Atze Schröder im Interview • Nazis raus! 3, 2, 1... wirklich
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Atze Schröder im Interview • Nazis raus! 3, 2, 1... wirklich
~ 02 | 12 2,00 ssen.de w.strassenmagazin-drau ww | er uf rkä Ve n de r fü land | 0,80 Euro nster und das Münster Straßenmagazin für Mü ! s u a r is z a N • w ie v r e t Atze Schröder im In s? 3, 2, 1... wirklich mein Editorial Liebe Leserinnen und Leser, was ist eigentlich Freundschaft? Die Statistik sagt: Oft haben Männer weniger enge Freunde als Frauen. Männer öffnen sich nicht so leicht. Eine Frau funktioniert da einfacher. Freundschaften unter Frauen sind häufig offener und intimer. Männer unternehmen lieber etwas gemeinsam, Frauen begnügen sich auch gerne mal mit einem entspannten Quassel / Lästerabend. „Gute Freunde kann niemand trennen….“, sang seinerzeit schon Kaiser Franz. Eine echte Freundschaft ist kostbar wie ein Schatz. Freunde liegen einem am Herzen und man ist jederzeit bereit sich für sie einzusetzen. Eine Freundschaft ist stabil und zugleich zerbrechlich wie ein rohes Ei. Genauso wie das rohe Ei www.stadtwerke-muenster.de kann sie jedoch auch eine Menge aushalten. sich mit ihnen, wenn sie sich freuen. Gute Freunde sind ehrlich zueinander – immer, auch wenn es weh tut! Freundschaften sind bedingungslos offen, aber nicht verletzend. Sie können durch ihre Ehrlichkeit Wunden reißen, hinterlassen aber selten Narben. Neid und Missgunst kennen Freunde untereinander nicht. Freunde nehmen Rücksicht. Freunde brauchen Zeit. Freunde sind Freunde! In diesem Sinne pflegen und behüten Sie Ihre Freundschaften. STROM Für echte Freunde ist man da in der Not und hat jederzeit ein Sabrina Kipp Münster:natürlich offenes Ohr, wenn es ihnen nicht gut geht. Genauso freut man Redakteurin ~ e.V. Anzeige Öko? Logisch! www.stadtwerke-muenster.de Natürlich Ökostrom! Ihr Beitrag für Münsters Zukunft. Münster:natürlich Das Öko-Strompaket mit Heimvorteil 2 Anzeige Werden Sie ~ Pate! Verkäufer- Unser Patenspendenkonto: Kto 34205427 BLZ 40050150 Sparkasse Münsterland Ost Ihre Unterstützung ist Hilfe, die direkt ankommt. Jeder Euro wird sinnvoll und verantwortungsvoll genutzt, um Obdachlosen und schwer vermittelbaren Langzeitarbeitslosen neue Chancen zur Verbesserung ihrer Lebenssituation zu bieten. Helfen Sie mit, es gibt vielfältige Möglichkeiten: Kaufen und Weiterempfehlen der ~ ist die direkte Hilfe zur Selbsthilfe für die VerkäuferInnen (kleines Zubrot, Akzeptanz, Eröffnung neuer Perspektiven) und steigert die Auflage der Zeitung. Preis: 2,00 Euro. Seitensponsoring ist eine besondere Form, die Druckkosten einer Seite in der ~ direkt zu finanzieren. Preis: ab 50,- Euro. (Kto 33878, BLZ 40050150) Werbung in ~ unterstützt die laufenden Betriebskosten und zeigt außerdem Ihr gesellschaftliches Engagement und Ihre soziale Verantwortung. Preis ab 58,- Euro (incl. 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Tel.: 0251 / 4909118 redaktion@strassenmagazin-draussen.de Streetwork Sabrina Kipp s.kipp@strassenmagazin-draussen.de Internetseite www.strassenmagazin-draussen.de Administrator: Cyrus Tahbasian Mitarbeiter | Texte Bianka Boyke, Juliane Büker, Tom Dietzel, Dietmar Buff, Horst Gärtner, Michael Heß, Nico Hürkamp, Sabrina Kipp, Glenn Langhorst, Sigi Nasner, Annette Poethke, Dirk Richter, Manuel Schumann Mitarbeiter | Fotos ASB e.V., Bundesarchiv, Bildsignatur / Denzel, Jesco, Michael Heß, madamfoghana.de, RTL Spendenmarathon Titelfoto MTS GmbH - Atze Schröder Layout und Titelgestaltung Juliane Büker, Kevin Schuster j.bueker@strassenmagazin-draussen.de Gestaltungskonzept Lisa Schwarz/Christian Büning Druck Gutverlag Druck & Medien Auflage 9.000 Unterstützt durch Siverdes-Stiftung Bankverbindung Sparkasse Münsterland Ost Konto-Nr. 33 878 BLZ 400 501 50 Paten-Spenden-Konto Sparkasse Münsterland Ost Konto-Nr. 34205427 BLZ 400 501 50 Inhalt 2 Editorial Freundschaft 6 Atze Schröder im Interview Missbrauch von Kindern macht mich wütend 8 Bettina Landgrafe Weisse Nana - mein Leben für Afrika 9 Schokolade - ein leidfreier Genuss? Über 200.000 Kindersklaven schuften in Afrika 10 Neujahrsempfang 2012 Ein Thema: Ressourcen vor Ort verbinden 11 Halbseidenes am Fliegenfänger Die Debatte zum Bundespräsidenten sagt viel über die Beteiligten 12 Vorlesen als soziale Hilfe Die Westdeutsche Blindenhörbücherei (WBH) Münster stellt sich vor 14 Internetauktionen - nicht ohne Anwalt Wie sich Ärger bei Internetauktionen vermeiden lässt 16 Kein Arbeitsplatz ohne Rauch Warum Kneipen auf mehr Nichtraucherschutz gern verzichten 18 Zukunftsforscher Opaschowski Die Demokratie von morgen wird wieder auf beiden Beinen stehen 20 „Der Schoß ist fruchtbar noch...“ Braune Horden planen wieder eine Demo in Münster 22 Kurz und Knapp Jonas ist da! | Hilfe in eigener Sache 23 Dietmars Welt der Musik Rückschau aus der Jetztzeit Wir danken allen Spendern! Artikel, die namentlich gekennzeichnet sind, geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Bitte beachten Sie unsere Anzeigenkunden. 24 Lesen Peter Scholl-Latour: „Arabiens Stunde der Wahrheit“ 26 Rezepte Nicht jugendfrei! 27 Neues aus dem Familienrecht Auskunftsanspruch über die persönlichen Verhältnisse des Kindes 28 Columne: „~“ auf Cuba Gute Vorsätze # 29 Schlussakkord 5 Bericht | Text: Sabrina Kipp und Sigi Nasner | Foto: madamfo-ghana.de Atze Schröder im Interview Missbrauch von Kindern macht mich wütend Atze Schröder ist mit seinem neuen Bühnenprogramm „Schmerzfrei“ gleich zweimal in Münster zu sehen. ~ war bereits bei der Premiere in Hamm dabei und Atze fand kurz Zeit uns ein Interview zu geben. Der Oberprolet aus Essen Kray erstaunte uns mit seinem sozialen Engagement. Schon mehrfach war er bei Bettina Landgrafe in Ghana und man nimmt ihm ab, dass ihm die Anzeige C M Y CM MY Sache am Herzen liegt. Die Bilder von „Onkel Atze“ in einem Pulk schwarzer Kinder, sprechen wohl für sich. Und Atze Schröder wäre wohl nicht Atze Schröder, wenn er den Kindern nicht sein berühmtes „Ja nee, is klar“ beigebracht und somit einen bleibenden Eindruck hinterlassen hätte. Sabrina Kipp und Sigi Nasner unterhalten sich für ~ mit dem Typen mit der blauen Brille. habe das wohl von meinem Vater geerbt, der war auch so. ~: Aber Turner stimmt? ~: Auch in Afrika, bzw. Ghana? Atze: Ja, das stimmt. Atze: Nein, das ist vorwiegend in Deutschland. Unter anderem in Berlin, da gibt es die Stricherhilfe. Es gibt dort viele kleine Jungs, 12, 13, 14 Jahre alt, die auch auf der Straße leben und sich dann abends für eine Übernachtung von irgendwelchen Typen missbrauchen lassen. Da versuchen wir irgendwie gegen zu lenken. ~: Wann hast du gemerkt, dass man damit Geld verdienen kann? Atze: (lacht) Das muss ungefähr 1993/94 gewesen sein. Da stand ich auf der Bühne und habe eine Show moderiert. Das war bei einem Talentwettbewerb in Münster MS_Anz_draußen_42,7x126_sw_RZ.pdPage 1 31.08.2009 14:29:31 Uhr und das war tatsächlich wie so eine Er~: Du kennst unser Straßenmaga- leuchtung. Da habe ich gedacht, das ist es: auf der Bühne stehen und dummes zin? Zeug erzählen! Atze: Ja, das habe ich schon öfter mal ~: Du hast aber auch eine ganz gesehen. andere Seite. In Atze Schröder steckt auch ~: Als erstes interessiert uns, wie ein sozial engagierter Gutmensch. Magst aus einem Tanzlehrer und Turner ein du uns davon erzählen? Comedian wird? Atze: Im Moment mache ich viel für Atze: (lacht) Tanzlehrer stimmt nicht. Das Madamfo Ghana, das ist eine Hilfsorgasteht zwar überall, ist aber falsch! Ich war nisation der Krankenschwester Bettina mal bei der Fernsehsendung „Was bin Landgrafe aus Hagen. Außerdem maich?“, und da sollte die Jury raten, was che ich einiges für „Roter Keil“, das ist mein angestammter Beruf ist und da ich eine Organisation die maßgeblich von keinen habe, habe ich einfach Tanzlehrer Christian Metzelder und Sebastian Kehl , den beiden Fußballern von Borussia gesagt. Also das war gelogen… Dortmund gemacht wird. Da gibt es dann ~: Das müsste man dann bei Wiki- noch den stellvertretenden Generalvikar von Münster Jochen Reidegeld, der ist pedia mal ändern… dabei, ja und ich bin auch hin und wieAtze: Tja, einmal drin, immer drin. Das ist der dabei. Da engagiere ich mich gegen aber nicht so schlimm, ich finde es lustig. Kinderprostitution. CY CMY K ~: …und Soziologiestudent stimmt auch? Atze: Das auch, naja wobei – „anstudiert“ trifft es wohl besser… ~: Warst du schon in der Schule der Pausenclown? Atze: 6 Ja, das kann man so sagen. Ich ~: Wie ist dieser Kontakt zu Stande gekommen? Atze: Ich habe ja relativ häufig mit dem BVB (Borussia Dortmund) zu tun und so kam es dann zum Kontakt mit Metzelder und Kehl. ~: Wie lange machst du das schon? Atze: Beim Roten Keil engagiere ich schon seit ca. 5 Jahren. Ghana mache ich jetzt seit ungefähr zwei Jahren, seit ich bei „Wer wird Millionär“ 500.000.- Euro abgeräumt habe. Von der Kohle haben wir dann ein Kinderkrankenhaus in Ghana gebaut. ~: Bist du selber schon mal da gewesen? Atze: Jaja, selbstverständlich. Ich war jetzt schon dreimal in Ghana und habe mir dort verschiedene Projekte angeguckt. ~: Wie müssen wir uns das vorstellen? Ist das in einem Dorf oder ist das ein eigener Bezirk in dem ihr tätig seid? Atze: Das sind ganz verschiedene Gegenden, in denen wir das machen. Das Kinderkrankenhaus ist in der Nähe der Elfenbeinküste, dann in der Stadt Ho, das ist an der Grenze zu Togo, da bauen wir jetzt gerade ein Kinderheim für Kindersklaven am Voltasee und es ist auch schon ein Lepradorf entstanden. Dann gibt es noch ein Wasserprojekt, das ist in einer ganz anderen Region am Lake Bosomtwe in der Nähe von Kumasi, da bauen wir jetzt eine Wasserpipeline, damit die Kinder nicht an verunreinigtem Wasser sterben ~: Hattest du die Zustände dort vorher schon einmal gesehen? Atze: Nein, ich war vor eineinhalb Jahren zum ersten Mal da und in der Zwischenzeit bin ich zwei weitere Male drüben gewesen. ~: Was hat dich in Afrika am meisten beeindruckt? Atze: Das die Menschen trotz dieser Armut so extrem gut drauf sind und so viel lachen. Während die Leute hier dauernd jammern und dann unter Burnout leiden! ~: Was macht dich besonders wütend? Atze: Missbrauch von Kindern, egal wo auf der Welt, macht mich sehr wütend. ~: Vielen Dank für das Interview. Atze: Gerne doch! Hinweis: Für die Show von Atze am 08.02.2012 gibt es noch Karten! # Fanartikel zu gewinnen! Wie heißt die Hilfsorganisation in Ghana, für die sich Atze Schröder einsetzt? Senden Sie uns eine Postkarte mit der richtigen Lösung an: Straßenmagazin ~ Berliner Platz 8 48143 Münster Bei mehreren richtigen Einsendungen entscheidet das Los. Einsendeschluss ist der 29.02.2012. Viel Glück! Zu gewinnen gibt‘s: 1 Stofftier Atze 1 T-Shirt XL „Ja nee, is klar“ 1 T-Shirt M „Ja nee, is klar“ 1 DVD Programm „Revolution“ 1 DVD Programm „Mutterschutz“ 7 Bericht | Text: Sabrina Kipp Bettina Landgrafe Weisse Nana – Mein Leben für Afrika Bettina Landgrafe ist Kinderkrankenschwester. Als sie 2001 das erste Mal nach Ghana reist um in einem Buschkrankenhaus „ein bisschen zu helfen“, wird ihr schnell klar dass dieses „bisschen“ nicht reicht. Das vermeintliche Krankenhaus hat den Namen nicht verdient. Es fehlt an allem und die Kranken haben kaum Hoffnung auf Linderung. Auch rundherum hören Leid und Armut nicht auf. Schmutziges Wasser, Hungernde Kinder, unversorgte Schwangere, Kinderarbeit und Menschenhandel sind an der Tagesordnung. Die hygienischen Bedingungen verschlagen der damals 25 jährigen die Sprache. Trotzdem oder gerade deswegen fühlt sie sich vom ersten Augenblick von Land und Leuten magisch angezogen. Das Leid und die Armut der gastfreundlichen Menschen die ihr begegnet sind lässt sie nicht mehr los. Sie will helfen. Ihr erstes Ziel: ein Brunnen für das abgeschlagene Dorf Apewu. Zurück in Deutschland plündert sie ihr Sparbuch und beginnt bei Spendenkonto - Deutschland: Sparkasse Hagen | BLZ 45050001 | Kontonr.: 101900090 Weisse Nana - Mein Leben für Afrika Verlag: Knaur ISBN 9783426655092 Preis: 16,99 Euro Freunden und Verwandten um Spenden zu bitten. Tatsächlich bekommt sie das Geld für einen ersten Brunnen zusammen. Gemeinsam mit der Bevölkerung des Dorfes plant sie die Ausführung des gewaltigen Projektes. Denn für Bettina ist es ganz wichtig, dass die Anwohner mitentscheiden. Sie will nachhaltig Hilfe zur Selbsthilfe leisten. Ein Brunnen wird die hygienischen Verhältnisse im Dorf stark verbessern und einigen Krankheiten, die aus verseuchtem Flusswasser herrühren von vorne herein ausbremsen. Es werden nur die benötigten Materialien gestellt. Die Arbeiten sollen die Menschen unter Anleitung selbst erledigen, damit sie sich später selber für die Instandhaltung der Anlage verantwortlich fühlen. Das Dorf liegt am Rand eines Kratersees, dorthin führt keine Straße. Damit gehen die Probleme los. Wie sollen schwere Bohrfahrzeuge auf den unbefestigten Wegen zum ausgesuchten Brunnenplatz kommen? Bettina Landgrafe gibt nicht auf. Es gelingt ihr, mehrere Dörfer vom Vorzug des Brunnens zu überzeugen und gemeinsam bauen die Anwohner eine Straße. Nach mehreren Bohrversuchen sprudelt das Wasser und die Menschen sind außer sich vor Freude. Bettina wird von den Stammeshäuptern zur Nana Enimkorkor – zur Königin der Entwicklung gekürt. Damit ist ihre Verbindung zu Land und Leuten noch fester besiegelt. Von nun an lebt die junge Frau in zwei Welten. Einmal als weiße Nana in Ghana und einmal als Krankenschwester in Deutschland. In ihrem Heimatland beschränkt sich ihr Tun auf Spendenakquise und die Arbeit im Kinderkrankenhaus. in Westafrika baut sie Brunnen, Toilettenanlagen, eine Schule und ein Krankenhaus. Auch kümmert sie sich um Leprakranke. Sie gründet einen Verein und nennt ihn Madamfo Ghana e.V. Madamfo ist das ghanaische Wort für Freund und das möchten sie und ihre Helfer und Unterstützer sein: Freunde! Der königliche Stand öffnet ihr in Ghana viele Türen, die so wichtig sind bei ihrer Arbeit. Türen, die umso wichtiger sind als Bettina Landgrafe mit Kindersklaven am Voltasee konfrontiert Diese Seite wird von Siegfried Kurz gesponsort. 8 wird. Für umgerechnet 20.- Euro im Jahr verkaufen die notleidenden Eltern ihre Kinder an Fischer. Hier müssen kleine Kinder, zum Teil erst 5 Jahre alt, morgens um vier Uhr aufstehen und bis zu 14 Stunden schwere körperliche Arbeit leisten. Schläge und wenig essen sind an der Tagesordnung. Mit viel Geduld, unermüdlichem Einsatz, viel Wut im Bauch und der Hilfe des ghanaischen Staates, gelingt es Bettina Landgrafe die ersten Kinder zu befreien. Inzwischen sind 105 Kinder in Sicherheit gebracht. Nun liegt es wieder an der jungen Frau für diese Kinder ein Kinderheim zu bauen. Der Grundstein ist bereits gelegt. Doch auch hier kommt die Nachhaltigkeit in der Arbeit von Bettina zum Ausdruck. Statt den Fischern mit den Kindersklaven ihre Existenz zu nehmen, kümmert sie sich auch hier. Um die Arbeit der Fischer zu erleichtern, hat sie gemeinsam mit ihnen angefangen Fische zu züchten. Die erste „Ernte“ war erfolgreich und selbst erbitterte Gegner der Sache zählen heute zu den größten Unterstützern. Diese und andere Geschichten aus ihrem Leben in zwei Welten erzählt die 34 jährige in ihrem Buch Weiße Nana. Warum Bettina das alles auf sich nimmt? Die Antwort auf diese Frage beantwortet sie immer gleich: „Sie sollten nur mal in diese Augen sehen.“ # Bericht | Text: Dirk Richter | Foto: Sabrina Kipp Schokolade – ein leidfreier Genuss? Über 200.000 Kindersklaven schuften auf den Kakao-Plantagen Afrikas Wer liebt nicht Schokolade? Die zarteste Versuchung, quadratisch und praktisch oder auch Kinderschokolade? Doch so bitter es klingt: Schokolade bedeutet für viele Kinder ein erbärmliches Leben. Speziell in Afrika, wo ein Großteil der Kakaobohnen für die weltweite Schokoladenproduktion geerntet wird (allein 40 % in der Elfenbeinküste), ist der Handel mit Kindersklaven an der Tagesordnung. Umgerechnet zwischen 200 und 250 Euro zahlt ein Kakaobauer für einen Kindersklaven. Die meist zwischen 10 und 14 Jahre alten Jungen werden von Menschenhändlern entführt und in den Nachbarländern verkauft. Diese Kinder müssen dann von Morgens bis Abends auf den Plantagen arbeiten, bei brütender Hitze – sieben Tage in der Woche. Sie erhalten karges Essen und natürlich keinerlei Lohn. Häufig werden sie miserabel behandelt und geschlagen. Durch die körperlich schwere Arbeit sind sie nach einigen Jahren meist Invaliden. Mit Macheten ernten sie die Kakaobohnen, hierbei kommt es immer wieder zu Verletzungen. Auch Pestizide werden von ihnen verspritzt – ohne Schutzkleidung. Zum Pflücken der Bohnen müssen die Kinder auf Bäume klettern, immer wieder kommt es zu Verletzungen bei Stürzen. Durch das Tragen viel zu schwerer Körbe mit Kakaobohnen bekommen die Kinder Haltungsschäden. Häufig werden die Sklaven Nachts eingesperrt, damit sie nicht flüchten können. Schokolade – das Produkt für dass sie schuften, bekommen sie selbst natürlich nie zu sehen. Nach Schätzungen von Unicef schuften über 200.000 Kindersklaven auf den Kakao- Plantagen Afrikas. Zwar gibt es ein internationales Abkommen gegen Kinderarbeit, doch Kontrollen sind Fehlanzeige. Die wahren Nutznießer dieser Verbrechen sind weniger die Kakaobauern selbst, die die Kindersklaven einkaufen – die sind selbst meist bettelarm. Es sind die großen Konzerne, die sehr geringe Preise für die Kakaobohnen zahlen – Preise, die obendrein ständig stark schwanken und so immer wieder Kleinbauern in den Ruin treiben. Miki Mistrati, der die Reportage „Schmutzige Schokolade“für die ARD drehte, sagt: „Kinderarbeit und Kindersklaverei werden von der Schokoladenindustrie zumindest geduldet, denn diese unternimmt viel zu wenig dagegen.“ Ausserdem kaufen die großen Schokoladehersteller (Nestlé, Kraft, Mars und Ferrero) ihren Kakao weiterhin über Zwischenhändler auf dem Weltmarkt. Somit haben sie keinerlei Kontrolle darüber, von welchen Plantagen ihr Kakao stammt und unter welchen Bedingungen dort gearbeitet wird. Man muss also weiterhin davon ausgehen, dass diese Firmen auch „Sklaven-Kakao“ für ihre Produkte verwenden. Für Schokolade, die Fairtrade-zertifiziert ist, gilt dass auf den Plantagen weder Kinder noch Sklaven arbeiten. Zudem erhält der Bauer einen stabilen Preis über dem Weltmarktniveau für die Kakaobohnen. Fairtrade unterstützt soziale Projekte in der Gemeinde finanziell, so etwa den Bau von Schulen, Fortbildung für die Arbeiter oder die Gesundheitsversorgung. Die Arbeiter können sich in Gewerkschaften organisieren und es besteht eine Pflicht für Schutzkleidung. Zudem sind genmanipulierte Pflanzen verboten und ökologischer Landbau wird gefördert. Natürlich hat dies auch seinen Preis – Fairtrade Schokolade ist teurer als herkömmliche Schokolade – denn diese ist nur durch Ausbeutung so billig. Und es gibt auch zahlreiche vegane FairtradeSchokoladen – z.B. Bitterschokoladen oder mit Reismilch. So kann Schokolade das sein, was wir doch alle wollen: Leidfreier Genuss! Wer weiter mit gutem Gewissen leidfreie Schokolade und andere Kakaohaltige Produkte kaufen will, der sollte auf das Fairtrade-Siegel achten. Ein häufig verbreiteter Irrtum ist der, dass Bio gleich Fairtrade ist. Doch dem ist nicht so. Zwar kommt Bioschokolade meist aus Südamerika, wo die Anbaubedingungen häufig nicht ganz so erbärmlich wie in Afrika sind, doch das Bio-Siegel beinhaltet ökologische und keine soziale Auflagen. Wer auf Bio nicht verzichten will, hat damit aber kein Problem: Ein Großteil der Fairtrade-Schokoladen trägt auch das Bio-Siegel. Haltet doch einfach mal Ausschau nach Schokolade mit dem Fairtrade-Siegel in Weltläden, Biomärkten und mittlerweile auch in vielen Supermärkten und Discountern. Ein Album mit einer schönen Übersicht an Fairtrade-Schokolade gibt es auch bei facebook. Schokolade und andere FairtradeProdukte gibt es bei: www.transfair.org 9 Bericht | Text: Horst Gärtner Neujahrsempfang 2012 Ein Thema: Ressourcen vor Ort verbinden Das war ein Neujahrsempfang, wie man sich ihn wünscht: Kein langatmiges Krisengerede weder über Politik(er) noch über Währung, sondern ein konzentrierter Blick auf Münster, ein bisschen Vergangenheit und Gegenwart und immer wieder Zukunft; ein Neujahrsempfang, mit (selbst-)kritischen Akzenten, aber immer wieder mit einem Schuss Humor, so dass die mehreren Hundert Teilnehmer/innen im Stehkonvent des voll besetzten großen Sitzungssaals im Rathaus nach fast zwei Stunden mit einem Schmunzeln und einem guten Gefühl nach Hause gehen konnten. Alles stimmig; auch die musikalische Umrahmung mit dem Salonorchester, der westfälischen Schule für Musik unter der Leitung von Karl-Heinz Cieschek. Bereich prägend mitgestaltet hat, präzise die Gesamtentwicklung im Auge hatte. Das Thema seiner Rede: „Münster – Kulturhauptstadt Westfalens?“ wurde von ihm rundweg verneint und es gebe dafür gute Gründe trotz einer ganzen Reihe von Highlights, der Europaratsausstellung „Krieg und Frieden in Europa“, der Skulpturenausstellung, der Entwicklung neuer kultureller Zentren wie am Hafen, mit der Kunsthalle der Stadt und mit dem neuen architektonischen Kontext des Westfälischen Landesmuseums, das immerhin das Zentrale Haus der Westfälischen Kunst darstelle. Aber die Landesregierung habe sich lange auf die Förderung der Rheinschiene konzentriert und später (bis zum heutigen Tage) auf das Ruhrgebiet, das hat Münster zu spüren bekommen. Oberbürgermeister Markus Lewe begrüßte Prominenz aus Politik, Wirtschaft und Verwaltung, aber er nahm in seine warmherzige Begrüßung auch Menschen mit Behinderungen und die ehrenamtlich Tätigen mit hinein, so dass man schon das Gefühl einer großen Familie hatte. Als Symbol für einen Vorgang der seit Jahrzehnten die Stadt begleitet: Der fortschreitende Verlust der zentralen Funktionen der ehemaligen Provinzhauptstadt Münster, sprach Bußmann die ständig reduzierten Fernverbindungen vom Münsteraner Hauptbahnhof an (immerhin gab es 1969 noch täglich vier Expresszüge nach Paris, heute nicht mal einen Direktzug nach Berlin!) Kritisch ging er mit dem Landschaftsverband Westfalen-Lippe, ursprünglich gedacht als Garant der Identität Westfalens um, der sich eher zu einem Wohlfahrtsverband entwickelt habe. Als Festredner hat man Professor Dr. Klaus Bußmann, den früheren Direktor des Landesmuseums für Kunst und Kulturgeschichte gewinnen können, dem man schnell anmerkte, dass er über seine Heimatstadt sprach und dass er als Insider, der diese Stadt im kulturellen Anzeige ãWas mich interessiert sind nicht bewegliche Kšrper, sondern bewegliche Gehirne. Was mich interessiert ist die Wiederherstellung der menschlichen WŸrde in jeder einzelnen Form.Ò Dr. Moshe Feldenkrais Feldenkrais-Praxis Vera LŠmmerzahl Ludgeristra§e 114 10 Tel.: 0251-796707 Nach einem vorübergehenden Stillstand der Gesamtentwicklung Münsters nach dem Bau des Stadttheaters „eines der schönsten Beispiele der Architektur der 50-er Jahre in Deutschland“ wachte die Stadt in den 70-er Jahren aus ihrer Selbstzufriedenheit auf, besann sich auf ihre eigenen Kräfte. Es kamen die Skulpturenausstellungen, der Bau der Stadtbücherei, das Stadtmuseum und später das Stadtarchiv; diese Entwicklungen nannte Bußmann: „hier tat die Stadt aus eigener Kraft einen Sprung nach vorn.“ Und er sagte weiter: „Die Atmosphäre der Stadt hat sich gewandelt zum liberalen, offenen für die Gegenwart.“ Und auch die letzten Jahre seien von einem rasanten Aufschwung gekennzeichnet, der Erneuerung der Innenstadt als Zentrum des Handels mit den Einkaufszentren von Stubengasse und Sparkassenarkaden: „Die Stadt wird sich weiter entwickeln und ich wünsche ihr, dass Augenmaß, Sinn für das historisch Gewachsene und für höchste architektonische Ansprüche die Planung der Stadt bestimmen. Wenn die Stadt alle Ressourcen vor Ort verbindet, kann sie glänzend dastehen.“ Am Ende seiner Rede betonte Bußmann: „Ich weiß um die Brisanz meiner Worte, normalerweise spreche ich frei, heute habe ich abgelesen, um nicht in zu viele Fettnäpfchen zu treten.“ Er erhielt kräftigen Applaus. Und wer in die Runde schaute, der konnte feststellen, dass dieser kritische Rückblick, gewürzt immer wieder mit einem kleinen Lächeln, das auch zum Neujahrsempfang übersprang, sehr gut angekommen war und dass man mit nach Hause nahm: Münster ist auf einem guten Wege, aber wir müssen es anpacken. Es läuft nicht von selbst; und wie zur Bestätigung knallte zwischendurch gelegentlich ein Sektkorken, der den positiven Ausblick auf Gegenwart und Zukunft der „lebenswertesten Stadt der Welt“ eindrucksvoll unterstrich. # Bericht und Text: Michael Heß | Foto: Bundesarchiv, Bildsignatur / Denzel, Jesco Halbseidenes am Fliegenfänger Die Debatte zum Bundespräsidenten sagt viel über die Beteiligten Das Stück hat alles, was es braucht: einen prominenten Schurken, ein edles Amt, moralische Empörung und es kommt zur besten Sendezeit: Darf Christian Wulff Bundespräsident bleiben? Die Frage scheint simpel und doch ist die Sache tiefgründiger. Dass man dem Fall Wulff außerhalb von Politik und Medien auch andere Aspekte abgewinnen kann, zeigt ~-Redakteur Michael Heß. Soll er nun ausziehen aus Schloss Bellevue oder nicht? Die Fairness gebietet die Feststellung, dass sich Bundespräsident Christian Wulff rein rechtlich bisher nichts zu Schulden hat kommen lassen. Allein das zählt zunächst, aber so einfach liegen die Dinge dennoch nicht. Für einen Bundespräsi gelten andere, ungeschriebene Regeln als fürs Fußvolk. Moralische zum Beispiel. Was bei Wulff kritisch anzumerken bleibt, ist sein problematisches Verhältnis zu Transparenz und Wahrheit. Man braucht nicht offen zu lügen, um unwahr zu bleiben - der Bundespräsi macht es mit seiner Salamitaktik zwar schlecht beraten, aber dennoch aufs Beste vor. Kritisch anzumerken sind seine fehlende Selbstkritik und Einsicht in Fehler. Kritisch anzumerken ist schließlich sein patriarchalischer Umgang mit den Medien, die Journalisten zu Weisungsempfängern stempelt. Dass es Wulff schon als niedersächsischer Ministerpräsident mit den Politredaktionen seines Bundeslandes nicht anders hielt - geschenkt. Auch für einen Bundespräsi gilt: Zuerst kommt das Fressen, dann die Moral. Doch gemach! “Kann man wirklich so einfältig sein? Dann kann ich auch Präsident sein!”. So äußerte sich jüngst im Gespräch ein Lokalpolitiker und er bringt die Sache auf den Punkt: Der Hausherr im Schloss Bellevue hat offenbar ein schlichtes Gemüt und er lebt schon zu lange im Raumschiff Politik, fernab vom schnöden Alltag seines Volkes. Sich derart angreifbar zu machen mit einer Nachricht auf einer Mailbox gerade jener Zeitung jeder halbwegs bei Verstande befindliche Untertan hätte sich sowas verkniffen. Die Mailbox eines ansonsten nicht allzu gut beleumdeten Organs wird somit zum Fliegenfänger, vielleicht sogar zum Karriereende für den netten, stets tadellos gekleideten und gefönten Herrn Wulff. Als den Einbruch des Halbseidenen in die Politik bezeichnet die FAZ am 9. Januar die Posse treffend. Hier wird es wirklich interessant. Denn von einem am politischen Fliegenfänger klebenden Bundespräsi sind keine lästigen, weil eigenen, Gedanken mehr zu erwarten. Roman Herzog neigte dazu, Johannes Rau auch und selbst Wulffs Vorgänger Horst Köhler. Nicht dass Christian Wulff jemals als Querdenker galt. Nun aber ist er als potenzieller Störfaktor in Gänze ausgeschaltet und hat es endgültig zum ersten Grüßaugust der Republik geschafft. So lange er im Amt bleibt. Im Bundeskanzleramt reiben sie sich die Hände. Die anderen üblichen Verdächtigen auch. “Neuwahl” tönt es von dort oder “Causa Merkel” - man sieht die Absicht und ist verstimmt. Der Bundespräsi als Mittel zum Zweck, das eigene Süppchen zu kochen. Die Hände reiben werden sich auch etliche Medienvertreter. Auch sie sollten achtsam bleiben. Volkes Stimme tickt nämlich anders. Selbst wenn‘s Volk Wulff nach alledem peinlich findet, habe er dennoch eine zweite Chance verdient. Meinen 60 Prozent der Untertanen. Was sich hier äußert ist nichts anderes als das gesunde Misstrauen der kleinen Leute gegenüber der Medienmeute, der letztlich egal ist, wer oder was ihr zur Medienhatz vorgeworfen wird. Wer sich ansonsten und zu Recht gegen Vorratsdatenspeicherung und gläserne Bürger ausspricht, sollte sich dreistellige “Fragenkataloge” an Wulff per Facebook, Internet und Co. im Interesse der eigenen Glaubwürdigkeit verkneifen. Und gerade die Zeitung mit den vier großen Buchstaben taugt wenig als Wahrerin journalistischer Tugenden. Der Bundespräsi soll bleiben - tönt Vox Populi. Der Bundespräsi soll abtreten - tönen Medien und Politiker und schon dreht sich das Kandidatenkarussell munter. Die Namen der Nachfolger in spe je nach Parteibuch tun nichts zur Sache bis auf einen. Bis auf den Wulff 2010 unterlegenen rot-grünen Bundespräsikandidaten Joachim Gauck. Der Pfarrer aus Rostock, der sich im Herbst 1989 sehr schnell an die Spitze der dortigen Stasiaufklärer setzte und für den die Stasi zur auskömmlich dotierten Existenzgrundlage wurde. So illustriert der mögliche neue Bundespräsi auch etwas. Nämlich einen der geistreichsten Gedanken des Soziologen Niklas Luhmann: dagegen sein ist eine spezifische Form des Mitmachens. Ob Wulff bleibt oder Gauck kommt oder irgendein verdienter Parteisoldat, ist bei Redaktionsschluss nicht absehbar. Vorhersehbar ist: Egal, wer oder welche - wenn sich bürgerferne Politidole in manchen Medien über Pfründen streiten, gilt für Otto Normalbürger: nichts Neues unter der Sonne, die Sorgen bleiben. # 11 Bericht | Text: Tom Dietzel | Foto: ASB e.V. Vorlesen als soziale Hilfe Die Westdeutsche Blindenhörbücherei (WBH) Münster stellt sich vor. Seit mehr als einem halben Jahrhundert arbeitet die Westdeutsche Blindenhörbücherei e. V. (WBH) bereits in Münster, um sehbehinderte und blinde Mitmenschen mit Literatur, Sachbüchern und Zeitschriften in gesprochener Form zu versorgen. Tom Dietzel stellt die Arbeit für ~ vor. 1955 wurde dieser gemeinnützige Verein von Dr. Hans Thiekötter, dem damaligen Leiter der Stadtbücherei Münster, ins Leben gerufen, um die im Grundgesetz verankerte Verpflichtung nach Zugang zu Information auch für diejenigen zu ermöglichen, denen auf Grund von Sehbehinderungen normale Medien nicht zugänglich sind. Während der Anfangszeit wurden die ersten Blindenhörbücher in den Räumen der Stadtbücherei aufgenommen. Meistens entstanden die Produktionen zu dieser Zeit in der Nacht, damit sie nicht durch den Lärm der Straßenbahnen, die damals noch die Stadt ratterten, gestört wurden. Mittlerweile befindet sich die WBH seit 1990 in Münster-Mecklenbeck in einem eigenen Gebäude mit entsprechenden Aufnahmekabinen und einem riesigen Lager,mit mehr als 18.000 Titel. Von dort aus wird auch die ganze Logistik bewerkstelligt. Damit ist die WBH derzeit die größte der insgesamt sieben Hörbüchereien im deutschsprachigen Raum. Doch dieser Service ist unter den Betroffenen weitgehend unbekannt. Denn obwohl es im deutschsprachigen Raum geschätzt mehr als 500.000 sehbehinderte und etwa 150.000 registrierte blinde Menschen gibt (die tatsächliche Zahl liegt weitaus höher), wird dieses meist kostenlose Angebot nur von etwa 25.000 Menschen bei allen Blindenhörbüchereien Deutschlands in Anspruch genommen. In Münster werden zurzeit um die 9.000 Mitglieder betreut, die zum größten Teil aus NRW, aber auch aus dem Ausland wie Israel, Spanien oder Südamerika 12 kommen. Warum das Angebot nur von so wenigen Betroffenen in Anspruch genommen wird, hat mit der Tatsache zu tun, dass die Hörbüchereien keinen Etat für aufwändige Werbung, zum Beispiel im Radio, haben, aber auch damit, dass Informationen über die Arbeit kaum von Ärzten oder entsprechenden Stellen an die Betroffenen weitergegeben werden, obwohl diese eigentlich die ersten sind, die den Kontakt zu Betroffenen haben. Dabei ist das Ausleihen von Hörbüchern grundsätzlich kostenlos, nur einige Zeitschriften sowie die Hausbuchreihe der WBH kosten eine kleine Gebühr. Auch der Versand der Medien durch die Deutsche Post AG ist kostenlos. Jeder sehbehinderte oder blinde Mensch kann sich nach Vorlage eines entsprechenden Nachweises seiner Behinderung kostenfrei anmelden. Auch Menschen, denen es auf Grund einer Behinderung nicht möglich ist, ein Buch selbständig zu halten, können Mitglied werden. Das entsprechende, nur für diese Art von Hörbüchern entwickelte Abspielgerät müsste eventuell gekauft werden. Jedoch wird dieses meistens auch von den Krankenkassen übernommen, seitdem diese das Abspielgerät mit in ihren Heilmittelkatalog aufgenommen haben. Dieses besondere Abspielgerät mit dem Namen DAISY ist speziell von weltweit agierenden Blindenorganisationen entwickelt worden, um das Abspielen von Büchern so komfortabel zu machen wie die Lektüre eines gedruckten Buches. Mit diesem System ist es möglich 45 Stunden aufzunehmen und auch ein Hin-undher-Blättern wie in einem echten Buch ist kein Problem mehr. Diese technische Entwicklung war ein Quantensprung in der Aufnahmetechnik von Blindenhörbüchern. Während man früher mehrere Tonbänder oder Kassetten für ein normales Standardbuch (Die Blechtrommel von Günther Grass bestand aus 19 Kassetten á 90 min.) benötigte, kann dieses nun alles auf einer CD mit allen entsprechenden Kapiteln, Querverweisen und Fußnoten untergebracht werden. Das unterscheidet auch eine DAISY Aufnahme von der eines regulären Hörbuches. Derzeit werden alle bereits auf Tonband oder Kassette vorhandenen Aufnahmen auf das neue System überspielt. Die Auswahl der Bücher, die eingesprochen werden, richtet sich üblicherweise nach den aktuellen Bestsellerlisten. Da im deutschsprachigen Raum jährlich ca. 100.000 neue Bücher herausgegeben werden, aber alle Hörbüchereien nur max. 1.000 Werke pro Jahr einlesen können, wäre eine eigene Selektion sehr schwer. Mittlerweile kann eigentlich fast jedes Buch in ein Blindenhörbuch verwandelt werden. Das war früher deutlich schwieriger, da sich manche Verlage gegen eine Veröffentlichung in Form eines Hörbuches für Blinde, verweigert haben. Dieses ist aber nach der Novellierung der Urheberrechtsgesetze etwas einfacher geworden. Natürlich versucht man auch auf die Wünsche der Hörer einzugehen, so dass, wenn sich genug Interessenten für einen Titel finden, dieses Buch dann auch entsprechend vertont werden kann. Das Spektrum der vorhandenen Titel reicht von einfachen Krimis bis hin zu komplexen Sachbüchern. Eingesprochen werden die Titel von Schauspielern, Westdeutsche Blindenhörbücherei e.V. Harkortstraße 9 48163 Münster Telefon 0251 | 71 99 01 Fax 0251 | 71 28 46 http://www.wbh-online.de Sprecherziehern, Moderatoren und allen, die mit dem Werkzeug Sprache umzugehen wissen. Das Einsprechen eines Buches erfordert sehr viel Konzentration, Zeit, Ruhe und beinhaltet meist auch eine umfangreiche Recherche des zu lesenden Titels. Im Vergleich zu handelsüblichen Hörbüchern wird hier sehr viel Wert auf den Begriff „vorlesen“ gelegt. Es wird versucht so authentisch vorzulesen wie eine Mutter, die Ihrem Kind abends im Bett etwas vorliest. Viele der im Handel erhältlichen Hörbücher gehen mehr in die Richtung von Hörspielen, dieses soll hier möglichst vermieden werden, um dem Hörer selber Raum für Gedanken zu geben, so wie es auch bei jedem von uns ist, wenn man in die Geschichte eines Buches eintaucht. Leider ist es der WBH wegen der schwierigen finanziellen Situation nicht möglich große Honorare an Ihre Sprecher/innen zu zahlen, so das diese hauptsächliche wegen des sozialen Aspektes hier tätig sind. Die Finanzierung der Arbeit der WBH ist zu 50% von Spenden abhängig, die anderen 50% werden aus Fördermitteln bereitgestellt. Deswegen kämpft der Verein jedes Jahr auf ein Neues um sein Fortbestehen. Auch wenn die Geschäftsführung ehrenamtlich tätig ist, müssen das Gebäude, die technischen Einrichtungen und die 17 hauptamtlichen Mitarbeiter finanziert werden. Deswegen freut sich die WBH über jede Unterstützung, um den Erhalt zu gewährleisten. Hierbei sollte betont werden, dass Spenden ausschließlich in die Aufnahme von Büchern fließen. Also wirklich dort ankommen, wofür sie gedacht sind. Als Privatperson kann man sich auch an den angebotenen Buchpatenschaften beteiligen. Informationen darüber findet man auf der Homepage der WBH (siehe Infobox). Für Spenden oder Informationen wenden Sie sich bitte an die unten angegebene Adresse. Neben den finanziellen Hilfen ist das größte Anliegen der WBH, dass ihr Service bekannter wird und viel mehr Betroffene diesen auch wahrnehmen. Dazu wäre es wichtig, dass Ärzte, Angehörige und Ämter entsprechende Informationen an die Betroffenen weitergeben. Bei vielen der gerade genannten existiert immer noch der Irrglaube, dass die WBH mit kommerziellen Hintergrund arbeitet und Mitglieder zwecks Gewinnoptimierung geworben werden sollen. Aus diesem Grund werden dann Infos nicht an die Betroffenen weitergeleitet. Gerade für ältere, spät erblindete Menschen, die im hohen Alter nicht mehr in der Lage sind noch die Blindenschrift zu erlernen, würden die angebotenen Hörbücher eine deutliche Erhöhung der Lebensqualität bedeuten. ETTESHEIM Wir bedanken uns besonders bei Frau Marina Brinkmann von der WBH für die Zeit die Sie sich für uns genommen hat. # Anzeige www.nettesheim.de Wir haben alles, was sauber macht! und das größte Sortiment ökologisch zertifizierter Reinigungsprodukte im Münsterland. Der Fachmarkt mit individueller Beratung für Haushalt und Profi Mo.-Fr. 8:00-16:45 Uhr Gustav-Stresemann-Weg 48 Münster · Tel. 0251 / 686 13-0 13 Bericht | Text: Bianka Boyke Internetauktionen – nicht ohne Anwalt Wie sich Ärger bei Internetauktionen vermeiden lässt Große Auswahl, günstige Preise – das sind die Vorteile beim Kauf über eBay und Co. Doch wehe, es läuft was schief: Fehlender persönlicher Kontakt, schlechte Artikelbeschreibungen und dazu noch eine unübersichtliche Rechtslage können schnell Frust aufkommen lassen, sowie Zeit kosten und damit die Nerven strapazieren. So haben über 13 Jahre Internetauktionen sogar ein eigenes Rechtsgebiet entstehen lassen. Wir haben mit Rechtsanwalt René Boyke aus Dortmund gesprochen, um einen Blick in den Auktionsdschungel zu wagen. ~: Herr Boyke, wir haben uns beim letzten Mal über Abofallen im Internet unterhalten und die damit verbundenen finanziellen Gefahren. Doch auch woanders muss man im Internet auf seine Geldbörse aufpassen, z.B. bei Internetauktionen – etwa bei eBay. RA Boyke: Völlig richtig. Internetauktionen sind ein klassisches juristisches Minenfeld. Hier schätzen Käufer wie Verkäufer die Rechtslage sehr häufig falsch ein. ~: Ist die Rechtslage bei Internetauktionen tatsächlich so kompliziert? Eigentlich handelt es sich doch um einfache Geschäfte, die dort abgewickelt werden. RA Boyke: Tatsächlich handelt es sich zunächst nur um Kaufrecht, wie es das BGB schon seit über 112 Jahren kennt. Aber das ist nur die halbe Wahrheit. Denn Internetauktionen bringen sehr viele Besonderheiten im Detail mit sich, die sich zudem ständig ändern. Daher handelt es sich keineswegs um Standardkaufverträge. ~: Was sind denn die häufigsten Irrtümer und Fehler? RA Boyke: Das fängt bereits bei der Artikelbeschreibung an. Oft werden Mängel 14 vom Verkäufer nicht erwähnt oder stark geschönt – das wird teuer, wenn der Käufer sich später wehrt; etwa Reparaturen oder gar Schadensersatz verlangt. Auch die Gewährleistungsausschlüsse vieler privater Verkäufer sind sehr häufig unwirksam – mit der Folge, dass auch der kleine Mann dann volle zwei Jahre Gewährleistung geben muss. Das kann teuer werden. Auch glauben viele Käufer, sie könnten bei Mängeln sofort vom Vertrag zurücktreten – das ist grundsätzlich falsch. Selbst bei der Frage, ob erst geliefert oder erst gezahlt werden muss, glauben die meisten fälschlicherweise, dass erst gezahlt und erst dann geliefert werden müsse. Noch größer ist die Unsicherheit, wenn Ware gefälscht ist oder beim Versand verloren geht etc. etc. ~: Da gibt es ja eine Menge zu beachten. Wer muss denn beispielsweise zuerst leisten? Der Käufer oder der Verkäufer? RA Boyke: Grundsätzlich beide gleichzeitig, denn so steht es ausdrücklich im Gesetz. Das ist unproblematisch, wenn die Ware abgeholt werden soll, etwa bei Möbeln oder Fahrzeugen. Soll die Ware aber verschickt werden, dann müssen sich Verkäufer und Käufer einigen. Hier glauben viele Käufer, sie müssten immer zuerst zahlen. Das stimmt aber nur, wenn dies bereits aus der Artikelbeschreibung hervorgeht – was sehr oft nicht der Fall ist. ~: Und was ist, wenn sich die beiden nicht einigen können? RA Boyke: Dann sollten sie einen neutralen Dritten einschalten – einen Treuhänder. Der nimmt die Ware vom Verkäufer entgegen und gibt sie erst an den Käufer, wenn dieser den Kaufpreis gezahlt hat. Es gibt mehrere solcher Treuhanddienste, z.B. iloxx. Die Kosten sind auch überschaubar. ~: Sie sagten, häufigster Streitpunkt seien Mängel an der Ware. Was habe ich bei Mängeln als Verkäufer oder Käufer zu beachten? RA Boyke: Als Verkäufer haben Sie jeden bekannten Fehler bzw. jede Abweichung vom Erwartbaren an der Ware anzugeben. Versäumen Sie das, dann wird der Käufer wegen der nicht angegebenen Fehler Mängelansprüche geltend machen. ~: Und was sind Mängelansprüche? RA Boyke: Der Käufer kann grundsätzlich die Beseitigung des Mangels verlangen. Erst wenn die Nacherfüllung fehl schlägt, oder der Verkäufer die Nacherfüllung verweigert, dann kann der Käufer weitere Rechte geltend machen, etwa den Kaufpreis mindern oder Schadensersatz verlangen. ~: Möglicherweise will ich als Käufer die Ware aber gar nicht mehr haben, wenn Sie einen Fehler hat. Muss ich dann trotzdem zahlen? RA Boyke: Gundsätzlich müssen Sie auch dann zahlen. Der Kaufvertrag gilt ja weiter. Das Gesetz will, dass Verträge Bestand haben und die Parteien sich nicht so leicht von ihnen lösen können. Das soll das Vertrauen in den Bestand des Vertrags stärken. Ist die Ware mangelhaft, dann hat zunächst der Verkäufer grundsätzlich das Recht die Nacherfüllung zu erbringen. Erst wenn diese scheitert oder der Verkäufer die Nacherfüllung verweigert, dann können Sie zurücktreten, wenn der Mangel nicht erheblich ist oder sie nachvollziehbar das Interesse an der Ware verloren haben. Mit anderen Worten: Wegen Lappalien – selbst wenn Sie rechtlich Mängel darstellen – kann nicht zurückgetreten werden. Statt zurückzutreten kommt aber auch eine bloße Minderung in Betracht; Sie müssten dann weniger zahlen. Weiterhin kommen auch Schadensersatzansprüche in Betracht. ~: Wie kann ich mich als Verkäufer gegen solche Ansprüche des Käufers wehren? RA Boyke: Verkäufer, die keine Unternehmer sind, können Ansprüche des Käufers aufgrund von Mängeln ausschließen. Unternehmer können das nicht so einfach, gegenüber Verbrauchern sogar überhaupt nicht. Wenn Sie also selbst als Verbraucher etwas verkaufen – etwa ihr ausgedientes Mobiltelefon – dann können Sie die Mängelhaftung ausschließen. Wenn Sie das nicht tun, dann haften Sie insofern für volle zwei Jahre – auch als Privatmann. ~: Als Käufer kann ich also immer die Beseitigung des Mangels oder eine neue Sache verlangen? RA Boyke: Grundsätzlich schon. Es gibt aber – wie immer - mehrere Ausnahmen von dieser Regel. Beispielsweise kann keine Beseitigung des Mangels verlangt werden, wenn dies den Verkäufer unangemessen benachteiligen würde. Etwa, wenn Sie eine neue Uhr für 10 Euro kaufen und der Reparaturaufwand bei 50 Euro liegen würde. In einem solchen Fall bestünde etwa nur ein Recht auf Lieferung einer neuen Sache. Auch bei gebrauchten Sachen kann der Anspruch des Käufers auf Lieferung einer gleichwertigen Sache ausgeschlossen sein – einfach weil gebrauchte Sachen sehr individuell sind. Welche Ansprüche bestehen, kann von Fall zu Fall unterschiedlich sein. ~: Soweit die grundsätzliche Rechtslage. Aber wie setze ich meine Mängelansprüche ganz praktisch gegenüber dem Verkäufer durch? RA Boyke: Wenn klar ein Mangel vorliegt, dann sollten Sie den Verkäufer per Einschreiben mit Rückschein zur Nacherfüllung auffordern. Dann sollte konkret benannt werden, welche Art der Nacherfüllung verlangt wird, nämlich Beseitigung des Mangels oder Neulieferung. Überlassen Sie dem Verkäufer die Wahl, dann kann es sein, dass Ihr Wahlrecht allein dadurch verwirkt wird. Ob ein Anspruch auf Beseitigung oder Neulieferung besteht, sollte daher vorher klar sein; im Zweifel sollte ein Anwalt gefragt werden. Außerdem sollte eine Frist gesetzt werden. Schafft es der Verkäufer nicht, die Nacherfüllung ordnungsgemäß zu erbringen, dann sollte er nochmals aufgefordert werden. Scheitert der Verkäufer abermals, dann stehen dem Käufer in der Regel Minderungsansprüche zu. ~: Bei der Minderung kann ich als Käufer nach meinem Empfinden einfach etwas vom Kaufpreis abziehen? RA Boyke: Nein. „Einfach“ nicht. Die Minderung erfolgt nach genauen Vorgaben. Dafür reicht der Platz hier aber nicht aus. ~: Gibt es sonst noch einen Weg, sich vom Kaufvertrag zu lösen, außer zurückzutreten? RA Boyke: Natürlich. Gegenüber Unternehmern können Sie in den meisten Fällen Ihren Widerruf erklären. An wen der Widerruf zu richten ist, steht in der Widerrufsbelehrung des Verkäufers. Gegenüber Verbrauchern als Verkäufern kommt möglicherweise eine Anfechtung in Betracht. ~: Für den Widerruf gegenüber dem Unternehmer hat man 14 Tage Zeit, oder? RA Boyke: Kommt drauf an. Das Amtsgericht Dortmund war kürzlich der Auffassung, bei eBay gelte in einigen Fällen eine Widerrufsfrist von mindestens einem Monat. Dieses Urteil gilt zwar nicht für andere Fälle, aber ein anderes Gericht könnte sich der Meinung anschließen. Ich rate dazu, innerhalb von 14 Tagen zu widerrufen – das ist sicherer. Eine Anfechtung gegenüber einem Verbraucher müsste übrigens unverzüglich erklärt werden. RA Boyke: Wenn die Ware eigentlich Originalware sein sollte, dann kann der Vertrag rückabgewickelt werden. Praktisch kann es aber sein, dass der Verkäufer sich hartnäckig weigert oder gar nicht erst meldet. In diesen Fällen kann eine Anzeige Sinn ergeben, etwa um an weitere Daten zu kommen. Ein Anwalt kann für Sie dann Akteneinsicht beantragen und so den Gegner erfolgreich in Anspruch nehmen. ~: Ab welchem Kaufpreis lohnt es sich denn, überhaupt zum Anwalt zu gehen? RA Boyke: Der Kaufpreis spielt keine große Rolle, denn die Anwaltskosten muss oft ohnehin der Gegner tragen. Außerdem: Je geringer der Kaufpreis und damit der Streitwert, desto geringer die Anwaltsgebühren. Bei einem Streitwert von 299,00 Euro betragen die außergerichtlichen Anwaltskosten lediglich 53,55 Euro. Für Sie lohnt es also fast immer, für mich erst ab einen Streitwert jenseits von 900 Euro (lacht). ~: Und darf ich meinem Ärger Luft verschaffen, wenn eine entsprechend negative Bewertung bei eBay hinterlasse? RA Boyke: Vorsicht! Was Sie schreiben, sollte unbedingt sachlich sein und der Wahrheit entsprechen. Selbst wenn der Verkäufer Sie nachweislich betrogen hat, dann dürfen Sie ihn nicht beleidigen – das wäre sogar eine Straftat. Auch Unsachliches oder Übertiebenes kann teuer werden, denn der Gegner kann dann möglicherweise anwaltlich und gerichtlich die Beseitigung und Unterlassung solcher Bewertungen verlangen. Eine unbedachte Bewertung kann dann schnell mehrere hundert Euro kosten. ~: Vielen Dank für das Gespräch. ~: Was kann ich tun, wenn ich gefälschte Markenware erhalte? Soll ich den Verkäufer anzeigen? RA Boyke: Immer gerne. # 15 Bericht | Text und Foto: Michael Heß Kein Arbeitsplatz ohne Rauch Warum Kneipen auf mehr Nichtraucherschutz gerne verzichten würden Schlechte Zeiten für Freunde des Glimmstengels. Ab Herbst, sollen in NRW baierische Verhältnisse einziehen und der blaue Dunst aus der Gastronomie völlig verbannt werden. Die betroffenen Gastronomen sehen die Sache allerdings deutlich anders und wünschen sich mehr Augenmaß der Politik. Mit verständlichen Argumenten, befindet ~-Lokalredakteur Michael Heß, zeitlebens übrigens überzeugter Nichtraucher. Am 1. September soll es nach dem Willen der rot-grünen Landesregierung Ernst werden mit dem verschärften Nichtraucherschutz in der Gastronomie. Nichts geht dann mehr in den Räumen; auch die bisherigen Raucherclubs sollen verschwinden. Die DEHOGA, der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband als Interessenvertreter der Gastwirte hat eine deutliche Meinung. “Hier wird ohne Not ein Gesetz verschärft, das existenzbedrohend und arbeitsplatzvernichtend ist” spricht Lars Martin von der DEHOGA in Hagen Klartext. Böswillige könnten argumentieren, von der DEHOGA seien keine anderen Statements zu erwarten. Aber auch die Wirte selbst als absehbar Hauptbetroffene halten mit ihren Meinungen nicht hinterm Berg. “Die Kneipen werden alle leiden” steht für 16 Daggy Fridrich-Engelbert von Spooky’s in der Hammer Straße fest. “Tatsache ist: meine Gäste rauchen nun einmal” sagt Michael Ruhl vom Berliner Bären vis a vis Bahnhof. Die Liste ließe sich fast endlos fortsetzen. Kaum eine typische Eckkneipe, die ohne Qualm auskommt. Es wäre auch ein Widerspruch in sich doch dazu später mehr. Nein, die Kneipenwirte sind alles andere als begeistert vom drohenden Gesetz. Dabei hört man im Gespräch überraschenderweise immer wieder auch Verständnis für den Nichtraucherschutz. Rauchfreie Restaurants werden begrüßt. Ebenso öffentliche Räume ohne Qualm wie Behörden, Kitas, Schulen und so weiter. Es kann also keine Rede sein von Gastwirten samt Interessenvertretung DEHOGA, die wissentlich Schlechtes reden. Das eigentliche Problem liegt viel tiefer. Wenn es auch Politiker nicht einsehen wollen oder können: Alkohol und Tabak sind sehr alte Kulturgüter. Das mag man gut oder schlecht finden, es ändert nichts daran. “Bier, Geselligkeit und Rauch gehören dazu, weil es für viele kleine Leute ein Vergnügen ist” weiß Daggy vom Spooky’s aus jahrzehntelanger Berufserfahrung und: “Für viele Gäste ist die Kneipe ein zweites Zuhause.” Michael vom Berliner Bären drückt es etwas anders aus: “Jeder Wirt weiß seine Stammkunden sehr zu schätzen.” Der typische Kneipenwirt lebt von Bier, Kurzen und Rauch und er muß ein existenzielles Interesse daran haben, dass das so bleibt. Reich wird man dadurch in den seltensten Fällen. Auf Anfrage bestätigt die DEHOGA ein monatliches Reineinkommen vieler Wirte von 1.000 Euro und weniger. Kein Wunder, denn 50 bis 60 Wochenstunden im Schankraum plus der Zeit für die Bücher und den Schriftverkehr in Büro oder Wohnung drücken den Verdienst gewaltig. Die Arbeit auf der Zapfseite des Tresens ist eine schlecht bezahlte Knochenarbeit für Enthusiasten. Wer sich abends in einer Kneipe trifft weiß, was ihn erwartet. “Nichtraucher und Raucher kommen doch nicht in die Kneipe um sich zu zoffen” berichtet Daggy. Auch für Lars Winter steht fest: “Die Praxis zeigt, dass es keinen Handlungsbedarf gibt denn es gibt kaum Beschwerden von Gästen.” Für die Fachleute gibt es keinen Handlungsbedarf, für die Politik seltsamerweise schon. Viel bleibt dem Wirt am Bier wirklich nicht. Nach Daten der DEHOGA bleiben ihm beim 0,2-Liter-Bierchen für 1,20 EURO nur vier Cent. Auf den halben Liter hochgerechnet, wären es knapp zehn Cent. Der Rest geht drauf für den Einkauf, Investitionen, Lohn- und Betriebskosten, Pacht und Mehrwertsteuer. Der eine oder andere Wirt wird sein Gewerbe im eigenen Haus betreiben aber für die Masse gilt: Pacht ist das Maß der Dinge. Es bleiben also maximal zehn Cent für den Lebensunterhalt. Wollte ein Wirt ein Monatseinkommen von 1.000 Euro erzielen, müsste er dafür knapp achttausend Halbliter verkaufen. In der Praxis geht ein Großteil natürlich für Spirituosen, für nichtalkoholische und Heißgetränke über die Theke aber die Messlatte liegt gleichwohl hoch genug. Als wäre das nicht schlimm genug, müssen Gastronomen ihre Investitionen in Dekoration, Gläser und Sanitäranlagen ohne Bankdarlehen stemmen. Aus Sicht der Banken sind Kredite für Wirte seit Jahren ein absolutes No Go. Der Wirt hat entweder eine dicke Patte oder gute Freunde oder er muss auf Investitionen verzichten mit allen Folgen daraus. Als vor einigen Jahren die erste Stufe des Rauchverbots kam, gab es manche Ausnahmen von der Regel. In der Einsicht einer vielschichtigen Realität, in der sich Stampen und Sternerestaurants und alles dazwischen nicht miteinander vergleichen lassen. Ausgenommen vom Rauch waren unter anderem Kneipen mit einer Fläche von weniger als 75 Quadratmetern und ohne Speiseangebot. Erlaubt war auch die Einrichtung eigener Raucherbzw. Nichtraucherräume. Ein Weg, den viele Wirte notgedrungen beschritten und der künftig nichts mehr wert sein wird. “Das ist alles für die Katz” zieht Michael Ruhl für seine knapp vierstellige Investition in einen Nichtraucherraum Bilanz: “Der Raum wird kaum benutzt, die Leute wollen rauchen.” Hannes Westendorf vom Spooky’s beziffert seine Investitionen auf 10.000 Euro. Alles umsonst, alles vertan. Die Seele vieler Wirte kocht. Zu recht, denn die Befürworter des verschärften Nichtraucherschutzes haben keine allzu guten Argumente. Der Hinweis auf die rauchfreien englischen und irischen Pubs hinkt, da deren Zahl deutlich sank. Kein Wunder, dass die verbleibenden Pubs noch voll sind (der Pub ist noch mehr zweites Wohnzimmer als die deutsche Kneipe). Sofern man sich überhaupt dran hält wie jeder Besuch in ländlichen Gegenden der Insel zeigt. Selbst das 2010 erfolgte baierische Volksbegehren für ein umfassendes Rauchverbot taugt nicht zum Kronzeugen. Am 4. Juli 2010 votierten im weiß-blauen Freistaat 61 Prozent der Teilnehmer gegen das Rauchen, was bei knapp 38 Prozent Beteiligung nicht einmal 23 Prozent Befürworter ergibt (bezogen auf die Zahl der Stimmberechtigten). Die schweigende Mehrheit ist eine andere. Es mangelt den Befürwortern nicht an Argumenten. Deren Stichhaltigkeit ist eine andere Sache, wie der Hinweis auf die Feinstäube aus Tabakbrand zeigt. Die vielen sonstigen Quellen von Feinstäuben, beginnend bei Bremsabrieben aus Bahnen, Kfz und Flugzeugen über landwirtschaftlich bedingte Einträge, Hausbrand und das Wetter werden unterschlagen. Wer zum jüngsten Neujahrstag das Feuerwerk bestaunte dürfte sich soviel Feinstaub (nebst anderen Zutaten) eingezogen haben, dass es fürs halbe Jahr in der Kneipe reicht. Daneben wird der Schutz der Beschäftigten zuweilen angeführt. “In der Gastronomie sind 95 Prozent der Beschäftigten selber Raucher” schätzt Michael Ruhl. “Die wissen alle, was sie hier erwartet und sie haben keine Probleme damit” ergänzen Daggy und Hannes. Auch der Schutz von Kindern und Jugendlichen muss zuweilen herhalten aber: wer hat 12-jährige Kinder schon abends um 22 Uhr in der Kneipe gesehen? Wie immer, wenn alles über einen Leisten geschoren wird, erweist sich die Argumentation im konkreten Fall schnell als lächerlich. Existenzgefährdend bleibt sie dennoch. Folgen wird der verschärfte Nichtraucherschutz auch anderweitig haben. Die Jüdefelder Straße ist eine der beliebtesten innerstädtischen Amüsiermeilen. Mittendrin die legendäre Gorilla-Bar, deren Inhaber Bernd Redeker dezent darauf hinweist, dass das künftige Rauchen vor der Tür zu neuen Probleme führt. Die Konflikte um die sommerliche Außengastronomie zeigen seit Jahren ein enormes Streitpotenzial lange vor Mitternacht an. Viele Lokale haben aber bis weit nach Mitternacht geöffnet. Lösungen sehen anders aus. Indem man der Kneipenwirten die Entscheidung für oder gegen Rauch frei stellt. Die Gesellschaft wird das mit Sicherheit aushalten und die Anwohner dankbar sein. Die entscheidende Abstimmung erfolgt ohnehin durch die Füße der Gäste. Auch bessere Lüftungen der Kneipen sind für Daggy Fridrichs-Engelbert eine Möglichkeit dort, wo technisch realisierbar. Im Interesse der Wirte steht die Frage im Raum, ob man auch dieses (politische) Kind mit dem Bade ausschütten muss. Wie so viele zuvor. Rauchfreie Speiserestaurants werden von der ganzen Bevölkerung begrüßt, die Kneipenwirte inbegriffen. Auch denen schmeckt es rauchfrei besser. Aber schon bei Brauchtumsveranstaltungen sind kritische Fragen erlaubt. Geht die Welt tatsächlich unter, wenn in baierischen oder westfälischen Bierzelten gequalmt wird? Denn irgendwie gehört es stimmungsmäßig dazu so wie der Duft von Räucherstäben und Weihrauch in Kirchen. Ob der Weihrauch künftig auch verboten wird? Oder Wunderkerzen und Tischfeuerwerke? Vollends in Frage zu stellen sind Rauchverbote in Kneipen als Teil der Lebenswelt kleiner Leute. Den meisten Befürwortern eines totalen Rauchverbots dürfte diese Lebenswelt unbekannt sein. Kleiner Mann, was nun? Noch ist im Anhörungsverfahren Zeit zum Gegensteuern. Wenn aber Grüne, LINKE und SPD zum 1. September tatsächlich das totale Rauchverbot zu Lasten der Kneipen und Festzelte samt Besuchern in Kraft setzen ist ihnen zu sagen: dies eine vormundschaftliche Politik zu Lasten der kleinen Leute. Im Glauben, so etwas wie eine Volksgesundheit mit gesetzlichen Mitteln erzwingen zu können. Während die großen Themen der Gesundheitsfürsorge weiterhin ungelöst bleiben. Es ist eine Politik, die absehbar zu absurden Ergebnissen führt, für die sich dieselben Politiker ebenso absehbar nicht verantwortlich fühlen werden. Bernd Redeker von der Gorilla-Bar: “Wir sind gezwungen, die Leute auf die Straße zu treiben. Wir wollen die Leute doch in die Kneipe bekommen und nicht raus.” # Diese Seite wird von Jörg Adler gesponsort. 17 Bericht | Text: Manuel Schumann | Foto: Privat Zukunftsforscher Opaschowski „Die Demokratie von morgen wird wieder auf beiden Beinen stehen“ Wenn Politik zum Risikofaktor wird: Zukunftsforscher Professor Horst W. Opaschowski fordert in seinem neuen Buch „Der Deutschland-Plan“ eine politische Kehrtwende. „Wenn nichts passiert, drohen immense Wohlstandsverluste und soziale Unruhen“, sagt Opaschowski im Gespräch mit Manuel Schumann. ~: Herr Opaschowski, Sie malen ein düsteres Zukunftsbild: Sollte sich der Politikstil in Deutschland nicht grundlegend ändern, werden bald Protestgruppen und Bürgerbewegungen das Parteiensystem sprengen. Weshalb zweifeln Sie an unserem politischen System? Opaschowski: Die Bürger wollen von den Politikern wissen, wohin die Reise geht und in welche Richtung sich die Gesellschaft entwickelt. Doch derlei Fragen bleiben weitgehend unbeantwortet. Die Politiker sind fast nur damit beschäftigt, zu reagieren - plakativ gesagt: Politik auf Zuruf zu betreiben. Bisher sind sie damit relativ gut über die Runden gekommen. Doch das ist bald Vergangenheit. Die Menschen wollen keine Politik für den Augenblick mehr, sondern wünschen sich langfristige Ziele und Perspektiven. ~: Rettungsschirme, Euro-Rettungsprogramme . - da bleibt offensichtlich kaum Zeit für Visionen... Opaschowski: … die Erklärung ist doch einfach: Die Politiker fühlen sich mittlerweile selbst als Getriebene. In Krisenzeiten machen sie Politik - nicht für die kommenden drei Monate oder Jahre, sondern für die nächsten drei Tage. Und das fördert die Politikverdrossenheit. Die Menschen sind wütend, sie lechzen fast nach Heilsbringern, die es derzeit aber nicht gibt. Das erklärt vielleicht auch die emotionale Faszination, die seinerzeit von Herrn zu Guttenberg ausging. ~: Sie schreiben in Ihrem Buch, 90% der Bundesbürger sagen: „Politiker sind nicht mehr ehrlich und halten Ihre Wahlversprechen meistens nicht“. Sie vermissen verlässliche Antworten. Opaschowski: So ist es. Schauen Sie sich beispielsweise die CDU an: Sie beschließt plötzlich Dinge, die noch vor Jahren undenkbar gewesen wären - vom Atomausstieg bis zur Lohnuntergrenze. Dinge, die nur schwer zu beschlossenen Parteiprogrammen passen. Der Wähler wundert sich, für ihn ist diese Politik kaum mehr nachvollziehbar. ~: Sie sagen ebenfalls, dass der Wähler zu Einschnitten bereit wäre, wenn dadurch langfristige Ziele erreicht werden könnten. Weshalb tut sich die politische Klasse dennoch so schwer mit Reformen? Opaschowski: Wenn ich Politiker an ihre Zukunftspflichten erinnere, kommen in der Regel zwei Argumente. Erstens: Wir werden von den Wählern abgestraft. Zweitens: Wir werden doch nicht unsere eigene Existenz aufs Spiel setzen. Das benannte „Abstrafen“ sehe ich inzwischen ganz anders: Nicht die Wähler strafen ab, sondern die Parteifreunde. Eigentlich muss man in diesen Tagen die Hände über dem Kopf 18 zusammenschlagen, wenn man sieht, wie „Parteifreunde“ miteinander umgehen. Ich nenne hier nur die Namen „Bosbach“ und „Pofalla“. Innerhalb der Parteien geht es im Interesse des Machterhalts nicht selten mit Hauen und Stechen zur Sache. Das Wohl des Ganzen und die Interessen der Bürger bleiben dabei auf der Strecke. ~: Spielen hier nicht auch die Medien eine wichtige Rolle? Opaschowski: Selbstverständlich. Solche Vorfälle hat es früher auch schon gegeben, doch sie haben nicht ein solches mediales Echo hervorgerufen. Das Medienangebot ist mittlerweile explodiert. Allein das Internet hat die Medienlandschaft stark verändert. Es eröffnet sicher neue Chancen, birgt jedoch auch große Gefahren. Jeder kann nun überall live dabei sein. Früher haben uns Krisen und Katastrophen kaum berührt, weil sie weit weg waren. Heute wissen wir doch ganz genau, was auf dem anderen Teil der Erde passiert. Ein Erdbeben in China war früher eine kleine Meldung wert. Heute dagegen bekommen wir die Bilder der Ereignisse direkt in unsere Wohnstube übertragen. Wir sind mittendrin und fühlen uns auch häufiger emotional angesprochen. ~: Das macht es für die Politiker nicht einfacher... Opaschowski: … richtig. Der Handlungsdruck ist riesig. Die Politiker müssen reagieren. Sie müssen sofort Problemanalysen liefern und Lösungen präsentieren. Aber auch die Medien stehen unter Druck. Sie müssen informieren und Hintergrundberichte liefern. Eine Herausforderung für Tageszeitungen: Hintergrundgeschichten drucken, weil die bloße Nachricht selbst schon jeder kennt. ~: Sie appellieren an die Politik, dem Bürger mehr Mitspracherechte einzuräumen. Opaschowski: Ein Umdenken ist feststellbar. Die Bürger sagen plötzlich: „ Ich will eine bessere Gesellschaft.“ Und der entscheidende Nachsatz lautet: „… auch mithelfen, eine bessere Gesellschaft zu schaffen.“ Das ist neu! Die Menschen wollen als Mitmacher mitmischen und das Feld nicht allein den politischen Machern überlassen. ~: Sie fordern daher mehr Bürgerentscheide. Sind Sie sicher, dass die Menschen tatsächlich häufiger über Themen abstimmen wollen? Viele Bürger gehen ja nicht mal mehr zur Wahl. Opaschowski: Wer nicht zur Wahl geht, muss nicht automatisch ein unpolitischer Mensch sein. Joschka Fischer ist das beste Beispiel. Er hat sich früher damit gebrüstet, Nichtwähler gewesen zu sein. Am Ende war er Außenminister. Nichtwähler und Wahlverweigerer sind nicht unpolitisch. Ich sage es ganz deutlich: Der Glaube der Bürger an „die da oben“, die es schon „irgendwie richten werden“, ist dahin. Denken Sie nur an die aktuellen Proteste gegen Großprojekte und Gigantomanien, deren finanzielle Folgen niemand absehen kann. In Hamburg ist es die Elbphilharmonie, in Stuttgart der neue Bahnhof, um nur zwei Beispiele zu nennen. ~: Die vermutlich meistzitierten Einzelfälle… Opaschowski: … mag sein. Es geht um die Unverhältnismäßigkeit der Mittel, vor allem, wenn die Kosten von Bauten explodieren. Politiker wirken überfordert; weil sie kaum mehr durchblicken. Apropos „Durchblicken“: Sind einige Themen nicht viel zu komplex, als dass der Bürger die möglichen Folgen seines „Ja“oder „Nein“-Kreuzes absehen könnte? Opaschowski: Da gibt es selbstverständlich Grenzen. Nicht jedes Problemthema eignet sich für Volksentscheide, sonst würde nach jedem Gewaltverbrechen die Todesstrafe eingeführt. Das Grundgesetz ist auch für neue Formen der Bürgerdemokratie verbindlich. ~: Fällt Ihnen ein Beispiel ein, wo Volksentscheide nicht angebracht sind? Opaschowski: Stellen Sie sich einmal vor: Die Übermacht der Rentner würde in Zukunft permanent Rentenerhöhungen beschließen – auf Kosten der nächsten Generation. Das wäre Lobbyismus pur. Da würde das plebiszitäre Element versagen. ~: Sehen Sie nicht die Gefahr, dass aus einer Laune heraus abgestimmt würde? Gruppe, die bis dahin keine politische Heimat mehr hatte. Überzeugend und entscheidend für sie war, dass die Piraten es „anders“ machen wollen als die etablierten Parteien. ~: Haben es die Parteien übertrieben? Opaschowski: Aus einer aktuellen Stimmung heraus schwerwiegende Entscheidungen zu fällen, wäre fatal. Das ist auch meine Sorge; dass in Zukunft immer öfter aus Stimmungen Stimmen werden. Wir brauchen keine „Stimmungsdemokratie“. Andererseits wird es immer Gruppen geben, die Volksbefragungen ausnutzen – populistisch oder manipulativ. Dennoch meine ich: Eine Demokratie muss das aushalten können. Opaschowski: So ist es. Die Parteien haben sich viel zu sicher und zu mächtig gefühlt. Auch hier verweise ich nur auf das Grundgesetz: Die Parteien sollen bei der „Willensbildung“ des Volkes lediglich „mitwirken“. Die Parteien sind doch nicht die Willensbildung selbst. Was jetzt passiert, ist eine Normalisierung und keine Revolutionierung. ~: Sie nennen das künftige politische System „Bürgerdemokratie“ – worin unterscheidet es sich vom bisherigen? Opaschowski: Nehmen Sie das Stichwort „Schuldenbremse“: Es kann doch nicht sein, dass in Zeiten wie heute, in denen Bund und Länder mehr Steuern einnehmen als sie je errechnet und prognostiziert hatten, dass sie nicht einen Cent davon für die Rückzahlung der Schulden verwenden. Sondern im Gegenteil: weitere Schulden machen. Opaschowski: Die parlamentarische Demokratie soll nicht abgeschafft, sondern erweitert werden. Die parlamentarische Demokratie stand bisher viel zu lange auf einem Bein. Die Demokratie von morgen wird wieder auf beiden Beinen stehen. Konkret: Die Bürgerdemokratie ergänzt und ersetzt nicht die Parteiendemokratie. Die Demokratie wird erneuert und gefestigt. Es reicht nicht mehr, wenn sich das Volk alle vier Jahre zu Wort meldet. Im Grundgesetz heißt es schließlich: „Alle Staatsgewalt geht vom Volk aus“. Und genau das wird jetzt wiederbelebt. ~: Eingangs des Gesprächs kritisierten Sie das kurzfristige Denken der Politiker - ihnen fehlen die Visionen, sagten Sie. Glauben Sie, der Bürger würde es anders machen? Schaute er nicht genauso vor einer Abstimmung auf seinen persönlichen Lebensbereich, seinen Alltag, und zwar: kurzfristig? Opaschowski: Auf den ersten Blick ja. Andererseits: Grundlegende Einstellungsänderungen künden sich seit jeher bei Minderheiten an. Schauen Sie sich doch nur die Berlin-Wahl an: Besonders viele ehemalige Nichtwähler haben ihr Kreuz bei den Piraten gemacht. Eine ~: Nennen Sie bitte ein Beispiel. ~: Sie gehen davon aus, dass die Schuldenbremse in wenigen Jahren rückgängig gemacht wird? Opaschowski: Das befürchte ich, wenn die nächste große Krise kommt. Bundesfinanzminister Schäuble hat für die kommenden Jahre weitere Schulden eingeplant. Er sagte unlängst: „Niemand darf die Frage nach der Zukunft stellen.“ Wer das dennoch tut, sei unseriös und trage nur zur Verunsicherung der Märkte bei. So geht es doch nicht! An die Verunsicherung der Menschen wird nicht gedacht, weil das Marktdenken dominiert. Was muss geschehen? Opaschowski: Die Erbengeneration von heute darf nicht länger zur Schuldengeneration von morgen gemacht werden. Der Wähler muss sich darauf verlassen können, dass die Schuldenbremse wirklich greift. Wir dürfen nicht vergessen: Die Schulden von heute sind die Steuern von morgen. # Horst W. Opaschowski • Der Deutschland-Plan • Was in Politik und Gesellschaft getan werden muss • Gütersloher Verlagshaus 2011 • 256 Seiten, 19,99 Euro 19 Bericht | Text und Foto: Michael Heß “Der Schoß ist fruchtbar noch...” Braune Horden planen wieder eine Demo in Münster Ihr aber lernet, wie man sieht statt stiert / Und handelt, statt zu reden noch und noch / So was hätt einmal fast die Welt regiert! / Die Völker wurden seiner Herr, jedoch / Daß keiner uns zu früh da triumphiert / Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch! Unverändert gültig ist leider Bert Brechts Hinweis, dem ~-Lokalredakteur Michael aus unschönem Anlass gezwungenermaßen nachgeht. Wissen Sie es noch? Vor ziemlich genau sechs Jahren gratulierten wir den Münsteranern zu einem echten Husarenstück. “Die ~ verbeugt sich vor dem Hansaviertel” schrieb Gerrit Hoekman damals in seiner lesenswerten Reportage vollkommen zu recht. Im Hansaviertel blieb der bisher letzte Versuch eines Naziaufmarschs in der Domstadt nach wenigen Metern stecken. Auf der Kreuzung Hansaring und Albersloher Weg stellten sich einige hundert Antifas den Ewiggestrigen entgegen. Unterstützt von Anwohnern der Bremer Straße, die ihre hoch gelegenen Wohnungsfenster sehr gut zu nutzen wussten. Unterstützt auch durch die Polizei, die keinen Grund zur Räumung der Kreuzung erkennen mochte. Am Ende zogen die Braunen unverrichteter Dinge wieder ab. Der Marsch durch Münster fand nicht statt. “Münster – jahrelang Antifahochburg und nahezu fest in linker Hand. Hier wollten wir mit dem Gesicht im Sturm stehen! Gestanden haben wir dann auch, allerdings anders als geplant”, machte wenig später ein braunes Hordenmitglied seiner Enttäuschung Luft. Angemeldet war die Demo durch Sascha Krolzig, bis heute führendes Mitglied in der “Kameradschaft Hamm” als einer der aktivsten “Kameradschaften” in NRW und seit 2009 Jurastudent in Bielefeld. Mit dabei war damals auch Axel Reitz als selbst ernannter “Gauleiter Rheinland” kurz vor einer knapp dreijährigen Haftantritt wegen 20 Volksverhetzung stehend: Reitz hatte sich antisemitisch hetzend gegen den Bau einer Synagoge gewandt. Nicht nur das Landgericht Bochum sah die Dinge gänzlich anders als Reitz; wenige Monate danach zeigten ihm Münsters Bürger im Hansaviertel nochmals die Rote Karte. “Tschöö, Axel!”, rief ihm Gerrit Hoekmann bereits im März 2006 spöttisch nach. Im April 2008 wegen guter Führung (altdeutsche Primärtugenden?) entlassen, wurde es seitdem vergleichsweise ruhig um den tiefbraunen Netzwerker und “Berufsdemonstranten” (Reitz über Reitz). Der Stachel muss tief gesessen haben, denn im Mai 2006 traten die Braunen in Hiltrup erneut an. Wieder stellten sich die Bürger quer und verhinderten einen ungestörten Durchmarsch. Zwei zu Null für Münster. Ob es an mangelnder Lernfähigkeit liegt oder nicht – nach sechs Jahren plant der braune Sumpf am 3. März den nächsten Demoversuch. Gerüchteweise wieder von Sascha Krolzig angemeldet. Mehr war Mitte Januar noch nicht zu erfahren; auch die Gespräche zwischen Anmeldern und Polizei zu den Details der geplanten Veranstaltung standen noch aus. Zum Marschieren ist der Sumpf jedoch fest entschlossen und gibt sich immerhin bei der Verkleidung nicht mehr offen rassistisch. Mit der Parole “Raus aus EU, NATO und UNO” knüpfen die Braunen gezielt dort an, worüber heute mancher, zumindest die NATO betreffend, ebenfalls nachdenkt. Wenn auch in anderem Kontext. Münster Bürgerschaft ist erneut aufgerufen, ein deutliches Zeichen zu setzen. Denn die Zeichen der Zeit sind bedenklich übers Maß und sie werfen mittlerweile höchst unerfreuliche Fragen auf, die 2006 noch außerhalb aller Vorstellung lagen. Fünf Jahre zuvor beantragte die damalige Bundesregierung unter Kanzler Gerhard Schröder im Januar 2001 beim Karlsruher Bundesverfassungsgericht, die Verfassungswidrigkeit der 1968 gegründeten Nationaldemokratischen Partei Deutschland, kurz NPD, festzustellen. Bekanntlich endete die Angelegenheit wie das Hornberger Schießen; im März 2003 stellte der Verfassungsgerichthof das Verfahren ein. Zu dürftig erschien drei der sieben Richter das vorgelegte Beweismaterial. Damit wurde die erforderliche Zweidrittelmehrheit im für Parteiverbote zuständigen zweiten Senat verfehlt. Vollends zur bösen Posse mit allen Folgen daraus wurde das Verfahren kurz darauf durch den faktisch bewiesenen Verdacht, dass V–Leute des Verfassungsschutzes speziell den NPD-Landesverband in NRW mit führten. Kein Wunder, dass sich Ewiggestrige vergleichsweise sicher fühlen und immer wieder die Provokation suchen. Im Juni 2004 erfolgt in Köln ein Nagelbombenanschlag gegen ein türkisches Geschäft mit 22 teils Schwerverletzten. Im Dezember 2008 fällt der Passauer Polizeichef Alois Mannichl beinahe einem Messerattentat zum Opfer, das indizienweise der rechten Szene zugeordnet wird. Der sächsische und noch mehr der thüringische Verfassungsschutz erweisen sich im Zusammenhang mit Naziaufmärschen in Jena, Leipzig und Dresden als bedenklich rechtslastig, wenn nicht noch schlimmer. Immerhin sind das Attentat gegen Mannbichl sowie die im Herbst 2011 aufgedeckten Verbindungen von NPD-Strukturen zu mörderischen Neonazis im Untergrund Anlass für die Innenministerkonferenz, ein NPD-Verbot erneut zu prüfen. Skepsis ist angesagt. Der vorläufige Tiefpunkt ist die Existenz jener Struktur, die seit ihrer Aufdeckung als “Zwickauer Zelle” durch die Medien geistert. Hat die weltoffene westsächsische Industriestadt, der Geburtsort von Robert Schumann, Max Pechstein, Gerd Fröbe und anderen, die Heimat des knuffigen Trabant, wirklich verdient, mit diesem braunen Dreck verbunden zu werden? Wie auch immer, zieht mitten in der Bundesrepublik eine Horde brauner Schwerstverbrecher für mehr als zehn Jahre mordend, brennend und raubend durchs Land und die zuständigen Organe wollen überfordert sein, die Blutspur bis zur Quelle zu verfolgen. In Zeiten von Rasterfahndung, Lauschangriffen, V-Leuten allerorten. Was, so muss man fragen, taugen dann Raster und Schleier und verwanzte Telefone überhaupt? Anders herum gefragt: Wenn Raster und Co. doch was taugen, warum erfolgte dann kein Zugriff? Die ermordeten Griechen und Türken, jene Polizistin in Heilbronn nicht zu vergessen und deren schwer verletzter Kollege, sind sie alle Kollateralschäden einer wie auch immer gearteten Staatsräson? Die Tote billigend in Kauf nimmt, so lange nur weit genug nach rechts ausgeholt wird? Während sie nach links bzw. dem, was sich als “links” versteht (Stichwort RAF) sofort auskeilt? “Mit der Stasi hätte es zumindest das nicht gegeben!”, hört man im Osten schon einmal und dem ist nichts hinzu zu fügen. Woran bemessen sich Rechtssicherheit und Demokratiefestigkeit einer Gesellschaft? An der Existenz oder Nichtexistenz nazistischer Mordbrenner mit Sicherheit auch. Man ahnt nach alledem: Es wird noch Unglaublicheres an Tageslicht kommen; dieser Sumpf ist noch viel tiefer als geahnt mit Metastasen bis in den Staatsapparat. Anders ist es nicht zu erklären. Nein, die beiden Mordbrenner samt ihren Helfershelfern sollen durch Nennung der Namen nicht gewürdigt werden. Nennen wir sie also Nazi B. und Nazi M.. Beide marschieren bereits in den frühen 90er Jahren in der SS nachempfundenen Uniformen durch den Jenaer Stadteil Winzerla, der ihren verquasten Hirnen als “national befreite Zone” gilt. Der eine hängt im April 1996 eine Puppe mit Judenstern über die Autobahn bei Jena, der andere besitzt im September 1996 die Chuzpe, im Amtsgericht Erfurt ein Transparent “Unsere Großväter waren keine Verbrecher” zu entrollen. Chuzpe? Passiert ist ihnen nichts. Wenige Monate später tauchen beide in den Untergrund ab, der möglicherweise längst nicht so untergrundig war, wie die jetzige Empörung bestimmter Staatsorgane Glauben machen will. Die Nummer Drei im Mörderclub könnte sicher was dazu sagen. Die Z. schweigt aber nicht nur, die Z. sieht sich als Opfer und führt Haftbeschwerde. Trotzdem, eine Frage muss erlaubt sein. Nicht um die Täter zu entschuldigen. Aber wie wird man so? Erst recht gilt die Frage dann, wenn man aus einem gutbürgerlichen Elternhaus stammt. Auch die braunen Mordbrenner waren einmal unschuldige Kinder. Was passierte ihren Seelen in der Jenaer Nachwendezeit und warum schritt niemand ein, als sie allmählich in ihren mörderischen Ideensumpf abdrifteten? Selbst in der Wolle gefärbte Neonazis gehen nicht so weit und belassen es fast immer bei Worten. Wenn sich die Gesellschaft nicht diesen Fragen stellt und die unangenehme Antworten aushält, sind Wiederholungen programmiert. Es ist auch kein Problem der nicht mehr so neuen Bundesländer; Lübeck, Mölln und Solingen liegen tief im Westen. Münster selbst ist ein ruhiges Pflaster. Die geschätzt etwa 20 Neonazis der Stadt verhalten sich mangels Erfolgsaussichten ruhig. Untätig sind sie deshalb nicht; die Plakate zur Münsteraner Demo hängen sich nicht von selber auf (nebenbei: bloßes Abhängen hat keine Rechtsfolgen und ist ein Akt ziviler Hygiene). Das Aufhängen der Plakate zeigt: Die Braunen gehen diesmal aufs Ganze. Eine Sichtweise, die im Polizeipräsidium geteilt wird. Bis Hamm und Dortmund ist es ohnehin nicht weit. Im Kreis Steinfurt ist die braune Szene ebenfalls gut organisiert. Und zu den letzten Wahlen traten auch in Münster Kandidaten für die NPD an. Entwarnung ist auch deshalb nicht zu geben, da die Grenzen zur lokalen Hooliganszene, zu Skins und Mitläufern und zu bestimmten Musikrichtungen fließend sind. Nur ein Beispiel: lautstarkes Sieg Heil!-Gegröle schallt im Umfeld eines Konzertes im Juni 2009 ungestört über den gut besuchten Hawerkamp. “Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch”, schreibt Bertolt Brecht 1941 im Epilog seines Arturo Ui. Sollten die Ewiggestrigen am 3. März tatsächlich durch die Stadt des Friedens und der Toleranz laufen wollen, sind Münsters Bürger zum kreativen Widerstand gefordert und zu deutlichen Meinungsäußerungen, das überfällige NPD-Verbot vorneweg. So, wie im Februar 2006. Lassen Sie uns den Spielstand der Partie Münster vs. braune Horden gemeinsam auf Drei zu Null erhöhen. Die ~ bedankt sich schon einmal. # Liebe Leser, verfolgen Sie bitte in den Lokalmedien die weitere Entwicklung und zeigen Sie wenn nötig deutlich Flagge. Danke! 21 Bericht | Text und Foto: Sabrina Kipp Kurz und Knapp Wenzel + Stoppl = Jonas Hilfe in eigener Sache! Jonas ist da! Was als Aprilscherz und Bauchgefühl angefangen hat, wiegt inzwischen vier Kilo. Fast pünktlich hat Storch Adebar am 02.12.11 seine wertvolle Fracht in die Arme von Stoppl und Wenzel gelegt. Eltern und Kind sind wohl auf und freuen sich jetzt über nächtliche Störungen und duftige Windeln. Die Augen von Mama, die Füße vom Papa oder doch eher von der Oma? Egal, für die Eltern ist es auf jeden Fall das süßeste Baby der Welt! Die junge Familie bedankt sich herzlich für die Unterstützung der ~ Leser. Diese Seite wird von Klaus Haferkamp gesponsort. 22 Unsere rumänische Mitarbeiterin Anita und ihre Familie haben endlich eine Wohnung in Münster/Kinderhaus gefunden. Die Grundausstattung ist vorhanden. Trotzdem fehlen noch dringend: Waschmaschine, großes Bett und Kleiderschrank. Außerdem hat Anita einen 8-jährigen Sohn, der sich über altersgerechtes Spielzeug und Kleidung freut. Wenn Sie Anita und ihrer Familie helfen können, melden Sie sich bitte in der Redaktion unter 0251 4909118. (Unser Betriebsfahrzeug ist zur Zeit nicht fahrtüchtig, es wäre klasse, wenn Sie die Sachen selber transportieren könnten). Bericht | Text und Bild: Dietmar Buff Dietmars Welt der Musik RÜCKSCHAU AUS DER JETZTZEIT Nachdem, nahezu willkürlich, eine bekannte Band der „‚68er“ (Deep Purple) einmal in Auszügen unter die Lupe genommen wurde, um an einem Beispiel etwas von dem Tiefsinn, der generell aufgebracht wurde in poetischer Hinwendung, in musikalischer Neuerung, anschaulich zu machen, hier noch eine Korrektur zum vorangegangenen Teil IV: Natürlich firmiert das Stück „Chasing Shadows“ unter eben diesem Namen; „Blind“ folgt auf der LP/CD als zweiter Song, - die Enthusiasten unter uns haben dieses natürlich sofort bemerkt! Übrigens, wer eine süße Rockballade mit Anleihen bei klassischer Musik genießen will: „Blind“ lohnt sich als Hörbeispiel und auch für Sprachinteressierte. Man hört dann schon genau zu! Wie entstanden eigentlich diese modernen Wege der Kommunikation? Im letzten Viertel des 19ten Jahrhunderts bis heute erfand man eine Reihe von Innovationen: HochgeschwindigkeitsPressen, Schreibmaschinen, Telegraphen, Telephone, Phonographen, Radio, TV, digitale Computer und erdumkreisende Satelliten. Der Wissenszuwachs über Elektrizität brachte eine wachsende Zahl von praktischen Anwendungen hervor. Wissenschaftler und Ingenieure untersuchten das Verhalten von Wechselstrom und elektromagnetischen Wellen, fanden Elektronen im Atom. Zitat aus Technology in America, A History of Individuals and Ideas. Ed. by Carroll W. Pursell, The MIT Press, 2nd edition 1990 (1981), p. 190: the exciting new technology of radio served as a major focus of activity. Among the many inventions that resulted was the creation of a new and unheralded communications device, the loudspeaker. die aufregende neue Technologie des Radios diente als ein Fokus von Tätigkeiten. Unter den vielen Erfindungen, die entsprangen, befand sich die Schöpfung eines neuen und ohne Unterstützung hervorgebrachten Apparates, des Lautsprechers. Mitte der 1960er Jahre konstruierte ein Radiomechaniker in London ebenfalls ein neues Gerät, indem er an ein herkömmliches Röhrenradio einen Bildschirm anbaute und dafür sorgte, dass Ton und Bild zusammen gesendet wurden. Zuerst als schwarz-weiß Signal auf dem Markt, wurde die Technik des TV Ende der ‚60er Jahre zum Farbbild fortentwickelt. Eine weitere Verbesserung und Mikroisierung der elektronischen Schaltkreise brachte schließlich den digitalen Mikrochip. Elektronische Schaltkreise wurden so subminiaturisiert, dass ehemals große Platinen bald mit bloßem Auge nicht mehr zu sehen waren, nur noch unter dem Elektronenmikroskop. Massenfertigung dieser winzigen Partikel und ihr Aufbringen in großer Zahl auf kleinste Bauteile schufen den Mikrochip, der bei kleinsten Maß viele elektronische Prozesse ausführen konnte. So weit zum technisch-physikalischen Hintergrund. Fünfundzwanzig Jahrhunderte war das Anschauen der Gesellschaft und der Welt, so findet sich in „The Auditory Culture Reader“ (Hg. Michael Bull & Les Back), Grundlage der Wissenssuche der Westlichen Welt. Begriffe wie ‚enlightenment‘ für ‚Aufklärung‘ und ‚illumination‘ für ‚Erleuchtung‘ bedeuten Verstehen als Sehen. In der Neuzeit aber sind Klang und Geräusche häufig das Eintauchen in Musik oder das Rattern des Presslufthammers. Jacques Attali wird zitiert, der schreibt, dass die Welt mitnichten zum Anschauen sei, nein, zum Hören. Es stehen sich jedoch diese beiden Pole gegenüber, die man einerseits als intime, arrangierbare und ästhetisierte Räume zum Bewohnen bezeichnet, andererseits als eine ungewollte, ohrenbetäubende Lärmkulisse, die die Toleranz des Individuums bis an ihre Grenzen beansprucht. Klang hat utopische und dystopische Seiten. „The Popular Music Studies Reader“ erwähnt die „International Association for the Study of Popular Music“, die im Internet schnell auf ihrer Webseite unter IASPM in der Suchmaschine aufgefunden werden kann. Dort sind reichlich Beiträge zum Thema zusammengetragen. Im Reader folgendes: There is a growing understanding of popular music‘s significance as a personal resource for individuals, with a range of individual characteristics such as identity, biography and personal memories being articulated with reference to particular songs or pieces of music. - Man versteht allmählich die Bedeutung der Popularmusik besser als eine persönliche Ressource für Individuen, mit einer Spannweite von individuellen Charakteristika, als da sind Identität, Biographie und persönliche Erinnerungen in Bezug auf bestimmte Songs oder Musikstücke. Richtig, wir neigen dazu, bestimmte, als schön empfundene, Musik irgendwie Personen und Situationen zuzuordnen. Das ist aber ein höchst subjektiver Vorgang, der meint, dass eine Person etwas hinein deutet, etwas von ihren eigenen Emotionen hinzufügt, das eine andere Person subjektiv anders deuten würde; das ist individuell so verschieden. Signifikant für moderne Popularmusik ist ihre Wirkung als ein Katalysator von Formen gesellschaftlicher Identität. Musikalische Klänge werden mit sozial eingeschriebener und verkörperter Bedeutung verbunden. # 23 Buchtipp | Text: Sigi Nasner Lesen Peter Scholl-Latour: „Arabiens Stunde der Wahrheit“ Peter Scholl-Latour wurde 1924 in Bochum geboren. Er promovierte an der Sorbonne in Paris in den Sciences Politiques. Sein Diplom machte er an der Libanesischen Universität in Beirut in Arabistik und Islamkunde. Seither 24 war er in vielfältigen Positionen als Berichterstatter und Publizist tätig. Er arbeitete als ARD- und ZDF-Studioleiter in Paris, als ARD-Korrespondent in Indochina und Afrika, im WDR-Fernsehen war er Programmdirektor. Außerdem war er Chefredakteur und Herausgeber des STERN und fungierte als Vorstandsmitglied von Gruner + Jahr. Peter Scholl-Latour erreicht höchste Einschaltquoten mit seinen TV-Sendungen und durch seine Bücher ist er zu einem der erfolgreichsten deutschen Sachbuchautoren avanciert. # Peter Scholl-Latour: Arabiens Stunde der Wahrheit - Propyläen Verlag, 380 Seiten, 24,99 Euro ISBN: 97835499073667 Im südlichen Europa ist nichts mehr wie es war und auch an vielen Orten in der arabischen Welt ist seit einiger Zeit die Hölle los. Ob in Marokko, Tunesien oder in Syrien, in Ägypten, Lybien oder Jemen– die Menschen haben überall genug von ihren durchtriebenen und korrupten Regierungen und brutalen Militärdiktaturen. Überall begehrt das Volk auf und versucht sich von seinen Fesseln zu befreien. Peter Scholl-Latour, seines Zeichens Nah-Ost und Islam-Kenner wie es keinen anderen gibt, berichtet hier über die mannigfaltige Geschichte besagter Länder, die er seit sechs Jahrzehnten immer wieder bereist hat. In seinem neuen vorliegenden Buch verbindet er auf altbewährte Weise seine landjährige Erfahrung als Berichterstatter des Weltgeschehens mit aktuellen Eindrücken seiner jüngsten Reisen in den Sudan, nach Ägypten, Algerien und den Nahen Osten. Peter Scholl-Latour ist ein überragender und gründlicher Kenner dieser Länder und Kulturen über die er schreibt, was seine Bücher bis zum heutigen Tage immer wieder auszeichnet. Schon vor über einem halben Jahrhundert hat er die arabische Welt immer wieder bereist und seither auch immer wieder über sie berichtet. Er vermag so mit außergewöhnlicher Scharfsinnigkeit das aktuelle Geschehen in seinem historischen und kulturellen Zusammenhang zu erklären. Außerdem beschwört er in sehr bewegenden Reportagen die geheimnisvolle Welt der Basare, Kasbahs und Oasen herauf, die er noch kennengelernt hat, wie sie ursprünglich einmal waren. Sein vorliegendes Buch ist ein exklusiver und kritischer Bericht und eine spannende politische und kulturelle Zeitreise. Rezepte | Text: Nico Hürkamp Rezepte - Nicht jugendfrei! Für alle, die Karneval lieber zu Hause feiern möchten und keine Lust auf die verkleideten Menschenmassen und herumfliegende Süßigkeiten haben, ein paar Vorschläge, um die hauseigene Party farbenfroh und außergewöhnlich zu gestalten. Die Gäste wird es freuen. Butter Rum Hot Sangrita ( 2 Gläser ) Zutaten • 100g Butter • 100g Zucker • 24cl Rum • 1/2 TL gemahlene Nelken • 1/2 TL Kardamon • 1 TL Zimtpulver • 6 Gläser oder Tassen Zutaten • 1 grüne Pfefferschote • 10g Ingwer • 500ml Sangrita • 2 EL Limettensaft • 1 TL Zucker • Salz, Pfeffer Zubereitung Die Butter in einer Schüssel mit dem Zucker, Salz, Nelken, Kardamon und dem Rum glattrühren. Die Masse in 6 Gläser oder Tassen verteilen und mit kochendem Wasser übergießen. Abschließend die Gläser mit dem Zimt bestreuen. Campari-Bier Zutaten • • • • • 0,33l Bier 4cl Campari 0,3l Mineralwasser 4 Eiswürfel 2 Gläser Zubereitung Die Eiswürfel auf die Gläser verteilen. In jedes Glas 2cl Campari füllen. Anschließend das Bier und das Mineralwasser auf die Gläser aufteilen. Wodkerola Zutaten • 16cl Wodka • 8cl Aperol • 4cl Zitronensaft • Eiswürfel • 4 Stücke Zitronenschale Zubereitung Wodka, Aperol und frisch gepressten Zitronensaft auf Eis im Shaker kalt rühren. Auf 4 Gläser mit Eiswürfeln verteilen und mit Zitronenschale garnieren. Den Pudding in kleine Schnapsbecher füllen und kalt stellen. Zum Servieren Zahnstocher reichen, um den Pudding vom Becherrand zu lösen und dann einfach wegschlürfen. Amaretto Creme Zutaten Zubereitung Pfefferschote längs halbieren, entkernen und fein würfeln. Frischen Ingwer schälen und fein reiben. Beides mit gekühltem Sangrita verrühren. Mit Limettensaft, Salz, Pfeffer und Zucker würzen. In Gläser füllen und sofort servieren. Hausgemachter Baileys Zutaten • • • • • • • 400 ml Schlagsahne 4 Eier 0,35 L Schnaps (Korn) 12 cl Rum 1 EL Nutella 1 TL Kaffeepulver, instant 250 g Puderzucker Zubereitung Das Eiweiß vom Eigelb trennen. Eigelb und Sahne schaumig schlagen. Korn, Rum, Nutella, löslichen Kaffee und Puderzucker zugeben und alles mit dem Mixstab in einer Schüssel verrühren. Wackelwodka • • • • • 3 Eier ( Eigelb ) 3 EL Zucker 250g Mascarpone 150g Keks ( Amarettini ) 3 EL Amaretto Zubereitung Das Eigelb vom Eiweiß trennen. Eigelb zu einer Creme schlagen und dabei den Zucker nach und nach zufügen. Die Creme so lange schlagen, bis der Zucker sich aufgelöst hat. Den Amaretto mit der Creme vermengen. Anschließend wird die Mascarpone mit der Creme vermischt. Nun werden ein paar Kekse auf dem Boden einer Schüssel gelegt und die Hälfte der Creme darüber verteilt. Wieder eine Schicht Kekse und dann die Creme. Abschließend mit den restlichen Keksen dekorieren. Die Creme ca. 30 Minuten ziehen lassen, nicht länger,da die Kekse sonst durchweichen. Die Menge ist ausreichend für etwa 4 Portionen. Für den Morgen danach empfiehlt die Redaktion: Zutaten • • • 1 Packung. Puddingpulver (Wackelpudding Waldmeister), ohne Kochen 1/2 Teil Wasser 1/2 Teil Wodka Zubereitung Den Wackelpudding nach Anweisung zubereiten. Nur die Hälfte der angegebenen Wassermenge verwenden, die andere Hälfte Wodka nehmen. Bitte nicht kochen, da sonst der Alkohol verdampft. Eskimo-Flip Zubereitung Ein sehr erfrischendes und kalorienarmes Getränk für Puristen, ist der Eskimo-Flip: Ein Glas mit Eiswürfeln wird mit Wasser aufgegossen. Langsam und nicht zu fest rühren. Und keinesfalls schütteln - das würde den Drink verwässern. # 25 Bericht | Text: Annette Poethke § Neues aus dem Familienrecht Auskunftsanspruch über die persönlichen Verhältnisse des Kindes Dass Kind und der Elternteil, bei dem es nicht lebt, jeweils einen Rechtsanspruch auf Kontakt miteinander haben ist hinlänglich bekannt. Darüber hinaus haben allerdings auch andere Bezugspersonen wie Großeltern und Geschwister und solche Bezugspersonen des Kindes, die längere Zeit für es Verantwortung tragen oder getragen haben, ein Recht auf Umgang mit dem Kind, wenn dieser Umgang dem Wohl des Kindes dient. Dies ist weniger bekannt. Allerdings werden sich immer mehr Großeltern ihrer entscheidenden Rolle als wichtige Kontakt- und Bezugspersonen für ihre Enkelkinder bewusst und nehmen ihre entsprechenden Rechte wahr. Begrüßens-wert insbesondere auch für das betroffene Kind ist selbstverständlich, wenn diese Rechte einvernehmlich mit den Kindeseltern geregelt werden können. Darüber hinaus steht einem Elternteil als Ergänzung oder als Ersatz des Elternrechtes auf Umgang ein Auskunftsanspruch zu (§ 1686 BGB). Für den Auskunftsanspruch über die persönlichen Verhältnisse des Kindes muss ein berechtigtes Interesse bestehen und es darf nicht dem Wohl des Kindes wider-sprechen. Ein berechtigtes Interesse auf die zu erteilende Auskunft über die persönlichen Verhältnisse des Kindes hat der Elternteil, wenn er sich nicht auf andere Weise entsprechend unterrichten kann. Beispielsweise ist dies der Fall, wenn das Kind noch zu jung ist, um den Elternteil zu unterrichten oder die Umgangskontakte wegen großer Entfernung nur selten stattfinden etwa bei Beschränkung der Umgangs-kontakte auf die Ferien oder bei berufsbedingtem längeren Aufenthalt des Umgangsberechtigten. Das berechtigte Interesse an der Auskunft kann auch dann gegeben sein, wenn das Kind jeden persönlichen und brieflichen Kontakt ablehnt. Das berechtigte Interesse an der Auskunft ist auch nicht gegeben, wenn dadurch der betreuende Elternteil ausspioniert werden soll. Neben dem berechtigten Interesse ist weitere Voraussetzung die Vereinbarung mit dem Kindeswohl. Je mehr sich das Auskunftsbegehren der Privat- und Intimsphäre des Kindes nähert, ist ihm umso weniger zu entsprechen. Gegen den Willen des fast volljährigen Kindes kann beispielsweise über Arztbesuche, gesellschaftliche oder politische Engagements, bzw. soziale Kontakte keine Auskunft vom sorgeberechtigten Elternteil verlangt werden. Andererseits steht das Interesse an der Eingliederung des Kindes in die Stieffamilie einer Auskunftserteilung grundsätzlich nicht entgegen. Eine Ausweitung des Auskunftsrechts wird diskutiert. So hat der europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) am 15.09.2011 entschieden, dass neben dem rechtlichen auch dem biologischen Vater bei einer am Einzelfall orientierten Prüfung des Kindeswohls ein Umgangsrecht und damit auch ein an dessen Stelle tretendes Auskunftsrecht zugestanden werden muss. vgl. BeckRS 2011, 81521 Mäxchen... ...6 Monate alt, hat in den ersten Lebenswochen wahrscheinlich einen Unfall gehabt. Infolge der schweren Verletzungen musste sein Schwanz amputiert werden. Jetzt ist alles verheilt und Mäxchen flitzt flink mit seinem Reh-Popo durch die Wohnung . Er misst seine Kräfte mit Arthur und spielt Verstecken. Neuem tritt er todesmutig in den Weg, beide beobachten gerne, was in der Badewanne nach der Dusche geschieht oder gehen ins Kino vor der Waschmaschine. Der kleine rote Kater bestimmt gerne selber, wann er sich dem Dosenöffner nähern möchte. Noch scheut er manchmal die Berührung, doch er kennt die wohltuende Wärme und das Kraulen, Streicheln und Bürsten schon. In neuen Heim sollte schon eine zweite Katze und ein abgenetzter Balkon vorhanden sein. Ansonsten würde er auch total gerne mit Arthur umziehen! Kontakt: Tel. 0251/8469757 oder www.katzenhilfe-muenster.de 26 Bericht | Text und Foto: Glenn Langhorst Columne: „~“ auf Cuba Gute Vorsätze Moin zusammen und herzlichen Glückwunsch zu der Idee, diesen Beitrag zu lesen. Ich habe gute Laune und das hat natürlich auch einen Grund! Nach drei Jahren habe ich gestern einen weiteren guten Vorsatz für 2012 in die Tat umgesetzt. Ich habe mich von meiner Stalkerin getrennt. Zugegeben, dass klingt lustig, ist es aber nicht. Wir mussten uns einfach trennen, denn wir wohnten viel zu weit auseinander. Ich auf der Erde, sie im „Phantasieland“. Um sie näher zu beschreiben, möchte ich an dieser Stelle nur kurz erwähnen, dass sie schon vier Mal durch das Casting von „Schwiegertochter gesucht“ gefallen ist. Ernsthaft: Meine Stalkerin ist nicht einfach nur doof, nein, an ihr prallt Logik ab wie an Dieter Bohlen musikalisches Talent. Die glaubt allen Ernstes, dass der Tank in ihrem Auto größer geworden ist, nur weil mittlerweile Sprit für mehr Geld reinpasst. Ernsthaft, seit ich meinen Magister habe, hält sie mich allen Ernstes für einen Zauberer. Es ist traurig, aber wahr: Geistig permanent überfordert ist so etwas wie ihr natürlicher Aggregatzustand. Ich will ja nicht lästern, aber die hat tatsächlich etwas geschafft, was vor ihr noch niemand auf diesem Planeten geschafft hat: Sie ist in der Waldorfschule sitzen geblieben. Wirklich! Die Gute hat die ganze achte Klasse hindurch Rechtschreibfehler gemacht, während sie ihren Namen getanzt hat. Wobei, wenn wir ehrlich sind, haben wir doch in der Schule alle schon mal Quatsch gemacht, oder? Ich für meinen Teil habe zum Beispiel immer noch seit der sechsten Klasse Hausverbot in der Schulbücherei. Ja, was soll ich sagen, ich habe damals kurzerhand alle Bibeln umsortiert. Das neue Testament stellte ich in das Regal für „Biografien und Reiseliteratur“, das alte Testament zu „Okkultes und Gruselgeschichten“. Ein bisschen Blödsinn darf natürlich immer mal sein. Auch von Euch hat bestimmt der eine oder andere schon mal eine überfahrene Katze von der Straße gekratzt und ist damit dann zu McDonalds gefahren, um sie mit den Worten „So, das ist die letzte für heute, ich mache jetzt Feierabend!“ auf den Verkaufstresen zu knallen. So was kann man ja mal machen, aber meine Stalkerin überspannt den Bogen irgendwie immer. Ein gutes Beispiel: Ich hatte letztens ganz früh morgens einen wichtigen Termin und was machte sie? Sie fuhr nachts um 3 Uhr mit einem rostigen und quietschenden Kleinkinderdreirad vor meinem Schlafzimmerfenster im Kreis und grölte den Bratmaxesong. Und als ich dann das Fenster aufgemacht und gefragt habe, was das Ganze soll, setzte die sich das Dreirad nur auf den Kopf, rannte weg und schrie: „Was denn? Ich spiele doch nur Transformers!“ Keine Ahnung, was sie so dumm macht, aber es funktioniert hervorragend! Die Wahnsinnige hat letzte Woche auch mal „aus Versehen“ ein Lied illegal aus dem Internet heruntergeladen. Da war was los. Die hat mir dann über Nacht etwa 35 Mal auf den Anrufbeantworter gesprochen, von wegen Sie hätte jetzt Panik bekommen und befürchtete, dass sie jetzt auch von einer dieser windigen Anwaltskanzlei wegen des unerlaubten Downloads abgezockt wird. „~ auf cuba“ ist die die Columne der offenen Kabarettbühne „Cubarett“ in der ~ Die Columne ist der Ort für die Künstler des Cubarett ihr gesprochenes Wort auch lesenden Augen zu Gehör zu bringen. Das nächste Cubarett findet am 6.2.2012 um 20 Uhr im Cuba Nova statt. Mit dabei: Sabine Domogala, Lars Golenia, Sülo Karazin, Udo Wolff und Cem Derin. Als ich sie dann am nächsten Morgen angerufen habe, um sie zu beruhigen, war sie schon wieder ganz die Alte: Sie erzählte mir ganz trocken, dass ich mir keine Sorgen machen soll, weil sie das Lied in der Nacht heimlich wieder hochgeladen hat. Ja, sie ist wirklich eine der wenigen Frauen, deren biologische Uhr nicht einfach nur tickt. Nein, ihre Uhr steht auf 24:00 und blinkt permanent. Ich bin froh, dass ich meinen Vorsatz für 2012 durchgezogen habe, obwohl ich befürchte, dass ich es vielleicht irgendwann bereuen werde. Ich weiß nicht genau, was sie sich einfallen lassen wird, aber der überlebensgroße Schneemann aus Rinderhack mit der Axt in der Hand in meinem Garten verheißt sicherlich nichts Gutes. # 27 Bericht | Text: Horst Gärtner Schlussakkord Man kann sie fast noch sehen und hören, die Leuchtraketen, die kompakten Leuchtkombinationen (36 Schuss – einmal anzünden), die mit ihrem Sternentanz den dunklen Himmel fröhlich verwandelten, die Fontänen, die auf Straßen und Plätzen kleine Vulkane zauberten und die Böller und Knaller, die auch das neue Jahr – auf ihre Weise – begrüßten; schön war´s – für über einhundert Millionen Euro alleine in Deutschland! Und jetzt sind wir wieder beim Ernst des Lebens – Karneval steht vor der Tür! Seit Wochen und Monaten sorgen fleißige Hände dafür, dass Karnevalswagen herausgeputzt werden, vor Wochen und Monaten hat man sich schon Gedanken darüber gemacht, welchen Gag man diesmal den fröhlichen Narren präsentieren wird und die Politik hat dafür gesorgt, dass auch wieder Nachschub geliefert wird! Der Wettergott schlägt Kapriolen, der Süden bekommt dreimal so viel Schnee wie wir im vergangenen Jahr hatten, dafür warten bei uns die Forsythien auf´s Aufblühen, die Krokusse, Narzissen und Tulpen haben ihre Blätter herausgeschickt, um vorzufühlen, ob für die Blütenknospen schon die richtige Temperatur herrscht (einige ganz vorwitzige sind auch schon da und erfreuen uns mit ihren kräftigen Farben) und die Wetterfrösche haben Mühe, uns immer wieder klarzumachen, dass der Winter in diesem Jahr – scheinbar - ein ganz anderes Gesicht hat und wir haben die alte Bauernweisheit vergessen „wi möt so niemen, es´t kümmt“. Ich bin in Münster am Stadthaus II (früher Sozialamt, heute Jobcenter), parke meinen Wagen am Eingang zur Südstraße. Ich steige aus und will mir einen Parkschein holen. Ich sehe eine junge Frau, vom Äußeren her würde ich sie auf dem Balkan suchen, sie kommt wahrscheinlich vom Ausländeramt. Sie geht zu ihrem Auto, schaut zu mir, sagt: „Ich habe Zeit!“ Ich bin ein wenig verdutzt, will schon sagen: „Ich auch“, da holt sie vom Armaturenbrett ihres Autos ihren Parkschein, gibt ihn mir; er hat noch eine dreiviertel Stunde! Da reden wir immer über Integration und wie wir doch eigentlich alles besser machen müssten und dann empfange ich gleich Anfang dieses Jahres ein solches Zeichen. Ich konnte mich gerade noch bedanken, da war sie schon weg. Aber ich werde dieses „Es kommt eine junge Frau auf mich zu, sie kann sich kaum verständlich machen, aber sie will mir etwas schenken“ nicht vergessen. Denken Sie daran, wenn Sie mit Vorurteilen konfrontiert werden! Ich wünsche Ihnen, dass das neue Jahr von den hoffentlich für Sie vorgesehenen guten Überraschungen gleich zu Anfang ein paar auspackt; eine freundliche Geste vielleicht, die Sie froh macht. Horst Gärtner Erster Vorsitzender des Vereins ~ e.V. Ness Die eineinhalbjährige Ness kam zusammen mit ihrer Schwester Rita in das Handorfer Tierheim. Beide kommen ursprünglich aus Istanbul und wurden in letzter Minute von deutschen Tierschützern vor den städtischen Hundefängern gerettet. Ness ist eine selbstbewusste Hündin, die den Menschen sehr zu getan ist. Bei Artgenossen entscheidet die Sympathie, die in den meisten Fällen aber vorhanden ist. Ness hat zwar etwas Jagdtrieb, ist aber sehr aufmerksam und lernt jetzt schon mit Begeisterung die Grundkommandos. Sie läuft gut an der Leine, ist sehr schlau und wäre bestimmt eine Musterschülerin im anstehenden Hundeschulunterricht. Tierfreunde Münster e. V., Kötterstr. 98, 48157 Münster - Telefon: 0251/ 32 50 58 - www.tierfreunde-ms.de 28 Nachruf - Heinz Dalmühle Wir haben einen guten Freund verloren: unseren GrafikDesigner Heinz Dalmühle *06.06.1953 Er ist am 1. Weihnachtstag des vergangenen Jahres nach langer schwerer Krankheit gestorben. Bevor er 2004 als Ein-Euro-Jobber zu uns kam, war er selbständig. Wir hatten große Erwartungen; zum ersten Mal seit unserem Bestehen arbeitete ein Grafik-Designer in unserem Betrieb mit uns zusammen. Aber wir hatten auch große Sorge, ob er sich mit unserem unkonventionellen Betriebsablauf anfreunden konnte; er konnte. Wir haben ihn mit Hilfe des Jobcenters fest angestellt und seine jahrelange Arbeit hat die Qualität unseres Straßenmagazins geprägt, vorzeigbar gemacht. Er war kein Kollege, der morgens kam, abends ging und zwischendurch seine Arbeit machte. Er machte die Arbeit mit Herzblut; sie war ein wichtiger Schwerpunkt in seinem Leben und er war ein prächtiger Kollege, einer der in Zusammenhängen dachte, einer, der unterschiedliche Auffassungen so vortragen konnte, dass immer ein gemeinsam getragenes gutes Ergebnis dabei herauskam. Wir haben mit Heinz Dalmühle nicht nur sehr gut zusammengearbeitet, es haben sich auch freundschaftliche Verhältnisse entwickelt. Als wir vor einiger Zeit einen neuen Redakteur suchten, sagte er „Ich glaube nicht, dass wir einen brauchen, wir machen das in Teamarbeit“. Wir werden seine freundliche Art und seinen behutsamen Umgang mit uns sehr vermissen; wir werden oft an ihn denken, oft von ihm sprechen. Wir denken auch an Wangmo, seine Ehefrau, der wir nach Kräften helfen werden. Wasser erstarrt zu Eis, Eis schmilzt zu Wasser. Was geboren ist, stirbt wieder; was gestorben ist, lebt wieder. Wasser und Eis sind letztlich eins. Leben und Tod, beides ist gut so. Buddhistische Weisheit 29 Anzeigen Berliner Bär § Rechtsanwältin Annette Poethke Fachanwältin für Familienrecht Tätigkeitsschwerpunkte: Eherecht Miet - und Pachtrecht Verkehrsrecht Interessenschwerpunkte: Es freuen sich auf Euch: Anne und Michael Ruhl Arbeitsrecht Erbrecht Hüfferstraße 8 | 48149 Münster Tel.: 0251-511023 und 511024 | Fax: 0251-57606 www.chance-muenster.de Öffnungszeiten: 6:00 Uhr - open End Neu! ab 6:00 Uhr Frühstück bis 15 Uhr: Korn+Pils nur 2.-€ Coffee to go: 1,70 € Möbel und Trödel 2. Hand-Möbel · Porzellan · Bücher Glas-Accessoires · Trödel · u.v.m. Möbel-Trödel Friedrich-Ebert-Str. 7/15, Tel.: 62088 -10 Mo. - Fr.: 9.30 - 19.00 Uhr, Sa.: 9.30 - 16.00 Uhr 30 Anzeigen Aktion Sauberes Münster 2012 Termin für die Müllsammelaktion: 23. – 29. März 2012 Anmeldung und Infos bei den AWM: Tel. 605255 Fax 605263 E-Mail awm@stadt-muenster.de und im Internet: www.awm.muenster.de Anmeldeschluss: 24. Februar 2012 Mitmachen kann jeder: Schulklassen, Kitas, Vereine, Nachbarschaften, Familien usw... Wo kann gesammelt werden? Überall in Münster Unterstützung durch die AWM: Sammelzangen, Handschuhe, Müllsäcke Eine Gemeinschaftsaktion der AWM und der Bürgerinnen und Bürger Münsters unter der Schirmherrschaft von Oberbürgermeister Markus Lewe Saubere Lösung ~ Die neue erscheint am 01.03.2012 Redaktionsschluss ist der 10.02.2012 31 e f l i H ~ re h I t h c brau Seit einigen Jahren stellt die Sparkasse Münsterland Ost ihre Überschüsse der Stadt Münster zur Verfügung. Die Stadtverwaltung verteilt die Gelder an gemeinnützige Einrichtungen. In diesem Jahr durfte auch die ~ erstmals in den Genuss eines Zuschusses kommen. Wir bedanken uns herzlich und freuen uns sehr! Die Gelder werden genutzt um den Sozial- und Aufenthaltsraum der Straßenverkäufer neu zu gestalten, da der sich bisher in einem desolaten Zustand befindet (siehe Foto). Eine neue Küchenzeile ist dringend notwendig und auch die Wände können ein wenig frische Farbe vertragen, denn so kann sich niemand mehr wohlfühlen. Leider reichen die Mittel nicht um die Kosten für die neuen dringend notwendigen Anschaffungen komplett zu decken - daher sind wir auf Ihre Hilfe angewiesen. # Für eine finanzielle Unterstützung sind wir sehr dankbar. Spendenkonto Sparkasse Münster Kto 34205427 BLZ 40050150 Wir bedanken uns herzlich! Das ~ - Team