Interventionsmaßnahmen
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Interventionsmaßnahmen
Geteilte Erfahrungen Mobile Jugendarbeit als Wegweiser und Brückenbauer in parallelen Welten Dokumentation der Jahrestagung Mobile Jugendarbeit 2011 21. bis 23. März 2011 im KVJS-Tagungszentrum Gültstein Inhaltverzeichnis Seite Vorwort Irma Wijnvoord, KVJS Irmgard Fischer-Orthwein, KVJS 4 Geteilte Erfahrungen – Mobile Jugendarbeit als Wegweiser und Brückenbauer in parallelen Welten Clemens Beisel, LAG Mobile Jugendarbeit 5 Wie Medien Jugendliche ansprechen - am Beispiel von Germany’s Next Topmodel Prof. Dr. Jan-Oliver Decker, Universität Passau 8 Eine Gesellschaft rückt auseinander - die künftigen Bedingungen der Jugendarbeit Prof. Dr. Dr. h.c. Stefan Hradil, Universität Mainz „Trainierst Du noch oder spritzt Du schon?“ -Konsum leistungssteigernder Substanzen zum Thema machen Prof. Dr. med. Dr. jur. Heiko Striegel, Anti-Doping Beauftragter des LSV Baden-Württemberg, Mannschaftsarzt des VfB Stuttgart 49 88 Jugendliche in verschiedenen Welten Klaus Farin, Archiv der Jugendkulturen 127 Impressionen vom Markt der Möglichkeiten 135 Workshop 1: Brücken zur „Parallelwelt Politik“ bauen: Politikberatung durch Mobile Jugendarbeit Patrick Differt, Mobile Jugendberatung Metzingen Matthias Reuting, Diakonisches Werk Württemberg e.V. 137 Workshop 2: „Parallelwelt Internet“: Zur Faszination und Selbstdarstellung im Computerspiel und Web 2.0 Esther Wiechers, Offene und Mobile Jugendarbeit Ladenburg Christiane Bollig, Mobile Jugendarbeit Reutlingen Moderation: Achim Spannagel, Drogenhilfe Ulm 141 Workshop 3: Jugendbanden und Gangs - Attraktivität für junge Menschen • Zusammenfassung des Workshops Rüdiger Schilling, Kriminalprävention Polizei Pforzheim • Jugendkriminalität 2010/2011 Stadtteilgruppen in Stuttgart Wir sind nicht vorbereitet – Jugendkrawalle in Frankreich Willi Pietsch, Polizeipräsidium Stuttgart 168 168 170 Workshop 4 Vereine und Verbände - niedrigschwellige Sportangebote entwickeln • Programm „Integration durch Sport“ Kai Nörrlinger, Württembergische Sportjugend e.V. • Jump – Junge Menschen mit Power Norbert Vollmer, TV Rottenburg • Was zeichnet „niedrigschwellige Angebote“ aus? Zusammenfassung der Diskussionsergebnisse 214 Workshop 5 Kompetent in Parallelwelten: „Schattenwirtschaft“ als kreative Quelle für berufliche Perspektiven Uwe Buchholz, Mobile Jugendarbeit der Stadt Karlsruhe Volker Kugel, Mobile Jugendarbeit Weinheim Matthias Reuting, Diakonisches Werk Württemberg e.V. 238 Workshop 6 Migration – Integration – Interkulturelle Kommunikation Frank Dölker, M.A. Intercultural Communication, Fulda 247 Workshop 7 "Fußball ist unser Leben!?" 251 214 224 Literaturhinweis und Link zu weiterführenden Infos Christian Schmidt, VfB Stuttgart, Leiter der Fanbeauftragten Workshop 8 „Bloß nicht Mainstream“ -Jugendkulturen stellen sich vor Eva Gebauer, Mobile Jugendarbeit Karlsruhe Christiane Hillig, LAG-Servicestelle 252 2 Vorwort Mobile Jugendarbeit erreicht unterschiedlichste Gruppierungen und Szenen junger Menschen, die sich zunehmend in „parallelen Welten“ bewegen: Die Lebenswirklichkeiten verschiedener Bevölkerungsgruppen entfernen sich immer weiter voneinander. Die virtuelle Welt des Internets gewinnt an Bedeutung. Lebensweltorientierte Mobile Jugendarbeit steht vor der Herausforderung, in Kontakt mit sehr verschiedenen Szenen zu treten und dabei auch als Vermittlerin in und zwischen diesen „parallelen Welten“ wirksam zu werden. Die Jahrestagung 2011 setzte sich damit auseinander, wie die jungen Menschen selbst mit „parallelen Welten“ und komplexen Anforderungen umgehen, welche Strategien sie zwischen Provokation, Ausstieg, Abgrenzung und Anpassung entwickeln, welche Wege die Mobile Jugendarbeit findet, um zukünftig die Chancen ihrer verschiedenen Adressatinnen und Adressaten auf Anerkennung, gesellschaftliche und ökonomische Teilhabe zu verbessern. Als Tagungsauftakt zeigte Prof. Dr. Jan-Oliver Decker wie Medien Jugendliche ansprechen. Prof. Dr. Stefan Hradil stellte anhand empirischer Befunde aus Forschungen zu sozialer Ungleichheit dar, wie sich in einer Gesellschaft, die „auseinander rückt“, die Bedingungen für benachteiligte Jugendliche und damit auch für die Mobile Jugendarbeit verändern. Klaus Farin betrachtete Jugendkulturen insbesondere unter dem Gesichtspunkt vorhandener Ressourcen und Potentiale in Abgrenzung zum Mainstream. Der Konsum leistungssteigernder Substanzen war im Mittelpunkt des Abendvortrags von Dr. Heiko Striegel. Zahlreiche Workshops nahmen unterschiedliche „Parallelwelten“ in den Blick mit dem Ziel, Handlungswissen zu erweitern und dieses für die Praxis Mobiler Jugendarbeit nutzbar zu machen. Insgesamt gab die Tagung vielseitige Einblicke und wir hoffen, mit dieser Dokumentation weitere Impulse für den Arbeitsalltag geben zu können. Irma Wijnvoord Irmgard Fischer-Orthwein Kommunalverband für Jugend und Soziales Baden-Württemberg Dezernat Jugend- Landesjugendamt Clemens Beisel Landesarbeitsgemeinschaft Mobile Jugendarbeit/Streetwork Baden-Württemberg Geteilte Erfahrungen - Mobile Jugendarbeit als Wegweiser und Brückenbauer in parallelen Welten Der Sozialarbeiter als Brückenbauer? Also Architekt, Statiker oder Ingenieur. Riecht nach einer gehörigen Gehaltserhöhung für uns..., na ja aber wer die neuen TVÖD SuE-Gruppen kennt und vielleicht bei einer unserer letzten Fachtage war, der weiß ja, das Gehaltserhöhungen in weiter ferne sind. Ich wechsle lieber das Thema... Das wir Brückenbauer im übertragenen Sinne sind, stellt wohl kaum jemand in Frage. Nicht nur in unserer täglichen Arbeit, auch in Gemeinwesensprojekten, die wir gemeinsam mit unseren Adressaten - initiieren sorgen wir dafür, dass Bürger Einblicke in die Lebenswelten unser Klienten kriegen und dass unsere Adressaten Einblicke in die Welt ihres Gemeinwesens bekommen. Ohne uns zu sehr auf die Schulter klopfen zu wollen, aber da basteln wir zum Teil Konstrukte, so denkwürdig und interessant wie die Brooklyn Bridge in New York oder die Golden Gate Bridge in San Francisco. Hört sich vielleicht erst mal größenwahnsinnig an, aber... ...woran messe ich das? Vor Kurzem spazierten ein paar Gemeinderäte über eine der besagten - von MJAlern und ihren Adressaten erbauten - Brücken. Gebaut aus einem hundert Prozent lebensweltorientierten Material: Das Stahlkonstrukt der Brücke aus zweieinhalb Stunden Videomaterial. Zu einem 15-minütigen bruchund bombensicheren Rahmen zusammengeschweißt. Die Aussagen der Jugendlichen: hartes, ehrliches und massives Betongemisch. Eine stabile Brücke. Als die Gemeinderäte über der Brücke waren, kamen Aussagen wie: „Mensch, das die Jungs sich so vernünftig ausdrücken können.“ Oder: „Die sprechen ja fließend Deutsch.“ Abends habe ich mir die „Brücke“ also das Video selber noch mal angeschaut und mir die Aussagen der Gemeinderäte noch mal durch den Kopf gehen lassen. Mir wurde klar: Diese Brücke ist gefühlte 100 km lang! Denn die Welten sind weiter auseinander, als ich gedacht habe. Logisch wir MOBILEN spazieren jeden Tag über diese von uns selbst errichteten Brücken und wir fühlen uns sicher. Für uns sind die Brücken stabil: Kein Wackeln, kein bröckeln und selbst wenn man von der Brücke fallen würde, landet man weich. Zumindest würde man sich nicht schlimm verletzen.... Die gleiche Brücke, eine andere Sichtweise: Die Sicht der Ladenbesitzerin, die sich täglich über Jugendliche aufregt, die bei Regen und Kälte Unterschlupf unter ihrem Vordach suchen. Ihre Kunden bleiben weg, weil sie Angst haben. Angst vor der Bomberjacken tragenden, aufgepumpten Meute. So sieht sie die Brücke: Die Brücke - Ein klappriges Konstrukt, wie wir sie nicht mal aus dem furchterregendsten Hochseilgarten kennen. Morsche Holzlatten, einige fehlen schon, kein Geländer, nur ein altes, modriges Seil anstatt. Keine Absicherung und darunter? Lodernde Lava und Höllenfeuer. Okay, übertrieben. Aber zumindest ein tiefer Abgrund mit reißendem Fluss. Und da drüber gehen, um die Lebenswelt der Jugendlichen kennen zu lernen? Da sagt die Ladenbesitzerin – wie viele andere auch: Nein danke! Da sag ich: Doch. Muss sein. Kommen sie mit! Für die Jugendlichen sehen die Brücken, die in die Schule, in die Ausbildung oder zum „superbausparer Spießerreihenhaus“ führen auch nicht besser aus! Die Bretter ihrer Brücken sind mit einem schleimigen, glitschigen 4-Komponenten Hartz aus Alkohol, Drogen, Gewalt und Vorurteilen überzogen. Im Abgrund sehen sie die Dornen der Bedarfsgemeinschaften und Langzeitarbeitslosigkeit gepaart mit den spitzigen Stacheln der Perspektivlosigkeit. Und als wäre dies nicht genug: Ein Sturz von der Brücke bedeutet zudem, dass man die hohen Berge aus Bürokratie in Form von Anträgen und Ämtergängen alleine wieder hochkraxeln muss. Was ich mit diesen Metaphern zeigen will: Zum einen: Wir brauchen noch viel mehr Brücken! Und die Brücken müssen stabil, dreispurig in jede Richtung, super beschildert und bombensicher sein! Und zum anderen: Nur Brückenbauen reicht nicht! Und nur Wegweiser sein reicht auch nicht! Wir müssen beide Seiten an der Hand nehmen und über die Brücken begleiten. Wir müssen beiden Seiten die Angst vor den Brücken nehmen. Oft auch nicht nur einmal! Wir müssen den Dialog zwischen den Parallelwelten fördern und Integration bewirken. Dann werden unsere Adressaten feststellen, dass nicht jeder Gang über die Brücke im Hartz IV Sumpf endet und die Menschen auf der anderen Seite werden feststellen, dass unsere Adressaten keine menschenfressenden Orks sind. Die meisten zumindest nicht... Beziehungsarbeit und Niederschwelligkeit sind hier die Schlagworte mit denen wir arbeiten müssen. Vorurteilslosigkeit, Akzeptanz und ein respektvoller Umgang sind die Werkzeuge oder das „Veschber“, welches wir den Brückengängern mitgeben müssen. Für jeden Gang. Für jeden Tag und für jede Person, die sich auf den Weg macht... Und wenn jemand meint, dass man nicht über diese Brücken gehen muss, dass diese Brücken nicht wichtig sind und sie oder er unsere Arbeit nicht wertschätzt. Seien es unsere Adressaten, die Gemeinderäte, die Ladenbesitzer, die Kommunen und viele mehr, dann muss man den einen antworten: Schon mal was vom demografischen Wandel gehört? Wir brauchen jeden Jugendlichen. Und unseren Adressaten: Du willst eine Perspektive? Du träumst vom Reihenhaus? Vom einem Ende der Anträge und Ämtergänge? Dann nutze die Brücken! Und deswegen brauch es uns und noch viele mehr, die Brücken bauen und diese für die breite Masse begehbar machen. Ich wünsche allen Teilnehmern, allen Referenten und allen Workshopleitern eine tolle Jahrestagung und sage Danke an Irma Wijnvoord, deren letzte Jahrestagung als Organisatorin dies ist: Du wirst uns immer ein willkommener Gast sein. Danke auch an Christiane Bollig, Esther Wiechers, Christiane Hillig, Uwe Buchholz, Matthias Reuting (jetzt Diak.) und Eddy Götz, die neben Irma im Orgateam der Jahrestagung waren. Und ich sage: „Hallo und herzlich willkommen!“ zu Frau Fischer-Orthwein, der Nachfolgerin von Irma. Nu aber genug von mir. Viel Spaß bei der Jahrestagung im Namen der LAG!!! Clemens Beisel Wie Medien Jugendliche ansprechen – das Beispiel Germany’s Next Topmodel Jan-Oliver Decker (Passau) Germany’s Next Topmodel (GNTM) • Lifestyle-Reality-TVFormat • performativ: Inszenierung nicht alltäglicher Lebenswelten mit nicht-prominenten Personen • narrativ: pseudo-dokumentarische Bewährungssituationen GNTM 2 (2007), v. l. n. r. Heidi Klum, die Siegerin Barbara Meier und die Zweitplatzierte Anne-Kathrin Wendler Maria Beckmann und Krokodil, Challenge und Job für ApolloOptik in GNTM 4 (2009) GNTM 6 (2011) Rebecca und Anna-Lena (Foto: Rankin) Vortragsgliederung (0. Einleitung) 1. Rolle der Jury 2. Rituale aus semiotischer Sicht 3. In Medien inszenierte Rituale 4. Das Jury-Ritual als Harmonisierung von ‚Rolle vs. Person‘ 5. Schönheit als Ergebnis von Körperarbeit 6. Adaption des melodramatischen Narrativs 7. Mentalitätsgeschichtliche Funktion Die Jury von GNTM 6 (2011): Creative Director Thomas Hayo, Heidi Klum, Designer Thomas Rath Die Jury von GNTM 4 (2009), v. l. n. r. Rolf Scheider, Heidi Klum, Peyman Amin Catwalk-Ritual am Ende jeder Episode: Freude bei Olivia Berman, GNTM 4 (2009), Verzweifelung bei Sarah Knappik GNTM 3 (2008) Heidi Klum im November 2009 auf dem Laufsteg der Dessous-Modenschau von Victorias Secret vier Monate nach der Geburt des vierten Kindes Jennifer Hof, Gewinnerin der dritten Staffel von GNTM 3 (2008) zu Beginn und am Ende der Show GNTM 4 (2009), o. u. u. mit der Gewinnerin Sara Nuru Vortragsgliederung (0. Einleitung) 1. Rolle der Jury 2. Rituale aus semiotischer Sicht 3. In Medien inszenierte Rituale 4. Das Jury-Ritual als Harmonisierung von ‚Rolle vs. Person‘ 5. Schönheit als Ergebnis von Körperarbeit 6. Adaption des melodramatischen Narrativs 7. Mentalitätsgeschichtliche Funktion Rituale aus semiotischer Sicht • sich performativ ereignende Zeichensysteme • hoch konventionalisierte, uneigentliche Bedeutung • Abbilden zentraler kultureller Werte und Normen • Herstellen sozialen Sinns über das Alltägliche hinaus Ritual: Stufe zweiter semiotischer Modellbildung sekundäres Zeichensystem primäre Zeichensysteme primäre kulturelle Bedeutung Stufe erster semiotischer Modellbildung durch primäre Zeichensysteme, bspw. Mimik, Gestik, Proxemik, Kinesik, Sprache, Musik, Ikonografie, Rhetorik usw. sekundäre kulturelle Bedeutung Rituale können als Zeichensysteme zur Klasse der nach Jurij M. Lotman sekundären modellbildenden semiotischen Systeme gezählt werden. Semiosphäre 1 Jugend Reife Ritual Reales kulturelles Kontinuum, bspw. Lebensweg der Person Transition Soziale Sphäre 2 Soziale Sphäre 1 Semiosphäre 2 Vortragsgliederung (0. Einleitung) 1. Rolle der Jury 2. Rituale aus semiotischer Sicht 3. In Medien inszenierte Rituale 4. Das Jury-Ritual als Harmonisierung von ‚Rolle vs. Person‘ 5. Schönheit als Ergebnis von Körperarbeit 6. Adaption des melodramatischen Narrativs 7. Mentalitätsgeschichtliche Funktion Medium: Stufe zweiter semiotischer Modellbildung sekundäres Zeichensystem primäre Zeichensysteme primäre kulturelle Bedeutung Stufe erster semiotischer Modellbildung durch primäre Zeichensysteme, bspw. Mimik, Gestik, Proxemik, Kinesik, Sprache, Musik, Filmbild, Ikonografie, Rhetorik usw. sekundäre kulturelle Bedeutung Medien wie Literatur und Film können ebenfalls nach Jurij M. Lotman zu den sekundären modellbildenden semiotischen Systeme gezählt werden. Zum semiotischen Status von in Medien inszenierten Ritualen • Fernsehshows und Rituale = sekundäre semiotische Systeme • sekundärer Bedeutungsaufbau durch Verarbeitung primärer semiotischer Systeme • In Fernsehshows inszenierte Rituale kondensieren und verdichten die in den von jeder Fernsehshow konstruierten, sekundären paradigmatischen Vorstellungs- und Bedeutungsräume. • Genau so wie die sekundäre Fernsehshow mittelbar primäre kulturelle Realität verarbeitet, genau so verarbeitet das in der Fernsehshow inszenierte Ritual diese spezifische Realität der Show auf einer übergeordneten, repräsentierenden Ebene. Vortragsgliederung (0. Einleitung) 1. Rolle der Jury 2. Rituale aus semiotischer Sicht 3. In Medien inszenierte Rituale 4. Das Jury-Ritual als Harmonisierung von ‚Rolle vs. Person‘ 5. Schönheit als Ergebnis von Körperarbeit 6. Adaption des melodramatischen Narrativs 7. Mentalitätsgeschichtliche Funktion Sara Knappik GNTM 3 (2008) macht keine gute Figur Sara Nuru ist endlich GNTM 4 (2009) r. Tamara Busch wird nicht mehr GNTM 4 (2009) Übernahme vorgefertigter personexterner Rollenmerkmale ≈ Demütigung neues emphatisches Leben in Modelwelt altes alltägliches Leben Ritual Reales kulturelles Kontinuum, bspw. Lebensweg der Person serialisierte Transition ≈ Reifung der individuellen Persönlichkeit durch freigelegte Potenziale Jennifer Hof, Gewinnerin von GNTM 3 (2008) zu Beginn und am Ende der Show Vortragsgliederung (0. Einleitung) 1. Rolle der Jury 2. Rituale aus semiotischer Sicht 3. In Medien inszenierte Rituale 4. Das Jury-Ritual als Harmonisierung von ‚Rolle vs. Person‘ 5. Schönheit als Ergebnis von Körperarbeit 6. Adaption des melodramatischen Narrativs 7. Mentalitätsgeschichtliche Funktion Die Jury von GNTM 6 (2011): Creative Director Thomas Hayo, Heidi Klum, Designer Thomas Rath Marie Nasemann (r.) als Siegerin einer Challenge aus GNTM 4 (2009) Beispiel „Die Entscheidungen Staffel 3“ GNTM 3 (2008) Vortragsgliederung (0. Einleitung) 1. Rolle der Jury 2. Rituale aus semiotischer Sicht 3. In Medien inszenierte Rituale 4. Das Jury-Ritual als Harmonisierung von ‚Rolle vs. Person‘ 5. Schönheit als Ergebnis von Körperarbeit 6. Adaption des melodramatischen Narrativs 7. Mentalitätsgeschichtliche Funktion All That Heaven Allows (USA 1955 Douglas Sirk) Ein Herz spielt falsch (BRD 1953, Rudolf Jugert) Skizze des melodramatischen Erzählmodells soziales Außen bürgerlicher Raum väterlicher Herkunftsraum Normverstoß gewünschte erotische Autonomie Normanerkennung Leiden Zielraum domestizierte Erotik Normeinübung Transitionsraum Sanktionsraum Beispiel „Emotionen über Emotionen“ GNTM 4 (2009) – Das Special Skizze des melodramatischen Erzählmodells soziales Außen bürgerlicher Raum väterlicher Herkunftsraum Normverstoß gewünschte erotische Autonomie Normanerkennung Leiden Zielraum domestizierte Erotik Normeinübung Transitionsraum Sanktionsraum Übernahme vorgefertigter personexterner Rollenmerkmale ≈ Demütigung neues emphatisches Leben in Modelwelt altes alltägliches Leben Ritual Reales kulturelles Kontinuum, bspw. Lebensweg der Person serialisierte Transition ≈ Reifung der individuellen Persönlichkeit durch freigelegte Potenziale Vortragsgliederung (0. Einleitung) 1. Rolle der Jury 2. Rituale aus semiotischer Sicht 3. In Medien inszenierte Rituale 4. Das Jury-Ritual als Harmonisierung von ‚Rolle vs. Person‘ 5. Schönheit als Ergebnis von Körperarbeit 6. Adaption des melodramatischen Narrativs 7. Mentalitätsgeschichtliche Funktion Arbeit am Körper von Maria Beckmann GNTM 4 (2009) Die drei Finalistinnen aus GNTM 4 (2009), v. l. n. r. Marie Nasemann, Mandy Bork und die Gewinnerin Sara Nuru Beispiel „Lena Gercke siegt“ GNTM 1 (2006) – Das Beste aus Staffel 1–3 Bonusmaterial, Sedcard Shooting, 05:30–06:14 Jennifer Hof, Gewinnerin von GNTM 3 (2008) zu Beginn und am Ende der Show Wie Medien Jugendliche ansprechen – das Beispiel Germany’s Next Topmodel Jan-Oliver Decker (Passau) „Germany’s Next Topmodel – Initiation durch Domestikation. Zur Konstruktion der schönen Person in Castingshows“ Jan-Oliver Decker (Kiel/Passau) „Trainierst Du noch oder spritzt Du schon“ Konsum leistungssteigernder Substanzen zum Thema machen Heiko Striegel Medizinische Universitätsklinik Tübingen SpOrt Medizin Stuttgart GmbH www.sport-medizin.eu Die Ausgangssituation… ¾ Doping im Leistungs- und Hochleistungssport ¾ Doping im Freizeit- und Fitness-Sport ¾ Gesundheitsökonomische und volkswirtschaftliche Relevanz ¾ Studien zum Doping im Leistungssport ¾ Studien zum Doping im Freizeit- und Fitness-Sport Doping im Leistungssport ¾ Nur wenige Studien weltweit ¾ Studie von Scarpino et al. Lancet, 1990; 336: 1048-1050: Dopingprävalenz: 11 % bis 27 % Doping im Freizeit-Sport - Studienübersicht Untersuchungskollektiv Dopingprävalenz Referenz Gesamtpopulation (USA) M 0,9%, F 0,1% Yesalis et al. (1993) JAMA 270: 1217-1221 Bodybuilder (Schweden) M 38,4%, F 9% Linström et al. (1990) J Intern Med 227: 407-411 Fitness-Studio Mitglieder (UK) M 9,1%, F 2,3% Korkia et al. (1997) Int J Sports Med 18: 557562 Fitness-Studio Mitglieder (USA) M 23%, F3% Kanayama et al. (2001) Psychother Psychosom 70: 137-140 Schulsportler (Frankreich) M 5%, F 2% Laure et al. (2004) Int J Sports Med 25: 133138 Zusammenhang zwischen Doping und Drogen Signifikante Korrelation zwischen Dopingsubstanzkonsum und Konsum legaler und illegaler Drogen (DuRant et al., 1993; Nilsson et al., 1995; Yesalis et al., 1993) Signifikante Korrelation zwischen Dopingsubstanzkonsum und Konsum illegaler Drogen (Wichstrom et al., 2001) Signifikante Korrelation zwischen Dopingsubstanzkonsum und Konsum legaler Drogen (Laure et al., 2004) Doping im deutschen Fitness-Sport • Befragt wurden anhand eines Fragebogens Sportler im Fitness-Studio • Es wurden insgesamt 1802 Fragebögen in 113 Fitness-Studios verteilt (Gesamtmitgliederzahl 90 100). • Die Anzahl der Fragebögen betrug 2% der jeweiligen Mitgliederzahl des Studios. • Die Fragebögen wurden durch nach genauer Instruktion (Verteilung entsprechend der Geschlechts-, Alters-, Trainingshäufigkeits-, und Trainingsaltersstruktur des jeweiligen Studios) über die Betreiber bzw. Trainer an die Sportler verteilt. • Der Fragebogenrücklauf betrug n=621 (34,4%). Davon waren 390 Männer (62,8%) und 321 Frauen (37,2%) Allgemeine Daten Variable Kein Doping Doping Männer 315 (80.8%) 75 (19.2%) Frauen 222 (96.1%) 9 (3.9%) Alter [J] 33 ± 11 33 ± 8 Größe [cm] 175.7 ± 9.0 1.78 ± 8.2 Gewicht [kg] 73.9 ± 16.1 87.1 ± 20.0 Keine 55 (10.2%) 6 (7.1%) Lehre 317 (59.1%) 64 (71.5%) Studium 158 (29.4%) 17 (20.2%) Keine Antwort 7 (1.3%) 1 (1.2%) Anthropometrische Daten Ausbildung Fitness sports Angewandte Substanzen Substanzen n (%) Anabole Steroide (AAS) 37 (55.2) Nur Clebuterol 9 (13.4) Nur Stimulantien 1 (1.5) AAS und andere Substanzen 19 (28,4) Clenbuterol und andere Substanzen Art der Verabreichung n (%) 1 (1.5) Anzahl der Substanzen n (%) Oral 24 (35.3) 1 27 (39.7) Parenteral 9 (13.2) 2 bis 4 29 (42.6) Oral and parenteral 35 (51.5) >4 12 (17,5) Einzelbeispiel Informationsquellen Informationsquellen der Dopingsubstanzen Hausarzt Sportarzt Trainer andere Sportler Eltern Partner Freunde eigenes Literaturstudium Internet sonstige Männer Frauen 0 10 20 30 40 50 Bezugsquellen andere Sportler Trainer Schw arzmarkt Arzt (Inland) Arzt (Ausland) Apotheke (mit Rezept/Inland) Apotheke (mit Rezept/Ausland) Apotheke (ohne Rezept/Inland) Apotheke (ohne Rezept/Ausland) andere 0 10 20 30 40 50% Dopingsubstanzkonsum - Gründe Variable Frauen (n=231) Männer (n=390) Verbessertes Aussehen 39.0% 45.1% Kraftzuwachs 6.9% 42.6% Sportliche Erfolge 20.4% 23.9% Verbesserte Ausdauerleistung 17.8% 18.5% Leistungsstagnation 10.4% 18.2% Andere 3.0% 4.6% Kokain Trainingsfrequenz BodyBuilding Odds Lower BMI Trainingsjahre Odds Ratio Abitur AlKohol 100 50 30 Nationalität Dopendenprofil Odds Upper 10 5 3 1 0.5 0.3 0.1 Drogenkonsumentenprofil 100 50 30 Odds Ratio Odds Lower Odds Upper 10 5 3 1 0.5 0.3 Doping Alkohol Rauchen Studium Kinder 01 5-Jahres Follow-Up Befragung • Befragt wurden anhand eines Fragebogens Sportler im Fitness-Studio • Es wurden insgesamt 1461 Fragebögen in 84 Fitness-Studios verteilt (Gesamtmitgliederzahl 73 000). • Die Anzahl der Fragebögen betrug 2% der jeweiligen Mitgliederzahl des Studios. • Die Fragebögen wurden durch nach genauer Instruktion (Verteilung entsprechend der Geschlechts-, Alters-, Trainingshäufigkeits-, und Trainingsaltersstruktur des jeweiligen Studios) über die Betreiber bzw. Trainer an die Sportler verteilt. • Der Fragebogenrücklauf betrug n=438 (30,0%). Davon waren 287 Männer (65,5%) und 151 Frauen (34,5%) 5-Jahres Follow-Up Befragung • Reduktion der Zahl der Dopenden auf 10,8 % • Erhöhung der Zahl der Drogenkonsumenten um 8,4 % auf 24,3 % • Anteil der aus dem Gesundheitswesen stammenden Dopingsubstanzen reduziert sich um 11,9 % auf 36,2 % • Ärzte weiterhin die am häufigsten genannte Informationsquelle in Bezug auf Dopingsubstanzen • Rechtliche Schwierigkeiten wegen illegalen Drogen: 6,5 % aller Befragten • Rechtliche Schwierigkeiten wegen Dopings: 0,3 % aller Befragten Problematik sensibler Fragestellungen Problematik sensibler Fragestellungen Befragungstechniken: Persönliche Befragung Anonymer Fragebogen Randomized-Response-Technique (RRT) Durchführung der RRT 2 Fragen (eine sensible und eine allgemeine Frage) identische Antwortmöglichkeiten Untersucher weiß nicht, auf welche Frage der Proband antwortet Dokumentation der Antwort („Ja“ oder „Nein“) Berechnung der Wahrscheinlichkeit, mit der ein Proband auf die sensible Frage mit „Ja“ geantwortet hat RRT-Untersuchung in Fitness-Studios • Befragt wurden anhand der RRT-Technik Sportler im FitnessStudio • Es wurden insgesamt 500 Sportler in 49 Fitness-Studios befragt. • Die Anzahl der Befragten betrug 1% der jeweiligen Mitgliederzahl des Studios. • Befragung zu unterschiedlichen Tageszeiten entsprechend der Mitgliederstruktur in den jeweiligen Fitness-Studios Allgemeine Daten RRT-Befragung Variable RRT Fragebogen Männer 347 (69.4%) 390 (62.8%) Frauen 153 (30.6%) 231 (37.2%) Alter [J] 32 ± 11 33.6 ± 10.6 Größe [cm] 176.4 ± 9.1 176.0 ± 9.0 Gewicht [kg] 75.96 ± 15.0 75.7 ± 17.3 Anthropometrische Daten Ergebnisse der Befragungen Vergleich der Ergebnisse der Befragung mittels anonymer Fragebögen und der Befragung mittels der Randomized Response Technique Variable Anonyme Fragebögen Randomized Response Technique Doping „ja“ 13,5 % 12,5% Illegale Drogen „ja“ 15,9 % 41,3 % Kokain „ja“ 4,7 % 14,6 % Rauchen „ja“ 30,0 % 27.5 % Alkohol „ja“ 77,8 % 69,6 % Leistungssportler: RRT-Befragung F-Kader E-Kader kein Kader A-Kader B-Kader C-Kader D/C-Kader D-Kader Alter (Jahre) Gesamt (n=480) Männer (n=301) Frauen (n=179) 16,7 (16,4 - 17,0) 16,7 (16,2 - 17,0) 16,7 (16,2 - 17,2) Leistungssportler in Deutschland Prävalenz 95 % CI Doping 6,8 % 2,7 - 10,9 Illegale Drogen 8,8 % 4,5 - 13,1 Eliteschulen des Sports • Prävalenz des Dopings in Schulen • Möglichkeiten der Dopingprävalenz in Schulen und deren Effektivität RRT-Untersuchung in Eliteschulen des Sports • Befragt wurden anhand der RRT-Technik Schüler der Klassenstufen 8 und 9 an Eliteschulen des Sports (Realschulen und Gymnasien) • Es wurden insgesamt 344 Sportler in 4 Schulen befragt. • Die Befragung fand nach gründlicher Aufklärung über die Art der Befragung und die Definition der Parameter statt. RRT-Untersuchung - Ergebnisse Interventionsmaßnahmen Interventionsmaßnahme - Studienpopulation ¾ 4 Eliteschulen des Sports in Baden-Württemberg: ¾ ¾ ¾ ¾ Wirtemberg-Gymnasium (Stuttgart) Linden-Realschule (Stuttgart) Helmholtz-Gymnasium (Heidelberg) Johannes-Kepler-Realschule (Heidelberg) ¾ Gesamt 393 Schüler und Schülerinnen ¾ Klassenstufe 8 und 9 ¾ In jeweils einer Klassenstufe (2 Klassen, Sportprofil und Kontrollklasse) wurde interveniert, die andere stand als Kontrollklasse zur Verfügung Interventionsmaßnahmen Interventionsmaßnahme - Studienpopulation 140 120 Anzahl 100 80 60 40 20 0 Klasse 8 Intervention Klasse 9 Intervention Klasse 8 Kontrolle Klasse 9 Kontrolle Interventionsmaßnahmen Interventionsmaßnahme - Methodik ¾ im Rahmen von 12 Schulstunden wurden Schüler und Schülerinnen mittels geeigneter Unterrichtsmaterialien in folgenden Themen aufgeklärt: ¾ Nahrungsergänzungsmittel ¾ Medikamente/Medikamentenmissbrauch ¾ Doping: ¾ Verbotsliste ¾ Dopingfallen ¾ Dopingkontrolle ¾ Risiken und Nebenwirkungen von Dopingsubstanzen ¾ Ethische Aspekte Interventionsmaßnahmen Interventionsmaßnahme - Evaluation ¾ Einstellungs- und Wissensanalyse (anonymer Fragebogen) vor und nach den Interventionen ¾ Fragebogen umfasste 21 Items, die anhand einer Lickert-Skala zu beantworten waren ¾ Kontrollgruppe beantwortete gleichen Fragebogen auch zweimal im gleichen Abstand wie Interventionsgruppe Interventionsmaßnahme - Evaluationsergebnisse Interventionsmaßnahmen Einstellungsanalyse • 7 der 21 Items umfassten die Einstellungsanalyse • 3 der 7 Items zeigen signifikante Unterschiede (Frage 4, 5 und 7) in der Differenz auf • Signifikanter Unterschied im Rahmen der kompletten Einstellungsanalyse zwischen T1 und T2 und der Kontroll- und Interventionsgruppe ÖPositiver Erfolg des Unterrichts auf die Einstellung der Schüler in Bezug auf Doping Interventionsmaßnahme - Evaluationsergebnisse Interventionsmaßnahmen Einstellungsanalyse 2,15 2,1 Mittelwert 2,05 2 Kontrollgruppe Interventionsgruppe 1,95 1,9 1,85 1,8 vorher nachher Interventionsmaßnahme - Evaluationsergebnisse Interventionsmaßnahmen Wissensanalyse • 14 der 21 Items umfassten die Wissensanalyse • 9 der 14 Items signifikante Unterschiede (Frage 8, 9, 13, 14, 15, 16, 17, 18 und 20) in der Differenz • Hoch signifikanter Unterschied im Rahmen der kompletten Wissensanalyse zwischen T1 und T2 und der Kontroll- und Interventionsgruppe ÖPositiver Erfolg des Unterrichts auf den Kenntnisstand der Schüler in Bezug auf Doping Interventionsmaßnahme - Evaluationsergebnisse Interventionsmaßnahmen Wissensanalyse 3,7 3,6 Mittelwert 3,5 3,4 Kontrollgruppe Interventionsgruppe 3,3 3,2 3,1 3 vorher nachher Interventionsmaßnahme - Schlussfolgerungen Interventionsmaßnahmen Schlussfolgerung 1. Die Ergebnisse der RRT - Befragung zeigen, dass der Konsum von Dopingsubstanzen und Drogen bereits im Alter von 13 bis 16 Jahren ein nicht zu unterschätzendes Problem darstellt ÖAnti-Doping Präventionsmaßnahmen somit wichtig 2. Signifikante bzw. hoch signifikante Ergebnisse der Einstellungs- bzw. Wissensanalyse zeigen, dass der Unterricht ein positiver Erfolg in Bezug auf Doping bei den Schülern und Schülerinnen war Ösomit ist es sinnvoll, dass Präventionsmaßnahmen in Form eines strukturierten Unterrichts anhand von altersgerechten Unterrichtsmaterialien durchgeführt wird 3. Derzeit Erstellung von Unterrichtsmaterialien Materialien – www.highfive.de Interventionsmaßnahmen Schlussfolgerung Materialien – www.dsj.de Interventionsmaßnahmen Schlussfolgerung Materialien – www.dopinginfo.de Interventionsmaßnahmen Schlussfolgerung Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! 1 Jugendliche in verschiedenen Welten – Ressourcen und Potentiale Vortrag von Klaus Farin am 23. März 2011 bei der Jahrestagung Mobile Jugendarbeit/Streetwork in Herrenberg-Gültstein Eine notwendige Vorbemerkung: Fast alles, was wir über „die Jugend“ und deren Kulturen wissen, wissen wir aus den Medien. Medien sind aber vor allem an dem Extremen und dem Negativen interessiert. Sie leben nun einmal davon, stets das Außergewöhnliche, Nicht-Alltägliche in den Vordergrund zu rücken und zur Normalität zu erheben: Drei betrunkene Rechtsradikale, die „Sieg heil!“ grölend durch ein Dorf laufen, erfahren so eine bundesweite Medienresonanz; eine Jugendgruppe, die sich monatelang aktiv gegen Rassismus und Rechtsextremismus engagiert, ist in der Regel kaum der Lokalzeitung ein paar Zeilen wert. Die „gute Nachricht“ ist keine. Und was nicht in den Medien stattfindet, gibt es nicht. Zudem neigen Popularmedien in Zeiten härterer Konkurrenzkämpfe um Auflagen und Einschaltquoten dazu, ihre Themen weiter zuzuspitzen. „Keine Jugendgewalt“ oder „immer weniger“ Gewalt ist auch kein Thema. Und so heißt es tagtäglich: „Immer mehr“ Jugendgewalt, „immer brutaler“ die Täter. Da ist Sensation statt Information gefragt, immer schneller, immer schriller, immer billiger. Da veröffentlicht das Kriminologische Forschungsinstitut Hannover eine 131-seitige Studie "Jugendliche als Opfer und Täter von Gewalt" (Baier u. a. 2009), deren Hauptfazit lautet: Jugendgewalt und Jugendkriminalität insgesamt sind in den letzten zehn Jahren zurückgegangen. Auf acht Seiten dieser Studie behaupten sie: 3,8 Prozent der Neuntklässler seien Mitglied in rechtsextremen Organisationen. In absolute Zahlen umgerechnet und die Siebt-, Acht- und Zehntklässler mitberücksichtigt, bedeutete dies, dass etwas mehr als 100.000 unter 18-Jährige in Deutschland organisierte Rechtsextreme sind – schon ein kurzer kritischer Blick offenbart eigentlich, dass dies gar nicht sein kann (nur zum Vergleich: Der Verfassungsschutz kommt in seinen alljährlichen Berichten konstant auf eine Größenordnung von 2-3 Prozent dieser Zahl.). Dennoch wird dieser hanebüchene Unsinn in den nächsten Tagen zum in der Regel unreflektierten Hauptthema der Berichterstattung über diese Studie, der Rest ist vergessen. Dieser kurze Exkurs zu Beginn sollte noch einmal in Erinnerung rufen, dass das, was wir glauben, über „die Jugend“ zu wissen, nicht unbedingt der Realität entspricht, sondern der veröffentlichten Realität, dem, was Medien aus der unendlichen Fülle täglicher Ereignisse auf Basis ihrer eigenen subjektiven Perspektive und Interessenlage für uns vorsortieren und auf die Agenda setzen. Medien präsentieren uns nur einen kleinen – negativen! – Ausschnitt von „Jugend“ (zudem mit oft haarsträubend schlecht recherchierten „Fakten“, vgl. etwa Farin 2001, S. 233-256), den wir pars pro toto nehmen. 2 Dass diese Botschaft von der ewig schlimmeren Jugend auf so fruchtbaren Boden fällt, ist allerdings kein neuer Trend: Seit Sokrates vor mehr als 2.000 Jahren heißt es über jede Jugend, sie sei schlimmer, respektloser, konsumtrotteliger, unpolitischer, unengagierter als die letzte – sprich: wir selbst. Dies ist jedoch mehr einer gnädigen Rosarot-Zeichnung unserer eigenen Jugendphase geschuldet. Nehmen wir nur einmal als Beispiel die berühmten „68er“, die nachfolgenden Generationen seitdem stets als leuchtendes Vorbild vorgehalten werden: scheinbar eine ganze Generation auf den Barrikaden, politisiert und engagiert, Aktivisten einer sexuellen und kulturellen Revolution. In der Realität gingen damals nur 3-5 Prozent der Studierenden demonstrierend auf die Straße und die BRAVOCharts der Jahre 1967 bis 1970 verzeichnen als mit großem Abstand beliebtesten Künstler der Jugend jener Jahre nicht die Rolling Stones, Jimi Hendrix oder die Doors, sondern Roy Black. Es waren Minderheiten, die sich damals engagierten, auch wenn es ihnen gelang, einer ganzen Generation ihren Stempel aufzudrücken. Nicht anders ist es heute: Die Mehrheit jeder Generation ist bieder, spießig, konsumtrottelig und unengagiert. Das ist bei den Jungen kaum besser als bei den Alten. Es sind immer Minderheiten, die etwas bewegen (wollen) und dabei manchmal sogar die Gesamtgesellschaft verändern. Jugendkulturen: eine den Mainstream prägende Minderheit Etwa 20 Prozent der Jugendlichen in Deutschland gehören aktiv und engagiert Jugendkulturen an; sie sind also Punks, Gothics, Emos, Skinheads, Fußballfans, Skateboarder, Jugger, Rollenspieler, Cosplayer, Jesus Freaks usw. und identifizieren sich mit ihrer Szene. Minderheiten, sicherlich, die allerdings – am deutlichsten sichtbar im Musikund Modegeschmack – die große Mehrheit der Gleichaltrigen beeinflussen. Rund 70 Prozent der übrigen Jugendlichen orientieren sich an Jugendkulturen. Sie gehören zwar nicht persönlich einer Jugendkultur an, sympathisieren aber mit mindestens einer jugendkulturellen Szene, besuchen am Wochenende entsprechende Szene-Partys, Konzerte oder andere Events, hören bevorzugt die szene-eigene Musik, wollen sich aber nicht verbindlich festlegen. Jeder Szene-Kern wird so von einem mehr oder weniger großen Mitläuferschwarm umkreist, der zum Beispiel im Falle von Techno/elektronischer Musik und HipHop mehrere Millionen Jugendliche umfassen kann. So sind die Aktiven der Jugendkulturen wichtige opinion leader oder role models ihrer Generation. Musik ist für fast alle Jugendlichen so ziemlich das Wichtigste auf der Welt. So ist auch die Mehrzahl der Jugendkulturen, von denen heute die Rede ist, musikorientiert: Techno, Heavy Metal, Punk, Gothics, Indies; auch Skinheads gäbe es nicht ohne Punk und Reggae/Ska; selbst für die Angehörigen der Boarderszenen, eigentlich ja eine Sportkultur, spielt Musik eine identitätsstiftende Rolle. Dabei geht es nie nur um Melodie und Rhythmus, sondern immer auch um Geschichte, Politik, grundlegende Einstellungen zur Gesellschaft, die nicht nur die Texte und Titel der Songs/Tracks vermitteln, sondern auch die Interviews, Kleidermarken, nonverbalen Gesten und Rituale der KünstlerInnen. Musik ist für viele Jugendliche, vor allem, aber nicht nur denen in Szenen, ein bedeutender Teil der Identitätsfindung. Der Körper als Performanceraum „Alle Menschen sind gleich.“ Eine tolle Utopie. Doch wollen wir das wirklich? So sein wie Nachbarin Müller und Lehrer Meier, die eigenen Eltern oder die Alpha-Männchen in Aldous Huxleys „Schöne neue Welt“? Wohl kaum. Vor allem Jugendliche rund um die Pubertät nicht, deren gesamtes Trachten eigentlich danach ausgerichtet ist, gerade nicht so zu sein wie alle anderen, ihren eigenen Weg, ihre eigene Persönlichkeit zu finden. Doch was tun, wenn Standes- und andere traditionell definierte Grenzen in der modernen, individualisierten Mittelschichtgesellschaft nicht mehr existieren? Der Rückzug auf die letzte Bastion der individuellen Selbstgestaltung ist angesagt: den Körper. Die bewusste Selbstinszenierung des Körpers als Visitenkarte des eigenen Ich wird gesamtgesellschaftlich und für alle Generationen immer wichtiger. Jugendliche gehen naturgemäß weiter als Erwachsene – Grenzen sprengen, um Grenzen zu erkennen, ist ihr Privileg; noch am unteren Ende der gesellschaftlichen 3 Karriereleiter stehend, ist der Körper oft ohnehin ihr einziges Mittel zur Selbstinszenierung. Sie haben zudem vor den Erwachsenen einen einmaligen Vorsprung: Sie entsprechen in Zeiten eines ausufernden Jugendkultes von Natur aus dem Ideal, müssen sich nicht erst durch Styling „verjüngen“. Und sie sind körperlich fitter: Techno-Raves, Ollis auf dem Skateboard, Black-Metal-Konzerte oder auch Hooliganismus funktionieren mit Menschen über 30 nicht mehr so gut … Jugendkulturen sind Körperkulturen. Für die Angehörigen der jugendkulturellen Stämme bedeutet der Körper mehr als die naturgegebene Basis für ein oberflächliches Repertoire an Verhaltensweisen und Kostümierungen. Für sie stellt er einen komplexen Performanceraum dar, ein hoch differenziertes semantisches System, das der Außenwelt, so sie denn in der Lage ist, den Code zu entschlüsseln, von den persönlichen Ideen und Träumen, vom Selbstbewusstsein und Wissen seiner Träger erzählt. Arroganz und Offenheit, Introvertiertheit und Kontaktfreude, Aggressivität und sexuelle Orientierung und vieles mehr drücken sich in der Körpersprache aus: in der Haltung der Hände und der Art des (Nicht-)Lächelns ebenso wie in der Auswahl der Tätowierungen (ein strahlendes Clownsgesicht – kindlich-naiv oder bösartig?, eine bluttriefende Axt, ein Peace-Zeichen, ein Kreuz – aufrecht oder auf den Kopf gestellt, ein Hakenkreuz). Der Körperstil buhlt um Aufmerksamkeit oder will unangenehme Aufmerksamkeit von seinem Träger ablenken, signalisieren: Ich bin nur ein harmloser, mit Sicherheit niemals aus meiner Rolle fallender, braver Bürger. Während Mode und die gesamte Körpergestaltung bei den „Stinos“ („Stinknormalen“) der (erwachsenen) Mehrheitsgesellschaft vorrangig das Ziel verfolgt, sie bei einer möglichst großen Zahl von MitbürgerInnen als attraktiv, sympathisch und anpassungsfähig erscheinen zu lassen, verfolgt der Körperstil der jugendlichen Szene-Angehörigen das gegenteilige Ziel: Er soll ihnen Respekt und Attraktivität innerhalb des eigenen Stammes verleihen, den langweiligen, spießigen Rest der Welt jedoch verschreckt auf Distanz halten. Dabei hat jede Jugendkultur ihre eigene Weise entwickelt, dieses Ziel zu erreichen, ihre Szene-Identität in Körpersprache zu übersetzen. Da fast alle Jugendkulturen männlich dominiert sind, wird in diesem Zusammenhang die hohe Bedeutung des Geschlechtes offensichtlich. Körper und Geschlecht Männer des 21. Jahrhunderts haben es wirklich schwer. Das einzige, was sie Zehntausende von Jahren über die Frauen gestellt hat – ihre Körperkraft – ist nicht mehr gefragt. In Zeiten, in denen die Mehrzahl aller Jobs von computergesteuerten Maschinen erledigt werden und zwei Drittel aller Arbeitnehmer in „Weiße-Kragen”-Branchen beschäftigt sind, wird der „kleine Unterschied” bedeutungslos. Selbst die letzten Bastionen der Männlichkeit – Bundeskanzler, Militär, Polizei und Fußball – sind gefallen. Das Gesellschaftssystem, in dem wir leben, bietet einem Großteil der Männer einen adäquaten Ersatz für die unnütz gewordene Körperkraft: Macht. Doch nicht alle können daran partizipieren. Die Machtlosen haben verschiedene Möglichkeiten, die Gefährdung ihrer Männerrolle (Ernährer, Beschützer) zu kompensieren. Eine Variante ist die demonstrative Inszenierung von Männlichkeit. Gewalt, aber auch andere risikobehaftete Lebensweisen, zum Beispiel der Besitz/Diebstahl eines PKWs, extrem gefährliches Fahren, exzessiver Alkohol- und anderer Rauschmittelkonsum, sind „Beweise” für Männlichkeit. Je knapper die ökonomischen, sozialen und Bildungsressourcen, desto mehr reduziert sich die Installation von Männlichkeit auf Risiko- und Kampfbereitschaft, Gewalt- und andere Kriminalität – auf den Einsatz und die Inszenierung des eigenen Körpers. Hooligans, Extremsport, U-Bahn-Surfen, Migranten- und Neonazi-Gangs sind so gesehen hinter den Kulissen verschiedene Facetten des immergleichen Bildes: Rituale zur Inszenierung traditioneller Männlichkeit, Formen des männlichen Körpererlebens. So sind etwa „Hooliganschlachten“ weniger ernsthafte, auf Feindbildern beruhende Gewalthandlungen, sondern im Kern ritualisierte Schaukämpfe. Hier versuchen männliche Großstadtjugendliche auf traditionelle Art, Körpergrenzen zu sprengen, das Ende ihrer Jugendphase hinauszuzögern. 4 Der Kick des Risikos Den Körper herauszufordern, „zu spüren, dass man noch lebt“, ist eine der spannendsten Herausforderungen in einer großstädtischen, bürokratisierten Welt, in der man gegen alles präventiv versichert scheint und reale Risiken scheinbar nicht mehr existieren. So inszenieren Jugendliche sich den notwendigen Kick eben selbst: „Ich brauche immer einen Kick. Jeder Jugendliche hat das. Das gehört zum Leben dazu. Ein Kick ist gefährlich, etwas Heimliches oder Verbotenes. Das Herz muss einem in die Hose rutschen, man fängt an zu zittern oder kriegt Schweißausbrüche oder das Herz fängt an total zu klopfen, der Puls ist auf 500. Lebensgefährlich muss es sein. Ich muss wissen, dass da irgendwas passieren kann. Aber trotzdem muss ich auch wissen, dass das sicher ist, dass da nix so schlimm ist, dass es tödlich enden kann oder dass das meinen Rest des Lebens verändert. Wenn Jugendliche keinen Kick haben, kosten sie ihr Leben gar nicht aus. Was sollen sie denn später erzählen?” (Julia, 15, in: Tuckermann/Becker, S. 9f.) Aufregend soll es sein, aber letztendlich doch eine Inszenierung wie beim Bungeejumping, ein (Rollen-)Spiel, das es (pubertierenden) Jugendlichen ermöglicht, wenigstens für einen kurzen Moment aus der für sie vorgesehenen Rolle zu fallen, nicht mehr Kind, sondern Vamp, nicht mehr brave Schülerin, sondern „bitch“ oder „Schlampe“ zu sein. Die 13-Jährige mit dem „Schlampe“-T-Shirt oder dem bauchnabelfreien Top oder dem "Bill fick mich"-(darunter ihre Handy-Nummer)-Transparent beim Tokio-Hotel-Konzert signalisiert scheinbar sexuelle Verruchtheit und will in der Realität eher kuscheln und reden. Doch mit dem trotzigen (sexualisierten) Outfit hält sie sich die Utopie offen, eines Tages doch Vamp statt treu sorgende Hausfrau, Popstar wie Madonna oder Lady GaGa statt Arzthelferin zu werden – zumindest für eine kurze, aufregende Saison. Die Explosion der Stile und Zeichen Jugendkulturen erwecken heute bei den meisten Menschen – übrigens oft auch bei Jugendlichen selbst – einen sehr diffusen Eindruck: Scheinbar gibt es davon immer mehr, in immer schnelleren Intervallen, in immer schrilleren Präsentationsformen. Sicherlich ist es richtig, dass heute im Vergleich zu den 50er, 60er, 70er Jahren sehr viele Jugendkulturen existieren, deren Angehörige zudem nicht mehr leicht einzuordnen sind. Gab es zu meiner Jugendzeit – ich bin Jahrgang 1958 – eigentlich nur die Mofa-Cliquen, die Fußball-Fans, die Hardrock/Heavy-Metal-Fans, uns Langhaarige und die Spießer von der Jungen Union, und jeder hat sein Gegenüber gleich beim Äußeren erkannt und einordnen können, so existieren heute einige hundert Stilvariationen und Untergruppen – da gibt es nicht den Heavy-MetalFan, sondern den Black Metaller und den Thrash Metaller und den New-Wave-of-BritishHeavy-Metal-Fan und eben auch noch die Traditionalisten von der Deep-Purple-Fraktion usw., nicht den Techno-Fan, sondern rund ein Dutzend Techno-Spielarten von Gabber bis Goa. Und deren Angehörige erfüllen zudem nicht immer unsere visuellen Erwartungen und Vorurteile: Da ist der Popper mit dem Silberköfferchen in Wirklichkeit ein anarchistischer Computerhacker, der rassistische Neonazi kommt langzottelig und im Style von Lemmy von Motörhead daher. Die zentrale Botschaft heutiger Jugendkulturen scheint zu sein: Wenn du glaubst, mich mit einem Blick einschätzen zu können, täuscht du dich gewaltig. Oder andersherum: Wer wissen möchte, was sich hinter dem bunten oder auch schwarzen Outfit verbirgt, muss schlicht mit dem Objekt der Begierde reden. Die Vielfalt der gegenwärtigen Jugendkulturen entsteht zum einen dadurch, dass nichts mehr verschwindet: Fast alle Jugendkulturen, die es jemals gab, ob Swing Kids oder Rock'n'Roller, Hippies oder Mods, existieren heute noch: Sie sind vielleicht nicht mehr so groß, so bedeutend, so medienwirksam wie zur Zeit ihrer Geburt, aber sie leben. Wenn man sich die großen Szenen der Gegenwart ansieht, stellt man schnell fest, dass mitnichten alljährlich neue bedeutende Jugendkulturen entstehen. Die größte Jugendkultur der 90er Jahre war ohne Zweifel Techno. Bis zu fünf Millionen – jede/r vierte Unter-Dreißigjährige – identifizierte sich seinerzeit mit dieser elektronischen Musik-PartyKultur. Doch Techno entstand bereits 1988/89 und hat Vorläufer (z. B. House), die weitere zehn Jahre zurückreichen. Heute ist HipHop – Oberbegriff für Graffiti, Tanz (Breakdance bzw. B-Boying/-Girling) und die Musik: Rap/MCs, DJing – weltweit die mit Abstand größte 5 Jugendkultur. Mit keinem anderen Musikgenre wird so viel Umsatz bei UnterZwanzigjährigen gemacht, in jeder Stadt in Deutschland – sei sie noch so klein – existieren HipHop-Kids. Doch auch HipHop ist keine Erfindung der späten 90er Jahre, sondern bereits Anfang der 70er Jahre in der Bronx/New York geboren worden. Bereits 1979 erschien auch auf dem deutschen Markt die erste HipHop-Single „Rapper’s Delight“ von der Sugarhill Gang. Punk – eine weitere der historisch bedeutenden „Stammkulturen“ (nicht von der Menge her: Punk ist ein Minderheitenphänomen mit wenigen hunderttausend SzeneAngehörigen, aber von der Kreativität und dem Einfluss auf andere Szenen her) – entstand 1975/76. Die Skateboarder lassen sich bis auf die Surfer der 50er/60er Jahre zurückführen (Beach Boys!), und auch die ersten wirklichen Skateboards tauchten in Kalifornien bereits Ende der 50er Jahre auf, das erste fabrikgefertigte Skateboard kam 1963 auf den (US)Markt. Gothics – früher auch Grufties, Dark Waver, New Romantics etc. genannt – erlebten ihre Geburt bereits um 1980/81 als Stilvariante des Punk: eine introvertierte, melancholische neue Blüte, geprägt vor allem von Jugendlichen mit bildungsbürgerlichem familiären Hintergrund, denen Punk zu „aggressiv“ und zu „prollig“ war. Die ersten Emos, eine scheinbar neue Jugendkultur des 21. Jahrhunderts, wurden in Wahrheit schon Mitte der 80er Jahre als musikalisch "melodiösere", ich-bezogenere (EMOtional) Abspaltung der HardcoreSzene gesichtet (Kultbands: Rites of Spring, Fugazi etc.). Das typische Kennzeichen heutiger Jugendkulturen scheint zu sein, dass sie alt sind. Dass dies nicht jedem sofort auffällt, liegt an einem Stilprinzip, das sich seit den 90er Jahren als dominant herausgebildet hat: Crossover. Der ständige Stilmix, die Freude an der "Bricolage" (Claude Lévi-Strauss), dem Sampling eigentlich unpassender Stilelemente zu immer neuen, bunteren (oder eben düsteren) Neuschöpfungen. Dies gilt sowohl für die Mode als auch für die Musik: Aus Punk und Heavy Metal entstehen Hardcore und Grunge, Punk und Techno gemischt ergibt Prodigy, Body Count vereint HipHop und Heavy Metal, der Musiktherapeut Guildo Horn macht mit nur einem Schuss Ironie aus spießiger Schlagermusik Jugendkultpartys. Man kann sich Jugendkulturen bildlich wie ein Meer vorstellen: Es regnet selten neue Jugendkulturen, aber innerhalb des Meeres mischt sich alles unaufhörlich miteinander. Immer wieder erfasst eine große (Medien-)Welle eine Jugendkultur, die dann für eine kurze Zeit alle anderen zu dominieren scheint wie Techno in den Neunzigern und derzeit (noch) HipHop. Doch die Küste naht und auch die größte Welle zerschellt. Das Wasser verdampft dabei jedoch nicht, sondern es fließt wieder ins offene Meer zurück – zersprengt in viele kleine Jugendkulturen, artverwandt und doch verschieden. Diese ständige Vermischung hat insgesamt die Grenzen zwischen den Szenen seit den 90er Jahren deutlich offener gestaltet. Selbstverständlich ist jeder Szene-Angehörige immer noch zutiefst davon überzeugt, der einzig wahren Jugendkultur anzugehören (Arroganz ist seit jeher ein wichtiges Stilmittel von Jugendkulturen), doch die Realität zeigt: Kaum jemand verbleibt zwischen dem 13. und 20. Lebensjahr in einer einzigen Jugendkultur; typisch ist der regelmäßige Wechsel: Heute Punk, in der nächsten Saison Gothic, ein Jahr später vielleicht Skinhead oder Skateboarder. Oder gleich Punk und Jesus Freak, Skateboarder und HipHopper etc. Oder: An diesem Wochenende Gothic, am nächsten BritPopper, der Montag gehört der Liebsten, am Mittwoch geht's ins Fitnessstudio, am Freitag zur THW-Jugend. Oder auch zur Jungen Gemeinde. Für eine wachsende Gruppe der Jüngeren ist eine Identität, eine Rolle zu wenig. Ambivalenz und Flexibilität sind die Lebensprinzipien immer mehr jüngerer Menschen, nicht Heimatverbundenheit und eine starre Identität. Was der (Arbeits-)Markt ihnen zwangsweise lehrt, pflanzt sich in den selbstbestimmten Freizeitwelten fort. Zwischen Rebellion und Markt Wo Jugendkulturen sind, ist die Industrie nicht fern. Denn so unterschiedlich all diese Szenen auch sein mögen, sie haben eins gemeinsam: Jugendkulturen sind grundsätzlich vor allem Konsumkulturen. Sie wollen nicht die gleichen Produkte konsumieren wie der Rest der Welt, sondern sich gerade durch die Art und Weise ihres Konsums von dieser abgrenzen; 6 doch der Konsum vor allem von Musik, Mode, Events ist ein zentrales Definitions- und Identifikationsmerkmal von Jugendkulturen. Will man ein neues Produkt auf dem Markt platzieren, muss es zunächst einmal auffallen. Spektakulär daherkommen. Es muss scheinbar noch nie Dagewesenes präsentieren. Das bedeutet, so paradox es auch klingen mag: Je rebellischer eine Jugendkultur ausgerichtet ist, desto besser lässt sie sich vermarkten. Nicht die Partei- oder Verbandsjugend, nicht der Kirchenchor oder der Schützenverein, sondern Punks und Gothics, Skateboarder und HipHopper, Emos und Cosplayer sind die wahren Jungbrunnen für die Industrie. Denn schließlich lässt sich nur das Neue verkaufen, nicht die Hosen und CDs von gestern. „Konservative“ Jugendliche, die sich aktuellen Trends verweigern, die kein Interesse daran haben, sich von den Alten abzugrenzen, die nicht stets die neue Mode suchen, sondern gerne mit Vati Miles Davis oder die Stones hören, mit Mutti auf der Wohnzimmercouch bei der ARD in der letzten Reihe sitzen, statt im eigenen Zimmer ihre eigenen Geräte und Programme zu installieren, und bereitwillig die Hosen des großen Bruders auftragen, statt sich vierteljährlich mit den jeweils neuen Kreationen einzudecken, sind der Tod der jugendorientierten Industrie. Vielleicht ist dies einer der deutlichsten Generationenbrüche: Jugendliche haben mit großer Mehrheit ein positives Verhältnis zum Markt, sie lieben die moralfreie Kommerzialisierung ihrer Welt. Sie wissen: Ohne die Industrie keine Musik, keine Partys, keine Mode, keinen Spaß. Sie fühlen sich – anders als von ihrer üblichen erwachsenen Umgebung – zu Recht von der Industrie geliebt und respektiert. Schließlich gibt diese Milliarden Euro jährlich aus, nur um sie zu umwerben, ihre Wünsche herauszufinden und entsprechende Produkte auf den Markt zu bringen. Selbstverständlich verläuft der Prozess der Kommerzialisierung einer Jugendkultur nicht, ohne Spuren in dieser Jugendkultur zu hinterlassen und sie gravierend zu verändern. Die Verwandlung einer kleinen Subkultur in eine massenkompatible Mode bedingt eine Entpolitisierung dieser Kultur, eine Verallgemeinerung und damit Verdünnung ihrer zentralen Messages: So mündete der „White Riot“ (The Clash) der britischen Vorstadtpunks in der neugewellten ZDF-Hitparade; HipHop, ursprünglich eine Partykultur afro- und latinoamerikanischer Ghettojugendlicher gegen den weißen Rassismus, mutierte zu einem Musik-, Mode- und Tanzstil für jedermann; aus dem illegalen, antikommerziellen Partyvergnügen der ersten Techno-Generation wurde ein hochpreisiges Disco-Eventangebot etc. Die Industrie – Nike, Picaldi, Sony, MTV und wie sie alle heißen – erfindet keine Jugendkulturen. Das müssen immer noch Jugendliche selbst machen, indem sie eines Tages beginnen, manchmal unbewusst, sich von anderen Gleichaltrigen abzugrenzen, indem sie etwa die Musik leicht beschleunigen, die Baseballkappe mit dem Schirm nach hinten tragen oder nur noch weiße Schnürsenkel benutzen – „Wir sind anders als ihr!" lautet die Botschaft, und das wollen sie natürlich auch zeigen. Das bekommen nach und nach andere Jugendliche mit, oft über erste Medienberichte, manche finden es cool und machen es nach. Eine „Szene“ entsteht. Die nun verstärkt einsetzenden Medienberichte schubladisieren die neue Jugendkultur, machen Unerklärliches ein Stück weit erklärlicher, heben zu stigmatisierende und/oder vermarktbare Facetten hervor, definieren die Jugendkultur (um) und beschleunigen den Verbreitungsprozess. Ab einer gewissen Größenordnung denkt auch die übrige Industrie – allen voran die Mode- und die Musikindustrie – darüber nach, ob sich diese neue Geschichte nicht irgendwie kommerziell ausbeuten lässt. Aus einer verrückten Idee wurde eine Subkultur, wird nun eine Mode, ein Trend. artificial tribes Jugendkulturen sind also teuer, zeitintensiv und mitunter extrem anstrengend. SzeneAngehörige müssen ständig auf dem Laufenden sein über die neuen „Hits" und Moden ihrer Kultur, regelmäßig „präsent" sein, nicht nur bei den wichtigen Highlights wie die normalen Konsumenten; sie müssen zu Beginn oft eine eigene Sprache aus Worten, Gesten, Ritualen 7 und äußeren Kennzeichen lernen, deren Grammatik und Vokabular nirgendwo schriftlich fixiert ist, aber doch genau eingehalten werden muss, um mit den anderen Eingeweihten adäquat kommunizieren zu können und nicht gleich als uninformierter Mitläufer dazustehen. Warum eigentlich die ganze Mühe, was macht Jugendkulturen für Jugendliche so attraktiv? Jugendkulturen ordnen die nicht nur von Jugendlichen als immer chaotischer empfundene Welt. Sie sind Beziehungsnetzwerke, bieten Jugendlichen eine soziale Heimat, eine Gemeinschaft der Gleichen. Wenn eine Gothic-Frau aus München durch Hamburg oder Rostock läuft und dort einen anderen Gothic trifft, wissen die beiden enorm viel über sich. Sie (er)kennen die Musik-, Mode-, politischen und eventuell sexuellen Vorlieben des anderen, haben mit Sicherheit eine Reihe derselben Bücher gelesen, teilen ähnliche ästhetische Vorstellungen, wissen, wie der andere zum Beispiel über Gewalt, Gott, den Tod und Neonazis denkt. Und falls die Gothic-Frau aus München eine Übernachtungsmöglichkeit in Hamburg oder Rostock sucht, kann sie mit hoher Sicherheit davon ausgehen, dass ihr der andere weiterhilft, selbst wenn die beiden sich nie zuvor gesehen haben. Jugendkulturen sind artificial tribes, künstliche Stämme und Solidargemeinschaften, deren Angehörige einander häufig bereits am Äußeren erkennen (und ebenso natürlich ihre Gegner). Sie füllen als Sozialisationsinstanzen das Vakuum an Normen, Regeln und Moralvorräten aus, das die zunehmend unverbindlichere, entgrenzte und individualisierte Gesamtgesellschaft hinterlässt. Und: Jugendkulturen sind trotz aller Kommerzialisierung zumindest für die Kernszene-Angehörigen vor allem eine attraktive Möglichkeit des eigenen kreativen Engagements. Denn weil die Kommerzialisierung ihrer Freizeitwelten auch negative Folgen hat und die Popularisierung ihrer Szenen ein wichtiges Motiv der Zugehörigkeit zu eben diesen Szenen aushebelt – nämlich die Möglichkeit, sich abzugrenzen –, schafft sich die Industrie automatisch eine eigene Opposition, die sich über den Grad ihrer Distanz zum kommerziellen Angebot definieren: Wenn alle bestimmte Kultmarken tragen, trage ich eben nur No-Name-Produkte. Sag mir, welche Bands auf MTViva laufen, und ich weiß, welche Bands ich garantiert nicht mag. Wer wirklich dazugehören will, muss selbst auf dem Skateboard fahren, nicht nur die „richtige“ teure Streetwear tragen, selbst Graffiti sprühen, nicht nur cool darüber reden, selbst Musik machen, nicht nur hören, usw. Es sind schließlich die Jugendlichen selbst, die die Szenen am Leben erhalten. – Auch hier sind es wieder Minderheiten, doch diese gehören oft zu den Kreativsten ihrer Generation. Sie organisieren die Partys und andere Events, sie produzieren und vertreiben die Musik, sie geben derzeit in Deutschland (trotz der zunehmenden Bedeutung des Internets immer noch) mehrere tausend szene-eigene, nichtkommerzielle Zeitschriften – sog. Fanzines – mit einer Gesamtauflage von mehr als einer Million Exemplaren jährlich heraus. Für sie sind Jugendkulturen Orte der Kreativität und der Anerkennung, die sie nicht durch Geburt, Hautfarbe, Reichtum der Eltern etc. erhalten, sondern sich ausschließlich durch eigenes, freiwilliges, selbstbestimmtes und in der Regel ehrenamtliches Engagement verdienen. Noch nie waren so viele Jugendliche kreativ engagiert wie heute – in jeder Stadt in Deutschland gibt es heute RapperInnen, B-Boys und -Girls, SprayerInnen und DJs. Tausende von Jugendlichen produzieren Woche für Woche an ihren PCs Sounds – der einzige Lohn, den sie dafür erwarten und bekommen, ist Respekt. Noch nie gab es so viele junge Punk-, Hardcore-, Metal-Bands wie heute. Das Web 2.0 ist nicht nur ein Ort der Jugendgefährdung, sondern auch ein Tummelplatz enormer jugendkultureller Aktivitäten, mit denen bereits 14-, 15-, 16-Jährige eine Medienkompetenz zeigen und sich erwerben, über die manch hauptberuflicher Jugendschützer nicht ansatzweise verfügt. Auch die Sportszenen jenseits der traditionellen Vereine – von den Boarderszenen über Parcours bis zu den Juggern – boomen. Doch noch nie war die Erwachsenenwelt derart desinteressiert an der Kreativität ihrer „Kinder". Respekt ist nicht zufällig ein Schlüsselwort fast aller Jugendkulturen. Respekt, Anerkennung ist das, was Jugendliche am meisten vermissen, vor allem von Seiten der Erwachsenen. Viele Erwachsene, klagen Jugendliche, sehen Respekt offenbar als 8 Einbahnstraße an. Sie verlangen von Jugendlichen, was sie selbst nicht zu gewähren bereit sind, und beharren eisern auf ihre Definitionshoheit, was anerkennungswürdig sei und was nicht: Gute Leistungen in der Schule werden belohnt, dass der eigene Sohn aber auch ein exzellenter Hardcore-Gitarrist ist, die Tochter eine vielbesuchte Emo-Homepage gestaltet, interessiert zumeist nicht – es sei denn, um es zu problematisieren: Bleibt da eigentlich noch genug Zeit für die Schule? Musst du immer so extrem herumlaufen, deine Lehrer finden das bestimmt nicht gut ... Dabei weiß jeder gute Lehrer/jede gute Lehrerin, welche SchülerInnen am meisten Stress verursachen: die Gleichgültigen, die, die sich für gar nichts interessieren, die keine Leidenschaft kennen, für nichts zu motivieren sind. Schule braucht heute nicht nur motivierte LehrerInnen, sondern auch engagierte, kreative, selbstbewusste SchülerInnen. Leider haben immer noch sehr, sehr viele Jugendliche wenig Anlass und Chancen, Selbstbewusstsein zu erwerben. Viele fühlen sich schon mit 13, 14 Jahren "überflüssig" in dieser Gesellschaft. Und die Schule ist offenbar oft nicht in der Lage bzw. willens, da gegenzusteuern. Sie hat es bis heute strukturell nicht verstanden, eine Anerkennungskultur zu entwickeln, die SchülerInnen für gute Leistungen belohnt statt für Versagen bestraft und herabwürdigt. Deshalb werden Jugendkulturen immer wichtiger: Hier können Jugendliche einmal selbst erfahren, dass in ihnen noch etwas steckt, dass sie kreative Fähigkeiten haben, die ihnen ihre Umwelt selten zutraut – bis sie sich selbst auch nichts mehr zutrauen. Literatur: Baier, D./Pfeiffer, C./Simonson, J./Rabold, S. (2009): Jugendliche in Deutschland als Opfer und Täter von Gewalt : Erster Forschungsbericht zum gemeinsamen Forschungsprojekt des Bundesministeriums des Innern und des KFN (KFN-Forschungsbericht; Nr.: 107). Hannover: KFN; http://www.kfn.de/versions/kfn/assets/fb107.pdf. Farin, Klaus (2001): „Die mit den roten Schnürsenkeln …" Skinheads in der Presseberichterstattung; in: Farin, Klaus (Hrsg.): Die Skins. Mythos und Realität. Bad Tölz: Thomas Tilsner. Farin, Klaus (2011): Jugendkulturen in Deutschland. Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung, Reihe ZeitBilder. Farin, Klaus (2008): Über die Jugend und andere Krankheiten. Essays und Reden 19942008. Berlin: Archiv der Jugendkulturen. Tuckermann, Anja/Becker, Nikolaus (1999): Horror oder Heimat? Jugendliche in BerlinHellersdorf. Bad Tölz/Berlin: Thomas Tilsner/Archiv der Jugendkulturen. Wickenhäuser, Ruben Philipp (2010): jugger. Der Sport aus der Endzeit. Berlin: Archiv der Jugendkulturen. www.jugendkulturen.de www.jugendszenen.com Klaus Farin, geb. 1958; Fachautor, Dozent, Initiator und langjähriger Leiter des Berliner Archiv der Jugendkulturen e.V.1, Fidicinstraße 3, 10965 Berlin. klaus.farin@jugendkulturen.de 1 Das Berliner Archiv der Jugendkulturen e.V. (www.jugendkulturen.de) sammelt – als einzige Einrichtung dieser Art in Europa – authentische Zeugnisse aus den Jugendkulturen selbst, aber auch wissenschaftliche Arbeiten, Medienberichte etc., und stellt diese der Öffentlichkeit in seiner Präsenzbibliothek kostenfrei zur Verfügung. Darüber hinaus betreibt das Archiv der Jugendkulturen eine umfangreiche Jugendforschung, berät Kommunen, Institutionen, Vereine etc., bietet im Rahmen des Projektes www.culture-on-the-road.de bundesweit Schulprojekttage und Fortbildungen für Erwachsene an und publiziert eine eigene Buchreihe mit ca. sechs Titeln jährlich. Impressionen vom Markt der Möglichkeiten Workshop 1 Brücken zur „Parallelwelt Politik“ bauen: Politikberatung durch Mobile Jugendarbeit Impulsreferat Patrick Differt, Mobile Jugendberatung Metzingen, Hilfe zur Selbsthilfe e.V. Moderation und Dokumentation Matthias Reuting, Diakonisches Werk Württemberg 1 Ausgangssituation Der Workshop knüpfte an das Schwerpunktthema der Jahrestagung 2010 an: Prof. Dr. Günter Rieger (Duale Hochschule BW Stuttgart) hatte im Hauptvortrag „Politisierung als professionelle Herausforderung in der Mobilen Jugendarbeit“ beschrieben und dabei insbesondere Soziallobbying, Politikberatung und politische Bildung als Möglichkeiten herausgearbeitet (Präsentation zum Vortrag unter www.lagmobil.de/cms/uploads/dokus/rieger_politisierung_als_professionelle_herausforderung.pdf). Politikberatung kann dabei als Tauschgeschäft verstanden werden, bei dem Mobile Jugendarbeit Expertise, Legitimation und Umsetzung im Tausch gegen Information, Entscheidung und Ressourcen bietet. Durch Politikberatung können die Interessen der AdressatInnen vertreten und ihre politische Beteiligung gefördert werden. Gleichzeitig ist sie mit Risiken verbunden, „verwickelt“ zu werden auf Kosten der parteilichen Haltung für die AdressatInnen. Als Themen, für die Adressat/innen der Mobilen Jugendarbeit bedarf an Unterstützung durch Soziallobbying deutlich machen, wurden von den Workshop-Teilnehmer/innen beispielhaft benannt: 2 Soziallobbying für Adressat/innen der MJA durch Politikberatung – Erfahrungen aus der Praxis (Impulsreferat von Patrick Differt) 2.1 Kommunale Politikberatung: Akteure und Aufgaben Wer sind die Akteure? - Bürger - Landkreis - Gemeinderat - Stadtverwaltung - Schule - Klientel - Polizei/Justiz - Netzwerk AK Praktiker - AK Kinder- und Jugendhilfe - Presse Mobile Jugendarbeit ist Spezialist für Anliegen der Kommune bezüglich - jugendspezifischen Themen - Umgang mit dem Klientel - Lebenswelt Jugendlicher Mobile Jugendarbeit kann Übersetzer sein (= Alleinstellungsmerkmal): Jugendliche ↔ Kommune Kommune ↔ Jugendliche Dimensionen von Politikberatung durch Mobile Jugendarbeit - Vertretung und Durchsetzung der Interessen unserer Klientel auf kommunaler Ebene als eigener Anspruch bei der Politikberatung - Konzeptionelle Beratung bei der Umsetzung und Durchführung von Angeboten und Projekten der Kommune - Einbringen der jugendspezifischen Themen bei der Stadtentwicklung 2.2 Politikberatung – ein konfliktträchtiges Feld Häufig ringt MJA gleichzeitig um Anerkennung ihrer Kompetenz Gefahr der Übertragung von Konflikten unserer Klientel auf uns. Parteilichkeit - als Problem der Vermittlung dieses Begriffs - Ablehnung einer parteilichen Haltung beim Gegenüber Unsere Klientel hat häufig Konflikte mit verschiedensten Akteuren in der Kommune: - mit der Schule - mit der Polizei - mit der Verwaltung… 2.3 Strategien kommunaler Politikberatung Ausgangsbasis: Klientel - ist isoliert in der Kommune - wird negativ wahrgenommen Æ Gefahr der Isolierung der MJA im Konflikt (vor allem bei Vertretung der Interessen der Klientel) Gegenmittel: Netzwerkarbeit: - formelle Ebene - informelle Ebene „Kannst Du Deine Gegner nicht besiegen, mache sie zu Deinen Freunden.“ 2.4 Öffentlichkeitsarbeit/Pressearbeit Formen und Inhalte: - Darstellung der Arbeit - Probleme immer „diplomatisch sehen“ - Projektarbeit mit Klientel, Einbindung der Bürger - Aktionen im Gemeinwesen Æ Folgen von Skandalisierungen beachten Æ Gesamtwahrnehmung der Akteure beachten (Empfindlichkeiten der Kommunalpolitik, Instrumentalisierung vermeiden) 2.5 Netzwerkarbeit Möglichkeiten und Anforderungen: - Kooperationsvereinbarungen - Konflikte offen ansprechen und entpersönlichen, d.h. Sachebene suchen - Polizei immer formell einbinden - Gesichtswahrung aller Beteiligten beachten - Sorgfältig entscheiden, in welchem Rahmen etwas thematisiert wird: unter vier Augen? Im Netzwerk? - Berührungspunkte suchen - Sich (vorher) versichern, wie es andere sehen - Bündnispartner suchen (Smalltalk nutzen) - „informelles Netzwerk“ aufbauen und nutzen Anforderungen: Æ immer Lösungsvorschläge parat haben; sorgfältig entscheiden, wann sie im informellen Netzwerk diskutiert werden; es müssen „eigene Lösungen“ bleiben. Æ Partner zur Umsetzung suchen (eigentliche Beratung) Æ Dinge, die schief gehen, nicht wegreden (Æ Glaubwürdigkeitsverlust) 3 Möglichkeiten und Handlungsempfehlungen für Politikberatung durch MJA Ergebnisse der Diskussion Herausforderungen in der Politikberatung durch Mobile Jugendarbeit: Im Mittelpunkt der Diskussion stand die Frage, wie Mobile Jugendarbeit Soziallobbying für ihre AdressatInnen durch Politikberatung effektiv leisten und dabei „Verwicklungsfallen“ umgehen kann. Thematisiert wurden dabei insbesondere - unterschiedliche kommunalpolitische Rahmenbedingungen wie auch besondere Anforderungen im städtischen und ländlichen Raum, - das Spannungsfeld, gleichzeitig Lobbyarbeit für die Interessen der Zielgruppen und für die eigene Arbeit leisten zu müssen, - sinnvolle Rollenverteilungen auf verschiedenen Trägerebenen. Als Handlungsempfehlungen für die Praxis wurden herausgearbeitet: ¾ Isolierung vermeiden – Netzwerke aufbauen, pflegen und nutzen ¾ spezifische Potenziale im ländlichen Raum nutzen (z.B. „kurze Wege“ in Politik und Verwaltung) ¾ verschiedenste Jugendbeteiligungsformen nutzen ¾ konkrete Lebensverhältnisse in den Vordergrund rücken ¾ „gute Chemie“ zu Schlüsselpersonen nutzen ¾ deutlich machen, dass es um „unsere Jugend“ geht ¾ Grenzen akzeptieren, sich nicht verbiegen ¾ echte Formen der Anerkennung für Jugendliche und ihre Interessen einfordern ¾ Geduld und Standing bewahren ¾ selbstbewusst ins Tauschgeschäft gehen: Wir haben etwas anzubieten! LAG MJA/Streetwork-Jahrestagung 2011 Workshop 2: Parallelwelt ”Internet” Zur Faszination und Selbstdarstellung im Web 2.0 und im Computerspiel Referentinnen: Esther Wiechers & Christiane Bollig Moderation: Achim Spannagel Gliederung des Workshops ● ● Social Web – Unterwegs im Social Web – WER nutzt Soziale Netzwerke? (Zielgruppen) – WIE stellen sich Nutzer/Innen dar? (Inszenierung) – Zur Faszination der Präsentation Computerspiele – Zur Nutzung von PC-Spielen – Formen und Gengres von Spielen – Chancen und Risiken – Zur Faszination der Spielewelten Zur Selbstdarstellung in der „Social Media Landscape“ Fahrplan 1. Unterwegs im Social Web – WAS meint Social Media? – WER nutzt Soziale Netzwerke? (Zielgruppen) – WIE stellen sich Nutzer/Innen dar? (Inszenierung) 2. Zur Faszination der Präsentation – Motive und Ursachen – Chancen und Risiken 1. Unterwegs im Social Web Unterwegs im Social Web ... ● Was meint Social Media im Web? Social Media ist ein Schlagwort bzw. ein Überbegriff, unter dem Soziale Netzwerke und Netzgemeinschaften verstanden werden, die als Plattform zum gegenseitigen Austausch von Meinungen, Eindrücken und Erfahrungen (sowie von Informationen) dienen. Unterwegs im Social Web ... ● Darunter versteht man Anwendungen, wie – Foren – Weblogs – Micro Blogs (Twitter) – Soziale Netzwerke (Facebook) – Wikis (Wikipedia) – Auskunftsportale (GuteFrage.net) – Social Bookmark-Portale (Delicious) – Photo-/Video-/Musik-Sharing-Portale (Youtube) Unterwegs im Social Web ... ● Was bietet das Social Web? Passiv nutzen oder aktiv mitgestalten: Unterhaltung (Musik, Film und vieles mehr) Information und Wissen Kommunikation und Interaktion Spiele Unterwegs im Social Web ... ● Wer hat einen Internetzugang? Nahezu alle Jugendlichen (98%) leben in Haushalten, die einen Internetzugang haben 52% haben einen eigenen Internetzugang (2011) ● Wer nutzt das Internet? Die meisten Jugendlichen, die einen Internetzugang haben, nutzen diesen auch täglich/mehrfach die Woche. Bei Jugendlichen (zwischen 12-14 und 19 Jahren) erfolgt die Internet-Nutzung relativ unabhängig von Alter, Geschlecht, Bildungshintergrund, kultureller Prägung und sozialer Herkunft. Sinus-Milieus 2007: 14-19 Jährigen – Medienverhalten Online Die Angaben in % stehen für den Anteil der Internet-Nutzer in dem jeweiligen Milieu. 84,2% 84,8% 69,5% 66,0% 86,5% 82,5% 66,4% Unterwegs im Social Web ... Quelle: JIM-Studie 2010 Angaben in % Basis: Internet-Nutzer (n = 1188) 12- bis 19-Jährige Jugendliche, insbesondere Mädchen und junge Frauen, nutzen das Internet vor allem als Kommunikationsmedium. Unterwegs im Social Web ... ● Wer nutzt Soziale Netzwerke? Die Mehrheit der jungen Menschen nutzt Soziale Netzwerke. 40% der Gesamtbevölkerung und ca. 80% der Gruppe der 14- bis 19- Jährigen hat mindestens ein Profil Geschlecht, Alter, Bildungshintergrund und kulturelle Prägung scheinen auf den ersten Blick keine große Rolle zu spielen. Mit zunehmendem Alter und Bildung differenziert sich jedoch das Spektrum der Onlinenutzung. Unterwegs im Social Web ... ● Wie werden Soziale Netzwerke genutzt? Aktivität (aktiv-produzierend / passiv-rezipierend) Dauer (wie lang?) Häufigkeit (wie oft?) Intensität / Qualität (wie intensiv?) … Bei diesen Fragen scheinen neben dem Geschlecht und dem Alter vor allem bildungsspezifische Unterschiede ein zentrales Kriterium zu sein. So nutzen Jugendliche mit hoher und niedriger formaler Bildung selbst gleiche Angebote auf unterschiedliche Art und Weise. Unterwegs im Social Web ... ● Wie werden Soziale Netzwerke genutzt? Und wie stellen sich Jugendliche in Sozialen Netzwerken dar? Jugendliche eignen sich virtuelle Räume an, in dem sie sich darstellen, präsentieren und inszenieren. Die Darstellung erfolgt in der Regel durch die Erstellung eines Profils. ● Die Erstellung eines Profils ist nicht unabhängig vom Alter, Geschlecht, Bildungshintergrund und sozialer Herkunft. Anmeldung: E-Mail: meinName@hotmail.com Passwort: •••••• Das Nutzerprofil dient der Selbstdarstellung und -inszenierung. Unterwegs Unterwegs im im Social Social Web Web … ... Leben in Verzeichnissen ● Darstellungsformen und -möglichkeiten Die Selbstdarstellung und Präsentation erfolgt durch – Textbasierte Elemente wie Schrift, Wort und Zeichen – Symbolische Elemente wie Bilder, Photos und Videos (Ton und Bewegung) Zur Bildkommunikation in Sozialen Netzwerken Ego-Bilder Beziehungsbilder Medienbilder Szene-Bilder Vgl. Reißmann (2010) Profil-Muster Präsentation durch ein Profilbild Photoalben Darstellung durch Text Mitglied in Gruppen Je nach Portal und Forum bieten sich unterschiedliche Ausdrucks- & Gestaltungsmöglichkeiten. Unterwegs im Social Web ... Die Selbstdarstellung ist ohne die Geschlechterdimension nicht denkbar! Die Präsentation des eigenen Selbst ist geprägt von bildungs- und milieuspezifischen Unterschieden, sowie der jeweiligen Lebenslage der Jugendlichen. Unterwegs in Sozialen Netzwerken Aktivitäten auf Netzwerkplattformen in % (12- bis 24-Jährige) Jungen Mädchen HS RS Gym. Gesamt Anderen Nutzern private Nachricht schreiben 61,1 69,2 66,7 65,3 64,3 65,1 In anderen Profilen stöbern 54,5 58,5 59,7 59,7 53,8 56,5 Auf Pinnwände und Gästebücher schreiben 49,1 58,2 48,2 54,7 54,5 53,5 Suche nach Freunden und Bekannten 43,1 39,1 44,7 46,3 37,1 41,1 Suche nach Informationen 27,4 23,0 27,2 25,7 24,6 25,2 Aktualisierung des eigenen Profils 23,8 21,7 27,2 20,9 22,3 22,8 Eigene Fotos hochladen 12,3 15,7 16,7 16,3 11,8 14,0 [Quelle: U. Hasebrink/ W. Rohde (2011): Heranwachsende im Social Web] 2. Zur Faszination von Selbstdarstellung & Präsentation Zur Faszination der Präsentation ● Motive und Gründe der Selbstdarstellung ● ● ● ● ● ● ● ● ● Leute kennenlernen Freundschaften pflegen Sich ausprobieren und experimentieren Rückmeldung bekommen Entdeckt werden Geliebt werden und beliebt sein Sich abgrenzen von anderen Grenzen austesten Erfahrungen sammeln und im Austausch sein Formen der Selbstdarstellung Teil der Identitätsarbeit?! ● ● ● Manche Autoren beziehen sich auf die hohe Bedeutung des Experimentellen Selbst. Misoch kam in ihrer Studie zu dem Ergebnis, dass die Mehrheit der Jugendlichen „ihre Identitätsdarstellung im Chat an ihrer Präsentation im realweltlichen Kontext orientiert“ (2009, S. 130). Auch Hasebrink (2011) spricht von einem hohen Anteil an authentischen Selbstdarstellungen (65% der 12- bis 24-Jährigen). Burkart spricht hingegen bereits von einer Verlagerung von authentischer Selbstdarstellung hinzu einer visuell geprägten Inszenierung des Selbst (vgl. 2009). Zur Faszination der Präsentation Es gibt einige Anhaltspunkte im Hinblick auf die Frage, was Jugendliche an diesen sozialen Netzwerken fasziniert. „Die Möglichkeit der (authentischen) Selbstdarstellung, des Beziehungsaufbaus bzw. der Beziehungspflege korrespondiert mit grundlegenden Entwicklungsaufgaben, mit denen sich Heranwachsende insbesondere im Rahmen ihrer Identitätsentwicklung auseinander setzen.“ (Hasebrink/Lampert 2011, S. 9) Wer bin ich und in welcher Beziehung stehe ich zu meinen Freunden und Bekannten? Chancen und Risiken der Selbstdarstellung ● ● ● ● ● ● Neue Ausdrucks-, Gestaltungs- und Kommunikationsformen Stärkung kommunikativer Fähigkeiten Erweiterung des Handlungsu. Interaktionsraums Soziale Netzwerke auf- und ausbauen Neue Möglichkeit der Identitätsarbeit und -bildung Formen der Beteiligung und Mitbestimmung ● Datenklau, -missbrauch ● Abzocke und Betrug ● ● ● ● ● Verlust der eigenen Identität (Internetsucht) Cybermobbing Sexuelle Anmache und Belästigungen Pornographie Gewalt (Happy Slapping, Verbreitung rassistischer oder extremistischer Inhalte) Schlussbemerkung: Das Internet ist Teil der Lebenswelt junger Menschen! In virtuellen Räumen findet Kommunikation, Interaktion und soziales Handeln statt. Die virtuell gemachten und erlebten Erfahrungen und Erlebnisse sind unmittelbar an die 'reale' Lebenswelt gekoppelt und nehmen Einfluss auf die Identitätsbildung junger Menschen. Jugendliche brauchen Ansprechpartner und benötigen Unterstützung und Orientierungshilfe, um sie in die Lage zu versetzen, die Chancen, die ihnen das Internet und das Social Web bieten, zu nutzen und die Risiken möglichst gering zu halten. Logout! Vielen Dank für Eure Aufmerksamkeit! Tagungsdokumentation Jahrestagung LAG Mobile Jugendarbeit / Streetwork vom 21. bis 23. März 2011 im Tagungszentrum HerrenbergGülstein Workshop 3 Jugendbanden und Gangs – Attraktivität für junge Menschen Kriminologieteil Einführung: - Vorstellung Vita - Hinweis auf den Begriff des „Policing“, Polizierens und alles, was darunter fällt. o „quasi-polizeiliche“ Aufgabe des Streetwork o Gefahr des „Missbrauchs“ in Zeiten „knapper Kassen“ o Gemeinsames und Trennendes von Sozialarbeit und Polizei - Brückenschlag zu Vortrag Hradil bezüglich Gruppenattraktivitäten o „Gemeinschaften werden in familiären, lokalen und regionalen Milieus gesucht…“ o „Wandel des Wertewandels“ – Ich-Verwirklichung mit Gleichgesinnten o Ökologische Konsequenzen für die Jugendarbeit (Klare Bezüge zu Vortrag Pietsch): Unterschiedliche Stadtquartiere zunehmend Schichten und Milieus rücken auseinander Mischungsstrategien werden schwieriger Migrantenmilieus häufiger und unterschiedlicher Kenntnis der Kulturen notwendig! - Brückenschlag zu Vortrag Pietsch durch Aufzählung Auffälligkeiten im Vortrag o Identitätsstiftend o Viele loste Gruppierungen o Wenige Jugendliche – Mehrzahl von Straftaten (kriminologisch gesicherte Erkenntnis) o Mögliche Chapter-Orientierung o Web 2.0 / Mobilisierung / Moderne Kommunikationsmittel o Erkenntnisse zu Gruppenexklusion (Shariff, Muzaffer) Erfragung Attraktivitätsgründe von (deviante) Gruppen für junge Menschen siehe von Tagungsleitung gefertigtes Foto eines gemeinsam erstellten Mindmap Darstellung und Diskussion möglich passender Kriminalitätstheorien: - Konflikt-Theorien: o Unterschiedliche Werte/Bräuche o Unterschiedliche Zugänge zu Macht o Unterscheidungsgedanke - Anomie-Theorie (Bezug zu Darstellung Pietsch über anomische Zustände bei Unruhen in Frankreich) o Durkheim Gesetze fehlen Notwendigkeit sozialen Zusammenhalts o Merton Gesteckte Ziele nicht anders erreichbar Unerfreuliche Lebenssituation - - - - - - Subkulturtheorie (Cohen) o Taft Kultur-Konflikt-Theorie Ungleichheit sozialer Systeme o Miller Autonome Unterschicht-Kultur-Theorie o Becker Theorie der rationalen Wahl (strittig!) „Labeling“ o Tannenbaum o Becker o Sack Drucktheorie o Soziale Ungleichheit o Befriedigung Bedürfnisse o Gewinnung von Status Lerntheorien Theorie der differentiellen Assoziation (Sutherland) o Einstellung, Interaktion und Kommunikation o „Verbrechen will gelernt sein“ Normen Werte Rechtfertigungen Ökologische Theorien o Shaw / McKay o Chicago-Schule o Geografische Erkenntnisse Der Täter in seinen sozialen Bezügen (Göppinger) Mehrfaktoren-Theorie Rüdiger Schilling M.A. (Kriminologe, Polizeiwissenschaftler) Hirsauer Str. 255 75180 Pforzheim Tel. 07231 313133 oder 0176 21901039 Fax 03222 1156752 ruediger.schilling@arcor.de schilling@behaupte-dich.de www.behaupte-dich.de Jugendkriminalität 2010/2011 Willi Pietsch Polizeipräsidium Stuttgart Stadtteilgruppen in Stuttgart Aktueller Stand und Entwicklung Klassifizierung der Stadtteilgruppen | | | | | lose Zusammensetzung / Tendenz zur festen Struktur / feste Anzahl der Mitglieder und Struktur Kulturelle Zusammensetzung Äußere Erscheinung Altersstruktur Bisherige Gruppenstraftaten Übersicht Stuttgart 11 bekannte Stadtteilgruppen z z überwiegend multikulturell ca. 260 bekannte Mitglieder Bereich Innenstadt 1. ‚South Central‘ - Bohnenviertel | lose bis feste Gruppenstruktur | ca. 15 Mitglieder | multikulturell | Kleidung mit Aufschrift „South Central“ | Alter: 16 bis 20 Jahre | | | | Mitglieder zum Teil erheblich, zum Teil aber gar nicht polizeilich wegen Straftaten in Erscheinung getreten 1/2009 Verdacht der Beteiligung an körperlicher Auseinandersetzung 1/(2009 Farbschmierereien ‚South Central‘ im Wohnquartier 11/2009 Verdacht auf Eigentumsdelikte (Einbruchsdiebstähle) Bereich Stuttgart-West 2. Gruppe S-West (namenlos) | lose Gruppe mit spontanen Kontaktmöglichkeiten | ca. 10 Mitglieder | multikulturell, hauptsächlich türkisch | Alter: 16 bis 24 Jahre | | formiert sich anlassbezogen, um Konfrontationen mit anderen Gruppen zu begegnen 11/2009 aktuell nicht präsent, mangels Gegenpart Bereich Filder – Lauchhau 3. ‚Kanaqs 79‘ - früher: ‘LGC – Lauchau Ghetto Center‘ | feste Gruppenstrukturen | ca. 20 Mitglieder | multikulturell | Alter: 14 bis 20 Jahre | | | | Seit 2007 aktiv – im Jahr 2010 eine Vielzahl von Straftaten rivalisierendes Verhältnis zu „Fasi 70565“ Gruppe besteht, tritt nach außen nicht allzu oft geschlossen in Erscheinung Engagiert sich musikalisch (LaucHHauRAP) Bereich Filder - Fasanenhof 4. ‚Fasi 70565‘ | lose bis feste Gruppenstruktur | ca. 50 Mitglieder | multikulturell | | | | | T-Shirts mit Aufdruck des Gruppennamens Definition über PLZ (neuerdings übergreifend Richtung S-Plieningen) Alter: 14 bis 26 Jahre einzelne Mitglieder oder Teile der Gruppe treten überwiegend wegen Eigentumsdelikten im Wohnbereich in Erscheinung Auseinandersetzung in Gesamtstärke am Schelmenwasen mit Kurden aus SBad Cannstatt (Aki 47) Bereich Stuttgart-Ost 5. ‚Rio Boys‘ - Raitelsberg | lose Gruppe | ca. 15 Mitglieder | multikulturell | | | vereinzelt T-Shirts mit Aufdruck des Gruppennamens Alter: 16 bis 18 Jahre Relativ neue Gruppe, auffällig wegen leichterer Delinquenz, aber auch wegen gef. Körperverletzung Bereich Stuttgart-Ost 6. ‚Rio Crime‘ - Raitelsberg | lose Gruppe | ca. 15 Mitglieder | multikulturell | | | | | Oberbekleidung mit Aufschrift „RIO CRIME Raitelsberg 70190“ (für Postleitzahl S-Raitelsberg) Alter: 14 bis 15 Jahre die Gruppierung entstand Anfang 2010 und hat lose Kontakte zur Gruppe „Rio Boys“ aus Raitelsberg 02/2010 Gruppierung trat erstmals polizeilich in Erscheinung, wegen sexueller Nötigung, Körperverletzung, Widerstand aktuell Brandstiftungsserie – 19 Taten, 14 TV im Alter von 14 – 16 (3W/11M) Bereich Stuttgart-Ost 7. ‚Central East‘ | lose Gruppe | ca. 25 Mitglieder | multikulturell, hauptsächlich türkisch | Alter: 14 bis 16 Jahre | erst seit 2009 aktenkundig | auffällig durch Konfrontationen mit anderen Stadtteilgruppen Bereich StuttgartUntertürkheim 8. Gruppe am Carl-Benz-Platz (namenlos) | lose Gruppe | ca. 30 Mitglieder | multikulturell | Alter: 15 bis 25 Jahre | | Gegenpol zu einer Szene älterer Fußballanhänger am Carl-Benz-Platz 11/2009 aktuell nicht präsent Bereich StuttgartHedelfingen 9. Gruppe (namenlos) Treffpunkt: Stadtbahnendhaltestelle Hedelfingen | lose Gruppe | ca. 15 Mitglieder | multikulturell | Alter: 13 bis 17 Jahre | relativ neue Gruppierung mit rivalisierendem Verhältnis zu „Central East“ Bereich Stuttgart-Bad Cannstatt 10. ‚KHG‘- Kanackenhofgang | lose Gruppe | 6 Mitglieder | multikulturell | Alter: 13 bis 18 Jahre | | | Gruppe definiert sich durch das Wohngebiet Kienbach Farbschmierereien im Wohnbereich 01/2010 massive tätliche Auseinandersetzung mit Gruppierung Untertürkheim im Wohngebiet Kienbach Bereich Stuttgart-Bad Cannstatt 11. ‚Black Jackets‘ Chapter „South Central“ – Stuttgart – früher ‚GSG‘ (Gefährliche StraßenGang) | ca. 30-40 Personen | multikulturell | | | | | rockerähnliches Erscheinungsbild durch schwarze Lederwesten mit 3teiligem „Coulor“ sonstige Kleidung mit Aufdruck „Black Jackets“ oder „210“ (2te u. 10te Buchstabe des Alphabets) feste, hierarchisch strukturierte Gruppe Teil/Chapter der landesweit bestehenden Black Jackets Alter: 17 bis 27 Jahre Bereich Stuttgart-Bad Cannstatt 11. ‚Black Jackets‘ - Fortsetzung | | | | | | Straftaten im Bereich der Gewaltund Eigentumskriminalität, hohes Gewalt- und Organisationspotential 24 Mitglieder z. Z. u.a. wegen versuchtem Tötungsdelikt in U-Haft keine Verflechtungen bei den Stuttgarter ‚BJ‘ zum Türsteher/Rotlichtmilieu Das Verfahren gegen 21 Mitglieder der BJ wegen vers. Mordes wird beim LG Stuttgart geführt 07/2010 schwerer Landfriedensbruch in Leonberg, Haftbefehle gegen Präsiden und Kassier vollstreckt Aktuelle landesweite Auseinandersetzungen mit den United Tribunes Bewertung | | wenig Zuwachs an polizeilich relevanten Gruppen wenige Jugendliche begehen die Mehrzahl der Straftaten, in den Gruppen gibt es z.T. Intensivtäter | sie gelten als Vorbild und können einzelne Gruppen aus ihrem ubiquitären Verhalten herauszuführen, Umfeld ist wichtige Einflussgröße | Momentan leichter feststellbarer Zuwachs an Straftaten, die aus den Gruppen heraus begangen werden aber … | hohe Präsenz des Phänomens durch Medienverbreitung (Presse, Web2.0, etc) | wachsende Mobilisierbarkeit innerhalb der Gruppen durch moderne Kommunikationsformen deutlich gestiegenes Aggressionspotential im Falle ‚BJ‘, das sich in Schwere der Tat und Wahl der Waffen ausdrückt | | | falsche Werteauslegung, z.B. Ehrbegriff schwindender Respekt vor staatlicher Autorität Strategie und Zielrichtung | Zeitnaher, intensiver Informationsaustausch zwischen Polizei und Kommune (Infomanagement und Netzwerkarbeit) ganz entscheidend: dezentraler Kontakt zu Jugendgruppen über Jugendsachbearbeiter (dort sind „Pappenheimer“ bekannt) | Schwerpunkt bei der außerpolizeilichen Jugendund Sozialarbeit Bei Sicherheitsstörungen und strafrechtlicher Relevanz erfolgt schnelle und konsequente Reaktion der Polizei – Zielrichtung z.B. Intensivtäter Wie ist die grundsätzliche Entwicklung in diesem Bereich | | | | | immer mehr Gewaltdelikte rücken in das Hellfeld Rahmenbedingungen für Jugend eher ungünstig: mangelnde öffentliche Gelder, Zunahme individueller Armut, Integrationsund Bildungsdefizite, Gruppe als Ersatzfamilie Vielzahl an Gruppen erhöht Tatrisiko: Instrumentalisierung Stadtteilgruppen durch kriminelle Rockergruppen, Auseinandersetzungen zwischen einzelnen Stadtteilgruppen, Abdriften in kriminelle Handlungen und Gewalt Die Stadtteilentwickler haben in Stuttgart maßgeblichen Einfluss auf kriminogene Räume (neg. Beispiel Urban Violence) – Hierbei ist eine Beteiligung der Polizei in den Gremien erforderlich. Fazit: Situation aufmerksam beobachten, NetzwerkPrävention umsetzen, hinsichtlich Entwicklung strafrechtlicher Relevanz/Gewalt eher kritische Lageeinschätzung Wir sind nicht vorbereitet | Jugendkrawalle in Frankreich BEAMTER IN NOT ! URBAN VIOLENCE Aus einer Rede des Monsieur Jean Maillard, Vizepräsident des Gerichts in Orleans, Dozent für politische Wissenschaften an der Universität Paris: … eine Schule, eine Bücherei, ein Polizeirevier oder andere Gebäude anzuzünden ist fast zur Gewohnheit geworden. Trotzdem hat die zweite Nacht in Villiers le Bel eine neue Eskalation von Gewalt gebracht, die die Medien oder die Regierungen nicht gerne publizieren werden, die aber noch einen Schritt weitergeht, bis hin zur Anwendung von Schusswaffen. Anscheinend werden von Aufruhr zu Aufruhr die Taktiken brutaler, die Strategien werden zusehends professioneller und die Polizei wird sich zukünftig einer Art von Stadtguerilla-Experten gegenübersehen, die rücksichtslos von der Schusswaffe Gebrauch machen. Im Oktober 2001 wurden vier Polizeibeamte beim selben Vorfall erschossen Als Konsequenz wurde eine individuelle Schutzrüstung für jeden Beamten bestellt. Im November 2005 starben zwei Teenager in einer elektrischen Generatorzelle. Gerüchte kamen auf die besagten, dass sie umkamen, als sie vor der Polizei fliehen wollten. Dies hatte Ausschreitungen sowohl in ihrer Heimatstadt als auch in den Pariser Vororten zur Folge. Am Schluss war das ganze Land aufgewiegelt und es folgten zwei Wochen mit Ausschreitungen und Brandstiftungen. Vom 27.10. bis zum 17.11.2005 Bei den Ausschreitungen wurden 6065 Personen festgenommen, 4778 am Tatort, 1328 nach den Kämpfen, 5643 wurden in Gewahrsam genommen und 1328 kamen in Haft. Die Versicherungen schätzen den Schaden dieser Gewaltausbrüche auf 250 Millionen Euro. 300 Gebäude, 28000 Fahrzeuge wurden angezündet 11700 Beamte der Polizei und Gendarmerie waren im Einsatz, es wurden 126 Beamte verletzt, 224 der Aufrührer wurden verwundet oder starben. Das Notstandsgesetz (nächtliche Ausgangssperre) vom 03.04.1955 wurde am 08.11.2005 in Kraft gesetzt, um die Kräfte der Polizei zu unterstützen. Um die Sicherheit der Polizeibeamten zu verbessern wurde beschlossen, den Bestand an nichttödlichen Waffen aufzustocken. Im November 2007 kam es zu einem Verkehrsunfall zwischen einem Streifenfahrzeug der Polizei und zwei Teenagern, die illegal ein Minibike fuhren. Dabei kamen die beiden Jugendlichen ums Leben. Die Polizeibeamten wurden von den Verwandten angegriffen und mussten vom Unfallort fliehen. Nach kurzer Zeit begaben sich organisierte Aufrührer zu Sammelplätzen, bewaffneten sich und legten Feuer an öffentlichen Orten. Personen der öffentlichen Ordnung wurden angegriffen (Feuerwehrleute, Sanitäter, Polizisten). Abgesehen von normalen Plünderungen wurde den Polizeikräften schnell klar, dass die Gegner auf Konfrontation aus waren. Verstärkung, einschließlich Hubschraubern, musste angefordert werden, um die Stadt wieder unter Kontrolle zu bringen. Nach zwei Nächten des Kampfes brauchten die Einheiten für die Kontrolle ziviler Ordnung Unterstützung durch Spezialeinheiten. Über 1000 Leute wurden entsandt, um die Lage in der Stadt Villiers le Bel mit ihren 27300 Einwohnern wieder zu stabilisieren. Von Beobachtern und durch Interviews kam man zu dem Schluss, dass der Wille, Polizisten zu töten, vorhanden war. Zusätzlich zu „normalen“ Angriffen durch Wurfgeschosse, Stöcke oder Stangen und dem werfen von Molotow-Cocktails, zeigten die Angreifer organisierte Methoden, einschließlich eines gut ausgewählten Arsenals: 1) Die Brandmittel wurden gegen Menschen benutzt und um Gebäude oder Autos anzuzünden (mit Insassen) Gasflaschen wurde vorher platziert, um Flaschen nachfüllen zu können. Benzin wurde ausgeschüttet, damit Tränengasgranaten nicht entzündet werden konnten (welche die Dämpfe sonst entzündet hätten) 2) Stumpfe Werkzeuge und Waffen wurden benutzt, aber auch scharfe Waffen (z.B. Japanische Samurai „Katana“-Schwerter, Metzgerbeile, Küchenmesser, angespitzte Schraubenzieher und Feilen). 3) Sehr wichtig war die Tatsache, dass die Aufrührer eine Menge Feuerwaffen auf Polizisten abgeschossen haben (z. B. Gewehre, Schrotflinten, Sportgewehre) Die Angreifer benutzten sogar Selbstlaborate und selbstgemachte Granatwerfer (Feuerwerkskörper, landwirtschaftliche Hagelbomben), um damit gegen Personen größere Explosionen herbeiführen zu können und Splitter zu erzeugen. Gasbehälter für den Haushaltsbedarf und Feuerlöscher waren mit Nägeln gefüllt und mit improvisierten SprengVorrichtungen ausgestattet. Beobachter waren schockiert, wie die „Jugendlichen“ sich vorbereitet hatten. Sie hatten sich mit Helmen und verschiedenen Schutzartikeln aus dem Sport geschützt (Hockeyschutzwesten, Fußball-Beinschoner, Kickbock-Weichteilschützer…) Um gegen die erweiterte Reichweite der neuen Polizei-LTL-Waffen anzugehen, feuerten die Straftäter aus Luftgewehren und benutzten selbstgemachte Schilder (Mülleimerdeckel…) Sie zeigten Vorgehensweisen, die an mittelalterliche Taktiken erinnern. Sie waren auch in der Lage, sogenannte moderne asymmetrische Stadtkämpfertechniken anzuwenden: Zum Beispiel: zuschlagen und wegrennen, Heckenschützen, Feuerbefehle, die Benutzung von Verstecken in einer gut bekannten Umgebung, die Benutzung von Handys und Internet-Netzwerken, vorausgeplante logistische Vorratslager Um damit Chaos zu erzeugen, um der Polizei größtmöglichen Stress zuzufügen, um Einheiten zu desorganisieren und um die Kommando- und Kommunikationsketten zu unterbrechen. In drei Nächten des Kampfes: 112 zivile Angestellte wurden verletzt 89 Polizeibeamte wurden verwundet, davon 55 durch Feuerwaffen KVJS-Jahrestagung 2011 Programm „Integration durch Sport“ Kai Nörrlinger Landessportverband Baden-Württemberg e.V. Programm „Integration durch Sport“ • Bundesweites DOSB-Programm • Besteht seit 1989 • Umsetzung in den Landessportbünden/ Landessportverbänden – in Baden-Württemberg durch den LSV • Förderung über BMI und BAMF Ziele Integration in den Sport • Heranführen an den Sport • Einbindung in den organisierten Sport Integration durch Sport • Integrationsprozesse durch entsprechende Arrangements anstoßen • Soziale Integration Herangehensweisen und Handlungskonzepte Netzwerke Teilhabe Qualifizierung Fremde Sportarten Sport + X Netzwerke Kommunale Netzwerkprojekte Ansetzend an Sportvereinen Lösungsorientierte, an lokale Bedarfslage angepasste Gesamtkonzepte Bündelung vorhandener Ressourcen und Kompetenzen Begegnungsplattformen schaffen Teilhabe Heranführung an Vereine über offene, niederschwellige Angebote Brückenpersonen aus dem eigenen Kulturkreis Migranten und Migrantinnen als aktive Mitgestalter Besetzung von Positionen auf allen Ebenen Qualifizierung „Sport interkulturell“ an Praxis ansetzen Interkulturelle Sensibilisierung Interkulturelles Lernen im Training „Starthelfer“ Informationen über Strukturen, Fördermittel etc. Projektmanagement, Kommunikation etc. Integration von fremden Sportarten Bewahrung der kulturellen Identität Interkulturelle Öffnung der Vereine Gleichberechtigte kulturelle Annäherung von beiden Seiten Sport + X Ankopplung von Lern- und Bildungsprojekten an den Trainingsbetrieb Soziale Aspekte, die über das gemeinsame Training hinausgehen. Unterstützungsleistungen, wie z.B. Hilfe beim Ausfüllen von Formularen oder bei der Suche nach einem Ausbildungs- bzw. Arbeitsplatz Lösung „Integrationsbeauftragter“ Integrationsbeauftragte in den Vereinen Vertretung des Themas nach Innen und nach Außen Voranbringen der entsprechenden Maßnahmen im Verein Bewusstseinsarbeit auf allen Ebenen Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit JUMP – Junge Menschen mit Power Projektvorstellung zur Jahrestagung Mobile Jugendarbeit / Streetwork Workshop: Niedrigschwellige Sportangebote JUMP – TVR im Überblick • Mehrspartenverein mit 14 Abteilungen • 4.300 Mitglieder in allen Altersklassen • Breitensport, Gesundheitssport, Wettkampfsport • Volleyball Bundesliga: EnBW TV Rottenburg • TVR: 150 Jahre in Bewegung JUMP – Ausgangspunkt • Stützpunktverein „Integration durch Sport“ • Trendsportangebote beim Sportpark 18-61 • Zielgruppe?! 120 Nationen in Rottenburg • Zielgruppe?! Junge Menschen in schwierigen Lebenslagen • Nachholbedarf und Öffnungsbedarf ZIELE • Schaffung von neuen kind- und jugendgerechten Sportstätten • Niederschwellige und offene Sportangebote • Einrichtung eines sportbezogenen Treffpunktes und Begegnungsraumes für die Heranwachsenden • Öffnung des Vereins (inhaltlich & strukturell) • Engagementförderung und Qualifizierung SPORTSTÄTTEN • • • • • • • • • Gelände für Bike-Trial und Parkour Slackline-Park Zoccer-Plätze Beachvolleyball Beachhandball und –soccer Dirtbike-Strecke Funpark für Skateboard und BMX Kleinspielfeld für Streetball und Fußball und der JUMP-Treff als sportbezogener Begegnungsraum SPORTSTÄTTEN SPORTSTÄTTEN SPORTSTÄTTEN SPORTSTÄTTEN Spezielle Elemente von JUMP • Entwicklung von Spielideen, Regeln, Equipment gemeinsam mit den Jugendlichen - in Kooperation mit Betrieben vor Ort • Bewährte und neue Formen der Qualifizierung: Jugendleiter, Übungsleiter, Zoccer-Presenter, Event-Team • „JUMP will Wissen“ als Info- und Beratungsnetzwerk • Website „www.jump-jetst.de“ KOOPERATION & NETZWERK • • • • • • • Stadt Rottenburg (Abt. Jugend) Polizei (Jugendsachbearbeiter) Hauptschulen/Werkrealschulen Realschule Kreuzerfeld MOKKA e.V. TVR Volleyball GmbH Kommunalverband für Jugend & Soziales • • • • • • • Integrationsforum Förderschule Weggentalschule Jugendhaus Klause Handels- und Gewerbeverein Berufliche Schule Rottenburg Fußballclub Rottenburg Koordinationsstelle für Bürgerschaftliches Engagement Zukunft & Ausblick • Begleitung der Kinder und Jugendlichen über Projektstelle • Brückenschlag in den Verein / in die Abteilungen • Gründung einer eigenständigen Abteilung „JUMP“ • Jugendliche übernehmen Verantwortung im Verein • Entwicklung Trendsportflächen Erfahrungen • Neuland & neue Netzwerke • Konzeptioneller und personeller Aufwand • Sport = Fußball = FC Bayern & Co. • Sport = Männersache = Männerwelt • Konsumverhalten statt Engagement JUMP – in Aktion Workshop 5 Kompetent in Parallelwelten: „Schattenwirtschaft“ als kreative Quelle für berufliche Perspektiven Impulsreferate, Moderation und Dokumentation: Uwe Buchholz, Mobile Jugendarbeit der Stadt Karlsruhe Volker Kugel, Mobile Jugendarbeit des Stadtjugendrings Weinheim Matthias Reuting, Diakonisches Werk Württemberg Zusammenfassung Die Zielgruppen Mobiler Jugendarbeit bevorzugen häufig den Aufenthalt auf der Straße, sie sind in Jugendszenen aktiv, sie beherrschen den Umgang mit neuesten Technologien und sind die Fachleute ihrer Generation schlechthin. Dies sind Quellen von Fähigkeiten junger Menschen, die häufig parallel zum klassischen, von der Gesellschaft genormten beruflichen Werdegang, im Schatten existieren. In diesem Workshop wurden diese Schatten beleuchtet. AdressatInnen Mobiler Jugendarbeit müssen häufig damit umgehen, dass sie keinen dauerhaften Zugang zum Arbeitsmarkt erhalten. Einigen gelingt es, durch Aktivitäten im Bereich der „Schattenwirtschaft“ dennoch, Quellen für Gelderwerb und Selbstwirksamkeit zu finden. Mobile Jugendarbeit ist mit der Herausforderung konfrontiert, wie sie Formen solch „alternativer Beschäftigung“ fördern und dazu beitragen kann, dass sie dauerhaft und legal gelingen. Der Workshop verfolgte folgende Ziele: Es werden Potenziale des „Lebensorts Straße“ sowie von Jugendszenen und Cliquen für Lernen und Kompetenzentwicklung entdeckt. Es werden Möglichkeiten aufgezeigt, wie AdressatInnen Mobiler Jugendarbeit ihre Kompetenzen auch ohne Zugang zum Arbeitsmarkt produktiv nutzen können. Es werden Ideen entwickelt, wie Mobile Jugendarbeit diese Prozesse fördern kann. Aufbauend auf Impulsreferate zu Konzepten von Empowerment und lokaler Ökonomie wurden im Workshop Praxiserfahrungen ausgetauscht und neue Ideen entwickelt, wie Mobile Jugendarbeit produktive Aktivitäten junger Menschen „im Schatten der Wirtschaft“ unterstützen kann. Impuls 1: Empowerment „Ressourcencheck“ Über welche (versteckten) Fähigkeiten, Kenntnisse und Talente verfügen unsere AdressatInnen? Regeln: - Es geht ausschließlich um positive Dinge! - Äußerungen werden nicht relativiert! - Es wird nicht „klein-kommentiert“! - Je mehr Stärken, desto besser! - An Äußerungen anderer anknüpfen und weiterspinnen erlaubt! (vgl. Früchtel, Frank / Budde, Wolfgang / Cyprian, Gudrun (2007): Sozialer Raum und Soziale Arbeit. Fieldbook: Methoden und Techniken. Wiesbaden (VS Verlag), S. 65) 1. Schrift: Fokus „Ausschnitte des Alltags“ (vgl. ebd., S. 69) Welche Fähigkeiten, Kenntnisse und Talente nehmen wir bei unseren AdressatInnen wahr in den Bereichen: Sprachen Umgang mit Menschen Haushalt Tiere/Planzen Zwei- und Vierräder, Mobilität Handwerk Neue Medien Verein und Freizeit Sport Musik Essen/Trinken Mode/Outfit 2. Schritt: Fokus “Herz – Hirn – Hand” (vgl. ebd., S. 69) Welche weiteren Fähigkeiten, Kenntnisse und Talente unserer AdressatInnen werden uns deutlich, wenn wir an die Dimensionen der Persönlichkeit „Herz“, „Hirn“ und „Hand“ denken? 3. Schritt: Reframing Darüber hinaus: Welche weiteren Fähigkeiten, Kenntnisse und Talente unserer AdressatInnen werden uns bewusst, wenn wir die Methode des „Reframing“ anwenden: Wir führen uns ungünstige/riskante Verhaltensweisen von ihnen vor Augen und bilden Hypothesen darüber, mit welchen Stärken diese verbunden sein könnten. Bei der Sammlung im Plenum entsteht anhand dieser drei Schritte eine lange Liste von Fähigkeiten, Kenntnisse und Talenten von AdressatInnen Mobiler Jugendarbeit (s.u.). 4. Schritt: Konkretisierung An welchen Beispielen werden die Stärken sichtbar/nachvollziehbar? Ergebnisse der Sammlung im Plenum Fähigkeiten, Kenntnisse, Talente der AdressatInnen Mobiler Jugendarbeit Schauspielerisches Talent Mehrsprachigkeit Musikalität Sportlichkeit Verantwortungsbewusstsein Organisiert Empathisch Taktisch geschickt Beharrlich Risikobereit Solidarität Rechtskunde Liebevoll Handwerklich/technisch geschickt Aufmerksam Dankbar Familiär Beispiele, an denen die Stärken sichtbar/nachvollziehbar werden Puppentheater, Auftreten bei Behörden/gegenüber Freundin Dolmetschen, mehrere Muttersprachen Tanzen, Rhythmus Selbst organisierte Fußballmatches Hunde, Ehrenamt Treffpunkte Rücksicht Illegale Geschäfte Kein Geld annehmen Autofahren Bei Todesfällen Nicht verpfeifen Loyalität Umgang Polizei Lovesong/Rap Dinge selbst reparieren Nähen Spontan zupacken Die letzte Zigarette teilen Spülmaschine im Büro ausräumen „Danke!“ sagen Auf Kinder aufpassen Weitere Fähigkeiten, Kenntnisse, Talente der AdressatInnen Mobiler Jugendarbeit (ohne Beispiele) Durchsetzungsfähigkeit Multimediabegabt Kreativität Stilsicher Kommunikationsfähigkeit Neugierig Hilfsbereitschaft Multitaskingfähig Durchhaltevermögen Höflich Menschenkenntnis Zielstrebig Offenheit Konfliktfähig Interessiert Fähig zu Psychohygiene Jung Loyal Witzig Autodidaktisch lernen Authentisch Charmant Spontan Direkt Flexibel Deutlich Geschäftstüchtig Beziehungsfähig Physisch und psychisch belastbar Comey-Talent Verhandlungsgeschick Vertraulich Experimentierfreude Experimentierfreude Expert/in im Gemeinwesen Mutig Zukunftswünsche haben An Grenzen gehen Klarer Wille Individualität Kritisch / kritikfähig Motivation Sozial verträglich Leidenschaft Netzwerke 5. Schritt: Ressourcen zur Geltung bringen Wir sammeln Ideen, wie unsere AdressatInnen diese Ressourcen (auch ohne Zugang zum Arbeitsmarkt) als Quelle für Gelderwerb und Selbstwirksamkeit nutzen können: Ergebnisse eines ersten Brainstormings im Plenum: ¾ Babysitting ¾ Stunt(wo)man ¾ Hunde-/Tiersitting-Dienst ¾ Autowerkstatt ¾ Import/Export ¾ Puppentheater ¾ Lokales facebook betreiben ¾ Homepagegestaltung ¾ Multiplikator/in oder Mentor/in (z.B. an Schulen) für die Themen ¾ „Umgang mit Polizei“ ¾ Tanz ¾ Graffiti ¾ Eventmanagement ¾ Einkaufsservice ¾ Flyer-Design Impuls 2: „Lokale Ökonomie“ Der Ansatz „Lokale Ökonomie“ Uwe Buchholz Grundlagen: Knabe, Judith (2003): Lokale Ökonomie. Online veröffentlicht unter http://www.stadtteilarbeit.de/theorie/86-lokaleoekonomie.html Technische Universität Berlin, Interdisziplinäres Forschungsprojekt „Lokale Ökonomie“ (Hg.) (1990/1993): Lokale Ökonomie. Band 1 und 3. Lokale Ökonomie z z z z z z Verbindung von sozialem und ökonomischem Handeln Neue Formen des Wirtschaftens Lokale Strategien der Selbsthilfe Nutzung vorhandener Ressourcen Vernetzung Partizipation der Bevölkerung Ziele lokaler Ökonomie z z z z Investition in die Fähigkeiten der Bevölkerung Finanzierung von lokaler nützlicher Arbeit Wiederbelebung lokaler Wirtschaftskreisläufe Mobilisierung der lokalen Ressourcen Schattenökonomie „Produktion von Gütern und Dienstleistungen, die von der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung nicht erfasst werden“ z Solidarische Ökonomie z Kriminelle Ökonomie z Individuelle Ökonomie Solidarische Ökonomie z z z z Gemeinwesenunternehmen Neue Formen der Existenzsicherung fernab von klassischer Erwerbsarbeit Ausgegrenzte Menschen übernehmen vernachlässigte Arbeit Subkulturelle Netze z.B. Nachbarschaftshilfe, Tauschbörse, „Blaue Arbeit“, Vereine Kriminelle Ökonomie z z z z z Schwarzarbeit Drogenökonomie Schmuggel und Hehlerei Steuerhinterziehung Prostitution Individuelle Ökonomie z z z z Hausarbeit Heimwerkerarbeit Selbstversorgung Familienbetrieb Ethnische Ökonomie „Onkel Ali“ statt „Tante Emma“ Motive: Arbeitslosigkeit, sozialer Aufstieg Selbstverwirklichung, Unabhängigkeit Funktion: Nahversorgung der Stadtbevölkerung Szenenökonomie z z z z z Aktive Netzwerke Spezifische Szenekenntnisse Produktion und Vertrieb von Accessoires Szene-Veranstaltungen Hobby zum Beruf machen Zum Weiterlesen… Umfassende Informationen zum Ansatz „Lokale Ökonomie“ unter http://www.stadtteilarbeit.de/home-loe.html Im Workshop berichten Kolleginnen und Kollegen Beispiele, in denen begleitete Jugendliche und junge Erwachsene alternative Ökonomien für sich nutzen konnten: Prozesse fördern – Möglichkeiten Mobiler Jugendarbeit Wie kann Mobile Jugendarbeit Prozesse fördern, in denen Jugendliche und junge Erwachsene, die sich als perspektivlos erleben und vorübergehend oder dauerhaft keinen Zugang zum Arbeitsmarkt erhalten ihre Stärken und alternative Ökonomien produktiv als Quelle für Gelderwerb und Selbstwirksamkeit nutzen können? Im Worldcafé wurden Ideen entwickelt… Möglichkeiten im Rahmen von Einzelhilfe: Möglichkeiten im Rahmen von Gruppenarbeit Möglichkeiten im Rahmen von Gemeinwesenarbeit Möglichkeiten, die uns eher visionär vorkommen… Workshop 6: Frank Dölker: Migration – Integration – Interkulturelle Kommunikation Stadien Interkultureller Lernprozess Wir projizieren unser eigenes Bezugssystem unbewusst auf andere. Wir sind im Stande, den relativen Charakter des Werte- und Bezugssystems der anderen zu erkennen, nicht aber den unseres eigenen. Wir besitzen die Fähigkeit die Relativität unser eigenes Werte- und Bezugssystem zu erkennen – und danach zu handeln. Quelle: C.E. Osgood (1962); Alternative to war or surrender, Urbana Wir müssen davon ausgehen, dass unser unbewusst bleiben des Werte - und Bezugssystem sehr stabil ist und jeder In-Frage-Stellung Widerstand entgegengesetzt. Daher bedarf es Trainings und der Teilziele: (nach Hans Niklas, 1998): • Offenheit für andere, das Fremde, das ungewohnte • Erweiterte Wahrnehmungsf • das andere als anders akzeptieren • Ambivalenz ertragen können • Fähigkeit zu experimentierendem Verhalten • Angstfreiheit vor dem Fremden • die Fähigkeit, unsere eigenen Normen infrage stellen zu können • an der Utopie des herrschaftsfreien Diskurses festhalten • die Fähigkeit Konflikte auszutragen • den eigenen Ethnozentrismus erkennen können • die Fähigkeit, übergreifende Loyalitäten und Identitäten zu entwickeln Kulturmodelle (Hofstede Zwiebelmodell) Fakten Gefühle Werte wir nehmen über unsere Sinne Fakten wahr, je nach Werteprägung angenehm oder Wie niemand (Persönlichkeit) Wie manche ( Region, Geschlecht, Religion, soziale Schicht, Milieu Wie alle (GrundBedürfnisse) die unangenehmen empfunden werden Individuum Kultur Humane 2 Entwicklung von Identität • „Ihr habt uns zu Türken gemacht!!!“ • Entscheidung für kulturelle/ethnische Identität fällt in der frühen Kindheit. Ab 12 – 14 Jahren sichere Lebensentscheidung. • Faktoren zur Festigung der Identität • Erziehung in Familie • Soziale Umgebung • Fremdzuschreibung • Sprache „du spricht aber gut deutsch“ • Quartier Türkenviertel, Klein Moskau, Ghetto… • Soziale Arbeit „Mädchenarbeit mit jungen Türkinnen“ „Adressaten sind junge Migranten…“ Identität als Prozess Wer bin ich > Kann neu definiert werden, durch: • Personen • mit Fremden • mit Andersartigen Auseinandersetzung Umwelt - Selbst Elemente der Identität Zugehörigkeit zu einer Gruppe: Objektive Merkmale Subjektive Merkmale Physisches Aussehen Einstellungen Muttersprache Werte Kleidung Überzeugungen Identitätsmarker 3 >Hilfestellung für Personen und Umgebung, korrekt in „Identität“ einordnen >Sorgen für klare Zuordnung, aber PROBLEMATISCH Identität in multikultureller Gesellschaft: 1. Einflüsse in der Familie mit Vorstellungen der Umwelt kollidieren: Kulturkreis Milieu Quartier Druck sich als Deutsche fühlen zu müssen Schule Peers Verein besonders wenn Familie und Umgebungskultur stark voneinander abweichend empfunden werden. ⇓ führt zu Identitätskonflikten äußern sich in Problemen in Familie, sozialer Umgebung oder zu Abgrenzung 2. Kulturelle Identität wird nicht mehr verhandelt sondern von außen zugeschrieben: >Kulturelle Identitäten sind gefühlte Identitäten „Du als Türkin musst uns das erklären können“. „Du bis doch keine Türkin mehr..“ >Gewaltsame Zuschreibung einer national-kulturellen Identität, die sich an Stereotypen orientiert. 4 Workshop 7: Fußball ist unser Leben!? Christian Schmidt, Fanbeauftragter VfB Stuttgart e.V. Literaturhinweis und Link zu weiterführenden Infos Führender Fanforscher ist Prof. Dr. phil., Dipl.-Soz. Gunter A. Pilz http://www.sportwiss.uni-hannover.de/gunter_a_pilz.html Unter diesem Link sind Literaturhinweise und Forschungsergebnisse eingestellt. Auch eine interessante Expertise über das Phänomen der Ultrakultur ist dort als Download verfügbar. Workshop 8: „Bloß nicht Mainstream“ – Jugendkulturen stellen sich vor Moderation: Eva Gebauer, Mobile Jugendarbeit Karlsruhe, Christiane Hillig, LAG-Servicestelle Im Workshop standen die Sichtweisen junger Menschen auf ihre Jugendkultur im Mittelpunkt. Anwesend waren Jugendliche aus der Punkszene, der Hip Hop Szene und aus einer Clique, die sich selbst als Gang sieht. Nach einem lockeren „jugendkulturellen“ Einstieg mit „typischen“ Musikbeispielen unterschiedlicher Szenen kamen die anwesenden KollegInnen und die Jugendlichen als Experten gut ins Gespräch über Klischees und Realität. Unser herzlicher Dank gilt ausdrücklich den jungen Leuten, die in diesem Workshop sehr offen aus ihrer Lebenswelt berichtet haben. In Kleingruppen erarbeiteten die TeilnehmerInnen unter sachkundiger Beratung durch die jugendlichen Experten jeweils ein Portrait der Jugendkultur, das anschließend in der Großgruppe präsentiert wurde. Hierbei entstand eine sehr lebendige Diskussion über unterschiedliche Sichtweisen und Vorurteile, die auch von den Jugendlichen sehr engagiert geführt wurde. Arbeitsauftrag an die Arbeitsgruppen: Interviewt die Jugendlichen als Experten ihrer Lebenswelt. Natürlich dürfen auch eigene Erfahrungen eingebracht werden. Wie bist du/seid ihr gerade in diese Jugendkultur gekommen? Warum hast du dich dafür entschieden? Wie hat es sich ergeben? Was macht deine Jugendkultur aus? Was gibt es wichtiges darüber zu wissen? Was bringt es dir/euch persönlich in dieser Jugendkultur zu sein? Was sind die Vorteile? Gibt es auch Nachteile? Frage an Jugendliche: Im Moment ist für mich wichtig … In 10 Jahren möchte ich … Leitend für die Abschlussdiskussion waren die Fragen nach den Bedürfnissen, die wir als Profis vermuten und diejenigen, die von den Jugendlichen selbst formuliert werden. Als zentrale Bedürfnisse konnten identifiziert werden: Respekt gegenüber den Sichtweisen und Ausdrucksformen Jugendlicher in ihren Szenen und Cliquen, Angebote der Jugendarbeit für Jugendliche gegen Langeweile und zur Erweiterung des „Horizonts“, im Gespräch sein, nicht alles besser wissen, unterstützen bei der Formulierung von Anliegen an die Gemeinde, Konflikte aushalten.