Geistige Behinderung - Bundesvereinigung Lebenshilfe
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Geistige Behinderung - Bundesvereinigung Lebenshilfe
44. Jahrgang, Januar 2005 1/05 Geistige Behinderung Fachzeitschrift der Bundesvereinigung Lebenshilfe für Menschen mit geistiger Behinderung e.V. ISSN 0173-9573 INHALT Editorial Menschen mit geistiger Behinderung haben ein Recht auf würdevolle Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft (Resolution der Lebenshilfe Bayern) 1 Fachbeiträge Die neuropsychiatrische Versorgung von Menschen mit schwerer Intelligenzminderung und Mehrfachbehinderung (Peter Martin, Christoph Guth) 4 Epilepsie: Mehr wissen und anders handeln durch PEPE. Zum Einsatz der psychoedukativen Epilepsieschulung „PEPE“ für lern- und geistig behinderte Menschen (Peter Brodisch, Verena Schlude) 12 Was Familien mit mehrfachbehinderten hörgeschädigten Kindern brauchen. Zusammenfassende Ergebnisse einer qualitativen Studie (Manfred Hintermair, Gerda Hülser) 22 Qualitätsmanagement in der Frühförderung und Familienbegleitung der Lebenshilfe Salzburg (Karin Astegger) 36 Weit reichende Entscheidungen. Vorstellung einer Studie zum Entscheidungsverhalten von Menschen mit geistiger Behinderung in Übergängen von der WfbM auf den allgemeinen Arbeitsmarkt (Jochen Friedrich) 47 Aus der Praxis Hand in Hand die Umwelt erleben. Ein Modellprojekt des Umweltpädagogischen Zentrums der Stadt Nürnberg (Frank Wilker) 56 Aktuelle Mitteilungen u. a.: Epilepsie-Syndrome (Gerhard Neuhäuser) 66 Europa „Included in Society“ – eine europäische Studie. Behinderte Menschen haben das Recht auf Eingliederung in die Gesellschaft 73 Buchbesprechungen Erhard Fischer (Hg.): Pädagogik für Menschen mit geistiger Behinderung. Sichtweisen – Theorien – Aktuelle Herausforderung (Andreas Möckel) Wolfgang Lamers, Theo Klauß (Hg.): ... alle Kinder alles lehren! – aber wie? Theoriegeleitete Praxis bei schwer- und mehrfachbehinderten Menschen (Heinz Mühl) Ernst Wüllenweber: Soziale Probleme von Menschen mit geistiger Behinderung. Fremdbestimmung, Benachteiligung, Ausgrenzung und soziale Abwertung (Winfried Baudisch) Almut-Hildegard Meyer: Kodieren mit der ICF: Klassifizieren oder Abklassifizieren? Potenzen und Probleme der „Internationalen Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit“ (Gerhard Neuhäuser) 76 78 79 81 Veranstaltungen 83 Bibliografie 86 Geistige Behinderung 1/05, 44. Jg. EDITORIAL „Menschen mit geistiger Behinderung haben ein Recht auf würdevolle Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft“ Resolution der Lebenshilfe Bayern*! ■ Die Lebenshilfe sieht sich in der Verantwortung, die Belange und Rechte von Menschen mit geistiger Behinderung und deren Familien gegenüber Gesellschaft und Politik zu vertreten. Auch Menschen mit Behinderung sind Bürger unseres Landes und genießen den vollen Schutz der in unserer Verfassung verankerten Grundrechte. Ein Jahr nach Vorlage unserer behindertenpolitischen Forderungen zur bayerischen Landtagswahl, ein Jahr nach Inkrafttreten des Bayerischen Gesetzes zur Gleichstellung, Teilhabe und Integration von Menschen mit Behinderung und zehn Monate nach dem Ende des Europäischen Jahrs der Menschen mit Behinderung 2003 müssen wir mit Bedauern feststellen, dass sich die Rahmenbedingungen für die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft, hier insbesondere die Betreuungssituation für Menschen mit geistiger Behinderung, zunehmend verschlechtern. Die Finanzkrise der öffentlichen Haushalte und der sozialen Sicherungssysteme führt zu maßgeblichen Einschnitten in der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderung. Die Mitgliederversammlung der Lebenshilfe für Menschen mit geistiger Behinderung, Landesverband Bayern e.V., verabschiedet daher diese Resolution: 1. Der Mensch mit Behinderung ist nicht nur Kostenfaktor Die sozial- und finanzpolitische Diskussion der letzten Monate zeigt, dass Menschen mit Behinderung in der öffentlichen Darstellung zunehmend zu reinen Kostenfaktoren in der Eingliederungshilfe reduziert werden. Die Debatte um Leistungen für Menschen mit Behinderung ist geprägt von Standardabsenkungen und orientiert sich nicht mehr an den Bedürfnissen der Betroffenen. Seit der Verankerung des Verbots der Benachteiligung behinderter Menschen im Grundgesetz gilt für alle Reformüberlegungen der Grundsatz, dass kein Mensch aufgrund der Art oder der Schwere seiner Behinderung aus dem gesellschaftlichen Leben ausgegrenzt werden darf. Eine Abhängigkeit der Gewährung von Leistungen der Sozialhilfekostenträger nach Kassenlage der Kostenträger ist daher nicht hinnehmbar. * verabschiedet von der Mitgliederversammlung 2004 des Lebenshilfe-Landesverbands Bayern Geistige Behinderung 1/05, 44. Jg. 1 2 EDITORIAL 2. Selbstbestimmung Gesellschaftliche Teilhabe, Selbstbestimmung, Integration und Gleichstellung von Menschen mit Behinderung sind Ausdruck gesellschaftlicher Willensbildung und gesetzlich verankert. Auch für die Zukunft ist es unser Ziel, Menschen mit geistiger Behinderung ein möglichst selbständiges und selbstbestimmtes Leben zu gewährleisten. Im Interesse der Menschen mit Behinderung ist eine ausreichende Finanzierung für die Einrichtungen und Dienste zu gewährleisten, die Raum für selbstbestimmtes Leben bieten und entwickeln. 3. Alter Aufgrund der demografischen Entwicklung ist mit steigenden Zahlen in der Behindertenhilfe zu rechnen und die erste Nachkriegsgeneration von Menschen mit Behinderung tritt zunehmend in die Phase des dritten Lebensabschnitts ein. Auch im Alter besteht ein Anspruch auf soziale Eingliederung. Das Wohnangebot sowie das Angebot an tagesstrukturierenden Maßnahmen für alte Menschen mit geistiger Behinderung muss dem Bedarf entsprechend wohnortnah ausgebaut und konzeptionell weiterentwickelt werden. Dafür sind Investitionsmittel sowie ausreichende Entgelte zur Verfügung zu stellen. 4. Menschen mit schwerer und mehrfacher Behinderung Menschen mit schwerer und mehrfacher Behinderung sind bei der Erschließung ihrer verschiedenen Lebensbereiche und der Weiterentwicklung ihrer Kompetenzen auf die Hilfe anderer besonders angewiesen. Sie benötigen zur Erlangung gleicher Chancen dazu besonders die Unterstützung und Akzeptanz aller Bürger. Denn es ist absehbar, dass die älter werdenden Eltern und Angehörigen die Betreuung in der Familie nicht auf Dauer werden leisten können. Menschen mit schwerer und mehrfacher Behinderung muss auch zukünftig die Möglichkeit gegeben werden, den Werktag in einem zweiten Lebensraum – der Werkoder Förderstätte – zu verbringen. Die Wohnformen sind ihren Bedürfnissen im Rahmen der Eingliederungshilfe entsprechend vorzuhalten. 5. Ambulante Hilfen Trotz der Bemühungen in den letzten Jahren fehlt es in Bayern weiterhin an einer flächendeckenden Versorgung mit ambulanten Eingliederungshilfen im Wohn-, Arbeitsund Freizeitbereich und einer bedarfsgerechten Ausstattung bestehender Angebote. Die bestehenden Dienste der Offenen Behindertenarbeit haben zudem keine gesicherte Finanzierung. Wir fordern daher, dass die bewährten ambulanten Versorgungsstrukturen für Menschen mit geistiger Behinderung finanziell gesichert und strukturell ausgebaut werden. Wichtig für die Betroffenen und ihre Familien ist dabei, dass die Angebote weiterhin niedrigschwellig vorgehalten werden können. Geistige Behinderung 1/05, 44. Jg. EDITORIAL 6. Weniger Bürokratie für mehr soziales Handeln Die Regelungsdichte belastet in zunehmendem Maße auch die Träger von Einrichtungen und Diensten im sozialen Bereich. Dem Selbstverständnis der Lebenshilfe entspricht es, den Schwerpunkt ihrer Arbeit bei der unmittelbaren Betreuung, Förderung und Unterstützung von Menschen mit geistiger Behinderung zu setzen. Im Sinne der Entbürokratisierung und Effizienz müssen der Verwaltungsaufwand deutlich verringert und größere Ermessens- und Entscheidungsspielräume für die Nutzer und Träger von Einrichtungen und Diensten realisiert werden. 7. Einhaltung von Verträgen und Gesetzen Die gesetzlichen Regelungen und die daraus resultierenden Vereinbarungen zwischen Einrichtungsträgern und Sozialhilfeträgern bilden die Grundlage der Erbringung der Leistungen der Einrichtungen und Dienste für die Menschen mit Behinderung. Einseitig erklärte und rechtswidrige Kürzungen oder Aufhebungen der Vereinbarungen seitens der Sozialhilfeträger, wie in den letzten Monaten wiederholt praktiziert, berühren in ihrer Konsequenz unmittelbar die Belange der betreuten Menschen mit Behinderung. Wir fordern die Einhaltung von Gesetzen und Verträgen seitens der Sozialhilfeträger, damit für Menschen mit geistiger Behinderung und deren Eltern und Angehörige sowie für die Einrichtungsträger Rechtssicherheit bestehen bleibt und der Fortbestand der Leistungsangebote gewährleistet wird. 8. Einbeziehung Menschen mit Behinderung und deren Angehörige sind Experten in eigener Sache. Sie und ihre Interessensverbände sind daher in die Gremien und Entscheidungsprozesse der Behindertenpolitik einzubeziehen. Immer mehr Menschen mit geistiger Behinderung werden auf Förderung, Betreuung und Unterstützung angewiesen sein. Darauf haben sich alle Beteiligten in konzeptioneller, finanzieller und personeller Hinsicht einzustellen. Behindertenpolitik ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe mit dem Ziel, Menschen mit Behinderung ein würdevolles Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen. ■ Geistige Behinderung 1/05, 44. Jg. 3 4 Peter Martin, Christoph Guth Die neuropsychiatrische Versorgung von Menschen mit schwerer Intelligenzminderung und Mehrfachbehinderung Peter Martin, Christoph Guth ■ In einer Zeit, in der Kostenaspekte und Fragen der Wirtschaftlichkeit, denen man mit Normierungen und Kategorienbildung entsprechen möchte, unser gesellschaftliches Leben und nicht zuletzt auch das Gesundheitswesen durchdringen, drohen individuelle Bedürfnisse, insbesondere von statistisch nicht entscheidend ins Gewicht fallenden Randgruppen vergessen, um nicht zu sagen ignoriert zu werden. Diese Entwicklung trifft uns in einer Situation, in der die medizinische Versorgung von Menschen mit geistiger Behinderung, vor allem mit schwerer Intelligenzminderung, schon seit langem und nach wie vor als unbefriedigend angesehen wird. Dies ist in besonders hohem Maße für die Patientengruppe der Fall, die das Kindesbzw. Jugendalter überschritten hat (Expertise Gesundheit und Behinderung 2001). Medizinisches und insbesondere ärztliches Wirken in Bezug auf Menschen mit geistiger oder mehrfacher Behinderung bedarf spezieller Kenntnisse, einer besonderen Qualifikation, die dazu befähigen sollen, die spezifischen Bedürfnisse und die besondere Situation dieser Menschen zu berücksichtigen – und dies durchaus im Kontext einer modernen und ehrgeizigen Medizin. Dabei ist die geistige Behinderung bzw. Intelligenzminderung nicht als ein Zustand des Krankhaften anzusehen, sondern vielmehr als eine besondere Form des Menschseins. Diese wiederum stellt natürlich ihre eigenen Anforderungen an die verschiedenen Disziplinen der Medizin. So ergibt sich die Beziehung zwischen neurologischen, psychiatrischen und neuropsychiatrischen Störungen und geistiger Behinderung nicht daraus, dass geistige Behinderung eine psychische Erkrankung ist, sondern allenfalls aus der Tatsache, dass psychische und neurologische Probleme im Leben eines Menschen mit Intelligenzminderung sehr häufig und in besonderer Ausprägung vorkommen. Im Folgenden soll ein kurzer Abriss über die Ursachen schwerer geistiger Behinderung gegeben werden. Es schließen sich Thesen zu den medizinischen Versorgungsstrukturen, insbesondere im Bereich der Neurologie und Psychiatrie an, die im 3. Abschnitt des Beitrags anhand einiger Beispiele verdeutlicht werden sollen. Ursachen schwerer geistiger Behinderung Die Prävalenzraten in westlichen Ländern für schwerere Formen der geistigen Behinderung (mittelschwer bis schwerst) werden sehr konstant in unterschiedlichen Studien mit 3 bis 4 je 1.000 Einwohner genannt. Dabei überwiegt das männliche Geschlecht leicht (ABRAMOWICZ; RICHARDSON 1975). Geistige Behinderung 1/05, 44. Jg. Die neuropsychiatrische Versorgung von Menschen mit schwerer Intelligenzminderung Bei zahlreichen Menschen mit geistiger Behinderung finden sich in der Vorgeschichte (insbesondere über Schwangerschaft und Geburt bzw. frühkindliche Entwicklung) sowie in den medizinischen Befunden Hinweise auf eine so genannte biologische Grundlage der geistigen Behinderung. Solche Hinweise sind für Menschen mit leichter geistiger Behinderung deutlich seltener (bis zu etwa 70%) als bei schweren Formen der Intelligenzminderung (bis zu etwa 95%) (STROMME 2000). So ist anzunehmen, dass zahlreiche Menschen, für die eine leichte geistige Behinderung festzustellen ist, sozusagen auf dem Kontinuum der Normalverteilung der Intelligenz liegen. Unter den fassbaren Ursachen geistiger Behinderung unterscheidet man nach dem Zeitpunkt des Einwirkens der ursächlichen Faktoren pränatale (vor der 28. Schwangerschaftswoche) von perinatalen (28. Schwangerschaftswoche – 7. Lebenstag) und den postnatalen (nach dem 7. Lebenstag) (Ätiologie). Zu den pränatalen Ursachen zählen Chromosomenabweichungen bzw. Genmutationen, Gehirnentwicklungsstörungen, angeborene Stoffwechselstörungen, intrauterine Einwirkung von Toxinen (vor allem von Medikamenten) und Strahleneinwirkung sowie intrauterine Infektionen und auch Sauerstoffmangelschädigungen. Perinatale Ursachen sind vor allem Meningoenzephalitiden (Entzündungen der Gehirnhaut und des Gehirns) des Neugeborenen und auch mangelnde Gehirndurchblutung bzw. Sauerstoffmangel (hypoxisch-ischämische Gehirnschädigung). Zu den Infektionen und Sauerstoffmangelschädigungen, die auch noch in der Zeit nach der Geburt auftreten können, kommen Verletzungen (Traumen) und so genannte epileptische Enzephalopathien als wichtige ursächliche Faktoren postnatal hinzu. Wichtig ist festzustellen, dass die Schädigungen um die Zeit der Geburt (z. B. Sauerstoffmangel bei der Geburt) deutlich seltener sind als allgemein angenommen und dass pränatale Schädigungen weitaus überwiegen (STROMME 2000; RITTEY 2003). Medizinische Versorgungsstrukturen für Menschen mit geistiger Behinderung Aus dem eingangs erwähnten Mangel an ausreichender medizinischer Versorgung von Menschen mit geistiger Behinderung, insbesondere von Erwachsenen mit Intelligenzminderung, ergeben sich Notwendigkeiten für eine Reform und Verbesserung der Strukturen, die dieser Patientengruppe medizinische Hilfe und Unterstützung zur Verfügung stellen. Im Wesentlichen ist dabei der Blick auf die drei Hauptsäulen der Medizin, nämlich die Patientenversorgung, die Ausbildung und die Forschung gerichtet. In allen ärztlichen Ausbildungsabschnitten fehlen derzeit noch weitgehend vollständig Inhalte zu einer „Heilkunde für Menschen mit geistiger Behinderung“. Dies trifft nicht nur für das Medizinstudium zu, sondern auch für die Facharztweiterbildung. Berufsbegleitende Fortbildungen zu diesem Thema finden nur selten statt. Eine darüber hinausgehende Spezialisierung im Sinne einer Zusatzqualifikation in diesem Gebiet der Medizin, die, orientiert an einem festen Curriculum, von Angehörigen unterschiedlicher Facharztgruppen erworben werden könnte, ist als unbedingt wünschenswert bzw. als notwendig anzusehen. Geistige Behinderung 1/05, 44. Jg. 5 6 Peter Martin, Christoph Guth Da die Medizin für Menschen mit geistiger Behinderung in keiner medizinischen Fakultät Deutschlands vertreten ist, gibt es hierzulande wenig wissenschaftliche Aktivitäten in diesem Gebiet. Dies ist insbesondere im Vergleich mit anderen europäischen und nordamerikanischen Ländern festzustellen. Somit erfolgt, zumindest von Deutschland ausgehend, bislang kein wesentlicher Beitrag zur Erstellung einer empirischen Basis diagnostischen und therapeutischen Handelns in Bezug auf Menschen mit geistiger Behinderung. Da jedoch das Erscheinungsbild von Erkrankungen, Art und Häufigkeit von Begleiterkrankungen, Erkrankungsverläufe und Verträglichkeit und Effektivität von Medikamenten, insbesondere bei Patienten mit schwerer geistiger oder mehrfacher Behinderung zum Teil deutlich unterschieden sind von Menschen mit normaler Intelligenz, ist der Weg zu einer modernen und effektiveren Behandlung für die Patientengruppe mit Intelligenzminderung in vielen Bereichen noch nicht geöffnet. Zeitgemäße Medizin bedeutet und erfordert in allen Fachrichtungen ein hohes Maß an Spezialkenntnissen und speziellen Fertigkeiten, ohne dabei aber Überschneidungsgebiete mit anderen Bereichen des eigenen Fachs bzw. anderen Fächern außer Acht zu lassen. Letzteres trifft insbesondere für das Spezialgebiet der Medizin zu, das sich mit spezifischen gesundheitlichen Aspekten der geistigen Behinderung beschäftigt. Gleiche Symptome können bei Menschen mit (schwerer) Intelligenzminderung Ursachen in verschiedenen Organsystemen haben, und für Menschen ohne geistige Behinderung typische Symptome einer bestimmten Erkrankung treten bei Menschen mit Intelligenzminderung in völlig anderer Gestalt zutage. Ärzte, die geistig behinderte Patienten behandeln, müssen deren spezifische Bedürfnisse und besondere Situation sehr genau kennen und auch in einem, insbesondere zeitlichen, Rahmen tätig sein, der diesen Patienten angemessen ist. Um als Arzt, welcher Disziplin auch immer zugehörend, gute Arbeit für Menschen mit Intelligenzminderung oder mehrfacher Behinderung leisten zu können, bedarf es einer höheren Qualifikation, d. h., weitaus mehr Spezialkenntnisse, Spezialfertigkeiten und Erfahrung, als allgemein angenommen wird. Insbesondere langsam sich entwickelnde Erkrankungen werden erschreckend häufig nicht erkannt und schon gar nicht therapiert. Dies scheint häufig deshalb der Fall zu sein, weil Menschen mit Intelligenzminderung, insbesondere schwer- und schwerst geistig behinderte Menschen bzw. Menschen mit mehrfacher Behinderung, bereits mit einer „Diagnose“, eben dieser Behinderung, ausgestattet sind, mit einem Etikett sozusagen, das den Blick auf (weitere) mögliche Erkrankungen vollständig verstellen kann, zumal in einer Situation, in der Spezialkenntnisse kaum vorhanden sind und der äußere Rahmen für eine differenzierte Diagnostik bei dieser Patientengruppe überhaupt nicht gegeben ist. Hinzu kommt, dass oftmals vollständig zu Unrecht, wie die Praxis zeigt, mögliche Behandlungserfolge von vornherein negiert werden. Besonders unangenehm wird die Situation dadurch, dass die Betroffenen nicht aus eigenem Antrieb ihren Arzt wechseln bzw. sich einem kompetenteren Vertreter seines Fachs zuwenden können. Es spricht jedoch sehr vieles dafür, dass Haus- bzw. Fachärzte mit besonderer Qualifikation und ständiger Erfahrung in der Heilkunde für Menschen mit geistiger Behinderung eine bessere medizinische Versorgung garantieren könnten, als die, die wir derzeit vorfinden. Im Einzelnen wären hier auch Heimärzte mit einem guten, in Geistige Behinderung 1/05, 44. Jg. Die neuropsychiatrische Versorgung von Menschen mit schwerer Intelligenzminderung diesem Sinne spezialisierten Ausbildungsstand zu nennen. Für besondere Fragestellungen sind regionale bzw. überregionale Behandlungszentren (Spezialkliniken, teilstationäre Einrichtungen, Schwerpunktambulanzen und spezielle Konsiliardienste) zu fordern, die sich ausschließlich auf die Gruppe von Patienten mit geistiger Behinderung oder mehrfacher Behinderung konzentrieren. Für alle ambulanten und stationären Behandlungen müssen Bedingungen gegeben sein, die eine gründliche Diagnostik und sorgfältige Therapieführung ermöglichen. Dies ist sicherlich mit einem großen Zeitaufwand und hohen Kosten verbunden. Es ist jedoch andererseits auch nicht anders denkbar, als dass hohe fachliche Qualität innerhalb der entsprechenden Strukturen auch deren Effizienz deutlich anheben würde. Geistige Behinderung und Neurologie Neurologische Störungen sind bei Menschen mit geistiger Behinderung sehr häufig anzutreffen und kommen dann, wenn eine schwerer ausgeprägte Intelligenzminderung vorliegt (IQ < 50) insbesondere als schwere Zerebralparesen, Epilepsien, schwere Sprach- bzw. Sprechstörungen, Hörstörungen und Sehstörungen bei 60% (und häufiger) der Betroffenen vor (CORBETT 1990). Neurogenetik Genetische Syndrome, in deren Rahmen Intelligenzminderungen vorkommen, sind seit vielen Jahrzehnten gut bekannt, ganz besonders die Trisomie 21. Es zeigt sich, dass zunehmend solche Syndrome auch bestimmten chromosomalen Störungen bzw. Genmutationen zugeordnet werden können. Derzeit ist die Anzahl der bekannten genetischen definierten Syndrome, die mit geistiger Behinderung verknüpft sind, mit etwa 1.000 zu beziffern (POSSUM 2000). Auch haben wir in den letzten Jahren gelernt, dass definierten Gehirnentwicklungsstörungen bestimmte Gendefekte zugrunde liegen können. Hier spielen sowohl eine sehr gute morphologische Diagnostik (kernspintomographische Untersuchungen des Gehirns) als auch moderne molekulargenetische Technik eine entscheidende Rolle. Wir sind im Gebiet der Genetik bzw. Neurogenetik Zeugen einer raschen Entwicklung, deren zukünftiger Verlauf oder gar Endpunkt noch nicht abgesehen werden kann. Entscheidend ist jedoch bei allen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten moderner Medizin bzw. Medizintechnik, Begründungen dafür angeben zu können, warum diese Technologien genutzt werden sollen. In Bezug auf genetische Diagnostik geht es sehr wesentlich auch um eine Beratung der Familien. Die Möglichkeit, solche Beratung zur Verfügung zu stellen, muss nach meiner Überzeugung jedoch immer mit der Sorge aller Beteiligten (auch der so genannten Kostenträger) verknüpft sein, die Beratenen zu befähigen, jegliche (legale) Konsequenz aus der Beratung ziehen und langfristig tragen zu können. Das heißt, dass die Kosten für die gesundheitliche Versorgung und andere Leistungen auch dann von den Kostenträgern übernommen werden müssen, wenn sich die Eltern nicht für eine Abtreibung entscheiden! Geistige Behinderung 1/05, 44. Jg. 7 8 Peter Martin, Christoph Guth Nicht selten zeigt sich auch, dass erst die richtige Diagnose eines (genetisch definierten) Syndroms den Blick auf wesentliche Einzelsymptome richtet (z. B. Herzfehler, von denen die Gefahr von Schlaganfällen ausgehen kann), auf die man ohne Kenntnis des entsprechenden Syndroms nicht geachtet hätte. In einzelnen Fällen lassen sich auch Aussagen über die Verlaufsprognose einer bestimmten Erkrankung (z. B. einer Epilepsie) in Abhängigkeit vom zu Grunde liegenden Syndrom machen. Dass sich aus der genetischen Diagnostik spezifische Förder- und Rehabilitationsmöglichkeiten oder auch spezifische Möglichkeiten für die medikamentöse Behandlung ergeben, sind verlockende, beim jetzigen Stand der Dinge jedoch noch nicht als greifbar zu sehende Aspekte. Verschlechterung motorischer Funktionen im Jugend- und Erwachsenenalter Immer wieder kommt es vor, dass in der zweiten Lebensdekade oder später die motorischen Funktionen eines Patienten mit einer seit der frühen Kindheit bestehenden zentralen Lähmung schlechter werden. Diese Verschlechterung kann sich langsam entwickeln. Dann ist es besonders schwierig, sie gegenüber der vorbestehenden motorischen Störung (die auf die infantile Zerebralparese zurückgeht) abzugrenzen. Wenn der Betroffene geistig behindert ist, kann er über die Entwicklung bzw. den Verlauf der motorischen Verschlechterung kaum selbst Angaben machen. Häufig fehlen, auf Grund der häufig wechselnden Bezugspersonen, auch lückenlose Informationen aus der so genannten Fremdanamnese. Von ärztlicher Seite sind die Befunde meist, wenn überhaupt, nur wenig differenziert dokumentiert. Auch die vor der aktuell aufgetretenen Verschlechterung der Motorik bestehenden neurologischen Defizite müssen selbstverständlich so exakt wie möglich rekonstruiert werden. Dabei sind genaueste Angaben über Schwangerschaft, Geburt und frühkindliche Entwicklung ebenso notwendig wie präzise Daten über die Entwicklung im weiteren Verlauf. Bei dieser Aufgabe können Fotoalben oder Familienvideos im Einzelfall sehr wertvolle Dienste leisten. Die Befunderhebung als solche bedarf größter Sorgfalt und erfordert es auch, unterschiedliche Leistungen des Betroffenen in Abhängigkeit von dessen Motivation bzw. von der konkreten Situation im unmittelbaren Umfeld zu würdigen. Deshalb ist meist anzuraten, den Patienten in unterschiedlichen Situationen und auch in Zusammenarbeit von Arzt und Physiotherapeut oder Ergotherapeut zu untersuchen. Häufig findet sich die Ursache eines Abbaus der motorischen Funktionen in neuroorthopädischen Problemen (sekundäre Gelenkveränderung, Schmerzen). Auch kann eine Besonderheit im Verlauf einer Zerebralparese, wie etwa der späte Beginn einer dystonen (abnorme, unwillkürliche Anspannung/Bewegung der Muskulatur) Symptomatik vorliegen. Gelegentlich werden langsam fortschreitende Stoffwechselerkrankungen des Nervensystems, die im Kindesalter (fälschlich) einer infantilen Zerebralparese zugeordnet wurden, als Ursache einer motorischen Verschlechterung im Jugend- oder frühen Erwachsenenalter gefunden. Häufiger sind Medikamente (z. B. unter Neuroleptika-Behandlung oder auch bei chronischer Valproatenzephalopathie, das ist eine funktionelle Gehirnschädigung, die – selten – durch Ein- Geistige Behinderung 1/05, 44. Jg. Die neuropsychiatrische Versorgung von Menschen mit schwerer Intelligenzminderung wirkung des antiepileptisch wirksamen Medikaments Valproinsäure eintritt) Grund für die neu hinzutretenden neurologischen Symptome. Im Rahmen internistischer Erkrankungen, wie beispielsweise der Sprue oder Zöliakie, die man gehäuft bei Trisomie 21 sieht (HENKER et al. 2002), können ebenfalls neue neurologische Störungen, auch im Bereich der Motorik, auftreten. Dies ist ebenso der Fall, wenn durch Veränderungen im Bereich der Wirbelsäule das Halsmark geschädigt wird. Auch solche Veränderungen findet man gehäuft beim Down-Syndrom (FROST et al. 1999). Andere neurologische Erkrankungen degenerativer, entzündlicher oder vaskulärer Art (z. B. Parkinson-Syndrom, Multiple Sklerose oder Arteriosklerose) können selbstverständlich auch bei Patienten mit infantiler Zerebralparese im fortgeschrittenen bzw. höheren Lebensalter auftreten und sind dann deutlich schwerer zu diagnostizieren als bei bislang neurologisch unauffälligen Menschen. Neben organischen Ursachen für eine motorische Verschlechterung ist auch an psychische bzw. psycho-reaktive Gründe zu denken. So kommt es nicht selten vor, dass Patienten mit vorbestehender Gangunsicherheit nach einem Sturz, der entweder durch einfaches Stolpern auftritt oder im Rahmen eines epileptischen Anfalls, aus Angst vor weiteren Stürzen nicht mehr gehen wollen und dann erst wieder langsam und mit viel Geduld vom Rollstuhl weggebracht werden müssen. Ähnlich ist es, wenn Patienten bei einer verschlechterten Anfallssituation von ihren Angehörigen bzw. Betreuern über längere Zeit in den Rollstuhl gesetzt werden und dann schlicht das Gehen verlernen. Psychische Störungen und geistige Behinderung Die Häufigkeit psychischer Störungen bzw. von Verhaltensauffälligkeiten (Problemverhalten) bei Menschen mit Intelligenzminderung wird in unterschiedlichen Studien mit unterschiedlicher Häufigkeit angegeben. Meist werden Zahlen zwischen 45 und 65% genannt (GILLBERG et al. 1986; STEINHAUSEN 1999). Als mögliche Gründe für die erhöhte Häufigkeit psychischer Störungen bei geistiger Behinderung werden Faktoren aufgeführt, die sich einerseits auf die Persönlichkeit des Betroffenen beziehen (weniger differenziertes Selbstkonzept, Versagenserlebnisse bzw. Abhängigkeit, Außenorientierung bei Problembewältigung oder abweichende soziale Stile) und andererseits familiäre Faktoren (familiäre Belastung mit psychischen Erkrankungen, elterliche Minderbegabung oder Dysharmonie in der Familie) sowie soziale Faktoren (soziales Stigma, soziale Ablehnung oder erhöhtes Misshandlungs- oder Missbrauchsrisiko). Daneben sind körperliche Faktoren (Sinnesbehinderung, so genannte Verhaltensphänotypen oder zusätzlich bestehende Epilepsie, die häufig mit Autismus, Hyperaktivität, Depressionen und Angst assoziiert ist) zu nennen (GILLBERG et al. 1986; STEINHAUSEN 1999). Verschiedene spezifische Umstände führen dazu, dass übliche Wege der Diagnosefindung in der Psychiatrie (Erwachsenenpsychiatrie) bei Menschen mit Intelligenzminderung nicht oder nur begrenzt beschritten werden können. Zu nennen sind dabei Einschränkungen der Kommunikationsfähigkeit, des konkreten Denkens, fehlende soziale Fertigkeiten in der Interviewsituation, übertriebene nicht-pathologische Merkmale, die psychopathologische Symptome überschatten sowie „untypische Symptome“ bzw. gleiche Symptome bei unterschiedlichen Syndromen (SOVNER 1986). Geistige Behinderung 1/05, 44. Jg. 9 10 Peter Martin, Christoph Guth Psychische Störungen unterscheiden sich bei Menschen mit geistiger Behinderung z. T. ganz deutlich von solchen bei Patienten mit normaler Intelligenz, und zwar umso mehr, je schwerer die Intelligenzminderung ist. Als Dimensionen auffälligen Verhaltens, die häufig bei geistiger Behinderung gefunden werden, sind vor allem zu nennen: aggressives (und antisoziales) Verhalten, gehäuft verbunden mit Selbstverletzungen, stereotypes Verhalten, Hyperaktivität und repetitive Verbalisierung neben Einnässen und Einkoten (trotz körperlicher Funktionsfähigkeit) sowie Essstörungen (EINFELD; AMAN 1995). Es erfordert sehr viel Erfahrung und differenzierte Beobachtung, auch in unterschiedlichen situativen Kontexten, einzelne Symptome identifizieren und richtig zuordnen zu können. Dabei ist es auch ganz wesentlich, dass sich der untersuchende Arzt Informationen von Angehörigen und z. B. von Betreuern im Wohnheim über die Biografie bzw. die Persönlichkeit des Patienten verschafft und sie in seine diagnostischen Überlegungen mit aufnimmt. Wird aber primär die geistige bzw. mehrfache Behinderung im Vordergrund gesehen oder so genannte „Verhaltensphänotypen“ (d. h., erhöhte Wahrscheinlichkeit, dass Menschen mit einem bestimmten Syndrom ein bestimmtes Verhalten oder bestimmte Entwicklungsfolgen im Vergleich mit jenen ohne ein solches Syndrom zeigen (DYKENS 1995) kann der Weg verstellt sein zum Erkennen der individuellen Persönlichkeit des Betroffenen mit seinen ihm eigenen Reaktionsweisen im sozialen Kontext (z. B. auf Kränkungen hin) und mit seiner individuellen Lebensgeschichte. Andererseits ist es oftmals wichtig, bestimmte Symptome oder Symptomkomplexe in standardisierter Weise zu erfassen. Dazu werden so genannte psychiatrische Untersuchungsinstrumente in Form standardisierter Skalen bzw. Checklisten erstellt und validiert. Für Menschen mit geistiger Behinderung müssen solche Untersuchungsinstrumente speziell entwickelt bzw. angepasst werden (z. B. zur Erfassung von Demenz bei Menschen mit Intelligenzminderung) (ROJAHN et al. 2001; DEB u. BRAGANZA 1999). Diese Besonderheiten in der Diagnostik psychischer Störungen bei Menschen mit Intelligenzminderung werden bislang in Deutschland weder in der Ausbildung zum Arzt noch in der Facharztweiterbildung vermittelt. Für die mit Sicherheit ebenfalls und in vielfältiger Weise bestehenden Besonderheiten in der medikamentösen und nicht medikamentösen Therapie fehlen weitgehend die empirischen Grundlagen, da entsprechende Studien über Effektivität und Verträglichkeit der Therapien kaum vorliegen und in Deutschland Initiativen zu wissenschaftlicher Arbeit in diesem Gebiet nur in geringem Umfang auszumachen sind. ■ Kurzfassung Medizinisches Wirken in Bezug auf Menschen mit geistiger Behinderung bedarf besonderen Wissens und spezifischer Fähigkeiten, die in Deutschland bisher weder im Medizinstudium noch in der Facharztausbildung vermittelt und in Unkenntnis der tatsächlichen Notwendigkeiten auch kaum eingefordert werden – eine Situation, die für keine andere Patientengruppe akzeptiert werden würde. Aber nicht nur die ungenügende Qualifikation der Ärzte in diesem Sektor der Medizin, sondern auch der Mangel an spezialisierten Behandlungszentren und das Fehlen wissenschaftlicher Aktivitäten als Basis für ein empirisch fundiertes diagnostisches und therapeutisches Handeln sind zu beklagen. Nach einem kurzen Geistige Behinderung 1/05, 44. Jg. Die neuropsychiatrische Versorgung von Menschen mit schwerer Intelligenzminderung Abriss der Ursachen geistiger Behinderung wird, um die Stichhaltigkeit der Argumente für eine bessere medizinische Versorgung von Menschen mit Intelligenzminderung zu untermauern, anhand einiger praktischer Beispiele aufgezeigt, welch komplexe und spezifische Aufgaben in der neurologischen und psychiatrischen Behandlung von Menschen mit schwerer geistiger Behinderung zu bewältigen sind. Abstract The Neuro-psychiatric Care of People with Severe Intelligence Deficiencies and Multiple Disabilities. Medical work relating to people with intellectual disabilities requires specific knowledge and skills, which in Germany are not being taught to future doctors, neither at university nor during specialist training. Due to the lack of awareness of the actual need of these skills, they are not required – a situation that would never be accepted for any other patient group. However, not only are the insufficient qualifications of the physicians being criticised, but also the lack of centres for treatment and scientific work as the foundation for diagnostic and therapeutic work based on empirical data. First the reasons of intellectual disabilities are briefly discussed, then, to support the arguments for a better medical treatment of people with intellectual disabilities, some practical examples are given to show what complex and specific challenges in relation to the neurological and psychiatric treatment of the people concerned must be dealt with. Literatur ABRAMOWICZ, H. K.; RICHARDSON, S. A. (1975): Epidemiology of severe mental retardation in children: community studies. American Journal of Mental Deficiency, 80, 18–39. – CORBETT, J. A. (1990): Epilepsy and mental retardation. Dam, M.; Gram, L. (Hg): Comprehensive Epileptology, 271–280. – DEB, S.; BRAGANZA, J. (1999): Comparison of rating scales for the diagnosis of dementia in adults with Down‘s syndrome. Journal of Intellectual Disability Research, 43, 400–407. – DYKENS, E. M. (1995): Measuring behavioural phenotypes: provocations from the „new genetics”. American Journal on Mental Retardation, 99, 522–532. – EINFELD, S. L.; AMAN, M. (1995): Issues in the taxonomy of psychopathology in mental retardation. Journal of Autism and Developmental Disorders, 25, 143–167. – FROST, M. et al. (1999): Cervical spine abnormalities in Down syndrome. 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Jg. 11 12 Peter Brodisch, Verena Schlude Epilepsie: Mehr wissen und anders handeln durch PEPE Zum Einsatz der psychoedukativen Epilepsieschulung „PEPE“ für lern- und geistig behinderte Menschen Peter Brodisch, Verena Schlude Epilepsien sind häufig ■ Frank S. lebt in einer betreuten Wohngemeinschaft und arbeitet in der ortsnahen Werkstatt für behinderte Menschen. Er ist froh, dass er „nicht ganz alleine dasteht“ mit seiner Epilepsie, „andere in der Werkstatt haben auch Anfälle.“ Wie Frank S. erkranken cirka 20% aller geistig behinderten Menschen chronisch an der „sekundären Behinderung“ Epilepsie – im Bevölkerungsdurchschnitt sind es „nur“ etwa 0,7% (vgl. WOLF 2003, 255). Bei schwerstmehrfachbehinderten Menschen liegt der Anteil der epilepsiekranken gar bei geschätzten 35%. In der Regel sind die geistige Behinderung und die Anfallserkrankung in einer angeborenen oder im Rahmen der Geburt erworbenen Hirnschädigung begründet. Nur bei seltenen „katastrophalen Epilepsien“ sind es die therapeutisch kaum beeinflussbaren, intensiven und häufigen epileptischen Entladungen im Gehirn, die zu einer geistigen Behinderung führen. Generell gilt, dass Epilepsien das Ausmaß der Behinderung wesentlich mitbestimmen können. Anfälle belasten Tanja B.: „Ich habe ja selten einen Anfall, vielleicht einmal im Jahr. Den letzten hatte ich im Wohnheim. Das war für mich ganz schlimm. Nach dem Anfall sagte der Zivi, es sei alles schon vorbei, nichts passiert und ja alles nicht so schlimm. Da war ich richtig sauer auf den.“ Besonders aus drei Gründen belasten epileptische Anfälle: • Ein Anfall tritt überraschend auf; • es kommt häufig zum Verlust der Bewusstseins- und Haltungskontrolle; • die sonst unsichtbare Erkrankung wird mit dem Anfall sichtbar (vgl. SCHMID• SCHÖNBEIN 1998, 261). Da Anfälle „aus heiterem Himmel“ auftreten, entwickeln Betroffene oft eine „HabAcht-Haltung.“ Konkrete negative Erfahrungen können die Unsicherheiten verstärken, zum Beispiel nach Sturzanfällen oder nach Verletzungen im Haushalt (Kochen). Erlebte lebensbedrohliche Situationen (Straßenverkehr, Schwimmen) können im Extrem zu einer posttraumatischen Belastungsstörung führen. Ein zentrales Problem bleibt für viele das Sichtbarwerden der Erkrankung. Eine Jugendliche bekam zum Beispiel ihren ersten Anfall im Schulhof, „da wusste es gleich die ganze Schule!“ Geistige Behinderung 1/05, 44. Jg. Epilepsie: Mehr wissen und anders handeln durch PEPE Die geschilderten Auswirkungen der Epilepsie auf die gesamte Lebenssituation geistig behinderter Menschen verdeutlichen, dass die alleinige medizinische Behandlung oft nicht ausreicht. Gefragt sind psychoedukative Formen der Krankheitsbewältigung. Was ist Psychoedukation? Psychoedukative Ansätze basieren auf zwei Säulen: Erstens vermitteln sie zentrale Informationen zur Erkrankung („Wissen“) und zweitens Fertigkeiten zur Bewältigung der krankheitsbezogenen Probleme („Verhaltensänderung“). Die präventiven und rehabilitativen Anteile der Psychoedukation streben eine Stabilisierung der Krankheit und die Teilnahme der Betroffenen am gesellschaftlichen Leben trotz der Erkrankung an. Kurz: Psychoedukation zielt auf die Verbesserung der Lebensqualität. Im deutschen Sprachraum ist Psychoedukation ein relativ junger Begriff (vgl. BUTTNER 1996, 5). Psychoedukation charakterisiert Behandlungsansätze, die vor allem bei chronischen Erkrankungen wie Schizophrenie, Diabetes, Asthma und seit einiger Zeit auch bei Epilepsie zum Einsatz kommen. Es gibt verschiedene psychoedukative Programme, die sich bezüglich ihrer Herkunft, ihrer Methoden und Ziele teils erheblich unterscheiden. Sie reichen von der bloßen Vermittlung von Informationen bis zu komplexen Interventionen, werden entweder stationär oder ambulant, mit Angehörigen oder ohne durchgeführt (vgl. BUTTNER 1996, 30 ff.; PETERMANN/LECHELER 1992; PETRO 1989). Da sich die Psychoedukation auf die pragmatische Problembewältigung konzentriert, grenzt sie sich „gegen beziehungsorientierte Ansätze psychotherapeutischer Verfahren ab. Im Unterschied zu Selbsthilfegruppen spielen Experten eine zentrale Rolle“ (vgl. BUTTNER 1996, 5). Gemeinsam ist den Programmen, dass die aktive Mitarbeit chronisch kranker Menschen als „Experten in eigener Sache“ das zentrale Element einer wirksamen Salutogenese ist. Die Schulungsteilnehmer1 sind gleichberechtigte, kompetente und entwicklungsfähige Kommunikationspartner. Der pädagogische Rahmen setzt die Veränderlichkeit und Entwicklungsfähigkeit der Teilnehmenden voraus, ohne die es keine Aussicht auf Rehabilitation gäbe (vgl. BUTTNER 1996, 22). Psychoedukation für epilepsiekranke Menschen mit Lern- und geistiger Behinderung Aktuell existieren in Deutschland mit „MOSES“ und „PEPE“ zwei psychoedukative Schulungsprogramme für Erwachsene mit Epilepsie. MOSES (Modulares Schulungsprogramm Epilepsie) ist für epilepsiekranke Menschen ohne weitere Behinderungen konzipiert, eignet sich aber auch für lernschwache Menschen (vgl. WOHLFAHRTH 1998b, 297). Das bereits wissenschaftlich evaluierte MOSES-Programm stieß bei den Teilnehmern auf hohe Akzeptanz und regte deut1 Der besseren Lesbarkeit halber sind im gesamten Text in der „männlichen“ Form beide Geschlechter subsummiert. Geistige Behinderung 1/05, 44. Jg. 13 14 Peter Brodisch, Verena Schlude lich zu Verhaltensänderungen im Umgang mit der Erkrankung an (vgl. PFÄFFLIN/ MAY 2001). Auch unter dem integrativen Aspekt sollte beachtet werden, dass man lernbehinderten Menschen die Teilnahme am „normalen“ MOSES-Programm ermöglicht. Für Menschen mit geistiger Behinderung kann MOSES nach unserer Erfahrung allerdings erst dann eingesetzt werden, wenn es unter heilandragogischen Gesichtspunkten den speziellen Bedürfnissen der Zielgruppe angepasst wird (vgl. BRODISCH 2000, 16 ff.). Mit PEPE ist im Jahr 2000 erstmals ein Schulungsprogramm auf den Markt gekommen, das sich speziell an den Bedürfnissen lern- und geistig behinderter Menschen orientiert. Entwickelt wurde es vom Heimbereich der von Bodelschwinghschen Anstalten Bethel in Zusammenarbeit mit den Studiengängen Sozialwesen und Gestaltung der Fachhochschule Bielefeld (vgl. HUBER/SEIDEL 2003, 59). In acht Kurseinheiten à zwei Stunden werden unterschiedliche medizinische und psychosoziale Themen behandelt. Wer als Kursleiter PEPE durchführen möchte, muss vorab an einer Trainerschulung2 teilnehmen. Praktische und theoretische Kenntnisse in der Behandlung und Betreuung von Menschen mit Epilepsie sollten mitgebracht werden. Bei den geistig behinderten Kursteilnehmern wird vorausgesetzt, dass sie sich verbal mitteilen und etwas lesen und schreiben können. Pepe und Pepa – Partner mit Epilepsie Pepe und seine Freundin Pepa sind beide an Epilepsie erkrankt. Sie wollen selbstständiger werden und in eine eigene, betreute Wohnung ziehen. Aber vorher möchten sie ihre Epilepsie „in den Griff bekommen“ und an einem Epilepsiekurs teilnehmen. In allen Kursmodulen setzen sich Pepe und Pepa mit ihren eigenen Meinungen und Sorgen auseinander und finden schließlich zu der Entscheidung, trotz der Epilepsieerkrankung eine eigene Wohnung beziehen zu können. Die Kursteilnehmer werden bei allen Fragen und Problemen, die Pepe und Pepa ansprechen, aktiv in die Diskussion einbezogen. Sie informieren sich über ein Grundwissen zu Epilepsien und über ausgewählte psychosoziale Fragestellungen, zum Beispiel welche Vorurteile es über epilepsiekranke Menschen gibt und wie sich die Erkrankung auf Arbeit, Freizeit oder Partnerschaft auswirken kann. Als Ziele verfolgt PEPE, dass die Teilnehmenden • ihr Basiswissen zu Epilepsien vertiefen und damit ein differenzierteres Krankheitsverständnis gewinnen; • ein krankheitsgerechtes und gesundheitsförderndes Verhalten erlernen, etwa die regelmäßige Medikamenteneinnahme oder den Umgang mit möglichen anfallsbedingten Einschränkungen im Alltag; • einen kompetenten Umgang mit den Erfordernissen der Behandlung erwerben und als eigenverantwortliche Partner an der Behandlung mitwirken (Compliance); 2 Kontakt für PEPE-Trainerschulungen: Haus Terach – Zentrum für Entwicklung und Qualifizierung, GreteReich-Weg 9, 33617 Bielefeld, Telefon (05 21) 71 44-57 70. Geistige Behinderung 1/05, 44. Jg. Epilepsie: Mehr wissen und anders handeln durch PEPE • die Erkrankung und deren Folgen psychisch bewältigen, zum Beispiel durch die Förderung der Autonomie und eines positiven Selbstkonzepts („Umgang mit Vorurteilen“) (vgl. HUBER/SEIDEL 2003, 60). Abb. 1: Pepa und Pepe Filmclip „Pepe hat einen Anfall“ ... und seine Freundin Pepa kommt ins Zimmer gelaufen. Sie sieht Pepe krampfend am Boden liegen. Pepa fragt aufgeregt und hilflos: „Pepe, was ist los? Was soll ich denn bloß tun? Was soll ich denn bloß tun?“ Die Akteure Pepe und Pepa leben in den Filmbeiträgen ihre Krankheitserfahrungen und deren Verarbeitung aktiv vor („Lernen am Modell“). Die Anfalls-Szene mit Pepe und seiner hier hilflosen Ersthelferin Pepa werden im Anschluss an den Film gemeinsam diskutiert. Unterstützend wird eine Folie mit den notwendigen Regeln für Ersthelfer präsentiert. In einem weiteren Filmclip diskutieren Pepe und Pepa, ob die neu gewonnene Sicherheit im Umgang mit Anfällen schon ausreiche, um eine eigene gemeinsame Wohnung zu beziehen. Am Beispiel wird deutlich, wie bei PEPE die persönlichen Erfahrungen der Kursteilnehmer interaktiv erarbeitet werden. Der Trainer hält die Ergebnisse auf einem Flipchart fest, sie fließen später in die Arbeitspapiere ein. Die Teilnehmer bleiben auf diese Weise stets aktiv am Lernprozess beteiligt. Hilfreich ist zudem, dass sich die Programminhalte schwerpunktmäßig auf die Lebenswelt der Teilnehmer beziehen. Das Bildungsprogramm orientiert sich dabei an den Geistige Behinderung 1/05, 44. Jg. 15 16 Peter Brodisch, Verena Schlude häufigsten alltäglichen Fragen und Sorgen und eröffnet Gelegenheiten, über persönliches Empfinden und Verhalten zu sprechen. Schließlich ist eine praktische Übung als Vermittlungsmethode hinzugenommen. Durch das aktive Tun erhöht sich die Chance, neue Verhaltensweisen zu erschließen (vgl. BUTTNER 1996, 36). Im so genannten „Hilfespiel“ üben die Teilnehmer, in welchen Problemlagen sie sich an welche Hilfeinstanz wenden können. Hält PEPE, was es verspricht? – Einige Ergebnisse Im Jahr 2002 organisierte die EpilepsieBeratung der Inneren Mission München e.V. in Kooperation mit der Offenen Behinderten Arbeit evangelisch in München (OBA) zum zweiten Mal einen PEPE-Kurs. Im Rahmen einer Diplomarbeit wurde die Effektivität des Kurses untersucht. Vier weibliche (57 %) und drei männliche (43 %) Personen mit Epilepsie und geistiger Behinderung beteiligten sich (n = 7). Bei einer Altersverteilung von 28 bis 55 Jahren lag der Altersdurchschnitt der Befragten bei 40. Zu beachten ist, dass die Untersuchung nicht repräsentativ ist (kleine Stichprobe, keine Kontrollgruppe). Die Studie eruierte mittels einer schriftlichen Erhebung (standardisierter Fragebogen) sowie einer mündlichen Befragung (Face-to-Face-Interview) unter anderem die Variablen „epilepsiespezifischer Wissenszuwachs“ sowie „Veränderung der Befindlichkeit in Bezug auf den Umgang mit Epilepsie.“ Zudem wurde erfragt, was von den Teilnehmern am PEPE-Programm als „gut“, „weniger gut“ oder „verbesserungsbedürftig“ angesehen wurde (vgl. SCHLUDE 2003). Das individuelle Befinden in Bezug auf die eigene Epilepsieerkrankung zu Kursbeginn (Abb. 2)3 und zum Kursabschluss (Abb. 3) bewerteten die Teilnehmer wie folgt4. Abb. 2: Bewertung der Befindlichkeit bezüglich Epilepsie vor dem PEPE-Kurs Abb. 3: Bewertung der Befindlichkeit bezüglich Epilepsie nach dem PEPE-Kurs 3 4 Bewertungskategorien (Gesichter) entnommen aus RIED 1998 Abb. 2 und 3 zeigen einige Ergebnisse der Interviewerhebung. Es konnten sechs von sieben Teilnehmern befragt werden. Geistige Behinderung 1/05, 44. Jg. Epilepsie: Mehr wissen und anders handeln durch PEPE Es zeigt sich anhand dieser Angaben eine positive Veränderung gemäß der subjektiven Krankheitsverarbeitung. Die Gründe für diesen Wandel wurden von den untersuchten Personen folgendermaßen bewertet: 6 5 4 3 2 1 0 besser Bescheid wissen stimmt voll über Epilepsie sprechen können stimmt keine Angst mehr haben weiß nicht nicht alleine sein selbstständiger viel mehr Angst haben stimmt nicht stimmt gar nicht Abb. 4: Bewertung der Gründe für die Veränderung der Befindlichkeit in Bezug auf Epilepsie Die fünf ersten der vorgegebenen Gründe wurden von allen Befragten mit „stimmt voll und ganz“ und „stimmt“ beurteilt. Auch in Bezug auf die vier weiteren Frageblöcke „Erwartungen an den Kurs“, „Programminhalte“, „Kursatmosphäre“ und „Kurskritik“ zeigen die Antworten positive Ergebnisse auf. Fast durchgängig bewerteten die Teilnehmer den Kurs als „gut“ bis „sehr gut“. Lediglich bei einem Teilnehmer führte PEPE zu einer Verschlechterung der persönlichen Befindlichkeit. Besonders durch die Erfahrungen anderer Kursteilnehmer – „Alkohol kann zu Anfällen führen“ – sei er „nachdenklicher geworden.“ Ein anderer Teilnehmer merkte hingegen an, ihm ginge es nun besser, da er im Kurs miterlebt hat, dass „andere Menschen viel schlimmere Anfälle haben“ als er selbst. PEPE unterstützt die Betroffenen bei der subjektiven Krankheitsverarbeitung also wirksam. Damit ist weniger an eine Reproduktion epilepsiespezifischer Fakten zu denken, sondern vielmehr an eine Änderung in der persönlichen Umgangsweise mit der Erkrankung und ihren psychosozialen Schwierigkeiten. Neben Angaben zur besseren Befindlichkeit im Umgang mit der Krankheit sind auch positive Effekte in Bezug auf die Stärkung des Selbstbewusstseins erkennbar. So traute sich ein anfangs eher schüchterner Teilnehmer zunehmend, in der Gruppe offen über seine Epilepsie zu sprechen. Im Interview gab er an, er fühle sich seit Ende des Kurses „viel sicherer.“ Eine weitere Teilnehmerin äußerte, dass sie durch PEPE nachdenk- Geistige Behinderung 1/05, 44. Jg. 17 18 Peter Brodisch, Verena Schlude licher im Umgang mit anfallsauslösenden Situationen geworden sei. Sie reflektiert folglich seit der Kursteilnahme ihre Lebensgewohnheiten aktiv und vor allem bewusst. Die Gruppensituation bot den Teilnehmern auf diesem Hintergrund die Möglichkeit, persönliche Erfahrungen auszutauschen und sich daraus weiterzuentwickeln („Lernen am Modell“). Darüber hinaus erweiterten sich auch Kontaktmöglichkeiten und somit Auswege aus der Isolation. Einige im Kurs geschlossene Bekanntschaften entwickelten sich zu intensiven Freundschaften. Jedoch konnte die Gruppe nicht allen individuellen Problemen angemessen begegnen. Die Unterstützung durch Einzelgespräche im Anschluss an die Schulung, bedarfsweise auch eine ambulante oder stationäre Psychotherapie, sind hier oft zielführender (vgl. PETRO 1989, 201). PEPE beeinflusst den Lebensalltag Die im Kurs angestoßenen Verhaltensänderungen können gravierenden Einfluss auf die gewohnte Lebensweise der Betroffenen haben. Hier ist besonders an das soziale Umfeld des Betroffenen zu denken, das Entwicklungen unterstützen, aber auch hemmen kann. Zudem ist Neues selten von „heute auf morgen“, sondern meist nur in kleinen Schritten zu erreichen. Nach einer Patientenschulung ist eventuell eine weitere Aufklärung, etwa in Form einer Nachbetreuung sinnvoll (vgl. WARLIES/ SALADIN 2002, 3). Sind das Informationsbedürfnis und der Wunsch nach Veränderungen erst einmal geweckt, sollten diese nicht unbeantwortet bleiben. So wandte sich ein Teilnehmer an die Epilepsieberatung München, um dort Strategien zur Anfallskontrolle zu entwickeln. Über die Gründe, warum PEPE zu Lernerfolgen führte, macht die Studie keine Aussagen. Insbesondere die beobachteten Verhaltensänderungen sind komplexe Vorgänge, die ihrerseits von „vielschichtigen, wechselseitigen Interaktionen zwischen Lernenden und Lehrendem“ angeregt wurden (PETRO 1989, 199). Eine Anregung: Psychoedukation auch für Angehörige und Professionelle Für Frau B., Mutter von Tanja B., sind die Anfälle das Schlimmste: „Mit der geistigen Behinderung können wir gut leben. Meine Tochter führt in Werkstatt und Wohnheim ein ganz normales Leben. Aber wenn ein großer Anfall kommt, das ist das Schlimmste, dann ist Alarm. So etwas geht einem nicht aus dem Kopf … Wie oft denke ich mir: Hoffentlich stößt ihr nichts zu.“ Das Zitat zeigt, dass epileptische Anfälle eine stetige Belastung bleiben können. Der Verdacht, Frau B. „würde ihre Tochter nur überbehüten“ und hätte „ein Loslösungsproblem“ ist zunächst nur stigmatisierend und verhindert die gemeinsame Beratung konstruktiver Lösungsansätze (vgl. KASSEBROCK 1990, 98). Denn epileptische Anfälle erzeugen a priori Hilflosigkeit: Anfallszeitpunkt, Sturzrisiken und die Ohnmacht des Kaum-helfen-Könnens als Ersthelfer sind Ereignisse, die zum Bei- Geistige Behinderung 1/05, 44. Jg. Epilepsie: Mehr wissen und anders handeln durch PEPE spiel auch Mitarbeiter in heilpädagogischen Einrichtungen belasten (vgl. PFÄFFLIN/ ENDERMANN 1995, 66 ff.). Zudem bleiben Eltern und heilpädagogische Mitarbeiter in vielfältiger Weise involviert. Je nach Autonomie des Epilepsieerkrankten organisieren und begleiten sie Arztbesuche, überwachen die Medikamenteneinnahme, achten auf mögliche Gefahren und sind bei Anfällen schnell zur Stelle. Professionelle müssen sich zusätzlich rechtlich absichern, indem sie Haftungsfragen klären. In Bezug auf eine Erweiterung des Programms könnte also erwogen werden, das nächste Umfeld in die psychoedukativen Bemühungen mit einzubeziehen, damit die bestehende „Unsicherheit und Hilflosigkeit reduziert und gleichzeitig einer Überforderung vorgebeugt“ werden kann (PETERMANN 1996, 17). Ein gerade in Bezug auf die Erkrankung Epilepsie äußerst wichtiger Aspekt. Damit soll nicht für eine durchgängige gemeinsame Beschulung von Betroffenen und Angehörigen und Fachkräften plädiert werden. Psychoedukation bedeutet ja in erster Linie die unabhängige und selbstständige Auseinandersetzung. Gleichbetroffene mit geistiger Behinderung sollen auch unter sich bleiben können (Bedeutung der Peer-Group). Kritisches Resümee In PEPE steckt Empowerment! Es unterstützt die Autonomie durch die psychoedukativen Bildungsziele „mehr Wissen und anders Handeln“ didaktisch erfolgreich. Unterstützt durch einen abwechslungsreichen Medieneinsatz (Beamer für Videoclips und Folien, Flipchart, Arbeitspapiere) gelingt es nicht nur, zentrale inhaltliche Fragen verständlich zu vermitteln (Epilepsie, Arbeit, Wohnen), sondern krankheitsbezogene Probleme auch dialogisch zu erörtern. Hier wird deutlich, dass PEPE mit Betroffenen und aus deren Perspektive entwickelt wurde. Damit die Beamer-Präsentationen, die den inhaltlichen Rahmen und den zeitlichen Rhythmus der Kursstunden prägen, nicht auf Kosten individueller Ausdrucksweisen der Teilnehmer gehen, ist von den Kursleitern pädagogisches Fingerspitzengefühl und gestalterische Flexibilität gefordert. PEPE will schließlich ein teilnehmerorientiertes und bedarfsgerechtes Konzept sein. Ein tendenziell offen gestaltetes Curriculum birgt gute Chancen, dass die Teilnehmer Wünsche, Bedürfnisse und Befindlichkeiten formulieren können, die der Moderator dann im weiteren Verlauf bedenken kann. Die Subjektivität der Teilnehmer zu erschließen und ihre Problemlagen intensiv aufzunehmen, ebnet den Weg zu mehr Autonomie (vgl. THEUNISSEN/PLAUTE 1995, 64). PEPE sollte vor allem in Einrichtungen der Behindertenhilfe regelmäßig zur Anwendung kommen. Ermutigend ist, dass die Münchner Gruppe sich seit Beendigung der Schulung im Januar 2003 eine Wiederholung des Kurses wünscht. PEPE ist ein wirksames Instrument, mit dem sich Menschen mit geistiger Behinderung neue Handlungsmöglichkeiten eröffnen können – nicht trotz der Epilepsie, sondern mit ihr. ■ Geistige Behinderung 1/05, 44. Jg. 19 20 Peter Brodisch, Verena Schlude Kurzfassung Chronische Erkrankungen wie Epilepsie werfen neben den medizinischen in der Regel zahlreiche psychosoziale Fragestellungen auf, die von epilepsiekranken Menschen mit geistiger Behinderung oft nicht ohne Unterstützung bewältigt werden können. Psychoedukative Schulungsprogramme informieren über die Erkrankung mit dem Ziel, die Betroffenen als selbstbestimmte und selbstsichere „Experten ihrer Erkrankung“ zu qualifizieren. Dadurch soll ihnen eine bessere Bewältigung der medizinischen und psychosozialen Schwierigkeiten ermöglicht werden. Für Menschen mit Epilepsie und zusätzlicher geistiger Behinderung existiert mittlerweile das Psychoedukative Programm Epilepsie (PEPE). Im Rahmen einer Diplomarbeitsstudie zu PEPE in München konnten aufbauende Effekte bezüglich der subjektiven Krankheitsbewältigung bei den Teilnehmern beobachtet werden. Die positiven Ergebnisse von PEPE ermutigen die Autoren zu der Anregung, psychoedukative Programme in Zukunft auch für Angehörige und für Fachkräfte der Behindertenhilfe zu konzipieren. Abstract Epilepsy: Knowing More and Acting Differently with PEPE. Experiences with the Psycho-Educational Epilepsy Training ”PEPE“ for People with Learning and Intellectual Disabilities. Chronic diseases such as epilepsy do not only pose medical but also a lot of psycho-social questions that usually cannot be solved without help by the people concerned. Psycho-educational training programmes offer information about the disease in order to turn the people into self-confident and self-determined ”experts of their disease“. The aim is to make them cope with medical and psychosocial problems. For people with epilepsy and an additional intellectual disability the Psycho-Educational Programme Epilepsy (PEPE) is now being offered. As part of a Munich dissertation study on PEPE positive effects as to a subjective coping with the disease could be observed. Based on these experiences the extend to which psycho-education can help the people concerned to effectively deal with their disease is discussed. The positive results of PEPE encourage to develop further programmes for relatives and staff. 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Treffen der Führungskräfte aus Werkstätten für behinderte Menschen der Lebenshilfe für Geschäftsführungen, Werkstattleitungen, Leitungen Begleitender Dienste, Verwaltungsleitungen, Leitungen des QM-Systems Teilnahmebeitrag: 395,00 Euro, unter der Nummer 05252 bei Heidi Becker, Tel.: (0 64 21) 4 91-1 72, Direktfax: (0 64 21) 4 91-6 72, E-Mail: Heidi.Becker@Lebenshilfe.de (inkl. Abendbuffet und Unterhaltungsprogramm am Mittwoch, Mittagessen am Donnerstag, Lunchpaket am Freitag) Geistige Behinderung 1/05, 44. Jg. 21 22 Manfred Hintermair, Gerda Hülser Was Familien mit mehrfachbehinderten hörgeschädigten Kindern brauchen Zusammenfassende Ergebnisse einer qualitativen Studie Manfred Hintermair, Gerda Hülser Zum Ziel der Studie* ■ Der Anlass für die Durchführung einer kleinen qualitativen Studie zur Situation von Familien mit mehrfachbehinderten hörgeschädigten Kindern, über deren Ergebnisse hier zusammenfassend berichtet werden soll, war die Tatsache, dass diese Zielgruppe mit ihren spezifischen Anliegen im Kontext der aktuellen Diskussionen der Hörgeschädigtenpädagogik (Cochlea-Implantat, Bilingualismus etc.) nicht immer die Aufmerksamkeit findet, die ihr eigentlich zukommen sollte (vgl. JONES & JONES 2003; KNOORS & VERVLOED 2003). Das ist aus zwei Gründen erstaunlich: • Zum einen ist die Gruppe, um die es sich handelt, keine kleine. Die Zahlen, die vorliegen, schwanken je nach herangezogener Bezugsgruppe zwischen ca. 20 % und 35 % aller hörgeschädigten Kinder. Nimmt man als Vergleichsgruppe hörgeschädigte Kinder aus dem vorschulischen Bereich, so wird die Anzahl der Kinder mit einer zusätzlichen Beeinträchtigung zumeist im Bereich um die 20 % genannt (vgl. DILLER et al. 1997: 21, 4 %, HARTMANN 1974: 22,4 %, MEADOW-ORLANS et al., 1995: 20 %). Nimmt man hingegen als Vergleichsgruppe hörgeschädigte Kinder im Schulalter, bewegen sich die Zahlen im Bereich von 30 % und mehr (HOLDEN-PITT & DIAZ 1998: 34 %, MEADOW-ORLANS et al. 1995: 33 %, MEADOW-ORLANS et al. 1997: 32 %, SCHWOPE 1995: 29,9 %). Als Grund für diese Differenzen wird angeführt, dass viele Kinder in frühem Alter noch nicht als „zusätzlich beeinträchtigt“ erkannt werden bzw. dass häufig klare Diagnosen nicht gestellt werden können (oder gestellt werden wollen; vgl. zum Problem der Diagnostik von Mehrfachbehinderungen JONES & JONES 2003, 306 ff.). Wenn auch die Quellen, aus denen die Daten für diese berichteten Zahlen stammen, nicht immer ganz zuverlässig sind (a.a.O. 2003, 305 f.), so ist dennoch festzuhalten, dass die Zahlen, die in bestimmten Zeiträumen fortlaufend erhoben werden, recht konstant sind (vgl. Center on Assessment and Demographic Studies CADS, HOLDEN-PITT & DIAZ 1998). Diese durchaus hohe Zahl an Mehrfachbehinderungen verwundert nicht, wenn man weiß, dass die meisten Ursachen für eine Hörschädigung auch mögliche Ursachen für eine Entwicklungs- oder Lernbeeinträchtigung sind (z. B. Frühgeburt, Meningitis, Röteln, Gelbsucht, Sauerstoffmangel, Medikamentenmissbrauch etc.; vgl. DAS 1996). Damit ist die Prävalenzrate für Entwicklungs- und Lernprobleme bei hörge* Die Autorin und der Autor danken der Pädagogischen Hochschule Heidelberg und der Regens-Wagner-Stiftung, Hohenwart für die Unterstützung bei der Durchführung der Studie. Geistige Behinderung 1/05, 44. Jg. Was Familien mit mehrfachbehinderten hörgeschädigten Kindern brauchen schädigten Kindern im Vergleich zur hörenden Population signifikant erhöht (FUNDERBERG 1982; ROWELL 1987). Neben der Tatsache, dass nahezu ein Drittel aller hörgeschädigten Kinder eine zusätzliche Behinderung hat, kommt hinzu, dass man aus vielen Fragebogenstudien ziemlich verlässlich weiß, dass die Eltern dieser Kinder in besonderer Weise belastet sind, was sich in durchwegs signifikant erhöhten Belastungswerten niederschlägt. Die Vermutung ist naheliegend, dass sich bei Eltern, deren Kinder zusätzlich zur Hörschädigung auch noch eine andere Beeinträchtigung aufweisen, die Belastung durch die „Doppelanforderung“ entsprechend potenziert. Die hierzu vorliegenden Studien bestätigen dies durchgehend (vgl. HINTERMAIR et al. 2000; HINTERMAIR 2002; KNOOP 1996; MEADOW-ORLANS et al. 1995; PIPP-SIEGEL et al. 2002). Was man ergänzend zu der erhöhten Belastung erwähnen muss, ist, dass wiederum in Fragebogenstudien die erlebte soziale Unterstützung von dieser Elterngruppe geringer eingeschätzt wird als im Fall der Eltern mit einem hörgeschädigten Kind (vgl. HINTERMAIR et al. 2000; MEADOW-ORLANS et al. 1997). So konnte z. B. festgestellt werden, dass es vor allem fehlende praktische Unterstützung (konkrete Hilfen im Alltag wie z. B. Hilfe bei Behördengängen, Abnahme von Aufgaben im Alltag etc.) ist, an der es Eltern mit einem mehrfachbehinderten hörgeschädigten Kind mangelt (HINTERMAIR et al. 2000). Obwohl sich aus der genaueren Analyse der Fragebogendaten bereits eine Reihe stichhaltiger Schlüsse ableiten lässt, warum die Situation für Eltern mehrfachbehinderter hörgeschädigter Kinder besonders schwierig ist bzw. werden kann, erschienen uns die vorliegenden Daten noch nicht als ausreichend, um die Situation dieser Familien wirklich umfassend begreifen zu können. Es gilt, genauer zu klären und zu präzisieren, was sich hinter den Fragebogendaten an konkreten Problemlagen und konkreten Bedürfnissen verbirgt. Mit einem differenzierten Wissen hierüber lassen sich anschließend sehr viel ziel- und bedarfsgenauer Beratungs- und Förderkonzepte für diese Zielgruppe realisieren (vgl. hierzu z. B. GIANGRECO et al. 1991; McCRACKEN & SUTHERLAND 1991). Die kleine qualitative Studie, über deren Ergebnisse hier knapp zusammenfassend berichtet wird, verfolgte das Ziel, aus der Perspektive von Eltern die von ihnen als wesentlich erlebten Belastungen zu beschreiben und ihren daraus erwachsenden Unterstützungsbedarf im Kontext eines am Empowerment orientierten Verständnisses von Entwicklung zu formulieren (vgl. ausführlich HINTERMAIR & HÜLSER 2004). Zur Durchführung der Studie Stichprobe: Alle Eltern (N = 65) einer Einrichtung für mehrfachbehinderte Hörgeschädigte in Oberbayern wurden zu Beginn des Schuljahrs 2001/2002 über das Anliegen der Studie informiert und bei Interesse an der Teilnahme gebeten, sich bei der Psychologin der Einrichtung zu melden. Schließlich konnte mit 12 Familien (18,5%) ein Termin zu einem Gespräch vereinbart werden. Zu diesem Termin erschienen 12 Mütter und aus einer Familie auch der Vater. Es ist ergänzend zu erwähnen, dass eine der Mütter zwei Kinder mit Hörschädigung und Mehrfachbehinderung hat. Geistige Behinderung 1/05, 44. Jg. 23 24 Manfred Hintermair, Gerda Hülser Die befragten Eltern sind im Schnitt zwischen 35 und 48 Jahre alt (M = 41.6; s = 4.2) und alle gut hörend. Zwei Mütter haben einen Gymnasialabschluss, drei der Mütter sowie der Vater einen Realschulabschluss, die restlichen sechs Eltern haben einen Hauptschulabschluss (eine Mutter machte keine Angaben). Damit sind im Vergleich zur deutschen Gesamtbevölkerung (vgl. Statistisches Bundesamt, 2002) keine signifikanten Unterschiede in der Verteilung der Bildungsabschlüsse festzustellen (χ2 = .23; χ2 0.05;2 = 5.99). Sieben der Kinder sind Mädchen (58,3%) und fünf Jungen (41,7 %). Damit sind Mädchen in dieser Studie im Vergleich zu anderen deutschsprachigen Untersuchungen deutlich stärker vertreten. (vgl. z. B. HINTERMAIR 2002; HINTERMAIR et al. 2000). Das mittlere Alter der Kinder beträgt ca. dreizehn Jahre (M = 12.9; s = 3.4). Konkret heißt das, dass zehn Kinder zum Interviewzeitpunkt älter als zehn Jahre alt waren. Lediglich bei der Mutter mit den zwei mehrfachbehinderten Kindern ist das Alter wesentlich jünger (sechs bzw. zehn Jahre). Damit wird klar, dass wir es im Schnitt mit einer Elterngruppe zu tun haben, die einen großen Teil des Lebens mit ihrem Kind bereits hinter sich hat und damit mit einer gebührenden Distanz auf vielfältige Erfahrungen zurückblicken kann. Gleichzeitig muss in Betracht gezogen werden, dass die Erfahrungen dieser Elterngruppe sich möglicherweise nicht mehr mit der aktuellen Situation in Deckung bringen lassen. Acht der dreizehn Kinder (61,5%) haben nach Angaben der Eltern eine leicht- bis mittelgradige Hörschädigung. Fünf Kinder werden von ihren Eltern als hochgradig schwerhörig eingestuft und nur eines als resthörig bzw. gehörlos. Keines der Kinder hat ein Cochlea-Implantat. Entsprechend geben auch die acht Eltern (61,5%), deren Kind eine leicht- bis mittelgradige Hörschädigung hat, an, dass sie in der Kommunikation mit ihrem Kind rein lautsprachlich kommunizieren, während die anderen fünf Eltern laut- und gebärdensprachliche Mittel in der Kommunikation mit ihrem Kind benutzen. Alle Kinder haben neben der Hörschädigung ein Problem bzw. mehrere zusätzliche Probleme, wobei in jedem Fall eine mehr oder minder deutliche kognitive Beeinträchtigung festzuhalten ist. Befragungsinstrumente: Es wurde mit den Eltern ein halbstandardisiertes Interview durchgeführt. Der Leitfaden enthielt sechs Themenschwerpunkte, die in jedem Interview in irgendeiner Form zu irgendeinem Zeitpunkt angesprochen werden sollten. Dies ist bei allen Familien problemlos gelungen. Dabei wurde bei einigen Bereichen jeweils unterschieden zwischen dem Erleben der aktuellen Situation und der erinnerten Situation ganz am Anfang oder noch vor einigen Jahren. So wurde es möglich, Veränderungen, aber auch unterschiedliche Belastungs- und Unterstützungsaspekte über die Zeit zu beschreiben (vgl. HINTERMAIR & HÜLSER 2004): • Situation des Kindes: Welche Handicaps hat das Kind, welche Beeinträchtigungen sind damit für das Kind verbunden etc.? • Befindenslage der Eltern (mehr emotional): Wie geht/ging es den Eltern mit ihrer Situation, fühlen/fühlten Sie sich belastet oder vielleicht sogar überlastet; oder haben/hatten Sie die Situation mit ihrem Kind gut im Griff etc.? • Anforderungs-/Belastungslage für die Eltern (mehr konkret-real): Was fällt/fiel alles an Aufgaben an, die die Eltern im Zusammenhang mit der Entwicklung ihres Kindes zu bewältigen haben/hatten? Dabei ist nicht nur an die unmittelba- Geistige Behinderung 1/05, 44. Jg. Was Familien mit mehrfachbehinderten hörgeschädigten Kindern brauchen ren Förder-/Betreuungsaufgaben zu denken, sondern auch an Belastungen, die aus der sozialen Situation heraus (Umfeld, Familie, Gemeinde, Nachbarn, Behörden, etc.) entstehen/entstanden. Wie sehen/sahen diese aus? Wie schaffen/schafften das die Eltern? • Unterstützungssituation: Wie gut fühlen/fühlten sich die Eltern in der Wahrnehmung ihrer Erziehungsaufgabe und der Bewältigung des Alltags unterstützt? Wenn Hilfe da ist/war, von wem kommt/kam sie in welcher Form? • Unterstützungsbedarf: Wünschen/wünschten sich die Eltern mehr Unterstützung? In welchen Bereichen wünschen/wünschten sie sich mehr Unterstützung? Wie sollte diese Unterstützung aussehen? Von wem könnte diese Unterstützung kommen bzw. von wem hätte sie kommen müssen? • Wünsche an die Zukunft: Welche Wünsche haben die Eltern für sich und für die Entwicklung bzw. Zukunft ihres Kindes? Die Interviews wurden von der Psychologin der Einrichtung durchgeführt, die auf Grund ihrer beruflichen Qualifikation hierfür in optimaler Weise qualifiziert war. Dass sie festangestellte Mitarbeiterin der Einrichtung ist, in der die Kinder der beteiligten Eltern beschult werden, ist für die erhobenen Daten nur in Bezug auf die Frage der aktuellen Zufriedenheit mit der fachlichen Betreuung relevant; dieser Aspekt, der zweifelsohne vom Faktor der sozialen Erwünschtheit mit bestimmt wird, macht aber insgesamt nur einen kleinen Teil der Erzählungen der Eltern aus. Die Gespräche mit den Eltern wurden auf Tonband aufgenommen, von einer studentischen Hilfskraft erfasst und anschließend nach den Richtlinien qualitativer Auswertungsmethoden analysiert (vgl. CROPLEY 2002; MAYRING 2002). Es wurden anhand der getroffenen Aussagen Inhaltseinheiten herausgearbeitet. Aus diesen wurden anschließend analytische Kategorien gebildet, in denen gemeinsame sinntragende Inhaltseinheiten zusammengefasst wurden. Ihnen liegt derselbe psychologische bzw. pädagogische Sachverhalt zugrunde (a.a.O. 130). Die Zuordnung der Antworten zu den Kategorien erwies sich insgesamt als unproblematisch. Sie wurde durch eine Kollegin des Forschungsteams kontrolliert. Die Aussagen, bei denen Unsicherheit bzw. Unklarheit aufkamen, wurden in Analogie zum Vorgehen bei der kommunikativen Validierung (LAMNEK 1993, 166) gemeinsam diskutiert; anschließend wurde über die Zuordnung befunden bzw. bei Nichteinigung von einer Zuordnung der Aussage Abstand genommen. Es sei an dieser Stelle erwähnt, dass den Eltern am Tag des Interviews zusätzlich ein Fragebogen ausgehändigt wurde, den sie entweder sofort am Ende des Interviews ausfüllen oder später zu Hause bearbeiten und zusenden konnten. Er enthielt zum einen eine Reihe demographischer Fragen zur Situation der Familien (bezüglich des Kindes: Alter, Geschlecht, Hörstatus, Cochlea-Implantat; bezüglich der Eltern: Alter, Geschlecht, Hörstatus, Bildungsstatus, Kommunikationsmodus mit dem Kind [Lautsprache/Gebärden]), zum anderen einen Bogen zum Belastungserleben, einen zum Kohärenzerleben und einen zur erlebten sozialen Unterstützung. Über die Ergebnisse wird in dieser Arbeit nicht berichtet (sie bestätigen jedoch die in der CopingForschung beschriebenen Zusammenhänge zwischen personalen Ressourcen, sozialer Unterstützung, Belastungserleben und allgemeiner Lebenszufriedenheit). Geistige Behinderung 1/05, 44. Jg. 25 26 Manfred Hintermair, Gerda Hülser Zu den Ergebnissen und Empfehlungen Im Folgenden sollen die wichtigsten Befunde im Kontext anderer vorliegender Studien dargestellt und diskutiert werden (vgl. ausführlich HINTERMAIR & HÜLSER, 2004). Wir wollen dabei Eckpunkte einer Beratungs- und Förderkonzeption formulieren, die die (Wieder)Erlangung von Souveränität und Selbstbestimmung der Familien ins Zentrum der Bemühungen stellt. Das Zusammenleben mit dem mehrfachbehinderten Kind Die Aussagen der Eltern haben gezeigt, dass sich ihre Situation im konkreten Zusammenleben mit ihrem Kind in einer Reihe von Aspekten deutlich unterscheidet von der Situation von Familien, die ein „nur“ hörgeschädigtes Kind haben. Die Eltern berichten von Schwierigkeiten und erhöhtem zeitlichen Aufwand in der Pflege, Versorgung und der Entwicklungsförderung ihrer Kinder, von den sehr viel größeren Problemen, eine kommunikative Beziehung zu ihrem Kind aufzubauen sowie von einer Reihe besonderer Verhaltensweisen des Kindes, die den Alltag, vor allem bei Außenkontakten, sehr oft schwierig, unberechenbar und kraftraubend machen (vgl. BROWN & CLOKE 1999; McCRACKEN 1998; SCHUYLER & RUSHMER 1987; WATKINS et al. 1994). Diese Erfahrungen, die zu Beginn des Lebens mit dem Kind als besonders fordernd erlebt werden, verändern sich über die Zeit hin durchweg bei allen Familien zum Positiven, dennoch bleiben die Anforderungen auf einem erhöhten Niveau bestehen, und es kommen in jeder neuen Phase der Entwicklungen neue Herausforderungen auf die Familien zu (Pubertät, Internatsbesuch, Auseinandersetzung des Kindes mit seiner Behinderung etc.). Vor allem ein ausgewogenes Verhältnis zwischen „Dasein für das Kind“ und „Loslassen können“ zu finden, wird als besonders schwierig erlebt (vgl. MEADOW-ORLANS et al. 2003, 71 f.). ➞ Empfehlung: Die Verfügbarkeit familienunterstützender Dienste wurde von knapp 60% (N = 7) der Eltern als sehr bedeutsam und notwendig hervorgehoben (vgl. auch ENGELBERT 1999, 212). Auf Grund der Tatsache, dass die Erziehung und Förderung eines mehrfachbehinderten hörgeschädigten Kindes sehr viel mehr Zeit und Energie in Anspruch nimmt, ist die Schaffung von Freiräumen notwendig, in denen die Eltern die Zeit und die Möglichkeit finden, sich sowohl anderen Dingen des Lebens zuzuwenden als auch Entspannung zu erleben und zu genießen, um daraus neue Kraft zu schöpfen. Dies trägt zur Normalisierung des Alltags (Zeit für Erledigungen, Zeit zur Pflege der Partnerbeziehung, Zeit für die anderen Kinder, Zeit für den Erhalt freundschaftlicher Beziehungen, Zeit, beruflichen Interessen nachzugehen etc.) und damit zur Stabilisierung der elterlichen Identität bei. Familienunterstützende Dienste oder Angebote sehen in den verschiedenen Phasen der kindlichen Entwicklung durchaus unterschiedlich aus: Während in den frühen Jahren Entlastung schwerpunktmäßig im unmittelbaren Raum der Familie angesagt ist (Babysitterdienste etc.), die im Prinzip vor Ort gemeindenah organisiert sein müsste, dienen in späteren Jahren die Schulen und nicht zuletzt auch Internate als wichtige Entlastungsträger. Je älter die Kinder werden, desto mehr sind Angebote gefragt, in denen auch andere behinderte und nichtbehinderte gleichaltrige Kinder dabei sind, um das Bedürfnis der Kinder nach Begegnungen und Erfahrungen mit Gleichaltrigen (peer-group) zu befriedigen. Nach Ergebnissen einer Befragung wird der Geistige Behinderung 1/05, 44. Jg. Was Familien mit mehrfachbehinderten hörgeschädigten Kindern brauchen Bedarf an solchen familienunterstützenden Diensten und Angeboten als wesentlicher Bestandteil eines umfassenden psychosozialen Gesundheits- und Versorgungssystems vor allem von Fachleuten noch nicht in ausreichendem Maße realisiert (vgl. HINTERMAIR 2004). Alltagsbewältigung Eine Mehrfachbehinderung führt in der Praxis in aller Regel dazu, dass unterschiedliche Fachleute am Prozess der Diagnose und der sich anschließenden Intervention beteiligt sind – je komplexer das Erscheinungsbild, desto mehr Fachleute. Viele Eltern haben sehr anschaulich davon berichtet, wie sich die Gestaltung ihres Alltags in Folge der Behinderung ihres Kindes verändert hat. Das „In-Anspruch-nehmenMüssen“ vielfältiger Termine mit dem behinderten Kind hat zur Folge, dass einerseits das Planen, Organisieren und Wahrnehmen solcher Termine (häufigere Arztbesuche, das Aufsuchen verschiedener Therapien wie Krankengymnastik, Logopädie, Ergotherapie, Frühförderung etc.) dem Management eines Kleinbüros gleichkommt, zum anderen dadurch andere Aufgaben eines „normalen“ Alltags (Einkaufen, Haushalt besorgen, sich um die Geschwisterkinder kümmern, die Partnerbeziehung pflegen etc.) häufig zu kurz kommen, was bei vielen Müttern ein schlechtes Gewissen zurücklässt, das sich nicht so einfach wegreden oder auflösen lässt. Wie soll das Leben normal weitergehen, wenn sämtliche Koordinaten des bisherigen Lebens von einem Tag auf den anderen ihre Gültigkeit eingebüßt haben? Es scheint nach allem, was an Aussagen hierzu vorliegt, den Eltern ziemlich allein überlassen zu sein, sich wichtige Informationen zu beschaffen und vor allem auch die Koordination aller Arrangements zu übernehmen. Fast alle Eltern, mit denen wir gesprochen haben, haben ausdrücklich bemängelt, dass sie sich praktisch alles, was im Zusammenhang mit der Förderung und Entwicklung des Kindes wichtig und hilfreich sein kann, selbst zusammensuchen mussten. Dies wird auch in anderen Studien bestätigt (vgl. BROWN & CLOKE 1999; GIANGRECO et al. 1991; MEADOW-ORLANS et al. 1995; SCHUYLER & RUSHMER 1987). ➞ Empfehlung: Aus diesem Grunde wäre es neben der oben bereits beschriebenen Notwendigkeit familienunterstützender Dienste von größter Wichtigkeit und größtem Nutzen, wenn Eltern mehrfachbehinderter hörgeschädigter Kinder möglichst umgehend (d. h., noch in der Klinik) eine zentrale Anlaufstelle mit einem Ansprechpartner bzw. einer Kontaktperson vermittelt bekommen, die mit ihnen gemeinsam die anstehenden Aufgaben der nächsten Zeit angeht. Elf Eltern (91,7 %) haben dies für äußerst wichtig erachtet. MEADOW-ORLANS et al. (1995, 286) sprechen ebenfalls von der Notwendigkeit eines „case managers“. Solche Stellen sind zu schaffen, und es ist in geeigneter Weise (Faltblatt, Internetportal etc.) darauf hinzuweisen. Behinderungsbewältigung Die Verarbeitung der Mehrfachbehinderung des Kindes stellt sich nach dem, was uns die Eltern erzählt haben, nicht grundlegend anders dar als das, was wir von Verarbeitungsprozessen aus anderen Familien mit hörgeschädigten Kindern wissen Geistige Behinderung 1/05, 44. Jg. 27 28 Manfred Hintermair, Gerda Hülser (vgl. SCORGIE et al. 1998; YAU & LI-TSANG 1999). Auch hier erweist es sich als angemessener, nicht in Phasenverläufen zu denken, sondern die individuelle Situation jeder einzelnen Familie in den Blick zu bekommen und sorgfältig im Einvernehmen mit den Eltern und deren aktueller Situation nach gemeinsamen Zielen und Perspektiven zu suchen und daran zu arbeiten. Die vielfältigen Aussagen der Eltern zur Akzeptanz zeigen, dass Behinderungsbewältigung ein sehr individueller Prozess ist, bei dem im Laufe des Lebens immer wieder auch neue Antworten auf neu anstehende Fragen gefunden werden müssen. Eine Erschwernis für Familien mit mehrfachbehinderten hörgeschädigten Kindern ergibt sich häufig dann, wenn – was nicht zu selten vorkommt – die einzelnen Diagnosen nicht in einem engen Zeitraum erfolgen, sondern sich zeitlich weit verteilen. Vor allem eine Hörschädigung wird bei mehrfachbehinderten Kindern nicht selten später entdeckt und verursacht dadurch eine Wiederholung bzw. Reaktivierung von Verarbeitungsprozessen, was zusätzlich viel Kraft erfordert und von Eltern oft zunächst verständlicherweise mit Abwehr beantwortet wird. Es scheint nach den Berichten der Eltern auch so zu sein, dass die Angst bezüglich der Entwicklung und der Zukunft des Kindes ein Faktor ist, der bei diesen Familien auf Grund der vielfältigen Probleme des Kindes eine besondere Rolle spielt und somit zusätzlich dazu beiträgt, dass die so genannte Bewältigung der Behinderung in diesen Familien ein sehr labiler Prozess ist und bleibt. ➞ Empfehlung: Im Hinblick auf die Behinderungsbewältigung wie auch auf eine differenzierte und ganzheitliche Entwicklungsförderung des Kinde scheint es von großem Nutzen zu sein, wenn die Behinderungen möglichst früh erkannt werden. Auch die Eltern unserer Studie haben zum Ausdruck gebracht, dass dies sehr viel geholfen hätte und so Entwicklungsversäumnisse hätten vermieden werden können. Die Probleme bei der Diagnostik von Mehrfachbehinderungen sind hinreichend bekannt (vgl. JONES & JONES 2003: „deafness may mask other disabilities, ... other disabilities may mask deafness“; 307 f.). Hinzu kommt, dass es – vor allem für junge hörgeschädigte Kinder mit einer Mehrfachbehinderung – keine adäquaten Erfassungsinstrumentarien mit entsprechenden Normierungen gibt. Angesichts dieser Situation empfehlen KNOORS und VERVLOED (2003, 87) ein interdisziplinäres, ganzheitlich ausgerichtetes diagnostisches Vorgehen über gezielte und differenzierte Verhaltensbeobachtungen, wobei das Gelingen dieses Vorgehens stark von der Erfahrung der Diagnostiker und vor allem auch ihrer kommunikativen Kompetenz in der Begegnung mit mehrfachbehinderten hörgeschädigten Kindern abhängt. Das mehr und mehr flächendeckend zum Einsatz kommende Neugeborenenscreening lässt hier auch in den nächsten Jahren positive Entwicklungen bei der Diagnostik von Mehrfachbehinderungen erwarten. Die vorliegenden Befunde zeigen, dass mit einer früheren Erfassung von hörgeschädigten Kindern (und damit verbunden einer früher einsetzenden Beratung und Förderung) eindeutig verbesserte Entwicklungsergebnisse in sprachlicher, kognitiver und sozial-emotionaler Hinsicht einhergehen (vgl. CARNEY & MOELLER 1998; YOSHINAGA-ITANO 2003). Geistige Behinderung 1/05, 44. Jg. Was Familien mit mehrfachbehinderten hörgeschädigten Kindern brauchen Erfahrungen in den natürlichen Netzwerken Eine Vielzahl von negativen wie positiven Erlebnissen wurden von den Eltern über ihre Begegnungen mit anderen Menschen in ihrem näheren und weiteren sozialen Umfeld berichtet. Die Erfahrungen in den natürlichen Netzwerken der Eltern enthalten Ermutigendes wie Deprimierendes in gleicher Weise. Insgesamt zeigen sie deutlich den Stellenwert einer guten Partnerbeziehung sowie der Geschwister, die Funktion hilfreicher Kontakte innerhalb der Familie (vor allem Unterstützung von den eigenen Eltern), aber auch die entspannende und stützende Rolle, die Beziehungen mit Freunden und Bekannten haben können. Es bestätigen sich hier all die Ergebnisse, die wir aus zahlreichen anderen Studien zur Bedeutung sozialer Unterstützung für die Entwicklung und Erhaltung psychischer Gesundheit kennen (CALDERON & GREENBERG 1999; HINTERMAIR et al. 2000; KOESTER & MEADOWORLANS 1990; MEADOW-ORLANS 1994). ➞ Empfehlung: Wenn man das in zahlreichen Studien belegte erhöhte Anforderungs- und Belastungsniveau der Familien mit mehrfachbehinderten hörgeschädigten Kindern zur Kenntnis nimmt, dann wird deutlich, wie sehr Beratung und Förderung dieser Zielgruppe den Aspekt der sozialen Beziehungen berücksichtigen müssen. Dabei wird professionelle Beratung nicht automatisch und direkt zur Verbesserung natürlicher Netzwerkbeziehungen beitragen können, aber sie kann einerseits als eigenständiges Stützsystem fungieren und andererseits „Ersatzsysteme“ wie Betroffenengruppen, Selbsthilfe etc. aktivieren, die helfen, Belastungen in bestimmten Bereichen durch Unterstützung in anderen Bereichen zu kompensieren oder zumindest besser aushalten zu können. Das trifft nicht zuletzt auch auf die Erfahrungen im weiteren sozialen Umfeld zu. Erfahrungen mit medizinischem Personal Eine in der Literatur immer als sehr wichtig herausgehobene Unterstützung (als Teil der so genannten künstlichen Netzwerke) sind die Beziehungen zu den Fachleuten, die sich der Situation der Familien annehmen. Wo sonst, wenn nicht gerade auch bei den Menschen, die das fachliche Know-how besitzen (sollten), über das Eltern nicht verfügen (können), sollten sie in besonderem Maße Unterstützung in ihrer schwierigen Situation erfahren? Die Aussagen der Eltern zeigen, dass dem nicht in allen Fällen so ist. Vor allem die Erfahrungen mit Ärzten – und hier insbesondere mit ärztlichem Personal in den Kliniken – machen deutlich, dass hier offensichtlich in hohem Maße Verbesserungen angesagt sind. Die Liste der Aufzählungen von Missständen in diesem Bereich ist lang und reicht von zum Teil verletzenden zwischenmenschlichen Umgangsformen über das „Nicht-ernst-Nehmen“ der Eltern, einem vorwiegend defizitorientierten Behinderungsbegriff, einer Inkompetenz bei der Diagnoseübermittlung bis hin zu fehlender Ganzheitlichkeit in der Betrachtung des Kindes und seiner Familie. All diese Aspekte werden auch durch andere Studien immer wieder bestätigt (BROWN & CLOKE 1999; JONES & JONES 2003; MEADOWORLANS et al. 2003; SZAGUN et al. 2003). Wir haben aber auch Beispiele ärztlicher Fürsorge erzählt bekommen, die zeigen, dass es nicht „die Ärzte“ schlechthin sind, die hier das Problem darstellen. Geistige Behinderung 1/05, 44. Jg. 29 30 Manfred Hintermair, Gerda Hülser ➞ Empfehlung: Da die Kliniken in aller Regel die erste Station sind, mit der Eltern zu Beginn ihres Lebens mit einem behinderten Kind in Kontakt kommen, soll der Aspekt der psychologischen Unterstützung für Familien mit mehrfachbehinderten hörgeschädigten Kindern an dieser Stelle besonders hervorgehoben werden, wiewohl er in allen Phasen der kindlichen Entwicklung eine zentrale Rolle spielt. 58,3% der Eltern (N = 7) haben explizit betont, dass vor allem am Anfang psychologische Unterstützung für sie besonders wichtig gewesen wäre. Psychologische Unterstützung meint dabei nicht, dass für alle Eltern eine Psychotherapie indiziert ist (obgleich einige sicherlich auch davon sehr profitiert hätten), sondern dass ihnen in einer Weise begegnet wird, die sie in ihrer schwierigen, oft verzweifelten Situation als Mutter oder Vater eines mehrfachbehinderten hörgeschädigten Kindes annimmt, dass ihnen mit Wertschätzung begegnet wird; dass sie in ihrem Selbstbewusstsein gestärkt werden, indem vor allem auch ihre Stärken betont und in der Zusammenarbeit hervorgehoben werden. Zudem ist es wichtig, dass die Fachleute im Dialog mit den Eltern auch gezielt Impulse zur psychischen Auseinandersetzung mit ihrer Situation setzen und sie darin begleiten, weil Eltern alleine dafür oft die Kraft nicht aufbringen. Es scheinen vor allem im Klinikbetrieb große Anstrengungen unternommen werden zu müssen, um hier zu dringend notwendigen Verbesserungen beizutragen. Eine eigene Studie zur genaueren Analyse der Bedingungen und Strukturen ärztlichen Handelns an Kliniken wäre hierzu im Vorfeld notwendig. Erfahrungen mit pädagogischem Personal Auch bei den Kontakten mit den pädagogischen Fachkräften zeigen sich sowohl Schatten als auch Sonnenschein, wobei hier im Vergleich zu den Erfahrungen mit Ärzten sehr viel mehr positive Erfahrungen vermittelt werden. Das liegt nicht zuletzt daran, dass alle zwölf Familien, mit denen wir gesprochen haben, eine Einrichtung gefunden haben, mit der sie derzeit sehr zufrieden sind. Die negativen Äußerungen beziehen sich vorwiegend auf frühere Einrichtungen, wobei sichtbar wird, wie wichtig es ist bzw. wäre, sehr früh gute, schnelle und vor allem richtige Diagnosen zu stellen, um anschließend in einem umfassenden Beratungsprozess eine Einrichtung zu finden, durch die das behinderte Kind und seine Familie fachgerechte Förderung und Beratung bekommen. Die von den Eltern geäußerten Beschwerden hatten häufig als Hintergrund das fehlende Wissen von Einrichtungen, mit einem mehrfachbehinderten hörgeschädigten Kind angemessen umgehen zu können (das betrifft die Diagnostik ebenso wie die Intervention). Was die Eltern zusätzlich zu einer fachlich kompetenten Beratung und Förderung noch zu schätzen wissen, sind Offenheit und Ehrlichkeit (auch in der Beschränktheit der eigenen Möglichkeiten), Stärkung der Eltern als Prinzip der Zusammenarbeit anstelle von Defizitorientierung sowie möglichst gute entscheidungsoffene Begleitung bei allen anstehenden schwierigen Fragen der Entwicklung des Kindes (vgl. MEADOW-ORLANS et al 2003, 74 f.). Zentral scheint für Eltern der Wunsch zu sein, das Gefühl zu haben, dass sie und ihr Kind mit allen Stärken und Schwächen, mit allen Besonderheiten angenommen und gemocht werden. ➞ Empfehlung: Es empfiehlt sich in Bezug auf die konkrete Entwicklungsberatung, -förderung und -therapie, einen Ansatz zu verfolgen, der sowohl familienzentriert Geistige Behinderung 1/05, 44. Jg. Was Familien mit mehrfachbehinderten hörgeschädigten Kindern brauchen als auch kindzentriert ausgerichtet ist, keinesfalls aber institutionen- oder professionenorientiert sein darf (JONES & JONES 2003, 322). Das heißt, dass die Aufgabe der Institutionen und der darin arbeitenden Fachkräfte nicht darin besteht, ihre „Philosophie“ von Erziehung und Förderung an die Familien und das Kind heranzutragen, sondern, umgekehrt, von den Bedürfnissen der Familien und des Kindes ausgehend, ein spezifisches Förderkonzept zu entwickeln, das in Passung steht mit deren Situation. Dazu ist es auch notwendig und hilfreich, sich bei dem Entwurf einer solchen Konzeption weniger an fachspezifischen Begrifflichkeiten und Kategorien zu orientieren als an konkreten individuellen Charakteristika der Kinder und den daraus erwachsenden Entwicklungs- und Förderbedürfnissen. Jegliche Überlegungen bezüglich des Orts der Förderung (Einrichtung für Hörgeschädigte, andere Einrichtung für behinderte Kinder etc.) oder des Fördercurriculums (lautsprachliche, gebärdensprachliche Kommunikation, total communication, taktile Förderung etc.) haben sich daran auszurichten. Kreativität – vor allem im Hinblick auf die Herstellung kommunikativer Beziehungen – ist hier gefragt, nicht Dogmatik (McCRACKEN 1998, 35). Die Entwicklungsförderung der Kinder hat sich an den Möglichkeiten des Kindes im Rahmen seines Lebensraums zu orientieren („ecological approach“; JONES & JONES 2003, 315) und nicht an bestimmten Entwicklungsstufen, die sich bei der Förderung anderer (behinderter) Kinder durchaus als brauchbar erweisen („developmental approach“; a.a.O., 314). Entwicklungsziele, die sich an der normalen Entwicklung orientieren, sind für mehrfachbehinderte Kinder häufig nicht realistisch und von daher für die konkrete Förderpraxis unwirksam. Um die vielfältigen Aufgaben der Entwicklungsförderung auf einen guten Weg zu bringen, sind regelmäßige „Helferkonferenzen“ abzuhalten, bei denen alle, die mit dem mehrfachbehinderten Kind in irgendeiner Form befasst bzw. in Kontakt sind (Eltern, Geschwister, Großeltern, Freunde, Frühförderer, Lehrer, Therapeuten, zuständige Behördenfachleute etc.), zusammenkommen, um sich über die Entwicklung des Kindes auszutauschen sowie auf diesem Wege gemeinsam möglichst viel über das Kind zu lernen und so die weiteren Ziele der nächsten Zeit festzulegen und die nötigen Maßnahmen dazu einzuleiten (a.a.O., 316). Angesichts des sowieso schon sehr strapazierten Alltags der Familie sind Ansätze zu favorisieren, bei denen möglichst eine Fachkraft als unmittelbarer Ansprechpartner der Eltern (und Entwicklungsbegleiter des Kindes) fungiert, andere Fachdienste aber beratend – sowohl für die unmittelbar betreuende Fachperson wie auch für die Eltern – im Hintergrund jederzeit verfügbar sind. Erfahrungen mit Behörden Erwähnt werden muss auch der Umgang von Behörden mit Familien mehrfachbehinderter hörgeschädigter Kinder. Dies ist deshalb von Bedeutung, da durch mehrere Behinderungen die Notwendigkeit der Kontaktaufnahme zu Behörden in vielfacher Hinsicht erhöht ist, sei es wegen der Genehmigung von Hilfsmitteln (Rollstuhl, Schienen etc.), sei es bezüglich der Realisierung von verschiedenen Fördermöglichkeiten. Geistige Behinderung 1/05, 44. Jg. 31 32 Manfred Hintermair, Gerda Hülser ➞ Empfehlung: Die Mitarbeiter in solchen Dienststellen sollten mit besonders hoher Sensibilität und einem Wissen ausgestattet sein, das über die Paragraphen der jeweiligen Gesetzestexte hinausgeht. Das heißt auch, dass sie in der Erlangung dieser Kompetenzen auch geschult oder weitergebildet werden müssen. Die berichteten Erfahrungen zeigen, dass dem nicht immer so ist. Erfahrungen mit gleichbetroffenen Familien Neben den Kontakten mit Institutionen (Ärzten, Pädagogen, Behörden) spielen seit jeher die Beziehungen zu anderen Familien, die in einer vergleichbaren Situation stehen, eine wesentliche Rolle bei der Bewältigung der durch die Behinderung des Kindes veränderten Lebenssituation. Auch die Erfahrungen der Eltern, mit denen wir gesprochen haben, bestätigen das eindrücklich. Zentrales Anliegen solcher Begegnungen ist das Anliegen, ein Forum des Austauschs und der Kommunikation herzustellen, auf dem sowohl auf der Informationsschiene als auch im Bereich des „Sich-emotional-gegenseitig-Stützens“ Möglichkeiten eröffnet werden (vgl. auch HINTERMAIR et al. 2000, 43 ff.; KRAUSS et al. 1993; SINGER et al. 1999). Was sich für die Gruppe der Eltern mehrfachbehinderter hörgeschädigter Kinder (vor allem am Anfang) als erschwerend erweisen kann in der Knüpfung solcher hilfreichen Beziehungen, ist die Tatsache, dass Mehrfachbehinderungen sehr individuelle Gebilde sind und es von daher nicht immer leicht ist, Eltern kennen zu lernen, die in einer etwa vergleichbaren Situation sind. Eltern, die ein „nur“ hörgeschädigtes Kind haben – so wird häufig berichtet –, befinden sich in einer anderen Situation, in der andere Themen wichtig sind und diskutiert werden, die für die Gruppe der mehrfachbehinderten Kinder in dieser Form nicht von Relevanz sind (z. B. das Thema „Lautoder Gebärdensprache“). ➞ Empfehlung: Ein wesentlicher Aspekt von Hilfe der Familien mit mehrfachbehinderten hörgeschädigten Kindern, der über die fachliche Betreuung hinausgeht und der auch von Fachleuten nicht abgedeckt werden kann, ist die Ermöglichung von Begegnungen mit anderen Eltern, die sich in einer vergleichbaren Situation befinden. Darauf haben viele Eltern dieser Studie verwiesen, die Bedeutsamkeit solcher Kontakte wird aber ebenso in vielen anderen Untersuchungen bestätigt (vgl. zusammenfassend HINTERMAIR et al. 2000, Kapitel 2). Es spielt dabei keine Rolle, in welchem formalen Rahmen solche Begegnungen stattfinden (Selbsthilfegruppen oder Gruppen/Treffen, die von der Einrichtung organisiert werden), wichtig ist, dass sie stattfinden, dass es möglichst vielfältige derartiger Angebote gibt und dass Eltern die Gelegenheit dazu eröffnet wird. Es hat sich als hilfreich erwiesen, Eltern durchaus gezielt auf solche Treffen hinzuweisen, da sie ohne Anstoß dazu nicht immer diesen Schritt wagen. Zum Schluss Es mag für manch einen im Zeitalter (versprochener) technologischer Machbarkeit und gentechnisch anvisiertem Perfektionismus wenig originell und zukunftsträchtig klingen, wenn abschließend festgehalten wird, dass das Hilfreichste für mehrfachbehinderte hörgeschädigte Menschen und ihre Familien ist, Behinderung und da- Geistige Behinderung 1/05, 44. Jg. Was Familien mit mehrfachbehinderten hörgeschädigten Kindern brauchen mit Menschen mit einer Behinderung als etwas Positives zu sehen (vgl. SCHUYLER & RUSHMER 1987). Hinter dieser Aussage stehen u. a. Ergebnisse sozialepidemiologischer Forschungen, wonach Minderheiten ihr Leben um so optimistischer und konstruktiver gestalten können, je positiver die Einstellung einer Gesellschaft gegenüber Minderheiten in ihren Reihen ist (RABKIN 1979). Angesichts der Tatsache, dass die gleichen technologischen Erneuerungen, die uns auf einer Ebene behinderungs- und krankheitsfreies Leben versprechen, auf einer anderen Ebene zunehmend behindertes Leben „produzieren“ (vgl. KNOORS & VERVLOED 2003, 92), macht deutlich, dass Behinderung bzw. Menschen mit Behinderung immer Bestandteile menschlichen Lebens sein werden. Das Recht auf Unvollkommenheit anzuerkennen, ist für ein Zusammenleben von Menschen in Würde und mit gegenseitiger Achtung in modernen Gesellschaften zentral: „Behinderte sind für die Gesellschaft ein lebensnotwendiges Korrektiv. Ein breiter Pflock mitten in einem Weg zur Höchstleistung und zum permanenten Glück. Ob Abfall oder Avantgarde, liegt nicht am Objekt, sondern allein am Zustand derer, die darüber entscheiden“ (OBERHOLZER 1993, 161). Das bedeutet: „... Behinderung entsteht nicht einfach so, weil jemand diese oder jene Insuffizienz aufweist. Entscheidend für das Entstehen von Behinderung ist das Bestehen von bestimmten gesellschaftlichen Vorstellungen darüber, was Behinderung ist“ (BONFRANCHI 1997, 107). Das heißt, dass eine Gesellschaft mit ihren Norm- und Wertvorstellungen darüber mit entscheidet, ob Leben leichter oder schwerer gelingen kann. Inwieweit eine Haltung, die positives Denken und Fühlen in Zusammenhang mit Behinderung bringt, in Zeiten eines zunehmenden Nützlichkeitsdenkens und umfassender Einsparungsmaßnahmen realistisch ist, sei dahingestellt – für ein friedvolles Zusammenleben von Menschen ist sie entscheidend. Für die mehrfachbehinderten hörgeschädigten Kinder ist dabei wichtig, dass sich die Gruppe der gehörlosen und schwerhörigen Menschen als Minderheit mit ihrer eigenen Minderheit der mehrfachbehinderten Hörgeschädigten solidarisch erklärt. LEVEN (2000) für den deutschen Sprachraum und JONES & JONES (2003) für den amerikanischen Sprachraum stellen fest, dass die Gehörlosenkultur häufig versuche, sich von den mehrfachbehinderten Hörgeschädigten abzugrenzen. Im Zuge der zunehmenden Anerkennung der Gebärdensprache und ihrer Benutzer in den letzten Jahren scheinen hier jedoch Veränderungen zum Positiven auf dem Weg zu sein: „Wer Anerkennung erhält, ist weniger darauf angewiesen, noch stärker Benachteiligte zu diskriminieren (LEVEN 2000, 132). ■ Kurzfassung Es werden die wesentlichen Ergebnisse einer kleinen qualitativen Studie mit zwölf Familien mit mehrfachbehinderten hörgeschädigten Kindern dargestellt und Empfehlungen ausgesprochen, die zur Verbesserung der psychosozialen Situation dieser Familien beitragen können. Besonders wichtige Aspekte, die von den Eltern hervorgehoben wurden, sind familienunterstützende Hilfen im Alltag, eine zentrale Informations- und Koordinationsstelle vor allem am Anfang, psychologische Unterstützung und Begleitung sowie ein erhöhtes Verständnis für ihre Situation in den sozialen Netzwerken (Familie, Freunde, Fachleute, Behörden, Umwelt). Geistige Behinderung 1/05, 44. Jg. 33 34 Manfred Hintermair, Gerda Hülser Abstract What Families with Multiply Disabled Children with Hearing Impairments Need: Basic Results of a Qualitative Study. The basic results of a limited qualitative study including 12 families with multiply disabled children with hearing impairments are discussed as well as recommendations given, which might improve the psycho-social situation of the people concerned. Particularly important aspects emphasised by the parents are respite care services, an information and coordination centre, especially at the beginning, psychological support as well as an increased understanding for the situation in the social networks (family, friends, public authorities, environment). Literatur BONFRANCHI, R. (1997): Löst sich die Sonderpädagogik auf? Luzern: Edition SZH. – BROWN, N.; CLOKE, G. (1999): A family viewpoint. J. McInnes (Ed.): A guide to planning and support for individuals who are deafblind. Toronto: University of Toronto Press, 227–260. – CALDERON, R.; GREENBERG, M. T. (1999): Stress and coping in hearing mothers of children with hearing loss: Factors affecting mother and child adjustment. American Annals of the Deaf, 144, 7–18. – CARNEY, A. E. & MOELLER, M. P. (1998): Treatment efficacy: Hearing loss in children. Journal of Speech, Language and Hearing Research, 41, 961–984. – DAS, V. K. (1996). 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Auch soziale Dienstleistungen werden dahingehend hinterfragt, ob sie das Beste für den Verbraucher bzw. Nutzer (im Falle von Frühförderung sind das Eltern und Kinder) erbringen (LEYENDECKER 2000). Dabei ist das Einbeziehen der subjektiven Perspektive der Nutzer(innen) – also Elternzufriedenheit – ebenso wichtig wie die Beurteilung objektiver fachlicher Standards, die Konsumenten auch ohne Expertenwissen voraussetzen können sollten (FELCE & PERRRY 1996; KRON 2000; LANNERS 2002; NEUBAUER 2001; PRETIS 1998). Aufgrund der unterschiedlichen historischen Ausgangsbedingungen gibt es derzeit keine einheitlichen Konzepte und Organisationsformen der Behindertenarbeit in den EU-Ländern (Helios II: PETERANDER 1996). Innerhalb einzelner Länder finden wir regional sehr unterschiedliche Gegebenheiten und eine Vielfalt bewährter Organisationsformen und Praxiskonzepte (siehe z. B. KRON 2000; VIFF 1999 für Deutschland, PRETIS 2000 für Österreich). Ebenso sind die Modelle und Daten zum Qualitätsmanagement in den einzelnen Institutionen sehr unterschiedlich (LANNERS 2002; PRETIS 1998), was die Vergleichbarkeit erschwert. Erstrebenswert wäre es, die nötigen Voraussetzungen zu schaffen, um Begleitevaluation über die regionalen Frühförderstellen hinaus zu ermöglichen und Erkenntnisgewinn und gegenseitige Bereicherung durch Vergleich auf überregionaler und internationaler Ebene zu gewährleisten (PETERANDER 1996; 2000; PRETIS 2000). In Deutschland und Österreich ist die Forschungslage zum Qualitätsmanagement noch nicht sehr breit, vor allem, was Ergebnisqualität (LEYENDECKER 2000a; WEIß 1999) und die Einbeziehung von Elternzufriedenheit (LANNERS 2002) sowie Arbeitszufriedenheit der Mitarbeiter(innen) (WEIß 1999) betrifft. Es gibt auch eine Reihe ungelöster methodischer Probleme in der wissenschaftlichen Evaluation von Frühförderung (PRETIS 1998). In Deutschland hat die Einführung zur gesetzlichen Verpflichtung der Qualitätssicherung (§§93 ff. BSHG, seit Januar 2005 §§ 75–77 Sozialgesetzbuch, Zwölftes Buch, SGB XII) im Rahmen von Leistungsverträgen die Beschäftigung mit dem Thema intensiviert (z. B. BOPP & MOSER 2001; LEYENDECKER 2000; STEINMETZ & Geistige Behinderung 1/05, 44. Jg. Qualitätsmanagement in der Frühförderung und Familienbegleitung der Lebenshilfe Salzburg EGGER 2001; WACKER 2000) und auch zu einer Reihe wissenschaftlich begleiteter Projekte zur Einführung von Qualitätsmanagementsystemen in Einrichtungen der Frühförderung und Familienbegleitung geführt (z. B. BOPP & MOSER 2000; HARZER, KOTTMANN & SCHILLMAIER 2000; HECKMANN & PALUBITZKI 2001; HÜLSKEN 2000; KESSMANN 2000; KORSTEN & WANSING 2000; LEYENDECKER & WACKER 2000; STEINMETZ & EGGER 2001). Abgesehen von den Evaluationsergebnissen und Qualitätsmanagementhandbüchern in den an den Projekten beteiligten Einrichtungen resultierten daraus auch Planungs- und Gestaltungshilfen, die von anderen Einrichtungen verwendet werden können (z. B. Arbeitsstelle Frühförderung Bayern o. J.; KORSTEN & WANSING 2000; VKELG 1999). Die Vorgangsweise war in den verschiedenen Projekten recht ähnlich: Ist-Beschreibung der gewählten Parameter, Reflexion und Identifizieren von Handlungsbedarf, Soll-Beschreibung und Festhalten der Erkenntnisse in einem QualitätsmanagementHandbuch, das als Basis verwendet wird für regelmäßige kontinuierliche Verbesserungsprozesse. Es wurden möglichst viele Mitarbeiter(innen) eingebunden bei Projekt und Implementierung des Qualitätsmanagement-Systems, das Hilfe nach innen (Qualitätssicherung und -entwicklung) wie nach außen (bezüglich Kostenträger) sein soll. Die bisherigen Erfahrungen werden durchweg als sehr positiv beschrieben hinsichtlich der Optimierung des Arbeitsfelds sowie bezüglich des Dialogs mit Kostenträgern (z. B. BOPP & MOSER 2001; KORSTEN & WANSING 2000; STEINMETZ & EGGER 2001). Frühförderung und Familienbegleitung in Österreich Frühförderung wird in allen neun österreichischen Bundesländern angeboten. Die Finanzierung erfolgt großteils über Gelder der Behindertenhilfe. Leistungs- und Entgeltvereinbarungen werden jeweils mit dem regionalen Rechts- und Kostenträger geschlossen. Die Situation der Frühförderung in Österreich ist nicht leicht zusammenzufassen, da es eine gewisse Heterogenität hinsichtlich Organisationsformen sowie rechtlichen und finanziellen Rahmenbedingungen gibt. Eine Studie von PRETIS (2000), die eine Bestandsaufnahme in allen Bundesländern zum Ziel hatte, zeigt Unterschiede, aber auch eine Reihe von Gemeinsamkeiten. Frühförderung wird großteils als pädagogisch-psychologische Förderung des Kindes sowie Begleitung bzw. Beratung der Familien angeboten. Der häufig verwendete Begriff interdisziplinär weist auf die unterschiedlichen Quellberufe der Mitarbeiter(innen) hin. Medizinisch-therapeutische Angebote werden über andere Träger oder andere Abteilungen derselben Träger angeboten und über die Krankenkassen finanziert. Die Koordination und Zusammenschau der einzelnen Angebote für ein Kind und seine Familie erfolgen somit über interne oder externe Kooperation. Die Bewilligung der Frühförderung erfolgt in den meisten Bundesländern über ein behördliches Verfahren, nur in zwei Bundesländern (Salzburg und Wien) gibt es einen niederschwelligen Zugang, bei dem sich die Familien direkt an die Frühförderstellen wenden und nur eine Empfehlung des Arztes mitbringen. Geistige Behinderung 1/05, 44. Jg. 37 38 Karin Astegger Die Dienstleistung wird großteils mobil bei den Familien zu Hause erbracht, alle Stellen sind aber auch für ambulante Frühförderung ausgerüstet. Im Regelfall erfolgt die Förderung wöchentlich. Das Alter der Kinder variiert in den einzelnen Bundesländern, teilweise auch bedingt durch unterschiedliche Altersobergrenzen für die Förderung. Das Durchschnittsalter bei Beginn beträgt nach PRETIS (2000) 26,9 Monate. Dieses relativ hohe Alter zu Beginn ist teilweise auf mangelnde Information und Aufklärung, teilweise auf Wartelisten der Frühförderstellen zurückzuführen. Die durchschnittliche Dauer der Frühförderung liegt österreichweit bei ca. zwei Jahren. Neben der direkten Arbeit mit den Familien ist auch Zeit vorgesehen für Vorbereitung, Dokumentation, Besprechungen, Supervision, Kooperation bzw. Netzwerkarbeit etc., so dass pro Vollzeitkraft im Schnitt 12,78 Familien zu betreuen sind (PRETIS 2000). Die Arbeitsbedingungen für die Mitarbeiter(innen) (z. B. Art des Dienstvertrags, Entlohnung ...) sind allerdings in den einzelnen Bundesländern sehr unterschiedlich. Im Bundesland Salzburg ist die Lebenshilfe – abgesehen von einem kleinen Spezialangebot für Hör- und Sehfrühförderung – der einzige Anbieter und erbringt Frühförderung seit 17 Jahren. In acht Stellen, die über das ganze Bundesland verteilt sind, arbeiten 16 Fachkräfte, die ca. 160 Familien betreuen aus einem Einzugsgebiet von ca. 550.000 Einwohnern. Die Dienstleistung wird durchschnittlich zu 80 % mobil und zu 20 % ambulant erbracht, der Großteil der Kinder liegt im Alter zwischen zwei und vier Jahren, die ältesten Kinder sind bis zu sechs Jahre alt. Die rechtlichen und finanziellen Rahmenbedingungen sind als gut zu bezeichnen mit niederschwelligem Zugang ohne behördliches Verfahren, Kostenübernahme ohne Selbstbehalt für die Eltern und einer Pauschalfinanzierung für den Träger, was eine sehr flexible und individuelle Angebotserbringung ermöglicht. Evaluation in der Frühförderung und Familienbegleitung der Lebenshilfe Salzburg Ziel der Lebenshilfe Salzburg war es, mit dem Auftakt einer Standortbestimmung – also einer umfangreichen Evaluation – ein lebendiges Qualitätsmanagement aufzubauen. Um dafür die nötige Akzeptanz zu erreichen, haben wir ein Projekt entwickelt, das von Anfang an die Mitarbeiter(innen) eingebunden hat. Ziele Konkret verfolgten wir mit dem Evaluationsprojekt folgende Ziele: – Systematische Reflexion der eigenen Qualität mit einem umfangreichen Instrumentarium und Ableiten konkreter Maßnahmen für Qualitätssicherung und -entwicklung; – über den Einsatz eines publizierten Instrumentariums (das auch für andere zugänglich und anwendbar ist) längerfristig den Vergleich mit anderen Anbietern zu ermöglichen; Geistige Behinderung 1/05, 44. Jg. Qualitätsmanagement in der Frühförderung und Familienbegleitung der Lebenshilfe Salzburg – Erarbeitung organisationsinterner Grundlagen für ein systematisches Qualitätsmanagement als Voraussetzung für einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess. Projektstruktur und Methodik Im Sinne der Akzeptanz bei den Mitarbeiter(inne)n und der Erarbeitung eines individuellen Qualitätsmanagementansatzes, der tatsächlich gelebt wird, wurde eine Projektstruktur entwickelt, die während der gesamten Laufzeit eine möglichst breite Einbindung der Frühförderinnen sicherstellen sollte. Eine Projektgruppe, acht Mitarbeiter(innen) und Qualitätsmanagement, leistete die Hauptarbeiten: Adaptierung aller Fragebögen an die regionalen Gegebenheiten, Ergebnisdiskussionen und Ableitung von Handlungsbedarf gemeinsam mit der Abteilungsleiterin. Jedes (Zwischen)ergebnis wurde an alle Mitarbeiter(innen) zurückgespiegelt, die in den Teamsitzungen ihre Anmerkungen und Änderungswünsche einbrachten, die wiederum von der Projektgruppe verarbeitet wurden. Darüber hinaus gab es während der Projektlaufzeit im Rahmen von Frühförderfachtagungen Raum für Zwischenberichte, gemeinsame Diskussionen und weitere Planung. Solche Tagungen sind ein Forum für alle Mitarbeiter(innen) und die Abteilungsleiterin der Frühförderung und Familienbegleitung, die in der Regel zweimal pro Jahr stattfinden, während der Projektlaufzeit öfter). In Anlehnung an ein von KORSTEN und WANSING im Jahr 2000 publiziertes Instrumentarium wurden Selbstevaluierungen zu den Bereichen Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität1 sowie Fragebogenuntersuchungen zu Arbeitszufriedenheit und Elternzufriedenheit durchgeführt, die Untersuchung zur Elternzufriedenheit im Rahmen einer Diplomarbeit (SOMMERAUER 2002). Alle anderen Erhebungen erfolgten durch die Lebenshilfe Salzburg. Das Evaluationsprojekt umfasste die Abschnitte Ist-Erhebung, Auswertung und Reflexion, Maßnahmenkatalog (erstellen und umsetzen) und öffentliche Diskussion der Ergebnisse, z. B. im Rahmen eines Symposiums. Ergebnisse Es liegen sehr umfangreiche Ergebnisse vor, die hinsichtlich Stärken und Handlungsbedarf durchgearbeitet wurden und in einen Maßnahmenkatalog mündeten, der sowohl betriebsinterne Aufgaben als auch Maßnahmenpakete beinhaltet, die mit dem Kostenträger zu klären sind. In Tabelle 1 findet sich ein Überblick über die Elemente der Evaluation. Im Folgenden werden einige wichtige Ergebnisaspekte dargestellt. 1 Strukturqualität bezieht sich auf die Rahmenbedingungen (z. B. Räumlichkeiten, Personal), Prozessqualität fokussiert darauf, wie die Leistung erbracht wird (z. B. Prozesse, Abläufe) und Ergebnisqualität bringt zum Ausdruck, welche Veränderungen, Ergebnisse durch die Dienstleistung erzielt werden konnten. Geistige Behinderung 1/05, 44. Jg. 39 40 Karin Astegger Ergebnisbereiche Selbstevaluierung durch die Teams der Frühförderstellen (N=8) Fragebogenuntersuchung Elternzufriedenheit (N=44) Strukturqualität X X Prozessqualität X X Ergebnisqualität X X Fragebogenuntersuchung Arbeitszufriedenheit (N=14) X Tab. 1: Elemente der Evaluation Die Selbstevaluierung wurde an allen acht Frühförderstellen im Zeitraum von Dezember 2002 bis Juli 2003 vom jeweiligen Team bzw. der/dem jeweiligen Mitarbeiter(in) durchgeführt. Jutta SOMMERAUER führte im Dezember 2001 im Rahmen ihrer Diplomarbeit eine Fragebogenuntersuchung zur Elternzufriedenheit durch. Sie setzte eine adaptierte Form des Instrumentariums von KORSTEN und WANSING (2000) ein. Von 139 versendeten Fragebögen wurden 44 ausgefüllt retourniert, was einer Rücklaufquote von 31,7% entspricht. Im Mai 2003 wurde der Fragebogen zur Arbeitszufriedenheit an die damals 15 Mitarbeiter(innen) der Frühförderung und Familienbegleitung ausgegeben. Die Beteiligung war mit 93,3% extrem hoch, ein einziger Fragebogen wurde nicht retourniert. Strukturqualität Expert(inn)en und Eltern beurteilen aus ihrer jeweiligen Perspektive die Rahmenbedingungen mobiler und ambulanter Frühförderung recht positiv. Einzelne Verbesserungspotenziale können organisationsintern aufgegriffen werden (z. B. Aktualisierung des Konzepts im Rahmen der Evaluierung; verstärkte Öffentlichkeitsarbeit, um die Bekanntheit des Angebots zu erhöhen). Der größere Teil des Handlungsbedarfs ist allerdings in Kooperation mit dem Kostenträger zu diskutieren, da er sich auf eine quantitative oder qualitative Angebotserweiterung bezieht: – Kapazitätserweiterung, um Wartezeiten zu verkürzen, früheren Beginn und längere Dauer von Frühförderung und Familienbegleitung zu ermöglichen; – inhaltliche Produkterweiterung, um Einbegleitung in Kindergarten oder Schule über Ausnahmefälle hinaus zu ermöglichen sowie zusätzliche Beratungs- und Schulungsangebote sowie Angebote für Elternkontakte anzubieten. Prozessqualität Sowohl Eltern als auch Fachkräfte äußerten höchste Zufriedenheit mit dem Aufnahmeprozess und dem Förderprozess selbst. Geistige Behinderung 1/05, 44. Jg. Qualitätsmanagement in der Frühförderung und Familienbegleitung der Lebenshilfe Salzburg Diagnostik und Förderplanung erfahren von beiden Gruppen sehr gute Gesamtbewertungen, von einem Teil der Eltern werden allerdings Erklärungen zu diagnostischen Verfahren als mangelhaft erlebt, woraus sich Verbesserungsbedarf bezüglich der Transparenz im Diagnoseprozess ableitet. Die Beziehungsgestaltung zum Kind wird von Expert(inn)en und Eltern recht positiv bewertet, ebenso die Zusammenarbeit von Eltern und Fachkräften der Frühförderung. Ein Teil der Eltern erlebt Mankos bei spezifischen Elternangeboten und organisatorischen Hilfen zur Inanspruchnahme weiterer Hilfen, z. B. Vermittlung von Angeboten anderer Organisationen, Hilfe bei Behörden. Mehr als 15 % der Eltern geben an, dass sie Entlastung durch die Förderung eher nicht erleben. Natürlich ist das Ausmaß subjektiv erlebter Entlastung auch abhängig von persönlichen und situativen Faktoren; dennoch müssen die Expert(inn)en überlegen, wie sie Entlastungseffekte für die Eltern optimieren und belastende Effekte der Frühförderung und Familienbegleitung minimieren können. Kooperation im Team und mit einzelnen Trägern wird von den Fachkräften positiv bewertet, netzwerkbezogene Kooperation sollte ausgebaut werden. Auch bezüglich Dokumentation wird Verbesserungspotential gesichtet. Prozessqualität erweist sich insgesamt als ein Bereich, der sowohl aus Expert(inn)enals auch aus Kund(inn)ensicht großteils sehr zufriedenstellend gelöst ist. Organisationsintern können mehr Aspekte hinsichtlich Verbesserung aufgegriffen werden als bei der Strukturqualität (z. B. Transparenz im Diagnoseprozess, Entlastung der Eltern, Dokumentation). Aber auch hier kristallisieren sich Themen heraus, die nur in Kooperation mit dem Kostenträger bearbeitet werden können, wie Mankos bezüglich spezifischer Elternangebote und organisatorischer Hilfen zur Inanspruchnahme weiterer Hilfen. Ergebnisqualität Bezüglich der Evaluationsmöglichkeiten und -gepflogenheiten sind die Fachkräfte der Frühförderung nur teilweise zufrieden. Weiterentwicklungsbedarf sehen sie primär bezüglich der Evaluierung familienbezogener Ergebnisse, dem Einsatz valider diagnostischer Verfahren und der Verankerung regelmäßiger Erhebungen zur Elternzufriedenheit. Die Gesamtbewertung der für sie sichtbaren oder spürbaren Wirkungen der Frühförderung und Familienbegleitung fällt bei den Eltern sehr positiv aus: nur eine Familie ist nicht zufrieden. Deutlich individueller und damit im Mittel weniger positiv wurden die einzelnen im Fragebogen vorgegebenen Ergebniskomponenten beurteilt. Entwicklungsfortschritte beim Kind sind für alle wahrnehmbar und für einen Großteil auch Veränderungen bei ihren eigenen Einstellungen, Perspektiven und Verhaltensweisen: Sie sehen zuversichtlicher in die Zukunft des Kindes, fühlen sich sicherer im Umgang mit dem Kind – auch in der Öffentlichkeit – und können Verhaltensweisen des Kindes besser beobachten und verstehen. Geistige Behinderung 1/05, 44. Jg. 41 42 Karin Astegger Eine Entspannung der gesamten Familiensituation blieb für deutlich mehr Eltern aus, ebenso wie das Kennen lernen von Eltern mit ähnlichen Problemen. Bezüglich der Arbeitssituation herrscht höchste Zufriedenheit hinsichtlich Teamaspekten sowie Mitsprache und Gestaltungsmöglichkeiten der Mitarbeiter(innen). Besonders positiv bewertet wurden die flexible Einteilung der Arbeitszeit, inhaltliche Gestaltungsmöglichkeiten, das Ausmaß an beruflicher Freiheit und Selbstständigkeit sowie die Einbindung in Entscheidungsprozesse. Bei anderen Parametern vertreten die Mitarbeiter(innen) keine einhellige Meinung, sondern nützen die ganze Bewertungsbandbreite, so dass individuelle Problemanalysen und Lösungsansätze angebracht erscheinen, z. B. bei Gehalt und Fortbildung. Zusammenfassend betrachtet fällt die Bewertung der Ergebnisqualität bei Eltern und Frühförderinnen weniger einhellig und daher auch im Mittel weniger positiv aus als bei den beiden anderen Qualitätsbereichen. Dadurch ist auch das eindeutige Ableiten von Handlungsbedarf schwieriger. Die Frühförderinnen beurteilen einige Aspekte ihrer Arbeit, wie Teamkomponenten sowie Mitsprache- und Gestaltungsmöglichkeiten, sehr positiv, anderen stehen sie teilweise kritisch gegenüber, z. B. bei Entlohnung und Fortbildungsmöglichkeiten. Weiterentwicklungsbedarf sehen sie bezüglich Evaluation. Eltern schreiben der Frühförderung und Familienbegleitung insgesamt hohe Wirksamkeit zu, erleben aber bei weitem nicht so eindeutig die einzelnen Ergebniskomponenten. Dies wirft Fragen zur Wirksamkeit ebenso auf wie zur Erhebungsmethodik. Fassen wir die Ergebnisse zusammen, so zeigt sich, dass Struktur- und Prozessqualität von Eltern und Expert(inn)en insgesamt und hinsichtlich vieler Aspekte als sehr zufriedenstellend bewertet wurden. Bei der Ergebnisqualität waren die Beurteilungen weniger einhellig und daher im Mittel weniger positiv. Bei teilweise großen Bewertungsunterschieden war das Ableiten allgemeinen Handlungsbedarfs auch entsprechend schwieriger. Maßnahmenkatalog Für alle Bereiche mit Handlungsbedarf wurden von der Projektgruppe Maßnahmen definiert und zu einem Gesamtmaßnahmenkatalog verdichtet, inklusive Vorgangsweise, Zuständigkeit und Prioritätensetzung. Organisationsintern zu bearbeitende Verbesserungspotentiale zeigten sich am ehesten im Bereich der Prozessqualität. In den Bereichen Struktur- und Ergebnisqualität überschreiten sie teilweise den Handlungsspielraum oder die Fähigkeiten des Dienstleistungsanbieters, z. B. bei Fragen der quantitativen und qualitativen Erweiterung sowie bei der Entwicklung einer Methodik zur Ergebnisevaluation. Organisationsintern wurden die wichtigsten Themen bereits parallel zum Projekt in Angriff genommen: Diagnostik, Dokumentation, Präsentation und Öffentlichkeits- Geistige Behinderung 1/05, 44. Jg. Qualitätsmanagement in der Frühförderung und Familienbegleitung der Lebenshilfe Salzburg arbeit, Struktur- und Ablaufoptimierungen, dauerhafte Strukturen für Qualitätssicherung und -entwicklung, Konzeptaktualisierung. In Kooperation mit dem Kostenträger zu klären sind Fragen der quantitativen und qualitativen Angebotserweiterung. Die Ergebnisse der Evaluation wurden den zuständigen Behörden schriftlich übermittelt, und es fanden bereits Gespräche statt bezüglich spezifischer Zielgruppen und Leistungskatalog. Konkrete Unterstützung vom Kostenträger gab es zum Ausbau des Bekanntheitsgrads unseres Angebots, um Förderung zu einem früheren Zeitpunkt zu ermöglichen. Ebenso gibt es behördenübergreifende Ansätze, um Lösungen für Zielgruppen zu finden, die nicht zum zentralen Personenkreis der Frühförderung zählen, die aber bisher mangels Alternativen Kapazitäten binden. Insgesamt ist der Erfolg der Gespräche aber primär darin zu sehen, dass trotz der aktuell schlechten Finanzlage die bisherige Qualität beibehalten werden kann. Wir konnten zwar keine zusätzlichen Angebote in die Produktbeschreibung aufnehmen, wie z. B. Dolmetscherhilfe für fremdsprachige Familien, konnten aber unsere bisherige Angebotspalette mit hohem Anteil an aufsuchender Förderung, ausreichender Zeit pro Familie etc. halten. Hinsichtlich der Ergebnisqualität kristallisiert sich am deutlichsten ein Mangel an geeigneten Instrumentarien für die Evaluierung heraus. Mit den vorliegenden Ergebnissen lässt sich nicht klären, inwieweit die aufgeworfenen Fragen zur Wirksamkeit methodischer oder inhaltlicher Natur sind. Hier wäre Weiterentwicklung von Seiten bzw. in Kooperation mit der Wissenschaft gefordert. Bewertung des Projekts Zu den Ergebnissen zählen für uns auch die Erfahrungen mit dem Projekt als Methode oder Weg. Die Bewertung der Erfahrungen aus Kund(inn)en-, Mitarbeiter(innen)und Organisationssicht sind maßgeblich dafür, wie wir zukünftig vorgehen wollen. Die Sicht der Kund(inn)en Die Frage nach der Elternzufriedenheit findet relativ großen Anklang: 76,9 % finden eine solche Befragung sinnvoll oder eher sinnvoll und 95 % der beteiligten Familien nahmen sich gern oder eher gern dafür Zeit. Der konkrete Fragebogen fand weniger Anklang. Möglicherweise ist dies ein Ausdruck dafür, dass viele Eltern wenig Erfahrung haben mit solchen Instrumenten und es als eher schwierig empfinden, ihre persönlichen Erfahrungen darin abzubilden. Dafür sprechen auch einige spontane zusätzliche Kommentare, die andeuten, dass die Fragen nicht immer leicht zu verstehen waren und dass einige sich Hilfe beim Ausfüllen gewünscht hätten. Da der Fragebogen von den Autor(inn)en primär als ein Instrument für eine gemeinsame Abschlussbesprechung von Eltern und Frühförderern konzipiert wurde, kann man bei dieser Anwendungsform wahrscheinlich einige Probleme umgehen, man müsste allerdings dann auf die Anonymität verzichten. Geistige Behinderung 1/05, 44. Jg. 43 44 Karin Astegger Die Sicht der Mitarbeiter(innen) der Frühförderung und Familienbegleitung Neben der Arbeitsbelastung durch das Projekt wurden von den Mitarbeiter(inne)n eine Reihe positiver Wirkungen wahrgenommen: – Einbindung und Mitbestimmung: Transparenz, Eingebundenheit in Entscheidungen, Wertschätzung und Nutzung der Ressourcen der Mitarbeiter(innen); – Erkenntnisgewinn für die tägliche Praxis: intensiver Austausch und Diskussion, Reflexion auf der Meta-Ebene; – Kommunikation und Kooperation: neue Kommunikationswege durch Reflexionsschleifen, bessere Aufgabenteilung und Zusammenarbeit. Dies spricht für hohe Akzeptanz der Vorgangsweise und gute Voraussetzungen für die Umsetzung definierter Maßnahmen. Darüber hinaus äußerten die Fachkräfte der Frühförderung auch explizit den Wunsch nach regelmäßigen Erhebungen zur Dienstleistungsqualität. Die Sicht der Organisation Aus Organisationssicht hat sich das Projekt im Sinne interner Optimierung und für die Kooperation mit wichtigen Partnern eindeutig bewährt (vor allem Kostenträger). So wurde z. B. schon während der Projektlaufzeit eine Reihe von Abläufen beschrieben und optimiert, ausgezeichnetes Präsentationsmaterial wurde erarbeitet, z. B. Video und DVD, Folder in mehreren Sprachen, die bei unseren Kooperationspartnern ausliegen und über unser Angebot und den Zugang zur Frühförderung und Familienbegleitung informieren (türkisch, serbo-kroatisch). Diagnostikmaterialien wurden bedarfsgerecht erweitert, ein hoch qualitatives Symposium wurde zum Projektabschluss vorbereitet und organisiert. Auch für die Gespräche mit dem Kostenträger waren die objektiven, gut aufbereiteten Ergebnisdarstellungen sehr hilfreich. Immerhin ist in Zeiten, in denen rundherum von Einsparungen die Rede ist, das Beibehalten der bisherigen Qualität ein wichtiges Ergebnis. Darüber hinaus wurde von den Behörden Unterstützung für übergreifende Angebotsfragen bereitgestellt, Betreuung älterer Kinder (in Kindergarten und Schule) und Begleitung ihrer Eltern, um somit indirekt Kapazitäten der Frühförderung und Familienbegleitung freizulegen. Ergebnisse dieser Bemühungen sind abzuwarten. Schlussdiskussion Über das Projekt konnten wir breite Akzeptanz für Qualitätsmanagement bei den Mitarbeiter(inne)n erreichen sowie umfangreiche Erkenntnisse zur Qualität unseres Angebots erlangen. Die Identifikation der Mitarbeiter(innen) mit dem Evaluationsprozess und seinen Ergebnissen ist groß, sodass die meisten organisationsintern zu bearbeitenden Verbesserungspotentiale bereits projektbegleitend umgesetzt werden konnten. Geistige Behinderung 1/05, 44. Jg. Qualitätsmanagement in der Frühförderung und Familienbegleitung der Lebenshilfe Salzburg Die Ergebnisse selbst und die Art, wie sie gewonnen wurden, führten also in unserer Organisation umgehend zu einer Qualitätsentwicklung. Dazu gehört auch, dass Strukturen und Vorgangsweisen definiert wurden, wie nach Projektende die Qualität der Dienstleistung kontinuierlich reflektiert und verbessert werden kann. Aus den Reihen der Mitarbeiter(innen) wurde ein Qualitätszirkel gebildet, der die Verantwortung für diesen Aufgabenbereich trägt. Für die regelmäßig geplanten Evaluierungen – inklusive Kund(inn)en- und Mitarbeiter(innen)perspektive – gibt es Unterstützung vom Qualitätsmanagement. Für die Verhandlungen mit dem Kostenträger haben wir über die umfangreichen Ergebnisse und die öffentliche Präsentation beim Symposium eine fundiertere Basis gewonnen. Von Elternseite erhielten wir positive Rückmeldung zu dem Faktum, dass wir nach der Sichtweise und Bewertung unserer Kund(inn)en gefragt haben. Die Art und Weise scheint verbesserungswürdig, und wir werden dies für die nächste Erhebung, versuchen zu berücksichtigen (Die Fragebogen wurden im Dezember 2004 an die Eltern gegeben). Mit dem Anfang 2004 veranstalteten Symposium sowie begleitender Medienpräsenz versuchten wir eine breitere Diskussion des Themas anzuregen. Viele positive Rückmeldungen von Teilnehmer(inne)n sowie interessierte Anfragen anderer Organisationen scheinen zu zeigen, dass wir auch dieses Ziel ein Stück weit erreicht haben. Besonders freuen würde es uns, wenn sich daraus eine engere Kooperation mit anderen Anbietern und zukünftige Vergleichsmöglichkeiten im Sinne gegenseitigen Lernens entwickeln würden. ■ Kurzfassung Die Frühförderung und Familienbegleitung der Lebenshilfe Salzburg hat mit einer umfangreichen Evaluation den Auftakt zum Aufbau eines lebendigen Qualitätsmanagements gesetzt. Selbstevaluierungen zu Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität sowie Fragebogenerhebungen zu Eltern- und Mitarbeiterzufriedenheit wurden durchgeführt. Im Sinne der Akzeptanz wurde mit einer Projektstruktur gearbeitet, die während der gesamten Laufzeit eine möglichst breite Einbindung der Mitarbeiter(innen) sicherstellte. Vorgangsweise, Erfahrungen mit dem Projekt, wesentliche Ergebnisse und daraus abgeleitete Maßnahmen zur Qualitätsverbesserung werden dargestellt. Abstract Quality Management in Early Intervention and Family Support of Lebenshilfe Salzburg. The first step towards a strong quality management of the early intervention and family support of Lebenshilfe Salzburg was a thorough evaluation. Self-evaluations about the quality of structure, process and results as well as interviews per questionnaires about the consent of the staff and the parents were conducted. To safeguard acceptance a project structure was applied which guaranteed a broad-based participation of the staff. The article deals with the procedures, experiences with the project, important results and measures to improve the quality. Geistige Behinderung 1/05, 44. Jg. 45 46 Karin Astegger Literatur Arbeitsstelle Frühförderung Bayern (o. J.): Organisationshandbuch zur Qualitätsentwicklung an interdisziplinären Frühförderstellen in Bayern. München: Eigenverlag. – BOPP, C.; MOSER T. (2001): Qualitätsmanagement auf der Grundlage von SYLQUE. Erfahrungsbericht über ein Projekt für Frühförderstellen. Frühförderung interdisziplinär, 20, 105–115. – FELCE, D.; PERRY, J. (1996): Assessment of Quality of Life. R. L. Schalock (Ed.): Quality of Life, vol. 1. Conceptualization and Measurement. Washington: American Association on Mental Retardation, 63–72. – HARZER, W.; KOTTMANN, G.; SCHILLMAIER, A. (2000): Organisationshandbuch zur Qualitätsentwicklung an interdisziplinären Frühförderstellen in Bayern. C. Leyendecker & T. Horstmann (Hg.): Große Pläne für kleine Leute. 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Jg. Weit reichende Entscheidungen Weit reichende Entscheidungen Vorstellung einer Studie zum Entscheidungsverhalten von Menschen mit geistiger Behinderung in Übergängen von der WfbM auf den allgemeinen Arbeitsmarkt Jochen Friedrich ■ Der vorliegende Text berichtet über den Zwischenstand eines Dissertationsvorhabens, das von Prof. Dr. Heinz Mühl vom Institut für Sonderpädagogik, Prävention und Rehabilitation an der Carl-von-Ossietzky-Universität Oldenburg betreut wird. Es basiert auf qualitativen Interviews mit Werkstattbeschäftigten1 in Qualifizierungsund Vermittlungsprojekten zur besonderen Förderung von Übergängen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt. Durch die Rekonstruktion des Entscheidungsverhaltens aus der Sicht von Projektteilnehmer(innen)2 sollen Hinweise für Selbstbestimmung und Partizipation fördernde pädagogische Maßnahmen im Sinne einer „Entscheidungsassistenz“ gewonnen werden. Die Vorstellung der Studie in einem noch frühen Stadium soll zur Diskussion über das Verständnis von den besonderen Herausforderungen eines Wechsels von Werkstattbeschäftigten auf den allgemeinen Arbeitsmarkt aus Sicht der Betroffenen beitragen. Während eine qualitative Studie zu „Lebensverläufen und Entwicklungsperspektiven behinderter Personen“ (SPIESS 2004) nach ihrer Eingliederung auf dem ersten Arbeitsmarkt bereits vorliegt, richtet die im Folgenden beschriebene Arbeit den inhaltlichen Fokus auf das Entscheidungsverhalten von Werkstattbeschäftigten im Übergang dorthin. Eine Innensicht ist notwendig Zur Unterstützung der für arbeitslose Schwerbehinderte allgemein zuständigen Integrationsfachdienste werden zunehmend spezielle Qualifizierungs- und Vermittlungsdienste in WfbM installiert, die mithilfe besonderer Projekte für Menschen mit geistiger oder seelischer Behinderung Übergänge auf den allgemeinen Arbeitsmarkt aus der WfbM heraus vorbereiten und begleiten sollen. Dies ist das Resultat einer zunächst rein quantitativen Feststellung, dass ohne solche besonderen Fördermaßnahmen nur sehr wenige Werkstattbeschäftigte aus dem Beschäftigungsverhältnis der WfbM in ein Arbeitsverhältnis auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt wechseln (vgl. SCHÜLLER 2003). Die regional oder landesweit eingerichteten und meist mit Mitteln der Europäischen Gemeinschaft geförderten Projekte haben 1 2 „Werkstattbeschäftigte“ wird für die in WfbM arbeitenden Menschen mit geistiger Behinderung verwandt. „Projektteilnehmer(innen)“ bezeichnet Werkstattbeschäftigte in besonderen Qualifizierungs- und Vermittlungsprojekten zur Förderung von Übergängen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt. Geistige Behinderung 1/05, 44. Jg. 47 48 Jochen Friedrich Modellcharakter und somit in der Regel begrenzte Laufzeiten. Ihr vordergründiges Ziel ist die Vermittlung einer möglichst hohen Zahl von Werkstattbeschäftigten auf den allgemeinen Arbeitsmarkt, ihr perspektivischer Auftrag ist die Schaffung inhaltlicher und institutioneller Voraussetzungen einer möglichst dauerhaften Durchlässigkeit der WfbM. Die Beantwortung der Frage nach den fördernden und hemmenden Faktoren für die Integration auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt wird nicht zuletzt durch die Einschätzung der WfbM als Ort beruflicher Integration beeinflusst. Kritiker der Sondereinrichtung WfbM beschreiben diese als berufliche Einbahnstraße, die nur eine Anpassung an beschränkte oder gar nicht vorhandene Wahlmöglichkeiten zulässt, worauf das Individuum allenfalls mit einer „resignativen Zufriedenheit“ (vgl. HINZ, BOBAN 2001) reagieren kann. Die Sonderprojekte der WfbM zur Qualifizierung und Vermittlung in Richtung allgemeiner Arbeitsmarkt sind von diesem Standpunkt aus mehr oder weniger Alibiveranstaltungen. Eine quantitative Sichtweise scheint das auch zu belegen. So waren die Vermittlungserfolge von Projekten für Menschen mit geistiger Behinderung, wie die der „Hamburger Arbeitsassistenz“, die möglichst auf die Umgehung der beruflichen Schleife WfbM setzten, deutlich größer als die in Qualifizierungs- und Vermittlungsprojekten der WfbM. Auch aus einem anderen Blickwinkel wird der Übergang von der WfbM auf den allgemeinen Arbeitsmarkt in Frage gestellt. So verliert angesichts der zweifelhaften Zukunft von Erwerbsarbeit als lebensstrukturierendes Element die Teilhabe daran angeblich an Bedeutung und Wert (vgl. MOSEN, SCHEIBNER 2003). Es besteht offensichtlich die Gefahr, die „Rechnung ohne den Wirt zu machen“, d. h., die Perspektive von Werkstattbeschäftigten auf ihre berufliche Situation und Veränderungsinteressen unberücksichtigt zu lassen. Dabei sollten sie doch selbst formulieren und bewerten, wie Übergänge auf den allgemeinen Arbeitsmarkt angeboten und begleitet werden sollen. Gerade der geforderte Wandel von der institutionellen zur personalen bzw. lebensweltlichen Orientierung (vgl. BECK, LÜBBE 2003) macht das Sich-Einlassen auf diese Perspektive bei der Beurteilung von Partizipationschancen unabdingbar. Für den Zugang zu einer solchen Innensicht muss Folgendes berücksichtigt werden: • SGB IX und Werkstattverordnung verlangen verstärkt die Förderung von Übergängen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt durch die WfbM. Das beinhaltet a) die Anerkennung einer möglichen Vielfalt von Übergangsformen auch über die klassische „Vermittlung“ hinaus und b) die Schaffung einer beruflichen Durchlässigkeit für möglichst viele Werkstattbeschäftigte als Option, deren Wert nicht allein am Vermittlungserfolg, sondern auch an den im Übergangsprozess gewonnenen entwicklungsfördernden Erfahrungen gemessen wird. SCHÜLLER (2003) weist auf die signifikante Steigerung der individuellen Fähigkeiten durch die Qualifizierungs- und Vermittlungsprojekte in WfbM hin. Eine spezielle Untersuchung zur Bewältigung der vielfältigen Entscheidungsherausforderungen durch Projektteilnehmer(innen) liegt hingegen noch nicht vor. • Empowerment, verstanden als „Selbstbemächtigung“, beinhaltet, sich gewünschte Formen der Partizipation zu „erkämpfen“. Dies umfasst eine Positions- Geistige Behinderung 1/05, 44. Jg. Weit reichende Entscheidungen bestimmung, die von konkreten Menschen mit individuellen Zielen und Ressourcen in konkreten Kontexten (hier denen des Übergangs von einem Lebens- und Arbeitsort zum anderen) vorgenommen werden muss. Um diesen Prozess im Interesse und aus der Sicht der betroffenen Menschen zu erfassen, sind qualitative, dialogische Methoden notwendig (vgl. THEUNISSEN, PLAUTE 2002). • Die Suche nach den Bedingungen für objektive Lebenschancen und subjektives Wohlbefinden muss offen sein. Das verbietet eine Etikettierung, die bestimmte Arbeits- und Lebensorte per se als partizipationsfördernd oder -hindernd annimmt. Lebensqualität muss in ihrer Bedeutung für das lebendige Individuum immer wieder neu erfahren und begriffen werden, wobei „die relevante Prüfformel für Lebensqualität“ gesellschaftliche Teilhabe und individuelles Wohlbefinden“ (vgl. WACKER, WANSING, HÖLSCHER 2003; KEUL 1998) umfasst. • Die generell erhöhte Riskanz der Lebensführung bei Menschen mit geistiger Behinderung (KLAUSS 2003) sowie spezielle biografische Erfahrungen beeinflussen das Entscheidungsverhalten von WfbM-Beschäftigten. Nur auf der Grundlage einer „Würdigung“ der Lebensbewältigung durch das Individuum kann ein Zugang zu Motiven und Ressourcen des Entscheidungshandelns gefunden werden. • Die Wahrnehmung des „beruflichen“ Status „Werkstattbeschäftigte(r)“ beeinflusst das Ausmaß und die Richtung der beruflichen Identifikation des Individuums. Die Beschäftigung in der WfbM ist außerdem durch spezifische Passagen gekennzeichnet, deren Verlauf das Entscheidungsverhalten prägen. • Partizipation verstanden als „Teilhabe“ setzt eine bestimmte Handlungsfähigkeit voraus, die eine individuell abgestimmte Unterstützung notwendig macht (vgl. PITSCH 2002). Dem Ziel der Selbstbestimmung folgend, sollte der Unterstützungsbedarf von den Betroffenen definiert werden. Da im beruflichen Feld die Fähigkeit zur Alltagsbewältigung in der Regel nur durch vielfältige Orientierungshilfen erreicht werden kann, stellt sich an die Geistigbehindertenpädagogik die Aufgabe, Elemente einer Selbstbestimmung und Partizipation fördernden „Entscheidungsassistenz“ zu entwickeln. Denn „Selbstbestimmung zeigt sich wesentlich im Handeln, und es ist insofern konsequent, zur Förderung der Selbstbestimmung Handlungsfähigkeit zu vermitteln und Fördersituationen im Sinne von Handlungen zu strukturieren.“ (MÜHL 2000) Zur Problematik der Wahl zwischen der WfbM und dem allgemeinen Arbeitsmarkt Der Übergang aus dem Beschäftigungsverhältnis in der WfbM auf den allgemeinen Arbeitsmarkt stellt die (im Sinne gesellschaftlicher Integration zu Recht beklagte) Ausnahme dar. Zwar haben die Qualifizierungs- und Vermittlungsprojekte in den WfbM zu einer deutlichen Zunahme von Vermittlungen geführt. Trotzdem ist festzustellen, dass auch dort, wo Projekte mit mehrjähriger Laufzeit eingerichtet wurden, die mit besonderen und abgestuften Angeboten WfbM-Beschäftigten den Übergang auf den allgemeinen Arbeitsmarkt ebnen sollen, nur ein Bruchteil der Projektteilnehmer(innen) diesen auch letztlich vollzieht (in der Regel < 30%, s. SCHÜLLER 2003). Dies trifft übrigens auch auf den Personenkreis zu, bei dem die Geistige Behinderung 1/05, 44. Jg. 49 50 Jochen Friedrich individuellen Voraussetzungen auf ein Vermittlungsangebot zu passen scheinen. Das lässt vermuten, dass im Entscheidungserleben und -verhalten Faktoren wirksam sind, die ohne eine qualitative Analyse aus der Betroffenenperspektive verborgen bleiben. Diese beinhaltet u. a. folgende Fragen: • Mit der Teilnahme an einem Sonderprojekt, zudem mit der Option einer Vermittlung in ein „normales“ Arbeitsverhältnis, werden Erwartungen einer Statusverbesserung ausgelöst. Andererseits erzeugt die oft unerwartete Möglichkeit des beruflichen Wählens Versagens- und Verlustängste. Subjektive Vordispositionen können folglich die nüchterne Analyse der tatsächlichen Vor- und Nachteile eines Wechsels auf den allgemeinen Arbeitsmarkt erschweren. Welche Auswirkungen haben also Projektangebot und -teilnahme selbst auf das individuelle Wahlverhalten? • In allen Qualifizierungs- und Vermittlungsprojekten wird mit Orientierungspraktika und Probebeschäftigungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt berücksichtigt, dass nur durch das möglichst konkrete Erleben der unterschiedlichen Arbeits- und Lebenswelten eine Entscheidung ermöglicht werden kann. Dieser Vergleich ist tatsächlich einer zwischen zwei „Welten“, wobei die Anforderungen und Maßstäbe der Welt außerhalb der WfbM zum Teil zum ersten Mal erfahren werden und in der Regel in kurzen Zeiträumen mit dem eigenen Ziel- und Wertesystem abgeglichen werden müssen. Zudem spielen für Menschen mit geistiger Behinderung die Erwartungen und Werteorientierungen des sozialen Umfelds eine besondere Rolle. Angesichts der Komplexität der Entscheidung besteht die besondere Gefahr, fremde Wünsche und Beurteilungen als eigene zu übernehmen. Eine Frage ist also auch, wie es den Projektteilnehmer(inne)n gelingt, zu einer selbstbestimmten Alternativenbildung zu gelangen. • Arbeit und Leben in der WfbM ist u. a. geprägt vom Schutz vor einer individuelles Wachstum und individuelle Lebenszufriedenheit beeinträchtigenden Überforderung. Beim Übergang auf den allgemeinen Arbeitsmarkt werden hingegen Bewältigungsstrategien zum Umgang mit überfordernder Komplexität verlangt. Welche Ressourcen brauchen und besitzen Projektteilnehmer(innen) in diesem Zusammenhang? • Berufliche Veränderung setzt die Bereitschaft und Fähigkeit zur Neugestaltung von sozialen Beziehungen voraus. Die Arbeit in der WfbM ermöglicht ein bestimmtes soziales Leben, beruhend auf weitgehend nicht selbst gewählten Abhängigkeiten. Gleichzeitig bietet die WfbM als „ein Ort zu leben“ (SPECK 2003) soziale Entfaltungsmöglichkeiten, die mit einem Verlassen dieser Einrichtung verloren gehen können. Unter welchen Voraussetzungen gelingt es dem Individuum, im Entscheidungsprozess nichtgewünschte Bindungen zu lösen und das soziale Umfeld neu zu gestalten? • Die Entscheidung zwischen den beruflichen Alternativen WfbM und Arbeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ist ein komplexer Nutzen-Risiken-Abgleich. Je mehr er sich auf direkte materielle Vor- und Nachteile beschränkt, je weniger nachhaltige Werteauffassungen eine entscheidungsorientierende Rolle spielen (JUNGERMANN, PFISTER 1998), umso eher verlieren die angebotenen einfach strukturierten, in der Regel gering entlohnten Helfertätigkeiten auf dem allgemeinen Ar- Geistige Behinderung 1/05, 44. Jg. Weit reichende Entscheidungen beitsmarkt bei der letztendlichen Entscheidung an Attraktivität. Welche Werteorientierungen sind für den betroffenen Personenkreis wirksam, die eine individuelle Herausforderung zur sozialen Integration darstellen? • Die Werkstattbeschäftigten erleben eine „Rundumversorgung“, auf welchem Niveau auch immer, in denen die „Qual der Wahl“ kaum eine Rolle spielt. Dazu kommt, dass auch deren Biografie vor dem Eintritt in die WfbM kaum Referenzerfahrungen erfolgreich bewältigter Entscheidungsherausforderungen aufweist. Für das Ziel, an Wahlmöglichkeiten zwischen pluralen Lebensformen teilzunehmen, wird aber in unserer Gesellschaft eine „höchst riskante Selbstgestaltung“ (THIMM, WACHTEL 2002) abverlangt. Obwohl Risiken in Qualifizierungs- und Vermittlungsprojekten zum Teil eingeschränkt und begleitet werden können, gehört zur Selbstbestimmung, „verschiedene Lösungen für schwierige Situationen auszuprobieren, Risiken einzugehen und sich der Gefahr des Scheiterns auszusetzen“ (LINDMEIER & LINDMEIER 2003). Wie gehen Projektteilnehmer(innen) auf dem Hintergrund einer tendenziell überfordernden Entscheidungsherausforderung, einer erhöhten Vulnerabilität gegenüber individuellem Scheitern und eines generellen Lebensrisikos mit Risiken um? Mit der Studie auf der Grundlage einer qualitativen empirischen Untersuchung sollen Entscheidungsprozesse von Werkstattbeschäftigten, die sich für oder gegen einen Wechsel auf den allgemeinen Arbeitsmarkt entschieden haben, durchsichtiger gemacht werden. Gleichzeitig soll erkundet werden, welche Angebote und Entscheidungshilfen eines Qualifizierungs- und Vermittlungsdienstes in der WfbM individuell angemessene Entscheidungen fördern bzw. behindern. Nach dem Konzept der lebenswelt- und alltagsorientierten sozialen Arbeit sollten auch berufliche Übergänge als „gelingendes Leben“ gestaltet werden können (METZLER, RAUSCHER 2003). Dabei geht es um Lebensqualität, verstanden als Übereinstimmung von Teilhabe an Integration ermöglichenden Lebensbedingungen und subjektivem Wohlbefinden (SEIFERT, FORNEFELD, KOENIG 2001). Die Studie hat nicht das Anliegen, den „Beruf WfbM-Beschäftigte(r)“ zu rehabilitieren, kann aber mithilfe qualitativer Verfahren auch die Bedeutung der WfbM als Zwischenstation und/oder Ausgangspunkt individueller beruflicher Entwicklung „entmystifizieren“ und die Anteile beruflicher Identitätsbildung identifizieren, die im besonderen Arbeits- und Lebensort WfbM für weitere berufliche Übergänge, wie dem auf den allgemeinen Arbeitsmarkt, strukturbildend sind (SACKMANN, WINGENS 2001). Qualitative Interviews zur Rekonstruktion von Entscheidungsverhalten Mithilfe qualitativer leitfadengestützter Interviews wurden Teilnehmer(innen) eines niedersächsischen und mit Mitteln des Europäischen Sozialfonds geförderten Projekts für WfbM-Beschäftigte zur Unterstützung des Übergangs auf den allgemeinen Arbeitsmarkt zu ihrem Entscheidungsverhalten befragt. Geistige Behinderung 1/05, 44. Jg. 51 52 Jochen Friedrich Die Interviews wurden mit 32 Projektteilnehmer(inne)n aus den Projektjahren 2001–2003 mit unterschiedlichen beruflichen Verläufen in der WfbM, verschiedener Reichweite der gewünschten bzw. vollzogenen beruflichen Veränderung (vom Orientierungspraktikum bis zur abgeschlossenen Vermittlung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt) und unterschiedlicher zeitlicher Distanz zu den gemachten Erfahrungen durchgeführt. Die Auswertung der Interviews folgt der Methode der „gegenstandsbezogenen Theoriebildung“, d. h., die Datenerhebung mithilfe der Interviews und die Datenauswertung sind gleichzeitig. Die Herausarbeitung annähernder Hypothesen beginnt bereits nach dem ersten Interview. Die Befragten zeigten eine große Bereitschaft, ihre Erfahrungen aus der Erlebensperspektive zu berichten. Allein schon das exklusive Befragtwerden als Expertin/Experte in eigener Sache wurde als offensichtlich personale Würdigung erlebt. Da dem Autor der Studie aufgrund eigener Projektverantwortlichkeit eine Fülle von Vorinformationen und bewertenden Dokumentationen vorliegen, wurden zum Zwecke einer möglichst vorurteillosen Kategorienbildung die Interviews von zwei vom Qualifizierungs- und Vermittlungsprojekt und der WfbM unabhängigen Personen durchgeführt und die Ergebnisse anonymisiert in vollständig transkribierter Form zur Verfügung gestellt. Die Studie bemüht sich um eine den Datenerhebungsund -auswertungsprozess begleitende dialogische Validierung. Deshalb werden z. B. befragten Projektteilnehmer(inne)n und anderen Experten bestimmte Ergebnisse zur erneuten Bewertung vorgestellt. Erste Untersuchungsergebnisse Die bisherigen Interviews und ihre Auswertung zeigen, dass beim „Zu-Wort-kommenlassen“ der Teilnehmer(innen) von Qualifizierungs- und Vermittlungsprojekten Dimensionen von Entscheidungsverhalten transparent werden, die zuvor und ohne dieses empirische Herangehen selbst durch eine gründliche Analyse der vorliegenden Entwicklungsdokumentationen nicht erkennbar waren. Die folgenden Ausführungen sollen einen ersten Eindruck von den bisherigen Befragungsergebnissen vermitteln. Die Methode der gegenstandsbezogenen Theorienbildung lässt es zu, dass sich Untersuchungsrichtung und Hypothesenbildung im weiteren Verlauf deutlich verändern können. Die Ausgangsmotive fast aller Werkstattbeschäftigten für eine Projektteilnahme „mehr Geld als in der WfbM verdienen“ und „mal etwas anderes kennen lernen“, in denen die Erfahrung materieller Grenzen einer WfbM-Beschäftigung verarbeitet wird, lassen sich nach der Befragung der Projektteilnehmer(innen) differenzieren. So ergeben sich hinsichtlich der Motivation zum Übergang auf den allgemeinen Arbeitsmarkt bei den Befragten unterschiedliche Gruppen, die alle mit der Projektteilnahme eine persönliche Aufwertung erwarten. Der ersten Gruppe ist die Statusverbesserung, die mit dem Ausscheiden aus der WfbM und dem Erreichen beruflicher „Normalität“ erhofft wird, so wichtig, dass der konkrete Inhalt der angebotenen Tätigkeiten im neuen beruflichen Feld völlig untergeordnet erscheint. Diese Gruppe zeichnet sich durch eine hohe Veränderungsund Risikobereitschaft aus und ist, bezogen auf die Vermittlungsquote, am erfolg- Geistige Behinderung 1/05, 44. Jg. Weit reichende Entscheidungen reichsten. Bei diesem Personenkreis ist der Anteil derjenigen, die in der WfbM nach eigenem Bekunden sozial nie Fuß gefasst haben, besonders hoch. Diese Gruppe reagiert mit einem entschiedenen Interesse am Verlassen des „Schutzraums WfbM“ auf psychoemotionale Verletzungen. Diese resultieren vor allem aus der Zuschreibung des „Behindertseins“ und aus wahrgenommener Nichtwürdigung der eigenen Kompetenzen in der WfbM. Die Bereitschaft und Fähigkeit zur Lösung bestehender Beziehungen ist besonders groß. Dies ist mit einer „sozialen Anspruchslosigkeit“ bis hin zur Form eines verinnerlichten „Einzelkämpfertums“ verbunden, die sich in der neuen Arbeits- und Lebensumgebung fortsetzt. Die zweite Gruppe setzt auf persönliche Aufwertung durch die Chance zur Demonstration der fachlichen Fähigkeiten bzw. zum Erwerb neuer beruflicher Fertigkeiten. Dieser Personenkreis besitzt eine größere Selbstsicherheit hinsichtlich der selbstangenommenen Kompetenzen. Er wird aber deshalb in der Projektteilnahme auch eher durch die Erfahrung enttäuscht, dass entweder die fachliche Herausforderung in der neuen Tätigkeit den Erwartungen nicht entspricht, oder dass die eigenen Fähigkeiten überschätzt wurden. Diese Gruppe hat zumeist bestimmte Personen im sozialen Bezugssystem im Auge, denen die eigene Leistungsfähigkeit „bewiesen“ werden soll und die besonderen Einfluss auf das berufliche Wertesystem haben. Sie zeichnet sich durch dezidiertere Ansprüche an die Qualität sozialer Kontakte in der WfbM und auf den angebotenen Arbeitsplätzen des allgemeinen Arbeitsmarkts aus. Nach einer Prüfung der Vor- und Nachteile fällt die Entscheidung meist zugunsten des Verbleibs in der WfbM. Die Personen der dritten Gruppe wollen vor allem „dabei sein“. Die Auswahl als Projektteilnehmer(in) wird als Auszeichnung empfunden, welche eigene Leistungsfähigkeit demonstriert und Abwechslung ermöglicht. Dabei spielen sowohl ein Nachahmungsbedürfnis, als auch der empfundene Mangel an beruflichen Alternativen in der WfbM-Beschäftigung eine Rolle. Als biografischer Hintergrund wirkt das Erleben von Ausgrenzung bei Lebenschancen und Wahlmöglichkeiten. Dieser Personenkreis ist für neue berufliche Anregungen am offensten, im Entscheidungsprozess hingegen am unverbindlichsten. Empfundene Überforderung hinsichtlich Arbeitsleistung oder Entscheidungsrisiken führt in der Regel schnell zu einer „Versöhnung“ mit dem Arbeits- und Lebensort WfbM. In der weiteren Analyse wird herauszufinden sein, inwieweit sich diese Einteilung stabilisiert, und ob sie von Nutzen ist, um Kompetenzen zu identifizieren, die angesichts überfordernder Entscheidungsherausforderungen kongruentes Entscheidungshandeln ermöglichen. Deutlich wird, dass bei allen Werkstattbeschäftigten mit den Projektangeboten eine „biografische Bilanz“ ausgelöst wird, die sowohl Ressourcen für den Entscheidungsprozess freisetzt, als auch traumatische Erlebnisse reaktivieren kann, die Veränderungsenergie binden und die Lebensqualität beeinträchtigen. Daraus wächst eine besondere pädagogische Verantwortung im Umgang mit den Projektangeboten. Eine weitere Beobachtung ist, dass die Befragten ihre mit der Projektteilnahme subjektiv empfundenen enormen Anpassungsleistungen zur Sprache bringen. Das „Klarkommen“ mit den neuen Arbeitsaufgaben und dem unbekannten Umfeld sowie das „Durchhalten“ haben einen hohen Stellenwert und werden als Beweis für eigene Leistungsfähigkeit und Selbstständigkeit angeführt. Tatsächlich sind Ausdauer Geistige Behinderung 1/05, 44. Jg. 53 54 Jochen Friedrich und Unempfindlichkeit gegenüber den beruflichen Belastungen, ergänzt durch Robustheit im Umgang mit dem neuen sozialen Umfeld, sowohl Erfolgsfaktoren für die Vermittlung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, als auch Abgrenzungsmerkmale gegenüber der Arbeitswelt WfbM. Problematisch wird eine Orientierung an individueller Robustheit dort, wo sie als Maßstab des beruflichen und persönlichen Erfolges verabsolutiert wird. Sie setzt das Individuum unter hohen Druck, „funktionieren“ zu müssen, Grenzen werden als Defekt befürchtet und abgelehnt, was wiederum zur Selbstisolierung führen kann. Bisherige Untersuchungen (SCHÜLLER 2003) haben auf die Gefahr sozialer Isolierung bei einer Vermittlung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt aufgrund der mangelnden Befriedigung der Kontaktbedürfnisse von Behinderten durch die „normale“ Arbeitswelt hingewiesen. Dies muss offensichtlich ergänzt werden durch einen Blick auf Faktoren, die in der individuellen Verarbeitung der beruflichen Veränderungsangebote durch Menschen mit geistiger Behinderung liegen. Diese Erkenntnisse können für eine „Entscheidungsassistenz“ nützlich sein, die u. a. auch ein dialogisch gestaltetes soziales Feedback beinhaltet. Die Wünsche der Befragten an ihre berufliche Zukunft spiegeln in vielen Zügen die Erwartungen des relevanten sozialen Umfelds wider. Bereits in anderen qualitativen Untersuchungen wurde festgestellt, welche psychoemotionale Bedeutung das Beziehungssystem WfbM (HINZ, BOBAN 2001), aber auch das Familiensystem für die Entscheidungen von WfbM-Beschäftigten haben. In der Befragung wird deutlich, wie stark erlebtes Zu- oder Misstrauen der sozialen Umgebung das berufliche Entscheidungsverhalten beeinflussen. Dabei ist die Verarbeitung des wahrgenommenen Feedbacks unterschiedlich, sie reicht von der völligen Unterordnung bis hin zum demonstrativen „Jetzt erst recht!“. Insgesamt stehen die Projektteilnehmer(innen) vor der schwierigen Herausforderung, eigene Wertehaltungen zu entwickeln und ihr Beziehungssystem im Prozess der beruflichen Veränderung im eigenen Interesse neu zu gestalten. Dabei sind die Lösung von bisherigen und die Gestaltung neuer sozialer Bindungen zu bewältigen (BUSCH, D. W. 1973). Die Interviews offenbaren dabei große Probleme der Projektteilnehmer(innen), wenig entwickelte Orientierungen und ein begrenztes Handlungsrepertoire – ein weites Aufgabenfeld der Geistigbehindertenpädagogik. ■ Kurzfassung Der Autor stellt die ersten Ergebnisse seiner wissenschaftlichen Arbeit mit dem Titel „Entscheidungsverhalten von Menschen mit geistiger Behinderung in Übergängen von der WfbM auf den allgemeinen Arbeitsmarkt“ vor. Die ihr zugrunde liegende empirische Untersuchung beruht auf qualitativen Interviews mit Teilnehmer(inne)n in Qualifizierungs- und Vermittlungsprojekten der WfbM in Niedersachsen. Sie werden zu ihrem subjektiven Erleben der beruflichen Veränderungsangebote befragt. Dieses wird durch die Erfahrung des besonderen Arbeitsund Lebensorts WfbM, durch die Verarbeitung des eigenen Lebenslaufs und durch individuelle Bewältigungsstrategien beeinflusst. Die Ergebnisse der Studie sollen zum Verständnis des Entscheidungsprozesses von Werkstattbeschäftigten angesichts komplexer beruflicher Veränderungsanforderungen beitragen. Durch den qualitativen Ansatz der Studie werden die Evaluationsdimensionen für zukünftige Qualifizierungs- und Vermittlungsprojekte für Beschäftigte in WfbM erweitert und Schlussfolgerungen für eine „Entscheidungsassistenz“ als Aufgabe der Geistigbehindertenpädagogik ermöglicht. Geistige Behinderung 1/05, 44. Jg. Weit reichende Entscheidungen Abstract Far-reaching Decisions. A Study on the Decision-making Processes of People with Intellectual Disabilities Leaving their Workshops for the Open Job Market. The author presents the first results of his research. The empiric study is based on qualitative interviews with participants of qualification and job-finding programmes. They were asked about their personal experience as to the vocational changes, which is particularly influenced by the special work and living place „workshop“, by coping with one’s own life as well as individual coping strategies. The results of the study are supposed to contribute to the understanding of decision-making processes of workshop employees in view of the complex vocational requirements. Due to the qualitative approach of the study evaluative dimensions of qualification and job-finding projects for workshop employees are broadened and final conclusions for an “education of vocational assistance” for people with intellectual disabilities allowed. ■ Literatur BECK, E.; LÜBBE, A. 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An dem Halbjahresprogramm, das neben fünf umweltpädagogischen Praxiseinheiten mit einer Dauer von zwei bis drei Stunden ein Vorbereitungs- und ein Nachbereitungstreffen beinhaltet, nehmen zehn geistig behinderte Beschäftigte im Alter von 25 bis 45 Jahren sowie eine Fachpädagogin für arbeitsbegleitende Maßnahmen und Freizeit teil. Das Programm wird im Rahmen einer arbeitsbegleitenden Fördermaßnahme der WfbM durchgeführt. Zu einem ersten Vorbereitungstermin besucht der Projektleiter des Umweltpädagogischen Zentrums zunächst die Werkstatt. Dieser Termin dient dem Informationsaustausch mit der Fachpädagogin. Es werden organisatorische Dinge wie Termine und Veranstaltungsorte sowie die Ziele und der Ablauf des Programms besprochen. Ganz wichtig ist es, vor Beginn der Praxisphase erste Informationen über die Teilnehmer zu bekommen: Welche Behinderungen liegen vor? Wie mobil sind die Teilnehmer? Inwieweit können die Beteiligten lesen und schreiben? Wie schätzt die Pädagogin die Aufnahme- und Konzentrationsfähigkeit ihrer Beschäftigten ein? Welche Vorkenntnisse gibt es zum Thema? Eine Woche später treffen wir uns zum ersten Praxistermin auf dem Außengelände der Werkstatt. Diese Begegnung dient der Einführung in das Thema sowie dem gegenseitigen Kennen lernen. Durch bewegungsorientierte, kooperative Spiele am Abb. 1: Schwungtuchaktivitäten (Fotos: Wilker 2003) Geistige Behinderung 1/05, 44. Jg. Hand in Hand die Umwelt erleben Anfang erfolgt neben der Förderung der motorischen Fähigkeiten eine erste Kontaktaufnahme zu den Teilnehmern. Nach einer kurzen Vorstellungsrunde beginnen die Aktivitäten mit einem Schwungtuch. Alle Gruppenteilnehmer halten den Rand des Tuchs fest und bewegen das Tuch erst langsam und dann immer schneller. Die Gruppe erzeugt mit dem Tuch Wellen und lässt es nach oben schweben, so dass ein „Pilz“ entsteht, unter dem sich die Teilnehmer bewegen und nach Aufruf ihres Namens ihre Plätze wechseln. In dieser lockeren Atmosphäre werden die Namen ausgetauscht. Nach diesem Einstieg gehen wir gemeinsam zu einem angrenzenden Waldstück, dem Veranstaltungsort für das kommende Programm. Die Teilnehmer finden sich über das Erfühlen von Kastanien, Zapfen und Rindenstücken zu drei Kleingruppen zusammen. In einer Fotosafari sollen die Gruppen nun erste Eindrücke von „ihrem“ Wald sammeln. Ausgehend von einer Kreuzung wandern die Kleingruppen verschiedene Wege ab und machen sich mit Hilfe von Fotos und einer Orientierungskarte auf die Suche nach auffälligen Naturobjekten, wie z. B. einem ausgehöhlten Baum. Danach gehen wir einen Hang hoch, wobei jeder die Aufgabe hat, einen Stock mitzubringen. Wir bilden dann einen Kreis und jeder legt seinen Ast hinter sich auf den Boden. Auf dieser Abgrenzung häufen wir dann Äste und Blätter auf und bauen unser eigenes Waldsofa, das in den folgenden Programmeinheiten als Treffpunkt dient. Zum Abschluss setzen wir uns in das Waldsofa, und jeder Teilnehmer bekommt von uns ein Waldtagebuch ausgehändigt, um alle von ihm im Laufe des Halbjahresprogramms erstellten Werke zu sammeln. Ein Programmposter dient der Dokumentation aller Aktivitäten. Dieses besteht aus einem Mittelteil und fünf Außenteilen, auf denen zu jedem Termin jeweils die Ergebnisse festgehalten werden. Zum zweiten Termin treffen wir uns direkt am Waldrand. Die Teilnehmer stellen sich hintereinander auf und bekommen von uns die Augen verbunden. Sie legen nun Abb. 2: Waldsofa Geistige Behinderung 1/05, 44. Jg. 57 58 Frank Wilker Abb. 3: Die „Blinde Raupe“ ihre Hände auf die Schultern des Vordermanns, und der Leiter führt die Gruppe als „Blinde Raupe“ durch den Wald. Die Teilnehmer merken, dass die anfänglichen Verkehrsgeräusche im Laufe der Wanderung weniger werden und stattdessen Waldgeräusche wie das Zwitschern der Vögel sowie das Rascheln der Blätter zunehmen. Außerdem nehmen sie mit ihren Füßen die verschiedenen Untergründe wahr. Ziel dieser Übung ist es, unter Ausschaltung des Sehsinns die anderen Sinne wie den Tast- und den Hörsinn stärker einzusetzen. Nach einem kurzen Erfahrungsaustausch machen wir uns nun auf Schatzsuche. Jeder Teilnehmer hat jetzt die Aufgabe, seinen persönlichen Waldschatz zu finden. Dieser soll so klein sein, dass er in seine Hand passt, und darf den anderen zunächst nicht gezeigt werden. Fundstücke sind z. B. eine Feder, schöne Steine, ein Zapfen, ein Rindenstück, ein leeres Schneckenhaus und eine Eichel. Den Teilnehmern wird schnell klar, dass sie viele schöne Sachen entdecken können, wenn sie langsam durch den Wald gehen und genau auf den Boden schauen. Wir stellen uns jetzt in dem Waldsofa nah zusammen und geben unsere Schätze jeweils auf Kommando hinter dem Rücken an unseren rechten Nachbarn weiter. Nachdem alle Sachen ertastet wurden, halten alle wieder ihren eigenen Schatz in den Händen. Wir tauschen uns nun über die gefühlten Sachen aus und benennen sie. Anschließend zeigen wir uns gegenseitig die Schätze und gestalten damit auf dem Waldboden ein schönes Bild, das mit Stöcken eingerahmt wird. In der zweiten Hälfte dieses Nachmittags beschäftigen wir uns mit den Bäumen. Nach einem kurzen Austausch, welche Bäume der Gruppe bekannt sind, erhalten jeweils zwei Teilnehmer von uns einen Baumsteckbrief, der die Kennzeichen eines Baums darstellt. Auf diesem sind z. B. ein Blatt, die Rinde und Früchte farbig abgebildet. Jede Gruppe sucht – damit ausgestattet – ihren Baum im Gelände. Ist das geschehen, wird ein eigener Baumsteckbrief erstellt. Hierfür wird mit Wachsmalstiften ein Rindenabdruck gemacht, gefundene Blätter und Früchte werden aufgeklebt, der Umfang wird ausgemessen. Zum Abschluss stellt jede Gruppe in einem Rundgang ihren Baum vor. Geistige Behinderung 1/05, 44. Jg. Hand in Hand die Umwelt erleben Eine Woche später treffen wir uns zum dritten Mal im Waldsofa. Der heutige Schwerpunkt beschäftigt sich mit den Waldtieren. Um ein lautloses Anschleichen der Tiere zu imitieren, starten wir mit dem Rollenspiel „Fuchs und Kaninchen“. Hierfür stellen wir uns im Kreis auf, und ein Freiwilliger wird gesucht, der das Kaninchen darstellt. Er setzt sich in die Mitte, und seine Augen werden verbunden. Durch Zeigen auf eine Person wird jetzt jeweils ein Fuchs bestimmt, der sich möglichst leise an sein Beutetier (das Kaninchen) anschleichen soll. Nimmt das Kaninchen ein Geräusch wahr, zeigt es in die entsprechende Richtung und der Fuchs muss stehen bleiben. Diese spielerische auditive Übung fördert die Konzentration am Anfang dieser Einheit. Im Folgenden untersuchen wir den Waldboden nach kleinen Tieren. Jede Kleingruppe erhält von uns einen Rucksack mit einer „Forscherausrüstung“: Becherlupen, Handlupen, Siebe, Pinsel, weiße Tücher, Bodentierkarten, Insektenstaubsauger und Stifte. Nachdem die Ausrüstung praktisch vorgestellt ist, sucht sich jede Gruppe einen geeigneten Platz, wo sie sich niederlässt. Die Teilnehmer legen Blätter und Erde auf das Sieb und durch das Schütteln fallen die kleinen Tiere auf das ausgebreitete weiße Tuch. Mit der Lupe suchen wir nun nach den Tieren und saugen die Fundstücke mit dem Insektenstaubsauger, der aus einer Filmdose und zwei Schläuchen besteht, an und legen sie in das Becherlupenglas, wo wir sie betrachten und mit den Bestimmungskarten vergleichen. Die Teilnehmer sind überrascht über die selbst entdeckte Vielfalt der Lebewesen, die sich im Boden bewegen. Sie sind mit Begeisterung dabei, und es macht ihnen viel Spaß, die Hundertfüßler, Asseln, Springschwänze und Käfer durch die Lupe zu betrachten. Dieser Programmbaustein wird abgerundet durch spielerische Aktivitäten, um Verhaltensweisen heimischer Waldtiere wie z. B. das Verstecken von Wintervorräten eines Eichhörnchens durch eigenes Erleben näher kennen zu lernen. Abschließend gehen wir auf die Suche nach Tierspuren von Rehen, Wildschweinen und Hasen. Am vierten Termin treffen wir uns wieder im Waldsofa. Heute wollen wir aus Materialien, die wir im Wald finden, einfache Geräuschinstrumente bauen. Um die natürlichen Waldgeräusche gezielt wahrzunehmen, zeichnet jeder Teilnehmer zunächst eine Geräuschelandkarte. Jeder sucht sich hierfür einen Platz im Waldsofa, schließt seine Augen und zeichnet oder notiert anschließend alle wahrgenommen Töne mit Richtungsangabe in seine Karte ein. Danach starten wir unsere Bauaktivitäten. Wir machen uns zunächst auf die Suche nach Stöcken und anderen geeignet erscheinenden Materialien und bauen unter Gebrauch von Sägen, Handbohrern, Hämmern und anderen mitgebrachten Werkzeugen einzelne Instrumente. Am Ende haben wir so ein Holzxylophon, eine Rassel und einige Klangstäbe hergestellt und setzen diese in einem Waldlied ein. Am letzten Praxistermin geht es hauptsächlich um sinnliche Waldaktivitäten. Zu Beginn bekommen jeweils zwei Personen einen Spiegel ausgehändigt. Ein Teilnehmer hält sich den Spiegel unter die Nase und sein Partner führt ihn durch das Gelände. Durch den Spiegel sehen wir plötzlich den Wald aus einem anderen Blickwinkel. Wir schauen in die Baumkronen, nehmen die Wolken und die Vögel am Himmel wahr, und die Äste scheinen uns entgegen zu kommen. Danach sollen die Teilnehmer vorher versteckte waldfremde Gegenstände im Gelände ausfindig machen. Sie sehen so, dass z. B. braune oder grüne Gegenstände schwieriger zu erkennen sind, da sie farblich besser an die Natur angepasst sind. Bei der nächsten Geistige Behinderung 1/05, 44. Jg. 59 60 Frank Wilker Aktivität stellt jeder wie ein Maler eine Farbpalette her, auf der Waldmaterialien (z. B. Blätter, Stöcke) nach Farbtönen aufgeklebt werden. Zum Abschluss des praktischen Teils im Wald erhält jeder Teilnehmer von uns eine Suchliste. Er soll etwas Weiches, etwas Schönes, etwas Rundes, etwas Glattes und etwas Grünes suchen. Anschließend durchlaufen die Kleingruppen im Seminarraum der Werkstatt einzelne Stationen eines mobilen Sinnesparcours. Dieser enthält zwei Taststationen, wo mit verbundenen Augen Fundstücke aus dem Wald mit den Händen ertastet und bestimmt werden sollen. Daneben gibt es zwei Hörstationen. Hier werden zum einen mit Waldmaterialien gefüllte Hörschachteln geschüttelt und anhand des Geräuschs Waldgegenständen zugeordnet. Zum anderen ordnen die Teilnehmer von einem Rekorder abgespielte Waldgeräusche, z. B. das Hämmern eines Spechts, entsprechenden Fotokarten zu. In einem Geruchsspiel werden dann noch Waldgerüche mit verbundenen Augen wahrgenommen, und der Geschmackssinn wird in einer Schmeckbar mit Essbarem aus dem Wald angeregt. Eine Woche nach dem Ende der Praxiseinheiten treffen wir uns zu einem Abschlusstermin in dem Seminarraum der Werkstatt. Im Rahmen einer Diashow wird noch mal das gesamte Programm besprochen und jeder Teilnehmer hat die Chance, positive und negative Aspekte des Programms zu benennen. Abschließend setzen wir uns mit der Fachpädagogin zusammen und führen ein leitfragenorientiertes Auswertungsgespräch durch, was insbesondere für die Evaluation des Projekts und die qualitative Verbesserung der Programme wichtig ist. Projektträger Das vorgestellte Halbjahresprogramm „Sinnes- und Forschungsreise durch den Wald“ fand im Rahmen des Projekts Hand in Hand statt. „Hand in Hand“ steht für „Handlungsorientierte, integrative Umweltpädagogik für Menschen mit Handikap“ und ist ein innovatives Modellprojekt des Umweltpädagogischen Zentrums der Stadt Nürnberg. Das Umweltpädagogische Zentrum ist eine Einrichtung der Stadt Nürnberg und im Pädagogischen Institut des Schulreferats angesiedelt. Das Bayerische Staatsministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz (StMUGV) hat das Umweltpädagogische Zentrum seit 1995 als Umweltstation anerkannt und fördert seit September 2001 das Projekt Hand in Hand im Rahmen des Programms „Förderung von Umweltstationen“. Das Umweltpädagogische Zentrum verfolgte als städtische Bildungseinrichtung bei der Konzeption des Projekts das Ziel, handlungsorientierte Angebote für eine im Umweltbildungsbereich weitgehend vernachlässigte Personengruppe zu schaffen. Durch eine vorher erstellte Nachfrageanalyse sowie die bestehenden Erfahrungen des Projektleiters (vgl. WILKER 1999) leiteten sich folgende zwei Thesen ab, die im Laufe des Projekts bestätigt wurden: ➢ Es besteht im Großraum Nürnberg, Fürth und Erlangen eine große Nachfrage bei sonderpädagogischen Einrichtungen, ihre Arbeit mit umweltpädagogischen Inhalten zu bereichern. ➢ Menschen mit Behinderungen werden durch handlungs-, sinnes- und erlebnisorientierte Projektarbeit in der Natur in vielen Bereichen gefördert (vgl. WILKER 2004). Geistige Behinderung 1/05, 44. Jg. Hand in Hand die Umwelt erleben Das Projekt Hand in Hand wird geleitet von Frank Wilker (Diplom-Umweltwissenschaftler im Umweltpädagogischen Zentrum). Die Programme werden des Weiteren von Kräften des Freiwilligen Ökologischen Jahrs sowie von Praktikanten begleitet und unterstützt. Zielgruppen, Angebote, Veranstaltungsorte Die Programme, die im Rahmen des Hand in Hand-Projekts stattfinden, richten sich an Menschen mit Behinderungen aller Altersstufen. Die Hauptzielgruppe im abgelaufenen Projektzeitraum waren Personen mit geistiger Behinderung. Darüber hinaus erfolgte eine Zusammenarbeit mit lernbehinderten, körperbehinderten und Menschen mit autistischen Verhaltensweisen. Hinzu kommen einzelne integrative Gruppen von behinderten und nichtbehinderten Menschen. Die Programme finden in der Regel mit bestehenden Gruppen einzelner Behinderteninstitutionen statt. Kooperiert wird mit Personen aus schulvorbereitenden Einrichtungen, Förderschulen, Werkstätten für behinderte Menschen sowie Tagesstätten. Da das Projekt Hand in Hand auf eine nachhaltige Wirkung abzielt, wird bei der Auswahl der Veranstaltungsformen immer eine längerfristige Zusammenarbeit mit den teilnehmenden Gruppen angestrebt. Die Programme werden deshalb zum einen, wie im Praxisbeispiel ausführlich beschrieben, als Halbjahresprogramme angeboten. Es bietet sich aber auch die Möglichkeit, eine Projektwoche in Naturräumen in der Nähe von Nürnberg, z. B. im Rahmen einer Klassenfahrt, durchzuführen. Die Programme sind dabei als Begleitung zum Unterricht bzw. zum Arbeitsleben oder als Ergänzung zum Freizeitbereich zu sehen. Neben dem oben beschriebenen Programm werden derzeit noch zwei weitere Themengebiete angeboten: Das Programm „Gesunde Ernährung und ökologische Landwirtschaft“ beinhaltet folgende Praxisbausteine: Einkauf eines gesunden Frühstücks, Vom Korn zum Brötchen, Herstellen von ökologischen Lebensmitteln, Besuch eines Ökobauernhofs, Kochen einer Suppe auf offenem Feuer mit saisonalem regionalem Gemüse. Das Programm „Alles Leben besteht aus Wasser“ umfasst folgende Unterthemen: Wassersuche und Wasserverbrauch, Wasser mit allen Sinnen erleben und erforschen, Gewässeruntersuchung, Bauprojekte und Experimente. Die Veranstaltungsorte richten sich nach dem Thema und den Wünschen der beteiligten Behinderteneinrichtungen. Sie werden auf dem Gelände des Umweltpädagogischen Zentrums, in den Einrichtungen und direkt in der Natur (in interessanten Waldgebieten oder an Bächen) durchgeführt. Um diese Flexibilität zu gewährleisten, steht dem Projekt ein mit umweltpädagogischen Materialien ausgestatteter Kleinbus zur Verfügung. Projektziele Da die Umweltpädagogik Berührungspunkte mit der Sonderpädagogik aufweist, verfolgt das Projekt Hand in Hand Ziele aus beiden Fachbereichen. Mit Hilfe der umweltpädagogischen Programme sollen den Menschen mit Behinderungen vor Geistige Behinderung 1/05, 44. Jg. 61 62 Frank Wilker allem neue Erlebnisräume in ihrer Umwelt geöffnet werden, da es ihnen oft an elementaren Umwelterfahrungen mangelt (vgl. WILKER 1999, 32). Der Umweltbegriff bezieht dabei nicht nur die Natur mit ein, sondern auch das soziale Umfeld (vgl. KLAWE 1995, 420). Ein Schwerpunkt liegt in der Förderung der Wahrnehmung und der Motorik, da diese in allen Lebens- und Entwicklungsbereichen eine große Rolle spielen (vgl. FRÖHLICH 1999, 13). Hierfür bietet die Natur ein großes Reservoir an Möglichkeiten, durch verschiedene Hör-, Geruchs-, Geschmacks- und Tastübungen im freien Gelände, im Wald, am Wasser usw. die Sinne zu schulen. Durch die Tatsache, dass viele Aktivitäten mit Bewegung verbunden sind, werden außerdem die motorischen Fähigkeiten gefördert. Durch emotionale Erlebnisse soll des Weiteren die Begeisterung und das Interesse für die Natur geweckt werden, da oft festzustellen ist, dass die Teilnehmer nur einen geringen Bezug zu ihrer Umwelt haben (vgl. WILKER 2004, 28). Über das positive Empfinden von Natur soll dann auch das Umweltbewusstsein der Beteiligten gestärkt werden (vgl. GÖPFERT 1990, 26). Das rein kognitive Lernen von Umweltfachwissen, z. B. das Kennen möglichst vieler Baumarten, steht im Hintergrund. Handlungsorientierte und kognitive Komponenten werden meistens im Verbund mit dem emotionalen Bereich verfolgt. Über die Programme wird des Weiteren auch immer angestrebt, die sozialen Kompetenzen zu fördern. Durch das Arbeiten in kleinen und wechselnden Gruppen und das Tun miteinander sollen sich die Teilnehmer gegenseitig helfen und ihre Akzeptanz untereinander stärken. Schließlich soll die Integration von Menschen mit Behinderungen mit nichtbehinderten Menschen über die Kooperationsprogramme gefördert werden. Hierfür ist das handlungsorientierte Lernen in der Umwelt sehr gut geeignet (vgl. Staatsinstitut für Schulpädagogik und Bildungsforschung 1998, 42). Rahmenbedingungen, Inhalte und Didaktik Bezogen auf Themen und Inhalte gibt es bei den Programmen für Menschen mit Behinderungen keine Besonderheiten. Die meisten Aktivitäten werden auch mit nichtbehinderten Personen durchgeführt. Der wesentliche Unterschied und die Besonderheit der umweltpädagogischen Programme für Menschen mit Behinderungen liegt in der Verbindung zu der sonderpädagogischen Arbeit. Zum einen ist dabei die Festlegung bestimmter Rahmenbedingungen von entscheidender Bedeutung. Zum anderen sind die Schwerpunktsetzung und die Herangehensweise bei der Durchführung unterschiedlich. Folgende Rahmenbedingungen stehen bei der Planung und Durchführung der Praxismaßnahmen im Vordergrund und sind im Umgang mit Menschen mit Behinderungen besonders hervorzuheben: Um zu erreichen, dass jeder Teilnehmer durch das Programm gefördert wird und seine persönlichen Erfolgserlebnisse aus den Aktivitäten gewinnt, ist zunächst ein guter Betreuungsschlüssel bei den Praxiseinheiten wichtig. Im Durchschnitt kommt deshalb in der Regel ein Betreuer (Gruppenbetreuer und Hand in Hand-Team) auf zwei Teilnehmer. Ein wichtiger zusätzlicher Aspekt ist das Arbeiten in kleinen Gruppen, um auf jeden Teilnehmer individuell eingehen zu können. Hierfür wurde die Teilnehmerzahl bei den Hand in Hand-Programmen im Vorfeld auf maximal zwölf Personen begrenzt. Geistige Behinderung 1/05, 44. Jg. Hand in Hand die Umwelt erleben Bei den Programmen mit Menschen mit Behinderungen ist des Weiteren eine gute Kooperation mit den Gruppenbetreuern sowie eine intensive Vorbereitung von unerlässlichem Wert. Aus diesem Grund findet bei jeder längerfristigen Zusammenarbeit immer ein obligatorisches Vorbereitungstreffen mit den Betreuern und Teilnehmern der Einrichtungen statt. Die Betreuer nehmen in den Programmen verschiedene wichtige Rollen ein: Sie sind Informations- und Verbindungsstelle zu den Teilnehmern. Als Übersetzer geben sie Zusatzerklärungen bei individuellen Schwierigkeiten im Aufgabenverständnis. Als Helfer übernehmen sie im Programmgeschehen Anleitungsrollen bei der Arbeit in Kleingruppen. Die Betreuer profitieren auf der anderen Seite von den Programmen, indem sie eine Vielzahl von Anregungen erhalten und Ideen später im Alltagsgeschehen aufgreifen können (Multiplikatorrolle). Außerdem nehmen sie die Rolle eines Beobachters ein, wobei sie z. B. die Chance haben, „ihre“ Leute einmal aus einem anderen Blickwinkel betrachten zu können. Bei den Inhalten und der Didaktik der Programme bestehen die Unterschiede im Vergleich zur Arbeit mit nichtbehinderten Personen hauptsächlich in der Schwerpunktsetzung. Die Unterschiede bestehen vorwiegend in der Vereinfachung bestimmter Sequenzen. Die Aufgabenstellungen müssen immer klar und verständlich und nicht zu abstrakt gestaltet werden. Die mündlichen Erklärungen stehen bei den Einheiten deshalb stets in Verbindung mit einer Handlung. Im Programmablauf ist es wichtig, sich für die einzelnen Bausteine Zeit zu lassen und flexibel auf das Geschehen einzugehen. Dabei sollten die einzelnen Sequenzen auch nicht zu lang sein, da die Konzentration der Teilnehmer sonst abnimmt. Die Menschen mit Behinderungen brauchen zum Lernen insbesondere viele (variierende) Wiederholungen der ausgeübten Tätigkeiten. Dies geschieht zum einen in den Programmen, zum anderen aber vor allem in den einzelnen Einrichtungen, wo die Themen in der Regel vorund nachbereitet werden. Im Schulbetrieb ist das gut umsetzbar, wenn das Programm z. B. in den Sachunterricht eingegliedert ist. Bei der Entwicklung und der Durchführung aller Programme werden bestimmte Kriterien berücksichtigt, welche auch in der sonderpädagogischen Arbeit von Bedeutung sind: Das Hand in Hand-Konzept basiert auf dem Ansatz des ganzheitlichen Lernens. Bei allen Aktionen erfolgt das kognitive Lernen daher stets in Verbindung mit handlungs-, sinnes- und erlebnisorientierten Methoden. Des Weiteren wird jeder Teilnehmer im Programm immer als individuelle Persönlichkeit betrachtet. Hierbei stehen seine Fähigkeiten und seine Stärken im Vordergrund. Da es bei Menschen mit geistiger Behinderung große Unterschiede hinsichtlich ihrer Fähigkeiten gibt, sind die Programme deshalb nicht starr und unveränderlich, sondern flexibel an die Anforderungen der jeweiligen Teilnehmer angepasst. Jeder Einzelne soll seinem individuellen Lernvermögen und -tempo gemäß an den Lernprozessen teilnehmen können und Erfolgserlebnisse haben. Durch das Ansprechen verschiedener Methoden soll jeder Teilnehmer seinen Lernbereich wiederfinden. Alle Aufgaben sollen von den Teilnehmern möglichst eigenständig durchgeführt werden, da aktives Handeln die Voraussetzung für das Lernen und Sammeln von Erfahrungen ist. Das gemeinsame Agieren in Kleingruppen ist ebenfalls wichtig, um das Kooperationsvermögen sowie die Kontaktfähigkeit der Teilnehmer zu verbessern. Geistige Behinderung 1/05, 44. Jg. 63 64 Frank Wilker Die folgenden Lernmethoden bestimmen die umweltpädagogischen Programme. Die Förderung der Wahrnehmung über Sinnesaktivitäten nimmt bei den Programmen einen hohen Stellenwert ein, da die Wahrnehmung in allen Lebens- und Entwicklungsbereichen eine große Rolle spielt. Einige Aktionen in den Programmen haben immer den Schwerpunkt, sich künstlerisch handelnd mit der Umwelt auseinanderzusetzen. Beispielweise sollen die Teilnehmer durch das Bauen von Instrumenten mit Naturmaterialien oder das Gestalten eines Waldbildes neben der motorischen Aktivität selbst erleben, welche Vielfalt die Natur enthält. Von allen handlungsorientierten Ansätzen ist die spielerische Methode besonders gut geeignet. In den Programmen werden immer wieder einzelne Naturerlebnisspiele integriert. Durch die Untersuchung eines Waldbodens oder eines Gewässers werden die Teilnehmer forschend tätig. Das Ziel ist, die Vielfalt dieser Lebensräume direkt zu erfahren. Die praktischen Arbeiten bezeichnen hauptsächlich Tätigkeiten, die einen Bezug zur Lebenswelt der Teilnehmer haben. Durch aktives Handeln wird versucht, ihr Umweltbewusstsein zu fördern. Alle Aktivitäten sollen von den Teilnehmern dokumentiert werden. Hierfür werden bei allen Programmen Dokumentationsmedien zur Verfügung gestellt. Die Dokumentation ist wichtig, um das Erlebte noch mal aufzuarbeiten bzw. auch Angehörigen und Freunden zeigen zu können. Nach allen Praxisbausteinen folgt eine Präsentation der Ergebnisse. Es soll möglichst jeder Teilnehmer erzählen, was er gemacht hat. Das ist wichtig, um die Ausdrucksfähigkeit zu stärken. Evaluation der Programme Insgesamt nahmen von April 2002 bis Dezember letzten Jahres 35 Gruppen von Menschen mit Behinderungen an den Halbjahresprogrammen und Projektwochen von Hand in Hand teil. Ein Interesse für die Umweltbildung wurde bei allen Typen von Behinderteneinrichtungen festgestellt. Die Auswertungsgespräche mit den Betreuern belegen den qualitativen Wert unserer Veranstaltungen. Es wird betont, dass durch unsere handlungs-, erlebnis- und sinnesorientierte Projektarbeit in der Natur die behinderten Menschen in vielen Bereichen gefördert werden konnten. „Für jedes Kind war etwas dabei und jeder wurde in seinem Bereich gefördert“ (Aussage einer Klassenlehrerin einer Förderschulklasse, vgl. WILKER 2004). Die Vielfalt der handlungsorientierten Methoden, in denen jeder Teilnehmer seine Nische findet, wurde ebenfalls positiv herausgestellt. „Die verschiedenen angewandten Methoden zur Vermittlung des Wissens waren sehr gut. So wurde es nie langweilig, und jeder fand seine Lernmethode wieder“ (Aussage einer Betreuerin einer teilnehmenden WfbM, vgl. ebd.). Die Tatsache, dass einige Gruppen, wie z. B. eine Werkstatt für behinderte Menschen unsere Programme schon fest in ihr Weiterbildungskonzept eingebunden haben, spricht für Anerkennung. „Das Interesse der Mitarbeiter war sehr groß, und vor allem blieb auch einiges hängen. Sie sprachen oft noch Tage nach dem Kurs über das Gelernte“ (Aussage einer Gruppenleiterin einer teilnehmenden WfbM, vgl. ebd.). Durch die Ergebnisse, die aus der Auswertung der Interviews gewonnen wurden sowie unsere regelmäßigen internen Auswertungsgespräche im Team, wurde gleichzeitig immer wieder an einer Verbesserung einzelner Bausteine gearbeitet. Geistige Behinderung 1/05, 44. Jg. Hand in Hand die Umwelt erleben Publikation Im Rahmen der Projektarbeit ist der Praxisordner „Hand in Hand die Umwelt erleben – Umweltbildung für Menschen mit Behinderungen“ entstanden. Dieser richtet sich insbesondere an Personen, die mit behinderten Menschen zusammenarbeiten und an der Durchführung von umweltpädagogischen Aktivitäten interessiert sind. Der Schwerpunkt der 120 Seiten umfassenden Publikation liegt in der Darstellung vieler Praxisbeispiele, die mit Fotos, Ablaufbeschreibungen, Materialangaben u. ä. anschaulich präsentiert werden. Die Aktivitäten sind gegliedert in die Themen Wald, Ernährung, Landwirtschaft und Wasser. Einführungsaktivitäten und Beispiele zur Programmdokumentation ergänzen den Praxisteil. (Bezugsquelle für den Ordner „Hand in Hand die Umwelt erleben”: siehe Bibliografie in dieser Ausgabe). Er kann beim Umweltpädagogischen Zentrum der Stadt Nürnberg, Hummelstein 46, 90461 Nürnberg, Tel.: (09 11) 43 74 32, Fax: (09 11) 44 99 57, Mail: hummelstein@ nefkom.net bestellt werden. ■ Kurzfassung Seit September 2001 werden im Umweltpädagogischen Zentrum der Stadt Nürnberg umweltpädagogische Programme im Rahmen des Projekts Hand in Hand für Menschen mit Behinderungen mit Erfolg durchgeführt. Am Beispiel eines waldpädagogischen Halbjahresprogramms werden konzeptionelle und inhaltliche Aspekte dargestellt. Abstract Experiencing the Environment Hand in Hand. Since September 2004 the Centre for Environmental Education of the city of Nuremberg is successfully conducting environmental programmes as part of the project “Hand in Hand” for people with disabilities. Based on the example of a six months lasting programme focussing on the forest conceptional and content-oriented aspects are presented. Literatur Bayerisches Staatsministerium für Landwirtschaft und Forsten (2001): Forstliche Bildungsarbeit. Waldpädagogischer Leitfaden nicht nur für Förster. München. – CORNELL, J. (1999): Mit Kindern die Natur erleben. Mülheim an der Ruhr. – FRENZEL, K. (1997): Umweltbildung für und mit gehandicapten Menschen – Projektabschlussbericht. Zentrum für Umweltbildung Steinfurt e.V. – FRÖHLICH, A. (1999): Wahrnehmungsstörungen und Wahrnehmungsförderung. 10. Aufl., Heidelberg. – GÖPFERT, H. (1990): Naturbezogene Pädagogik. Weinheim. – KALFF, M. (1994): Handbuch zur Natur- und Umweltpädagogik. Tuningen. – KLAWE, W. 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Der Autor: Frank Wilker, Dipl.-Umweltwissenschaftler, Umweltpädagogisches Zentrum im Pädagogischen Institut der Stadt Nürnberg, Hummelstein 46, 90461 Nürnberg Geistige Behinderung 1/05, 44. Jg. 65 66 Aktuelle Mitteilungen Aktuelle Mitteilungen Epilepsie-Syndrome Bei Menschen mit geistiger Behinderung kommen epileptische Anfälle nicht selten vor. Fast ein Drittel ist davon betroffen, während sonst in der Bevölkerung mit einer Häufigkeit der Epilepsie von etwa 0,4 bis 0,6 % gerechnet wird. Das Lebensalter spielt eine Rolle: Am häufigsten treten epileptische Anfälle in der Kindheit und im späteren Erwachsenenalter auf. Auch die Ausprägung der Symptome wird vom Entwicklungsstand geprägt, was eine vermehrte Anfallsbereitschaft in den ersten Lebensjahren erklärt (Auftreten von Fieberkrämpfen bei fast jedem zehnten Kind). Von einer Epilepsie spricht man erst, wenn sich epileptische (zerebrale, d. h., vom Gehirn ausgehende) Anfälle wiederholt (rezidivierend) einstellen. Als Ursache kommen sehr unterschiedliche Faktoren in Betracht: Symptomatische Epilepsien sind Folge einer mehr oder weniger abgeschlossenen Schädigung, von angeborenen Strukturanomalien oder Differenzierungsstörungen des Gehirns, nach perinatalen Komplikationen oder Erkrankungen (Sauerstoffmangel während der Geburt), durch Verletzungen oder Entzündungen. Prozessepilepsien entstehen bei fortschreitenden Erkrankungen, wie Tumoren, neurodegenerativen, neurometabolischen oder chronisch-entzündlichen Störungen. Für idiopathische Epilepsien sind vorwiegend genetische Faktoren verantwortlich, die wohl zu Veränderungen im molekularen Bereich der Nervenzellen führen. Es bleibt eine relativ kleine Gruppe von kryptogenen Epilepsien, bei denen trotz Anwendung aller modernen Verfahren der Diagnostik keine Ursache nachgewiesen Geistige Behinderung 1/05, 44. Jg. werden kann. Zu beachten ist, dass viele Epilepsien durch eine Kombination von Ursachen zustande kommen; erbliche Formen sind selten, es sei denn, die Epilepsie ist Symptom eines genetischen Syndroms. Die vielfältigen Erscheinungsformen von Epilepsien werden durch das Lebensalter, aber auch von Lokalisation und Ausdehnung der die Anfälle verursachenden Störung geprägt, die zu einer vermehrten Erregbarkeit von Nervenzellen führt (gesteigerte Anfallsbereitschaft). Es kommt zu großen generalisierten Anfällen (Grand Mal) mit Bewusstlosigkeit und tonisch-klonischen Zuckungen (Versteifung bzw. rhythmische Bewegungen), oder zu kleinen Anfällen (Petit Mal), die einerseits fokalen Ursprungs sein können, d. h., von einem Herd ausgehen (fokalmotorisch, psychomotorisch oder komplex partiell), andererseits durch generalisierte Störungen zustande kommen (Absencen). Bei kleinen Anfällen bleibt das Bewusstsein oft ungestört (partielle bzw. fokale Anfälle, die sich nur durch Zuckungen bzw. Missempfindungen äußern), es können aber auch Bewusstseinspausen (Absencen) oder eine Bewusstseinstrübung (komplex partielle Anfälle) beobachtet werden, verbunden mit Bewegungsäußerungen, vor allem im Gesicht (orofaziale Automatismen), oder mit komplexen Verhaltensänderungen (so genannte Dämmerzustände, Stereotypien oder Automatismen). Von einem Status epilepticus spricht man, wenn langdauernd und mehrfach große Anfälle auftreten, ohne dass das Bewusstsein wieder erlangt wird; es handelt sich um eine lebensbedrohliche Situation. Aktuelle Mitteilungen Nach ihrer Phänomenologie werden verschiedene Epilepsie-Syndrome unterschieden, die im Folgenden kurz dargestellt sind. Zu Einzelheiten wird auf die Fachliteratur verwiesen. Für die Diagnose eines Epilepsie-Syndroms sind die genaue Anfallsbeobachtung und der elektroenzephalographische Befund entscheidend. Es ist deshalb wichtig, Anfälle immer sorgfältig zu beschreiben und zu dokumentieren. Ein EEG muss abgeleitet werden, wenn es zum Auftreten eines ersten Anfalls gekommen ist. Gegebenenfalls sind dann auch weitere Untersuchungen, vor allem bildgebende Diagnostik (Magnetresonanztomographie) erforderlich, um die Ursache nachzuweisen. Das EEG spielt auch in der Verlaufskontrolle eine wichtige Rolle, insbesondere wenn bei Menschen mit geistiger Behinderung schwer zu entscheiden ist, ob plötzlich auftretende Verhaltensänderungen Ausdruck eines epileptischen Anfalls oder Folge einer psychoreaktiven Störung sind (evtl. Langzeitableitung bzw. Videoaufzeichnung). Die Diagnose des Epilepsie-Syndroms ist eine wichtige Grundlage für die bei wiederholten Anfällen einzuleitende Therapie, zunächst meist mit Gabe geeigneter Medikamente. Vielfach kann Anfallsfreiheit erreicht werden. Besonders bei Vorliegen von deutlichen Strukturveränderungen, also bei schwer oder mehrfach behinderten Menschen, gelingt es oft nicht, die Epilepsie wirksam zu beeinflussen bzw. sind sedierende oder andere Nebenwirkungen der Antiepileptika bei notwendigerweise hohen Dosen ungünstig. Gegebenenfalls kommen dann andere Behandlungsmaßnahmen in Betracht (Epilepsie-Chirurgie, Vagusnervstimulation usw.), was in der individuellen Situation sorgfältig zu prüfen ist und eine ausführliche Diagnostik erfordert. Epilepsie-Syndrome in verschiedenen Altersperioden Neugeborenenkrämpfe und Syndrome der Neonatalperiode • Benigne idiopathische Neugeborenenkrämpfe und • benigne familiäre Neugeborenenkrämpfe mit günstiger Prognose, • früh-infantile myoklonische Enzephalopathie und • früh-infantile epileptische Enzephalopathie mit ungünstigem Verlauf. Frühkindliche idiopathische Epilepsien mit generalisierten Anfällen • Auftreten zwischen sechs Monaten und fünf Jahren, bei Knaben häufiger als bei Mädchen • Ätiologie wohl vorwiegend genetisch (polygen) • Kleine Anfälle: myoklonisch, myoklonisch-astatisch, Absencen • Große Anfälle: tonisch-klonisch, auch als Hemi-Grand Mal • EEG oft zunächst normal, später verändert • Prognose unterschiedlich, nicht selten ungünstig (Demenz, schwere Epilepsie) West-Syndrom (BNS-Krämpfe, infantile spasms) • Auftreten zwischen dem dritten bis achten Lebensmonat, bei Knaben häufiger als bei Mädchen • Ätiologie sehr verschieden, vor allem pränatale Entwicklungsstörungen (z. B. tuberöse Sklerose, Lissenzephalie), peri- und postnatale Komplikationen (nicht selten vorher Neugeborenenkrämpfe); 10% idiopathisch (keine Ursache nachweisbar) • Anfälle typisch mit Blitz-Nick-SalaamKrämpfen, zunehmend deutliche Verzögerung der Entwicklung (bei 90%) • EEG charakteristisch durch Hypsarrhythmie Geistige Behinderung 1/05, 44. Jg. 67 68 Aktuelle Mitteilungen • Prognose im Allgemeinen ungünstig (Ausnahme bei idiopathischer Ätiologie) Lennox-Gastaut-Syndrom • Auftreten zwischen zweiten und achten Lebensjahr (20% nach West-Syndrom) • meist symptomatisch, selten idoipathisch oder kryptogen • tonische Anfälle obligatorisch, vor allem im Schlaf, sonst Anfälle myoklonisch, als atypische Absencen, myoklonisch-atonisch, tonisch-klonisch • EEG deutlich verändert (Spike-waveVarianten, im Schlaf tonische Muster) • Prognose meist ungünstig Myoklonisch-astatische Epilepsie • Beginn im ersten bis fünften Lebensjahr, meist nach normaler Entwicklung, häufiger bei Knaben • Ätiologie: Polygene Determination • myoklonisch-(atonisch-)astatische Anfälle (Zuckungen, Stürze), nachts tonische Anfälle • EEG mit 2–3/Sek. Spikes and Waves, Theta-Rhythmen, Photosensibilität • oft ungünstiger Verlauf „Benigne“ fokale Epilepsien (RolandoEpilepsie) • Auftreten zwischen zweitem und dreizehnten Lebensjahr, relativ häufig (15–20%), Knaben mehr als Mädchen • Ätiologie genetisch (hereditäre zerebrale Reifungsstörung) • zuerst große Anfälle aus dem Schlaf heraus, dann einfache oder komplexe Partialanfälle in unterschiedlicher Frequenz; oft Teilleistungsstörungen; mitunter „biolelektrischer Status epilepticus“ im Schlaf (ESES bzw. CSWS mit kontinuierlichen SW-Abläufen; dabei Gefahr des Entstehens einer Demenz) • unterschiedliche Häufigkeit der Anfälle • EEG mit „Rolando-Spitzen“ zentrotemporal (sharp-wave-Foci), aktiviert im Schlaf Geistige Behinderung 1/05, 44. Jg. • Prognose bezüglich Epilepsie günstig, Anfälle hören meist mit der Pubertät auf • Entwicklungsstörungen bleiben bestehen, vor allem bei Pseudo-Lennox-Syndrom, Landau-Kleffner-Syndrom und ESES bzw. CSWS Absence-Epilepsien • Auftreten vor allem zwischen dem siebten und zehnten Lebensjahr, bei Mädchen häufiger • Ätiologie genetisch (idiopathisch), selten symptomatisch • frühkindliche A. (1.–4. LJ, 0,5–1%), myoklonische A. (bis 7. LJ), Pyknolepsie (6.–7. LJ, 8–10%), juvenile A. (10.– 15. LJ, 10%). Bewusstseinspausen, Bewegungen im Gesicht oder kurze Muskelzuckungen (Myoklonien) • EEG charakteristisch durch 3/Sec. Spike-Wave-Paroxysmen • Prognose abhängig vom Syndrom, eher günstig (vor allem Pyknolepsie) Epilepsien mit fokalen Anfällen • etwa 50 % der Epilepsien im Erwachsenenalter • motorisch, sensorisch, komplex-partiell (s. auch „benigne“ Epilepsien) Symptome von Lokalisation des Herdes (Fokus) bestimmt, vielfältig vor allem bei temporalen, frontalen und okzipitalen Anfällen (Bewegungsäußerungen, Verhaltensänderung) Epilepsien mit großen Anfällen • etwa 40 % • primär oder sekundär generalisiert • Bindung an den Schlaf-Wach-Rhythmus möglich Die bei Syndromen mit geistiger Behinderung auftretenden Anfälle sind im Allgemeinen durch die jeweils vorhandene Hirnfunktionsstörung verursacht, stehen also mit der „Grunderkrankung“ in Zusammenhang. Diese ist auch für mögli- Aktuelle Mitteilungen cherweise auftretende psychische Symptome verantwortlich. Eine eigentliche „epileptische Wesensänderung“ gibt es nicht, obwohl häufige und schwere Anfälle (vor allem Grand Mal, auch epileptische Staten, d. h., Anfallshäufung im Schlaf) ihrerseits ungünstig für die Funktionen des Gehirns sind. Im Rahmen von Epilepsie-Syndromen können unterschiedliche psychische Störungen auftreten, die nicht immer einfach zu deuten sind, oft auch psychoreaktive Ursachen haben. Es wird jeweils eine genaue Diagnostik erforderlich, bei der auch zu prüfen ist, wieweit ein Zusammenhang zwischen dem vorhandenen Syndrom und der Epilepsie besteht. Abzugrenzen sind immer auch nicht-epileptische Anfälle, die beispielsweise durch Herzrhythmusstörungen, Atemschwierigkeiten, Stoffwechselveränderungen oder psychogene Faktoren hervorgerufen werden können. bei Kindern und Jugendlichen. Stuttgart, New York: Thieme-Verlag. – STEFAN, H. (1999): Epilepsien. Diagnose und Behandlung. 3. Auflage. Stuttgart, New York: Thieme-Verlag. Literatur Dieser Katalog weist ca. 12 000 Bücher und sonstige Medien zur geistigen Behinderung nach, außerdem 140 Zeitschriften, 500 Hochschulschriften und etliche CD-ROMs. Mit diesem Fundus an Medien ist die Lebenshilfe-Bibliothek das größte Informationszentrum zur geistigen Behinderung im deutschsprachigen Raum. AICARDI, J.; ARZIMANOGLOU, A.; GUERRINI, R. (2002): Epilepsy in Children. 3 rd Edition. Hagerstown: Lippincott Williams & Wilkins. – BESSER, R.; GROSS-SELBECK, G. (Hg) (1996): Epilepsiesyndrome – Therapiestrategien. 2. Auflage. Stuttgart, New York: Thieme-Verlag. – DOOSE, H. (1998): Epilepsien im Kindes- und Jugendalter. 11.Auflage. Hamburg: Desitin-Arzneimittel GmbH. – ders. (2002): Das EEG bei Epilepsien im Kindes- und Jugendalter. Hamburg: Desitin-Arzneimittel GmbH. – JANZ, D. (1998): Die Epilepsien. Spezielle Pathologie und Therapie. 2. Auflage. Stuttgart, New York: ThiemeVerlag. – MATTHES, A.; SCHNEBLE, H. J. (1992): Epilepsien. Diagnostik und Therapie für Klinik und Praxis. 5. Auflage. Stuttgart-New York: Thieme-Verlag. – ROGER, J.; BUREAU, M.; DRAVET, CH.; GENTON, P.; TASSINARI, C. A.; WOLF, P. (ed) (2002): Epileptic Syndromes in Infancy, Childhood and Adolescence. 3 rd Edition. Montrouge: John Libbey Eurotext. – SCHMIDT, D. (1993): Epilepsien und epileptische Anfälle. Stuttgart, New York: Thieme-Verlag. – SCHMIDT, D.; ELGER, CH. E. (2002): Praktische Epilepsiebehandlung. 2. Auflage. Stuttgart, New York: Thieme-Verlag. – SIEMES, H.; BOURGEOIS, B. F. D. (2001) Anfälle und Epilepsien Informationen: Geschäftsstelle der Deutschen Sektion der Internationalen Liga gegen Epilepsie. Herforder Str. 5–7, 33602 Bielefeld, www.ligaepilesie.de Gerhard Neuhäuser, Linden Die Lebenshilfe-Bibliothek Marburg ... jetzt online Der Katalog der Lebenshilfe-Bibliothek ist online geschaltet! Damit geht ein von der Aktion Mensch gefördertes Projekt zur Komplettierung der Bibliotheksdaten und ihrer Bereitstellung im Internet erfolgreich zu Ende. Viel mehr Interessenten als bisher haben nun die Möglichkeit, einfach und schnell im Bestand zu recherchieren. Das Angebot reicht von Fachliteratur zu Familie, Frühförderung, Kindergarten, Schule über Erwachsenenalter und alte Menschen bis hin zu Themen wie Selbstbestimmung und Teilhabe, Sexualität, Kunst etc. Eine Sammlung verständlicher Materialien für Menschen mit Leseschwierigkeiten ergänzt seit einigen Jahren das Angebot. Aufgaben der Lebenshilfe-Bibliothek sind • die Literaturversorgung der Fortbildungsteilnehmer(innen) des Instituts Inform der Bundeszentrale, von Eltern, ehrenamtlich Tätigen und anderen; Geistige Behinderung 1/05, 44. Jg. 69 70 Aktuelle Mitteilungen • Informationen für Menschen mit Behinderungen; • Erbringen von Dienstleistungen für den Wissenschaftsbetrieb – als eine wertvolle Stütze für viele Studierende; • Unterstützung der fachlichen Grundlagenarbeit der Mitarbeiter(innen) der Bundeszentrale, eine der Grundlagen für das Wissensmanagementsystem. Orts- und (kostenpflichtige) Fernleihe sind möglich, Literaturrecherchen und in kleinerem Umfang Versand von Aufsatzkopien (gegen Gebühren). Genaue Informationen hierzu, auch zu Öffnungszeiten u. a. sowie unseren neuen OnlineBibliothekskatalog finden Sie im Internet unter http://mail.lebenshilfe.de/lars/html/ start.htm Jedes fünfte Kind ist krank an Körper und Seele Experten beunruhigt über Anwachsen neuer Kinderkrankheiten Etwa jedes fünfte Kind in Deutschland leidet unter Entwicklungs- und Verhaltensstörungen. Bereits bei Säuglingen und Kleinkindern sind Eltern-Kind-Bindungsund Regulationsstörungen (exzessives Schreien, Schlaf- und Fütterprobleme) weit verbreitet. Später kommen Bewegungsmangel und Übergewicht, Sprachentwicklungsstörungen und psychosoziale Auffälligkeiten hinzu. Beunruhigend ist auch die hohe Zahl von Kindern mit chronischen und umweltmitbedingten Erkrankungen wie zum Beispiel Neurodermitis und Allergien. Besonders betroffen sind Kinder, die in Armut aufwachsen, ein bildungsfernes soziales Umfeld haben und in städtischen Ballungszentren leben, sowie Kinder aus Migrantenfamilien. Fachleute schlagen Alarm: „Wenn wir nicht gegensteuern, gerät ein beträchtlicher Teil unserer Kinder ins gesundheitliche und Geistige Behinderung 1/05, 44. Jg. soziale Abseits“, so Prof. Franz Resch, Kinder- und Jugendpsychiater und Präsident der Deutschen Liga für das Kind. Nicht mehr die klassischen Infektionskrankheiten, sondern neuartige, komplexe Erkrankungen, die gleichermaßen Körper, Seele und soziale Beziehungen beeinträchtigen, gehören Resch zufolge heute zum Alltag des Kinderarztes und Kinder- und Jugendpsychiaters. Ursachen für diese neuen Kinderkrankheiten sind ein ungünstiges Zusammenspiel von konstitutionellen Faktoren, gesundheitlichem Fehlverhalten, mangelnder Information und belastenden Lebensverhältnissen. „Wir müssen viel mehr als bisher präventiv tätig werden und Eltern und auch die Kinder selbst zur aktiven Mitarbeit gewinnen. Unabdingbar ist auch, die Grenzen zwischen den verschiedenen Fachbereichen aufzuweichen. Ärzte, Psychologen, Lehrer und Erzieherinnen müssen zusammenarbeiten. Eine gute Möglichkeit ist die Einrichtung Runder Tische zur Gesundheitsförderung auf lokaler Ebene“, so Prof. Resch. Auf der Jahrestagung der Deutschen Liga für das Kind in Zusammenarbeit mit der Kinderund Jugendpsychiatrie des Universitätsklinikums Heidelberg am 29./30. Oktober in Heidelberg erörterten Fachleute aus Pädiatrie, Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychologie und Pädagogik Ursachen und Behandlungsmöglichkeiten der neuen Erkrankungen. Gefordert wird u. a. die rasche Umsetzung von Präventionsmaßnahmen im Rahmen des von der Bundesregierung angekündigten Nationalen Aktionsplans „Für eine kindergerechte Welt“. Quelle: Pressemitteilung der Deutschen Liga für das Kind vom 29.10.2004 Aktuelle Mitteilungen Das Büro für Leichte Sprache (04 21) 3 87 77 79 (04 21) 3 87 77 99 Geistige Behinderung 1/05, 44. Jg. 71 72 Aktuelle Mitteilungen Das Büro für Leichte Sprache „So kann es jeder verstehen!“ Warum leichte Sprache? Komplizierte Texte von Behörden, Verträge, Bedienungsanleitungen – es passiert immer wieder, dass wir im Alltag auf Sprache treffen, die schwer verständlich ist. Um sich selbstständig und selbstbestimmt in der Welt bewegen zu können, ist es wichtig, Sprache und Texte zu verstehen. Für Menschen mit Beeinträchtigung, sei es eine Sinnesbeeinträchtigung, kognitive Beeinträchtigung oder eine Lernbehinderung, ist dies zum Teil sehr schwer bis unmöglich. Damit Texte für Menschen mit unterschiedlichen Beeinträchtigungen verständlich werden, muss die Sprache an die aktuelle Lesekompetenz angepasst werden. Dieses kann zum Beispiel durch eine leichtere Ausdrucksweise und zusätzliche Erläuterungen durch Bilder und Symbole geschehen. Für Menschen, die nicht lesen können oder eine Sinnesbeeinträchtigung haben, kann es hilfreich sein, einen Text auf CD zu sprechen oder eine Videoaufnahme in Gebärdensprache zu erstellen. Das Büro für Leichte Sprache ist ein Beratungs- und Übersetzungsbüro. Es übersetzt schwer verständliche Sprache in leichte Sprache. Was bietet das Büro für Leichte Sprache? • Beratung und Unterstützung bei individuellen Verständnisproblemen, • die Übersetzung allgemeiner Dokumente, z. B. Gesetzestexte, Arbeitsverträge, Mietverträge, Informationsbroschüren, Gebrauchsanweisungen, Beipackzettel usw. • Produktion von Materialien in leichter Sprache, • Begleitung in Gremienarbeit (z.B. Protokolle von Heimbeiräten, Werkstatträten). Perspektivisch bieten wir: • Fortbildungen und Schulungen zum Thema leichte Sprache, • Vorbereitung und Unterstützung von Veranstaltungen und Tagungen, • Produktion von Bild- und Tonmaterialien in leichter Sprache (z.B. Audio-CD und Gebärdenvideos). Wem hilft das Büro für Leichte Sprache? Das Angebot richtet sich an • • • • • • • • • Menschen mit Beeinträchtigung, die einen Text in leichte Sprache übersetzt haben möchten, Angehörige von Menschen mit Beeinträchtigung, Einrichtungen und Angebote der Behindertenhilfe, Interessenvertretung und Selbsthilfeorganisationen, Bildungsträger, Ämter, Behörden, Parteien, Krankenkassen und Ärzte, Medien und Verlage, Firmen. Lebenshilfe Bremen e.V. Büro für Leichte Sprache Waller Heerstr. 59 28217 Bremen Ihre Ansprechpartnerinnen: Claudia Wessels Astrid Cibusch Telefon: (04 21) 3 87 77 79 Telefax: (04 21) 3 87 77 99 leichte-sprache@lebenshilfe-bremen.de Büro für Leichte Sprache Eine Kooperation der Lebenshilfe für Menschen mit geistiger Behinderung Bremen e.V. und der Bundesvereinigung Lebenshilfe für Menschen mit geistiger Behinderung e.V. Unterstützt durch: Aktion Mensch Geistige Behinderung 1/05, 44. Jg. Europa Europa Die Rubrik „Europa“ wird von Inclusion Europe, der europäischen Interessenvertretung von Menschen mit geistiger Behinderung, mit Neuigkeiten direkt aus Brüssel beliefert. Interessenten erreichen Inclusion Europe unter folgender Adresse: Galeries de la Toison d’Or – 29 Chaussée d’lxelles #393/32 – B-1050 Brussels – Belgium, Tel.: +32-2-5 02 28 15, Fax: +32-2-5-02-80 10, secretariat@inclusion-europe.org „Included in Society“ – eine europäische Studie Behinderte Menschen haben das Recht auf Eingliederung in die Gesellschaft In der Vergangenheit waren in Europa Menschen mit Behinderungen häufig dazu gezwungen, in Großeinrichtungen zu leben. Behinderten-, Selbsthilfe- und Selbstbestimmungsorganisationen weisen darauf hin, dass dies in einem modernen Europa inakzeptabel geworden ist. Großeinrichtungen isolieren die Bewohner von der Gemeinschaft und grenzen sie aus dem sozialen Leben aus. Eine große Anzahl von Berichten beschreibt untragbare Lebensbedingungen und Verletzungen der Menschenrechte und der Würde der Bewohner. Trotzdem haben bisher nur wenige Länder Schritte unternommen, um die Politik zu ändern, die behinderte Menschen aus der Gesellschaft ausschließt. Dies allein stellt bereits eine massive Menschenrechtsverletzung dar. Alle Mitgliedsländer der Europäischen Union haben sich zum Schutz und zur Förderung der Menschenrechte verpflichtet. Die neue Sozialpolitik der Europäischen Union zielt darauf ab, Behindertenfragen in allen Lebensbereichen zu berücksichtigen. Des Weiteren möchte sie den Ausschluss behinderter Menschen verhindern und ihre soziale Integration fördern. Es gibt auch eine Vielzahl internationaler und europäischer Gesetze, die Menschenrechte und Grundfreiheiten schützen. Sie sorgen für Schutz vor willkürli- cher Freiheitsberaubung, angemessene Lebensbedingungen, Pflege und Behandlung, individuelle Entwicklungspläne, Schutz vor Schaden sowie das Recht auf Privat- und Familienleben. Obwohl Menschenrechte universell sind, wurden Menschen mit Behinderungen bis vor kurzem nicht als Nutznießer dieser Rechte betrachtet. Zu wenig Aufmerksamkeit wurde den schweren Menschenrechtsverletzungen geschenkt, denen sie ausgesetzt sind. Doch nun werden potenzielle Menschenrechtsverletzungen, die durch die Unterbringung behinderter Menschen in Großeinrichtungen entstehen können, zunehmend erkannt und bekämpft. Der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten zum Beispiel hat erst kürzlich entschieden, dass die ungerechtfertigte Isolierung von Menschen mit geistigen Behinderungen in Großeinrichtungen eine Diskriminierung darstellt. Dementsprechend müssen qualitativ hochwertige gemeindenahe Angebote entwickelt werden, basierend auf Grundwerten wie gleichen Bürgerrechten und sozialer Eingliederung. Aus vorhandenen Menschenrechtsbestimmungen ergeben sich fünf Grundvoraussetzungen, die diese Entwicklung unterstützen und fördern: Respekt, Wahlfreiheit, Teilhabe, Unabhängigkeit sowie Verantwortung für behinderte Menschen auf regionaler und lokaler Ebene. Geistige Behinderung 1/05, 44. Jg. 73 74 Europa Die Studie, die im Rahmen des Projekts „Included in Society“ durchgeführt wurde, ist der erste Versuch, Einrichtungen für behinderte Menschen in verschiedenen europäischen Ländern zu vergleichen. Die Ergebnisse sind notgedrungener Weise vorläufig. Trotzdem bietet die Studie eine große Anzahl vergleichbarer Daten und präsentiert ein relativ klares und übereinstimmendes Bild. Die Studie über die Anzahl und Merkmale von Großeinrichtungen in 25 Ländern identifizierte annähernd 2 500 solcher Einrichtungen. Sie zeigt ebenfalls den Mangel an vergleichbaren Daten über institutionelle Angebote für behinderte Menschen in Europa auf. Die detaillierte Studie über Wohneinrichtungen in Frankreich, Ungarn, Polen und Rumänien zeigt, dass hier die Großeinrichtungen in vielerlei Hinsicht denen ähneln, die bereits in anderen Ländern untersucht wurden. Das Leben der Bewohner ist gekennzeichnet von stundenlanger Passivität, Langeweile und Isolation. Die Anzahl der Mitarbeiter ist zu gering, um Rehabilitationsmaßnahmen und Therapien durchzuführen. Die räumliche Umgebung ist unpersönlich und bietet nicht die Form von Privatsphäre und Gemütlichkeit, die wir allgemein erwarten. Der Kontakt zu Familie, Freunden und der sozialen Gemeinschaft ist sehr begrenzt. In dieser Situation entstehen untragbare Praktiken, wie das tagelange Fesseln ans Bett oder die Verwendung von „Käfigbetten“. Beobachtungen in den Einrichtungen, die während des Projekts gemacht wurden, dokumentieren die Ergebnisse der Studie auf praktischer Ebene. Die Augenzeugenberichte im Bericht liefern eine direkte Dokumentation von Praktiken der Mitarbeiter(innen) und der Allgemeinsituation. Das allgemeine Bild dieser Studie ergibt, dass gemeindenahe Angebote im Durch- Geistige Behinderung 1/05, 44. Jg. schnitt bessere Ergebnisse hinsichtlich der Lebensqualität für behinderte Menschen erzielen als große Einrichtungen. Das Ersetzen dieser Einrichtungen durch gemeindenahe Angebote bietet bessere Möglichkeiten, es ist dennoch keine Garantie für bessere Ergebnisse – es ist eine notwendige, aber keine ausreichende Bedingung. Das Erzielen guter Ergebnisse gemeindenaher Angebote ist abhängig von der Qualität der Arbeit der Mitarbeiter(innen). Über die rechtlichen und finanziellen Rahmenbedingungen von Großinstitutionen zeigt die Studie eine Anzahl Probleme von Dienstleistungsanbietern während des Prozesses hin zu gemeindenahen Angeboten. Um zu erreichen, dass behinderte Menschen als gleichberechtigte Bürger in der Gesellschaft leben, müssen verschiedene Ziele formuliert werden. Diese Ziele beschreiben, welche Bedürfnisse langfristig erfüllt werden müssen. In der Zukunft sollten Menschen mit Behinderungen die gleichen Chancen wie andere Bürger und Bürgerinnen haben, um ihre Rechte ausüben zu können und Teil der Gesellschaft zu sein. Sie sollten Zugang zu hochwertigen gemeindenahen Angeboten als Alternativen zur Pflege in einer Einrichtung haben. Alle Betroffenen und Verantwortlichen sollten am Aufbau dieser auf individuellen Bedürfnissen basierenden Angebote beteiligt sein. Die Prinzipien für eine positive Veränderung bilden das zentrale Element aller Handlungen, die zur Planung, Einrichtung und Überprüfung dieser Angebote nötig sind. Es sollten sowohl Interessenvertretung und Selbstbestimmung als auch die Unterstützung durch Gleichbetroffene sichergestellt und gefördert werden. Um das Leben in der Gemeinschaft und die Verfügbarkeit von umfassenden und qualitativ hochwertigen gemeindenahen Europa Angeboten für alle behinderten Menschen in Europa zu garantieren, schlägt das Projekt „Included in Society“ die folgenden sechs Maßnahmen vor: 1. Die Entwicklung von Strategien und Aktionsplänen für den Aufbau von gemeindenahen Angeboten, die die Menschenrechte von Personen mit Behinderung respektieren und unterstützen. In diesem Zusammenhang müssen Behindertenfragen in alle Politikfelder einbezogen werden, die UN-Standardregeln müssen bestätigt und angewendet werden und das Thema muss angemessen in die Konvention der Vereinten Nationen über die Rechte behinderter Menschen aufgenommen werden. 2. Dem Angebot gemeindenaher Dienste für behinderte Menschen in den neuen Mitgliedsländern und den Beitrittsländern muss absolute Priorität gegeben werden. 3. Verpflichtende Modelle zur Qualitätsüberwachung und -sicherung im Rahmen der Konsumentenschutzpolitik müssen entwickelt werden, wie auch leicht zugängliche Beschwerdeverfahren für die Nutzer von Dienstleistungen. 4. Finanzierungsstrukturen müssen etabliert werden, die sicherstellen, dass Dienstleistungen auf der Basis von individuellen Bedürfnissen angeboten werden. 5. Die Selbstverpflichtung, keine weiteren Großeinrichtungen mehr zu bauen. verschiedener Entscheidungsträger erfordert, bleiben die nationalen Regierungen für den Aufbau von Angeboten hoher Qualität für alle Bürger und Bürgerinnen verantwortlich. Alle Beteiligten und Verantwortlichen – behinderte Menschen, ihre Angehörigen, Dienstleistungsanbieter, Behindertenorganisationen, nationale und lokale Behörden, wie auch die Europäische Union – sollten eng zusammenarbeiten, um das Ziel eines Aufbaus gemeindenaher Angebote als Alternative zu Großeinrichtungen in Europa zu erreichen. Die Europäische Union ist dazu aufgerufen, diesen Prozess zu unterstützen, indem sie sich des Themas Großinstitutionen in ihren regelmäßigen Berichten zu den Menschenrechten, zur Situation behinderter Menschen und sozialer Isolation annimmt. Sie sollte ebenfalls die Mittel für die nötigen Studien als auch für den Austausch von Strategien und Erfahrungen auf europäischer Ebene zur Verfügung stellen, um ein Angebot hochwertiger gemeindenaher Angebote in ganz Europa sicherzustellen. Dieser Text ist die Zusammenfassung der Projektpartner zu ihrer Studie „Included in Society“ zur Situation behinderter Menschen in Europa. Die rund 100 Seiten umfassende Publikation erscheint in Deutsch, Englisch, Französisch, Polnisch, Rumänisch und Ungarisch. Weitere Informationen sind unter http:// www.community-living.info verfügbar. 6. Die Gründung der „Europäischen Koalition für ein Leben in der Gemeinschaft” als Zentrum zur Überwachung und Sicherstellung gemeindenaher Angebote. Während die Entwicklung gemeindenaher Angebote die Beteiligung vieler Geistige Behinderung 1/05, 44. Jg. 75 76 Buchbesprechungen Buchbesprechungen Erhard Fischer (Hg.) Pädagogik für Menschen mit geistiger Behinderung Sichtweisen – Theorien – Aktuelle Herausforderung. Oberhausen: ATHENAVerlag 2003, 418 Seiten, 24,50 Euro, ISBN 3-89896-140-0 Der Sammelband enthält sechzehn Beiträge von siebzehn Autorinnen und Autoren. Die Beiträge sind hauptsächlich im Umkreis der Studiengänge Diplompädagogik und Lehramt an Förderschulen für geistig behinderte Kinder und Jugendliche entstanden. Leicht abweichend vom Untertitel sind die Beiträge nach Grundlagen und -fragen (vier), Sichtweisen (neun) und Aktuelle Entwicklungen (drei) gegliedert. Folgt man dem ersten Beitrag, der zugleich Vorwort und Einleitung ist, dann will der Herausgeber die Frage „Geistige Behinderung“ – Fakt oder Konstrukt? vom Tisch haben. Es ist zu wünschen, dass es mit diesem Buch gelingt. Die Frage scheint an sonderpädagogischen Studienstätten ein beherrschendes Thema zu sein – hoffentlich nur vorübergehend; denn falsch angelegte Alternativfragen, auf die es keine vernünftige Antwort geben kann, verwirren Studierende. Fischer zitiert denn auch Tim Bendokat und Sebastian Barsch, zwei erfahrene Sonderschullehrer, die aus gutem Grund schon 2002 vor der dogmatisch geführten „Entweder-Oder“-Diskussion warnten. Fischer selbst unterscheidet zusammenfassend zwei Sichtweisen: (1) eine, die sich auf das Individuum bezieht (und an Defiziten Geistige Behinderung 1/05, 44. Jg. der Kinder orientiert) und (2) eine, die systemisch vorgeht (und Kompetenzen der Kinder sucht). Die (von mir) in Klammer gesetzten Zusätze lassen sich austauschen. Die Aufgabe besteht wohl darin, sowohl das Berechtigte wie auch das Begrenzte wissenschaftlicher Sichtweisen zu zeigen. Das tut Fischer in seinem zweiten Beitrag, wenn er die Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF = International Classification of Functioning) der Weltgesundheitsorganisation (WHO) vorstellt und untersucht, wie der deutsche Terminus „geistige Behinderung“ auf deren Hintergrund zu verstehen ist. Wissenschaftliche Zugriffe erfassen Ausschnitte der Wirklichkeit, und ob Theorien erklärungsmächtig oder nur dünne Abstraktionen sind, gut für die Hochschulkarriere, aber sonst nicht von Belang, entscheidet sich in Familie, Schule und Gesellschaft. Heinz Mühl geht auf das Verhältnis von Geistigbehindertenpädagogik und Pädagogik ein – eine wichtige Frage. Er gebraucht hierbei den vermittelnden Begriff „Lernniveau“. Der Ansatz würde es erlauben, „geistige Behinderung“ in die Mehrzahl („geistige Behinderungen“) zu setzen und die vielen unterschiedlichen Lernniveaus (nicht die Kinder!) zu untersuchen und zu ordnen. Wer Förderschulen für Kinder mit geistiger Behinderung kennt, weiß, wie vielfältig die Unterrichts- und Erziehungsvoraussetzungen sind. Man kann fragen, ob es in der Vielfalt eine Ordnung gibt, die – darauf kommt es an – pädagogisch relevant ist. Nach der Verschiedenartigkeit von Lernniveaus und damit nach der Verschiedenartigkeit pädagogischer Möglichkeiten für Buchbesprechungen wirksame Förderung fragten schon Georgens und Deinhardt im zweiten Band ihrer Heilpädagogik. Diese Frage ist immer noch aktuell. Es folgen zwei Artikel, von denen der eine sich mit ethischen Fragen (Markus Dederich), der andere mit Selbstbestimmung als Leitidee (Theo Klauß) befasst. Interessanterweise unterscheidet auch Klauß Lernniveaus, ohne sie ausdrücklich so zu nennen. Ich möchte es dahingestellt sein lassen, ob Ethik und Selbstbestimmung wirklich pädagogische Grundfragen sind oder nicht doch nur Aspekte, welche die Klärung von Grundfragen der Pädagogik voraussetzen. Der zweite Teil beginnt mit Sichtweisen pädagogischer Nachbarfächer, die traditionell in der Sonderpädagogik große Beachtung finden: Psychiatrie (Claudia Mehler-Wex und Andreas Warnke), Psychologie (Konrad Bundschuh), Soziologie (Reinhard Markowetz). Dann folgen konkurrierende und sich ergänzende Konzeptionen, die auch in der Pädagogik Bedeutung erlangt haben: Personalismus (Peter Heinrich), Anthroposophie (Maximilian Buchka), Phänomenologie (Barbara Fornefeld), Konstruktivismus (Michael Wagner). Ferner stellt der Herausgeber in diesem Teil die Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit dar, und Walter Straßmeier diskutiert den Ansatz des Warnock-Reports „besonderer Erziehungsbedarf“ in systemischer Sicht. Der dritte Teil „Aktuelle Entwicklungen“ beginnt mit der schwersten Behinderung (Andreas Fröhlich und Lars Mohr). Die Zahl der Menschen mit schwersten Behinderungen steigt in Europa in allen Altersstufen. Die Autoren plädieren für interdisziplinäre „Kompetenzzentren“ für die besonderen Aufgaben bei schwerer kognitiver Behinderung; denn Sonderpädagogik müsse sich unter Umständen „als Pädagogik der Lebensspanne begreifen“. Die zwei letzten Beiträge gehen auf die berufliche Qualifizierung (Kurt Jacobs) und auf die Qualitätsdiskussion in der Pädagogik ein (Christel Rittmeyer). Rittmeyer schließt mit dem Satz: „Der wesentlichste Bereich der Qualitätssicherung an der Schule für Geistigbehinderte ist das Schulprogramm ...“. Ihr ist zuzustimmen; denn Didaktik lässt sich von der Heilpädagogik, wenn es um Grundlegungen geht, nicht abtrennen. Heinz Mühl schließt seinen Beitrag: Die Fachrichtung „Pädagogik bei geistiger Behinderung sollte daher so lange beibehalten werden, bis andere Disziplinen deren Aufgabenstellungen kompetent übernehmen können“ (56). Ist das defensiv, offensiv oder ironisch? Weit und breit gibt es außer der Sonderpädagogik keine Disziplin, welche bereit und imstande wäre, die basalen Fragen der Pädagogik zu durchdenken, sodass sie auch für Menschen mit geistiger Behinderung gelten. Schon Edouard Séguin fühlte sich, wie er schrieb, allein gelassen, „nicht nur in meinem Versuch der Behandlung von geistig Behinderten, sondern auch allein bei der Erarbeitung einer allgemeinen Pädagogik (travail de pédagogie générale), die zu formulieren ich mich jeden Tag mit größerer Bestimmtheit verpflichtet sah; so dass ich befürchte, anstatt eines Buchs über ein einziges Thema zwei geschrieben zu haben: Eines über geistige Behinderung, das andere über die Erziehung“. Die Probleme in Familie und Schule sind vielfältig und drängend, sodass auf eine Verunsicherung durch Scheinalternativen keine Zeit verschwendet werden sollte. Wünschenswert wäre bei einer zweiten Auflage ein Stichwort- und Personenverzeichnis; denn das nach vielen Seiten hin offene Buch will nach seiner Anlage alle Interessenten über den aktuellen Diskussionsstand des Faches informieren und wird daher, nicht nur von Lehramtsstudierenden, sicher gerne gelesen. Andreas Möckel, Würzburg Geistige Behinderung 1/05, 44. Jg. 77 78 Buchbesprechungen Wolfgang Lamers, Theo Klauß (Hg.) ... alle Kinder alles lehren! – aber wie? Theoriegeleitete Praxis bei schwer- und mehrfachbehinderten Menschen. Düsseldorf: Verlag selbstbestimmtes Leben 2003. 379 Seiten, 19,90 Euro, ISBN 3-91009-555-0 Zum Thema des Buchs hat im Herbst 2002 an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg ein Kongress zu theoriegeleiteten Fragen der sonderpädagogischen Praxis bei Kindern und Jugendlichen mit schweren und mehrfachen Beeinträchtigungen stattgefunden. Die zahlreichen Teilnehmenden aus unterschiedlichen Berufsfeldern erwarteten von den über hundert Vortragenden aus zehn europäischen Ländern Antworten auf die Frage, wie auf der Basis von Theorien und Konzepten eine gelingende Praxis ermöglicht werden kann. Das Motto der Tagung „alle Kinder alles lehren“ erinnert an die Forderung von Comenius aus dem 17. Jahrhundert, allen Menschen eine allseitige und umfassende Bildung zukommen zu lassen. Die damals als revolutionär anmutende Forderung wird heute auch für Menschen mit einem hohen Erziehungs- und Bildungsbedarf grundsätzlich nicht mehr in Frage gestellt, dennoch stehen wir in der praktischen Umsetzung dieses bildungspolitischen Grundrechts vor allem in der Schule oft vor kaum lösbaren Aufgaben angesichts der gegebenen extremen Heterogenität der zu lehrenden Gruppen oder angesichts der Schwere der Behinderung, die zuweilen kaum Entwicklungsschritte erkennbar werden lässt. Deshalb kommt es immer wieder vor, dass Schulen oder Eltern vor der Schwere der Aufgabe kapitulieren und den Schulbesuch des Kindes, wenn auch meist vorübergehend, ruhen lassen (Fröhlich, Ulbrich). Geistige Behinderung 1/05, 44. Jg. Im ersten Teil des Bandes stehen didaktische Fragestellungen im Mittelpunkt. In einführenden Beiträgen stellen sich die Herausgeber der Frage, ob Menschen mit schwersten Behinderungen überhaupt Bildung brauchen, was Bildung bedeutet und wo Bildung beginnt. Bildung müsse allseitige Bildung sein, beginne aber schon im Bereich der körperlich bedingten Bedürfnisse, also nicht erst mit dem Sprechen lernen oder gar erst mit dem Erwerb der Lerninhalte, die bis ins 19. Jahrhundert für das Bildungsbürgertum vorgesehen waren. Bildung auf weiteren Stufen bedarf dann allerdings der Elementarisierung (Heinen), nicht als bloßer Methode; denn sie ist ein Beziehungsgeschehen, das den Umgang zwischen Lehrenden und Lernenden betrifft wie die Beziehung des Lernenden zur Gemeinschaft und zum kulturellen Erbe. Die meisten weiteren Beiträge erörtern praktische Beispiele der Elementarisierung im Hinblick auf Inhalte bestimmter Fächer: Mathematik – Deutsch – Musik (Böing; Kriwet-Silkenbeumer), Märchen (Horsch), Arbeitslehre am Beispiel eines Topfuntersetzers (Kant), Reihenbildung (Kleinbach), elementare Mathematik beginnend beim Füttern (Kretschmann), Erlebnistheater „Sinnflut“ mit Inhalten der Bildenden Kunst und der Literatur (Goethes Werther) (Offermanns, Seulmann), grafisches Gestalten mit dem Computer (Gekeler, Mayrhofer), Literaturunterricht (Seitz). Der gemeinsame Unterricht für Schülerinnen und Schüler mit schwerer geistiger Behinderung wird im Hinblick auf zwei Lernorte untersucht: in Kooperationsklassen in Baden-Württemberg (Markowetz) und in der Sekundarstufe I an der Gesamtschule Köln-Hofweide (Schwager). Der zweite Teil des Bandes thematisiert Fragen des Förderns, Pflegens, Begleitens und Teilnehmens in unterschiedlichen Lern- und Lebensbereichen, Tätigkeiten, die möglichst im Alltag und für den Alltag realisiert werden sollen. So entwickelt Buchbesprechungen Breitinger eine alltagsorientierte Didaktik zur Vermittlung der Alltagskultur, Wieczorek plädiert für ein Lernen im und am Alltag auf der Basis des erreichten Entwicklungsstands im Hinblick auf Neugier und Explorationsverhalten. Auch die Tätigkeiten der Pflege und Versorgung lassen sich der Alltagsorientierung zuordnen, verstehen sich aber grundsätzlich als Unterricht, in dem Lernziele umgesetzt werden, wie Dudenhöfer für Körperpflege und Nahrungsversorgung sowie Schramm für Essen, Trinken und Schlucken aufzeigt. Erziehung und Bildung bei Schülerinnen und Schülern mit schwerer geistiger Behinderung stehen in Gefahr, deren Selbstbestimmung zu vernachlässigen, der Gekeler und Mayrhofer mit der Methode der leicht zurückweisbaren Angebote begegnen (vgl. auch Wieczorek), oder defizitorientiert vorzugehen, dem Schwer die Kompetenzorientierung der sich pädagogisch verstehenden Feldenkrais-Methode gegenüberstellt. Grundlage einer alltagsorientierten wie entwicklungsbegleitenden Förderung in der Einzelsituation oder im Klassenunterricht sind individuelle Förderpläne, zu deren Erstellung Störrle ein realistisches Modell vorstellt, und deren effektiver Umsetzung in gelingender Teamarbeit, zu der Hunkler und Kluttig für die Abteilung der Schüler mit geistiger Behinderung an einer Schule für Blinde und Sehbehinderte angesichts der zahlreichen beteiligten Professionen Anregungen bieten. Grundlage ist auch eine angemessene Diagnostik, zu der Holtz und Nassal in Fortschreibung des Heidelberger-Kompetenz-Inventars mit der Version H-KISS ein für Schülerinnen und Schüler mit schwerer geistiger Behinderung geeignetes Verfahren vorbereiten, das neben den individuellen Kompetenzen auch Ressourcen der Lernumgebung erfasst, um eine Passung zwischen beiden abzuleiten. Wie kann man Studierende für differenzierenden Unterricht ausbilden? Zu dieser Frage stellen Kane, Koch und Wann ein Ausbildungskonzept für den Unterricht unter Beteiligung von Schülern mit herausforderndem Verhalten vor. Am Beispiel der Pflege eines Sinnesgartens als einer sinnvollen Alltagsbeschäftigung werden Strategien des erfolgreichen Umgangs mit herausforderndem Verhalten durch differenzierenden und teamgestützten Unterricht vorgestellt. Heinz Mühl, Oldenburg Ernst Wüllenweber (Hg.) Soziale Probleme von Menschen mit geistiger Behinderung Fremdbestimmung, Benachteiligung, Ausgrenzung und soziale Abwertung. Stuttgart: Kohlhammer 2004, 360 Seiten, 26,00 Euro, ISBN 3-17-018062-2 Der vorliegende Band dient dem Ziel, soziale Probleme in der Lebenswelt von Menschen mit geistiger Behinderung zu beleuchten und einen Wandel in der behinderungsbezogenen Perspektive von Professionellen zu befördern. Der Herausgeber führt 23 Autorinnen und Autoren zusammen und unternimmt erfolgreich den Versuch, ein breites Spektrum sozialer Problemlagen zu beleuchten. Dabei wird zwischen sechs Themenbereichen unterschieden (Einführung und Begriffsbestimmung, 12–35; Geschlecht, Sexualität und Partnerschaft, 36–111; Einsamkeit und Ablösung von den Eltern, 112– 147; Gewalt und Delinquenz in Bezug auf geistige Behinderung, 148–201; Gesundheit und Behinderung, 202–287; Stigmatisierung, Fremdbestimmung, Ausgrenzung, 288–358.) Es kann nicht Aufgabe des Rezensenten sein, alle Beiträge in ihrem differenzierten inhaltlichen Bild vorzustellen und zu bewerten. Die nach- Geistige Behinderung 1/05, 44. Jg. 79 80 Buchbesprechungen folgenden Anmerkungen beziehen sich auf ausgewählte Beiträge, denen unseres Erachtens ein besonderer Stellenwert zukommt. Potentielle Leserinnen und Leser werden eigene Gewichtungen vornehmen, was sich allein schon aus professionellen Zusammenhängen in der Behindertenhilfe ergeben kann. Im einleitenden Kontext heben Ernst Wüllenweber und Marion RuhnauWüllenweber die Kategorie der sozialen Probleme aus dem Alltagsverständnis in die wissenschaftliche Fachdiskussion (12– 17). Das wird von Georg Hey fortgeführt, der soziale Probleme als Konstrukt der Soziologie und der Sozialen Arbeit kennzeichnet und wesentliche Aspekte der wissenschaftlichen Betrachtung (DevianzParadigma, systemtheoretischer Ansatz u. a. m.) herausarbeitet (18–35). Im Themenbereich Geschlecht, Sexualität, Partnerschaft soll der Beitrag von Ulrike Schildmann hervorgehoben werden (Geschlecht und geistige Behinderung), in dem die fehlende Differenziertheit in der Betrachtung von Ungleichheitslagen seine Widerspiegelung findet (36–45). Neben Beiträgen von Irina Hennies, Matina Sasse, Ursula Pixa-Kettner und Stefanie Bargfrede verdient auch die Arbeit von Susan Leue-Käding Erwähnung, in der auf dem Hintergrund umfangreicherer empirischer Untersuchungen die sexuelle Gefährdung von Menschen mit geistiger Behinderung und Möglichkeiten der Prophylaxe abgehandelt werden (89–111). Der dritte Themenbereich (Einsamkeit und Ablösung von den Eltern) stellt eine bislang wenig beleuchtete soziale Problemlage in den Mittelpunkt der Betrachtung. Während Brigitte Kendel und Regina Thomas das Problem der Einsamkeit thematisieren (112–130), skizzieren Irina Hennies und Eugen J. Kuhn die Problematik der Ablösung von den Eltern, vor allem unter dem Gesichtspunkt einer selbstbestimmten Lebensgestaltung. Zu- Geistige Behinderung 1/05, 44. Jg. gleich verdeutlichen sie Defizite im familiären Umfeld für erwachsene Menschen mit geistiger Behinderung und Potenzen, die in einem begleiteten sozialen Umfeld liegen (131–147). Der Themenbereich Gewalt und Delinquenz erhält seine theoretische Dimension vor allem durch den Beitrag von Wolfgang Jantzen (Geistige Behinderung und strukturelle Gewalt, 148–169), der die strukturelle Ausprägung auf einer Mikro-, Meso-, Exo- und Makroebene der geistigen Behinderung sieht und im Fazit begründet, dass durch die Reduzierung der geistigen Behinderung auf Natur und Schicksal der verborgene Kern in der Gewalt zu sehen ist. Peter Windisch wendet sich der Frage von Gewalt in Einrichtungen der Behindertenhilfe zu und vermittelt dazu ausgewählte empirische Daten (170–182). Manuela Paul und Ernst Wüllenweber runden den Themenbereich mit einer Beleuchtung der Tabuisierungstendenz hinsichtlich Delinquenz und Kriminalität ab. Im Grundzusammenhang von Gesundheit und Behinderung sind vier Beiträge platziert, von denen vor allem die Arbeit von Georg Theunissen zu Alkoholgefährdungen und Suchtproblemen bei Menschen mit geistiger Behinderung hervorgehoben werden soll. Sie stellt einen fundierten analytischen Beitrag dar, der sowohl epidemiologische Zusammenhänge beleuchtet als auch Erklärungsansätze und diverse Interventionskonzepte referiert (212– 243). Weitere Beiträge (Wüllenweber, Theunissen) reflektieren Verhaltensauffälligkeiten und Persönlichkeitsstörungen bei Menschen mit geistiger Behinderung. Der Sammelband schließt mit einem Themenbereich, der sehr gut auch am Anfang der Abhandlungen stehen könnte. Es handelt sich um die komplizierten und fundamentalen Zusammenhänge der Stigmatisierung, Fremdbestimmung und Ausgrenzung. Von den sechs Artikeln dieses Abschnitts sei vor allen Dingen auf Buchbesprechungen die Arbeit von Gottfried Biewer verwiesen, in der die Fragen der beschädigten Identität und die Möglichkeiten einer Entstigmatisierung durch Integration dargestellt werden (288–299). Grundlegend und theoriegeleitet ist auch die Arbeit von Ulrike Mattke („Wir wissen, was für dich gut ist.“ 300–312), die sich mit Problemen des professionellen Selbstverständnisses auseinandersetzt, die Tradition der totalen Abhängigkeit kritisch beleuchtet und Impulse zur Reduzierung von sozialer Abhängigkeit vermittelt. Bei aller Heterogenität der Themen und ihrer Bearbeitung verdeutlicht der vorliegende Band, dass eine grundsätzliche Zuwendung zur sozialen Bedingtheit von Lebensproblemen bei Menschen mit geistiger Behinderung neue Impulse für die Behindertenhilfe hervorbringen kann. Auch wenn nicht in allen Zusammenhängen bereits umfangreichere wissenschaftliche Erhebungen referiert werden können, stellen die praxisbezogenen und erfahrungsgestützten Reflexionen gleichfalls eine echte Bereicherung der Fachliteratur dar. Es ist dem Buch zu wünschen, dass es eine breite Rezeption in Wissenschaft und Praxis erfährt, da es auf differenzierte Weise die Sicht auf soziale Probleme in der Lebenswelt von Menschen mit geistiger Behinderung eröffnet. Winfried Baudisch, Magdeburg Almut-Hildegard Meyer Kodieren mit der ICF: Klassifizieren oder Abklassifizieren? Potenzen und Probleme der „Internationalen Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit“. Ein Überblick. Heidelberg: „Edition S“, Universitätsverlag Winter 2004, 112 Seiten, 12,00 Euro, ISBN 3-8253-8315-6 Im Gesundheitswesen, besonders für Krankenkassen und Rehabilitationsträger, werden tagtäglich zahlreiche Daten gesammelt und übermittelt. Diese kennzeichnen jeweils individuelle Situationen, müssen aber auch statistisch auswertbar sein und als Planungsgrundlage dienen können. Deshalb ist eine Dokumentation von Diagnosen unverzichtbar, zum Beispiel nach der „International Classification of Diseases“ (ICD-10, revidierte Form 2003) bzw. mit dem „Diagnostic and Statistical Manual“ (DSM IV), auch beim vergleichbaren Erfassen von psychischen Störungen. Auf Menschen mit Behinderungen bezogen, ist die seit 1995 gebräuchliche „International Classification of Impairments, Disabilities and Handicaps“ (ICIDH) im letzten Jahr durch die „International Classification of Functioning, Disability and Health“ (ICF) ersetzt worden, die auch Eingang in unser neues Sozialgesetzbuch, vor allem das SGB XII gefunden hat. Wesentlicher Fortschritt ist ein damit vollzogener Paradigmenwechsel, ein Wandel in der Sichtweise: Aktivität und Partizipation stehen als die entscheidenden Beurteilungskriterien im Vordergrund, nicht mehr „Schädigung“ oder gar „Defizit“. So ist der modernen Entwicklung Rechnung getragen, die für Menschen mit geistiger Behinderung durch die Begriffe „Normalisierung“ und „Inklusion“, „Empowerment“ und „Selbstbestimmung“ charakterisiert ist. Jedes Klassifizieren bringt Gefahren mit sich: Der Vielfalt möglicher Erscheinungen und Einflussfaktoren ist nur schwer Rechnung zu tragen, ein verlässliches Abbild der individuellen Situation wird oft nur annähernd erreicht. Klassifizierende Etiketten können einem Abklassifizieren Vorschub leisten und sich damit nachteilig für den einzelnen Menschen mit einer Behinderung auswirken. Dass auch die ICF trotz allem Bemühen bei den ausführlichen Diskussionen während ihrer Geistige Behinderung 1/05, 44. Jg. 81 82 Buchbesprechungen Erarbeitung und ersten Erprobung diesen Gefahren ausgesetzt war und noch keineswegs voll befriedigen kann, zeigt die vorliegende sorgfältige Analyse. Die Autorin weiß, wovon sie spricht, kann sie doch aus eigener Erfahrung beurteilen, welche Möglichkeiten eine „Momentaufnahme“ bei Anwendung der ICF bietet, welche Probleme sich aber auch auftun, um dem Anliegen einer möglichst umfassenden biopsychosozialen Beurteilung zu entsprechen. An verschiedenen Beispielen wird aufgezeigt, wo eine Kodierung nach der ICF unpraktisch, fehlerhaft, unzutreffend oder missverständlich ist. Vielfach mangelt es an klaren Definitionen oder logische Bezüge sind nicht ersichtlich. Ein befriedigendes Klassifikationssystem muss in der Lage sein, die sich wandelnden Anschauungen zu berücksichtigen, zum Beispiel Ergebnisse der Diskussionen um den Begriff Behinderung mit Folgen in verschiedenen Praxisfeldern. Während die Kategorie „Aktivität“ der ICF vor allem Funktions- und Leistungsfähigkeit differenziert erfasst und ausführlich kodiert, wird das so wichtige Anliegen der Teilhabe („Partizipation“), die ja oft mehr bedeutet als lediglich Teilnahme, nur unzureichend berücksichtigt. Auch Umweltfaktoren, die dabei eine ganz entscheidende Rolle spielen, sind oft lediglich ansatzweise erfasst. Neben instruktiven Hinweisen, wie mit der ICF kodiert werden kann und welche Probleme sich dabei auftun, werden auch mögliche Konsequenzen in verschiedenen Bereichen angesprochen: Aussagen sind bedeutsam für das Bild vom Menschen mit Behinderungen, beeinflussen ethische Überlegungen, individuelle Situation, Betreuung, Assistenz und Selbstbestimmung. Nicht zuletzt kann die ICF der modernen (Sonder-)Pädagogik neue Perspektiven eröffnen. Noch gibt es wenig Stellungnahmen zur ICF aus der Sicht von Menschen mit Geistige Behinderung 1/05, 44. Jg. Behinderung. Die vorliegende Analyse macht hier einen wertvollen Anfang und belegt eindrücklich, dass Verbesserung und Weiterentwicklung erforderlich sind. Die Handhabung der ICF muss vereinfacht werden, da sonst die potentiellen Anwender allein wegen des zeitlichen Aufwands das System nicht nutzen. Eine dringend notwendige, spezielle Version für Kinder wird angeblich zur Zeit erarbeitet. Wenn eine angemessene Kodierung fehlt, kommt es leicht zum Abklassifizieren mit Abstempeln oder Ausgrenzen. Richtiges Klassifizieren hilft dabei, die individuelle Situation möglichst genau zu erfassen, bietet dann Schutz und ist eine wichtige Grundlage für erforderliche Zuwendung. Es sollen Menschen nicht klassifiziert werden, vielmehr ist die Situation eines Menschen möglichst genau abzubilden. So geht die kritische und gut fundierte Analyse auf die praktische Anwendung der ICF ebenso ein, wie auf weitreichende Konsequenzen des damit vollzogenen Paradigmenwechsels. Sie ist ein wichtiger Beitrag zur aktuellen Diskussion um Partizipation und Teilhabe: Um die Potenzen der ICF auszuschöpfen und sie zu einem in der Praxis wirklich hilfreichen Instrument weiter zu entwickeln, sind Erfahrungen und Meinungen von Menschen mit Behinderung unverzichtbar. Das Buch ist allen an der ICF interessierten Fachleuten, aber auch den vom Klassifizieren betroffenen Menschen mit Behinderungen nachdrücklich zu empfehlen. Gerhard Neuhäuser, Linden Veranstaltungen Veranstaltungen 17.–19. Februar 2005, Recklinghausen 3. Dattelner Kinderschmerztage Kongress für Kinderschmerztherapie und Pädiatrische Palliativversorgung. Vestische Kinderklinik Datteln, Wilma Henkel, Dr.Friedrich-Steiner-Straße 5, 45711 Datteln, Fax: (0 23 62) 6 42 11, eigenes-leben @web.de, www.schmerzenbeikindern.de 3.–5. März 2005, Potsdam „Ja, machen wir einen Plan ...“ Diagnostik, Förder- und Behandlungsplanung in der interdisziplinären Frühförderung. 13. Symposium Frühförderung. Kongressbüro: VIFF e. V., Bundesgeschäftsstelle, Janine Brand, Seidlstr. 4, 80335 München, Tel.: (0 89) 54 58 98-27, Fax: (0 89) 54 58 98-29, geschaeftsstelle@fruehfoerderungviff.de, www.fruehfoerderung-viff.de 3.–5. März 2005, Chemnitz – Schloss Rabenstein Beziehungen, Intimität, Sexuelle Aufklärung, Sexueller Missbrauch Seminar. Sexuelle Aufklärung im Leben von Menschen mit geistiger Behinderung. Lebenshilfe Landesverband Sachsen, Hch.-Beck.-Str. 47, 09112 Chemnitz, Tel.: (03 71) 9 09 91-0, Fax: 9 09 91-11, info@Lebenshilfe-Sachsen.de, www.Lebenshilfe-Sachsen.de 7.–8. März 2005, Chemnitz – Schloss Rabenstein Respektvolle Begegnung – Ansicht, Haltung und kritische Selbstreflexion Seminar. Lebenshilfe Landesverband Sachsen, Hch.-Beck.-Str. 47, 09112 Chemnitz, Tel.: (03 71) 9 09 91-0, Fax: 9 09 91-11, info@LebenshilfeSachsen.de, www.Lebenshilfe-Sachsen.de 15.–16. März 2005, Siegen Personenzentrierte Hilfeplanung – Personenzentrierte Finanzierung Neue Wege zu hilfreichen Arrangements für Menschen mit geistiger Behinderung. 3. Europäische Konferenz zur Qualitätsentwick- lung in der Behindertenhilfe. ZPE-Geschäftsstelle, Dr. Johannes Schädler, Adolf-Reichwein-Strasse 2, 57068 Siegen, Tel. und Fax: (02 71) 7 40-22 28, schaedler@zpe.unisiegen.de, www.zpe-uni-siegen.de 20.–23. April 2005, Schweinfurt Lebenswelten erfahren, schaffen und ausdrücken Internationale Fachtagung. Offene Behindertenarbeit der Diakonie, Gymnasiumstr. 16, 97421 Schweinfurt, Tel.: (0 97 21) 20 87-1 66, Fax: -120, oba@obasw.de, www.obasw.de 4.–5. Juni 2005, A-Wien Das Leben erleben Internationaler Kongress Basale Stimulation. Internationaler Förderverein Basale Stimulation, Eduard-Steinle-Str. 9, 70619 Stuttgart, peter.estner@basale-stimulation.de, www.basale-stimulation.de 16.–17. Juni 2005, Schwarzach Macht. Angst. Gewalt 8. Fachtagung. Fachschule für Sozialpädagogik der Johannes-Anstalten Mosbach, 74869 Schwarzach, Tel.: (0 62 61) 88-7 07, Fax: 88-7 78, ulrike.konrad@jamas.de, www.jamas.de 26.–28. September 2005, CH-Bern Heilpädagogik für Alle? 4. Schweizer Heilpädagogik-Kongress. Schweizerische Zentralstelle für Heilpädagogik (SZH), Kongress-OK, Theaterstr. 1, CH6003 Luzern, Tel.: +41 41 2 26 30 40, Fax: +41 41 2 2 6 3 0 41, Kongress@Szh.ch, www.szh.ch/kongress 29. September – 1. Oktober 2005, Heidelberg Psychologie und geistige Behinderung Der Beitrag der Psychologie zu seelischer Gesundheit, Teilhabe und Inklusion. Fachtagung. Deutsche Gesellschaft für Seelische Gesundheit von Menschen mit geistiger Behinderung (DGSGB), www.dgsgb.de Geistige Behinderung 1/05, 44. Jg. 83 84 Veranstaltungen Aus dem Fortbildungsprogramm des Instituts inForm der Bundesvereinigung Lebenshilfe für Menschen mit geistiger Behinderung e.V., Raiffeisenstr. 18, 35043 Marburg, Tel.: (0 64 21) 4 91-0, Fax: (0 64 21) 4 91-1 67, Mail: institut-inform@lebenshilfe.de. Eine genaue Beschreibung der Inhalte finden Sie unter www.lebenshilfe.de/inform.cfm 1.–2. März 2005, Marburg Können alte Menschen mit hohem Hilfebedarf lebenslang in der Einrichtung bleiben? Zur Abgrenzungsproblematik zwischen Einrichtungen und Diensten. Seminar. 3.–5. März 2005, Marburg In den späteren Jahren Seminar für Eltern von Kindern mit DownSyndrom im Alter von 9 bis 11 Jahren. 7.–11. März 2005, Marburg Mitarbeiter(innen) im Telefondienst Lehrgang zur beruflichen Weiterbildung für Menschen mit (geistiger) Behinderung. 8.–9. März 2005, Marburg Ist ein Kind ein Kind – oder behindert? 11.–13. April 2005, Marburg Organisatorische und pädagogische Prozesse messen Seminar für Führungskräfte. 18.–20. April 2005, Oberorke Stärken nutzen – Potenziale erkennen Assessment-Center für Führungskräfte. 19.–21. April 2005, Marburg Freiwillige gibt’s nicht umsonst Grundlagen der Freiwilligenkoordination – neue Chancen für die Lebenshilfe. Gemeinschaftliches Seminar mit der Akademie für Ehrenamtlichkeit Deutschland (fjs e.V.). 27.–29. April 2005, Lübeck Zukunft der Werkstatt – Werkstatt der Zukunft Hilfen für behinderte Kinder und ihre Familien im Schnittfeld von Jugend- und Eingliederungshilfe. Seminar. Werkstätten der Lebenshilfe im Wandel. Treffen der Führungskräfte. 21.–23. März 2005 – 1. Teil, Marburg 2.–3. Juni 2005 – 2. Teil Wilde Rosen – vom Problem zur Lösung 9.-10. Mai 2005, Marburg Datenschutz in sozialen Organisationen und Einrichtungen Menschen mit herausforderndem Verhalten verstehen und begleiten. Seminar. Seminar. 11.–13. Mai 2005 – 1. Teil, Marburg 6.– 8. Juli 2005 – 2. Teil Führen und Leiten in schwierigen Zeiten 11.–15. April 2005 (1. Einheit), Marburg 29. August –2. September 2005 (2. Einheit) 5.–9. Dezember 2005 (3. Einheit) Management in der Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) Lehrgang für Leiter(innen) von Einrichtungen. Die WfbM als Bildungsstätte und Zweckbetrieb zur Integration in Arbeit und Gesellschaft. Lehrgang. Tagung für Menschen mit (geistiger) Behinderung. Geistige Behinderung 1/05, 44. Jg. 17.–19. Mai 2005, Marburg Gemeinsam in die Zukunft! Veranstaltungen Kongress der Bundesvereinigung Lebenshilfe für Menschen mit geistiger Behinderung e.V. „Wir gehören dazu!“ Teilhabe von Menschen mit schwerer Behinderung als Herausforderung für Praxis, Wissenschaft und Politik 22. bis 24. September 2005 in Magdeburg Die Bundesvereinigung Lebenshilfe verfolgt mit dem Kongress „Wir gehören dazu!“ das Anliegen, sich besonders für die Rechte von Menschen mit sehr schweren Behinderungen einzusetzen. Sie sollen an den aktuellen Entwicklungen in der Hilfe für Menschen mit Behinderung – Normalisierung, Integration, Selbstbestimmung und Teilhabe – gleichberechtigt beteiligt sein. Im Mittelpunkt stehen erwachsene Menschen • mit einer geistigen Behinderung und sehr hohem Hilfebedarf in alltäglichen Lebensbereichen, • die ihre Wünsche und Bedürfnisse überwiegend nicht sprachlich äußern, • die ihre Befindlichkeit über spezifische Verhaltensweisen mitteilen, • die wegen eines erheblichen zusätzlichen physisch, psychisch oder organisch bedingten Hilfebedarfs spezielle pädagogische, therapeutische und pflegerische Unterstützung benötigen. Mit dem Kongress wollen wir Impulse für notwendige Entwicklungen in Gesellschaft und Politik, in der Praxis der Behindertenhilfe und im Verband setzen. Es gilt, die Lebensqualität von Menschen mit hohem Hilfebedarf sicher zu stellen. Entwicklungen, die diesem Ziel entgegenstehen, müssen erkannt und abgewendet werden. Die Themen Erwachsene Menschen mit schweren Behinderungen haben besondere Bedürfnisse. In Magdeburg werden gezielt für diesen Personenkreis aktuelle Praxisentwicklungen, wissenschaftliche Erkenntnisse und weitere fachliche sowie politische Anliegen in Vortragsveranstaltungen und Workshops bearbeitet, die folgende Themenfelder umfassen: • • • • • • • Lebensrecht und ethische Grundannahmen Fachliche Fragen der Alltagsgestaltung Innovative Handlungsansätze Aus-, Weiter- und Fortbildungsaspekte Strukturfragen aus Sozialpolitik und Recht Fragestellungen aus dem familiären Zusammenleben Medizinische, therapeutische und pflegerische Fragen Der Kongress beginnt am 22. September 2005 um 12.00 Uhr und endet am 24. September um 13.00 Uhr. Das detaillierte Programm schicken wir Ihnen gerne auf Anfrage ab März 2005 zu. Anmeldung ist erst nach Erscheinen des Kongressprogramms möglich; dort finden Sie auch die endgültigen Teilnahmebedingungen. Teilnahmegebühr (vorläufige Planung, abhängig von noch ausstehenden Fördermitteln): Pauschale 1: 250,- Euro (Kongressteilnahme sowie 2 Übernachtungen im Maritim Hotel Magdeburg, 3 Tagesverpflegungen, 1 Abendessen mit anschließendem Abendprogramm) Pauschale 2 (Dauertageskarte): 100,- Euro (wie Pauschale 1, aber ohne Übernachtungen) Geistige Behinderung 1/05, 44. Jg. 85 86 Bibliografie Bibliografie Diese Bibliografie soll möglichst umfassend über neue Publikationen zum Thema „Geistige Behinderung“ informieren. Eine Bewertung der Titel kann hier nicht geleistet werden. Fast alle aufgeführten Titel sind neu in den Bestand der Fachbibliothek der Bundesvereinigung Lebenshilfe aufgenommen; die meisten Bücher können Sie über den Buchhandel beziehen. Der Bibliothekskatalog ist online im Internet verfügbar: http://mail.lebenshilfe.de/lars/html/start.htm. Bei Fragen zu Ausleihbedingungen oder Bezugsadressen wenden Sie sich bitte an die Lebenshilfe-Bibliothek, Postfach 70 11 63, 35020 Marburg, Tel.: (06421) 491-138 oder -194, Fax: -6 38 oder -6 94, bibliothek@lebenshilfe.de. actionbildung: Abschlussbericht. Projekt zur Weiterentwicklung und Verbesserung der Praxis beruflicher Bildung im Berufsbildungsbereich der Werkstatt für behinderte Menschen. Meisenheim 2004. 75 S.: Ill. dies.: Handbücher für den Berufsbildungsbereich der WfbM. Unterweisungsmaterialien für den Berufsbildungsbereich der WfbM. Stand: 14.04.2004. Meisenheim 2004. CD. Zu dieser CD gehört das Buch: Abschlussbericht ... (s.o.) Addow, Gabriele; Kleusch, Monika; Rizvi, Sylvia: Das Persönliche Budget für behinderte Menschen. Hg.: Landeswohlfahrtsverband Württemberg-Hohenzollern. Stuttgart 2004. 31 S.: zahlr. Ill. zungsmedizin und Gentechnik. Red.: Margaretha Kurmann. Düsseldorf 2003. 48 S. Aselmeier, Laurenz: Supported living: Offene Hilfen für Menschen mit geistiger Behinderung in Großbritannien. Zentrum für Planung und Evaluation Sozialer Dienste der Universität Siegen. 118 S. Becker, Dorothea: Mit-Gefühlt. Curriculum zur Begleitung Demenzkranker in ihrer letzten Lebensphase. Hg. v. d. Bundesarbeitsgemeinschaft Hospiz zur Förderung von ambulanten, teilstationären und stationären Hospizen und Palliativmedizin e. V. Wuppertal: der hospiz verl. 2004. 98 S. + 1 CD. Boban, Ines; Hinz, Andreas (Hg.): Gemeinsamer Unterricht im Dialog. Vorstellungen nach 25 Jahren Integrationsentwicklung. Weinheim (u.a.): Beltz. 251 S.: Ill. Aktion Mensch e.V.: Die Nacht der 1000 Fragen. 24. September 2003, Deutsches Historisches Museum im Zeughaus, Berlin; Wohin Gen? Szenische Fragen, eine Inszenierung in 13 Bildern, basierend auf den authentischen Fragen des 1000-Fragen-Projektes. München 2003, ca. 82 S. Bersch, Günter: Die Stille ist die Zeit. Fotografien von Günter Bersch. Hg. von Erik Boehlke. Berlin: Edition GIB 2004. 128 S. Format 240x260 mm, zahlr. s/w Fotografien, 22,00 Euro, post@gib-ev.de Antretter, Robert (Hg.): „Heidenei!“ Annemarie Griesinger zum 80. Geburtstag; eine Festschrift. Hg. v. Robert Antretter; Günther H. Oettinger; Erwin Teufel; Gustav Wabro; Matthias Wissmann. Stuttgart 2004. 207 S.: Ill. Bosch, Erik: Sexualität und Beziehungen bei Menschen mit einer geistigen Behinderung. Ein Hand- und Arbeitsbuch. Tübingen: dgvtVerl. 2004. 203 S. In Kooperation mit dem Lebenshilfe-Verlag Marburg. Arbeitsstelle Pränataldiagnostik/Reproduktionsmedizin: selbstbestimmung statt schicksal? Selbstbestimmung in der Debatte um Fortpflan- Bundesvereinigung Lebenshilfe für Menschen mit Geistiger Behinderung: Eltern mit geistiger Behinderung und ihre Kinder (er)leben Familie. Rechtliche Grund- Geistige Behinderung 1/05, 44. Jg. Bibliografie lagen, fachliche Standards, Schnittstellen, Zusammenarbeit in der Praxis; eine Veranstaltung vom 6. bis 7. Oktober 2003, Marburg; eine Dokumentation der Bundesvereinigung Lebenshilfe, Bereich Familie und Fachfragen. Marburg 2004. 119 S. und ihre Situation in Wohnheimen; Zusammenfassende Gesamtdarstellung des Projektes WISTA. Reutlingen: Diakonie-Verl. 2004. XXII, 575 S.: Ill., Tab. (Berliner Beiträge zur Pädagogik und Andragogik von Menschen mit geistiger Behinderung; 11) Euro Citizen Action Service: A guide to European Union funding. Accessing Europe’s largest donor. Rose Nthiwa ... . 10th ed. Brüssel 2004. 251 S. Horn, Gerhard: „Jetzt entscheide ich selbst ...“. Geldbudget in Wohngruppen von LEBEN MIT BEHINDERUNG HAMBURG; ein Ratgeber in leichter Sprache. LEBEN MIT BEHINDERUNG HAMBURG. Hamburg 2004. 18 S.: Ill. + Video-Film. European Commission: Included in Society. Results and Recommendations of the European Research Initiative on Community-Based Residential Alternatives for Disabled People. www. communityliving.info. Fröhlich, Andreas (Hg.): Zweisprachigkeit bei Kindern mit geistiger Behinderung. Düsseldorf: verl. selbstbestimmtes leben 2003. 150 S. Fuchs, Ursel: Die Genomfalle. Die Versprechungen der Gentechnik, ihre Nebenwirkungen und Folgen; mit Zeittafel zur Humangenetik und Reproduktionsmedizin. Vollständig überarb. u. aktualis. Taschenbucherstausg. München: Heyne 2003. 334 S. Furger, Martha; Kehl, Doris (Hg.): „... und bist du nicht willig, so brauch ich Gewalt“. Zum Umgang mit Aggression und Gewalt in der Betreuung von Menschen mit geistiger Behinderung. Luzern: Ed. SZH/CSPS 2003. 203 S. Graumann, Sigrid (Hg.): Ethik und Behinderung. Ein Perspektivenwechsel. Frankfurt/M. (u. a.): Campus Verl. 2004. 197 S. Hamburger Arbeitsassistenz: Jobwärts. Module zur Erweiterung von Schlüsselkompetenzen; 1 CD-ROM. Hamburg 2003. Hahn, Martin Th. u. a. (Hg.): Warum sollen sie nicht mit uns leben? Stadtteilintegriertes Wohnen von Erwachsenen mit schwerer geistiger Behinderung Hornakova, Marta: Integrale Heilpädagogik. Bad Heilbrunn/ Obb.: Klinkhardt 2004. 190 S.: 4 Ill. u. 3 Tab. (Heilpädagogik im Ost-West Dialog) Inclusion Europe: Die Erweiterung der Europäischen Union. Brüssel 2004. 13 S.: zahlr. Ill. (Bericht) Kitzinger, Annette u. a.: Jetzt sag ich’s Dir auf meine Weise! Erste Schritte in Unterstützter Kommunikation mit Kindern. Ill. v. Annette Kitzinger. Karlsruhe: Von-Loeper-Literaturverl. 2003. 72 S.: Ill. Klauß, Theo; Lamers, Wolfgang (Hg.): Alle Kinder alles lehren ... Grundlagen der Pädagogik für Menschen mit schwerer und mehrfacher Behinderung. Heidelberg: Ed. S, Univ.-Verl. Winter 2003. 341 S. Kuratorium Deutsche Altershilfe: Pro Alter, Themenheft 2/2004: Ältere Menschen mit Behinderung. Herausforderung für Politik und Gesellschaft. Köln 2004. 67 S. Kühl, Jürgen (Hg.): Frühförderung und SGB IX. Rechtsgrundlagen und praktische Umsetzung. München (u. a.): Reinhardt 2004. 158 S.: 8 Ill. (Frühförderung interdisziplinär; 10) Lavin, Judith L., Sproedt, Claudia (Hg.): Besondere Kinder brauchen besondere Eltern. Behindert oder chronisch krank: Wie Sie Ihr Kind beschützen und es unterstützen können. Ratingen: Oberstebrink 2004. 269 S. Geistige Behinderung 1/05, 44. Jg. 87 88 Bibliografie Lebenshilfe/LV Baden-Württemberg: Persönliches Budget von A – Z. Stuttgart 2004. 32 S.: Ill. Internet-Dokument, Stand: 20.09.2004. Leonhardt, Annette (Hg.): Wie perfekt muss der Mensch sein? Behinderung, molekulare Medizin, Ethik. München u. a.: Reinhardt 2004. 214 S.: 11 Tab. Leue-Käding, Susan: Sexualität und Partnerschaft bei Jugendlichen mit einer geistigen Behinderung. Probleme und Möglichkeiten einer Enttabuisierung. Heidelberg: Ed. S, Univ.-Verl. Winter 2004. 345 S.: graph. Darst. Luder, Reto: Neue Medien im heil- und sonderpädagogischen Unterricht. Ein didaktisches Rahmenkonzept zum Einsatz digitaler Informations- und Kommunikationstechnologien. Haupt 2003. 221 S. Meifort, Barbara: Die pragmatische Utopie. Qualifikationserwerb und Qualifikationsverwertung in Humandienstleistungen. Bundesinstitut für Berufsbildung. Bielefeld: Bertelsmann 2004. 95 S. Metzler, Heidrun; Rauscher, Christine: Wohnen inklusiv. Wohn- und Unterstützungsangebote für Menschen mit Behinderungen in Zukunft; Projektbericht. Diakonisches Werk, Abt. Behindertenhilfe. Stuttgart 2004. 103 S. Müller, Wolf; Scheuermann, Ulrike (Hg.): Praxis Krisenintervention. Ein Handbuch für helfende Berufe: Psychologen, Ärzte, Sozialpädagogen, Pflege- und Rettungskräfte. Stuttgart: Kohlhammer 2004. 570 S. Nationale Kontakt- und Informationsstelle zur Anregung und Unterstützung von Selbsthilfegruppen (Hg.): Grüne Adressen 2004/2005. Bundesweite Selbsthilfevereinigungen und relevante Institutionen. 16. Ausg. Stand: Juni 2004. Berlin 2004. 131 S. Geistige Behinderung 1/05, 44. Jg. dies. (Hg.): Rote Adressen 2004/2005. Lokale/Regionale Selbsthilfeunterstützung in Deutschland. 17. Ausg. Stand: Juli 2004. Berlin 2004. 70 S. Papke, Birgit: Experten aus Erfahrung. Nutzerpartizipation als Element der Qualitätsentwicklung im sozialpsychiatrischen Bereich. Zentrum für Planung und Evaluation Sozialer Dienste der Universität Siegen. Siegen. 173 S. Rafael, Christel-Ursel: Das Tal der abgeliebten Bären. Karlsruhe: Engelhardt & Bauer 2003. 47 S.: Ill. ( farb.) + Hör-CD. Reinhold-Postina, Eva: Vorbauen: Barrierefrei. Ein Bauherren-Ratgeber. Hg.: Verband Privater Bauherren e.V. Berlin 2004, ca. 26 S.: Ill. Sauer, Hans-Peter: Heilerziehungspflege, Beruf und Ausbildung. Grundsatzpapier der Bundesarbeitsgemeinschaft der Ausbildungsstätten für Heilerziehungspflege und Heilerziehung in Deutschland e.V. Hg.: BAG HEP e.V. Waiblingen 2003. Losebl.-Ausg. Getr. Zähl. Sautter, Hartmut; Stinkes, Ursula; Trost, Reiner: Beiträge zu einer Pädagogik der Achtung. Heidelberg: Ed. S, Univ.-Verl. Winter 2004. 264 S.: 3 Ill. Schnoor, Heike; Rohrmann, Eckhard (Hg.): Sonderpädagogik: Rückblicke – Bestandsaufnahmen – Perspektiven. Bad Heilbrunn/Obb.: Klinkhardt 2004. 389 S. Schulte, Wolfgang: Was bleibt – bist Du: Luca-Tales. Sach-, Lach- und Weingeschichten erzählt von einem schwerstmehrfach behinderten Säugling. Neu-Isenburg: LinguaMed Verl.-GmbH 2003. 168 S. Senckel, Barbara: Wie Kinder sich die Welt erschließen. Persönlichkeitsentwicklung und Bildung im Kindergartenalter. Orig.-Ausg. München: Beck 2004. 276 S. Bibliografie/Anzeigen Bibliografie Tittse-Linsen, Martina: Pictogenda 2005. Ein Terminplaner ohne Worte. Konzept u. Text: Martina Tittse-Linsen. Piktogramme: Peter Walvius. Lizenzausg. Marburg: Lebenshilfe-Verl. 2005. O.S.: zahlr. Ill. Losebl.-Ausg. Wagner, Rainer; Kaiser, Daniel: Einführung in das Behindertenrecht. Berlin (u. a.): Springer 2004. XVII, 219 S. Will, H.: Rehabilitationssport. Hannover: Neuer Start Verl. 2004. CD. Wilker, Frank: Hand in Hand die Umwelt erleben. Umweltbildung für Menschen mit Behinderungen. Praxisordner. 119 S.: III. Hg.: Umweltpädagogisches Zentrum der Stadt Nürnberg – Schulreferat. Bezug: hummelstein46@nefkom.net. Wüllenweber, Ernst (Hg.): Soziale Probleme von Menschen mit geistiger Behinderung. Fremdbestimmung, Benachteiligung, Ausgrenzung und soziale Abwertung. Stuttgart: Kohlhammer 2004. 360 S. Hochschulschriften Die Lebenshilfe-Bibliothek sammelt für ihre Nutzer(innen) wissenschaftliche Arbeiten zum Thema „Geistige Behinderung“. Hiermit bitten wir Verfasser(innen) solcher Arbeiten, ein Exemplar zur Verfügung zu stellen. Bach, Stefanie: Zur Rolle der Schule bei Bewältigungsprozessen in Familien mit einem geistig behinderten Kind. 107 Bl., Anhang: A 107 Bl. + Anhang-Bd. Gießen, Univ., Wiss. Hausarbeit 2004 Hielen, Imke: Frühförderung als interdisziplinäres Angebot. Strukturelle und inhaltliche Entwicklungen auf der Grundlage der aktuellen Gesetzgebung. 136 Bl., Anhang. Kiel, Univ., Diplomarbeit 2003 Schönecker, Patrick: Junge Menschen in der WfbM. Subjektive Sichtweisen ihrer beruflichen Tätigkeit. 134 Bl., Anhang: 86 Bl. Gießen, Univ., Wiss. Hausarbeit 2004 Tietmann, Ingo: Alternde und alte Bewohner in Wohnheimen für Menschen mit geistiger Behinderung. Konzeptionsentwicklung und Bedarfserhebung für das Wohnheim der Lebenshilfe Syke e.V. in Bassum. 166 S. Oldenburg, Univ., Diplomarbeit 2004 Rohrmann, Albrecht: Individualisierung und Behinderung. 224 Bl. Siegen, Univ., Diss. 2003 Anzeige Schleswig-Holstein Freizeiten im Tagungshaus Nindorf zwischen Nord- u. Ostsee, am Rande eines kleinen Dorfes im Naturpark Aukrug: • 34 Betten, 9 Bäder, Kaminraum, Essraum, Bewegungsraum mit Bühne • Großes Freigelände mit Spielplatz, Feuerstelle, Bodentrampolin • Selbstversorgung oder Verpflegung nach Absprache Auch geeignet für Seminare, Tagungen, Workshops und mehr. Das ganze Haus ist rollstuhlgerecht. Osterree 1 · 24594 Nindorf, Telefon: 0 48 71/15 18 · Fax: -73 85 Geistige Behinderung 1/05, 44. Jg. 89 90 Anzeigen - H i m m e l s t h ü r An unserer Luise-Scheppler-Schule mit derzeit ca. 50 MitarbeiterInnen und 120 SchülerInnen in 17 Klassen ist zum nächstmöglichen Zeitpunkt die Stelle eines/einer Förderschulkonrektors/ Förderschulkonrektorin - Fachrichtung Geistigbehindertenpädagogik Körperbehindertenpädagogikzu besetzen. Die Stelle ist zunächst auf sechs Jahre befristet. Wir suchen eine engagierte und teamfähige Lehrkraft, die neben guten fachlichen Qualifikationen die Bereitschaft mitbringt, den besonderen Bildungs- und Erziehungsauftrag einer evangelischen Schule sowie die spezifischen pädagogischen Belange dieser Förderschule mit zu tragen und im Schulleitungsteam weiter zu entwickeln. Neben Erfahrungen in der Arbeit im Förderschulbereich, vorzugsweise in den Bereichen Unterstützte Kommunikation, Autismus, schulische Bildungsarbeit bei Schülern mit schwerster Behinderung, erwarten wir die Fähigkeit, konzeptionelle und schulorganisatorische Aufgaben zu erfüllen. Die Schule wird im Sinne einer eigenständigen Schule geführt. Von daher ist es erwünscht, dass der/die Stelleninhaber/in auch über eine wirtschaftliche Kompetenz sowie über Kompetenzen in den Bereichen des Qualitätsmanagements verfügt bzw. bereit ist, diese zu erwerben. Gute EDV-Kenntnisse werden vorausgesetzt. Bewerber/innen müssen Mitglied einer christlichen Kirche sein. Beamtete Lehrkräfte können eine Beurlaubung entsprechend § 152 NSchG beantragen. Schwerbehinderte Bewerber/innen werden bei gleicher Eignung, Befähigung und Leistung bevorzugt berücksichtigt. Die Vergütung entspricht der Besoldungsgruppe A14 / vergleichsweise BAT. Ihre Bewerbung richten Sie bitte bis spätestens vier Wochen nach Erscheinungsdatum an Diakonische Werke Himmelsthür in Hildesheim e. V., Luise-Scheppler-Schule, Förderschule - Schwerpunkt Geistige Entwicklung, Stadtweg 113, 31139 Hildesheim. Auskünfte erteilt Hanna Geyer, Schulleiterin, Tel. (0 51 21) 604135, E-Mail: hanna.geyer@dw.hi-de Geistige Behinderung 1/05, 44. Jg. Anzeigen Soziales Engagement / Erfolgreiches Management Kaufmännischer Leiter (m/w) Kaufmännischer Leiter (m/w) Der Verein und die angeschlossene gGmbH verfolgen als Mitglied des Diakonischen Werkes der Ev.-luth. Landeskirche Hannovers ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke im Bereich heilpädagogischer Hilfe und der Arbeits- und Berufsförderung. Seit mehr als 40 Jahren werden Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen unterhalten. Mit mehr als 800 fest angestellten Mitarbeiter/innen werden an 40 Standorten in der Stadt und dem Landkreis Osnabrück für über 2300 Menschen mit Behinderungen ambulante als auch stationäre Angebote in den Bereichen Kinder + Jugend, Wohnen und Werkstätten betrieben. Da der jetzige Stelleninhaber nach 30-jähriger erfolgreicher Tätigkeit ausscheidet, wird mit ausreichendem zeitlichen Vorlauf ein neuer Kaufmännischer Leiter (m/w) mit Sitz in Osnabrück gesucht. In dieser verantwortungsvollen Position sind Sie mit Ihren insgesamt 30 Mitarbeitern in den Abteilungen Finanzbuchhaltung, Leistungsabrechnung, Finanzcontrolling/Berichtswesen, Personalwesen, Lohnbuchhaltung WfbM, EDV/Organisation, Bauabteilung sowie allgemeine Verwaltung und Fuhrpark für das gesamte Spektrum kaufmännischer Ressortverantwortung zuständig. Als Mitglied der Geschäftsleitung entwickeln Sie gemeinsam mit dem Alleingeschäftsführer sowie den Bereichsleitungen auf gleicher Ebene das Unternehmen, besonders vor dem Hintergrund sich verändernder Strukturen auf der Seite der Kostenträger, weiter. Sie arbeiten zielorientiert, effizient und können motivierend führen. Wir wenden uns an Damen und Herren im Alter zwischen 35 und 45 Jahren, die nach einem Studium der Betriebswirtschaftslehre (FH, Universität oder vergleichbar) bereits mehrjährige Führungserfahrung bzgl. eines Teilspektrums der o. g. Ressortverantwortung haben und für die diese Position der nächste Schritt ihrer beruflichen Entwicklung ist. Selbstverständlich kommen ebenfalls Bewerber in Betracht, die vielleicht in kleineren Häusern die kaufmännische Gesamtverantwortung tragen. Sie sind es gewohnt, selbstständig und eigenverantwortlich zu arbeiten. Ihr Auftreten ist von großer Integrität und Seriosität gekennzeichnet; als praktizierender Christ wird Ihr Persönlichkeitsprofil durch Ihre positive Einstellung gegenüber Menschen mit Behinderungen abgerundet. Es ist für Sie selbstverständlich, die Ziele des Vereins in Wort und Tat umzusetzen und zu leben. Wenn Sie mehr über die Institution oder die ausgeschriebene Position erfahren möchten, so steht Ihnen gerne Herr Dr. Peter Hannen für eine erste Kontaktaufnahme unter der Rufnummer +49 (2 11) 3 00 89-251 bzw. unter peter.hannen@kienbaum.de zur Verfügung. Er sichert Ihnen Diskretion ausdrücklich zu. Ihre aussagekräftigen Bewerbungsunterlagen (tabellarischer Lebenslauf, Zeugniskopien, Lichtbild sowie Angabe Ihrer Gehaltsvorstellung und des eventuellen Eintrittstermins) senden Sie bitte unter der Kennziffer 0842274 an Kienbaum Executive Consultants GmbH, Postfach 10 32 09, 40023 Düsseldorf. http://www.Kienbaum.job.de Kienbaum Executive Consultants GmbH Geistige Behinderung 1/05, 44. Jg. 91 92 Anzeigen Dipl.-Sportwissenschaftlerin *Prävention und Rehabilitation* 34, berufserf., verantw., sucht neue Herausforderung im Bereich ORGA, BEHINDERTENSPORT, LEHRE, o. THERAPIE, Zusatzq. Industriekauffrau, WfbM, EDV, DVGS i.A., Spez. Neurologie und Psychiatrie, FI-Austauschstudium bewegung@tiscali.de bildungsinstitut der diakonie stetten (BIDS) akademie für fort- und weiterbildung Weiterbildung Die entwicklungsfreundliche Beziehung – eine mehrdimensionale Methode der Persönlichkeitsförderung nach Dr. Barbara Senckel „Gib mir die Hand so halte ich das Leben.“ Rose Ausländer Viele geistig behinderte Menschen leiden unter mangelnder psychischer Ausgewogenheit und emotional bedingten Entwicklungsblockaden. Sollen sich diese Probleme entschärfen, so benötigen sie eine Beziehung zu einem Menschen, der ihnen nicht nur wertschätzend, einfühlsam und echt begegnet, sondern der auch die Ebene ihres emotionalen Bedürfnisniveaus erkennt und seine Beziehungsgestaltung an ihr ausrichtet. Voraussetzung für ein derartiges Beziehungsangebot sind neben der personenzentrierten Grundhaltung differenzierte entwicklungspsychologische Kenntnisse, besonders die der sozio-emotionalen und der kognitiven Entwicklung. Das zentrale Ziel dieser Weiterbildung besteht folglich darin, die notwendigen theoretischen und methodischen Kenntnisse für eine entwicklungsfreundliche Beziehungskultur zu vermitteln, die die emotionalen, kognitiven, praktischen und lebensalterbezogenen Bedürfnisse gleichermaßen berücksichtigt. Zielgruppe: – pädagogische und psychologische Fachdienste (z. B. Psycholog/innen, Heilpädagog/innen) – leitende pädagogische Mitarbeiter/innen (z. B. Hausleiter/innen, Erziehungsleiter/innen, Gruppenleiter/innen) – Sonderschullehrer/innen und Dozent/innen an Fachschulen für Sozialpädagogik Zeitumfang: 4 x 4 Tage: Mi, Mi, Mi, Mi, 23. 11. 05, 19. 01. 06, 09. 03. 06, 15. 06. 06, 18 18 18 18 Uhr Uhr Uhr Uhr bis bis bis bis So, So, So, So, 27.11. 05, 22.01. 06, 12.03. 06, 18.06. 06, 15 15 15 15 Uhr Uhr Uhr Uhr Ort: Tagungs- und Begegnungsstätte der Evang. Diakonieschwesternschaft Herrenberg, Hildrizhauser Str. 29, D-71083 Herrenberg, Tel. 07032/206-213 Kosten: 1580 EUR Seminargebühr zzgl. U/V (ca. 50 EUR/Nacht). Information und Anmeldung: Geistige Behinderung 1/05, 44. Jg. Bildungsinstitut der Diakonie Stetten e.V. (BIDS) Akademie für Fort- und Weiterbildung Ruth Marzenell 71386 Kernen i.R. Fon 07151/940 2305 Fax 07151/940 2730 akademie@diakonie-stetten.de www.ausfortweiterbildung.de Anzeigen (T)ASK KREFELD Ausbildungsinstitut für Systemische Beratungs- und Kommunikationstherapeutische Behandlungsmodelle ausschließlich im Arbeitsfeld geistige Behinderung ➼ Systemische Therapie und Beratung – 2 Jahre – (Curriculum 1) Leitung: Dr. Ulrich Rohmann, Dr. Ursula Kirsch und Mitarbeiter ➼ Regionale Freitag-Nachmittag-Supervisions-Seminare (Curriculum 3) (An 10 Nachmittagen pro Jahr aktuelle Fallsupervision bei gleichzeitiger Weiterbildung) in: Berlin/Fürstenwalde, Bremen, Heinsberg, Lörrach, Köln, Osnabrück, Ravensburg, Schwäbisch-Gmünd, Viersen, Wien. Zertifizierung: Case-Management intern (2 Jahre), Case-Management extern (3 Jahre), Supervisor (4 Jahre) Ausführliche Informationen und Anmeldung über www.task-krefeld.de e-Mail: U.Rohmann@Task-Krefeld.de; (T)ASK-Krefeld, Vadersstr. 21, 47800 Krefeld; Tel.: (0 21 51) 50 04 72; Fax: (0 21 51) 50 04 71 Urlaub im Luftkurort Kötzting – Bayerischer Wald Gasthaus-Pension Fechter Wir sind ein Familienbetrieb mit 60 Betten, davon 48 mit DU/WC/Blk, 3 mit DU/Blk, 6 Betten rollstuhlgerecht. Zusätzlich befinden sich auf jeder Etage Bad und WC. Außerdem bieten wir: Garagen, Terrasse, Liegewiese, Kinderspielplatz, Aufenthalts- und Speiseraum, Fernsehraum, Grillmöglichkeit, Saal für 200 Personen. Zu den Räumen in unserer Pension können wir Ihnen unsere Ferienwohnung (2 Schlafzimmer, Wohnzimmer, Küche, Bad und WC) mit eigenem Eingang anbieten. Anfragen an: Gasthaus-Pension Fechter Pfingstreiterstr. 93 93444 Kötzting Telefon 0 99 41/90 53 20, Telefax 0 99 41/90 53 21 Geistige Behinderung 1/05, 44. Jg. 93 94 Anzeigen Neu im Lebenshilfe-Verlag Marburg Klaus Lachwitz Mehr Chancen für ein selbstbestimmtes Leben? Das persönliche Budget in Fragen und Antworten Mit dem Persönlichen Budget ist ein Mehr an Selbstbestimmung möglich, es ist aber auch mit mehr Eigenverantwortung behinderter Menschen verbunden. Deshalb hat die Bundesvereinigung Lebenshilfe einen Rechtsratgeber aus Sicht der Nutzer(innen) erarbeitet. Er informiert z. B. • über die gesetzlichen Grundlagen; • darüber, wann sich ein persönliches • Budget lohnt. Neben allgemeinen Informationen und Hinweisen werden in 34 Fragen und Antworten die wichtigsten Anliegen aus Sicht von Menschen mit Behinderung angesprochen. 1. Auflage 2004, DIN A5, broschiert, 72 Seiten, ISBN 3-88617-521-9, Bestellnummer LER 521 7,50 Euro [D]; 13.– sFr. Ihre Bestellung richten Sie bitte an: Bundesvereinigung Lebenshilfe für Menschen mit geistiger Behinderung e.V. Vertrieb, Raiffeisenstr. 18, 35043 Marburg Tel.: (0 64 21) 4 91-1 16, Fax: (0 64 21) 4 91- 6 16 vertrieb@lebenshilfe.de Geistige Behinderung 1/05, 44. Jg. Anzeigen Neu im Lebenshilfe-Verlag Marburg Sigrid Graumann u.a. (Hg.) Ethik und Behinderung Ein Perspektivenwechsel Menschen mit Behinderungen leben nach wie vor in einer nicht ausreichend auf ihre Bedürfnisse ausgerichteten Umwelt. Im wissenschaftlichen Diskurs wird ihre Perspektive häufig ausgeblendet, an der ethischen Urteilsbildung in der Gesellschaft werden sie zu wenig beteiligt. Wie aber kann eine Ethik aussehen, die Differenz anerkennt und gleichzeitig die Verletzlichkeit des Menschen berücksichtigt? Diese Frage wird anhand unterschiedlicher Themen diskutiert: der Definition von Behinderung, der Idee der Fürsorgeethik, der Pränataldiagnostik, der Sterbehilfe, der Frage nach einem „Recht auf Verschiedenheit“ und weiterer Aspekte. Beiträge u. a. von Johann S. Ach, Adrienne Asch, Klaus Dörner, Eva Feder Kittay, Jürgen Link, Elisabeth List, Dietmar Mieth und Gerhard. Kooperation mit dem Campus Verlag, Frankfurt. 1. Auflage 2004, DIN A5, 200 Seiten, ISBN 3-593-37617-9, Bestellnummer LFK 029, 19,90 Euro [D]; 34.90 sFr. Sonderpreis für Lebenshilfe-Mitglieder: 18,– Euro [D] Ihre Bestellung richten Sie bitte an: Bundesvereinigung Lebenshilfe für Menschen mit geistiger Behinderung e.V. Vertrieb, Raiffeisenstr. 18, 35043 Marburg Tel.: (0 64 21) 4 91-1 16, Fax: (0 64 21) 4 91- 6 16 vertrieb@lebenshilfe.de Geistige Behinderung 1/05, 44. Jg. 95 96 Anzeigen Neu im Lebenshilfe-Verlag Marburg Friedrich Schwanecke Snoezelen Möglichkeiten und Grenzen in verschiedenen Anwendungsbereichen Das Buch eines ständig neugierigen Beobachters, Anwenders und Wissensvermittlers gibt aus verschiedenen Perspektiven praktische Erfahrungen und Erkenntnisse in der Auseinandersetzung mit dem Medium Snoezelen im Verlauf von knapp zwei Jahrzehnten wieder. Da Snoezelen momentan sehr in Mode ist und inflationär alles mögliche mit »Snoezelen« etikettiert wird, möchte der Autor informieren und Anregungen für Gespräche, Diskussionen und das Sammeln eigener Erfahrungen geben, aber auch auf Schattenseiten, Problembereiche und Grenzen des Snoezelen aufmerksam machen. Anregungen für praktische Anwendungen im Snoezelraum, Literaturhinweise und Musikvorschläge ergänzen diese Überlegungen. 1. Auflage 2004, DIN A5, broschiert, 160 Seiten, 19 farbige Abb., ISBN 3-88617-310-0, Bestellnummer LBS 310 15,– Euro [D]; 27.50 sFr. Ihre Bestellung richten Sie bitte an: Bundesvereinigung Lebenshilfe für Menschen mit geistiger Behinderung e.V. Vertrieb, Raiffeisenstr. 18, 35043 Marburg Tel.: (0 64 21) 4 91-1 16, Fax: (0 64 21) 4 91- 6 16 vertrieb@lebenshilfe.de Geistige Behinderung 1/05, 44. Jg. Geistige Behinderung Fachzeitschrift der Bundesvereinigung Lebenshilfe für Menschen mit geistiger Behinderung Jahresinhaltsverzeichnis 2004 Heft/Jahr Editorials Fachbeiträge Seite Anspruch auf Eingliederungshilfe – Haushaltsvorbehalt abgewendet! (Theo Frühauf) ............................................................. 1/04 Experten als Lerner (Gert Gekeler) ................................................ 2/04 105–107 Soziale Landschaft Deutschland – auch für Menschen mit schwerer und mehrfacher Behinderung! (Resolution der vier Fachverbände der Behindertenhilfe) ........................................................... 3/04 205–208 Freiwillige gibt’s nicht umsonst (Wilfried Wagner-Stolp) ................. 4/04 309-311 Barow, Thomas: Die Debatte um die Entschädigung von Zwangssterilisierten in Schweden .............................................................. 1/04 Beer, Olaf: Suchtmittelgebrauch bei Menschen mit so genannter geistiger Behinderung ................................................................... 3/04 255–269 Breitenbach, Erwin; Stumpf, Eva; von Fersen, Lorenzo; Ebert, Harald: Hoffnungsträger Delfin. Mögliche Effekte und Wirkfaktoren tiergestützter Therapie bei Kindern mit Behinderungen, aufgezeigt am Beispiel der Delfintherapie ....................................................... 4/04 339–357 Griehl, Gabriele: Schönheit und Attraktivität im Leben von Frauen mit geistiger Behinderung. Eine Anregung für frauenorientierte heilpädagogische Erwachsenenbildung ......................................... 3/04 244–254 Hagemann, Claus: Anforderungen an Computer und Internet in der Sonderschule. Eine Fragebogen-Stichprobe zur Bereitschaft von Lehramtsstudierenden, Computer und Internet im Unterricht einzusetzen .................................................................................. 2/04 145–154 Irblich, Dieter: „Gewalt ist, wenn man’s trotzdem macht.“ Über fachlich legitimierte Formen der Gewalt in der Arbeit mit behinderten Kindern ......................................................................................... 1/04 Klicpera, Christian; Gasteiger-Klicpera, Barbara: Wohnformen für Erwachsene mit autistischer Störung. Empfehlungen für die Organisation und Gestaltung .................................................................. 2/04 155–166 1 57–65 15–35 Heft/Jahr Aus der Praxis Forschung Seite Klauß, Theo; Lamers, Wolfgang; Janz, Frauke: Zur Bildungsrealität von Kindern und Jugendlichen mit schwerer und mehrfacher Behinderung ................................................................................. 2/04 108–128 Kleine Schaars, Willem; Petereit, Peter: Menschen mit einer geistigen Behinderung haben das Recht auf ein selbstbestimmtes Leben. Die in den Niederlanden entwickelte Methode „Anleitung zur Selbstständigkeit“ ........................................................................ 3/04 233–243 Merz, Katrin: Im Spannungsfeld von Integration und Eigenkultur. Erwachsenenbildungsangebote für Menschen mit geistiger Behinderung im deutsch-dänischen Vergleich .................................... 4/04 322–338 Platte, Andrea: Grenzen überwindende Weiterbildung: European Masters in Inclusive Education ...................................................... 3/04 209–218 Rohrmann, Albrecht; Schädler, Johannes: Individuelle Hilfen und örtliche Strukturen. Probleme und Perspektiven einer kommunalen Behindertenhilfeplanung ................................................................ 3/04 219–232 Schädler, Johannes: Re-Institutionalisierung statt De-Institutionalisierung! Implementationsstrategien für Offene Hilfen für Menschen mit geistiger Behinderung ............................................................. 1/04 2–14 Schuppener, Saskia: Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit geistiger Behinderung im Alter ................................................ 1/04 36–56 Seifert, Monika: Wenn Anforderungen zur Überforderung werden. Ablösung vom Elternhaus – im Interesse des behinderten Kindes 4/04 312–321 Theunissen, Georg; Schirbort, Kerstin: Verhaltensauffälligkeiten bei Schülerinnen und Schülern mit so genannter geistiger Behinderung. Ergebnisse einer repräsentativen Lehrerbefragung aus SachsenAnhalt ........................................................................................... 2/04 129–144 Gekeler, Gert; Graf, Thomas: Integrative Medienarbeit – studieren ohne Handicap .............................................................................. 2/04 167–179 Gönnheimer, Christoph; Schlummer, Werner: Perspektive Internet: Vom persönlichen Gespräch zur Selbsthilfe online. Unterstützungsund Beratungsmöglichkeiten für Angehörige von Menschen mit geistiger Behinderung ................................................................... 4/04 358–375 Niedermair, Claudia: „Ich möchte arbeiten“. Eingliederung von Jugendlichen mit schwerer Behinderung in den regionalen Arbeitsmarkt in Österreich ............................................................ 1/04 Westecker, Mathias: Wir wollen im Arbeitsleben mehr als nur dabei sein! Vom Recht auf Arbeit in Tages(förder)stätten für Menschen mit schweren und mehrfachen Behinderungen .............................. 3/04 270–283 Projekt KompAs (Kompetentes Altern sichern). Modellversuch zur Gesundheitssicherung und -förderung durch die Entwicklung und Erprobung eines Programms zur gesundheitlichen Prävention für Erwachsene (ProPEr). Universität Dortmund in Kooperation mit der Technischen Universität München ........................................... 4/04 376–377 66–80 Heft/Jahr Buchbesprechungen Seite Bohnenstengel, Andreas; Holthaus, Hanni; Pollmächer, Angelika: Ich bin anders als du denkst. Menschen mit Down-Syndrom begegnen (Etta Wilken) ................................................................................. 2/04 187–188 Buchka, Maximilian: Ältere Menschen mit geistiger Behinderung (Gerhard Neuhäuser) ..................................................................... 3/04 297–298 Cadier, Florence: Ich bin Laura. Ein Mädchen mit Down-Syndrom erzählt (Wiebke Ammann) ............................................................. 1/04 96–98 Grampp, Gerd; Triebel, Anke: Lernen und arbeiten in der Werkstatt für behinderte Menschen – Berufliche Bildung, Arbeit und Mitwirkung bei psychischer Erkrankung (Barbara Herffurth) ............................ 2/04 192 Haveman, Meindert; Stöppler, Reinhilde: Altern mit geistiger Behinderung. Grundlagen und Perspektiven für Begleitung, Bildung und Rehabilitation (Klaus Kräling) .................................................. 4/04 391–392 Hogenboom, Marga: Menschen mit geistiger Behinderung besser verstehen (Klaus Sarimski) ............................................................ 3/04 292–293 Irblich, Dieter; Stahl, Burkhard: Menschen mit geistiger Behinderung. Psychologische Grundlagen, Konzepte und Tätigkeitsfelder (Ernst Wüllenweber) ................................................................................ 1/04 Kleine Schaars, Willem: Durch Gleichberechtigung zur Selbstbestimmung. Menschen mit geistiger Behinderung im Alltag unterstützen (Rudi Sack) ...................................................................... 2/04 190–191 Leonhardt, Anette (Hg.): Wie perfekt muss der Mensch sein? Behinderung, molekulare Medizin und Ethik (Gerhard Neuhäuser) . 4/04 387–388 Mehring, Doris: Wieder so ein Tag (Marlis Pörtner) ........................ 2/04 189–190 Neuhäuser, Gerhard; Steinhausen, Hans-Christian: Geistige Behinderung. Grundlagen, klinische Syndrome und Rehabilitation (Dieter Irblich) ................................................................................ 3/04 293–294 Pörtner, Marlis: Brücken bauen. Menschen mit geistiger Behinderung verstehen und begleiten (Saskia Schuppener) ................... 1/04 Reeg, Andreas: Menschen mit Down-Syndrom (Etta Wilken) ......... 2/04 187–188 Schurad, Heinz u. a.: Curriculum Lesen und Schreiben für den Unterricht an Schulen für Geistig- und Körperbehinderte (Carin de Vries) ............................................................................................ 4/04 388–389 Schurad, Heinz: Schule – Sonderschule/Förderschule – Schule für Geistigbehinderte: Leistungsangebot Qualitätssicherung. Ein Handbuch. (Carin de Vries) .................................................................... 4/04 389–390 Schurad, Heinz u. a.: Curriculum Sachunterricht für die Schule für Geistigbehinderte (Carin de Vries) ................................................. 4/04 390–391 Wilken, Udo; Jeltsch-Schudel, Barbara: Eltern behinderter Kinder – Empowerment – Kooperation – Beratung (Grit Wachtel) .............. 3/04 295–297 94–96 92–94 Syndrome Heft/Jahr Seite Neuhäuser, Gerhard: Das Landau-Kleffner-Syndrom ....................... 1/04 81–84 Neuhäuser, Gerhard: Das Menkes-Syndrom .................................. 2/04 180–183 Neuhäuser, Gerhard: Das Wiedemann-Rautenstrauch-Syndrom .... 3/04 284–286 Neuhäuser, Gerhard: Embryopathie-Syndrome .............................. 4/04 378–382 Außerdem finden Sie die Rubriken Aktuelle Mitteilungen Veranstaltungen Bibliografie Europa Liebe Leserin, lieber Leser, der Lebenshilfe-Verlag, der Verlag der Bundesvereinigung Lebenshilfe für Menschen mit geistiger Behinderung e.V., gibt neben der Fachzeitschrift Geistige Behinderung auch Bücher, Broschüren und Produkte in elektronischer Form rund um das Thema »geistige Behinderung« heraus. Ob Studierende, Lehrende, Mitarbeiter(innen) in Einrichtungen, Eltern oder Menschen mit geistiger Behinderung selbst, für jede(n) ist etwas im Angebot. Unser aktuell lieferbares Programm finden Sie in unserem gerade aktuell erschienenen Verlagsverzeichnis 2005, das wir Ihnen auf Anfrage gern zuschicken sowie – neben vielen weiteren interessanten Informationen und Angeboten der Lebenshilfe – im Internet unter www.lebenshilfe.de. Ferner haben wir 2004 damit begonnen, geeignete bzw. vergriffene Publikationen sowie weitere (Beratungs-)Materialien als kostenpflichtigen download zur Verfügung zu stellen, einen Überblick finden Sie im Internet unter http://www.lebenshilfe.de/content/sections/kd_index.cfm. Besonders empfehlen möchten wir Ihnen unsere Sonderangebote von 2,– bis 12,– Euro, übersichtlich zusammengestellt im Verlagsprogramm sowie im Internet auf der Seite http://www.lebenshilfe.de/content/verlagprogramm.cfm?kind=6&action=show Ihre Bestellung richten Sie bitte an: Bundesvereinigung Lebenshilfe für Menschen mit geistiger Behinderung e.V. Vertrieb, Raiffeisenstr. 18, 35043 Marburg Tel.: (0 64 21) 4 91-1 16, Fax: (0 64 21) 4 91- 6 16 vertrieb@lebenshilfe.de IMPRESSUM Fachzeitschrift Geistige Behinderung Raiffeisenstr. 18, 35043 Marburg, Tel.: 0 64 21/4 91-0, Fax: 0 64 21/4 91-6 49 Internet: http://www.lebenshilfe.de Mail: zgb-redaktion@lebenshilfe.de Herausgeber Bundesvereinigung Lebenshilfe für Menschen mit geistiger Behinderung e.V. Bundesgeschäftsführer: Dr. Bernhard Conrads Verlag Lebenshilfe-Verlag Marburg Verlagsleiter: Hans-Volker Wagner Redaktion Dr. Theo Frühauf (Chefredakteur), Regina Humbert (geschäftsführende Redakteurin, Lektorat), Hans-Volker Wagner Redaktionssekretariat: Ulrike Pigors, Tel.: 0 64 21/ 4 91-1 49 (vormittags), Mail: ulrike.pigors@lebenshilfe.de Redaktionsbeirat Prof. Dr. Gerd Grampp (Arbeitspädagogik), Jena – Prof. Dr. Heinz Krebs (Sozialmedizin, Psychiatrie), Bonn – Prof. Dr. Heinz Mühl (Pädagogik der geistig Behinderten), Oldenburg – Prof. Dr. Gerhard Neuhäuser (Neuropädiatrie), Gießen – Prof. Dr. Hellgard Rauh (Entwicklungspsychologie), Potsdam – Prof. Dr. Monika Seifert (Geistigbehindertenpädagogik), Berlin – Prof. Dr. Peter Trenk-Hinterberger (Arbeits- und Sozialrecht), Bamberg – Prof. Dr. Elisabeth Wacker (Soziologie), Dortmund Bezugsbedingungen Erscheinungsweise viermal im Jahr Jahresabonnement einschl. Zustellgebühr und gesetzlich vorgeschriebener MwSt. 26,– €, Probeabo für ein Jahr 23,– €, Einzelpreis 7,50 €. Ermäßigtes Abo 18,– € (für Studierende und im Gruppenabo von mindestens 10 Beziehern). Für Lebenshilfe-Einzelmitglieder: Probeabo 18,– €; Jahresabo 23,– €. Das Abonnement läuft um 1 Jahr weiter, wenn es nicht 6 Wochen vor Ablauf des berechneten Zeitraums gekündigt wird. Abo-Verwaltung: Hauke Strack, Tel.: 0 64 21/4 91-1 23, Mail: hauke.strack@lebenshilfe.de Anzeigen Es gilt die Anzeigenpreisliste Nr. 13, bitte anfordern. Anzeigenschluss: 1. März, 1. Juni, 1. Sept., 1. Dez. Druck Kempkes, Offset- + Buchdruck GmbH, 35075 Gladenbach Hinweise für Autorinnen und Autoren Manuskripte, Exposés und auch Themenangebote können bei der Redaktion der Fachzeitschrift „Geistige Behinderung“, Postfach 70 11 63, 35020 Marburg, eingereicht werden. Für genauere Absprachen können Sie uns auch anrufen: 0 64 21/4 91-1 54 oder -1 49. Für Umfang und Gestaltung eines Aufsatzes sowie für Literaturangaben orientieren Sie sich bitte an vorliegenden Heften. Entscheidungen über die Veröffentlichung in der Fachzeitschrift können nur am Manuskript getroffen werden. Ggf. ziehen wir zur Mitentscheidung auch Mitglieder des Redaktionsbeirats oder weiteren fachlichen Rat heran. Redaktionelle Änderungen werden mit den Autor(inn)en, die letztlich für ihren Beitrag verantwortlich zeichnen, abgesprochen. Beiträge, die mit dem Namen der Verfasserin bzw. des Verfassers gekennzeichnet sind, geben deren Meinung wieder. Die Lebenshilfe für Menschen mit geistiger Behinderung ist durch diese Beiträge in ihrer Stellungnahme nicht festgelegt. Für unverlangt eingesandte Manuskripte kann keine Haftung übernommen werden. Alle Rechte, auch das der Übersetzung, sind vorbehalten. Nachdruck erwünscht, Genehmigung der Redaktion muss aber eingeholt werden. Postvertriebsstück 8743, Gebühr bezahlt. 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