Materialmappe Zigeuner Boxer - Westfälisches Landestheater

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Materialmappe Zigeuner Boxer - Westfälisches Landestheater
Theaterpädagogische Materialien
Premiere: 08.04.2013
Stückdauer: ca. 70 Minuten
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Herzlich Willkommen im Westfälischen Landestheater!
Wir freuen uns über Ihr Interesse an dem Theaterstück „Zigeuner-Boxer“ von Rike Reiniger für
alle ab 13 Jahren. Das Stück wird sowohl auf der Studiobühne als auch als mobile Produktion
direkt im Klassenzimmer gespielt.
Der Monolog basiert auf der Biografie des sinto-deutschen Boxers Johann „Rukeli“ Trollmann.
1933 gewann er die Deutsche Meisterschaft im Halbschwergewicht, doch einige Tage später
wurde ihm der Titel vom Deutschen Boxsportverband wegen „armseligen Verhaltens“ –
aufgrund seiner Freudentränen – wieder aberkannt.
2011 gewann Rike Reiniger mit „Zigeuner-Boxer“ den Publikumspreis beim Heidelberger
Stückemarkt.
Als weitere Lektüre kann ich Ihnen das Buch „Leg dich, Zigeuner. Die Geschichte von Johann
Trollmann und Tull Harder“ von Roger Repplinger sehr empfehlen.
Wenn Sie einen Vorstellungsbesuch gerne durch eine unserer Theaterpädagoginnen vor- oder
nachbereiten lassen möchten, rufen Sie uns an oder senden Sie uns eine E-Mail.
Herzliche Grüße
Theaterpädagogik Westfälisches Landestheater e.V.
Europaplatz 10
44575 Castrop-Rauxel
Tel.: 02305/9780 -26/-27/-56
E-Mail: theaterpaedagogik@westfaelisches-landestheater.de
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Inhalt
Besetzung…………………………………….…………………………………………………………………………………….….…..S. 4
Das Stück……………………………………………………………………………………………………………………………..….…S. 5
Interview mit der Autorin und Regisseurin Rike Reiniger……………………………………………….........S. 6
Biographischer und historischer Kontext...................................................................................S. 8
In Gedenken………………………………………………………………………………………………………………………………S. 11
In der Presse………………………………………………………………………………………………………………………….…S. 12
Vor- und Nachbereitung - Anregungen für die Spielleiter…………………………………….……………...S. 21
Quelle…..………………………………………………………………………………………………………………………………...S. 28
Service: Theater & Schule…................................................................................................…….S. 28
Impressum.................................................................................................................................S. 28
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Besetzung
Hans..........................................................................................................................Andreas Kunz
Inszenierung................................................................................................................Rike Reiniger
Ausstattung.................................................................................................................Rike Reiniger
Dramaturgie...............................................................................................................Sabrina Ullrich
Theaterpädagogik/Spielleitung……...................................................................Franziska Rieckhoff
Regieassistenz……………………………..........................................................................Annalena Schulz
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Das Stück
Hans will vergessen. Die erste Begegnung mit dem Zigeuner-Boxer Ruki vergessen. Doch er
erinnert sich noch gut daran, wie der ihm in seiner Kindheit einen Apfel schenkte, wie sie
Freunde wurden, wie Rukis Boxkarriere begann, wie sich ihre Wege trennten, wie Ruki
Deutschlands bester Boxer wurde, wie ihm der Meistertitel wieder aberkannt wurde und wie
sie sich in einem Arbeitslager der Nationalsozialisten erneut begegneten. Aber Hans kann
nicht vergessen; er selbst ist die Erinnerung.
Rike Reinigers Monolog basiert auf der Biografie des sinto-deutschen Boxers Johann „Rukeli“
Trollmann. 1933 gewann er die Deutsche Meisterschaft im Halbschwergewicht, doch einige
Tage später wurde ihm der Titel vom Deutschen Boxsportverband wegen „armseligen
Verhaltens“ – aufgrund seiner Freudentränen – wieder aberkannt. Als ein neuer Kampf
angesetzt wurde, in dem Rukeli weder tänzeln noch ausweichen durfte, betrat der ZigeunerBoxer den Ring mit blond gefärbten Haaren und weiß bestäubter Haut. Fünf Runden nahm er
als Karikatur eines Ariers die Schläge des anderen Boxers deckungslos hin, bis er schließlich k.
o. ging. Er verlor seine Boxlizens und boxte nur noch auf Rummelplätzen.
1942 wurde Trollmann in das Konzentrationslager Neuengamme gebracht, wo sich die SSSoldaten damit vergnügten, den ehemaligen Boxmeister nach Belieben zusammenzuschlagen.
1944 wurde Johann „Rukeli“ Trollmann im Außenlager Wittenberge ermordet. Erst 70 Jahre
später wurde Rukeli 2003 der Meistertitel wieder zuerkannt und seinen Angehörigen der
Meistergürtel überreicht.
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Interview mit der Autorin und Regisseurin Rike Reiniger
Theaterpädagogin:
Theaterpädagogin Wie kamst du auf die Idee, ein Stück über den Boxer Johann Trollmann zu
schreiben?
Rike Reiniger:
Reiniger Nach 70 Jahren wurde Johann „Rukelie“ Trollmann der 1933 aberkannte
Meisterschaftstitel offiziell wieder zuerkannt. Davon hatte ich zufällig gelesen und war
fasziniert von der Geschichte. Es hat dann allerdings mehr als 5 Jahre gedauert, bis ich den
Zugang gefunden habe, mich der historischen Figur über die Erinnerungen eines fiktiven
Freundes zu nähern.
Theaterpädagogin:
Theaterpädagogin Ein Theaterstück ab 13 Jahren. Warum, glaubst du, trifft diese Geschichte
ein junges Publikum?
Rike Reiniger:
Reiniger Hmh… Ich hoffe, dass der Text so ehrlich ist, dass er andere Menschen berührt.
Unabhängig von ihrem Alter.
Theaterpädagogin
Theaterpädagogin: Die Geschichte wird von Hans erzählt. Wie würdest du Hans beschreiben?
Rike Reiniger:
Reiniger Hans ist jemand, der ziemlich viel nur mit sich selbst ausmacht. Er glaubt nicht
daran, dass er für einen anderen wirklich wichtig sein könnte. Er ist einsam und darum
verletzlich und schlussendlich schwach.
Theaterpädagogin
Theaterpädagogin: Wie kommt es zu der Wandlung von Hans: Vom Mitläufer zum Täter?
Rike Reiniger:
Reiniger Ich denke, dass ein Mitläufer in gewisser Weise immer schon ein Täter ist.
Hans schafft es nicht, gegen die scheinbare Mehrheitsmeinung für seinen Freund einzutreten.
Am Anfang hält er sich zurück, wenn es nur darum geht, seine Stimme gegen Ungerechtigkeit
offen zu erheben. Dann hält er sich zurück, wenn der Freund schwach ist und Hilfe braucht.
Schließlich wird er zum Mörder seines Freundes, weil er logischerweise in einer
Extremsituation erst recht nicht für ihn einstehen kann.
Theaterpädagogin
Theaterpädagogin: Warum will/muss Hans vergessen?
Rike Reiniger:
Reiniger Hans hat seinen Freund nicht nur verraten. Er hat ihn erschossen. Das ist
endgültig. Hans kann seinen Freund nicht um Verzeihung bitten. Der Verzweiflung über das
eigene Versagen versucht Hans zu entkommen, indem er seine Vergangenheit vergisst. Was
natürlich nicht funktioniert.
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Theaterpädagogin:
Theaterpädagogin Was bedeutet es für Hans seine Erinnerungen zu teilen?
Rike Reiniger:
Reiniger Als Hans es schafft seine Erinnerung mitzuteilen, fängt er an, sich selbst zu
akzeptieren. Er nimmt sein Versagen als Teil seiner Persönlichkeit an und das ist vielleicht der
erste Schritt zu einer Veränderung.
Theaterpädagogin:
Theaterpädagogin Wie viel „wahre Geschichte“ steckt in deinem Text?
Rike Reiniger:
Reiniger Den Boxer Johann Trollmann gab es wirklich. Seine Karriere und seine Kämpfe
sind dokumentiert. Es sind Fotos erhalten und sogar einige Sekunden Film von ihm. Seine
Tochter, seine Neffen und Nichten leben noch. Aber es ist unmöglich zu sagen, wie sein Leben
„wirklich“ war. Auch von seinem Tod im KZ weiß man nicht, wie er „wirklich“ war (auf alle
Fälle nicht so, wie im Stück!). Deshalb habe ich der Figur einen anderen Namen gegeben,
Wilhelm Weiß, genannt Ruki. Sein Freund Hans ist einerseits komplett erfunden. Andererseits
ist seine Geschichte „wahr“, weil seine Entwicklung, seine Gefühle, seine Entscheidungen so
menschlich sind.
Theaterpädagogin:
Theaterpädagogin Wie ist das für Dich das Stück zu inszenieren, welches Du selbst
geschrieben hast?
Rike Reiniger:
Reiniger Andreas Kunz, der Schauspieler, hat der Figur viel von sich geschenkt. Seinen
Prozess der Aneignung als Regisseurin begleiten zu können, war für mich als Autorin eine
beglückende Erfahrung. Ich habe den eigenen Text auf eine intensive Art noch einmal neu
kennen gelernt.
Liebe Rike, herzlichen Dank für das Gespräch.
(Andreas Kunz (Hans), Foto: Beushausen)
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Biographischer und historischer Kontext
„ Johann „Rukeli“ Trollmann wurde am 27.12.1907 als Sohn einer sinto-deutschen Familie in
Wilsche, Gifhorn geboren. Da seine aufrechte Statur an einen gerade gewachsenen, schönen
Baum erinnerte, gaben ihm seine Eltern Wilhelm und Friederike den Namen „Rukeli“. Ruk
bedeutet in der Sprache der Sinti und Roma, dem Romanes, soviel wie Baum.
Johann Trollmann wuchs mit acht Geschwistern in ärmlichen Verhältnissen in der Altstadt von
Hannover auf. Schon früh zeichnete sich sein großes Talent zum Boxen ab und bereits mit
acht Jahren stieg er erstmals in den Ring, um einen Sport auszuüben, der bis zum Ende des
Kaiserreichs verboten war. Bald gewann er die Südkreismeisterschaft und wurde Mitglied des
1922 gegründeten BC Heros Hannover, welcher zu dem 1920 gegründeten Deutschen
Reichsverband für Amateurboxen DRfAB gehörte. Johann Trollmann gewann in jungen Jahren
viermal die Regionalmeisterschaft, stieg zum norddeutschen Meister auf und nahm an der
Deutschen Meisterschaft im Amateurboxen teil.
Das Boxen, bislang als „Proletensport“ deklassiert, wurde in den 1920er Jahren immer
populärer und fand Einzug in den offiziell anerkannten Sport. Zugleich war das Boxen in der
Kulturszene der Weimarer Republik ein beliebtes Freizeitvergnügen, zu populären Kämpfen
strömten Hunderte. Trollmann wurde in diesen Jahren ein versierter Mittelgewichtsboxer, der
schnell und extrem beweglich war und dennoch hart zuschlagen konnte. Sein Stil war
spektakulär und kam beim Publikum gut an. Im Januar 1929 wechselte er zu dem
bekanntesten Arbeitersportverein Hannovers, dem BC Sparta Linden, nachdem er vom
Reichsverband nicht zu den Olympischen Spielen von 1928 in Amsterdam aufgestellt wurde.
Unter fadenscheinigen Begründungen war behauptet worden, seine Leistungen seien
ungenügend gewesen; wahrscheinlicher ist jedoch die Vermutung, dass die olympische
Nationalmannschaft nicht von einem Sinto vertreten werden sollte. Mit seiner wachsenden
Bekanntheit gab die Sportpresse Johann Trollmann bald den Beinamen „Gypsy“; häufig
wurde er als „tanzender Zigeuner“, der „undeutsch“ boxte, rassistisch diffamiert.
Der Ausschluss von der olympischen Nominierung bewog ihn im Juni 1929 zu dem
Entschluss, Profiboxer zu werden. Unter der Obhut des Berliner Managers Ernst Zirzow
kämpfte Trollmann fortan auch im Profibetrieb mit Erfolg und machte sich in Berlin schnell
einen Namen. Allein im Jahr 1930 bestritt er 13 Kämpfe und war in der ganzen Republik
unterwegs. Sein Erfolg steigerte sich aber noch: Im Jahre 1932 kämpfte Trollmann nur noch
gegen die Besten, sowohl im Welter- , wie auch im Mittel- und Halbschwergewicht. Auch
internationale Gegner waren darunter. Von nun an kam der deutsche Boxsport an Trollmann
nicht mehr vorbei.
Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten im Januar 1933 ändert sich das Leben
Trollmanns – und der Sport. Die Nationalsozialisten instrumentalisierten das Boxen für ihre
Ziele, war das „Kämpfen“ doch immer schon ihre Sache – der Boxsport wurde in den
„deutschen Faustkampf“ umbenannt und sollte eine zentrale Rolle in der so genannten
Leibeserziehung des Dritten Reichs spielen. Die Boxclubs in Deutschland wurden zentralisiert
und arisiert. Mit dieser sportpolitischen Offensive zum Zweck der Schaffung eines
„wehrhaften Volkskörpers“ begann die Ausgrenzung und Verfolgung „nicht-arischer“ Sportler
und Sportlerinnen lange vor dem Inkrafttreten der Nürnberger Rassegesetze 1935.
Von Ausgrenzung und Verfolgung war auch Erich Seelig, der als deutsche Meister im
Mittelgewicht und Halbschwergewicht Trollmanns Gewichtsklasse dominierte, betroffen. In
der Nacht vor seinem Titelverteidigungskampf wurde Seelig mit dem Tode bedroht und floh
nach Frankreich – er war Jude und als Ausnahmesportler seines Lebens nicht mehr sicher.
Johann Trollmann floh nicht – und die nationalsozialistischen Sportbehörden hatten ein
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Problem, denn er war zu beliebt und zu erfolgreich, als dass man ihn sang- und klanglos
hätte aus dem Boxsport verdrängen können.
Sein größter Erfolg als Boxer wurde ihm nicht zufällig zugleich zum Verhängnis.
Am 9. Juni 1933 trat Johann Trollmann in der Berliner Bockbierbrauerei zum
Meisterschaftskampf im Halbschwergewicht gegen Adolf Witt an und gewann diesen klar
nach Punkten. Für die Nationalsozialisten stellte sein Sieg eine Bedrohung dar, denn
Trollmann demontierte das propagandistische Bild vom körperlich überlegenen, arischen
Herrenmenschen und machte transparent, wie konstruiert diese Vorstellung war. Im Publikum
saß der überzeugte Nationalsozialist Georg Radamm. Er war der Vorsitzende des „Verbandes
deutscher Faustkämpfer“, der von den Nationalsozialisten geschaffene neue Dachverband für
den Boxsport. Radamm gab der Jury Anweisungen, den Kampf als unentschieden zu werten,
als klar wurde, wie der Kampf enden würde. Und die Jury befolgte dies. Das boxkundige
Publikum war jedoch nicht bereit, Teil der ideologischen Manipulation zu werden, hatte es
Trollmann doch über sechs Runden hinweg als den überlegenen Boxer erlebt. Nach einer
halben Stunde lautstarkem Protest und Drohungen gegen die anwesenden
nationalsozialistischen Funktionäre wurde ihm der Siegerkranz um den Hals gehängt. Dem
erschöpften Boxer liefen die Tränen über die Wangen – aus Wut über den zunächst nicht
anerkannten Sieg und aus Freude über den doch noch zuerkannten Meisterschaftstitel. Die
Freude währte kurz; nur eine Woche nach dem Kampf erhielt Trollmann einen Brief des
Boxverbandes, der ihm mitteilte, dass ihm der Meisterschaftstitel im Halbschwergewicht
wieder aberkannt wurde, da beide Boxer „ungenügende Leistungen“ erbracht hätten. Der
Titel wurde nicht vergeben. Auch wegen der vergossenen Tränen gab es hämische Stimmen –
ein deutscher Mann hatte sich nicht solch „armseligen Verhaltens“ schuldig zu machen.
Doch auch ohne den Meisterschaftstitel blieb Johann Trollmann ein Publikumsliebling und
den Nationalsozialisten ein Dorn im Auge. Seine Karriere sollte endgültig beendet und
Trollmann als Boxer diskreditiert werden.
Vor seinem Kampf am 21.7.1933 gegen den bekannten und schlagkräftigen Weltergewichtler
Gustav Eder, wurde ihm deutlich nahe gelegt, dass der Entzug seiner Lizenz als Boxer drohe,
sollte er „zigeunerhaft“ tänzelnd, also „undeutsch“ boxen und sich nicht dem Kampf stellen.
Trollmann, der Aussichtslosigkeit seiner Lage bewusst, stieg mit hell gefärbten Haaren und
weiß gepuderter Haut in den Ring. Mit dieser Selbstinszenierung als arischer Kämpfer
karikierte er die ihm zugewiesene Rolle als Opfer unmissverständlich. Zugleich dominierte im
Kampf die Unterwerfung unter das Diktat der NS-Sportfunktionäre: Mit Verzicht auf die für
seinen Stil elementare Beinarbeit, ohne vor den Schlägen wegzupendeln, stellte er sich dem
„deutschen Kampf“. „Fuß an Fuß“ mit seinem Gegner stand er in der Mitte des Ringes, um
dort Schläge auszuteilen und einzustecken. Nach 5 Runden war er k.o. geschlagen und seine
Karriere als Boxer endgültig besiegelt. Für Trollmann war das trotzige Aufbegehren im
Moment des Untergangs ein spontaner und ungeplanter Akt des Widerstandes.
In den folgenden Jahren schlug sich Johann Trollmann als Boxer auf Jahrmärkten durch, lebte
in Hannover und in Berlin. Hier begegnete er Olga Frieda Bilda, die er im Juni 1935 auf dem
Standesamt in Berlin-Charlottenburg heiratete. Mit ihr bekam er eine Tochter.
Die Verfolgung von Sinti und Roma nahm nach dem Erlass der Nürnberger Rassegesetzen am
15. September 1935, in denen nicht nur die systematische Ausgrenzung und Entrechtung der
jüdischen Menschen festgelegt wurde, sondern auch Sinti und Roma des „artfremden Blutes“
bezichtigt wurden, immer stärker zu. Die „Arisierung“ von Wohnraum betraf fortan Juden
genau so wie Sinti und Roma. Letztere wurden gezwungen, ihre Wohnungen aufzugeben, um
in so genannte „Zigeunerlager“ umzuziehen. Dies waren meistens eingezäunte Barackenlager
auf offenem Feld ohne sanitäre Einrichtungen. Auch Mitglieder der Familie Trollmann werden
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inhaftiert und vor die nicht zu beantwortende Frage gestellt, sich entweder sterilisieren oder
ins Lager deportieren zu lassen.
Im September 1938 ließ sich Johann Trollmann von seiner Frau Olga scheiden, in der
Hoffnung, seine Frau und die gemeinsame Tochter so vor Verfolgung schützen zu können.
Zu diesem Zeitpunkt standen insbesondere so genannte Zigeunermischlinge unter der
besonderen Aufmerksamkeit der nationalsozialistischen Rassekundler und der
Reichskriminalpolizei. Mit dem im Dezember 1938 in Kraft tretenden „Zigeuner-Runderlass“
nahm die Verfolgung der Sinti und Roma noch an Schärfe zu. Himmler forderte dazu auf, „die
Regelung der Zigeunerfrage aus dem Wesen dieser Rasse heraus in Angriff zu nehmen“, der
Weg in die Vernichtung zeichnete sich nun deutlich ab.
Bereits 1938 war Trollmann für mehrere Monate ins Arbeitslager Hannover-Ahlem
verschleppt worden. Nach seiner Entlassung lebte er im Verborgenen, um weiteren
Verhaftungen zu entgehen. Im November 1939 wurde er in die Wehrmacht einberufen; vom
Kämpfen fürs Vaterland waren die Sinti und Roma noch nicht ausgeschlossen. Nachdem er
als Infanterist in Polen, Belgien und Frankreich stationiert war, wurde er im Frühjahr 1941 an
die Ostfront geschickt, wo er nach dem Überfall auf die Sowjetunion verwundet wurde.
Zeitgleich fanden die ersten Massenerschießungen sowjetischer Sinti und Roma statt. 1942
gab das Oberkommando der Wehrmacht einen Erlass heraus, der Sinti und Roma aus
„rassepolitischen Gründen“ vom Wehrdienst ausschloss; auch Johann Trollmann wurde aus
der Wehrmacht entlassen. Mehrere Angehörige seiner Familie waren zu diesem Zeitpunkt in
Arbeitslager eingepfercht und leisteten unter schwersten Bedingungen Zwangsarbeit.
Im Juni 1942 wurde Trollmann in Hannover verhaftet und in die berüchtigte
„Zigeunerzentrale“ in der Innenstadt gebracht, wo man ihn schwer misshandelte. Von dort
aus wurde er im Oktober des gleichen Jahres in das KZ Neuengamme bei Hamburg
deportiert. Als Häftling mit der Nummer 9841 leistete er schwerste Zwangsarbeit.
Bald erkannte ihn jedoch der frühere Ringrichter und jetzige SS-Mann Albert Lütkemeyer, der
veranlasste, dass Trollmann trotz schwindender Kräfte – er hatte in nur 3 Monaten KZ-Haft
ca. 30 kg an Gewicht verloren – allabendlich nach der Arbeit gegen SS-Männer zum
Boxtraining antrat. Das illegale Häftlingskomitee von Neuengamme beschloss, Trollmann
eine neue Identität zu geben und ihn aus dem Fokus der SS zu lösen: Offiziell starb Johann
Trollmann am 9. Februar 1943 an Herz- und Kreislaufversagen, tatsächlich handelte es sich
bei dem Toten um einen verstorbenen Häftling, dessen Identität weitergegeben wurde. Um
der Entdeckung zu entgehen, wurde Trollmann ins Nebenlager Wittenberge transportiert.
Aber auch hier entkam er seiner Vergangenheit als Boxer nicht; er musste sich im Laufe des
Jahres 1944 einem vom Lagerältesten inszenierten Kampf mit dem bei Mithäftlingen
verhassten kriminellen Kapo Emil Cornelius stellen. Trollmann gewann zwar den Kampf, doch
wenige Zeit später rächte sich Cornelius für die Niederlage und ließ Trollmann bei einem
Arbeitseinsatz außerhalb des Lagers bis zur Erschöpfung schuften, um ihn dann mit einem
Knüppel zu erschlagen.
Johann Trollmanns Tod wurde als Unfall angegeben, sein Leichnam mit den vielen anderen
Toten des Lagers auf dem Friedhof von Wittenberge verscharrt.
Doch der Häftling Robert Landsberger, der bei dem Arbeitseinsatz Zeuge vom Mord an
Trollmann wurde, überlebte das KZ und machte nach der Befreiung eine Aussage über den
Tod Trollmanns. Diese blieb im Archiv der Gedenkstätte Neuengamme lange Zeit unentdeckt.
Ende 2003 übergab der Deutsche Berufsboxerverband der Familie des Boxers den
Meistergürtel von Johann „Rukeli“ Trollmann, der heute wieder offiziell als Deutscher Meister
im Halbschwergewicht geführt wird.“
(aus: Homepage- Johann Trollmann: http://www.johann-trollmann.de)
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In Gedenken
Für Printmedien und Funktionäre der Boxverbände war nach der NS-Zeit die Aberkennung des
Meistertitels kein Thema. Erst eine Buchveröffentlichung Ende der 1990er Jahre über das
Schicksal Trollmanns rückte diese Frage ins allgemeine Interesse. Trollmann wurde 1993
offiziell als Deutscher Meister im Halbschwergewicht in die „Riege der Deutschen Meister“
aufgenommen. 70 Jahre nach dem Kampf um den Meistertitel übergab der Bund Deutscher
Berufsboxer Ende 2003 Trollmanns Meistergürtel symbolisch an seine noch lebenden
Verwandten Louis und Manuel Trollmann.
Im Kreuzkirchenviertel in der Altstadt von Hannover wurde 2004 der kleine Fußweg Tiefental
zwischen der Kreuzkirche und der Burgstraße in Johann-Trollmann-Weg umbenannt.
2008 wurde dort vor seinem früheren Wohnhaus ein Stolperstein für ihn gelegt.
Im Mai 2009 ist auch im Hamburger Schanzenviertel vor dem Portal der Roten Flora ein
Stolperstein zur Erinnerung an Trollmann verlegt worden. Er hatte – zuletzt im November 1933
– im historischen Flora-Theater einige seiner Profiboxkämpfe bestritten.
Im Juli 2010 wurde ein weiterer Stolperstein vor der früheren Bockbierbrauerei in BerlinKreuzberg verlegt, in der Trollmann seine Kämpfe gegen Witt und Eder bestritten hatte.
Trollmanns Bruder Heinrich, genannt Stabeli, wurde 1944 im KZ Auschwitz im Alter von 27
Jahren ermordet. Auch für ihn liegt ein Stolperstein im hannoverschen Johann-Trollmann-Weg.
Das Künstlerkollektiv Bewegung Nurr initiierte ein Projekt „9841
9841 - Temporäres Denkmal für
Johann Rukeli Trollmann“, das aus einem Boxring mit schräger Kampffläche besteht. Bei der
Zahl 9841 handelt es sich um Trollmanns Häftlingsnummer. Die Skulptur wurde 2010 in
Berlin, 2011 in Hannover, unweit seines früheren Wohnsitzes und 2012 in Dresden jeweils
etwa sechs Wochen lang aufgestellt.
(aus: Homepage- Johann Trollmann: http://www.johann-trollmann.de)
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In der Presse
Geschichte des "Zigeuner""Zigeuner" -Bildes.
Bildes . Kitsch und Hass
Warum lösen Sinti und Roma bis heute so widersprüchliche Reflexe aus? Fragen an KlausMichael Bogdal (Professor für Literaturwissenschaft in Bielefeld), der für sein Werk "Europa
erfindet die Zigeuner" jetzt den Leipziger Buchpreis erhält.
© Dimitar Dilkoff/AFP/GettyImages. Eine Roma steht vor ihrem zerstörten Haus in einem Vorort der
bulgarischen Stadt Maglizh.
DIE ZEIT: Herr Bogdal, die Romvölker sind mit mehr als zehn Millionen Menschen
Europas größte Minderheit. Dennoch erregt der Hass gegen sie so gut wie keinen Protest.
Woher rührt diese Blindheit gegenüber Leben und Leiden der Sinti und Roma?
KlausKlaus -Michael Bogdal: Es bleibt ein bitterer Widerspruch: Wir Europäer beschwören gern
die Menschenwürde und fordern die Anerkennung des Individuums als Rechtssubjekt. Für die
Roma aber scheint uns dies noch immer nicht selbstverständlich. Schon früh wurden sie als
ehrloses Volk angesehen, das keinerlei Rechte zu beanspruchen habe. Und bis heute stellen
sie eine Gruppe dar, auf die sich Vernichtungsfantasien richten. Die Literatur hat uns dabei
über Jahrhunderte darin eingeübt, Gewalt gegen sie für legitim zu erachten: In Nikolaus
Lenaus Epos Die Albigenser von 1842 etwa werden »Zigeuner« nach einem von ihnen
begangenen Kreuzfrevel samt ihren Kindern von Raben zerhackt.
ZEIT: Wie finden solche Gewaltfantasien in heutige Köpfe? Die Literatur, die Sie in Ihrer
Studie Europa erfindet die Zigeuner zitieren, ist schließlich kaum noch Gemeingut.
Bogdal: Mag sein. Aber die Darstellungen in den Medien heute und die populistische
Rhetorik bedienen sich eben aus dem tradierten Repertoire. Die alten Feindbilder ruhen wie
Schmutz am Boden unserer Gesellschaft, und der kann jederzeit aufgewirbelt werden. Der
skandalöse Aufmacher der Schweizer Weltwoche im vergangenen Jahr ist ein Beispiel dafür.
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ZEIT: Das Titelbild zeigte ein Romakind, das mit einer Pistole auf den Betrachter zielt...
Bogdal: ...darunter die Schlagzeile Die Roma kommen. Damit war ein bekanntes
Bedrohungsklischee aufgerufen. Nur: Die Roma »kommen« nicht, sie leben seit 600 Jahren
mitten unter uns! Trotzdem werden sie beharrlich als Barbaren diffamiert, die »von außen« in
»unsere« Zivilisation eindringen.
ZEIT: Ein typischer Fall von Fremdenfeindlichkeit? Oder unterscheidet sich die
Zigeunerverachtung vom üblichen Ausländerhass?
Bogdal: Die europäischen Gesellschaften der Neuzeit haben zwei Typen des »Anderen«
hervorgebracht. Zum einen den Feind, der einem in Gestalt anderer Nationen gegenübertritt
und mit dem man um territoriale, wirtschaftliche und kulturelle Hegemonie ringt. Zum
anderen den Fremden, der bleibt und weder Freund ist noch Feind. Dieser »Dritte« ist an
keinem Ort zu Hause, er ist die gesichtslose Verkörperung des Anderen, ein Nichts. In diese
Kategorie fallen »der Jude« und »der Zigeuner« als stereotype Figuren.
ZEIT: Was unterscheidet sie voneinander?
Bogdal: Verknappt gesagt: Der Antisemitismus arbeitet sich daran ab, dass die sogenannte
christlich-abendländische Gesellschaft im Judentum wurzelt. Die besitzlosen Romvölker
hingegen gelten als Erscheinung der Wälder. Unter anderem weil sie keine Schriftkultur
besaßen und lange Zeit nomadisch lebten, diffamierte man sie als unzivilisierbare Parasiten,
denen auch andere Minderheiten mit Verachtung begegneten.
ZEIT: In der aktuellen Debatte geht es vor allem um die Roma-Einwanderung aus Osteuropa.
Bogdal: Immer wieder wurde und wird die Angst vor dem »Eindringen« von Menschen »aus
dem Osten« evoziert. Das hat eine lange Tradition und richtete sich seit den Mongolen- und
Türkenkriegen immer auch gegen die Romvölker. Im Übrigen wird deren soziale
Verelendung und vermeintliche Unterentwicklung als ein Zeichen der Zurückgebliebenheit
Südosteuropas gedeutet. Im Hass gegen die Roma scheint daher auch das Ressentiment gegen
die »unerwünschten Nachbarn« im Osten Europas durch.
ZEIT: Wann tauchten die Romvölker erstmals in Europa auf?
Bogdal: Im 15. Jahrhundert. Man spekulierte damals, dass sie aus Ägypten eingewandert
seien, um durch eine Pilgerfahrt für eine schwere Sünde zu büßen. Die englische Bezeichnung
gypsies geht darauf zurück. In Europa bildeten sich damals gerade die modernen
Territorialstaaten aus, und obwohl sich viele der ominösen »Ägypter« fest niederließen,
betrachtete man sie als ortlos – eine Lebensweise, die man als einen subversiven Akt der
Desintegration deutete. Die Roma befanden sich dadurch außerhalb der Ständeordnung und
zählten zur Masse der »Herrenlosen«, die durch Gelegenheitsarbeiten, Betteln und Diebstahl
zu überleben suchten.
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ZEIT: Was ihr Bild bis heute prägt.
Bogdal: Ja, die alten Vorurteile wurden durch die Jahrhunderte wieder und wieder erneuert.
Im christlichen Mittelalter galt der »Zigeuner« als sündig, in der Aufklärung als primitiv, im
industriellen Zeitalter als Naturwesen. Stets sah man ihn als Bedrohung an und wies ihm die
unterste gesellschaftliche Position zu.
ZEIT: Mit immer neuer Begründung?
Bogdal: Ja. In der frühen Neuzeit geschieht dies vor dem Hintergrund der zeitgenössischen
Völkergenealogien. In der Aufklärung ordnen dann die Wissenschaften die Menschheit neu.
Man entdeckt, dass die Romvölker eine eigene Sprache besitzen, die zu den Sanskritsprachen
zählt. Zugleich aber erklärt man sie zu Nachfahren der niedrigsten und verachteten indischen
Kaste, der Parias. Für den Rassismus des 20. Jahrhunderts sind die Romvölker nichts als eine
»minderwertige« Rasse. So führt neues Wissen – oder vermeintliches Wissen – immer nur
zum selben Ergebnis: zur Ausgrenzung.
ZEIT: Aber es gab und gibt doch auch das Gegenteil: die Zigeuner-Romantik.
Bogdal: Schon, aber diese Faszination ist nur die Kehrseite der Verachtung. Die Romantiker
glaubten, die »Zigeuner« verfügten über einen geheimnisvollen Raum des Wunderbaren und
Magischen, den sie durch ihre nomadische Lebensweise zu verbergen suchten: eine
unsichtbare Welt irgendwo in der Natur oder im Inneren ihrer »schwarzen« Seelen. Die
soziale Lebenswelt der Romvölker wurde durch solche Romantisierungen bis zur
Unkenntlichkeit übermalt. Das lief auf ein bizarres Nebeneinander hinaus: Die »Zigeuner«
bewunderte man für ihre Freiheit und Ungebundenheit, die ganz realen Sinti und Roma aber
sperrte man wegen ihres Umherziehens ein oder ermordete sie.
ZEIT: Sie schreiben von einer »Entheiligung« der Armut an der Schwelle zur frühen Neuzeit.
Die Armut der »Zigeuner« sei nicht mehr als etwas Tugendhaftes wahrgenommen worden,
sondern als Gefahr. Beschreibt dies nicht auch die heutige Situation?
Bogdal: Wie in der frühen Neuzeit leben heute mitten in Europa Sinti und Roma unter
menschenunwürdigen Bedingungen. Und die Armut, die sie zu uns flüchten lässt, gilt
weiterhin als Folge ihrer Unfähigkeit und Zurückgebliebenheit. Entsprechend werden sie
wahrgenommen: Die »rohen« Sinti und Roma spucken auf den Fußboden, kleiden sich
geschmacklos, neigen zu Gewalt und Verbrechen... Solche Leute gilt es zu bekämpfen,
zurückzudrängen und zu disziplinieren. Erst kürzlich sprach Innenminister Friedrich von der
CSU davon, dass die »Armutseinwanderung« begrenzt werden müsse.
ZEIT:
ZEIT: In Ihrem Buch erfährt man, wie jedes sich noch so wohlmeinend gebende Interesse an
den Roma letztlich nur der europäischen Selbsterhöhung diente. Gibt es keine Ausnahmen in
der Geschichte?
Bogdal: Doch. In Russland und Ungarn etwa gab es im 19. Jahrhundert ein echtes Interesse
an den Roma. Franz Liszt schrieb ein wunderbares Buch über ihre Musik und Maxim Gorki
die eindrucksvolle Erzählung Makar Tschudra. In Spanien beschäftigten sich, inspiriert vom
Flamenco, Komponisten wie Manuel de Falla und Schriftsteller wie Federico García Lorca
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mit der Kultur der gitanos.
ZEIT: Seit Kurzem erinnert in Berlin ein Mahnmal an die Ermordung von Sinti und Roma in
der NS-Zeit. Warum findet diese Erinnerung erst so spät ihren Platz?
Bogdal: Bis in die siebziger Jahre gab es weder in der deutschen Bevölkerung noch in den
staatlichen Institutionen ein Unrechtsbewusstsein. Die Überzeugung, dass »Zigeuner«
Kriminelle und »Arbeitsscheue« seien, bestand fort. Vor allem die lokalen Behörden führten
einen demütigenden Kampf gegen die überlebenden Familien, die sich hier niederlassen
wollten und Anspruch auf Wiedergutmachung erhoben.
ZEIT: Ihr Buch wird in zwei Wochen auf der Leipziger Buchmesse mit dem Leipziger
Buchpreis zur Europäischen Verständigung ausgezeichnet. Wie ist es seitens der Sinti und
Roma aufgenommen worden?
Bogdal: Ich hatte befürchtet, dass es wie andere Studien von Nichtsinti auf Skepsis stoßen
würde. Das Gegenteil ist eingetreten. Es gibt gemeinsame Veranstaltungen, nicht nur in
Deutschland. Und ich durfte die Gastfreundschaft von Familien genießen, die ich ohne das
Buch niemals kennengelernt hätte.
ZEIT: »Der Wille zum Unverständnis bleibt ungebrochen«, schreiben Sie. Gibt es auch
Anzeichen, dass sich daran etwas ändern könnte?
Bogdal: Ich befürchte, dass sich das Verhältnis der Bevölkerung zu den Romvölkern kaum
gewandelt hat. Drei Dinge aber haben sich verändert: Es existieren in Europa Organisationen
der unterschiedlichen Romgruppen, die sich Gehör verschaffen. Es gibt es im öffentlichen
Raum ein stärkeres Bewusstsein für die Lage von Minderheiten. Und die Europäische Union
hat rechtliche Regelungen geschaffen, welche die Romvölker zumindest formell gleichstellen.
Nach 600 Jahren der Ausgrenzung, der Verkitschung und des Hasses sind das Anzeichen
eines allmählichen Wandels.
(aus: ZEIT-online: http://www.zeit.de/2013/10/Roma-Sinti-Vorurteile-Geschichte).
(Andreas Kunz (Hans), Foto: Beushausen)
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Jugendliche und NS-Zeit- Was geht mich das noch an?
Unsere Umfrage zeigt: Die NS-Zeit bewegt die Jugendlichen nach wie vor. Aber sie wollen nicht
auf Befehl betroffen sein.
Wir sehen ein Mädchen, Kopf und Blick gesenkt, es ist vielleicht sieben Jahre alt. Musik setzt
ein. Dann erscheint Schrift: »Ich durfte ihn nicht kennenlernen. / Wir konnten nicht zusammen
spielen. / Ich bin traurig. / Gab es ihn überhaupt? / Wo ist mein Ur-Opa?« So wirbt unter
www.wo-ist-mein-uropa.de der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge. Die tränenrührige
Fantasie handelt dabei so offenkundig vom Nachwuchsproblem des Verbandes, dass sie sich
ad absurdum führt. Kein Kind weint um einen Uropa, den es nie kennengelernt hat. Nein, die
Generation der Urenkel trauert nicht am Familiengrab, wenn sie auf die Jahre 1933 bis 1945
blickt. Längst dem Grundschulalter entwachsen, sitzt sie – gelangweilt, gebannt und
manchmal auch ziemlich ratlos – im Geschichtsunterricht.
Die Mehrzahl der heute 14- bis 19-Jährigen wird dort guten Gewissens sagen können: Opa war
kein Nazi. Der Sozialpsychologe Harald Welzer hat mit diesem Satz vor acht Jahren die
Verleugnungsarbeit der Enkel beschrieben. Das aktive Familiengedächtnis der Urenkel dürfte
hingegen nur selten noch über die Wirtschaftswunderjahre hinausreichen. Während die
letzten Überlebenden und Täter sterben, ist eine Generation herangewachsen, für die der
Nationalsozialismus ganz und gar Geschichte ist. Wird sich dadurch der Umgang mit der
Vergangenheit verändern?
Ja – wobei die Antworten der vierten Generation auf die Frage »Was geht uns das noch an?«
ein herausforderndes Bild ergeben. Nur eines steht von Anfang an fest: Die Jugendlichen
wollen diese Frage nicht rhetorisch verstanden wissen. 69 Prozent interessieren sich nach
eigenem Bekunden »sehr für die Zeit des Nationalsozialismus«, 80 Prozent halten Erinnern
und Gedenken für sinnvoll, 59 Prozent empfinden Scham angesichts der deutschen
Verbrechen. Unterschiede zwischen Ost und West gibt es so gut wie keine. So hat es das
Institut TNS Infratest für das ZEITmagazin ermittelt.
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Was aber steckt hinter diesen Zahlen? Welche Erfahrungen machen Jugendliche mit der NSGeschichte? Und was folgt daraus für die Gegenwart? Wer das wissen will, muss mit
Psychologen und Pädagogen sprechen, muss Schüler befragen – und Lehrer.
Berlin, Heinrich-von-Kleist-Oberschule, an einem 9. November: Zum Jahrestag der
Pogromnacht plant die Schule eine Feierstunde, zu der auch Vertreter der jüdischen Gemeinde
eingeladen sind. Mit einem Schweigegang zu einem ehemaligen Deportationsplatz will man
der Opfer gedenken. Eine gute Idee – nur leider können viele Schüler wenig damit anfangen.
»Ich habe gerade eine 9. Klasse unterrichtet«, erzählt der Referendar Jens B. »Die fragten
mich, warum sie da hinmüssen. Was sollte ich sagen? Ich war ja selbst innerlich gespalten. Ich
hätte es besser gefunden, wenn das freiwillig gewesen wäre. Die Sache lief dann auch leider
recht verkrampft ab« – ein verordneter Schweigegang unter nervöser Aufsicht der Lehrer.
Benimmt sich auch keiner daneben? Die Furcht um den Ruf der Schule dürfte dabei größer
gewesen sein als die Sorge, der Holocaust könnte in Vergessenheit geraten. Und vermutlich ist
dies auch den Schülerinnen und Schülern nicht entgangen. Einige stehlen sich in eine
Seitenstraße davon.
Jugendliche haben feine Sensoren für Peinlichkeiten, für falsche Töne und dafür, wie
authentisch man ihnen begegnet. »In der Schule wird erwartet, dass man auf jeden Fall
Betroffenheit zeigt«, geben 43 Prozent der Schüler an. 41 Prozent beklagen: »Man kann seine
Meinung über die NS-Vergangenheit in Deutschland nicht ehrlich sagen. « Es ist zu befürchten,
dass der Geschichtsunterricht allzu oft einem verordneten, nervös beaufsichtigten
Schweigemarsch gleicht.
In vielen Klassenzimmern kommt es dadurch zu einem Konflikt zwischen Lehrererwartung und
Schülerunlust. Und mancher Pädagoge greift in der Folge verzweifelt zu Schockmaßnahmen.
So zitiert eine Studie des Departments für Psychologie an der Münchner Universität einen
Geschichtslehrer, der mit seinen Klassen grundsätzlich nur im Winter in die KZ-Gedenkstätte
Dachau fährt. Sonst käme nicht das »richtige Feeling« rüber. Bei einem der Besuche hätten die
Schüler dennoch ihre Brote ausgepackt und im Bus gleich wieder mit ihren Handys gespielt.
»Das nächste Mal fahren wir nach Auschwitz«, sagt er. »Weil – es klingt jetzt furchtbar – aber
es gibt mehr her, da wirklich drei Tage intensiv Geballtes zu machen. «
Das hört sich tatsächlich nach einer Strafaktion an, wie Gudrun Brockhaus, eine Autorin der
Münchner Studie, anmerkt. Wer darüber den Kopf schüttelt, macht es sich allerdings zu
einfach. Schließlich rührt die (zumindest zeitweilige) Frustration vieler Geschichtslehrer
gerade daher, dass das Thema den Kern ihres Berufsethos betrifft. Wo, wenn nicht hier, gibt es
etwas wirklich Wichtiges zu vermitteln? Und wo, wenn nicht hier, sind abweichende
Meinungen so schwer erträglich? Der Wunsch nach Harmonie im gemeinsamen Verurteilen der
Nazi-Gräueltaten und im Bekenntnis zur Demokratie ist nur zu verständlich.
Fatalerweise aber erstickt dieser Wunsch in neun von zehn Fällen die wahrhaftige
Auseinandersetzung, indem er das erwünschte Ergebnis unausgesprochen zur Vorbedingung
erhebt. (Im zehnten Fall hat man es mit einem jener engagierten Lehrer zu tun, die mit ihren
Schülern ein Forschungsprojekt angehen.) Der Geschichtsdidaktiker Meik Zülsdorf-Kersting,
der 2004/2005 Schüler von sieben Münsteraner Gymnasien, Real- und Hauptschulen begleitet
hat, kam in seiner Studie denn auch zu einem trüben Ergebnis: »Der Geschichtsunterricht«,
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sagt er, »erreicht, nach allem, was man empirisch weiß, vor allem eines: Er übt ein sozial
erwünschtes Sprechen über die Epoche des Nationalsozialismus ein.«
Was »sozial erwünschtes Sprechen« heißt, zeigen die alljährlichen offiziellen Gedenkrituale.
»Es liegt ein geradezu gegenaufklärerisches Moment in den gestanzten Phrasen der
Gedenktagsreden«, sagt Harald Welzer. »Letztlich sind sie ein Instrument, sich nicht mit der
Geschichte zu befassen. « Das normierte Sprechen erzeugt eine Fassade, die
Erinnerungsarbeit vorspiegelt, aber letztlich nur davon ablenkt, dass man sich die wirklich
schwierigen Fragen vom Hals hält, etwa die nach der Schuld. Lieber spricht man von
»Verantwortung«.
Die gängige Kritik an Political Correctness geht an diesem Problem vorbei. Sie will nicht die
Geschichte von Phrasengeröll befreien, sondern die Sprache von Geschichte: Ihre Anhänger
wollen wieder von Rasse und Volk sprechen, als habe es den Holocaust nie gegeben.
Reflexhaft verfallen sie dabei in eine Rhetorik des Dürfens, die leugnet, dass sprechen handeln
heißt (»Man wird ja wohl noch…«). Solche Rhetorik zu durchschauen könnte gerade das Ziel
einer kritischen Auseinandersetzung mit der NS-Geschichte sein. Verbale Trauerfloristik
hingegen ist etwas für Bundespräsidenten und Oberbürgermeister und hat in der Schule nichts
zu suchen.
Dass man es auch anders machen kann, beweisen die historischen Dokumentationszentren
dieser Republik. Volkhard Knigge, seit 1994 Leiter der Gedenkstätte Buchenwald, spricht dazu
den befreienden Satz: »Über Betroffenheit erreicht man niemanden. « Die Schüler, die hier bis
zu fünf Tage verbringen, arbeiten stattdessen an historischem Material, forschend, im Archiv.
»Die denken, hier müsse man demütig in die Knie gehen, und machen große Augen, wenn sie
merken, dass es um etwas ganz anderes geht. « Darf man in einem ehemaligen
Konzentrationslager lachen? – »Ja. Aber nicht nur.« Kommen auch Neonazis? – »Manchmal
sogar in Gruppen, um sich ein Denkmal der Nazizeit anzuschauen. Da ist Aufklärung oft
vergebens. «
Gern möchte man Lehrern das Prinzip Knigge als Vorbild empfehlen – wären da nicht die
Zwänge des Schulalltags. Jemand wie Volkhard Knigge muss eben nicht auch noch Deutsch
oder Biologie unterrichten und am Ende eine Note geben. Was aber spricht dagegen, auch in
der Schule offen über die Erwartungen an das Thema zu sprechen und als Lehrer bereit zu
sein, »politisch inkorrekte« Schüleraussagen fruchtbar zu machen, statt sie empört
abzuqualifizieren?
Zum Beispiel, wenn deutsche Schüler deutsche Täter bemitleiden. Das komme vor, selbst
wenn man Fotos von Massenhinrichtungen zeige, sagt Volkhard Knigge. Die Grube mit den
Toten, die Opfer, kniend am Rand; die SS-Männer oder einfachen Soldaten, die einem nach
dem anderen ins Genick schießen. »Die armen Männer. Was die Schreckliches tun mussten –
das ist mitunter die erste Reaktion. « Meik Zülsdorf-Kersting erzählt von Schülern, die gar eine
zweite Reihe von Schützen hinter der ersten imaginierten. »Da regiert die Vorstellung: Wenn
die nicht gemordet hätten, wären sie sofort selbst dran gewesen. « Auf verstörende Weise
kommt dabei zutage, was die Schüler im Innersten bewegt: die Frage, wie ganz normale
Menschen tun konnten, was kein normaler Mensch fassen kann. Es wird aber auch deutlich,
was solche Bilder jenseits des bloßen Schreckens auslösen können: den Impuls, Schuld
abzuwehren.
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Fast immer, sagt Zülsdorf-Kersting, seien es in solchen Momenten Jugendliche aus
Migrantenfamilien, die protestieren. »Wenn ihr sagt, die mussten das tun, dann macht ihr euch
mitschuldig! « Von solchen Äußerungen berichten alle Untersuchungen zum Thema. Wer weiß,
wie es sich anfühlt, außerhalb der Mehrheitsgesellschaft zu stehen, scheint sensibler zu sein
für eine historische Gewalt, die auf einem kategorialen »wir und ihr« beruht. Umgekehrt
berührt die Frage nach der Schuld offenbar noch immer den deutschen Identitätskern.
65 Jahre danach, so lautet das erfreulichste Ergebnis der Infratest-Umfrage, sind die
Jugendlichen aber auch offener für ehrliche Korrekturen privat tradierter Geschichtsbilder als
jede Generation zuvor. »Meine Familie hat sich während der NS-Zeit nichts zuschulden
kommen lassen« – dieser Aussage stimmen nur noch 56 Prozent der 14- bis 19-Jährigen zu. In
der Generation darüber sind es 68, bei den über 45-Jährigen 78 Prozent. »Es waren nur ein
paar Verbrecher, die den Krieg angezettelt und die Juden umgebracht haben« – auch hier sinkt
die Zustimmung. Mit zeitlichem Abstand schwindet demnach nicht nur die unmittelbare
Betroffenheit, sondern auch das alte historische Zerrbild vom unterdrückten deutschen Volk.
Sollte Harald Welzer jemals ein Buch über die Urenkel schreiben, es wird gewiss nicht »Uropa
war kein Nazi« heißen. Die vierte Generation kann sich die Urgroßväter durchaus als Täter
vorstellen, denn die emotionale Verbindung zu ihnen fehlt.
Nirgends zeigt sich dies deutlicher als am Umgang mit dem Holocaust. Seit den neunziger
Jahren ist er das Thema in der Auseinandersetzung mit dem »Dritten Reich«. Im deutschen
Familiengedächtnis hatte die Vernichtung der europäischen Juden hingegen nie einen
»systematischen Platz« (Welzer). Der Holocaust war meist nur als Leerstelle präsent. Und als
solche geriet er zuweilen in scharfen Gegensatz zu den Erinnerungen der Eltern und
Großeltern, die von der Angst im Bombenkeller erzählten, während sie die jüdischen
Nachbarn, die plötzlich verschwunden waren, allenfalls beiläufig erwähnten. Täter- und
Opfergeschichte standen unerträglich unverbunden nebeneinander.
Für die Jugendlichen heute hat sich diese Spannung verringert. Sich mit den Opfern zu
identifizieren bedeutet für sie nicht mehr, sich gegen die eigene Familie aufzulehnen.
Vielleicht hat sich aber bei den meisten auch nur das unglückliche Bewusstsein verflüchtigt,
das die Spaltung der Geschichte in eine Täter- und eine Opfererzählung zur inneren
Zerreißprobe macht. Täter- und Opferperspektive stehen weiterhin unverbunden
nebeneinander. Aber es tut nicht mehr so weh.
Liegt darin nun die Gefahr des Vergessens? Oder die Chance für ein unbefangeneres
Geschichtsverständnis? Womöglich beides. Schon vor Jahren hat der Historiker Saul
Friedländer deshalb in seinem Buch Das Dritte Reich und die Juden die Idee einer
»integrierten Geschichte des Nationalsozialismus« entwickelt, die objektive Fakten und
subjektive Wahrnehmungen, Opfer- und Tätergeschichten verwebt. Widersprüche sollen sich
nicht auflösen, sondern kollidieren. Friedländer will damit das »Primärgefühl der
Fassungslosigkeit« erhalten, ohne dass die Quintessenz heißen muss: Das lässt sich sowieso
nicht verstehen. Wer den Schülern einen erklärenden Zugang zur Geschichte öffnen will, darf
den Holocaust daher nicht als das schlechthin Unbegreifliche darstellen, als das große
Verhängnis, das quasi aus dem Nichts entstanden ist, oder als bloße Orgie »des Bösen«.
Der Respekt vor den Leiden der Opfer versteht sich von selbst. Die Identifikation mit den
Verfolgten war die große aufklärerische Leistung der Täterkinder. Man sollte sie kritisch
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bewahren. Das heißt aber auch, sich vor falschen Betroffenheitsritualen zu hüten. Man muss
hinter der Opfergeschichte die Genese der Tat erklären, die Tätergeschichte, und man muss
vermeiden, dass der Holocaust in eine falsche, pseudosakrale Dimension entrückt wird. Was
Geschichtsunterricht und Massenmedien mit ihrem formelhaften »Gedenken« betreiben, nennt
Knigge denn auch eine »historisch entkernte Pietät«. An den Jugendlichen gehe das völlig
vorbei, mit Aufklärung habe es nichts zu tun.
Auch Harald Welzer plädiert dafür, den historischen Blick im Sinne der Täterforschung zu
schärfen: »Die NS-Geschichte allein von ihrem Ende her zu erzählen, von den Leichenbergen,
verschließt den Weg zurück zu den Anfängen. Die entscheidende Frage ist, wie sich diese
Gewalt aus einer modernen Gesellschaft heraus entwickeln konnte. « Oft, sagt Meik ZülsdorfKersting, sei das Unspektakuläre erhellender als der Horror der Vernichtung. Wie verhielt sich
ein Finanzbeamter bei der »Arisierung«? Was passierte bei einer Versteigerung jüdischen
Besitzes? Wieso meldeten sich deutsche Männer und Frauen freiwillig zum Wachdienst im KZ?
Wo sich das Wissen darauf beschränkt, dass sechs Millionen Juden umgebracht wurden und
das etwas ganz Fürchterliches war, wundert es dagegen kaum, dass mancher 16-Jährige schon
alles zu wissen glaubt, nur weil er gelernt hat, die richtige Haltung einzunehmen. Doch die
»richtige« Haltung ersetzt nicht das Wissen. Erst wo die Geschichte nicht mehr erlösen soll
und man selbst nicht mehr von ihr erlöst werden will, entsteht Raum für neue Einsichten und
für die aufrichtige Frage: »Was geht uns das noch an?«
Nur noch 29 Prozent der 14- bis 19-Jährigen fürchten, »dass sich so etwas wie der
Nationalsozialismus in Deutschland wieder ereignen könnte«. Das viel beschworene »Nie
wieder« hat mit ihrem Leben nicht mehr viel zu tun: Anders als Gleichaltrige in den siebziger
und achtziger Jahren haben heutige Jugendliche keine Angst mehr, dass unter der
demokratischen Oberfläche der Faschismus lauert. Auch ist es für eine Mehrheit kein
Widerspruch, die Erinnerung an die NS-Verbrechen wachhalten zu wollen und Deutschland
zugleich als ganz normales Land anzusehen. Der drohende Faschismus, das Leiden an der
Nation – das sind die Fragen von gestern.
»Wie können wir gemeinsam verschieden sein und verschieden gemeinsam?« Das, sagt
Volkhard Knigge, treibe die Jugendlichen um, die zu ihm nach Buchenwald kommen. Es ist eine
Frage für heute, eine von vielen möglichen. Und es ist ein Grund, einer von vielen möglichen,
warum auch 2010 noch die NS-Geschichte befragen sollte, wer Antworten und Standpunkte in
den Debatten der Gegenwart sucht.
(aus: ZEIT-online: http://www.zeit.de/2010/45/Erinnern-NS-Zeit-Jugendliche).
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Vor- und Nachbereitung- Anregungen für die Spielleiter
Im Folgenden finden Sie theaterpädagogische Übungen für den Unterricht, die einen
spielerischen Zugang zum Stück eröffnen, Neugier wecken und auf den Theaterbesuch
vorbereiten oder ihn nachwirken lassen. Dabei werden die Jugendlichen mit Grundlagen des
Theaterspiels vertraut gemacht.
Feedback
Alle sitzen im Kreis. Ein Ball wird im Kreis herumgeworfen, jeder sagt spontan seine
Assoziation zum Besuch der Vorstellung, ein Wort, ein Satz, es gibt kein Richtig oder Falsch,
Mehrfachnennungen sind möglich. Die Äußerungen werden nicht bewertet.
Raumlauf
Die SchülerInnen laufen durch den Raum und umkreisen verschiedene ausgedruckte Begriffe,
die auf dem Boden liegen (siehe unten Attribute) Die Begriffe stehen in Zusammenhang mit
dem Stück. Die SchülerInnen markieren mit einem Stift, welche Begriffe ihrer Meinung nach
für die Vorstellung kennzeichnend oder wichtig sind. Abschließend stellen sie sich zu dem
Begriff, der ihnen am wichtigsten ist und begründen dies.
Attribute
Erschreckend
Verzweifelt
Beängstigend
Mutig
Zerstört
Reuevoll
Glücklich
Hitzig
Wütend
Schleppend
Langweilig
Fesselnd
Beeindruckend
Laut
Brutal
Nah
Traurig
Witzig
Ameisenspiel
Die SchülerInnen sitzen auf Stühlen verteilt im Raum. Eine/r geht von seinem Stuhl aus quer
durch den Raum zur anderen Seite. Dabei muss er/sie versuchen, einen freien Stuhl zu
ergattern. Er/sie darf nur langsam gehen („Piss Pott Schritte“). Die Gruppe muss verhindern,
dass er/sie einen freien Stuhl ergattert und wechselt dafür stets die Plätze. Wer aufgestanden
ist, muss sich einen neuen Platz suchen.
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Statuenwald
Jeder Schüler bekommt einen Satz aus dem Stück. Die SchülerInnen gehen durch den
Raum. Sie sprechen den Satz für sich. Beginnen zu murmeln, werden nach und nach immer
lauter. Der Spielleiter gibt verschiedene Stimmungen hinein: traurig, wütend, gelangweilt,
fröhlich, hysterisch. Zu dem Satz findet jeder eine Bewegung, eine Geste, die seiner Meinung
nach passt. Die Hälfte der Gruppe merkt sich den Satz und die Bewegung und geht ins
Publikum, die Spieler der anderen Gruppe suchen sich einen Ort und sind nun Standbilder. Der
Spielleiter kann durch antippen die Spieler „an- und ausschalten“. Solange der Spieler
„eingeschaltet“ ist, wiederholt er den Satz und seine Bewegung in Schleife.
Sätze aus dem Stück
Die Erinnerung hat mich. Sie ist in mir.
Die Erinnerung zwängt sich in mein Herz, das klein wird und versucht davon zu
rasen, und damit schlägt das Herz gegen die Brust, von innen und schlägt und
schlägt und will raus, weil es zu eng wird da drin.
Vielleicht gibt es hier jemanden, der eine Erinnerung gebrauchen kann?
Du vielleicht?
Eine Mutter, die denkt sie wäre noch jung und schön, weil wir keinen Spiegel
hatten.
Mager, dreckig, struppige Haare, schlechte Zähne und geflickte Hosen.
An meinen zwölften Geburtstag hatte niemand gedacht.
Verrückt! Niemand in der Altstadt lächelte zu der Zeit.
Ich hab geweint wie ein Mädchen.
Es war mein schönster Geburtstag.
Meine Mutter hat sich totgesoffen.
Ich war vierzehn und verprügeln konnte mich keiner mehr.
Ich schlug drauf los. Auf Alteisen, auf meine Mutter, auf die Fürsorge, auf
meinen so genannten Vater.
Wut kann helfen, muss aber nicht. Im Ring brauchst du Schläge, die von Herzen
kommen.
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Der Zufall ist ein Moment der Entscheidung.
Wir waren zwanzig und sahen gut aus.
Ernst genommen hab ich es keine Sekunde lang. Ruki wollte zu Olympia. Hätte
doch niemand, oder?
Bei Olympia darf der Zigeuner- Boxer nicht für Deutschland antreten.
Machs gut, Zigeuner- Boxer!
Machs auch gut Hans. Im Übrigen heiße ich Wilhelm Weiss. Meine Freunde
nennen mich Ruki. Zigeuner nennen sie mich nicht.
Zigeuner war kein Schimpfwort. Für mich nicht.
Er hatte die Taschen voller Geld.
Er, der Direktor, hätte gegen niemanden etwas, aber er müsse ihn bitten, in
Zukunft vielleicht ein anderes Lokal aufzusuchen.
Auch wenn Ruki natürlich nichts dafür konnte. Der Direktor konnte erst recht
nichts dafür.
Ich hab auch verstanden, warum Ruki nicht nach Amerika gehen konnte.
Die Juden durften nicht mal mehr auf den Sportplatz.
Der deutsche Meister stand im Ring und weinte über diesen Sieg, der einer war
und doch keiner war.
Da bin ich nicht mehr zu Ruki in die Kabine. Mann, dem wäre das eh nicht recht
gewesen!
Der Zigeuner- Boxer hat undeutsch gekämpft.
Man sagte ihm ungefragt gleich mit, wie seine Zukunft aussehen würde.
Ruki stellte sich in die Mitte des Rings und tat nichts.
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Niemals gab es einen größeren Sieg.
Wer möchte sie haben, die Erinnerung?
Das Ersticken, das ist etwas, vor dem ich Angst habe.
Falls du das erste Jahr überstehst, kannst du auch das zweite schaffen.
Mit dem Zigeunerwinkel zu überleben, war schwierig.
Gerade so, dass er ihnen nicht wegstarb.
Die Wachleute wollten einen Sieg über den Zigeuner-Boxer.
Am Ende lag Ruki immer im Dreck.
Nicht aufzufallen ist das Wichtigste!
Hat der mal behauptet, Deutscher Meister zu sein?
Ich hab mitgelacht.
Treffer! Knock-out!
Das war doch keine Wut, Hans. Das war ein Schlag, der von Herzen kam!
Du knallst ihn ab!
Die Zeit blieb stehen.
Ich erschieße meinen Freund Ruki.
Anfang ist, wenn das Ende aufhört. Aber das Ende hört nicht auf.
Zum ersten Mal sehe ich meiner Erinnerung ins Gesicht. Ich sehe mich.
Statuen-Szene
Der Spielleiter bittet einige Spieler auf die Bühne, sie werden nacheinander ein- und
ausgeschaltet, das Publikum stellt nun daraus Paare zusammen. Dabei werden die Sätze
beliebig zusammengestellt, unabhängig vom ursprünglichen Szenentext. Aus den
Paarzusammenstellungen lassen sich nun mit Hilfe des Publikums kleine Szenen entwickeln.
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Zunächst wird geklärt, wer die Figuren sind, wo sie sich befinden und wie die
Ausgangssituation ist. Gehen den Spielern die Ideen aus, stoppen sie und fragen das
Publikum: „Und was kommt jetzt?“ Das Publikum muss nun Vorschläge machen für den
Fortgang der Szene. Dann wird weiter gespielt.
Figurenarbeit - Heißer Stuhl
Ein Schüler, eine Schülerin setzt sich auf einen Stuhl der Gruppe gegenüber. Nun werden alle
möglichen Fragen an die Figur gestellt. Dabei kann sie selber antworten, es können aber auch
Spieler aus der Gruppe sich hinter den Stuhl stellen und an ihrer Stelle antworten. Dabei
können auch widersprüchliche Vorschläge gesammelt werden, alles kann dienlich sein, eine
Figuren-Biographie zu entwickeln.
Hans´Mutter
„Eine Mutter, die denkt, sie wäre noch jung und schön, weil wir keinen Spiegel hatten.“
Wo wohnt sie? Was macht sie den ganzen Tag? Wie viele Kinder hat sie? Hat sie einen Mann?
Hat sie Hans lieb? Was ist das Besondere an ihrem Sohn? Mag sie ihre Kinder? Warum trinkt
sie? usw.
Die Jungs im Boxclub
„Die Zeitungsartikel von Ruki wurden abgehängt“
Habt ihr was gesehen? Wer hat sie abgehängt? Warum wurden sie abgehängt? Hat jemand was
gegen Ruki? Warum wurde Ruki nicht zu Olympia zugelassen? usw.
Der Besitzer vom Varieté
„Er, der Direktor, hätte gegen niemanden etwas, aber er müsse ihn bitten, in Zukunft
vielleicht ein anderes Lokal aufzusuchen.“
Warum haben Sie die Schläger nicht rausgeschmissen? Haben Sie Angst vor den Nazis? Sind
Sie selbst Nazi? usw.
Hans
„Da bin ich nicht mehr zu Ruki in die Kabine. Mann, dem wäre das eh nicht recht
gewesen.“
Warum hast Du dich nicht um deinen Freund gekümmert? Was bedeutet dir Rukis
Freundschaft? Warum verteidigst Du ihn nie? Vermisst Du deine Mama? Fühlst Du dich
einsam? usw.
Nachgespräch
Das Nachgespräch in der Gruppe sollte nicht frontal stattfinden. Ein Stuhlkreis oder eine uförmige Bankanordnung sind geeignet. Fragen, die von SchülerInnen gestellt werden, sollten
möglichst an die Gruppe weitergegeben werden.
Stationen der Geschichte
Als Orientierung eine Übersicht über den Verlauf des Stückes.
„Was ist Erinnerung und was Vergessen?
Vielleicht gibt es jemanden, der eine Erinnerung gebrauchen kann? – unbesehen nehmt ihr sie
nicht. Ich kann sie euch zeigen:“
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Das Leben in der Altstadt. Viele Kinder, Armut, Dreck und eine versoffene Mutter
Dann der Morgen, den Hans vergessen möchte: Sein zwölfter Geburtstag, an den
niemand gedacht hatte. Es ist November, kalt und es nieselt. Er trifft Ruki und erzählt
ihm von seinem Geburtstag. Er schenkt ihm einen Apfel. Es war sein schönster
Geburtstag.
- Seine Mutter säuft sich tot -, ältere Bruder geht arbeiten, die Geschwister kommen zur
Fürsorge. Hans verlässt die Schule und fängt beim Alteisen an.
- Geht zum Boxclub Borussia, trainiert und bekommt dafür eine warme Mahlzeit.
- Hier trifft er mit ca. 20 Jahren Ruki wieder. Sie trainieren, gehen aus. In den gelben
Kakadu, tanzen, hören Jazz, trinken, flirten.
- Ruki gewinnt viele Kämpfe. Er möchte nach Amsterdam zu Olympia. Er darf nicht
fahren.
- Ruki boxt nur noch, wenn die Leute zahlen. Profi wird man in Berlin. Er geht.
- Hans verfolgte Rukis Karriere, schneidet alle Zeitungsartikel aus und hängt sie im
Boxclub auf. Irgendwann werden die Artikel weggenommen. Er fragt nach, es war kein
Verantwortlicher da, er hat zu tun, vergisst die „Angelegenheit“
- Ruki kommt zu Besuch. Sie gehen ins Varieté: Ein SA-Kerl haut Ruki eine runter. Er
wehrt sich. Der Typ bleibt liegen. Seine Kollegen zertrümmern den Laden und gehen.
Der Direktor erteilt Ruki Hausverbot.
- Ruki besucht seine Familie. Sie freuen sich und Hans versteht, warum er nicht nach
Amerika gehen kann.
- Auf Hans wartet niemand. Alteisen schmeißt ihn raus.
- Hans geht nach Berlin, schlägt sich mit Gelegenheitsjobs rum. Er findet ein Mädchen,
er ist noch nicht einmal 30 Jahre.
- In der Bockbierbrauerei in Berlin geht es um die Deutsche Meisterschaft. Ruki ist der
Favorit. Hans geht mit seinem „Mädchen“ hin.
- Ruki siegt. Der Ringrichter verkündet: Unentschieden. Die Masse tobt „Punktzettel“.
Ein klarer Sieg nach Punkten. Ruki bekommt den Titel.
- Hans geht, ohne nach Ruki zu sehen.
- Eine Woche später wird Ruki der Titel aberkannt. „Der Zigeuner hat undeutsch
gekämpft.“
- Einen Monat später. Der nächste Kampf: Ruki läuft vor dem Kampf in SA-Uniform durch
den Saal. In den Ring steigt er mit blond gefärbten Haaren, die Haut ist mit Mehl
bestäubt.
„Das war es. Ich sage Ende. Ich sage es einfach. Einfach Ende. Wer möchte sie haben die
Erinnerung? Du? Ich sag die Worte jetzt, weil das Ersticken, das ist etwas, vor dem ich Angst
habe.“
- Ende
- Ruki muss seine Karriere aufgeben, er schlägt sich durch, wie früher.
- Hans auch. Aber jetzt muss alles seine Ordnung haben. Er soll nachweisen, dass seine
Großeltern deutsch waren.
- Hans kommt ins Arbeitslager, dann in das nächste Lager mit dem Stempel
„arbeitsscheu“.
- Hier sieht er Ruki wieder. Er bleibt zunächst unerkannt, beobachtet ihn.
- Ruki wird erkannt. Er muss boxen. Er bekommt etwas zu essen, gerade so, dass er nicht
wegstirbt.
- Hans muss gegen Ruki kämpfen. Jetzt erkennt ihn Ruki auch. Sie kämpfen bis Ruki am
Boden liegt.
26
-
Dann kommt der Frühling.
Geburtstag oder Beförderung eines Wachmanns. Die Stimmung ist gut, sie trinken,
wollen einen Boxkampf sehen. Hans und Ruki kämpfen. Sie sind am Ende. Sie müssen
weiter kämpfen. Ruki schlägt einen der Wachleute k.o. Hans muss Ruki erschießen. Er
tut es. Er bekommt einen Apfel.
- Hans übersteht das Lager.
- Er geht zurück ins Scheunenviertel.
„Anfang ist, wenn das Ende aufhört. Aber das Ende hört nicht auf. Zum ersten Mal seh ich
meiner Erinnerung ins Gesicht. Sie ist überall. Ich sehe mich.
Fragen
„Welche Szene ist Dir besonders in Erinnerung geblieben?“
„Welches war der spannendste Moment?“
„Wie verändert sich das Bühnenbild im Laufe des Stückes? Was siehst Du darin?
„Was ist Wahrheit, was „Fiktion“?
„Was nimmst Du von dem Stück mit?“
„Was weißt Du über die Geschichte deiner Familie?“
(Andreas Kunz (Hans), Foto: Beushausen)
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Quelle
Homepage- Johann Trollmann: http://www.johann-trollmann.de
ZEIT-online: http://www.zeit.de/2013/10/Roma-Sinti-Vorurteile-Geschichte
ZEIT-online: http://www.zeit.de/2010/45/Erinnern-NS-Zeit-Jugendliche
Service. Theater & Schule
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Vor - und Nachbereitungen: Sollte Sie das Material neugierig gemacht haben, so
unterstützen wir Sie gerne bei einer Vor- und Nachbereitung an Ihrer Schule.
Pädagogenstammtisch: Beim Stammtisch haben Sie in regelmäßigen Abständen die
Möglichkeit, sich mit KollegInnen auszutauschen, Probleme zu diskutieren,
Erfahrungen und Anekdoten preiszugeben und einfach zu „klönen“. Die
Theaterpädagoginnen des WLT bereiten das Treffen vor und bieten Fortbildungen zu
unterschiedlichen Themen an.
Spielplan: Unseren Spielplan entnehmen Sie dem großen Spielzeitheft und/oder
unserem Leporello. Beides senden wir Ihnen auf Anfrage gerne zu! Alle Informationen
können Sie auch auf unserer Homepage www.westfaelisches-landestheater.de abrufen.
Buchung: Karten können Sie unter der Telefon-Nr.: 02305/ 97 80 20 (Frau Behlau)
bestellen. Wenn Sie eine komplette Vorstellung buchen möchten, so können Sie sich an
Frau Tymann unter der Rufnummer 02305/ 97 80 14 wenden.
Fragen: Scheuen Sie sich nicht, bei weiteren Fragen oder Anregungen, mit uns in
Kontakt zu treten. Theaterpädagogik: 02305/9780- 26/-27/-56.
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Redaktion:
Herausgabedatum:
Westfälisches Landestheater e.V.
Ralf Ebeling
Günter Wohlfarth
Europaplatz 10, 44575 Castrop-Rauxel
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02305/978010
www.westfaelisches-landestheater.de
Franziska Rieckhoff
Juni 2013
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