Von der Spielhalle ins Wohnzimmer

Transcription

Von der Spielhalle ins Wohnzimmer
AL
T!
196 SEITEN DAS MAGAZIN FÜR KLASSISCHE SPIELE
1/2016
Dezember 2015 Januar / Februar 2016
Deutschland @ 12,90
@ 14,20
Österreich
Schweiz
sfr 25,80
Luxemburg @ 14,85
Making Of: Kultige
Replikantenjagd
Firmen-Archive:
Westwood
Studios
TI-99
Wieso der TI-99
wegweisend war –
und wegen VC20/
C64 scheiterte
e
l
l
a
h
l
e
i
p
S
Von der
r
e
m
m
i
z
n
h
ins Wo
S
P
U
M
E
’
T
O
O
SH
sogun
e
R
s
i
b
s
r
e
e Invad
c
a
p
S
n
reien
o
e
l
V
l
a
❱
B
D
2
reichen
t
k
e
f
f
e
u
z
❱ 30 Seiten
K L A S S I K E R- C
» SPEEDBAL
AL DELUXE
L 2: BRUT
H ECK
igen
mit lebend
r
e
ig
tz
h
c
A
inod der
Shooter-Kle
ATARI ST
Das sind die
25 Top-Spiele
FIRMEN-ARCHIVE
SSI, Westwood &
Black Isle Studios
KULT-ADVENTURES
Sam & Max, Toonstruck,
Leather Goddesses of Phobos
Levels
XBOX
Die besten Titel
für die erste Xbox
ARCADE | ATARI | COMMODORE | MSX | NEO GEO | NINTENDO | SCHNEIDER | SEGA | SINCLAIR | SONY
J
eder von uns hatte sein persönliches Erweckungserlebnis mit seinen Spiele-Hobby. Der eine
durfte zum ersten Mal mit dem großen Bruder oder
Papa an einen Arcade-Automaten, beim anderen
sorgte der Freund mit NES für das Aha-Erlebnis,
der Nächste machte im Kaufhaus große Augen vor
Atari 800 und Co. und arbeitete fortan an der Argumentationslinie
„Homecomputer zu Weihnachten, bessere Noten ab Ostern“.
Bei mir war es alles das ein bisschen – und das Genre, das
mich damals packte und zum Spiele-Hobby verführte, waren die
Shoot-em-ups. Ob am Space Invaders-Automaten in der Schwimmhalle (etwa fünf Meter vom Becken entfernt, ohne Tür dazwischen)
oder Time Pilot auf meinem ersten Homecomputer C64: reflexhaftes Ausweichen, Erlernen der Angriffswellen, kostbare Leben in den
nächsten Level zu retten, die Beep-und-Düdeldüü-Soundkulisse, all
das faszinierte mich zutiefst.
Auch wenn meine Interessen bald in Richtung Rollenspiel und
Strategie abdrifteten: Ein gutes Shoot-em-up ist für mich bis heute
der Inbegriff meiner Gamer-Pioniertage. Und nicht nur für mich,
offensichtlich – wie sonst ließe sich die Popularität etwa des DualStick-Weltraumshooters Resogun (einem PSN-Titel aus dem Jahr
2013) erklären, der bei aller Grafikpracht so gar nichts mit modernen
(3D-) Shootern zu tun hat? Diese Überlegungen führten zum diesmaligen Titelthema Shoot-em-ups, das auf rund 30 Seiten sowohl
das Genre an sich vorstellt als auch einzelne Highlights herausgreift,
inklusive passender Artikel mehrerer deutscher Spieleveteranen.
herausbrachte, war das für mich Weihnachten und Ostern an einem
Tag. Meine hohen Erwartungen wurden dann zwar nur teilweise erfüllt, aber bis heute bleibt Blade Runner ein ungewöhnliches ActionAdventure, das die Stimmung der Vorlage sehr gut einfängt. Wir
behandeln das Spiel ausführlich und flankieren das mit den FirmenArchiven zu Westwood.
Die vielen weiteren Retro-Perlen dieser Ausgabe entnehmt
ihr am besten der folgenden Doppelseite: Dazu kommen Reports
wie Winnie Forsters Made in UK, Teil 2 oder ein Interview mit
dem Chef von Hewson Consultants, die unter anderem die Spiele
von Andrew Braybrook veröffentlichten.
Mir bleibt nur zu sagen: Viel Spaß beim Lesen, Erinnern – und
natürlich Selberspielen, ob auf modernen Plattformen, im Emulator
oder auf der Original-Hardware!
Noch so ein Steckenpferd von mir aus den 80ern war
­ lade Runner. Das erste nächtliche Ansehen nach zehnstündiger
B
Brettspiel-Partie, von VHS-Kassette, bleibt mir unvergessen. Fiery
the Angels fell … Als dann meine Lieblingsfirma Westwood Ende
der 90er ein offizielles Spiel zu meinem Lieblingsfilm Blade Runner
Euer Jörg Langer
Projektleitung Retro Gamer
Roland
Austinat
Winnie
Forster
Knut
Gollert
Michael
Hengst
Anatol
Locker
Heinrich
Lenhardt
Peter
Schmitz
Mick
Schnelle
Jörg
Langer
INHALT 1/2016
Dezember, Januar, Februar
Für Liebhaber von klassischen Spielen
TITEL: SHOOT-EM-UPS
KLASSIKER-CHECK
HISTORIE
014Salamander
006 Patrizier 2
044 Made in UK, Teil 2
Heinrich Lenhardt spielte erneut Life Force
016Shoot-em-ups
Wie das Baller-Genre erst die Arcades und
dann die Wohnzimmer eroberte
084 Eye of the Beholder
026Vanguard
Extreme Vielfalt konstatiert Roland Austinat
0281942
Wieso uns Japaner US-Jets steuern ließen
034 Chaos Engine
Das Plattform-Shoot-em-up im Detail
042 Space Invaders
Jörg Langers Videospiele-Einstiegsdroge
RETRO REVIVAL
052 Alternate Reality
Größenwahnsinns-RPG (Michael Hengst)
072XenoSaga
Michael Hengst zu Nietzsche-Zitaten u. m.
110 Ice Hockey
Lieblingssportspiel von Heinrich Lenhardt
148 Bandit Kings of Ancient China
Winnie Forster mag’s strategisch
164 Eric The Unready
Anatol Locker liebt Humor & Rätsel
176 Magic of Endoria
Peter Schmitz hat für euch gebuddelt
190Toonstruck
Mick Schnelle lobt den genialen Flop
HARDWARE
060 Tiger Gizmondo
Winnie Forster über den Skandal-Handheld, dessen Chefs Verbrecher waren
Westwood klaute erfolgreich bei FTL, vergaß aber eines – meint Michael Hengst
FIRMENARCHIVE
078 Westwood Studios
Knut Gollert will ein altes Übel korrigieren
036 Bionic Commando
Mick Schnelle hat sich den WirtschaftsStrategieklassiker erneut vorgenommen
Von frühen RPGs über die Quasi-Erfindung
des RTS-Genres bis Blade Runner
122 Black Isle Studios
Ohne diese Interplay-Tochterfirma wären
die Rollenspiele um viele Perlen ärmer
150SSI
Einst von Strategen geliebt, heute von vielen vermisst: Wie SSI er- und verblühte
MAKING OF
008 Sam & Max Hit the Road
LucasArts’ irres Erwachsenen-Adventure
Die letzte Großtat von Peter Molyneux
062Rayman
Keine Arme oder Beine – aber viel Spaß
086Ranarama
Ein Frosch auf den Spuren von Paradroid
096Xenophobe
Inoffizielle Aliens-Umsetzung für 3 Spieler
106 Leather Goddesses of Phobos
Schlüpfrig, lustig, stinkig: Sex im Textparser
128Driller
Die 3D-Revolution aus England
134 Max Payne
Die Geburt eines der großen Actionhelden
178 Wonder Boy III
100 Amstrad GX 4000
AUF DEM SOFA MIT
Wie Texas Instruments Streit mit Commodore suchte – und verlor
Amstrad wollte aus alter Technik eine neue
Konsole schaffen – und vergaß die Spiele
4 | RETRO GAMER 1/2016
Lest über Tiergestalten und Drachen
184 Andrew Hewson
Der Gründer von Hewson Consultants
Ab 1983 boomt die Heimcomputer-Szene in
Großbritannien – zig Plattformen sei Dank
074 Blade Runner
Louis Castle erzählte parallel zur Filmstory
eine eigene Handlung mit mehreren Enden
090 Dig Dug
Kinderkompatible Gewalt: Wer Monster
aufbläst und platzen lässt, bekommt Obst
112F-Zero
Mit dem Mode-7-Grafikmodus des SNES
zauberte F-Zero pfeilschnelle „3D“-Pisten
138 Die 25 besten Xbox-Spiele
Gerade erschien Halo 5 – mit Halo begann
die Geschichte der ersten Xbox
156Repton
Der Boulder Dash-Klon, dessen Schöpfer
sagt: „Ich spielte niemals Boulder Dash!“
166 Die 25 besten Atari-ST-Spiele
054 Dungeon Keeper
066TI-99
Spielerisch im Schatten des Amiga?
Von wegen – siehe diese Highlights
UNKONVERTIERTE
050 Die Unkonvertierten
Bucky O’Hare, Tropical Angel, Super Space
Fortress Macross u. a.
061 The A-Team (Retro-Schande)
Eines der miesesten Spiele aller Zeiten
144PlayStation-Außenseiter
Bei über 4.000 PS1-Spielen kennt ihr
einige dieser Perlen bestimmt noch nicht
172PC-Engine-CD-Außenseiter
Dracula X: Chi No Rondo, Galaxy Deka
Gayvan, Motteke Tamago u. a.
RUBRIKEN
003Editorial
192Retro-Feed
194Vorschau
RETRO-HARDWARE
ERFOLGSPRODUKTE UND EXOTEN
066
100
006
054
072
090
112
134
148
138
166
008
014
028
036
074
084
166
K L A SSIK E R- CH ECK
» SPEEDBALL 2: BRUTAL DELUXE
» Unterwegs
mit der Holk.
» Breiter Bug,
ruhige Fahrt:
der Kraier.
» Eine gut beladene Kogge.
» Ganz schön schmuck,
so ne Schnigge.
Geld und Macht
U
ns Deutschen wirft man
ja gerne vor, ein humor­
loses Volk voller penibler
Rechenschieber zu sein.
Wirtschaftssimulationen wie Patri­
zier 2 scheinen das zu bestätigen.
Denn letztlich macht man kaum etwas
anderes, als Zahlenwerte zu vergleichen
und sich am Anstieg anderer Zahlen
zu erfreuen. Doch wenn deutsche
Designer das derart schön in ein historisches Gewand voller liebevoller Details
stecken und damit Erfolg haben, muss
doch eine fantasievolle Seele in uns
schlummern.
Patrizier 2 kann die Verwandtschaft zu den berühmt-berüchtigten
Wirtschaftssimulationen der Amiga-Ära
nicht verleugnen. Jenen staubtrockenen
statischen Zahlenschiebereien, die bis in
die 90er Jahre hinein den Spielemarkt
drangsalierten. Doch in jedem Genre
steckt letztlich doch etwas Innovationskraft, und so bewies Ascaron mit dem
6 | RETRO GAMER 1/2016
zweiten Teil, wie man das dröge Genre
bewässerte. Denn Patrizier 2 war alles
andere als statisch. Unter Leitung von
Entwicklungschef Daniel Dumont, der
mit Teil 1 nichts zu tun hatte, entstand
eine dynamische Wirtschaftssimulation,
die bis heute ihresgleichen sucht.
Es geht darum, zur Blütezeit der
Hanse im Nord- und Ostseeraum Waren von A nach B zu schippern und sie
am Zielort mit größtmöglichem Profit zu
verschachern. Dabei, und das war das
Brillante an Patrizier 2, beeinflussten die
Käufe und Verkäufe nicht nur die lokale
Wirtschaft am jeweiligen Handelsort,
sondern auf die Dauer im gesamten
simulierten Wirtschaftsraum. Zusätzlich
ließ sich das System durch Produktions­
betriebe beeinflussen, die mit dem
erwirtschafteten Geld errichtet wurden.
Wohlgemerkt, wir befinden uns immer
noch in der Dumont’schen Berechnungsengine, in der letztlich nur Zahlen
hin- und hergeschoben werden.
Dröge wurde Patrizier 2 nie, was
nicht zuletzt auch an der schmucken,
nett animierten Schräg-von-oben-Grafik
lag, in der die kleinen und größeren
Städte dargestellt wurden. Legendär
auch die perfekt schnurrende Steuerung, mit der auch komplexe Aktionen
binnen weniger Mausklicks erledigt
wurden. Zugegeben, es brauchte ein
komplettes staubtrockenes Tutorial, bis
man all die kleinen Kniffe kannte, um
die Aktionen effektiv auszuführen. Aber
einmal gelernt, hat man die auch 15
Jahre später noch im Griff.
Euch ist sicherlich aufgefallen,
dass unsere Screenshots zum großen
Teil von der englischen Version stammen. Eigentlich ein Sakrileg bei einem
urdeutschen Spiel wie Patrizier 2! Doch
wir spielen die Oldies für den KlassikerCheck allesamt neu und verlassen uns
nicht auf oftmals verbrämte Erinnerungen! Die Originalversion auf CD ließ sich
auf einem aktuellen PC nicht mehr ans
Laufen kriegen. Abhilfe schuf eine aktualisierte Version, die es zum digitalen
Download derzeit allein bei GoG.com
gibt. Allerdings nur in der englischen
Version, was auf Nachfrage bei GoG
allein daran liegt, dass Patrizier 2 samt
dem Add-on außerhalb Deutschlands als
Patrician 3 angeboten wurde. Die AufVon Heinrich
Lenhardt Hauptprogramm
dröselung
in deutsches
samt anders benamsten Add-on würde
Neuverhandlungen mit dem derzeitigen
Rechteinhaber Kalypso erfordern. Und
das möchte man sich wohl ersparen. So
bleibt’s also bis auf Weiteres beim englischsprachigen Patrician. Dem Spielspaß
tut das natürlich keinen Abbruch.
von Mick Schnelle
DENKWÜRDIGE
WIESO EIN KLASSIKER?
DIE SEEKÄMPFE
» SPEEDBALL 2: BRU
TAL DELUXE
Perfektes Handelssystem
Piraten und Plünderei
EIGENE PRODUKTIONEN
DAS HANSE-FEELING
Dem wahren hanseatischen Pfeffersack, dem das Schachern mit Gold
und Waren im Blut liegt, sind sie zuwider. Doch ungeduldige Spieler können sich den langwierigen Handel ersparen und als Pirat auf Beutezug
gehen. Dazu gehört ein gut bewaffnetes Schiff und ein glückliches Händchen in den Echtzeitschlachten. Die KI erweist sich als nicht sonderlich
clever; wer ein wenig geübt hat, schickt selbst überlegene Feinde auf
den Meeresgrund. Aber auch wer auf friedlichen Handel setzt, ist gegen
­Piratenüberfälle nicht gefeit. Die Gefechte laufen ähnlich wie in Pirates!
ab. Wer nicht mag, darf die Kämpfe auch berechnen lassen.
Zugeschaut und mitgebaut
Kreuz und quer übers Meer
» PLATTFORM: P
C
» PUBLISHER: INFOGRAMES
» ENTWICKLER: A
SCARON
» VERÖFFENTLICHT: 2000
» GENRE: WIRTSCHAFTSSIMULATION
Was die
Presse sagte …
Einen nicht unwesentlichen Beitrag zum Erfolg von Patrizier 2 leistete
das Hanse-Feeling mit seinem unverbrauchten Szenario. Immer wieder
eingestreute Ereignisse, die sich an der historischen Vorlage orientierten, trugen das ihre dazu bei, den Spieler tief ins mittelalterliche Geschehen hineinzuziehen. Das „Ich bereise Nord- und Ostsee“-Gefühl
wurde durch die simple, aber schmucke Karte befeuert. Darauf waren
alle eigenen Schiffe zu sehen und alle anderen Kähne, die sich gerade
in deren Sichtweite befanden. Nicht unspannend war es zuzuschauen,
wie ein eigener Kahn verzweifelt versuchte, Piraten zu entwischen.
DIE POLITIK
DIE GRAFIK
Daniel Dumonts Schacher-Klassiker hat viel mehr zu bieten als simples
Verschiffen von Waren von A nach B. Zwar braucht man viel Zeit und
Geld, aber dann kann der Bau eigener Produktionsanlagen beginnen.
Zuerst gilt es die Genehmigung der örtlichen Gilde zu erlangen, danach
werden auch noch jede Menge Rohstoffe benötigt. Aber irgendwann
produziert man die eigenen Güter und kann damit die gesamte Wirtschaft der Stadt beeinflussen. Etwa um den Bedarf an Lebensmitteln zu
decken, wodurch die Zahl an Bewohnern steigt. Die benötigen Wohnungen – wer hat in weiser Voraussicht gerade zwei Mietshäuser errichtet?
FAKTEN
Scan: kultboy.com
Das Herz von Patrizier 2 ist die gut geölte Waren-Preis-Engine. Jede
Transaktion beeinflusst das gesamte Spiel. Wer Fische in Lübeck
kauft, weil sie dort produziert werden, kann mit Hamsterkäufen dennoch den Preis steigern und den Fischbedarf in der Stadt steigern.
In London, wo es keine Fischmanufakturen gibt, landen die Waren
wieder im System und beeinflussen den Verkaufspreis. Zudem ist der
Londoner Bedarf erst mal gedeckt, weshalb sich die nächste Reise
von Lübeck nicht automatisch lohnt. Ebenso funktioniert die aus Teil 1
bekannte Route „Pelze aus Nowgorod“ nicht mehr ewig.
MOMENTE
PC Player 01/2001, 76 %
»… wer sich damals mit
solchen Spielen seine erste
virtuelle Million verdient hat,
darf mit dem neuen Patrizier
noch mal so richtig in Nostalgie
schwelgen.«
(Damian Knaus)
GameStar 01/2001, 85 %
»Wer … gern schachert,
handelt und einer Seeschlacht
nicht abgeneigt ist, kommt um
Patrizier 2 nicht herum.«
(Mick Schnelle)
Was wir denken
Viel Flair trotz Pixel-Look
Schon Ende 2000 war die Grafik von Patrizier 2 nicht gerade das
stärkste Pfund, mit dem die Wirtschaftssimulation wuchern konnte.
Dennoch konnte die von schräg-oben gezeichneten Städte mit ihrer
liebevoll animierten Kleinteiligkeit viel Flair erzeugen. Vor allem, weil
keine Stadt der anderen glich: London war nicht Lübeck, Nowgorod
nicht Aalborg. Dieses Kunststück schaffte Patrizier 4 mit 3D-Grafik
nicht. Nicht isometrisch, sondern platt 2D war die Karte von Patrizier 2,
auf der man die Reisen der eigenen Schiffe verfolgt. Doch die FitzelIcons waren nett gezeichnet, die Farbgebung freundlich.
Der Weg zum Bürgermeister
Es gibt ein Endziel in Patrizier 2. Und zwar gilt es Hetmann zu werden,
Chef der Hanse. Dazu reicht es aber nicht aus, Handelsfürst zu sein
oder die meisten Häuser und Betriebe zu besitzen. Es führt kein Weg
daran vorbei, sich auch politisch zu engagieren. Dazu gehört eine
gewisse Beliebtheit in den Städten, um überhaupt am politischen Leben teilnehmen zu dürfen; gute Beziehungen mit dem Klerus schaden
nicht. Und wen es tatsächlich nach Macht gelüstet, der wird Bürgermeister. Dann gilt es zudem die Geschicke der Stadt zu lenken und die
Verteidigung gegen Landstreitkräfte zu organisieren.
Patrizier 2 ist auch heute noch
der beste Teil der Reihe. Das
liegt zum einen an der schön
gezeichneten Grafik, die die
3D-Optik von Teil 4 locker
schlägt. Aber auch an der fast
perfekten Steuerung und der
hervorragenden Waren-PreisEngine, die exakt auf Veränderungen und Handel reagiert.
RETRO GAMER 1/2016 | 7
MAKING OF…
SAM & MAX
HIT THE ROAD
Sam & Max Hit the Road ist eines der humorvollsten klassischen
Adventure-Spiele aller Zeiten. Retro Gamer hat sich mit Steve Purcell, dem
Erfinder der Charaktere, in Verbindung gesetzt, um über den Titel zu sprechen.
8 | RETRO GAMER 1/2016
MAKING OF: SAM & MAX HIT THE ROAD
» Die eigenwilligen
Helden kamen gut
bei den Spielern an.
FAKTEN
» PUBLISHER: LUCASARTS
» ENTWICKLER: LUCASARTS
» ERSCHIENEN: 1993
» GENRE: ADVENTURE-SPIEL
>>MAX WAR EIN NACKTER HASE MIT
SCHARFEN ZÄHNEN, DIE EINEM HAI
KONKURRENZ MACHEN KONNTEN.<<
I
n Filmen und im Fernsehen sind
Duos gang und gäbe. In Videospielen dagegen fallen uns deutlich weniger Zweiergespanne ein.
Vor allem solche, die à la Ratchet &
Clank auch wirklich vielen bekannt
sind. Eines dieser Duos, das wohl
kaum jemanden aus dem Gedächtnis
verschwunden sein dürfte, ist Sam &
Max. Die beiden bildeten aber auch
ein wirklich sehr seltsames Gespann.
Mit seinem Anzug und den trockenen
Sprüchen war Sam der perfekte Detektiv – ganz abgesehen davon, dass
es sich um einen Hund mit extralangen Schlappohren handelte. Sein Partner Max war ein nackter Hase, dessen
scharfe Zähne einem Hai durchaus
Konkurrenz machen konnten, von seinem Naturell mal ganz zu schweigen.
Im LucasArts-Adventure Sam
& Max Hit the Road begaben sich die
beiden Cartoon-Helden auf die Suche
nach einem Yeti und besuchten unterwegs einige bizarre Touristen-Attraktionen. Beispielsweise den weltweit größten Ball, der aus Bindfäden besteht,
oder einen Golfkurs voller Alligatoren.
LucasArts’ Grafikadventure lebte von
seinen bekloppten Titelhelden und war
als Parodie auf Amerika und seine Sehenswürdigkeiten zu verstehen.
Rollenspiel für LucasArts mitwirkte.
Sam und Max verzeichneten
Das Projekt wurde jedoch eingestellt.
ihren ersten Auftritt im Comic Mon„Kurz nachdem ich einen Job hatte,
keys Violating the Heavenly Temple
war ich auch schon wieder arbeitsaus dem Jahr 1987. Die Charaktere
los“, erinnert sich Steve. „Zum Glück
wurden von Steve Purcell erschaffen,
brauchten sie wenig später jemanden,
den wir für diesen Report aufspüren
der das Box-Cover von Zak McKraken
konnten. Er verrät uns die Herkunft
zeichnet.“ Das übernahm Steve mit
des Detektivgespanns: „Mein Bruder
Bravour und arbeitete danach an Anihat sich Sam und Max ausgedacht, als
mationen für Indiana Jones and the
er noch ein Kind war. Ich parodierte
Last Crusade. „Bei einem Spieleentseine Comics und erschuf so meine
wickler auf der Skywalker Ranch zu
eigenen Versionen der Charaktere.“
arbeiten war wie an einem ständigen
Sein Bruder verlor irgendwann das
Zeltlager für Geeks teilzunehmen. Es
Interesse am Comic-Zeichnen, Steve
war einfach Spitzenklasse.“
aber machte weiter. „Über die Jahre
Es war nur eine Frage der Zeit,
hinweg haben mich auch The Blues
Brothers und Penn and Teller inspiriert.“ bis Steves Charaktere den Sprung
vom Comic auf den Computer-Monitor
Und das Fahrzeug, mit dem Sam und
wagten. LucasArts hatte bereits viele
Max durch die Gegend fahren, sei an
humorvolle Titel auf den Markt geein altes Familienauto angelehnt.
Schon bald hatte sich eine
Fan-Basis rund um den unorthodoxen
Comic und dessen zynische Protagonisten gebildet. Einige Mitarbeiter von
LucasArts wurden auf Sam & Max
aufmerksam, fährt Steve fort: „Ken
Macklin arbeitete damals für LucasFilm Games. Er hat mich aufgrund des
ersten Sam & Max-Comics an den Art
Director Gary Winnick weiterempfohlen.“ Daraus entstand eine Zusammen» Ein nervenaufreibendes Adventure.
arbeit, wobei Steve zunächst an einem
» Es gibt viele Mini-Spiele.
» Schiffe versenken, nur ohne Schiffe.
RETRO GAMER 1/2016 | 9
MAKING OF…
SAM & MAX
HIT THE ROAD
>>AUF DER SKYWALKER-RANCH
ZU ARBEITEN WAR WIE AN
EINEM ZELTLAGER FÜR GEEKS
TEILZUNEHMEN.<<
ROADSIDE
AMERICANA
Europäer könnten die Sehenswürdigkeiten in Sam & Max als
Hirngespinste der Entwickler bei
LucasArts abtun. US-Amerikaner
werden jedoch erkennen, dass
es sich um Parodien realer Attraktionen handelt. Steve bildete
die verrückten Eigenheiten von
Amerika ab. Ein Beispiel ist der
World’s Largest Ball of Twine in
Cawker City, Kansas. Das Knäuel
aus Bindfäden wies im Sommer
2014 einen Umfang von mehr
als zwölf Metern auf und war
fast dreieinhalb Meter hoch. Im
Vergleich zum Pendant in Sam &
Max wirkt der Ball aber mickrig.
Laut dem Spiel würde der ausgerollte Bindfaden nämlich den
Jupiter erreichen.
bracht – beispielsweise The Secret
of Monkey Island. Steves Duo eignete
sich perfekt für den entspannten Spielverlauf eines Adventures. „Sam & Max
funktioniert vor allem dann, wenn du
viel Zeit mit den Charakteren verbringen kannst. Dann gewöhnst du dich an
die Art und Weise, wie sie miteinander
interagieren. Das ist so, als würdest du
mit einem Freund reden, der all deine
Anspielungen versteht.“
1992 begann LucasArts mit der
Arbeit an einem Sam & Max-Adventure. Der Release war bereits für knapp
acht Monate später geplant. Steve und
das Entwicklerteam mussten sich also
schnell eine Story ausdenken. Für die
Handlung des Spiels orientierte sich
Steve am Comic und ließ Erlebnisse
aus seinem eigenen Leben mit einfließen. „Das Buch Roadside America
habe ich sehr gerne gelesen. Es ist ein
lustiger Reisebericht, der sich um die
verrücktesten Sehenswürdigkeiten in
Amerika dreht. Als Kind bin ich quer
durch die USA gereist. Das Buch und
meine Erfahrungen dienten als Inspira-
tion für meinen zweiten Comic und Hit
the Road.“
Die Sam & Max-Comics richteten sich klar an ein erwachseneres
Publikum. Steve war sich anfangs nicht
sicher, ob LucasArts Änderungen im
Bezug auf den Stil vornehmen wollte.
Letztendlich konnte er aber an seinen
Ideen festhalten: „Ich finde, das Spiel
erinnert stark an die Comics. Es gibt Gewalt und Kraftausdrücke. Waffen finden
aber seltener Verwendung. Der Grund
dafür ist simpel: Eine Pistole in einem
Adventure einzusetzen, macht keinen
Spaß.“ Steve erinnert sich an keinen
Vorschlag, der durch das Management
abgelehnt wurde. „Ich glaube, sie haben uns einfach vertraut.“
Nachdem die Story stand,
musste daraus noch ein Spiel werden.
Steve arbeitete mit Sean Clark, Michael
Stemmle und Collette Michaud zusammen, die vorher an Indiana Jones and
the Fate of Atlantis beteiligt gewesen
waren. Die Balance zwischen der Story
und Puzzle-Elementen zu finden war
keine leichte Aufgabe: „Wir mussten
» Es stört keinen, dass Sam und Max sprechende Tiere sind.
» Hat jemand wieder nach
Grim Fandango 2 gefragt?
immer im Blick haben, wie lange die
Spieler nicht mit der Welt interagieren.
Viele lustige Szenen ergaben sich aus
den Reaktionen der Charaktere auf die
Handlungen des Spielers. Wenn du
zum Beispiel auf ein Objekt im Raum
klickst und eine lustige Reaktion folgt,
dann trägt diese Interaktivität zur Stimmung bei.“
Den Entwicklern von Sam &
Max war es jedoch nicht genug, schlicht
Humor mit Rätseln zu verbinden und so
ein Spiel abzuliefern. Sie wollten zudem
an das Allerheiligste von LucasArts
Hand anlegen: die aus ihrer Sicht veraltete SCUMM-Engine, das Grundgerüst
aller LucasArts-Adventures seit Maniac
Mansion. Sie programmierten ein neues
Eingabesystem, dessen Mauszeiger sich
in Optik und Funktion änderte, wenn
man die rechte Maustaste drückte. Vor
Sam & Max wählten Spieler noch ein
Verb am unteren Bildschirmrand aus
und klickten danach auf ein Objekt in
der Spielwelt. Die neue Methode sparte
die Verb-Auswahl und sorgte gleichzeitig für mehr Platz auf dem Bildschirm.
Für Steve als Story-Verantwortlichen ergab sich noch ein weiterer
Vorteil: „Ich finde, ein Symbol-basiertes
Interface eignet sich gut für ein Spiel
mit vielen verbal geäußerten Witzen. Es
wäre doch schrecklich, wenn Spieler
den Witz lesen, bevor sie ihn hören. Ich
bin mir nicht mehr sicher, aber ich glaube, es war Mike Stemmle, der die Idee
für das Interface hatte.“
Das Spiel hätte vermutlich so
in den Handel kommen können. Steve
hatte aber noch ein paar weitere ­Ideen.
LucasArts war sich bewusst, dass
zu schwierige Puzzles dazu führen
» Ein ziemlich verrücktes Golf-Spiel.
10 | RETRO GAMER 1/2016
MAKING OF…
SAM & MAX
HIT THE ROAD
DAS
WIEDERSEHEN
2004 kündigte LucasArts Sam &
Max: Freelance Police an, stellte
die Entwicklung jedoch wieder
ein. 2005 erhielt Steve Purcell
die Lizenz an den Charakteren
zurück und vergab die Rechte
an Telltale Games. Dort arbeiteten unter anderem ehemalige
LucasArts-Mitarbeiter an einem
neuen Sam & Max-Spiel. Es wurde ein Episoden-Adventure.
Ende 2006 erschien die
erste von sechs Folgen von Sam
& Max: Season One. Ein Jahr später folgte die zweite Staffel bestehend aus fünf Episoden. Sam &
Max: The Devil’s Playhouse ist die
dritte und bislang letzte Staffel.
Sie ist im Jahr 2010 erschienen.
Seitdem hat sich Telltale von den
klassischen Adventures weit
entfernt: Ihre Comic- und TV-Umsetzungen wie The Walking Dead
oder Game of Thrones sind sehr
atmosphärisch, gaukeln die Entscheidungsfreiheit aber zumeist
nur vor und bieten „Rätsel“, die
von einjährigen Schimpansen
gelöst werden können.
ENTWICKLERHIGHLIGHTS
MANIAC MANSION
PLATTFORMEN: PC, APPLE II,
AMIGA, COMMODORE 64, NES,
FAMICOM
JAHR: 1987
THE SECRET OF MONKEY
ISLAND
PLATTFORMEN: PC, AMIGA,
MAC, SEGA CD
JAHR: 1990
INDIANA JONES AND THE
FATE OF ATLANTIS (IM BILD)
PLATTFORMEN: PC, AMIGA, MAC
JAHR: 1992
12 | RETRO GAMER 1/2016
» Oben: Die Karte von Hit the Road.
Unten: Hoffentlich stimmt der
Brandschutz.
Sprachausgabe und genügend kniffkönnen, dass Spieler stecken bleilige Rätsel. Es kam 1993 in die Läden
ben, sodass es nichts mehr für sie
und erfreute sich bei Adventure-Liebzu tun gibt, bis sie die Lösung finden.
habern hoher Beliebtheit. Auch abSteve fügte deshalb einige Minispiele
seits der alteingesessenen Fans kam
hinzu, etwa eines, in dem man à la
das Spiel gut an, was wohl zum GroßSchiffe versenken Autos mit Bomben
teil auf die Titelhelden zurückzuführen
zerstören musste. „Die Minispiele sollwar: „Ich darf mich vermutlich immer
ten für etwas Ablenkung sorgen. Sie
noch nicht konkret zu den Verkaufswaren für alle gedacht, die mal eine
zahlen äußern. Über die Jahre hat sich
Pause vom Knobeln machen wollten“,
erklärt uns Steve. „Es ist wichtig, Spie- das Spiel aber viel besser verkauft als
anfangs prognostiziert worden war.
lern genügend zum Ausprobieren zu
Der Titel wirkte seltsam, was offenbar
geben, sodass sie selbst entscheiden
viele Leute angesprochen hat. Es gab
können, was sie machen wollen.“
auch Leute, die dachten, es handelt
Sam & Max Hit the Road sollte
sich um ein Spiel für Kinder …“
nicht nur auf Diskette, sondern auch
Sam & Max hob sich stark von
auf CD-ROM erscheinen. Es war desanderen LucasArts-Adventures ab: In
halb eines der ersten Adventures mit
keinem anderen davon steuerte man
Sprachausgabe. Steve musste sich
zwei Charaktere gleichzeitig. Auch in
zum ersten Mal Gedanken über die
Sachen Humor gehörte das Spiel zu
Stimmen seiner Charaktere machen.
den besten LucasArts-Spielen. Steve
„Donald Sutherland hatte meiner Meihat seine eigene Theorie, warum Hit
nung nach die perfekte Stimme für
Max. Er klingt groß und intelligent. Das the Road besonders aus der Masse
hervorstach: „Es erweckte den Einleichte Lispeln verleiht seiner Stimme
druck, ein erwachsenerer Titel zu sein
eine gewisse Ernsthaftigkeit. Bill Far– beispielsweise durch die verwendete
mer klingt zwar überhaupt nicht nach
Sprache und die Aggressivität der
Donald Sutherland, die Demo-AufnahCharaktere. Dieser Eindruck war aber
men haben mir aber gut gefallen, weil
er den Text sehr trocken rübergebracht nicht ganz richtig. Gewalt beispielsweise bekamen Spieler nur selten
hat. Er hat es bei seiner Performance
direkt zu sehen.“
nicht übertrieben und mich so zum
Seit der ursprünglichen VerLachen gebracht.“ Bill Farmer wurde
öffentlichung von Sam & Max Hit the
letzt­endlich die Stimme von Sam in
Road sind immer wieder Neuauflagen
Sam & Max Hit the Road. „Ich würerscheinen. Der Emulator ScummVM
de seinen Sam als eine Mischung
bietet zudem so ziemlich jedem die
aus Johnny Carson und Jack Webb
Möglichkeit, den Titel nachzuholen
bezeichnen.“ Den wenigsten dürften
oder wieder mal zu erleben. Steve ist
diese Namen ein Begriff sein: Johnny
Carson war der ursprüngliche Modera- erfreut darüber: „Ich bin immer überrascht, dass Sam & Max heute noch
tor der Tonight Show und Jack Webb
war in der Serie Polizeibericht zu sehen. gespielt wird. Ich treffe ab und zu
Leute, die Sam & Max früher gespielt
Sam & Max konnte zum Re­
haben und den Titel immer noch
lease nicht nur mit seinen beiden aussporadisch starten. Die Mühe hat sich
gefallenen Helden punkten, sondern
also gelohnt!“
besaß auch ein innovatives Interface,
WEITERE TEILE DER SERIE:
Sam & Max: Freelance Police
(PC, eingestellt)
Sam & Max: Season One
(PC, Xbox 360, Wii, 2006)
Sam & Max: Season Two
(PC, Xbox 360, Wii, 2007)
Sam & Max: The Devil’s Playhouse
(PC, PS3, 2010)
T
O
SHEOM-UPS
K L A S SIK E R- CH ECK
» SPEEDBALL 2: BRUTAL DELUXE
K
ein Terrariums-Simulator,
sondern spektakulärer
Weltraumkampf: Konami
hatte mit Gradius (Nemesis)
das Extrawaffen-Ballerspiel definiert,
dieser Serienableger baute dann die
Brücke zur R-Type-Moderne. Salamander beeindruckte durch lebendige Levels, stattliche Gegner, potente
Power-ups und einen Koop-Modus
für zwei Spieler. Ausgerechnet letzteres Feature fehlte bei der gekürzten C64-Umsetzung, die dank prächtiger Grafik und guter Spielbarkeit
dennoch in guter Erinnerung bleibt.
Besser machte es Konami bei der
NES-Adaption, die unter dem Namen
Life Force erschien.
Wegen der ausgefeilten Hinter­
grundstorys hat man Shoot-em-ups von
Konami sicherlich nicht gekauft, wie
die Packungsrückseite von Salamander
eindrucksvoll demonstriert. Es ist da die
Rede von einer furchtsamen Galaxie
voller „organischer Zerstörungsmonster“,
die „jenseits der Unendlichkeit“ von
den bösen Mächten des despotischen
Salamander beherrscht wird. Ein wenig
14 | RETRO GAMER 1/2016
zerstört fühlte ich mich auch, als wir die­
se Cover-Artwork für die erste BeilagenEdition von Power Play wählten: Nach
sechs eigenständigen Ausgaben musste
unsere Spielezeitschrift mit Ausgabe
10/88 vorübergehend bei Happy-Computer einziehen, um die Verkaufszahlen des
Muttermagazins zu stützen.
Wenigstens konnte ich mir den
Verlagsfrust bei der erfreulich guten C64Version des Salamander-Spielautomaten
vom Leibe schießen. Sie beeindruckte
mit ihrer Menge an Sprites und Schüs­
sen, das selbstredend butterweiche
Scrolling trieb unser Schiff mal horizontal,
mal vertikal über den Bildschirm. Der
Spieleinstieg war nach Genre-Verhält­
nissen ungewohnt nett und bescherte
in kurzer Zeit reichlich Extras. VorzeigeLevel war eindeutig die 3. Stufe mit ihren
Feuerfontänen, die Grafiker Bob Stephen­
son im Rahmen der C64-Farbpalette sen­
sationell schön umsetzte. Hier ringelte
sich auch eine riesige Weltraumschlange
um unser Schiffchen, ein Vorgeschmack
auf gewisse R-Type-Feinde.
Sah das Fangzahn-Reptil der
Salamander-Artwork mit seinem weit
mehr Levels und auch den turbulenten
aufgerissenen Maul nicht eher wie eine
Zwei-Spieler-Modus. Dank Virtual Con­
knurrige Kobra aus? Der Weltraumsole ist die NES-Version von Life Force
Molch als Feindbild kam wohl auch
heutzutage auf Nintendo 3DS und Wii U
Konami etwas albern vor: Eine grafisch
spielbar. Salamander tauchte im Rahmen
überarbeitete US-Version des Automaten
einiger Konami-Compilations auf PlaySta­
erschien unter dem neuen Namen Life
tion-Systemen immer wieder auf. Eine
Force. Der Grafikstil wirkte nach dem
ersten Level mehr organisch und weniger hervorragende Umsetzung erschien
auch 1991 für die PC-Engine.
mechanisch, spielerisch gab es zunächst
Lang, lang ist der Kampf in der
keine Änderungen. Doch als Life Force
furchtsamen Galaxie her. So lange, dass
ein Jahr später auf dem japanischen
ich mir inzwischen die SalamanderHeimatmarkt eingeführt wurde, kam es
zu einem Eingriff beim Power-up-System. Artwork wieder ansehen kann, ohne
von Erinnerungen an die „Power Play als
Bei Salamander sammelt man Symbole
Von Heinrich Lenhardt
Supplement“-Jahre
gequält zu werden.
auf, die sofort für das jeweilige Extra sor­
Und überhaupt relativiert die Spielbe­
gen. Life Force verwendet dagegen das
schreibung jedwedes persönliche Leid:
alte Gradius-System: Der Spieler hortet
Kapseln, um sich per Knopfdruck gezielt „Infernos toben wie stürmische Seen“,
Dämonen wüten in „Höhlen der Ver­
Upgrades zu leisten.
zweiflung“ – da wirkt der Alltag im direk­
So erklären sich Namens- und
ten Vergleich doch recht erträglich.
Design-Unterschiede der NES-Version
Life Force: Diese orientiert sich am
gleichnamigen Arcade-Remix von 1987,
nicht am original Salamander-Automaten
aus dem Jahr 1986. Trotz Grafik-Gefla­
cker und verschärftem Schwierigkeits­
grad stellt sie den C64-Cousin in den
Von Heinrich Lenhardt
Schatten, denn auf dem NES gibt es
WARUM EIN KLASSIKER?
UPGRADE-SYSTEM
» SPEEDBALL 2: BRU
TAL DELUXE
Verfeinerte Extrawurst
Ein Knopf genügt
Mit Riple-Laser und Beiboot-Flotte fühlen wir uns schier unverwundbar
und feuern gewaltige Breitseiten gegen die feindliche Übermacht. Anspannung und Nervosität mischen sich mit der Euphorie, denn es bedarf
nur eines Kügelchens oder einer Kollision, um neben einem Leben auch
den Großteil der Extrawaffen-Herrlichkeit zu verlieren. Bei Salamander
verfeinerte Konami dieses Gradius-Erfolgsrezept und mischte traditionelle Horizontal-Stufen mit vertikal scrollenden Abschnitten. Trotz Kürzungen bei Levels und Koop überraschte die C64-Umsetzung angenehm und
bescherte Ballerspaß fast so schön wie in der Spielhalle.
KOOP-MODUS
8-BIT-GRAFIKPRACHT
Gradius’ große Innovation war das Extrawaffensystem: Kapseln sammeln, bis man genug für den gewünschten Upgrade beisammen hat und
dann mit dem zweiten Feuerknopf aktivieren. Aber Moment, welcher
zweite Feuerknopf? Dummerweise verwendete der C64 den alten 9-PinStandard von Atari, der nur einen Button unterstützt. Bei vielen Shootem-ups war deshalb voller Körpereinsatz gefragt, um mit Ellbogen oder
Fußballen die Leertaste zu traktieren. Das Salamander-System war C64freundlicher, da man hier statt Energiekapseln Instant-Extrasymbole
aufsammelte, die sofort für einen bestimmten Upgrade sorgten.
Zweisamkeit nur auf NES
Ein Job für Bob
Bei Umsetzungen von Spielautomaten auf 8-Bit-Systeme musste man oft
happige grafische Einbußen in Kauf nehmen, doch sowohl C64-Salamander
als auch NES-Life Force holten Erstaunliches aus der jeweiligen Hardware
heraus. Gelegentliches Flackern und Verlangsamungen trübten den guten
Eindruck kaum. Pixelkünstler Bob Stephenson, der schon mit der IO-Grafik
für Aufmerksamkeit gesorgt hatte, war für die tolle C64-Optik verantwortlich. Diese Version profitierte davon, dass die einzelnen Levels nachgeladen
wurden. Das Spielen der Kassettenversion wurde so zur Geduldsprobe,
aber Meister Stephenson konnte sich mit (relativ) viel Speicher austoben.
LEBHAFTE LEVELS
SCHWIERIGKEITSGRAD
Im Weltraum konnte man sich recht einsam fühlen, vor allem angesichts
der feindlichen Übermacht von Gradius. Eine der großen Neuerungen
von Salamander war folgerichtig der Koop-Modus, bei dem zwei Spieler
gleichzeitig ballern (und sich auch die Extras gegenseitig vor der Nase
wegschnappen). Doch bei Imagines Heimcomputer-Umsetzungen
mussten wir auf dieses Feature verzichten, die ansonsten so solide
C64-Version verwehrt das Pärchenglück. Waren da die CPUs oder die
Programmierer zu schwach? Konamis NES-Umsetzung Life Force konnte
schließlich mit dem begehrten Zwei-Spieler-Modus aufwarten.
Durch den Lurch
Die Levels von Salamander wirken dynamisch und lebendig. Das gilt
insbesondere für die erste Stufe, bei der wir uns den Weg durchs Innere
einer riesigen organischen Lebensform schießen. Grabschtentakel
und Stoßzähne wuchern bedrohlich aus dem Spielfeldrand, widerliche
Wucherungen werden aus sicherer Entfernung zur Explosion gebracht.
Beim Ballern durch eine organische Wand dürfen wir weder zu schnell,
noch zu langsam fliegen, denn einige Sekunden später wächst die Biomasse nach. Auch spätere Stufen bieten Umgebungs-Action, am spektakulärsten sehen die eruptierenden Feuerwalzen von Level 3 aus.
Keine übertriebene Härte
Zu Beginn bekommen wir gleich massig Extras nachgeschmissen, ab
Stufe 2 hat der Schwierigkeitsgrad eine gewisse Knackigkeit. Dabei geht
es aber fair zu, hier haben auch Normalsterbliche eine Durchspielchance.
Das war keine Selbstverständlichkeit, das Ende von C64-Shoot-em-ups
wie IO, Katakis oder Delta sahen nur Baller-Profis oder Cheat-Verwender.
Salamander punktete mit serienmäßigem Dauerfeuer, sauberer Kollisionsabfrage und Großzügigkeit bei Lebensverlust: Unser Raumschiff wurde
nicht zurückgesetzt und konnte verlorene Beiboote wieder aufsammeln.
Cousin Life Force auf dem NES war für Solo-Spieler um einiges härter.
Hinweis: Die Screenshots haben wir mit der C64-Fassung erstellt. Ausnahme: Das Bild zu „Koop-Modus“ zeigt die NES-Version von Life Force.
MOMENTE
FAKTEN
» PLATTFORMEN: SALAMANDER: C64,
LIFE FORCE: NES
» PUBLISHER: IMAGINE, KONAMI
» ENTWICKLER: IMAGINE, KONAMI
» VERÖFFENTLICHT: 1986 (SPIELAUTOMAT),
1988 (HEIMUMSETZUNGEN)
» GENRE: SHOOT-EM-UP
Was die
Presse sagte …
Scan: kultpower.de
DENKWÜRDIGE
Power Play 10/88: 72/100
(für C64-Version)
»Angesichts der Grafik
bekommt man ganz schön
große Augen. Dazu kommt die
unglaubliche Menge von Sprites,
die auf dem Bildschirm herumhuscht. […] Wenn man in Form
ist, spielt man sich allerdings
relativ schnell durch alle vier
Levels.« (Heinrich Lenhardt)
Power Play 4/89: 81/100
(für NES-Version)
»Salamander auf dem C64
war schon ganz nett, doch wer
Life Force auf dem Nintendo
sieht, dem klappt erst mal die
Kinnlade herunter. Jenseits des
ersten Levels können nur gute
Actionspieler bestehen.
(Heinrich Lenhardt)
Was wir denken
Salamander spielt nicht in der selben Promi-Liga wie Gradius und
R-Type, ist aber ein nicht zu unterschätzendes Shooter-Kleinod der
Achtziger. Abwechslungsreiche
Levels und gute Steuerung
sorgen heute noch für Spaß.
RETRO GAMER 1/2016 | 15
16 | RETRO GAMER 1/2016
EXPERTENWISSEN: SHOOT-EM-UPS
» [Automat] Taitos Space Invaders
zündete den Shoot-em-up-Boom.
Das Genre der Shoot-em-ups
besteht nun weit über 30 Jahre
und hat sich von Spacewar bis
­Resogun weiterentwickelt. Mit diesem
Schwerpunkt und weiteren Artikeln
versuchen wir die Frage zu klären,
weshalb viele von uns bis heute
nicht genug von 2D-Baller-Action
­bekommen können.
A
lles begann mit einem leisen
Herzpochen. Die Reihen von
Pixel-Aliens schoben sich
langsam über die flackernden Kathoden-Bildschirme
in den Spielhallen dieser
Welt. Der Startschuss fiel in Japan, wo solche und
andere Elektronik-Automaten den überirdischen Glanz
der Pachinko-Spielsalons nach und nach verblassen
ließen. Schon bald waren Shoot-em-ups überall. Es
ist nicht bloß eines der ältesten Spielegenres, es gibt
auch kaum ein anderes, das eine vergleichbar hohe
Anzahl an Spielen hervorbrachte. Den ersten riesigen
Popularitätsschub erfuhren die 2D-Ballereien gewiss
durch Space Invaders, das eine ganze Welle von „Erde
gegen Aliens“-Spielen nach sich zog. Die Wurzeln des
Genres sind aber bedeutend älter.
„Ich wuchs im Silicon Valley auf, weshalb ich
viele coole Sachen zu sehen bekam“, erinnert sich
Eugene Jarvis, Designer der Megaklassiker Defender
und Robotron 2084. „Mein erstes Shoot-em-up war
1971 Galaxy Game, eine Interpretation des GenrePioniers Spacewar.“ Der Automat wurde in Stanford
von Spielern belagert, die 10 Cents pro Spiel zahlten.
Obwohl Spacewar schon 1962 entstanden war, hatte
es niemand außerhalb der Computerforschungs-Labore gesehen. Unglücklicherweise entpuppte sich Galaxy
Game als zu teuer und schwierig zu vermarkten. Aber
es belegte die Anziehungskraft der Idee an sich.
Spacewar war in einer Gruppe MIT-Studenten
unter der Leitung von Programmierer Steve Russell
entstanden. Das Konzept war simpel: Zwei Spieler
steuern jeweils ein Raumschiff und versuchen sich gegenseitig abzuschießen, während sie gegen die Gravitation eines Sterns in der Bildschirm-Mitte ankämpfen.
Das Spiel nutzte eine Rotationssteuerung, die später
vom Automaten-Hit Asteroids aufgegriffen wurde.
Man nutzt Vorwärtsschub und einen „Hyperspace“Knopf (quasi ein Teleport), um kniffligen Situationen zu
entgehen. Diese Art der Verknüpfung physikalischer
Regeln mit Action bewegen Eugene dazu, sie in
RETRO GAMER 1/2016 | 17
KENNE
DEINE
SHOOTEM-UPS
» [Automat] Mit Defender holte
Eugene Jarvis die Shoot-em-ups
aus der Einzelbildschirm-Ecke.
SHMUP
■ Ein bekanntes englisches Kürzel fürs
Genre, das vom britischen C64-Magazin
Zzap!64 etabliert wurde und auch in
Deutschland nicht ungebräuchlich ist.
EIN-BILDSCHIRMSHOOTER
■ Shoot-em-ups, die nicht scrollen. Zu dieser Gattung zählen vor
allem frühe Shoot-em-ups wie
Space Invaders und Galaxian.
SEITWÄRTS-/VERTIKALSCROLLER
■ Shoot-em-ups, die vertikales,
horizontales oder multidirektionales
Scrolling für eine höhere Dynamik
und eine größere Spielwelt nutzen.
ähnlicher Form in Defender zu nutzen, genauso
wie es Atari in Titel wie Asteroids oder Gravitar tat.
Die Vorlage für die erste Schwemme an
Shoot-em-ups ist jedoch ein anderes Spiel. Viele
ahmten das Konzept von Taitos Space Invaders nach,
bei dem ein einzelnes Raumschiff Projektile auf eine
Feindformation abfeuert, die sich langsam auf es
zubewegt. Auch andere Automatenhersteller wurden
aktiv und führten zur Glanzzeit des Genres Ende der
70er, Anfang der 80er Jahre. In Astro Fighter von
Data East bekamt ihr es mit einer vergleichbar starren
Feindformationen zu tun, aber auf einem scrollenden
Sternenfeld. Statt Monochrom-Grafik wie in Space
Invaders gab es eine Palette von 16 Farben. In Namcos Galaxian sind es gleich 32, zudem lösen sich dort
immer wieder einzelne Gegner aus der Formation
und stürzen wie ein Sturzkampfbomber nach unten,
Richtung Spieler.
„Ich hatte Angst vor den Space InvadersAutomaten“, scherzt Malcolm Laurie, Gründer der
Website Shoot-em-ups.com. „Ich kannte mich nicht
damit aus, und all die großen Jungs hingen ständig
davor. Aber es gab ja noch Galaxian. Ich steckte
meine Münze in den Automaten, und schon hatte es
TWIN-STICK-SHOOTER
■ Spiele, in denen man mit dem einen Analogstick
sein Raumschiff oder seinen Helden bewegt und
ihn mit dem zweiten in jede Richtung schießen
lässt. Zu den Pionieren gehört Robotron 2084.
RUN-AND-GUN
■ Ein Shooter-Subgenre, in dem
meist ein Charakter zu Fuß unterwegs ist und auf Feinde schießt, wie
etwa in Commando und Outzone.
POWER-UP
■ Ein wichtiger Eckpfeiler moderner Shootem-ups. Im Regelfall sammelt man das
Power-up ein, erhöht damit seine Feuerkraft oder erhält eine spezielle neue Waffe.
BULLET-HELL-SHOOTER
■ Eine Variante der Shoot-em-ups, in der
einem meist eine ganze Wand aus Feindprojektilen entgegenkommt – und einem sprichwörtlich das Bildschirmleben zur Hölle macht.
MULTIPLIKATOR
■ Ein besonders in Bullet-Hell-Spielen
wichtiges Feature zur Highscore-Optimierung, zu dessen Aktivierung man in kurzer
Zeit viele Feinde abschießen muss.
TIME-ATTACK
■ Ein in einigen Shoot-em-ups
genutzter Modus, bei dem Spieler in
einem begrenzten Zeitabschnitt besonders viele Punkte einfahren kann.
18 | RETRO GAMER 1/2016
mich am Haken.
Diese farben» [Automat] Galaxian
verfeinerte die
prächtigen FeinMuster der Feindde schnappten
formationen.
nach mir, attackierten mich,
für mich ergab
das absolut
einen Sinn. Einfacher ging es
nicht: Erschieß die Bösen, bevor sie dich erschießen,
links, rechts, Feuer! Es hing alles von deinen Reaktionen ab und von Entscheidungen in Sekundenbruchteilen. Jedes Mal, wenn ich aufhören musste, fühlte ich
mich wie im Rausch und wollte mehr.“
In vergleichbaren Automatenspielen wie
Nintendos Space Firebird, Nichibutsus Moon Cresta
und SNKs Spielhallendebüt Ozma Wars zeigten die
Gegner unglaublich komplexe Angriffsmuster mit
unvorhersehbaren Flugbahnen, wie man sie sonst
erst in deutlich späteren Titeln sah. Das machte das
Spielerlebnis nicht nur variabler, sondern auch herausfordernder, wenn sich ein Gegner etwa wie aus dem
Nichts auf den Rezipienten stürzt.
AUSGEWÄHLTE ZEITLINIE
SPACEWAR
■ Dieser PDP-1-Titel für zwei Spieler
ist der wohl wichtigste Genre-Urahn.
1962
PHOENIX
■ In Phoenix gibt es neben Vögeln im Weltraum
auch einen der ersten Videospiel-Bosse: ein
großes Mutterschiff.
1978
SPACE INVADERS
■ Space Invaders ist der Großvater
der traditionellen Shoot-em-ups und
löst die erste große Welle aus.
ROBOTRON: 2084
■ Eugene Jarvis’ Robotron 2084
ist einer der ersten Twin-StickShooter – und höllisch schwer.
1980
DEFENDER
■ Defender verändert das Genre. Es erlaubt das Fliegen
in zwei Richtungen über eine scrollende Landschaft,
während man Feinde abschießt und Zivilisten rettet.
1981
XEVIOUS
1982
■ In diesem Shoot-em-up tauchen erstmals Feinde am Boden und in der Luft auf.
EXPERTENWISSEN: SHOOT-EM-UPS
FÜNF WICHTIGE SPIELE
Fünf der bedeutendsten Shoot-em-ups der Spielegeschichte.
R-TYPE
■ 1987 ■ Arcade, verschiedene
GRADIUS
■ 1985 ■ Arcade, verschiedene
In diesem Konami-Spiel bestimmt
ihr das Arsenal eures Schiffs über
eine Waffen-Auswahlleiste am
unteren Bildschirmrand. Im mit
Raketen, Lasern und den kultigen
Power-ups verbesserten Schiff
rumzufliegen vermittelt ein exzellentes Erlebnis. Auch das Spin-off
Salamander und die Nachfolger
erzeugen extremen Ballerspaß.
Das horizontal scrollende R-Type
bildet den Startpunkt für eine
weitere, wichtige Shoot-em-upSerie. Mit starker Grafik und dem
damals einzigartigen Force-Modul
beeinflusste es spätere Shoot-emups wie nur wenige andere GenreVertreter. Wir erinnern uns heute
noch gerne an die bioorganischen
Feinde und riesigen Bosse, besonders an das enorme Mutterschiff
Bydo in Level 3.
AXELAY
DODONPACHI
RADIANT SILVERGUN
DoDonPachi ist eindeutig
das Spiel, das die modernen
Bullet-Hell-Shooter definiert
hat. Es verbessert das KomboMultiplikator-System seines
Vorgänger DonPachi, was zu
epischen Punktejagdem führt.
Das Spiel von Entwickler Cave
beeinflusst fast alle späteren
Bullet-Hell-Titel und zählt bis
heute zu den Lieblingen der
Genrefans.
Bevor es den Weg auf Sega
Saturn schafft, erscheint Radiant
Silvergun in den Spielhallen. Das
Actionspiel von Treasure orientiert
sich an Irems Image Fight, würzt
das Ganze mit exzellenter Grafik
und tollen 3D-Effekten. Mit seinem
farbenbasierten PunktejagdKetten und dem komplexen Waffensystem wird es zum zeitlosen
Klassiker.
■ 1997 ■ Arcade, Saturn, PSOne
■ 1992 ■ SNES
1992 hatte Axelay die wohl beste
Grafik eines Konsolen-Shoot-emups, in jedem Fall aber das coolste
Schiff. Wie Salamander scrollt Axelay vertikal und horizontal zugleich.
Zum SNES-Klassiker wird es vor
allem durch die außergewöhnlichen
Systeme für Waffen und Power-ups
sowie die riesigen Bosse, die es
mühelos mit denen aus Automaten-Titeln aufnehmen können.
■ 1998 ■ Arcade, Saturn,
Xbox 360
» Ich hatte Angst vorm Space
Die vielleicht besten Beispiele für diesen
ersten Schwung an quirligen Shootern mit WellenAttacken ist Namcos Galaga, das als eines der
ersten Spiele Power-ups bot. Ein Alien fängt unser
Schiff mit einem Traktorstrahl und schleppt es in
die Feindformation. Haben wir noch ein Leben
übrig, können wir das gefangene Raumschiff damit
befreien. Gelingt es uns, verbinden sich beide Schiffe
zu einem größeren mit doppelter Feuerkraft. Allerdings
hatte auch Galaga für diese Mechanik ein Vorbild, nämlich im etwa ein Jahr zuvor erschienen Moon Cresta.
I
n Centuris Phoenix und Midways Gorf erlebten wir wiederum ein paar der ersten
dicken Bosse im Shoot-emup-Genre – in Form großer
Raumschiffe. Die einzelnen
Abschnitte unterschieden sich deutlich voneinander, im Fall von Gorf klonten die Macher aber auch
unverhohlen die aus Space Invaders und Galaxian.
Am Anfang nutzten die meisten Spiele einen festen
Bildschirmausschnitt. Aber das änderte sich bald in
Form von aufwärts beziehungsweise seitwärts scrol­
lenden Hintergründen oder einer Kombination aus
GYRUSS
■ Eine zeitloser Shooter von Konami. Der
Soundtrack basiert auf Stücken von Bach.
1983
beidem. Eines der wichtigsten und einflussreichsten
Spiele dieser Art war Eugenes Defender, welches das
Genre visuell, technisch, aber auch spielerisch enorm
weiterbrachte – und das gerade mal zwei Jahre nach
dem technisch simplen Space Invaders.
„Ich wollte ein Spiel machen, das neue Wege
geht“, sagt uns Eugene Jarvis dazu. „Ich liebe den
emotionalen Aspekt des Gamings, ich liebe es, die
Instinkte des Spielers intuitiv herauszufordern. Das
erweiterte Universum mit den mehrfach scrollenden
Bildschirmen ermöglichte beides: Mehr Spieltiefe und
einen wahren Adrenalinrausch, während man in einem wahnsinnigen Tempo über den Planeten fliegt.“
Eugene fährt fort: „Mit Defender kam ein
echter physikalischer Faktor ins Spiel, der große
motorische Fähigkeiten erforderte, während man das
Raumschiff steuert und gleichzeitig zielt und schießt.
Durch die Astronauten, die man retten oder
SIDE ARMS
WIZBALL
■ Capcoms scrollendes Shmup ermöglicht es, mit zusätzlichen Feuerknöpfen
nach links und rechts zu schießen.
1984
DROPZONE
Invaders-Automat und wusste
nicht, wie er funktioniert. « MALCOLM LAURIE
■ Dropzone ist ein Defender-Klon, aber dafür ein
richtig guter. Der Jetpack-Held von Archer MacLean flog auf Ataris 8-Bit-Systemen und dem C64.
1985
URIDIUM
■ Eines der ersten Shoot-em-ups von Sensible Software, bei dem man Farben sammeln
und die Levels damit einfärben muss.
1986
■ Wie Dropzone gehört dieser C64-Titel
zu den ersten Heimcomputer-Spielen, die
Shoot-em-ups ins Wohnzimmer brachten.
1987
» [Automat] Phoenix brachte
uns einen der ersten
Videospiel-Bosse.
XMULTIPLY
■ Dieses Spiel von Irem setzt auf ein
experimentelles Waffen-System mit
Tentakel-artigen Auswüchsen am Schiff.
1989
1988
FLYING SHARK
■ Toaplans Flying Shark ist ein vertikal scrollendes Shoot-em-up, in dem ihr
einen Doppeldecker steuert. Existiert auch für viele Heim-Plattformen.
RETRO GAMER 1/2016 | 19
» Ohne Jeff Minters Spiele
wäre ich vielleicht nie selbst
Entwickler geworden. «ANDREW BRAYBROOK
» [Automat] Der wohl kniffligste Level in Salamander.
» [Automat] Xevious
führte scrollende Hintergründe mit Bodenund Luftzielen ein.
noch auf dem Boden vor gegnerischen Angriffen
schützen muss, kam auch mehr Taktik und Strategie
hinzu. Ursprünglich scrollte das Programm nur in
eine Richtung. Aber es war wahnsinnig umständlich,
einmal die komplette Spielwelt abzufliegen, bloß weil
man hinten was ‚vergessen‘ hatte. Also bauten wir
auch die andere Flugrichtung ein, was die Spielbarkeit
enorm verbesserte.“
Ein weiteres Feature, das Defender etablier­
te, war die Smart Bomb, mit der man den ganzen
Bildschirm von Gegnern säubern kann. „Ende der
70er waren präzisionsgelenkte Militärgeschosse ein
großes Thema“, erläutert Eugene diese Parallele zur
echten Welt. „Ich versuchte, eine echte Smart Bomb
einzubauen, die chirurgisch die gefährlichsten Gegner
beseitigt. Das Problem war, das machte keinen Spaß
und bedeutete viel mehr Programmierarbeit. Ich dach­
te, es wäre viel cooler, einfach alles wegzublasen. Die
Smart Bomb ist also nicht wirklich smart!“
Auf Scrolling setzten auch Spiele wie Ko­na­
mis Scramble, Segas Zaxxon oder SNKs multidirektio­
nales Vanguard. Namcos Xevious wiederum, ein ver­
tikales Shoot-em-up, legte die Messlatte für spätere
Spiele seiner Art deutlich höher. „Ich konnte Defender
nie spielen“, beginnt Spieldesigner Ste Pickford. „In
der Spielhalle von Stockport drängten sich die Leute
immer eng vor dem Automaten. Irgendwann konnte
RAIDEN
1991
THUNDER FORCE III
1992
BATSUGUN
» [Automat] Spiele wie
Gyruss vermittelten den
Eindruck, im echten 3DRaum zu schießen.
» [Automat] In Konamis Time
Pilot kann man sich in jede
Richtung bewegen.
PULSTAR
■ Das Automaten-Spiel von Konami ist grafisch beeindruckend. Es nutzt Elemente aus Gradius und etwas
Ähnliches wie das Force-Modul aus R-Type (1987).
■ Nach Meinung vieler Spieler der beste Teil von Techno
Softs Shooter-Reihe auf Sega Mega Drive. Existiert auch
als Automat unter dem Namen Thunder Force AC.
20 | RETRO GAMER 1/2016
A
ndrew Braybrook, Programmierer des C64-Shooters
Uridium, erinnert sich
daran, wie er erstmals mit
Shoot-em-ups auf Konsole
in Kontakt kam: „Ich kaufte
mir einen Atari 600XL, nur um Dropzone zu spielen,
wegen der hohen Geschwindigkeit und der Präsen­
tation. Jeff Minters Spiele brachten mich dann
XEXEX
■ Ein hervorragendes, vertikal scrollendes
Shoot-em-up des Herstellers Seibu Kaihatsu: es begründet die gleichnamige Reihe.
1990
ich meine 10 Pence einwerfen, aber die Anzahl der
Buttons war so verwirrend und das Spiel so schnell,
dass ich innerhalb von zehn Sekunden draufging. Also
stand ich wieder hinten in der Reihe und bestaunte,
wie die Lokalgrößen ihre Fingern über die Buttons
fliegen ließen. Ich bevorzugte in eine Richtung scrol­
lende Titel wie Scramble oder Gradius. Gerade R-Type
war für mich damals das perfekte Videospiel. Es spiel­
te sich fantastisch, sah großartig aus und verfeinerte
Konamis Power-up-System. Jeder Level ließ einem
die Kinnlade runterklappen, die Bosse waren einfach
unglaublich.“
Konamis Einfluss auf die Shoot-em-upSzene war mit Titeln wie Gradius, Salamander, ei­
gentümlichen, aber brillanten Spielen wie Time Pilot
oder dem Defender-artigen Juno First substanziell.
Auch Capcom mit Spielen wie 1942, Taito mit dem
Unterwasser-Shoot-em-up Darius oder Nichibutsu mit
Terra Cresta und den dazugehörigen Spin-offs lieferten
bedeutsame Genre-Vertreter.
Malcolm beschreibt seine persönliche Faszi­
nation: „Ich bewunderte UFO Robo Dangar. Ich liebte
es, darin mit einem kleinen Schiff zu beginnen, mehr
und mehr Waffen und andere Teile anzubringen und
am Ende einen riesigen Roboter zu haben. Die Musik
treibt mich immer noch an! Diese Art von Shooter
startete natürlich schon mit Terra Cresta, und ich
spielte auch Darius, das mich ganze Nachmittage fes­
selte.“ Manche japanischen Publisher und Entwickler
beschäftigten sich fast ausschließlich mit Shoot-emup-Automaten, darunter Irem (R-Type, XMultiply) und
Toaplan (Slap Fight, Flying Shark). Diese Fixierung
führte Ende der 80er Jahre zu so etwas wie einer frü­
hen Renaissance des Genres in den Spielhallen, aber
auch auf Heimcomputern.
■ Dieses Shoot-em-up für Neo Geo erinnert stark
an R-Type, bietet neben dem vergleichbar knüppelharten Gameplay aber bessere Grafik.
1993
■ Toaplans letztes Shoot-em-up ist die Geburtsstunde des
Bullet-Hell-Genres mit komplexen Feindwellen und Projektilmustern sowie einer kleineren Trefferbox des Spielers.
1994
1995