK
Lass uns weiter. Fahr du. Mein Bein tut weh.
Du hast sie doch nicht alle.
Du musst nur Gas geben und lenken. Ich schalt die Gänge.
Ich muss dir ein Geheimnis verraten. Ich bin der größte Feigling unter der Sonne.
Der größte Langweiler und der größte Feigling, und jetzt können wir zu Fuß
weiter. Auf einem Feldweg würd ich’s versuchen, vielleicht. Aber nicht auf der
Autobahn.
TSCHICK Wie kommst du denn auf Langweiler?
MAIK
Weißt du eigentlich, warum ich überhaupt mit dir in die Walachei gefahren bin?
Nämlich weil ich der größte Langweiler bin, so langweilig, dass ich nicht mal auf
eine Party eingeladen werde, zu der alle eingeladen werden, und weil ich
wenigstens einmal im Leben NICHT langweilig sein wollte.
TSCHICK Du hast nicht alle Tassen im Schrank. Seit ich dich kenne, habe ich mich noch
keine Sekunde gelangweilt. Das war so ungefähr die aufregendste und tollste Zeit
meines Lebens.
MAIK
Und dann unterhielten wir uns über die aufregendste und tollste Zeit unseres
Lebens, und es war wirklich kaum auszuhalten, dass es jetzt vorbei sein sollte.
TSCHICK Glaub nicht, dass Tatjana dich nicht eingeladen hat, weil du langweilig bist, oder
dass sie dich nicht mag. Die Mädchen mögen dich nicht, weil sie Angst vor dir
haben. Wenn du meine Meinung wissen willst. Weil du sie wie Luft behandelst
und weil du nicht so weichgespült bist. Und Isa mochte dich ja auch sofort. Weil
sie nämlich nicht so doof ist, wie sie aussieht. Und weil sie ein paar
Eigenschaften hat, wenn du weißt, was ich meine. Im Gegensatz zu Tatjana, die
eine taube Nuss ist.
MAIK
Ich glaube, mein Mund stand offen.
TSCHICK Ja, ja, du liebst sie. Und sie sieht ja wirklich superporno aus. Aber im Ernst, im
Vergleich zu Isa ist das eine taube Nuss. Und ich kann das beurteilen, im
Gegensatz zu dir. Weil, soll ich dir auch noch ein Geheimnis verraten? Ich kann
das beurteilen, weil --- es interessiert mich nicht. Also Mädchen. Das habe ich
noch niemandem gesagt, und jetzt hab ich es dir gesagt. Musst dir keine
Gedanken machen. Von dir will ich ja nix, ich weiß ja, dass du in Mädchen und
so weiter, aber ich bin nun mal nicht so und ich kann auch nichts dafür.
MAIK
Ich dachte einen Moment darüber nach, auch schwul zu werden. Das wäre jetzt
wirklich die Lösung aller Probleme gewesen, aber ich schaffte es nicht. Ich
mochte Tschick wahnsinnig gern, aber ich mochte Mädchen irgendwie lieber.
Und dann legte ich den ersten Gang ein und rollte los.
Was wäre wenn....ich es einfach mal sagen würde?
Welche Tabus gibt es, die auch so schwer zu teilen sind, wie Maiks und
Tschicks Geheimnisse?
Was würde passieren, wenn man es einfach mal jemanden sagen würde?
Wovor haben wir am meisten Angst, sodass wir über Tabuthemen häufig
schweigen?
Foto: Volker Beushausen, v.l.: Steffen Weixler, Daniel Printz
Mit Mutter im Swimmingpool
MUTTER Hab ich mit dir eigentlich schon mal über grundsätzliche Fragen gesprochen?
Und ich meine nicht den Mist mit dem Auto oder was. Ich meine wirklich
grundsätzliche Fragen.
MAIK zuckt mit den Schultern.
MUTTER Alles ist egal. Was nicht egal ist: Bist du glücklich damit? Das. Und nur das.
Bist du eigentlich verliebt? (Schweigen von MAIK.)
Also ja. Vergiss den anderen Scheiß.
MAIK
Dann umarmte sie mich. Sie riss die Kabel vom DVD-Spieler raus und
schleuderte ihn ins Wasser. Es folgten die Fernbedienung und der große
Kübel mit der Fuchsie. Eine riesige Fontäne spritzte über dem Kübel hoch,
dunkle Sandwolken stiegen an der Einschlagstelle auf, und rote Blütenblätter
schwammen auf den Wellen.
MUTTER Ach, ist das herrlich.
MAIK
Als Nächstes nahm sie die Chinalampe auseinander, setzte sich den Schirm
auf den Kopf und beförderte den Lampenfuß wie ein Kugelstoßer in den Pool.
Fernseher, CD-Ständer, Beistelltischchen. Meine Mutter knallte gerade einen
Champagnerkorken über die Terrasse und hielt sich die sprudelnde Flasche
an den Mund, als der erste Polizist um die Ecke kam. Ob wir hier wohnen
würden. Sie ging ins Wohnzimmer und kam mit dem Ölgemälde wieder raus. Der
Polizist sagte irgendwas von Nachbarn, Ruhestörung und Verdacht auf
Vandalismus, und währenddessen hob meine Mutter den Ölschinken mit beiden
Händen über den Kopf und segelte damit wie ein Drachenflieger in den Pool. Sie
sah toll dabei aus. Sie sah aus wie jemand, der wirklich nichts lieber macht auf
der Welt, als unter einem Ölschinken her in einen Pool zu segeln. Ich bin sicher,
der Polizist wäre mit Begeisterung hinterher gesegelt, wenn er nicht zufällig im
Dienst gewesen wäre. Ich jedenfalls ließ mich mit dem Couchsessel vorn
überfallen. Das Wasser war lauwarm. Beim Untertauchen spürte ich, wie meine
Mutter nach meiner Hand griff. Zusammen mit dem Sessel sanken wir zum
Grund und sahen von da zur schillernden, blinkenden Wasseroberfläche mit den
schwimmenden Möbeln obenauf, dunklen Quadern, und ich weiß noch genau,
was ich dachte, als ich da unten die Luft anhielt und hochschaute. Ich dachte,
dass es Schlimmeres gab als eine Alkoholikerin als Mutter. Ich dachte daran,
dass es jetzt nicht mehr lange dauern würde, bis ich Tschick in seinem Heim
besuchen konnte, und ich dachte an Isas Brief. Auch an Horst Fricke und sein
Carpe diem musste ich denken. Ich dachte an den Sternenhimmel über den
Bergen. Ich dachte, dass ich das alles ohne Tschick nie erlebt hätte in diesem
Sommer und dass es ein toller Sommer gewesen war, der beste Sommer von
allen, und an all das dachte ich, während wir da die Luft anhielten und durch
das silberne Schillern und die Blasen hindurch nach oben guckten, wo sich eine
Uniform ratlos über die Wasseroberfläche beugte und in einer stummen, fernen
Sprache zu uns redete, aus einer anderen Welt – und ich freute mich wahnsinnig.
Weil, man kann zwar nicht ewig die Luft anhalten. Aber doch ziemlich lange.
Die Beziehung zwischen Maik und seiner Mutter:
Was ist das Besondere an Maiks Mutter?
Was unterscheidet sie von anderen Müttern?
Wie würdet Ihr das Lebensgefühl der Mutter beschreiben?
Was schätzt Maik an seiner Mutter?
Was vermisst er an ihr?
MUTTER
Du kannst nicht viel von deiner Mutter lernen. Aber das kannst du von deiner Mutter
lernen. Erstens, man kann über alles reden. Und zweitens, was die Leute denken, ist
scheißegal.
Die Sprache:
Herrndorf schreibt einen literarischen Text in moderner Sprache. Er macht also nicht die
Jugendsprache 1:1 nach. Welche Textpassagen im obigen Auszug sind Maiks Worte und
welche Worte und Sätze würde Maik nicht unbedingt so formulieren, sondern stammen ?
„Herrndorf schafft es mit einer wundervoll austarierten einfachen Sprache, die
unaufdringlich auf einen real abgelauschten Jugendjargon anspielt, ihn aber nicht
naturalistisch kopiert, seine Welt ins Schräge zu drehen und so jung erscheinen zu
lassen wie seine Protagonisten.“ (Süddeutschen Zeitung)
Foto: Volker Beushausen, v.l.: Daniel Printz, Julia Panzilius
Ein Brief an...
ISA
Irgendwann musste ich ins Sekretariat und einen Brief abholen. Einen richtigen
Brief. Der Brief war von Isa. Und ich freute mich riesig. Ich freute mich fast
genauso, wie wenn der Brief von Tschick gewesen wäre. Ich lag den ganzen
Nachmittag damit auf dem Bett und dachte darüber nach, ob ich jetzt eigentlich
mehr in Tatjana verliebt war oder in Isa, und ich wusste es nicht. Im Ernst, ich
wusste es nicht.
Hallo, du Schwachkopf. Habt ihr’s noch in die Walachei geschafft? Ich wette,
nicht. Ich hab meine Halbschwester besucht und kann dir jetzt das Geld
wiedergeben. Ich fand es gut mit euch. Ich fand’s schade, dass wir nicht richtig
geküsst haben. Ich fand am besten die Brombeeren. Nächste Woche komm ich
nach Berlin. Sonntag, den 29. um 17 Uhr unter der Weltzeituhr, wenn du nicht
noch fünfzig Jahre warten willst. Kuss – Isa.
Schreibe einen Brief:
•
Was schreibt Tschick an Maik, wenn er es schafft, an der Kontaktsperre
vorbeizuschreiben?
•
Oder: Was steht in dem ersten Brief von Maik an Tschick ?
Foto: Volker Beushausen, v.l.: v.l.: Julia Panzilius, Daniel Printz
Quellen
Stückfassung „Tschick“ von Robert Koall nach dem Roman von Wolfgang Herrndorf
bearbeitet von Sabrina Ullrich für das Westfälische Landestheater 2013
Zeitungsartikel
Britta Helmbold: „Zwei Ausreißer entdecken Liebe und Freundschaft“Ruhr
Nachrichten 10.02.14.
Jörg Reiners: „Tschick auf den Schrott“, Ruhr Nachrichten 29.01.14.
Internetquellen
www.bing.com/images/search?
q=walachei&qpvt=walachei&FORM=IGRE#view=detail&id=79956E805D6F06089B9
A47850FE9CA30C9AB3ACA&selectedIndex=5
www.coppywrite.coppernicus.de
www.faz.net/aktuell/feuilleton/buecher/autoren/im-gespraech-wolfgang-herrndorfwann-hat-es-tschick-gemacht-herr-herrndorf-1576165.html
www.westfaelisches-landestheater.de/repertoire/++/produktion_id/366/
www.wikipedia.org/wiki/Roadmovie
www.wikipedia.org/wiki/Wolfgang_Herrndorf
www.wissen.de/thema/walachei?chunk=der-naturraum
www.wolfgang-herrndorf.de
Service Theater & Schule
Vor - und Nachbereitungen: Sollte Sie das Material neugierig gemacht
haben, so unterstützen wir Sie gerne bei einer Vor- und Nachbereitung an
Ihrer Schule.
Pädagogenstammtisch: Beim Stammtisch haben Sie in regelmäßigen
Abständen die Möglichkeit, sich mit KollegInnen auszutauschen, Probleme zu
diskutieren, Erfahrungen und Anekdoten preiszugeben und einfach zu
„klönen“. Die Theaterpädagoginnen des WLT bereiten das Treffen vor und
bieten Fortbildungen zu unterschiedlichen Themen an.
Spielplan: Unseren Spielplan entnehmen Sie dem großen Spielzeitheft
und/oder unserem Leporello. Beides senden wir Ihnen auf Anfrage gerne zu!
Alle Informationen können Sie auch auf unserer Homepage
www.westfaelisches-landestheater.de abrufen.
Buchung: Karten können Sie unter der Telefon-Nr.: 02305/ 97 80 20 (Frau
Behlau) bestellen. Wenn Sie eine komplette Vorstellung buchen möchten, so
können Sie sich an Frau Tymann unter der Rufnummer 02305/ 97 80 14
wenden.
Fragen: Scheuen Sie sich nicht, bei weiteren Fragen oder Anregungen, mit
uns in Kontakt zu treten. Theaterpädagogik: 02305/9780- 26/-27/-56. Per Mail:
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Sabine Eschen
Februar 2014