Von der Spielhalle ins Wohnzimmer
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Von der Spielhalle ins Wohnzimmer
AL T! 196 SEITEN DAS MAGAZIN FÜR KLASSISCHE SPIELE 1/2016 Dezember 2015 Januar / Februar 2016 Deutschland @ 12,90 @ 14,20 Österreich Schweiz sfr 25,80 Luxemburg @ 14,85 Making Of: Kultige Replikantenjagd Firmen-Archive: Westwood Studios TI-99 Wieso der TI-99 wegweisend war – und wegen VC20/ C64 scheiterte e l l a h l e i p S Von der r e m m i z n h ins Wo S P U M E ’ T O O SH sogun e R s i b s r e e Invad c a p S n reien o e l V l a ❱ B D 2 reichen t k e f f e u z ❱ 30 Seiten K L A S S I K E R- C » SPEEDBAL AL DELUXE L 2: BRUT H ECK igen mit lebend r e ig tz h c A inod der Shooter-Kle ATARI ST Das sind die 25 Top-Spiele FIRMEN-ARCHIVE SSI, Westwood & Black Isle Studios KULT-ADVENTURES Sam & Max, Toonstruck, Leather Goddesses of Phobos Levels XBOX Die besten Titel für die erste Xbox ARCADE | ATARI | COMMODORE | MSX | NEO GEO | NINTENDO | SCHNEIDER | SEGA | SINCLAIR | SONY J eder von uns hatte sein persönliches Erweckungserlebnis mit seinen Spiele-Hobby. Der eine durfte zum ersten Mal mit dem großen Bruder oder Papa an einen Arcade-Automaten, beim anderen sorgte der Freund mit NES für das Aha-Erlebnis, der Nächste machte im Kaufhaus große Augen vor Atari 800 und Co. und arbeitete fortan an der Argumentationslinie „Homecomputer zu Weihnachten, bessere Noten ab Ostern“. Bei mir war es alles das ein bisschen – und das Genre, das mich damals packte und zum Spiele-Hobby verführte, waren die Shoot-em-ups. Ob am Space Invaders-Automaten in der Schwimmhalle (etwa fünf Meter vom Becken entfernt, ohne Tür dazwischen) oder Time Pilot auf meinem ersten Homecomputer C64: reflexhaftes Ausweichen, Erlernen der Angriffswellen, kostbare Leben in den nächsten Level zu retten, die Beep-und-Düdeldüü-Soundkulisse, all das faszinierte mich zutiefst. Auch wenn meine Interessen bald in Richtung Rollenspiel und Strategie abdrifteten: Ein gutes Shoot-em-up ist für mich bis heute der Inbegriff meiner Gamer-Pioniertage. Und nicht nur für mich, offensichtlich – wie sonst ließe sich die Popularität etwa des DualStick-Weltraumshooters Resogun (einem PSN-Titel aus dem Jahr 2013) erklären, der bei aller Grafikpracht so gar nichts mit modernen (3D-) Shootern zu tun hat? Diese Überlegungen führten zum diesmaligen Titelthema Shoot-em-ups, das auf rund 30 Seiten sowohl das Genre an sich vorstellt als auch einzelne Highlights herausgreift, inklusive passender Artikel mehrerer deutscher Spieleveteranen. herausbrachte, war das für mich Weihnachten und Ostern an einem Tag. Meine hohen Erwartungen wurden dann zwar nur teilweise erfüllt, aber bis heute bleibt Blade Runner ein ungewöhnliches ActionAdventure, das die Stimmung der Vorlage sehr gut einfängt. Wir behandeln das Spiel ausführlich und flankieren das mit den FirmenArchiven zu Westwood. Die vielen weiteren Retro-Perlen dieser Ausgabe entnehmt ihr am besten der folgenden Doppelseite: Dazu kommen Reports wie Winnie Forsters Made in UK, Teil 2 oder ein Interview mit dem Chef von Hewson Consultants, die unter anderem die Spiele von Andrew Braybrook veröffentlichten. Mir bleibt nur zu sagen: Viel Spaß beim Lesen, Erinnern – und natürlich Selberspielen, ob auf modernen Plattformen, im Emulator oder auf der Original-Hardware! Noch so ein Steckenpferd von mir aus den 80ern war lade Runner. Das erste nächtliche Ansehen nach zehnstündiger B Brettspiel-Partie, von VHS-Kassette, bleibt mir unvergessen. Fiery the Angels fell … Als dann meine Lieblingsfirma Westwood Ende der 90er ein offizielles Spiel zu meinem Lieblingsfilm Blade Runner Euer Jörg Langer Projektleitung Retro Gamer Roland Austinat Winnie Forster Knut Gollert Michael Hengst Anatol Locker Heinrich Lenhardt Peter Schmitz Mick Schnelle Jörg Langer INHALT 1/2016 Dezember, Januar, Februar Für Liebhaber von klassischen Spielen TITEL: SHOOT-EM-UPS KLASSIKER-CHECK HISTORIE 014Salamander 006 Patrizier 2 044 Made in UK, Teil 2 Heinrich Lenhardt spielte erneut Life Force 016Shoot-em-ups Wie das Baller-Genre erst die Arcades und dann die Wohnzimmer eroberte 084 Eye of the Beholder 026Vanguard Extreme Vielfalt konstatiert Roland Austinat 0281942 Wieso uns Japaner US-Jets steuern ließen 034 Chaos Engine Das Plattform-Shoot-em-up im Detail 042 Space Invaders Jörg Langers Videospiele-Einstiegsdroge RETRO REVIVAL 052 Alternate Reality Größenwahnsinns-RPG (Michael Hengst) 072XenoSaga Michael Hengst zu Nietzsche-Zitaten u. m. 110 Ice Hockey Lieblingssportspiel von Heinrich Lenhardt 148 Bandit Kings of Ancient China Winnie Forster mag’s strategisch 164 Eric The Unready Anatol Locker liebt Humor & Rätsel 176 Magic of Endoria Peter Schmitz hat für euch gebuddelt 190Toonstruck Mick Schnelle lobt den genialen Flop HARDWARE 060 Tiger Gizmondo Winnie Forster über den Skandal-Handheld, dessen Chefs Verbrecher waren Westwood klaute erfolgreich bei FTL, vergaß aber eines – meint Michael Hengst FIRMENARCHIVE 078 Westwood Studios Knut Gollert will ein altes Übel korrigieren 036 Bionic Commando Mick Schnelle hat sich den WirtschaftsStrategieklassiker erneut vorgenommen Von frühen RPGs über die Quasi-Erfindung des RTS-Genres bis Blade Runner 122 Black Isle Studios Ohne diese Interplay-Tochterfirma wären die Rollenspiele um viele Perlen ärmer 150SSI Einst von Strategen geliebt, heute von vielen vermisst: Wie SSI er- und verblühte MAKING OF 008 Sam & Max Hit the Road LucasArts’ irres Erwachsenen-Adventure Die letzte Großtat von Peter Molyneux 062Rayman Keine Arme oder Beine – aber viel Spaß 086Ranarama Ein Frosch auf den Spuren von Paradroid 096Xenophobe Inoffizielle Aliens-Umsetzung für 3 Spieler 106 Leather Goddesses of Phobos Schlüpfrig, lustig, stinkig: Sex im Textparser 128Driller Die 3D-Revolution aus England 134 Max Payne Die Geburt eines der großen Actionhelden 178 Wonder Boy III 100 Amstrad GX 4000 AUF DEM SOFA MIT Wie Texas Instruments Streit mit Commodore suchte – und verlor Amstrad wollte aus alter Technik eine neue Konsole schaffen – und vergaß die Spiele 4 | RETRO GAMER 1/2016 Lest über Tiergestalten und Drachen 184 Andrew Hewson Der Gründer von Hewson Consultants Ab 1983 boomt die Heimcomputer-Szene in Großbritannien – zig Plattformen sei Dank 074 Blade Runner Louis Castle erzählte parallel zur Filmstory eine eigene Handlung mit mehreren Enden 090 Dig Dug Kinderkompatible Gewalt: Wer Monster aufbläst und platzen lässt, bekommt Obst 112F-Zero Mit dem Mode-7-Grafikmodus des SNES zauberte F-Zero pfeilschnelle „3D“-Pisten 138 Die 25 besten Xbox-Spiele Gerade erschien Halo 5 – mit Halo begann die Geschichte der ersten Xbox 156Repton Der Boulder Dash-Klon, dessen Schöpfer sagt: „Ich spielte niemals Boulder Dash!“ 166 Die 25 besten Atari-ST-Spiele 054 Dungeon Keeper 066TI-99 Spielerisch im Schatten des Amiga? Von wegen – siehe diese Highlights UNKONVERTIERTE 050 Die Unkonvertierten Bucky O’Hare, Tropical Angel, Super Space Fortress Macross u. a. 061 The A-Team (Retro-Schande) Eines der miesesten Spiele aller Zeiten 144PlayStation-Außenseiter Bei über 4.000 PS1-Spielen kennt ihr einige dieser Perlen bestimmt noch nicht 172PC-Engine-CD-Außenseiter Dracula X: Chi No Rondo, Galaxy Deka Gayvan, Motteke Tamago u. a. RUBRIKEN 003Editorial 192Retro-Feed 194Vorschau RETRO-HARDWARE ERFOLGSPRODUKTE UND EXOTEN 066 100 006 054 072 090 112 134 148 138 166 008 014 028 036 074 084 166 K L A SSIK E R- CH ECK » SPEEDBALL 2: BRUTAL DELUXE » Unterwegs mit der Holk. » Breiter Bug, ruhige Fahrt: der Kraier. » Eine gut beladene Kogge. » Ganz schön schmuck, so ne Schnigge. Geld und Macht U ns Deutschen wirft man ja gerne vor, ein humor loses Volk voller penibler Rechenschieber zu sein. Wirtschaftssimulationen wie Patri zier 2 scheinen das zu bestätigen. Denn letztlich macht man kaum etwas anderes, als Zahlenwerte zu vergleichen und sich am Anstieg anderer Zahlen zu erfreuen. Doch wenn deutsche Designer das derart schön in ein historisches Gewand voller liebevoller Details stecken und damit Erfolg haben, muss doch eine fantasievolle Seele in uns schlummern. Patrizier 2 kann die Verwandtschaft zu den berühmt-berüchtigten Wirtschaftssimulationen der Amiga-Ära nicht verleugnen. Jenen staubtrockenen statischen Zahlenschiebereien, die bis in die 90er Jahre hinein den Spielemarkt drangsalierten. Doch in jedem Genre steckt letztlich doch etwas Innovationskraft, und so bewies Ascaron mit dem 6 | RETRO GAMER 1/2016 zweiten Teil, wie man das dröge Genre bewässerte. Denn Patrizier 2 war alles andere als statisch. Unter Leitung von Entwicklungschef Daniel Dumont, der mit Teil 1 nichts zu tun hatte, entstand eine dynamische Wirtschaftssimulation, die bis heute ihresgleichen sucht. Es geht darum, zur Blütezeit der Hanse im Nord- und Ostseeraum Waren von A nach B zu schippern und sie am Zielort mit größtmöglichem Profit zu verschachern. Dabei, und das war das Brillante an Patrizier 2, beeinflussten die Käufe und Verkäufe nicht nur die lokale Wirtschaft am jeweiligen Handelsort, sondern auf die Dauer im gesamten simulierten Wirtschaftsraum. Zusätzlich ließ sich das System durch Produktions betriebe beeinflussen, die mit dem erwirtschafteten Geld errichtet wurden. Wohlgemerkt, wir befinden uns immer noch in der Dumont’schen Berechnungsengine, in der letztlich nur Zahlen hin- und hergeschoben werden. Dröge wurde Patrizier 2 nie, was nicht zuletzt auch an der schmucken, nett animierten Schräg-von-oben-Grafik lag, in der die kleinen und größeren Städte dargestellt wurden. Legendär auch die perfekt schnurrende Steuerung, mit der auch komplexe Aktionen binnen weniger Mausklicks erledigt wurden. Zugegeben, es brauchte ein komplettes staubtrockenes Tutorial, bis man all die kleinen Kniffe kannte, um die Aktionen effektiv auszuführen. Aber einmal gelernt, hat man die auch 15 Jahre später noch im Griff. Euch ist sicherlich aufgefallen, dass unsere Screenshots zum großen Teil von der englischen Version stammen. Eigentlich ein Sakrileg bei einem urdeutschen Spiel wie Patrizier 2! Doch wir spielen die Oldies für den KlassikerCheck allesamt neu und verlassen uns nicht auf oftmals verbrämte Erinnerungen! Die Originalversion auf CD ließ sich auf einem aktuellen PC nicht mehr ans Laufen kriegen. Abhilfe schuf eine aktualisierte Version, die es zum digitalen Download derzeit allein bei GoG.com gibt. Allerdings nur in der englischen Version, was auf Nachfrage bei GoG allein daran liegt, dass Patrizier 2 samt dem Add-on außerhalb Deutschlands als Patrician 3 angeboten wurde. Die AufVon Heinrich Lenhardt Hauptprogramm dröselung in deutsches samt anders benamsten Add-on würde Neuverhandlungen mit dem derzeitigen Rechteinhaber Kalypso erfordern. Und das möchte man sich wohl ersparen. So bleibt’s also bis auf Weiteres beim englischsprachigen Patrician. Dem Spielspaß tut das natürlich keinen Abbruch. von Mick Schnelle DENKWÜRDIGE WIESO EIN KLASSIKER? DIE SEEKÄMPFE » SPEEDBALL 2: BRU TAL DELUXE Perfektes Handelssystem Piraten und Plünderei EIGENE PRODUKTIONEN DAS HANSE-FEELING Dem wahren hanseatischen Pfeffersack, dem das Schachern mit Gold und Waren im Blut liegt, sind sie zuwider. Doch ungeduldige Spieler können sich den langwierigen Handel ersparen und als Pirat auf Beutezug gehen. Dazu gehört ein gut bewaffnetes Schiff und ein glückliches Händchen in den Echtzeitschlachten. Die KI erweist sich als nicht sonderlich clever; wer ein wenig geübt hat, schickt selbst überlegene Feinde auf den Meeresgrund. Aber auch wer auf friedlichen Handel setzt, ist gegen Piratenüberfälle nicht gefeit. Die Gefechte laufen ähnlich wie in Pirates! ab. Wer nicht mag, darf die Kämpfe auch berechnen lassen. Zugeschaut und mitgebaut Kreuz und quer übers Meer » PLATTFORM: P C » PUBLISHER: INFOGRAMES » ENTWICKLER: A SCARON » VERÖFFENTLICHT: 2000 » GENRE: WIRTSCHAFTSSIMULATION Was die Presse sagte … Einen nicht unwesentlichen Beitrag zum Erfolg von Patrizier 2 leistete das Hanse-Feeling mit seinem unverbrauchten Szenario. Immer wieder eingestreute Ereignisse, die sich an der historischen Vorlage orientierten, trugen das ihre dazu bei, den Spieler tief ins mittelalterliche Geschehen hineinzuziehen. Das „Ich bereise Nord- und Ostsee“-Gefühl wurde durch die simple, aber schmucke Karte befeuert. Darauf waren alle eigenen Schiffe zu sehen und alle anderen Kähne, die sich gerade in deren Sichtweite befanden. Nicht unspannend war es zuzuschauen, wie ein eigener Kahn verzweifelt versuchte, Piraten zu entwischen. DIE POLITIK DIE GRAFIK Daniel Dumonts Schacher-Klassiker hat viel mehr zu bieten als simples Verschiffen von Waren von A nach B. Zwar braucht man viel Zeit und Geld, aber dann kann der Bau eigener Produktionsanlagen beginnen. Zuerst gilt es die Genehmigung der örtlichen Gilde zu erlangen, danach werden auch noch jede Menge Rohstoffe benötigt. Aber irgendwann produziert man die eigenen Güter und kann damit die gesamte Wirtschaft der Stadt beeinflussen. Etwa um den Bedarf an Lebensmitteln zu decken, wodurch die Zahl an Bewohnern steigt. Die benötigen Wohnungen – wer hat in weiser Voraussicht gerade zwei Mietshäuser errichtet? FAKTEN Scan: kultboy.com Das Herz von Patrizier 2 ist die gut geölte Waren-Preis-Engine. Jede Transaktion beeinflusst das gesamte Spiel. Wer Fische in Lübeck kauft, weil sie dort produziert werden, kann mit Hamsterkäufen dennoch den Preis steigern und den Fischbedarf in der Stadt steigern. In London, wo es keine Fischmanufakturen gibt, landen die Waren wieder im System und beeinflussen den Verkaufspreis. Zudem ist der Londoner Bedarf erst mal gedeckt, weshalb sich die nächste Reise von Lübeck nicht automatisch lohnt. Ebenso funktioniert die aus Teil 1 bekannte Route „Pelze aus Nowgorod“ nicht mehr ewig. MOMENTE PC Player 01/2001, 76 % »… wer sich damals mit solchen Spielen seine erste virtuelle Million verdient hat, darf mit dem neuen Patrizier noch mal so richtig in Nostalgie schwelgen.« (Damian Knaus) GameStar 01/2001, 85 % »Wer … gern schachert, handelt und einer Seeschlacht nicht abgeneigt ist, kommt um Patrizier 2 nicht herum.« (Mick Schnelle) Was wir denken Viel Flair trotz Pixel-Look Schon Ende 2000 war die Grafik von Patrizier 2 nicht gerade das stärkste Pfund, mit dem die Wirtschaftssimulation wuchern konnte. Dennoch konnte die von schräg-oben gezeichneten Städte mit ihrer liebevoll animierten Kleinteiligkeit viel Flair erzeugen. Vor allem, weil keine Stadt der anderen glich: London war nicht Lübeck, Nowgorod nicht Aalborg. Dieses Kunststück schaffte Patrizier 4 mit 3D-Grafik nicht. Nicht isometrisch, sondern platt 2D war die Karte von Patrizier 2, auf der man die Reisen der eigenen Schiffe verfolgt. Doch die FitzelIcons waren nett gezeichnet, die Farbgebung freundlich. Der Weg zum Bürgermeister Es gibt ein Endziel in Patrizier 2. Und zwar gilt es Hetmann zu werden, Chef der Hanse. Dazu reicht es aber nicht aus, Handelsfürst zu sein oder die meisten Häuser und Betriebe zu besitzen. Es führt kein Weg daran vorbei, sich auch politisch zu engagieren. Dazu gehört eine gewisse Beliebtheit in den Städten, um überhaupt am politischen Leben teilnehmen zu dürfen; gute Beziehungen mit dem Klerus schaden nicht. Und wen es tatsächlich nach Macht gelüstet, der wird Bürgermeister. Dann gilt es zudem die Geschicke der Stadt zu lenken und die Verteidigung gegen Landstreitkräfte zu organisieren. Patrizier 2 ist auch heute noch der beste Teil der Reihe. Das liegt zum einen an der schön gezeichneten Grafik, die die 3D-Optik von Teil 4 locker schlägt. Aber auch an der fast perfekten Steuerung und der hervorragenden Waren-PreisEngine, die exakt auf Veränderungen und Handel reagiert. RETRO GAMER 1/2016 | 7 MAKING OF… SAM & MAX HIT THE ROAD Sam & Max Hit the Road ist eines der humorvollsten klassischen Adventure-Spiele aller Zeiten. Retro Gamer hat sich mit Steve Purcell, dem Erfinder der Charaktere, in Verbindung gesetzt, um über den Titel zu sprechen. 8 | RETRO GAMER 1/2016 MAKING OF: SAM & MAX HIT THE ROAD » Die eigenwilligen Helden kamen gut bei den Spielern an. FAKTEN » PUBLISHER: LUCASARTS » ENTWICKLER: LUCASARTS » ERSCHIENEN: 1993 » GENRE: ADVENTURE-SPIEL >>MAX WAR EIN NACKTER HASE MIT SCHARFEN ZÄHNEN, DIE EINEM HAI KONKURRENZ MACHEN KONNTEN.<< I n Filmen und im Fernsehen sind Duos gang und gäbe. In Videospielen dagegen fallen uns deutlich weniger Zweiergespanne ein. Vor allem solche, die à la Ratchet & Clank auch wirklich vielen bekannt sind. Eines dieser Duos, das wohl kaum jemanden aus dem Gedächtnis verschwunden sein dürfte, ist Sam & Max. Die beiden bildeten aber auch ein wirklich sehr seltsames Gespann. Mit seinem Anzug und den trockenen Sprüchen war Sam der perfekte Detektiv – ganz abgesehen davon, dass es sich um einen Hund mit extralangen Schlappohren handelte. Sein Partner Max war ein nackter Hase, dessen scharfe Zähne einem Hai durchaus Konkurrenz machen konnten, von seinem Naturell mal ganz zu schweigen. Im LucasArts-Adventure Sam & Max Hit the Road begaben sich die beiden Cartoon-Helden auf die Suche nach einem Yeti und besuchten unterwegs einige bizarre Touristen-Attraktionen. Beispielsweise den weltweit größten Ball, der aus Bindfäden besteht, oder einen Golfkurs voller Alligatoren. LucasArts’ Grafikadventure lebte von seinen bekloppten Titelhelden und war als Parodie auf Amerika und seine Sehenswürdigkeiten zu verstehen. Rollenspiel für LucasArts mitwirkte. Sam und Max verzeichneten Das Projekt wurde jedoch eingestellt. ihren ersten Auftritt im Comic Mon„Kurz nachdem ich einen Job hatte, keys Violating the Heavenly Temple war ich auch schon wieder arbeitsaus dem Jahr 1987. Die Charaktere los“, erinnert sich Steve. „Zum Glück wurden von Steve Purcell erschaffen, brauchten sie wenig später jemanden, den wir für diesen Report aufspüren der das Box-Cover von Zak McKraken konnten. Er verrät uns die Herkunft zeichnet.“ Das übernahm Steve mit des Detektivgespanns: „Mein Bruder Bravour und arbeitete danach an Anihat sich Sam und Max ausgedacht, als mationen für Indiana Jones and the er noch ein Kind war. Ich parodierte Last Crusade. „Bei einem Spieleentseine Comics und erschuf so meine wickler auf der Skywalker Ranch zu eigenen Versionen der Charaktere.“ arbeiten war wie an einem ständigen Sein Bruder verlor irgendwann das Zeltlager für Geeks teilzunehmen. Es Interesse am Comic-Zeichnen, Steve war einfach Spitzenklasse.“ aber machte weiter. „Über die Jahre Es war nur eine Frage der Zeit, hinweg haben mich auch The Blues Brothers und Penn and Teller inspiriert.“ bis Steves Charaktere den Sprung vom Comic auf den Computer-Monitor Und das Fahrzeug, mit dem Sam und wagten. LucasArts hatte bereits viele Max durch die Gegend fahren, sei an humorvolle Titel auf den Markt geein altes Familienauto angelehnt. Schon bald hatte sich eine Fan-Basis rund um den unorthodoxen Comic und dessen zynische Protagonisten gebildet. Einige Mitarbeiter von LucasArts wurden auf Sam & Max aufmerksam, fährt Steve fort: „Ken Macklin arbeitete damals für LucasFilm Games. Er hat mich aufgrund des ersten Sam & Max-Comics an den Art Director Gary Winnick weiterempfohlen.“ Daraus entstand eine Zusammen» Ein nervenaufreibendes Adventure. arbeit, wobei Steve zunächst an einem » Es gibt viele Mini-Spiele. » Schiffe versenken, nur ohne Schiffe. RETRO GAMER 1/2016 | 9 MAKING OF… SAM & MAX HIT THE ROAD >>AUF DER SKYWALKER-RANCH ZU ARBEITEN WAR WIE AN EINEM ZELTLAGER FÜR GEEKS TEILZUNEHMEN.<< ROADSIDE AMERICANA Europäer könnten die Sehenswürdigkeiten in Sam & Max als Hirngespinste der Entwickler bei LucasArts abtun. US-Amerikaner werden jedoch erkennen, dass es sich um Parodien realer Attraktionen handelt. Steve bildete die verrückten Eigenheiten von Amerika ab. Ein Beispiel ist der World’s Largest Ball of Twine in Cawker City, Kansas. Das Knäuel aus Bindfäden wies im Sommer 2014 einen Umfang von mehr als zwölf Metern auf und war fast dreieinhalb Meter hoch. Im Vergleich zum Pendant in Sam & Max wirkt der Ball aber mickrig. Laut dem Spiel würde der ausgerollte Bindfaden nämlich den Jupiter erreichen. bracht – beispielsweise The Secret of Monkey Island. Steves Duo eignete sich perfekt für den entspannten Spielverlauf eines Adventures. „Sam & Max funktioniert vor allem dann, wenn du viel Zeit mit den Charakteren verbringen kannst. Dann gewöhnst du dich an die Art und Weise, wie sie miteinander interagieren. Das ist so, als würdest du mit einem Freund reden, der all deine Anspielungen versteht.“ 1992 begann LucasArts mit der Arbeit an einem Sam & Max-Adventure. Der Release war bereits für knapp acht Monate später geplant. Steve und das Entwicklerteam mussten sich also schnell eine Story ausdenken. Für die Handlung des Spiels orientierte sich Steve am Comic und ließ Erlebnisse aus seinem eigenen Leben mit einfließen. „Das Buch Roadside America habe ich sehr gerne gelesen. Es ist ein lustiger Reisebericht, der sich um die verrücktesten Sehenswürdigkeiten in Amerika dreht. Als Kind bin ich quer durch die USA gereist. Das Buch und meine Erfahrungen dienten als Inspira- tion für meinen zweiten Comic und Hit the Road.“ Die Sam & Max-Comics richteten sich klar an ein erwachseneres Publikum. Steve war sich anfangs nicht sicher, ob LucasArts Änderungen im Bezug auf den Stil vornehmen wollte. Letztendlich konnte er aber an seinen Ideen festhalten: „Ich finde, das Spiel erinnert stark an die Comics. Es gibt Gewalt und Kraftausdrücke. Waffen finden aber seltener Verwendung. Der Grund dafür ist simpel: Eine Pistole in einem Adventure einzusetzen, macht keinen Spaß.“ Steve erinnert sich an keinen Vorschlag, der durch das Management abgelehnt wurde. „Ich glaube, sie haben uns einfach vertraut.“ Nachdem die Story stand, musste daraus noch ein Spiel werden. Steve arbeitete mit Sean Clark, Michael Stemmle und Collette Michaud zusammen, die vorher an Indiana Jones and the Fate of Atlantis beteiligt gewesen waren. Die Balance zwischen der Story und Puzzle-Elementen zu finden war keine leichte Aufgabe: „Wir mussten » Es stört keinen, dass Sam und Max sprechende Tiere sind. » Hat jemand wieder nach Grim Fandango 2 gefragt? immer im Blick haben, wie lange die Spieler nicht mit der Welt interagieren. Viele lustige Szenen ergaben sich aus den Reaktionen der Charaktere auf die Handlungen des Spielers. Wenn du zum Beispiel auf ein Objekt im Raum klickst und eine lustige Reaktion folgt, dann trägt diese Interaktivität zur Stimmung bei.“ Den Entwicklern von Sam & Max war es jedoch nicht genug, schlicht Humor mit Rätseln zu verbinden und so ein Spiel abzuliefern. Sie wollten zudem an das Allerheiligste von LucasArts Hand anlegen: die aus ihrer Sicht veraltete SCUMM-Engine, das Grundgerüst aller LucasArts-Adventures seit Maniac Mansion. Sie programmierten ein neues Eingabesystem, dessen Mauszeiger sich in Optik und Funktion änderte, wenn man die rechte Maustaste drückte. Vor Sam & Max wählten Spieler noch ein Verb am unteren Bildschirmrand aus und klickten danach auf ein Objekt in der Spielwelt. Die neue Methode sparte die Verb-Auswahl und sorgte gleichzeitig für mehr Platz auf dem Bildschirm. Für Steve als Story-Verantwortlichen ergab sich noch ein weiterer Vorteil: „Ich finde, ein Symbol-basiertes Interface eignet sich gut für ein Spiel mit vielen verbal geäußerten Witzen. Es wäre doch schrecklich, wenn Spieler den Witz lesen, bevor sie ihn hören. Ich bin mir nicht mehr sicher, aber ich glaube, es war Mike Stemmle, der die Idee für das Interface hatte.“ Das Spiel hätte vermutlich so in den Handel kommen können. Steve hatte aber noch ein paar weitere Ideen. LucasArts war sich bewusst, dass zu schwierige Puzzles dazu führen » Ein ziemlich verrücktes Golf-Spiel. 10 | RETRO GAMER 1/2016 MAKING OF… SAM & MAX HIT THE ROAD DAS WIEDERSEHEN 2004 kündigte LucasArts Sam & Max: Freelance Police an, stellte die Entwicklung jedoch wieder ein. 2005 erhielt Steve Purcell die Lizenz an den Charakteren zurück und vergab die Rechte an Telltale Games. Dort arbeiteten unter anderem ehemalige LucasArts-Mitarbeiter an einem neuen Sam & Max-Spiel. Es wurde ein Episoden-Adventure. Ende 2006 erschien die erste von sechs Folgen von Sam & Max: Season One. Ein Jahr später folgte die zweite Staffel bestehend aus fünf Episoden. Sam & Max: The Devil’s Playhouse ist die dritte und bislang letzte Staffel. Sie ist im Jahr 2010 erschienen. Seitdem hat sich Telltale von den klassischen Adventures weit entfernt: Ihre Comic- und TV-Umsetzungen wie The Walking Dead oder Game of Thrones sind sehr atmosphärisch, gaukeln die Entscheidungsfreiheit aber zumeist nur vor und bieten „Rätsel“, die von einjährigen Schimpansen gelöst werden können. ENTWICKLERHIGHLIGHTS MANIAC MANSION PLATTFORMEN: PC, APPLE II, AMIGA, COMMODORE 64, NES, FAMICOM JAHR: 1987 THE SECRET OF MONKEY ISLAND PLATTFORMEN: PC, AMIGA, MAC, SEGA CD JAHR: 1990 INDIANA JONES AND THE FATE OF ATLANTIS (IM BILD) PLATTFORMEN: PC, AMIGA, MAC JAHR: 1992 12 | RETRO GAMER 1/2016 » Oben: Die Karte von Hit the Road. Unten: Hoffentlich stimmt der Brandschutz. Sprachausgabe und genügend kniffkönnen, dass Spieler stecken bleilige Rätsel. Es kam 1993 in die Läden ben, sodass es nichts mehr für sie und erfreute sich bei Adventure-Liebzu tun gibt, bis sie die Lösung finden. habern hoher Beliebtheit. Auch abSteve fügte deshalb einige Minispiele seits der alteingesessenen Fans kam hinzu, etwa eines, in dem man à la das Spiel gut an, was wohl zum GroßSchiffe versenken Autos mit Bomben teil auf die Titelhelden zurückzuführen zerstören musste. „Die Minispiele sollwar: „Ich darf mich vermutlich immer ten für etwas Ablenkung sorgen. Sie noch nicht konkret zu den Verkaufswaren für alle gedacht, die mal eine zahlen äußern. Über die Jahre hat sich Pause vom Knobeln machen wollten“, erklärt uns Steve. „Es ist wichtig, Spie- das Spiel aber viel besser verkauft als anfangs prognostiziert worden war. lern genügend zum Ausprobieren zu Der Titel wirkte seltsam, was offenbar geben, sodass sie selbst entscheiden viele Leute angesprochen hat. Es gab können, was sie machen wollen.“ auch Leute, die dachten, es handelt Sam & Max Hit the Road sollte sich um ein Spiel für Kinder …“ nicht nur auf Diskette, sondern auch Sam & Max hob sich stark von auf CD-ROM erscheinen. Es war desanderen LucasArts-Adventures ab: In halb eines der ersten Adventures mit keinem anderen davon steuerte man Sprachausgabe. Steve musste sich zwei Charaktere gleichzeitig. Auch in zum ersten Mal Gedanken über die Sachen Humor gehörte das Spiel zu Stimmen seiner Charaktere machen. den besten LucasArts-Spielen. Steve „Donald Sutherland hatte meiner Meihat seine eigene Theorie, warum Hit nung nach die perfekte Stimme für Max. Er klingt groß und intelligent. Das the Road besonders aus der Masse hervorstach: „Es erweckte den Einleichte Lispeln verleiht seiner Stimme druck, ein erwachsenerer Titel zu sein eine gewisse Ernsthaftigkeit. Bill Far– beispielsweise durch die verwendete mer klingt zwar überhaupt nicht nach Sprache und die Aggressivität der Donald Sutherland, die Demo-AufnahCharaktere. Dieser Eindruck war aber men haben mir aber gut gefallen, weil er den Text sehr trocken rübergebracht nicht ganz richtig. Gewalt beispielsweise bekamen Spieler nur selten hat. Er hat es bei seiner Performance direkt zu sehen.“ nicht übertrieben und mich so zum Seit der ursprünglichen VerLachen gebracht.“ Bill Farmer wurde öffentlichung von Sam & Max Hit the letztendlich die Stimme von Sam in Road sind immer wieder Neuauflagen Sam & Max Hit the Road. „Ich würerscheinen. Der Emulator ScummVM de seinen Sam als eine Mischung bietet zudem so ziemlich jedem die aus Johnny Carson und Jack Webb Möglichkeit, den Titel nachzuholen bezeichnen.“ Den wenigsten dürften oder wieder mal zu erleben. Steve ist diese Namen ein Begriff sein: Johnny Carson war der ursprüngliche Modera- erfreut darüber: „Ich bin immer überrascht, dass Sam & Max heute noch tor der Tonight Show und Jack Webb war in der Serie Polizeibericht zu sehen. gespielt wird. Ich treffe ab und zu Leute, die Sam & Max früher gespielt Sam & Max konnte zum Re haben und den Titel immer noch lease nicht nur mit seinen beiden aussporadisch starten. Die Mühe hat sich gefallenen Helden punkten, sondern also gelohnt!“ besaß auch ein innovatives Interface, WEITERE TEILE DER SERIE: Sam & Max: Freelance Police (PC, eingestellt) Sam & Max: Season One (PC, Xbox 360, Wii, 2006) Sam & Max: Season Two (PC, Xbox 360, Wii, 2007) Sam & Max: The Devil’s Playhouse (PC, PS3, 2010) T O SHEOM-UPS K L A S SIK E R- CH ECK » SPEEDBALL 2: BRUTAL DELUXE K ein Terrariums-Simulator, sondern spektakulärer Weltraumkampf: Konami hatte mit Gradius (Nemesis) das Extrawaffen-Ballerspiel definiert, dieser Serienableger baute dann die Brücke zur R-Type-Moderne. Salamander beeindruckte durch lebendige Levels, stattliche Gegner, potente Power-ups und einen Koop-Modus für zwei Spieler. Ausgerechnet letzteres Feature fehlte bei der gekürzten C64-Umsetzung, die dank prächtiger Grafik und guter Spielbarkeit dennoch in guter Erinnerung bleibt. Besser machte es Konami bei der NES-Adaption, die unter dem Namen Life Force erschien. Wegen der ausgefeilten Hinter grundstorys hat man Shoot-em-ups von Konami sicherlich nicht gekauft, wie die Packungsrückseite von Salamander eindrucksvoll demonstriert. Es ist da die Rede von einer furchtsamen Galaxie voller „organischer Zerstörungsmonster“, die „jenseits der Unendlichkeit“ von den bösen Mächten des despotischen Salamander beherrscht wird. Ein wenig 14 | RETRO GAMER 1/2016 zerstört fühlte ich mich auch, als wir die se Cover-Artwork für die erste BeilagenEdition von Power Play wählten: Nach sechs eigenständigen Ausgaben musste unsere Spielezeitschrift mit Ausgabe 10/88 vorübergehend bei Happy-Computer einziehen, um die Verkaufszahlen des Muttermagazins zu stützen. Wenigstens konnte ich mir den Verlagsfrust bei der erfreulich guten C64Version des Salamander-Spielautomaten vom Leibe schießen. Sie beeindruckte mit ihrer Menge an Sprites und Schüs sen, das selbstredend butterweiche Scrolling trieb unser Schiff mal horizontal, mal vertikal über den Bildschirm. Der Spieleinstieg war nach Genre-Verhält nissen ungewohnt nett und bescherte in kurzer Zeit reichlich Extras. VorzeigeLevel war eindeutig die 3. Stufe mit ihren Feuerfontänen, die Grafiker Bob Stephen son im Rahmen der C64-Farbpalette sen sationell schön umsetzte. Hier ringelte sich auch eine riesige Weltraumschlange um unser Schiffchen, ein Vorgeschmack auf gewisse R-Type-Feinde. Sah das Fangzahn-Reptil der Salamander-Artwork mit seinem weit mehr Levels und auch den turbulenten aufgerissenen Maul nicht eher wie eine Zwei-Spieler-Modus. Dank Virtual Con knurrige Kobra aus? Der Weltraumsole ist die NES-Version von Life Force Molch als Feindbild kam wohl auch heutzutage auf Nintendo 3DS und Wii U Konami etwas albern vor: Eine grafisch spielbar. Salamander tauchte im Rahmen überarbeitete US-Version des Automaten einiger Konami-Compilations auf PlaySta erschien unter dem neuen Namen Life tion-Systemen immer wieder auf. Eine Force. Der Grafikstil wirkte nach dem ersten Level mehr organisch und weniger hervorragende Umsetzung erschien auch 1991 für die PC-Engine. mechanisch, spielerisch gab es zunächst Lang, lang ist der Kampf in der keine Änderungen. Doch als Life Force furchtsamen Galaxie her. So lange, dass ein Jahr später auf dem japanischen ich mir inzwischen die SalamanderHeimatmarkt eingeführt wurde, kam es zu einem Eingriff beim Power-up-System. Artwork wieder ansehen kann, ohne von Erinnerungen an die „Power Play als Bei Salamander sammelt man Symbole Von Heinrich Lenhardt Supplement“-Jahre gequält zu werden. auf, die sofort für das jeweilige Extra sor Und überhaupt relativiert die Spielbe gen. Life Force verwendet dagegen das schreibung jedwedes persönliche Leid: alte Gradius-System: Der Spieler hortet Kapseln, um sich per Knopfdruck gezielt „Infernos toben wie stürmische Seen“, Dämonen wüten in „Höhlen der Ver Upgrades zu leisten. zweiflung“ – da wirkt der Alltag im direk So erklären sich Namens- und ten Vergleich doch recht erträglich. Design-Unterschiede der NES-Version Life Force: Diese orientiert sich am gleichnamigen Arcade-Remix von 1987, nicht am original Salamander-Automaten aus dem Jahr 1986. Trotz Grafik-Gefla cker und verschärftem Schwierigkeits grad stellt sie den C64-Cousin in den Von Heinrich Lenhardt Schatten, denn auf dem NES gibt es WARUM EIN KLASSIKER? UPGRADE-SYSTEM » SPEEDBALL 2: BRU TAL DELUXE Verfeinerte Extrawurst Ein Knopf genügt Mit Riple-Laser und Beiboot-Flotte fühlen wir uns schier unverwundbar und feuern gewaltige Breitseiten gegen die feindliche Übermacht. Anspannung und Nervosität mischen sich mit der Euphorie, denn es bedarf nur eines Kügelchens oder einer Kollision, um neben einem Leben auch den Großteil der Extrawaffen-Herrlichkeit zu verlieren. Bei Salamander verfeinerte Konami dieses Gradius-Erfolgsrezept und mischte traditionelle Horizontal-Stufen mit vertikal scrollenden Abschnitten. Trotz Kürzungen bei Levels und Koop überraschte die C64-Umsetzung angenehm und bescherte Ballerspaß fast so schön wie in der Spielhalle. KOOP-MODUS 8-BIT-GRAFIKPRACHT Gradius’ große Innovation war das Extrawaffensystem: Kapseln sammeln, bis man genug für den gewünschten Upgrade beisammen hat und dann mit dem zweiten Feuerknopf aktivieren. Aber Moment, welcher zweite Feuerknopf? Dummerweise verwendete der C64 den alten 9-PinStandard von Atari, der nur einen Button unterstützt. Bei vielen Shootem-ups war deshalb voller Körpereinsatz gefragt, um mit Ellbogen oder Fußballen die Leertaste zu traktieren. Das Salamander-System war C64freundlicher, da man hier statt Energiekapseln Instant-Extrasymbole aufsammelte, die sofort für einen bestimmten Upgrade sorgten. Zweisamkeit nur auf NES Ein Job für Bob Bei Umsetzungen von Spielautomaten auf 8-Bit-Systeme musste man oft happige grafische Einbußen in Kauf nehmen, doch sowohl C64-Salamander als auch NES-Life Force holten Erstaunliches aus der jeweiligen Hardware heraus. Gelegentliches Flackern und Verlangsamungen trübten den guten Eindruck kaum. Pixelkünstler Bob Stephenson, der schon mit der IO-Grafik für Aufmerksamkeit gesorgt hatte, war für die tolle C64-Optik verantwortlich. Diese Version profitierte davon, dass die einzelnen Levels nachgeladen wurden. Das Spielen der Kassettenversion wurde so zur Geduldsprobe, aber Meister Stephenson konnte sich mit (relativ) viel Speicher austoben. LEBHAFTE LEVELS SCHWIERIGKEITSGRAD Im Weltraum konnte man sich recht einsam fühlen, vor allem angesichts der feindlichen Übermacht von Gradius. Eine der großen Neuerungen von Salamander war folgerichtig der Koop-Modus, bei dem zwei Spieler gleichzeitig ballern (und sich auch die Extras gegenseitig vor der Nase wegschnappen). Doch bei Imagines Heimcomputer-Umsetzungen mussten wir auf dieses Feature verzichten, die ansonsten so solide C64-Version verwehrt das Pärchenglück. Waren da die CPUs oder die Programmierer zu schwach? Konamis NES-Umsetzung Life Force konnte schließlich mit dem begehrten Zwei-Spieler-Modus aufwarten. Durch den Lurch Die Levels von Salamander wirken dynamisch und lebendig. Das gilt insbesondere für die erste Stufe, bei der wir uns den Weg durchs Innere einer riesigen organischen Lebensform schießen. Grabschtentakel und Stoßzähne wuchern bedrohlich aus dem Spielfeldrand, widerliche Wucherungen werden aus sicherer Entfernung zur Explosion gebracht. Beim Ballern durch eine organische Wand dürfen wir weder zu schnell, noch zu langsam fliegen, denn einige Sekunden später wächst die Biomasse nach. Auch spätere Stufen bieten Umgebungs-Action, am spektakulärsten sehen die eruptierenden Feuerwalzen von Level 3 aus. Keine übertriebene Härte Zu Beginn bekommen wir gleich massig Extras nachgeschmissen, ab Stufe 2 hat der Schwierigkeitsgrad eine gewisse Knackigkeit. Dabei geht es aber fair zu, hier haben auch Normalsterbliche eine Durchspielchance. Das war keine Selbstverständlichkeit, das Ende von C64-Shoot-em-ups wie IO, Katakis oder Delta sahen nur Baller-Profis oder Cheat-Verwender. Salamander punktete mit serienmäßigem Dauerfeuer, sauberer Kollisionsabfrage und Großzügigkeit bei Lebensverlust: Unser Raumschiff wurde nicht zurückgesetzt und konnte verlorene Beiboote wieder aufsammeln. Cousin Life Force auf dem NES war für Solo-Spieler um einiges härter. Hinweis: Die Screenshots haben wir mit der C64-Fassung erstellt. Ausnahme: Das Bild zu „Koop-Modus“ zeigt die NES-Version von Life Force. MOMENTE FAKTEN » PLATTFORMEN: SALAMANDER: C64, LIFE FORCE: NES » PUBLISHER: IMAGINE, KONAMI » ENTWICKLER: IMAGINE, KONAMI » VERÖFFENTLICHT: 1986 (SPIELAUTOMAT), 1988 (HEIMUMSETZUNGEN) » GENRE: SHOOT-EM-UP Was die Presse sagte … Scan: kultpower.de DENKWÜRDIGE Power Play 10/88: 72/100 (für C64-Version) »Angesichts der Grafik bekommt man ganz schön große Augen. Dazu kommt die unglaubliche Menge von Sprites, die auf dem Bildschirm herumhuscht. […] Wenn man in Form ist, spielt man sich allerdings relativ schnell durch alle vier Levels.« (Heinrich Lenhardt) Power Play 4/89: 81/100 (für NES-Version) »Salamander auf dem C64 war schon ganz nett, doch wer Life Force auf dem Nintendo sieht, dem klappt erst mal die Kinnlade herunter. Jenseits des ersten Levels können nur gute Actionspieler bestehen. (Heinrich Lenhardt) Was wir denken Salamander spielt nicht in der selben Promi-Liga wie Gradius und R-Type, ist aber ein nicht zu unterschätzendes Shooter-Kleinod der Achtziger. Abwechslungsreiche Levels und gute Steuerung sorgen heute noch für Spaß. RETRO GAMER 1/2016 | 15 16 | RETRO GAMER 1/2016 EXPERTENWISSEN: SHOOT-EM-UPS » [Automat] Taitos Space Invaders zündete den Shoot-em-up-Boom. Das Genre der Shoot-em-ups besteht nun weit über 30 Jahre und hat sich von Spacewar bis Resogun weiterentwickelt. Mit diesem Schwerpunkt und weiteren Artikeln versuchen wir die Frage zu klären, weshalb viele von uns bis heute nicht genug von 2D-Baller-Action bekommen können. A lles begann mit einem leisen Herzpochen. Die Reihen von Pixel-Aliens schoben sich langsam über die flackernden Kathoden-Bildschirme in den Spielhallen dieser Welt. Der Startschuss fiel in Japan, wo solche und andere Elektronik-Automaten den überirdischen Glanz der Pachinko-Spielsalons nach und nach verblassen ließen. Schon bald waren Shoot-em-ups überall. Es ist nicht bloß eines der ältesten Spielegenres, es gibt auch kaum ein anderes, das eine vergleichbar hohe Anzahl an Spielen hervorbrachte. Den ersten riesigen Popularitätsschub erfuhren die 2D-Ballereien gewiss durch Space Invaders, das eine ganze Welle von „Erde gegen Aliens“-Spielen nach sich zog. Die Wurzeln des Genres sind aber bedeutend älter. „Ich wuchs im Silicon Valley auf, weshalb ich viele coole Sachen zu sehen bekam“, erinnert sich Eugene Jarvis, Designer der Megaklassiker Defender und Robotron 2084. „Mein erstes Shoot-em-up war 1971 Galaxy Game, eine Interpretation des GenrePioniers Spacewar.“ Der Automat wurde in Stanford von Spielern belagert, die 10 Cents pro Spiel zahlten. Obwohl Spacewar schon 1962 entstanden war, hatte es niemand außerhalb der Computerforschungs-Labore gesehen. Unglücklicherweise entpuppte sich Galaxy Game als zu teuer und schwierig zu vermarkten. Aber es belegte die Anziehungskraft der Idee an sich. Spacewar war in einer Gruppe MIT-Studenten unter der Leitung von Programmierer Steve Russell entstanden. Das Konzept war simpel: Zwei Spieler steuern jeweils ein Raumschiff und versuchen sich gegenseitig abzuschießen, während sie gegen die Gravitation eines Sterns in der Bildschirm-Mitte ankämpfen. Das Spiel nutzte eine Rotationssteuerung, die später vom Automaten-Hit Asteroids aufgegriffen wurde. Man nutzt Vorwärtsschub und einen „Hyperspace“Knopf (quasi ein Teleport), um kniffligen Situationen zu entgehen. Diese Art der Verknüpfung physikalischer Regeln mit Action bewegen Eugene dazu, sie in RETRO GAMER 1/2016 | 17 KENNE DEINE SHOOTEM-UPS » [Automat] Mit Defender holte Eugene Jarvis die Shoot-em-ups aus der Einzelbildschirm-Ecke. SHMUP ■ Ein bekanntes englisches Kürzel fürs Genre, das vom britischen C64-Magazin Zzap!64 etabliert wurde und auch in Deutschland nicht ungebräuchlich ist. EIN-BILDSCHIRMSHOOTER ■ Shoot-em-ups, die nicht scrollen. Zu dieser Gattung zählen vor allem frühe Shoot-em-ups wie Space Invaders und Galaxian. SEITWÄRTS-/VERTIKALSCROLLER ■ Shoot-em-ups, die vertikales, horizontales oder multidirektionales Scrolling für eine höhere Dynamik und eine größere Spielwelt nutzen. ähnlicher Form in Defender zu nutzen, genauso wie es Atari in Titel wie Asteroids oder Gravitar tat. Die Vorlage für die erste Schwemme an Shoot-em-ups ist jedoch ein anderes Spiel. Viele ahmten das Konzept von Taitos Space Invaders nach, bei dem ein einzelnes Raumschiff Projektile auf eine Feindformation abfeuert, die sich langsam auf es zubewegt. Auch andere Automatenhersteller wurden aktiv und führten zur Glanzzeit des Genres Ende der 70er, Anfang der 80er Jahre. In Astro Fighter von Data East bekamt ihr es mit einer vergleichbar starren Feindformationen zu tun, aber auf einem scrollenden Sternenfeld. Statt Monochrom-Grafik wie in Space Invaders gab es eine Palette von 16 Farben. In Namcos Galaxian sind es gleich 32, zudem lösen sich dort immer wieder einzelne Gegner aus der Formation und stürzen wie ein Sturzkampfbomber nach unten, Richtung Spieler. „Ich hatte Angst vor den Space InvadersAutomaten“, scherzt Malcolm Laurie, Gründer der Website Shoot-em-ups.com. „Ich kannte mich nicht damit aus, und all die großen Jungs hingen ständig davor. Aber es gab ja noch Galaxian. Ich steckte meine Münze in den Automaten, und schon hatte es TWIN-STICK-SHOOTER ■ Spiele, in denen man mit dem einen Analogstick sein Raumschiff oder seinen Helden bewegt und ihn mit dem zweiten in jede Richtung schießen lässt. Zu den Pionieren gehört Robotron 2084. RUN-AND-GUN ■ Ein Shooter-Subgenre, in dem meist ein Charakter zu Fuß unterwegs ist und auf Feinde schießt, wie etwa in Commando und Outzone. POWER-UP ■ Ein wichtiger Eckpfeiler moderner Shootem-ups. Im Regelfall sammelt man das Power-up ein, erhöht damit seine Feuerkraft oder erhält eine spezielle neue Waffe. BULLET-HELL-SHOOTER ■ Eine Variante der Shoot-em-ups, in der einem meist eine ganze Wand aus Feindprojektilen entgegenkommt – und einem sprichwörtlich das Bildschirmleben zur Hölle macht. MULTIPLIKATOR ■ Ein besonders in Bullet-Hell-Spielen wichtiges Feature zur Highscore-Optimierung, zu dessen Aktivierung man in kurzer Zeit viele Feinde abschießen muss. TIME-ATTACK ■ Ein in einigen Shoot-em-ups genutzter Modus, bei dem Spieler in einem begrenzten Zeitabschnitt besonders viele Punkte einfahren kann. 18 | RETRO GAMER 1/2016 mich am Haken. Diese farben» [Automat] Galaxian verfeinerte die prächtigen FeinMuster der Feindde schnappten formationen. nach mir, attackierten mich, für mich ergab das absolut einen Sinn. Einfacher ging es nicht: Erschieß die Bösen, bevor sie dich erschießen, links, rechts, Feuer! Es hing alles von deinen Reaktionen ab und von Entscheidungen in Sekundenbruchteilen. Jedes Mal, wenn ich aufhören musste, fühlte ich mich wie im Rausch und wollte mehr.“ In vergleichbaren Automatenspielen wie Nintendos Space Firebird, Nichibutsus Moon Cresta und SNKs Spielhallendebüt Ozma Wars zeigten die Gegner unglaublich komplexe Angriffsmuster mit unvorhersehbaren Flugbahnen, wie man sie sonst erst in deutlich späteren Titeln sah. Das machte das Spielerlebnis nicht nur variabler, sondern auch herausfordernder, wenn sich ein Gegner etwa wie aus dem Nichts auf den Rezipienten stürzt. AUSGEWÄHLTE ZEITLINIE SPACEWAR ■ Dieser PDP-1-Titel für zwei Spieler ist der wohl wichtigste Genre-Urahn. 1962 PHOENIX ■ In Phoenix gibt es neben Vögeln im Weltraum auch einen der ersten Videospiel-Bosse: ein großes Mutterschiff. 1978 SPACE INVADERS ■ Space Invaders ist der Großvater der traditionellen Shoot-em-ups und löst die erste große Welle aus. ROBOTRON: 2084 ■ Eugene Jarvis’ Robotron 2084 ist einer der ersten Twin-StickShooter – und höllisch schwer. 1980 DEFENDER ■ Defender verändert das Genre. Es erlaubt das Fliegen in zwei Richtungen über eine scrollende Landschaft, während man Feinde abschießt und Zivilisten rettet. 1981 XEVIOUS 1982 ■ In diesem Shoot-em-up tauchen erstmals Feinde am Boden und in der Luft auf. EXPERTENWISSEN: SHOOT-EM-UPS FÜNF WICHTIGE SPIELE Fünf der bedeutendsten Shoot-em-ups der Spielegeschichte. R-TYPE ■ 1987 ■ Arcade, verschiedene GRADIUS ■ 1985 ■ Arcade, verschiedene In diesem Konami-Spiel bestimmt ihr das Arsenal eures Schiffs über eine Waffen-Auswahlleiste am unteren Bildschirmrand. Im mit Raketen, Lasern und den kultigen Power-ups verbesserten Schiff rumzufliegen vermittelt ein exzellentes Erlebnis. Auch das Spin-off Salamander und die Nachfolger erzeugen extremen Ballerspaß. Das horizontal scrollende R-Type bildet den Startpunkt für eine weitere, wichtige Shoot-em-upSerie. Mit starker Grafik und dem damals einzigartigen Force-Modul beeinflusste es spätere Shoot-emups wie nur wenige andere GenreVertreter. Wir erinnern uns heute noch gerne an die bioorganischen Feinde und riesigen Bosse, besonders an das enorme Mutterschiff Bydo in Level 3. AXELAY DODONPACHI RADIANT SILVERGUN DoDonPachi ist eindeutig das Spiel, das die modernen Bullet-Hell-Shooter definiert hat. Es verbessert das KomboMultiplikator-System seines Vorgänger DonPachi, was zu epischen Punktejagdem führt. Das Spiel von Entwickler Cave beeinflusst fast alle späteren Bullet-Hell-Titel und zählt bis heute zu den Lieblingen der Genrefans. Bevor es den Weg auf Sega Saturn schafft, erscheint Radiant Silvergun in den Spielhallen. Das Actionspiel von Treasure orientiert sich an Irems Image Fight, würzt das Ganze mit exzellenter Grafik und tollen 3D-Effekten. Mit seinem farbenbasierten PunktejagdKetten und dem komplexen Waffensystem wird es zum zeitlosen Klassiker. ■ 1997 ■ Arcade, Saturn, PSOne ■ 1992 ■ SNES 1992 hatte Axelay die wohl beste Grafik eines Konsolen-Shoot-emups, in jedem Fall aber das coolste Schiff. Wie Salamander scrollt Axelay vertikal und horizontal zugleich. Zum SNES-Klassiker wird es vor allem durch die außergewöhnlichen Systeme für Waffen und Power-ups sowie die riesigen Bosse, die es mühelos mit denen aus Automaten-Titeln aufnehmen können. ■ 1998 ■ Arcade, Saturn, Xbox 360 » Ich hatte Angst vorm Space Die vielleicht besten Beispiele für diesen ersten Schwung an quirligen Shootern mit WellenAttacken ist Namcos Galaga, das als eines der ersten Spiele Power-ups bot. Ein Alien fängt unser Schiff mit einem Traktorstrahl und schleppt es in die Feindformation. Haben wir noch ein Leben übrig, können wir das gefangene Raumschiff damit befreien. Gelingt es uns, verbinden sich beide Schiffe zu einem größeren mit doppelter Feuerkraft. Allerdings hatte auch Galaga für diese Mechanik ein Vorbild, nämlich im etwa ein Jahr zuvor erschienen Moon Cresta. I n Centuris Phoenix und Midways Gorf erlebten wir wiederum ein paar der ersten dicken Bosse im Shoot-emup-Genre – in Form großer Raumschiffe. Die einzelnen Abschnitte unterschieden sich deutlich voneinander, im Fall von Gorf klonten die Macher aber auch unverhohlen die aus Space Invaders und Galaxian. Am Anfang nutzten die meisten Spiele einen festen Bildschirmausschnitt. Aber das änderte sich bald in Form von aufwärts beziehungsweise seitwärts scrol lenden Hintergründen oder einer Kombination aus GYRUSS ■ Eine zeitloser Shooter von Konami. Der Soundtrack basiert auf Stücken von Bach. 1983 beidem. Eines der wichtigsten und einflussreichsten Spiele dieser Art war Eugenes Defender, welches das Genre visuell, technisch, aber auch spielerisch enorm weiterbrachte – und das gerade mal zwei Jahre nach dem technisch simplen Space Invaders. „Ich wollte ein Spiel machen, das neue Wege geht“, sagt uns Eugene Jarvis dazu. „Ich liebe den emotionalen Aspekt des Gamings, ich liebe es, die Instinkte des Spielers intuitiv herauszufordern. Das erweiterte Universum mit den mehrfach scrollenden Bildschirmen ermöglichte beides: Mehr Spieltiefe und einen wahren Adrenalinrausch, während man in einem wahnsinnigen Tempo über den Planeten fliegt.“ Eugene fährt fort: „Mit Defender kam ein echter physikalischer Faktor ins Spiel, der große motorische Fähigkeiten erforderte, während man das Raumschiff steuert und gleichzeitig zielt und schießt. Durch die Astronauten, die man retten oder SIDE ARMS WIZBALL ■ Capcoms scrollendes Shmup ermöglicht es, mit zusätzlichen Feuerknöpfen nach links und rechts zu schießen. 1984 DROPZONE Invaders-Automat und wusste nicht, wie er funktioniert. « MALCOLM LAURIE ■ Dropzone ist ein Defender-Klon, aber dafür ein richtig guter. Der Jetpack-Held von Archer MacLean flog auf Ataris 8-Bit-Systemen und dem C64. 1985 URIDIUM ■ Eines der ersten Shoot-em-ups von Sensible Software, bei dem man Farben sammeln und die Levels damit einfärben muss. 1986 ■ Wie Dropzone gehört dieser C64-Titel zu den ersten Heimcomputer-Spielen, die Shoot-em-ups ins Wohnzimmer brachten. 1987 » [Automat] Phoenix brachte uns einen der ersten Videospiel-Bosse. XMULTIPLY ■ Dieses Spiel von Irem setzt auf ein experimentelles Waffen-System mit Tentakel-artigen Auswüchsen am Schiff. 1989 1988 FLYING SHARK ■ Toaplans Flying Shark ist ein vertikal scrollendes Shoot-em-up, in dem ihr einen Doppeldecker steuert. Existiert auch für viele Heim-Plattformen. RETRO GAMER 1/2016 | 19 » Ohne Jeff Minters Spiele wäre ich vielleicht nie selbst Entwickler geworden. «ANDREW BRAYBROOK » [Automat] Der wohl kniffligste Level in Salamander. » [Automat] Xevious führte scrollende Hintergründe mit Bodenund Luftzielen ein. noch auf dem Boden vor gegnerischen Angriffen schützen muss, kam auch mehr Taktik und Strategie hinzu. Ursprünglich scrollte das Programm nur in eine Richtung. Aber es war wahnsinnig umständlich, einmal die komplette Spielwelt abzufliegen, bloß weil man hinten was ‚vergessen‘ hatte. Also bauten wir auch die andere Flugrichtung ein, was die Spielbarkeit enorm verbesserte.“ Ein weiteres Feature, das Defender etablier te, war die Smart Bomb, mit der man den ganzen Bildschirm von Gegnern säubern kann. „Ende der 70er waren präzisionsgelenkte Militärgeschosse ein großes Thema“, erläutert Eugene diese Parallele zur echten Welt. „Ich versuchte, eine echte Smart Bomb einzubauen, die chirurgisch die gefährlichsten Gegner beseitigt. Das Problem war, das machte keinen Spaß und bedeutete viel mehr Programmierarbeit. Ich dach te, es wäre viel cooler, einfach alles wegzublasen. Die Smart Bomb ist also nicht wirklich smart!“ Auf Scrolling setzten auch Spiele wie Kona mis Scramble, Segas Zaxxon oder SNKs multidirektio nales Vanguard. Namcos Xevious wiederum, ein ver tikales Shoot-em-up, legte die Messlatte für spätere Spiele seiner Art deutlich höher. „Ich konnte Defender nie spielen“, beginnt Spieldesigner Ste Pickford. „In der Spielhalle von Stockport drängten sich die Leute immer eng vor dem Automaten. Irgendwann konnte RAIDEN 1991 THUNDER FORCE III 1992 BATSUGUN » [Automat] Spiele wie Gyruss vermittelten den Eindruck, im echten 3DRaum zu schießen. » [Automat] In Konamis Time Pilot kann man sich in jede Richtung bewegen. PULSTAR ■ Das Automaten-Spiel von Konami ist grafisch beeindruckend. Es nutzt Elemente aus Gradius und etwas Ähnliches wie das Force-Modul aus R-Type (1987). ■ Nach Meinung vieler Spieler der beste Teil von Techno Softs Shooter-Reihe auf Sega Mega Drive. Existiert auch als Automat unter dem Namen Thunder Force AC. 20 | RETRO GAMER 1/2016 A ndrew Braybrook, Programmierer des C64-Shooters Uridium, erinnert sich daran, wie er erstmals mit Shoot-em-ups auf Konsole in Kontakt kam: „Ich kaufte mir einen Atari 600XL, nur um Dropzone zu spielen, wegen der hohen Geschwindigkeit und der Präsen tation. Jeff Minters Spiele brachten mich dann XEXEX ■ Ein hervorragendes, vertikal scrollendes Shoot-em-up des Herstellers Seibu Kaihatsu: es begründet die gleichnamige Reihe. 1990 ich meine 10 Pence einwerfen, aber die Anzahl der Buttons war so verwirrend und das Spiel so schnell, dass ich innerhalb von zehn Sekunden draufging. Also stand ich wieder hinten in der Reihe und bestaunte, wie die Lokalgrößen ihre Fingern über die Buttons fliegen ließen. Ich bevorzugte in eine Richtung scrol lende Titel wie Scramble oder Gradius. Gerade R-Type war für mich damals das perfekte Videospiel. Es spiel te sich fantastisch, sah großartig aus und verfeinerte Konamis Power-up-System. Jeder Level ließ einem die Kinnlade runterklappen, die Bosse waren einfach unglaublich.“ Konamis Einfluss auf die Shoot-em-upSzene war mit Titeln wie Gradius, Salamander, ei gentümlichen, aber brillanten Spielen wie Time Pilot oder dem Defender-artigen Juno First substanziell. Auch Capcom mit Spielen wie 1942, Taito mit dem Unterwasser-Shoot-em-up Darius oder Nichibutsu mit Terra Cresta und den dazugehörigen Spin-offs lieferten bedeutsame Genre-Vertreter. Malcolm beschreibt seine persönliche Faszi nation: „Ich bewunderte UFO Robo Dangar. Ich liebte es, darin mit einem kleinen Schiff zu beginnen, mehr und mehr Waffen und andere Teile anzubringen und am Ende einen riesigen Roboter zu haben. Die Musik treibt mich immer noch an! Diese Art von Shooter startete natürlich schon mit Terra Cresta, und ich spielte auch Darius, das mich ganze Nachmittage fes selte.“ Manche japanischen Publisher und Entwickler beschäftigten sich fast ausschließlich mit Shoot-emup-Automaten, darunter Irem (R-Type, XMultiply) und Toaplan (Slap Fight, Flying Shark). Diese Fixierung führte Ende der 80er Jahre zu so etwas wie einer frü hen Renaissance des Genres in den Spielhallen, aber auch auf Heimcomputern. ■ Dieses Shoot-em-up für Neo Geo erinnert stark an R-Type, bietet neben dem vergleichbar knüppelharten Gameplay aber bessere Grafik. 1993 ■ Toaplans letztes Shoot-em-up ist die Geburtsstunde des Bullet-Hell-Genres mit komplexen Feindwellen und Projektilmustern sowie einer kleineren Trefferbox des Spielers. 1994 1995