Chinesische Direktinvestitionen in Deutschland und Europa Eine
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Chinesische Direktinvestitionen in Deutschland und Europa Eine
MERICS PAPERS ON CHINA EINE NEUE ÄRA CHINESISCHEN KAPITALS Chinesische Direktinvestitionen in Deutschland und Europa Thilo Hanemann | Mikko Huotari Juni 2015 COPYRIGHT © 2015 MERCATOR INSTITUTE FOR CHINA STUDIES RHODIUM GROUP, LLC. ALLE RECHTE VORBEHALTEN Rechtlicher Hinweis: Die Verfasser dieser Studie haben sich bei der Erstellung nach besten Kräften bemüht, Fehler und Lücken zu vermeiden. Sie übernehmen jedoch keine Verantwortung für die Richtigkeit und Vollständigkeit und keine Haftung für Schäden, die sich aus der Nutzung der hierin enthaltenen Informationen ergeben. Chinesische Direktinvestitionen in Deutschland und Europa Eine neue Ära chinesischen Kapitals Thilo Hanemann und Mikko Huotari Eine Studie des Mercator Institute for China Studies und der Rhodium Group Über diese Studie Über diese Studie Partner Das Mercator Institute for China Studies (MERICS) ist ein im Jahr 2013 gegründetes Institut der gegenwartsbezogenen und praxisorientierten China-Forschung mit Sitz in Berlin. MERICS ist eine Initiative der Stiftung Mercator. MERICS ist weltweit eines der größten Institute für Forschung und Wissensvermittlung über das gegenwärtige China. Die Rhodium Group (RHG) ist ein privates Forschungsinstitut, das quantitative Methoden, Erfahrung in Politikberatung, und qualitative Ansätze verbindet, um disruptive globale Trends zu analysieren. RHG unterstützt privatwirtschaftliche Unternehmen, gemeinnützige Organisationen und den öfentlichen Sektor bei ihrer strategischen Planung, um auf solche neuen Trends zu reagieren. RHG hat Niederlassungen in New York, Kalifornien und Washington sowie Partner in Schanghai und Neu-Delhi. Verfasser Thilo Hanemann leitet bei der Rhodium Group den Bereich „Global Cross-Border Investment“. Er unterstützt Kunden aus der Privatwirtschaft und dem öfentlichen Sektor dabei, neue Trends in globalen Kapitalströmen zu erkennen und deren Auswirkungen zu beurteilen. Eines seiner Fachgebiete ist die Entwicklung chinesischer Auslandsinvestitionen und deren Auswirkungen auf die Weltwirtschaft und Empfängerländer. Seit 2014 ist er auch „Senior Policy Fellow for China’s Global Investment“ bei MERICS. In dieser Funktion unterstützt er die Arbeit des Instituts zum Wandel der Position Chinas in der Weltwirtschaft. Mikko Huotari ist stellvertretender Leiter des Forschungsbereichs Innovation, Umwelt, Wirtschaft und leitet das Forschungsprogramm Außenpolitik und Außenwirtschaft bei MERICS. Er arbeitet vor allem zum Verhältnis von China und Ostasien, zu den chinesischeuropäischen Beziehungen und zur Rolle Chinas im globalen Finanzsystem. Bevor er zu MERICS kam, lehrte Mikko Huotari an der Universität Freiburg, wo er über China und die Transformation der ostasiatischen Währungs- und Finanzordnung promovierte. Zuvor war er für das Deutsch-Chinesische Institut für Rechtswissenschaft in Nanjing, für die Deutsche Botschaft in Peking und die Deutsche Gesellschaft für Außenpolitik (DGAP) tätig. Kontakt thanemann@rhg.com mikko.huotari@merics.de Unter dem folgenden Link können Sie die Studie online lesen oder herunterladen: cofdi.merics.org | #cofdi 2 MERICS Danksagung Danksagung Die vorliegende Studie beruht auf einer Zusammenarbeit des Mercator Institute for China Studies (MERICS) in Berlin und der Rhodium Group (RHG) in New York. Wir danken beiden Organisationen dafür, dass sie uns die Freiheit und Mittel für dieses Projekt gewährt haben. Besonderen Dank schulden wir Sebastian Heilmann bei MERICS und Daniel H. Rosen bei der RHG für ihre Unterstützung und ihren Zuspruch. Beide Verfasser sind vielen Experten in China, Europa und den USA für ihre nützlichen Hinweise und Ratschläge zu Dank verplichtet. Diese Studie und unsere vorherige Arbeit zu chinesischen Investitionen konnten wir mit verschiedenen einschlägigen Organisationen diskutieren, unter anderem mit dem chinesischen Handelsministerium, der China EXIM Bank, der EU-Kommission, dem Europäischen Auswärtigen Dienst, dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie sowie mit der Germany Trade and Invest. Im März 2015 haben uns die Teilnehmer einer Studiengruppe in Berlin mit nützlichen Kommentaren bei der Präzisierung unserer Analyse geholfen. Wir haben insbesondere von dem Feedback von Wissenschaftlern in Deutschland proitiert, die sich intensiv mit diesem Thema beschäftigen, darunter Margot Schüller, Cora Jungbluth und Angela Stanzel. Abschließend gilt unser ganz besonderer Dank unseren Kollegen in Berlin und New York – unter anderem Cassie Gao, Ben Eckersley, Joy Ma, Rebecca Wertz, Björn Conrad, Theresa Höhn, Kerstin Lohse, Roman Wilhelm, Luisa Kinzius, Ferdinand Schaf und Fabienne Frauendorfer – für ihre inhaltliche, administrative und gestalterische Unterstützung bei der Erstellung dieser Studie. Auch wenn all diese Menschen dazu beigetragen haben, diese Studie zu verbessern, so liegt die alleinige Verantwortung für verbleibende Fehler bei den Autoren. Thilo Hanemann, Mikko Huotari Berlin, Juni 2015 MERICS 3 Grußwort Grußwort Chinesische Investitionen stärken den Standort Deutschland. Sie schafen Arbeitsplätze, bringen Kapital und eröfnen über die resultierende stärkere Verlechtung mit China auch deutschen Unternehmen neue Chancen. Auch wenn ganz unterschiedliche Geschäftskulturen aufeinander trefen: Die bisherige Bilanz kann sich sehen lassen. Mit der vorliegenden Studie liegt eine wertvolle Darstellung dieser Entwicklung vor, die überdies auch weitere Potenziale aufzeigt. Aus chinesischer Sicht ist Deutschland wesentlicher Partner bei der Bewältigung der anstehenden Herausforderungen. Das Land steht vor einem gewaltigen wirtschaftlichen Umbruch, von der Führung als „Neue Normalität“ bezeichnet: Die Abhängigkeit von den unter Überkapazitäten leidenden Schwerindustrien muss reduziert werden, die gravierenden Umweltprobleme müssen in den Grif bekommen und die steigenden Löhne müssen mit höherer Produktivität abgefedert werden. Deutschland hat genau diesen Strukturwandel bewältigt – und ist dabei ein äußerst wettbewerbsfähiges Industrieland geblieben. Heute haben wir auch an ehemals verschmutzten Industriestandorten wie dem Ruhrgebiet saubere Luft und sauberes Wasser. Das will China auch schafen. Da wir unsere Industrie frühzeitig nachhaltig gestaltet haben, verfügt Deutschland heute über die Technologien und Innovationskapazitäten, die für die Modernisierung der chinesischen Produktion benötigt werden. China bietet für diese Technologien einen riesigen Markt – dies begründet die Komplementarität, von der unsere Wirtschaftsbeziehungen beiderseitig proitieren. Das große Potenzial unserer Wirtschaftsbeziehungen wird zum einen durch deutsche Investitionen in China und zum anderen durch chinesische Unternehmen, die in Deutschland F&E-Zentren aubauen und in Unternehmen mit hohem Technologieniveau investieren, realisiert. Auf dieser guten strategischen Positionierung dürfen wir uns aber nicht ausruhen. Wir können auch in Zukunft noch einiges dafür tun, um im Wettbewerb mit anderen Standorten weitere Investitionen zu sichern. So realisieren chinesische Investoren bereits heute zahlreiche kleinere Technologieprojekte in Deutschland. Aber bei den kapitalintensiveren Investitionen in Infrastruktur liegen andere Länder vorn. Hier können wir das vorhandene chinesische Kapital noch stärker anziehen. Auch gegenüber den innovativen E-Commerce-Unternehmen Chinas sollten wir unsere Stärken herausstellen, um den Anteil deutscher Markenprodukte in ihren Vertriebskanälen sicher zu stellen. Zudem sollten wir die Betreuung chinesischer Investoren ausbauen. Sie kennen oft Deutschland noch nicht gut und benötigen Informationen und Beratung. 4 MERICS Grußwort Darüber hinaus müssen wir den eingeschlagenen Weg der Erleichterung bei der Visavergabe weiterverfolgen. Bereits heute vergeben wir Schengen-Visa für Geschäftsreisen in 48 Stunden, bei der Reduktion der vorzulegenden Dokumente können wir aber noch weiter vorankommen. China schaft seinerseits ebenfalls Erleichterungen. Und schließlich müssen gleiche Bedingungen auch für Investitionen gelten. Wir sind sehr ofen für chinesische Unternehmen, erwarten umgekehrt aber, dass auch in China das Prinzip der Gleichbehandlung von aus- und inländischen Unternehmen durchgesetzt wird. Das Potenzial für chinesische Investitionen in Deutschland ist noch lange nicht ausgeschöpft. Wenn es uns gelingt, hier Fortschritte zu erzielen, können wir den Standort Deutschland deutlich stärken. Die vorliegende Studie leistet einen wertvollen Beitrag zur Bestandsaufnahme und zur Identiikation des Potenzials chinesischer Investitionen in Deutschland. Ich wünsche Ihnen eine interessante und aufschlussreiche Lektüre! Michael Clauß Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in China MERICS 5 Inhalt 6 Über diese Studie 2 Danksagung 3 Grußwort 4 Zentrale Befunde und Schlussfolgerungen 7 1. Einleitung: Eine neue Ära chinesischen Kapitals 11 2. Europa als Ziel für chinesische Direktinvestitionen 15 3. Neue Chancen nutzen 28 4. Bedenken gezielt ausräumen 38 5. Die Policy-Agenda für Europa 53 Literaturverzeichnis 58 Datenanhang 60 Impressum 61 MERICS Zentrale Befunde und Schlussfolgerungen Zentrale Befunde und Schlussfolgerungen Eine neue Ära chinesischen Kapitals ist angebrochen: Im Zuge der wirtschaftlichen Liberalisierung und eines fundamentalen Wandels des Wachstumsmodells wird China in der nächsten Dekade von einem „Niemand“ zu einer treibenden Kraft globaler Investitionsströme. Plausible Prognosen sagen voraus, dass Chinas globale Vermögenswerte sich bis 2020 von derzeit 6,4 Billionen USD auf fast 20 Billionen USD verdreifachen. Dieser Aufholprozess wird massive Auswirkungen auf die Zielländer und die globalen Märkte haben. Chinas neue Positionierung in der Welt als Investor erfordert von politischen Entscheidern weltweit, dass sie die wirtschaftlichen Beziehungen zu China neu denken müssen. Nur dann können die Vorteile dieser globalen Integration Chinas voll genutzt und potenzielle Risiken minimiert werden. Dies trift insbesondere auf die Länder der Europäischen Union zu, deren Ökonomien heute nach drei Jahrzehnten der Expansion von Handelsbeziehungen und massiven Investitionen 20 europäischer Unternehmen in China 18 Billionen bereits aufs Engste mit dem Land verlochten sind. 15 Die erste Welle chinesischen Kapitals ist in Europa angekommen 10 Die neue Ära chinesischen Kapitals hat begonnen. Und die erste Welle trift 5 Billionen Europa bereits mit voller Wucht. Aus5 ländische Direktinvestitionen chinesischer Firmen („Outward Foreign Direct Investment“, OFDI) übersteigen 0 2004 2008 2012 2016 2020 mittlerweile 100 Milliarden USD pro Quelle: SAFE; He et al. (2012). Jahr und verlagern sich zunehmend von Investitionen in ressourcenreiche Entwicklungsländer (z.B. im Energiesektor) hin zu Technologie, Marken, Immobilien und anderen Vermögenswerten in Industrieländern. Die vorliegende Studie basiert auf einem neuartigen Datensatz, der individuelle Transaktionen erfasst und dadurch die Verzerrungen und Verzögerungen oizieller Statistiken vermeidet. Diese Datengrundlage erlaubt einen aktuellen und umfassenden Blick auf Direktinvestitionen chinesischer Unternehmen in Europa. Abbildung 1: Chinas globale Investitionen verdreifachen sich bis 2020 Chinas Auslandsvermögen basierend auf der Annahme voller Konvertibilität der Kapitalbilanz bis 2020 Billionen USD Das jährliche Investitionsvolumen chinesischer Unternehmen in den Mitgliedstaaten der EU lag noch Mitte der 2000er Jahre nahe null. Seitdem ist es rasant gestiegen und erreichte 2014 14 Milliarden Euro. Im Zeitraum 2000 bis 2014 verzeichnen wir mehr als 1.000 chinesische Neugründungen („Greenield Investment“), Fusionen und Übernahmen („Mergers and Acquisitions“, „M&A“) im Wert von mehr als 46 Milliarden Euro. Die für chinesisches Kapital attraktivsten Industriezweige waren Energie, der Automobilsektor, Lebensmittel und Immobilien. Staatsbetriebe spielten eine wichtige Rolle bei Chinas Investitionen in Europa. Der Anstieg in den letzten Jahren geht jedoch vor allem auf Privatunternehmen und Finanzinvestoren aus den entwickelten Küstenprovinzen zurück. MERICS 7 Zentrale Befunde und Schlussfolgerungen Abbildung 2: 15.000 Chinesische OFDI in Europa steigen exponentiell an 12.000 Wert der Neugründungen und Übernahmen (mit einem Anteil >10%) 9.000 von chinesischen Unternehmen in der EU-28 6.000 Millionen EUR 3.000 0 2000 2002 2004 2006 2008 2010 2012 2014 Quelle: Rhodium Group. Abbildung 3: Deutschland ist eines der beliebtesten Zielländer für chinesische Investoren Gesamtwert der OFDIProjekte von chinesischen Unternehmen in deutschen Bundesländern zwischen 2000 und 2014 Farbschattierung zeigt den Gesamtwert in den jeweiligen Bundesländern < 50 Mio. 50 — 100 Mio. Hamburg Sachsen-Anhalt Niedersachsen NordrheinWestfalen Hessen BadenWürttemberg 100 — 500 Mio. Bayern 500 Mio. — 1 Mrd. > 1 Mrd. Berlin Unter den Empfängern chinesischer Direktinvestitionen in Europa steht Deutschland an zweiter Stelle (nach Großbritannien): Zwischen 2000 und 2014 wurden insgesamt 6,9 Milliarden Euro investiert. Seit 2011 sind die jährlichen Investitionen kräftig gestiegen und liegen seitdem relativ stabil bei ein bis zwei Milliarden Euro pro Jahr – anders als in anderen Ländern, wo starke Schwankungen zu verzeichnen sind. Deutschlands Kapazitäten im Bereich der modernen industriellen Fertigung waren die wichtigsten Ziele für chinesische Investoren in diesem Zeitraum. Der Automobil-Bereich sowie die Industrie- und Anlagentechnik machen mehr als 65 Prozent der chinesischen Investitionen seit 2000 in Deutschland aus. In den vergangenen Jahren wurde der sektorale Mix erweitert: Zunehmend stieg auch das Interesse an IT-Technik, Finanzund Unternehmensdienstleistungen sowie an Konsumgütern. Die meisten Investitionsdeals in Deutschland waren keine „mega merger“, sondern kleine und mittelgroße Übernahmen. In Deutschland waren dabei häuiger chinesische Staatsbetriebe beteiligt als in anderen europäischen Ländern. Quelle: Rhodium Group. Chinas OFDI-Boom: Testfall für Europa im Umgang mit chinesischem Kapital Der Boom chinesischer Direktinvestitionen wird zum Testfall für europäische Entscheider, der verdeutlicht, ob sie der neuen Ära chinesischen Kapitals gewachsen sind. Wir zeigen in dieser Studie, dass China – verglichen mit anderen ausländischen Investoren in der Vergangenheit – ein ganz anders gelagerter Fall ist. Einerseits ergeben sich durch die Größe, das Wachstum und die Komplementarität der chinesischen Volkswirtschaft einmalige Chancen für Europa. Andererseits gibt es jedoch auch bestimmte Bedenken, z.B. im Hinblick auf die politischen und wirtschaftlichen Strukturen in China. Hierzu zählen Subventionen, das autoritäre politische System und die Tatsache, dass China selbst sich Direktinvestitionen aus dem Ausland in vielen Bereichen verschließt. Chinas Sonderstellung ändert zwar nichts an dem Grundsatz, dass ausländische Direktinvestitionen sich in der Summe lohnen. Es wird allerdings deutlich, dass neue Ansätze erforderlich sind, um den Nutzen zu maximieren und sich gegen die mit diesen neuen Zulüssen verbundenen Risiken abzusichern. 8 MERICS Zentrale Befunde und Schlussfolgerungen Nur so lassen sich überstürzte Reaktionen vermeiden, die die Aussichten für intensivere Investitionsbeziehungen zwischen der EU und China trüben könnten. Diese Studie präsentiert die wichtigsten Chancen und Risiken in Bezug auf wachsende chinesische OFDI und entwickelt Empfehlungen für politische Handlungsprioritäten auf EU- und Nationalstaatsebene. Chinas OFDI-Auholjagd bietet riesige Chancen In erster Linie bietet China eine einmalige Gelegenheit, neues Kapital nach Europa zu bringen, um die Investitionstätigkeit und das Wirtschaftswachstum wieder in Gang zu bringen. Große Chancen ergeben sich außerdem aus dem Innovationspotenzial chinesischer Unternehmen, im Infrastrukturausbau und in einer engeren Verlechtung von exportorientierten Unternehmen, die durch OFDI stärker mit dem chinesischen Markt und seinen Verbrauchern verbunden werden. In unserer Analyse von mehr als 1.000 Projekten haben sich Befürchtungen nicht bestätigt, dass chinesische Investitionen negativen Einluss auf die lokale Beschäftigungslage oder die Innovationsfähigkeit haben. Zur Realisierung dieser Chancen und Maximierung der Vorteile sehen wir die folgenden Handlungsprioritäten: Erstens muss Europa dringend erforderliche Strukturreformen umsetzen. Es geht darum sicherzustellen, dass Europa gut positioniert ist im Wettbewerb mit anderen Industriestaaten um chinesische OFDI. Zweitens: Da China zu einer der prominentesten Kapitalquellen wird, müssen bisherige Ansätze für die Investitionsförderung und die Unterstützung von Investoren überdacht werden, u. a. durch den Ausbau der vor Ort in China vorhandenen Kapazitäten. Drittens müssen politische Entscheider darauf vorbereitet sein, den Grundsatz der Investitionsfreiheit gegen populistische Widerstände zu verteidigen. Chinas Politik- und Wirtschaftssystem verstärkt Bedenken bezüglich OFDI Allerdings bestehen auch berechtigte Bedenken, die sich aus Chinas besonderem Politikund Wirtschaftssystem ergeben. Wenn diese Bedenken nicht ausgeräumt werden, können Gefahren für die europäischen Wirtschafts- und Sicherheitsinteressen entstehen. Gleichzeitig droht die gesellschaftliche Akzeptanz der europäischen Investitionsfreiheit (weiter) unterminiert zu werden. Wegen der besonderen Umstände, unter denen China zu einem globalen Investor aufsteigt, sind Risikoszenarien vorzubereiten, um im Bedarfsfall gerüstet zu sein. Oberste Priorität hat unserer Ansicht nach der Abschluss eines robusten bilateralen Investitionsabkommens (BIA), das die bestehenden Asymmetrien im Marktzugang beseitigt. Notwendig sind hierzu vor allem Marktzugangsrechte (bereits in der Eintrittsphase) für europäische Unternehmen und eine deutlich reduzierte „Negativliste“ von Sektoren, in denen der Zugang für FDI in China beschränkt ist. Nur so kann gewährleistet werden, dass die Bürger und Parlamente in der EU die Investitionsfreiheit, die China gewährt wird, auch künftig befürworten. Zweitens müssen europäische Entscheider sich der Frage stellen, wie reagiert werden sollte, falls Peking die zugesagten Strukturreformen langsamer umsetzt, als es seiner zunehmenden Präsenz als globaler Investor angemessen erscheint. Dazu zählen Subventionen und andere, den globalen Wettbewerb verzerrende staatliche Eingrife. Der beste Ausgangspunkt für Überlegungen über mögliche Ansätze auf europäischer Ebene sind die vorhandenen wettbewerbspolitischen Instrumente, etwa die Regelungen für staatliche Beihilfen („state aid“). Die Einzelstaaten verfügen diesbezüglich MERICS 9 Zentrale Befunde und Schlussfolgerungen über einige Instrumente, die sie künftig einsetzen könnten (u. a. Wettbewerbspolitik, Ofenlegungsplichten oder die Regulierung öfentlicher Beschafung). Drittens ist eine Debatte über eine stärkere Angleichung der Investitionsprüfungen innerhalb Europas dringend notwendig. Und zwar nicht nur, um diese Überprüfungen eizienter und einheitlicher zu gestalten, sondern auch um das Vertrauen der Bürger in eine funktionierende gesamteuropäische Lösung zu stärken, die potenziellen Sicherheitsrisiken überwachen und entschärfen kann. Realitätscheck für die globale Investitionsordnung Chinas Aufstieg zum globalen Investor und die damit einhergehende Veränderung der chinesischen Präferenzen bietet eine einmalige Gelegenheit zur Verbesserung der bilateralen, regionalen und globalen „Investment Governance“. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass einlussreiche EU-Mitgliedstaaten wie Deutschland die derzeitigen Bemühungen der EU um ein überzeugendes bilaterales Investitionsabkommen mit China unterstützen. Europäische Nationalstaaten müssen ihre Eigeninteressen stärker zurückstellen, um sicherzustellen, dass Europa mit einer Stimme spricht. Gleichzeitig müssen die europäischen Regierungen jedoch auch neue Kanäle zur Verfolgung ihrer eigenen Interessen – außerhalb der Investitionsabkommen – erkunden. Sie werden eine zentrale Rolle dabei spielen, der chinesischen Regierung gegenüber auf der Umsetzung eines neuen Regulierungsrahmens zu bestehen, der gleiche Voraussetzungen für in- und ausländische Firmen schaft. Dazu gehört, noch deutlicher als bislang auf Verzögerungen sowie mangelnden Fortschritt im Reformprozess hinzuweisen. Außerdem müssen alle Handlungsoptionen ausgereizt werden, die auf eine stärkere Konvergenz mit marktwirtschaftlichen Standards in China hinwirken. Der Aufstieg Chinas zum globalen Investor eröfnet jedoch nicht nur Chancen auf EUund Nationalstaatsebene, sondern auch für die Wiederbelebung pluri- und multilateraler Initiativen im Zusammenhang mit globalen Investitionslüssen. Im Gegensatz zum weltweiten Handel sind die existierenden institutionellen Rahmenwerke zur Regulierung globaler Investitionslüsse und zur Beilegung von Streitigkeiten unterentwickelt. Ein Grund dafür ist, dass die frühere Dominanz von Industriestaaten bei globalen OFDI-Strömen keine starken Anreize für die Schafung globaler Regeln und Institutionen bot. Der Aufstieg der Schwellenländer fordert diesen Status Quo heraus, und Chinas wachsende globale Investitionen sind ein guter Indikator für die anstehenden Veränderungen. Ein passender Ausgangspunkt wäre eine gemeinsame hochrangige Arbeitsgruppe zum Thema „Investment Governance“, die sich aus den drei Polen der globalen Wirtschaftsordnung – die EU, USA und China – zusammensetzt. 10 MERICS 1. Einleitung: Eine neue Ära chinesischen Kapitals 1. Einleitung: Eine neue Ära chinesischen Kapitals Nach drei Jahrzehnten erfolgreicher Wirtschaftsreformen ist China, nachdem es 2010 Japan überholt hat, inzwischen die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt. Chinas neue Position wirkt sich jedoch unterschiedlich auf globale Märkte aus. Die Einbindung in asiatische und globale Produktions- und Handelsnetzwerke ermöglichte China den Aufstieg zu einer bedeutenden Handelsmacht und hat das Welthandelssystem fundamental verändert.1 Was jedoch die Globalisierung der Finanzmärkte angeht, so ist Chinas Position gemessen an seiner Rolle für den Welthandel weiterhin unbedeutend. 2011 entielen nur 3,4 Prozent der weltweiten grenzüberschreitenden Vermögen und Verbindlichkeiten auf China. Lässt man die von der Chinesischen Zentralbank verwalteten Reserven außer Betracht, waren es sogar nur 2,1 Prozent (Abbildung 1). Grund dafür ist das investitionsorientierte Entwicklungsmodell, das eine sehr strenge Kontrolle des Kapitalverkehrs erforderte, unter anderem um Volatilität und Kapitallucht zu vermeiden. Abbildung 4: Chinas unbedeutende Rolle in der Finanzglobalisierung der letzten 40 Jahre Bruttoauslandsvermögen (Forderungen von Inländern im Ausland) und -verbindlichkeiten (Forderungen von Ausländern im Inland) von 178 Ländern 250 China BRIC (ohne China) 200 USA Großbritannien 150 Japan Andere asiatische Industrieländer Andere europäische Industrieländer 100 Andere Industrieländer Andere Schwellen- und Entwicklungsländer 50 0 1970 Billionen USD 1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2010 Quelle: Aktualisierte und erweiterte Version eines Datensatzes von Lane und Milesi-Ferretti (2007). Heute stehen wir an der Schwelle zu rasant wachsenden Kapitalströmen aus China. Dies wird Schockwellen durch die globalen Finanzmärkte schicken. Das alte Wachstumsmodell, das auf einer Expansion der Handelsbeziehungen und auf sehr beschränkte inanzielle Verlechtungen ausgerichtet war, hat ausgedient. Der schrittweise Umbau der chinesischen Volkswirtschaft wurde von der chinesischen Führung bereits eingeleitet.2 Für Chinas langfristige wirtschaftliche Aussichten wird die größere Ofenheit für globale Kapitalströme von entscheidender Bedeutung Heute stehen wir an der Schwelle zu sein, denn für viele Ziele – unter anderem für die globale Konrasant wachsenden Kapitalströmen kurrenzfähigkeit seiner Unternehmen, für die Förderung neuer aus China. Dies wird Schockwellen durch Auslandsmärkte wie auch für eiziente Inlandsmärkte und eine die globalen Finanzmärkte schicken. wachsende Innovationsfähigkeit – ist eine stärkere Kapitalverkehrsfreiheit unerlässlich. 1 2 Vgl. di Giovanni, Levchenko und Zhang (2012). Eine umfassende Analyse des Reformprogramms des Dritten Plenums findet sich bei Rosen (2014). MERICS 11 1. Einleitung: Eine neue Ära chinesischen Kapitals Diese Erfordernisse (und die engere Abstimmung der höheren Auslandsinvestitionen auf die außenpolitischen Ziele) werden von der chinesischen Führung anerkannt. Grundsätzlich besteht auf der Führungsebene Einigkeit darüber, die Liberalisierung entschlossen voranzutreiben. Dies zeigt sich zum Beispiel in politischen Dokumenten auf oberster Ebene, wie den Entscheidungen des 3. ZK-Plenums der Kommunistischen Partei Chinas im November 2013. Die Pläne für die Liberalisierung des Kapitalverkehrs nach außen stoßen bei einigen Interessengruppen auf Widerstand. Im Gegensatz zu anderen Reformbereichen verlaufen jedoch die meisten der angekündigten Liberalisierungsmaßnahmen planmäßig und konvergieren zunehmend. Der genaue Zeitplan für die Liberalisierung des Kapitalverkehrs ist noch unklar. Es besteht jedoch Einigkeit darüber, dass die auf die volle Konvertibilität der Währung hinauslaufenden Reformen einen massiven Schub für alle Arten von Kapitallüssen aus und nach China auslösen werden. Mehrere wissenschaftliche Arbeiten haben versucht, den Umfang dieser Kapitalströme zu berechnen. Sie gelangen dabei zu Zahlen, die die globale Finanzwelt fundamental verändern würden.3 Die detaillierteste dieser Studien, ein Bericht des Hong Kong Institute for Monetary Research, prognostiziert einen Anstieg des gesamten chinesischen Vermögens und aller Verbindlichkeiten im Ausland von acht Billionen USD im Jahr 2011 auf 28 Billionen USD im Jahr 2020, wobei zugrunde gelegt wurde, dass bis 2020 die volle Konvertibilität des Kapitalverkehrs erreicht wird (Abbildung 5). In diesem Szenario wird sich Chinas Gesamtvermögen im Ausland – angetrieben durch die rasche Zunahme der Direktinvestitionen und Portfolioinvestments – bis 2020 auf fast 20 Billionen USD verdreifachen. Beispiele: Abbildung 5: Chinas globale 20.000 OFDI-Präsenz wächst rapide 16.000 Prognose zu Auslandsvermögen und 12.000 -verbindlichkeiten unter der Annahme 8.000 voller Konvertibilität der Kapitalbilanz Netto-Auslandsvermögen Vermögenswerte 4.000 Reserven: Investitionen von Zentralbanken in hochliquide Wertpapieren (nur als Vermögensposition verzeichnet) Chinesische Zentralbank kauft Staatsanleihen anderer Ländern Andere Investitionen: grenzüberschreitende Kredite, Handelskredite, Einlagen, Barbestände und andere Investitionsformen China EXIM Bank vergibt einen Kredit an eine ausländische Firma damit diese chin. Exportgüter kauft Portfolio-Investitionen: Kauf von Schuldtiteln und Aktien zur Sicherung inanzieller Erträge Ein chinesischer Investitionsfonds kauft ausländische Aktien um sein Portfolio zu diversiizieren Milliarden USD 0 –4.000 Verbindlichkeiten –8.000 –12.000 Ausländische Direkt2004 2008 2012 2016E Eine chinesische Firma gründet Investitionen, die zu einem ein Tochteruntersigniikanten (Anteil > 10%) nehmen im Ausland und auf Dauer angelegten oder übernimmt ein existierendes Interesse an einem ausausländisches ländischen Unternehmen Unternehmen führen 2020E investitionen (FDI): Quelle: He et al. (2012); SAFE.4 3 4 12 MERICS Vgl. unter anderem He et al. (2012), Hooley (2013), Bayoumi und Ohnesorge (2013), Ma und McCauley (2014), Rosen (2014) und Sanyal (2014). Für weitere Informationen zu den Arten globaler Investitionsströme siehe IWF (2010). 1. Einleitung: Eine neue Ära chinesischen Kapitals Die letzten Jahre haben gezeigt, dass solch kühne Prognosen keineswegs unrealistisch sind. Die chinesische Regierung hat seit 2000 graduell immer liberalere Regeln für OFDIStröme umgesetzt. Diese Veränderungen haben es chinesischen Firmen ermöglicht, ihre Geschäftstätigkeiten weltweit auszudehnen, was zu einer starken Zunahme der Direktinvestitionen im Ausland seit Mitte der 2000er Jahre geführt hat. In knapp einem Jahrzehnt sind die jährlichen Zahlungsströme von nahe null auf mehr als 100 Milliarden USD gestiegen, was China unter die fünf Staaten mit den weltweit höchsten Direktinvestitionen im Ausland katapultiert hat (Abbildung 6). Darüber hinaus ist eine Verlagerung der chinesischen Direktinvestitionen im Ausland festzustellen: Während diese früher vor allem auf Rohstofe abzielten, ist es jetzt eine vielfältige Mischung aus Technologie, Marken und Konsumgütern. Auch konzentrieren Chinas Investitionen sich nicht mehr auf Entwicklungs- und Schwellenländer, sondern ließen zunehmend auch in Industriestaaten.5 120 8% Chinas Anteil an globalen OFDI-Strömen (Rechte Achse) 7% Chinas OFDI-Ströme, USD Milliarden (Linke Achse) 100 6% 80 5% 60 4% 3% 40 Abbildung 6: Chinas ausländische Direktinvestitionen boomen Jährliche OFDI-Ströme, 3-Jahre gleitender Durchschnitt (Wert und Anteil an den globalen OFDI-Strömen) Milliarden USD (links); Prozent (rechts) 2% 20 1% 0 0 1986 1990 1994 1998 2002 2006 2010 2014 Quelle: UNCTAD; VR China Handelsministerium. Durch die Zunahme der Direktinvestitionen im Ausland und anderer Arten von Kapitalablüssen wird sich die wirtschaftspolitische Agenda gegenüber China grundlegend verändern. In den vergangenen Jahrzehnten dominierten einige wenige Hauptthemen: die Handelsungleichgewichte, der Marktzugang für ausländische Firmen in China und der fehlende Schutz geistigen Eigentums. Mit Chinas Neu-Positionierung in globalisierten Finanzmärkten werden bestehende Chinas neue Position Dogmen (zum Beispiel die bedingungslose Befürwortung ausals globaler Investor wird ländischer Direktinvestitionen) infrage gestellt. Zur optimalen die wirtschaftspolitische Agenda Nutzung dieser neuen Kapitalströme und zur Absicherung gegegenüber China gen die damit verbundenen Risiken ist allerdings ein wesentlich grundlegend verändern. umfassenderer Ansatz erforderlich. Die globalen Reaktionen auf die erste Welle von Direktinvestitionen chinesischer Firmen im Ausland zeigen, dass eine solch umfassende Betrachtung bislang nicht verbreitet genug ist. Während politische Entscheidungsträger auf unteren Ebenen (Bürgermeister, Landesregierungen) versuchen, mehr Investitionen anzuziehen, haben nationale Regierungen und Gesetzgeber häuig mit populistischen Abwehrmaß5 Vgl. Rosen und Hanemann (2011), Rosen und Hanemann (2012). MERICS 13 1. Einleitung: Eine neue Ära chinesischen Kapitals nahmen reagiert. So zum Beispiel in Kanada, wo überstürzt neue Regeln zur Beschränkung von Investitionen durch Staatsbetriebe eingeführt wurden. In anderen Ländern wurden Investitionsdeals auf Grund persönlicher Partikularinteressen bisweilen stark politisiert. Eine objektive Beurteilung der Trends und potenziellen Auswirkungen chinesischer Investitionen ist unabdingbar, um Policy-Antworten zu entwickeln, die den Nutzen der derzeitigen Welle von OFDI für Zielländer maximieren, Risiken minimieren und darüber hinaus auch die nächste Welle chinesischen Kapitals ins Auge fassen. Die vorliegende Studie analysiert Chinas Investitionstätigkeit in Europa, um zu einer genaueren Beschreibung der zu Grunde liegenden Muster zu gelangen, den Nutzen und die Risiken herauszuarbeiten und schließlich eine Agenda mit wirtschaftspolitischen Prioritäten für Entscheider zu entwickeln. Ein besonderes Augenmerk gilt dabei den Interessen Deutschlands im größeren europäischen Kontext. Basierend auf einem neuartigen Transaktionsdatensatz der Autoren bietet der folgende zweite Teil der Studie einen Überblick darüber, in welchem Maße Chinas ausländische Direktinvestitionen bislang nach Europa gelossen sind. Der dritte Teil beschreibt die Chancen, die sich aus den neuen Kapitalströmen ergeben, und erörtert, was auf höchster politischer Ebene getan werden kann, um den Nutzen zu maximieren. Gegenstand des vierten Teils sind die potenziellen Risiken, die sich aus der Zunahme chinesischer OFDI ergeben, sowie mögliche Lösungsansätze. Im fünften Teil wird auf Grundlage der Empfehlungen eine Prioritätenliste für politische Entscheidungsträger in Europa und Deutschland erarbeitet. 14 MERICS 2. Europa als Ziel für chinesische Direktinvestitionen 2. Europa als Ziel für chinesische OFDI Die erste Welle von Direktinvestitionen, die China im Ausland tätigte, loss überwiegend in rohstofreiche Entwicklungsländer. In den letzten fünf Jahren sind dagegen verstärkt Industriestaaten ins Blickfeld gerückt. Die Mitglieder der Europäischen Union sind inzwischen bedeutende Zielländer chinesischer Direktinvestitionen. Die Daten, die Analysten und Entscheidern zur Verfügung stehen, um chinesische Investitionen in Europa zu beurteilen, sind jedoch problematisch. Dies liegt zum einen an generellen Trends bei globalen Investitionstransaktionen, aber vor allem auch an speziischen chinesischen Charakteristika. Dieser Abschnitt gibt einen Überblick über die verfügbaren Daten, die wir evaluieren müssen, um den Umfang und die Richtung der chinesischen Direktinvestitionen in Europa zu erfassen. Wir diskutieren zunächst kurz die verfügbaren oiziellen Datenquellen für chinesische Investitionen in Europa und bieten dann eine detailliertere Bestandsaufnahme der OFDI in Deutschland und Europa, die auf einem alternativen Transaktions-Datensatz beruhen. Dieser ermöglicht eine genauere Beschreibung der Trends, der sektoralen und geographischen Verteilung sowie der Investoren-Charakteristika. Oizielle Daten zeigen schnelles Wachstum – sind aber lückenhaft und zeitverzögert In den letzten zehn Jahren ist es für Statistikbehörden deutlich schwieriger geworden, grenzüberschreitende globale Investitionslüsse zu messen. Dies liegt an dem enormen Zuwachs dieser Transaktionen, aber auch an dem verstärkten Einsatz von OfshoreZweckgesellschaften und komplexen Finanzierungsstrukturen.6 Darüber hinaus gibt es im Falle Chinas einige Besonderheiten, welche die Lage noch komplizierter gestalten. Zum einen waren Chinas Statistiken lange vor allem darauf ausgelegt, interne Kapitallüsse sowie administrative Beschränkungen für grenzüberschreitende Ströme zu dokumentieren. Dies führte zu statistischen Verzerrungen, da Unternehmen sich häuig „grauer Kanäle“ bedienen, um Gelder ein- und auszuführen. An den oiziellen Daten für die ins Ausland ließenden Direktinvestitionen wird diese Problematik deutlich. Deshalb müssen in der Datenanalyse neue Wege beschritten werden, um die aus China abließenden Kapitalströme, die jüngsten Trends und deren Implikationen für Zielländer vollständig zu erfassen.7 Die amtlichen Daten sowohl des chinesischen Handelsministeriums (MOFCOM) als auch des Statistischen Amts der Europäischen Union (Eurostat) bestätigen, dass die chinesischen Direktinvestitionen in Europa rapide zunehmen (Abbildung 7). Beide Datenquellen weisen jedoch unterschiedliche Verläufe aus, und es gibt deutliche zeitliche Verzögerungen. Beiden fehlt auch eine Aufschlüsselung nach Wirtschaftszweigen sowie nach anderen politikrelevanten Kennzahlen, weshalb sie für eine handlungsbezogene Analyse nur von begrenztem Nutzen sind. Die MOFCOM-Daten zu chinesischen Direktinvestitionen in europäischen Volkswirtschaften decken die Zeit von 2006 bis 2013 ab. Sie zeigen einen Sprung der Investitionsströme auf 5,4 Milliarden Euro sowie einen Rückgang im Jahr 2012 (4,8 Milliarden Euro) und 2013 6 7 Vgl. UNCTAD (2005). Schüler-Zhou et al. (2012). MERICS 15 2. Europa als Ziel für chinesische Direktinvestitionen (3,4 Milliarden Euro). Insgesamt beliefen sich die auf ausländischen Direktinvestitionen beruhenden Kapitalbestände Ende 2013 auf mehr als 30 Milliarden Euro. Die MOFCOMDaten sind für eine Echtzeitanalyse nicht geeignet, weil sie meist mit einer zeitlichen Verzögerung von neun Monaten vorliegen. Darüber hinaus nimmt MOFCOM auch keine gesonderte Aufschlüsselung nach Wirtschaftszweigen oder anderen relevanten Kennzahlen vor. Die Eurostat-Daten weichen insgesamt deutlich von den MOFCOM-Zahlen ab: Für den Zeitraum 2006 bis 2010 sind niedrige, sogar negative Ströme ausgewiesen, 2011 folgt ein plötzlicher Anstieg der OFDI-Flüsse auf 4,3 Milliarden Euro und 7,7 Milliarden Euro (2012). Für 2013 zeigen vorläuige Daten einen Abfall der jährlichen OFDI-Ströme auf 1 Milliarde Euro. Kapitalbestände in 2012 (im letzten verfügbaren Jahr) sind mit 27 Milliarden Euro ausgewiesen. Da Eurostat vor allem auf die von den Einzelstaaten gemeldeten Daten zurückgreift, ist die zeitliche Verzögerung noch größer als bei den chinesischen Daten (zurzeit anderthalb bis zwei Jahre). Eurostat liefert detaillierter aufgeschlüsselte Daten zur Verteilung der Investitionen nach Wirtschaftszweigen und Ländern, deren Nutzen allerdings begrenzt ist, weil zahlreiche Lücken bestehen und einige Daten aus Datenschutzgründen nicht ofengelegt werden.8 Abbildung 7: Oizielle Statistiken helfen nur bedingt Jährliche chinesische OFDI-Ströme und Bestände in der EU MOFCOM USD-Daten wurden in EUR zu JahresdurchschnittsWechselkursen umgerechnet Millionen EUR 8.000 40.000 Ströme: MOFCOM (linke Achse) Ströme: Eurostat (linke Achse) 7.000 35.000 Bestand: MOFCOM (rechte Achse) 6.000 30.000 Bestand: Eurostat (rechte Achse) 5.000 25.000 4.000 20.000 3.000 15.000 2.000 10.000 1.000 5.000 0 0 -1.000 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 -5.000 Quelle: Eurostat, VR China Handelsministerium. Transaktionsdaten als Alternative Wegen dieser Mängel im Hinblick auf Qualität, Richtigkeit und Aktualität sind die amtlichen Daten für eine gründliche Echtzeitanalyse der chinesischen Investitionen unzureichend. Think Tanks, Forschungsinstitute und Privatunternehmen haben deshalb alternative Ansätze zur Erfassung der chinesischen Auslandsinvestitionen entwickelt. Den meisten dieser Datenbestände liegt ein Bottom-up-Ansatz zugrunde, der die Daten zu einzelnen Transaktionen oder Unternehmen erfasst.9 Diese Datenbestände sind zwar mit den traditionellen Daten zu ausländischen Direktinvestitionen nicht vergleichbar, vermeiden jedoch einige der bestehenden Probleme und gestatten eine Echtzeitanalyse der Muster 8 9 16 MERICS Ähnliche Einschränkungen gelten für die offiziellen deutschen Daten zu chinesischen Investitionen in Deutschland. Für die letzten Zahlen vgl. Bundesbank (2015). Beispiele dafür sind der China Investment Tracker der Heritage Foundation, der China Investment Monitor der Rhodium Group, die von der University of Sydney erstellte Datenbank über chinesische Investitionen in Australien und der China-Canada Investment Tracker. 2. Europa als Ziel für chinesische Direktinvestitionen chinesischer Auslandsinvestitionen mit detaillierten Informationen zur sektoralen und geographischen Verteilung. In nur fünf Jahren haben sich chinesische Investitionen in der EU-28 vervierfacht In dieser Studie arbeiten wir mit einem Datensatz der Rhodium Group zu chinesischen OFDI-Transaktionen in Europa. Dieser deckt Übernahmen und Neugründungen von chinesischen Firmen in den 28 Mitgliedstaaten der Europäischen Union ab. Für den Zeitraum 2000 bis 2014 zählen wir 1.047 Transaktionen in den EU-28-Volkswirtschaften, darin enthalten 726 „Greenield“-Projekte bzw. neu gegründete Unternehmungen sowie 321 Übernahmen, bei denen bestehende Unternehmen aufgekauft wurden (Abbildung 8.1).10 Bis 2008 waren die jährlichen Investitionsströme gering, 2009 und 2010 folgte ein leichter Anstieg auf etwa zwei Milliarden Euro jährlich, 2011 und 2012 dann ein steiler Anstieg auf sieben Milliarden Euro. 2013 kam es zu einem leichten Rückgang auf sechs Milliarden, doch 2014 erreichten die jährlichen Ausgaben einen neuen Rekord von 14 Milliarden Euro. Der Gesamtwert aller Transaktionen im Zeitraum 2000 bis 2014 betrug 46 Milliarden Euro. 15.000 100 Anzahl Fusionen und Übernahmen (linke Achse) Anzahl der Neugründungen (linke Achse) 80 12.000 Investition in Fusionen und Übernahmen (rechte Achse) Investition in Neugründungen (rechte Achse) 60 9.000 40 6.000 20 0 3.000 2000 2002 2004 2006 2008 2010 2012 2014 0 Abbildung 8.1: Chinesische Neugründungen sowie Fusionen und Übernahmen in der EU-28 Anzahl der Transaktionen und Wert der Investitionen von 2000 bis 2014 Fusionen und Übernahmen sind nur ab einem Anteil von 10% oder mehr berücksichtigt Millionen EUR Quelle: Rhodium Group. Eine detaillierte Erklärung zu den Quellen und der Methodologie indet sich im Datenanhang. Fokus liegt auf den Kernländern Europas, aber Süd- und Osteuropa holen auf Die größten Volkswirtschaften Europas sind auch die Hauptzielländer für die in die EU ließenden chinesischen Investitionen. Dies entspricht dem Bild, das wir insgesamt bei ausländischen Direktinvestitionen in der EU sehen. Mehr als 50 Prozent der Gesamtinvestitionen im Zeitraum 2000 bis 2014 lossen nach Großbritannien, Deutschland und Frankreich. In den letzten Jahren hat China seine Investitionen stärker auf Europa verteilt. Besonders wichtig ist, dass der Anteil der PIIGSC-Länder (Portugal, Irland, Italien, Griechenland, Spanien und Zypern) an den Gesamtinvestitionen Chinas in der EU von unter zehn Prozent vor 2011 auf über 30 Prozent zwischen 2012 und 2014 gestiegen ist. Dies liegt u.a. daran, dass chinesische Unternehmen die Chancen nutzen, die sich ihnen bei früher in Staatsbesitz beindlichen ausländischen Unternehmen aus dem Versorgungs- und Transportsektor bieten. Doch allmählich hat China auch begonnen, in osteuropäische 10 Nähere Informationen zur Datengrundlage sind im Datenanhang zu finden. MERICS 17 Abbildung 8.2: Chinesische Direktinvestitionen in der EU -28, 2000 — 2014 Chinas OFDI verteilen sich über ganz Europa Neugründungen, Fusionen und Übernahmen in der EU-28 nach einzelnen EU-Mitgliedstaaten; Wert kumulierter Investitionen von 2000 bis 2014 0 — 500 Finnland 102 500 — 2.000 2.000 — 5.000 Schweden 1.522 Millionen EUR 5.000 — 10.000 Estland 23 > 10.000 Lettland 3 Litauen 30 Dänemark 134 Irland 99 Niederlande 2.997 UK 12.212 Belgien 928 Polen 453 Deutschland 6.872 Tschechische Rep. 138 Slowakei Luxemburg 432 40 Österreich 436 Frankreich 5.907 Slowenien 8 Italien 4.202 Ungarn 1.891 Rumänien 733 Kroatien 4 Bulgarien 207 Portugal 5.138 Spanien 1.096 Griechenland 405 Zypern 31 Malta 69 28% Energie 4% Transport und Bau 13% Automobil 2% 12% Landwirtschaft und Lebensmittel Gesundheit und Biotechnologie 2% 11% 9% Immobilien Konsumgüter und Dienstleistungen 6% Maschinenbau 2% Elektronik IKT 1% Metalle und Mineralien 5% Werkstoffe 1% Unterhaltung und Gastgewerbe Quelle: Rhodium Group. Eine detaillierte Erklärung zu den Quellen und der Methodologie indet sich im Datenanhang. 18 MERICS 4% Finanz- und Geschäftsdienstleistungen 1% Luftfahrt 2. Europa als Ziel für chinesische Direktinvestitionen Volkswirtschaften zu investieren, vor allem in die Bereiche Produktion, Landwirtschaft und Infrastruktur. Betrachtet man den Gesamtzeitraum, so entielen acht Prozent des Gesamtwerts der Investitionen auf osteuropäische Volkswirtschaften. Kurz gesagt: Der Großteil des Kapitals ließt weiterhin in die Kernländer Europas, inzwischen aber streut China seine Investitionen stärker, sodass sie alle Teile der Europäischen Union erreichen. Chinesische OFDI ließen vor allem in den Energiesektor und moderne Industrie Die geograische Verteilung des chinesischen Kapitals spiegelt zum Teil auch die breitere Mischung von Wirtschaftszweigen wider, an denen chinesische Investoren interessiert sind. Mit fast 13 Milliarden Euro Investitionen in Energieversorgung, fossile Brennstofe und erneuerbare Energien steht der Energiesektor an erster Stelle. Weitere wichtige Ziele chinesischer Investitionen waren moderne verarbeitende Industriesektoren, wie z.B. im Automobilsektor, (sechs Milliarden Euro), Maschinenbau (vier Milliarden Euro) sowie Informations- und Kommunikationstechnologie (drei Milliarden EUR). Die Investitionen im Dienstleistungssektor konzentrieren sich zumeist auf Transport (zwei Milliarden Euro) sowie zuletzt auch auf Sektoren mit größerer Wertschöpfung wie Biotechnologie und Finanzen (zusammen drei Milliarden Euro). Zwei Sektoren, die im Berichtszeitraum zumeist noch nicht im Blickfeld chinesischer Unternehmen standen, in den letzten zwei Jahren jedoch rapide an Bedeutung gewonnen haben, sind Landwirtschaft und Nahrungsmittel (fünf Milliarden Euro) sowie Gewerbeimmobilien (fünf Milliarden Euro). Eine Momentaufnahme chinesischer Direktinvestitionen in Deutschland Deutschland ist das zweitgrößte Zielland für chinesische Direktinvestitionen in Europa: Im Zeitraum 2000 bis 2014 wurden insgesamt 6,9 Milliarden Euro investiert (Abbildung 9.1 und 9.2). Seit Mitte der 2000er Jahre sind die jährlichen Zuströme gestiegen, sie betrafen jedoch vorwiegend kleinere Neugründungen, zum Beispiel Unternehmenszentralen und Handelsniederlassungen. Seit 2011 sind die Investitionen von Jahr zu Jahr kräftig gestiegen, was vor allem daran lag, dass die Zahl der Übernahmen stark zugenommen hat. Seither liegen die jährlichen Investitionen – anders als in anderen Ländern, wo Schwankungen festzustellen sind – bemerkenswert stabil bei ein bis zwei Milliarden Euro jährlich. 30 Abbildung 9.1: Chinesische Neugründungen sowie Fusionen 1.500 und Übernahmen in Deutschland Anzahl der Transaktionen und Wert der 1.000 Investitionen von 2000 bis 2014 2.000 Anzahl Fusionen und Übernahmen (linke Achse) Anzahl der Neugründungen (linke Achse) 25 Investition in Fusionen und Übernahmen (rechte Achse) Investition in Neugründungen (rechte Achse) 20 15 10 500 5 0 0 2000 2002 2004 2006 2008 2010 2012 Fusionen und Übernahmen sind nur ab einem Anteil von 10% oder mehr berücksichtigt Millionen EUR 2014 Quelle: Rhodium Group. Eine detaillierte Erklärung zu den Quellen und der Methodologie indet sich im Datenanhang. MERICS 19 Abbildung 9.2: Chinesische Direktinvestitionen in Deutschland, 2000 — 2014 Chinesischen Niederlassungen in Deutschland im Überblick Standorte chinesischer (Mit-) Eigentümer von Unternehmen in Deutschland im Jahr 2014 Harman Holding GmbH & Co. Neusoft Europe AG, 2010 Kreise symbolisieren Größe und Standorte der Transaktionen Fusionen und Übernahmen Neugründungen Tom Tailor Holding AG Fosun International Ltd, 2014 Industrial and Commercial Bank of China Niederlassung, 2014 COSCO Container Lines Europe GmbH Unternehmenssitz, 2005 BOGE rubber and plastics businesses Zhuzhou Times New Material Technology Co Ltd, 2011 AWP Aluminium Walzprodukte Cathay Merchant Group, 2005 Industrial and Commercial Bank of China (ICBC) Niederlassung, 2014 WISCO Tailored Blanks GmbH Wuhan Iron & Steel Co Ltd, 2013 KSM Castings GmbH Dicastal Wheel Manufacturing, 2011 Huawei Technologies Niederlassung, 2011 Greatview Aseptic Packaging (GA Pack) Niederlassung und Fabrik, 2011 Medion Lenovo, 2011 Sany Fabrik und F&EZentrum, 2009 KION Group GmbH Weichai Power Co., Ltd., 2012 eFusion MMOG GmbH Shanda Games Ltd., 2012 KOKINETICS GmbH Aviation Industry Corp of China, 2014 BHF Bank Fosun International Limited, 2014 Avancis GmbH China National Building Material Co Ltd, 2014 Preh GmbH Joyson Automotive Electronic, 2011 Hilite international gmbh AVIC mechanical & electrical, 2014 CSR Corporation Limited F&E-Zentrum, 2014 Jingcheng Holding Europe GmbH Unternehmenssitz, 2010 Zhafir Plastics Machinery Unternehmenssitz, 2009 KION Group GmbH Weichai Power Co., Ltd., 2012 M-tec Mathis Technik GmbH Zoomlion Heavy Industry Science and Technology Co, 2013 KRW Leipzig GmbH Wafangdian Bearing Group Corp, 2013 Thielert Aircraft AVIC International Holding Corp, 2013 Weingut Diehl-Blees Jiangsu GPRO Group Co Ltd, 2014 Beiqi Foton Motor Co. Ltd. Unternehmenssitz, 2014 SAG solarstrom Shunfeng Photovoltaic, 2014 Solibro GmbH Hanergy Holding Group, Ltd., 2012 Putzmeister Sany, 2012 Huawei F&E-Zentrum, 2014 ET Solutions AG Unternehmenssitz, 2008 Quelle: Rhodium Group. Eine detaillierte Erklärung zu den Quellen und der Methodologie indet sich im Datenanhang. 2. Europa als Ziel für chinesische Direktinvestitionen Immer breiteres Interesse chinesischer Investoren: von Fertigung zu Dienstleistungen Einer der Gründe für diese stabilen Zulüsse ist, dass die deutsche Volkswirtschaft chinesischen Investoren eine Vielzahl von Investitionsmöglichkeiten in verschiedenen Wirtschaftszweigen bietet. Die beiden wichtigsten Sektoren sind die Automobilindustrie sowie Maschinenbau (mit Investitionen in Höhe von 1,9 Milliarden Euro bzw. 2,7 Milliarden Euro). Darin zeigt sich Chinas großes Interesse an Investitionen im Bereich moderner industrieller Fertigung. Zu den anderen Sektoren zählen erneuerbare Energien, Konsumgüter sowie Finanz- und Transportdienstleistungen (Abbildung 10.1 und 10.2). Übernahmen machen in Deutschland den größten Anteil aus Die meisten der nach Deutschland ließenden chinesischen Direktinvestitionen erfolgen in Form von Unternehmenskäufen (82 Prozent), da Übernahmen einen raschen Markteintritt bzw. den Erwerb von Know-how, Marken und anderen Vermögenswerten ermöglichen. Die größten chinesischen Übernahmen in Deutschland waren Lenovos Investition in Medion (530 Millionen Euro, 2011), AVICs Übernahme von Hilite International (473 Millionen Euro, 2014) sowie die Investition von Weichai Power in die Kion Group (467 Millionen Euro, 2012). Deutschland ist allerdings auch eines der Hauptzielländer für Investitionen in Neugründungen, was die Position des Landes als größte Volkswirtschaft im Herzen Europas verdeutlicht.11 Bedeutende Neugründungen im Bereich industrielle Produktion waren Sanys Produktionsstätte in Bedburg in der Nähe von Köln und das Werk von Greatview Aseptic in Sachsen-Anhalt (Halle/Saale), wo Verpackungen hergestellt werden. Ein jüngerer Trend sind die steigenden Investitionsausgaben chinesischer Firmen für Forschung und Entwicklung, Finanzen und andere moderne Dienstleistungen. So hat zum Beispiel Huawei 2014 in ein Technikzentrum in München investiert. Große chinesische Banken wie die Industrial and Commercial Bank of China oder die Agricultural Bank of China haben Tochtergesellschaften in Frankfurt gegründet. Investitionen konzentrieren sich auf die alten Bundesländer Ein Blick auf die geograische Verteilung chinesischer Investitionen in Deutschland spiegelt in erster Linie bestehende Industriecluster wider sowie Regionen, die besonders attraktiv sind für Neugründungen. Zugleich zeigt dieser Blick, wo man sich besonders um chinesische Investoren bemüht. Im Jahre 2014 gab es in allen 16 Bundesländern chinesische Unternehmen. Die meisten Investitionen entfallen jedoch auf die alten Bundesländer. Dies ist insofern nicht überraschend, als die alten Bundesländer fast 90 Prozent des BIP generieren und fast 90 Prozent der Umsätze im verarbeitenden Gewerbe verzeichnen.12 Die fünf Bundesländer, in die die meisten chinesischen Investitionen ließen, sind Nordrhein-Westfalen, Hessen, Bayern, Baden-Württemberg und Niedersachsen. Wichtige Investitionen gibt es jedoch auch im Osten: Sachsen-Anhalt führt mit wichtigen Ansiedlungen wie beispielsweise Greatview Aseptic die Liste der neuen Bundesländer an. Eine weitere wichtige Beobachtung ist, dass Bundesländer, in die chinesische Unternehmen bereits relativ früh investiert haben, Vorreiter sind, wenn es um die Anwerbung 11 Für eine detailliertere Betrachtung von Neugründungen, vgl. GTAI (2015). 12 In der Berechnung ist Berlin nicht berücksichtigt. MERICS 21 2. Europa als Ziel für chinesische Direktinvestitionen Abbildung 10.1: Chinesische Investoren: von moderner Fertigung zu Dienstleistungen Chinesische OFDI-Transaktionen in Deutschland nach Wirtschaftszweigen von 2000 bis 2014 2.000 1.500 1.000 500 Millionen EUR 0 Abbildung 10.2: Die Präferenz chinesischer Investoren für Übernahmen und Neugründungen variiert je nach Wirtschaftszweig Anteil am Gesamtwert der kumulierten Investitionen 2000 bis 2014 2005 2006 2007 2008 2010 2011 2012 2013 Transport und Bau Finanz- und Geschäftsdienstleistungen Metalle und Mineralien Energie IKT Konsumgüter und Dienstleistungen Elektronik Werkstoffe Maschinenbau Luftfahrt Gesundheit und Biotechnologie Automobil Konsumgüter & Dienstleistungen 8% Automobilindustrie (Teile & Zubehör) 5,1% 16,9% Andere Plastik, Gummi & andere Materialien 8,5% 10,7% Erneuerbare Energie 27,3% Maschinenbau Finanzdienstleistungen & Versicherung 1,8% 9,8% Konsumgüter Andere & Dienstleistungen 1,9% Elektronik & Elektronikteile 2,1% 13% IT-Geräte 10,5% Finanzdienstleistungen & Versicherung Neugründungen nach Wirtschaftszweigen Prozent 2009 5% Erneuerbare Energie 6% IT-Geräte 2014 42,3% Industrieanlagen & Werkzeuge 31,1% Automobilindustrie (Teile & Zubehör) Fusionen und Übernahmen nach Wirtschaftszweigen Quelle: Rhodium Group. Eine detaillierte Erklärung zu den Quellen und der Methodologie indet sich im Datenanhang. von chinesischen Investoren geht. So zählten Hessen und Bayern schon früh zu den bevorzugten Zielen chinesischer OFDI und verzeichnen heute die größte Zahl von Transaktionen im Bundesländervergleich. Wichtig für das Verständnis der geographischen Verteilung chinesischer OFDI sind bestehende Industriecluster. Baden-Württemberg beheimatet große Unternehmen aus den Bereichen Automobil- und Schwerindustrie, wie zum Beispiel HIB Trim, Putzmeister und Emag Machine Tools. Nordrhein-Westfalen ist ein weiteres Zentrum für Maschinenbau, mit chinesischen Tochterunternehmen von Schwing, Kiekert und Tailored Blanks. Frankfurt ist Deutschlands Finanzzentrum und hat aus diesem Grund chinesische Finanzdienstleister angezogen, unter anderem die Bank of China, die Agricultural Bank of China, die ICBC, die Bank of Communications sowie Fosun durch eine Minderheitsbeteiligung an der Investmentbank BHF. In Hamburg wiederum, einem wichtigen Zentrum für Schiffahrt und Transportlogistik, tummeln sich Filialen chinesischer Handelsunternehmen und großer multinationaler Staatsunternehmen wie COSCO oder ICBC. 22 MERICS 2. Europa als Ziel für chinesische Direktinvestitionen Abbildung 11 gibt einen Überblick über die nach Deutschland gelossenen chinesischen Investitionen im Vergleich zu anderen europäischen Volkswirtschaften, aufgeschlüsselt nach 15 verschiedenen Wirtschaftszweigen. Deutschland führt bei Industriemaschinen, Automobil- und Informationstechnologie Da Industriemaschinen zu den Hauptexportgütern aus Deutschland gehören, überrascht es nicht, dass Deutschland im europäischen Vergleich die meisten Investitionen im Maschinenbau anzieht. Die Investitionen in diesen Sektor sind vielfältig. Sie reichen von großen Transaktionen, wie etwa dem Kauf des Betonpumpenbauers Putzmeister durch Sany oder des Betonpumpenhersteller Schwing durch Xuzhou Construction, bis zu kleineren Transaktionen wie der Übernahme des Fräsmaschinenherstellers Waldrich Coburg. Deutschlands Mittelständler sind besonders attraktive Übernahmeobjekte für chinesische Unternehmen, die Technologie-Führerschaft anstreben und im Gegenzug bereit sind, beim Marktzugang nach China zu helfen. Andere europäische Länder, in denen China ebenfalls in den Maschinenbau investiert hat, sind Italien, Frankreich und Polen. Auch im Automobilsektor steht Deutschland an erster Stelle, vor Schweden, Großbritannien, Frankreich und Italien. Die höheren chinesischen Investitionen in den deutschen Automobilsektor sind jedoch ein neuerer Trend: Fast alle Investitionen wurden erst in den letzten vier Jahren getätigt. Die chinesischen Investitionen konzentrieren sich bisher auf Autoteile im mittleren Segment der Wertschöpfungskette. Einige der größten Investitionen in dieser Kategorie sind WISCO Tailored Blanks und KSM Castings, die Blechplatinen bzw. Druckgussteile aus Aluminium und Magnesium herstellen. Zugang zu Technologie und Know-How ist ein starker Anreiz für Investitionen. Beispiele hierfür sind Hilite International, inzwischen ein Tochterunternehmen von AVIC, das Autoventile entwickelt, oder das Unternehmen BOGE, das jetzt Zhuzhou TMT gehört und schwingungshemmende Komponenten entwickelt. Diese Trends zeigen, dass die chinesische Automobilindustrie zunehmend reifer wird und in Bereiche vordringt, die traditionell Spezialgebiete der Industrieländer waren. Auch im IT-Sektor ist Deutschland das führende Zielland für chinesische Unternehmen, mit doppelt so vielen Investitionen wie in Frankreich und Großbritannien. Die bislang größte Übernahme erfolgte 2011: Lenovo kaufte Medion, einen Hersteller von Unterhaltungselektronik. Die Telekommunikationsirma Huawei hat eine starke Präsenz in Deutschland, insbesondere in Düsseldorf und München, wo die Europazentrale bzw. das Forschungs- und Entwicklungszentrum angesiedelt sind. Der Konkurrent ZTE hat eine vergleichbare Betriebsstruktur in Deutschland: Forschung und Entwicklung sind über das Land verteilt, während sich die Zentrale ebenfalls in Düsseldorf beindet. Auch im Bereich Luftfahrt gehört Deutschland zu den beiden einzigen europäischen Ländern, die chinesische OFDI angezogen haben. 2013 hat AVIC den Flugzeugmotorenhersteller Thielert gekauft. Chinesische Luftfahrtunternehmen bemühen sich darum aufzuholen und eine wettbewerbsfähigere eigene Industrie aufzubauen. Die andere bedeutende Transaktion im europäischen Luftfahrtsektor war die Übernahme von Fischer Advanced Composite Components in Österreich. Deutschland ist auch eines der größten Zielländer für chinesische Investitionen im Dienstleistungssektor und im Bereich Konsumgüter. Die meisten Investitionen zielen darauf ab, Marken für den chinesischen Markt und die Weltmärkte aufzubauen (z.B. Tom MERICS 23 2. Europa als Ziel für chinesische Direktinvestitionen Abbildung 11: Deutschlands Attraktivität für chinesische Investoren im europäischen Vergleich Chinesische OFDI in der EU-28 nach Land und Wirtschaftszweig, 2000 bis 2014 Kreisgröße stellt das Investitionsvolumen dar; Anteil der Neugründungen in grün, Übernahmen in orange Österreich Belgien Bulgarien Kroatien Zypern Tschech. Rep. Dänemark Estland Finnland Frankreich Deutschland Griechenland Ungarn Irland Italien Lettland Litauen Luxemburg Malta Niederlande Polen Portugal Rumänien Slowakei Slowenien Spanien Schweden Transport und Bau Immobilien Metalle und Mineralien IKT Maschinenbau Gesundheit und Biotechnologie Finanz- und Geschäftsdienstleistungen Unterhaltung Energie Elektronik Konsumgüter und Dienstleistungen Werkstoffe Luftfahrt Automobil Landwirtschaft und Lebensmittel Großbritannien Quelle: Rhodium Group. Eine detaillierte Erklärung zu den Quellen und der Methodologie indet sich im Datenanhang. Tailor) bzw. Kunden- und andere After-Sales-Dienstleistungen (z.B. Midea) anzubieten. Die Attraktivität deutscher Finanz- und Geschäftsdienstleistungen zeigt sich u.a. in der zunehmenden Präsenz chinesischer Banken und anderer Finanzunternehmen in Frankfurt (wo es jetzt eine RMB-Clearingstelle gibt). Gesundheitswesen und Biotechnologie haben bislang nur relativ bescheidene Investitionen aus China angezogen, wobei zunehmendes Interesse in anderen europäischen Volkswirtschaften (Portugal und Niederlande) vermuten lässt, dass hier noch Raum für weiteres Wachstum besteht. 24 MERICS 2. Europa als Ziel für chinesische Direktinvestitionen Nachholbedarf im Bereich Energie, Elektronik, Transport und Infrastruktur Was den Elektroniksektor angeht, sind die chinesischen Investitionen in Deutschland geringer als in anderen europäischen Ländern. (Deutschland liegt an fünfter Stelle hinter Frankreich, den Niederlanden, Luxemburg und Österreich). Die meisten Investitionen konzentrieren sich auf Forschung und Entwicklung und andere Aktivitäten mit hoher Wertschöpfung, so zum Beispiel in Lenovos Innovationszentrum in Stuttgart. Auch Automobilelektronik ist ein Bereich, der auf chinesisches Interesse stößt. So wurde der Automobilzulieferer Preh übernommen, der Klimaanlagen und Fahrerbediensysteme entwickelt und herstellt. Die meisten chinesischen Investitionen in Europa ließen jedoch in den Energiesektor – ein Bereich, in dem es nur vergleichsweise wenige Transaktionen in Deutschland gab. Hier beschränken sich die Aktivitäten weitgehend auf erneuerbare Energien, insbesondere auf den Bereich der Produktion von Solaranlagen, wo die staatlichen Subventionen für chinesische Solarunternehmen lange Zeit attraktiv waren. Das größte Projekt ist die Solarmodulanlage von Astroenergy in Frankfurt (Oder), die von Conergy übernommen wurde. Wirtschaftszweige, in denen Deutschland im Vergleich zum restlichen Europa unter dem Durchschnitt liegt, sind Transport und Infrastruktur (die einzige signiikante Investition ist ein Frachtlughafen in Mecklenburg-Vorpommern), Werkstofe (wo es nach der Branchenkonsolidierung nur wenige Eintrittschancen gibt) sowie Metalle und Mineralstofe. Nach Deutschland sind bislang auch keine signiikanten Investitionen in Gewerbeimmobilien gelossen – im Unterschied zu anderen europäischen Volkswirtschaften, insbesondere zu Großbritannien. Anzeichen deuten allerdings darauf hin, dass sich dies künftig ändern wird. So gibt es Gerüchte über mögliche Großinvestitionen in Frankfurt und Berlin. Auch in den Unterhaltungssektor und das Gastgewerbe, die ebenfalls stark gewachsen sind, wurde bislang nur wenig investiert. Chinas wachsendes Interesse an Unternehmen aus den Bereichen Landwirtschaft und Nahrungsmittel, hat Deutschland auch noch nicht erreicht. Große Bandbreite chinesischer Unternehmen in Deutschland Verschiedenste chinesische Unternehmen investieren in Deutschland. Darin spiegelt sich die Vielfalt von Unternehmensformen in Chinas heutiger Wirtschaft wider. Abbildung 12.1 schlüsselt die Transaktionswerte anhand zweier Variablen auf: nach der Eigentumsform des Investors (Privatbesitz oder Staatsunternehmen) und nach der Art des Investors (strategische Investoren oder Unternehmen der Realwirtschaft, die langfristig investieren, um Vorteile zu nutzen, in Märkte einzusteigen oder konkurrenzfähiger zu werden, bzw. Finanzinvestoren, d. h. Unternehmen und Fonds, die vornehmlich der Renditen wegen investieren).13 Hier ist zu sehen, dass es sich meist um strategische Investoren handelt, d. h. um Wirtschaftsunternehmen aus dem Bereich der Realwirtschaft, die in eines ihrer Hauptgeschäftsfelder investieren. Daran zeigt sich, dass Deutschland für chinesische Produzenten attraktiv ist, die sich die Wertschöpfungskette hinaubewegen und das bestehende Fachwissen und den Markenwert im chinesischen Markt nutzen wollen. Finanzinvestoren beschränken sich bislang auf Verbraucherprodukte und Finanzdienstleistungen. Sie spielen 13 Wir definieren Unternehmen als “privat”, nur wenn mindestens 80 Prozent der Anteile von privaten Investoren gehalten werden. Genauere Informationen zu dem Datensatz finden sich im Datenanhang. MERICS 25 2. Europa als Ziel für chinesische Direktinvestitionen 2.000 Abbildung 12.1: Eigentumsstruktur der in Deutschland tätigen chinesischen 1.500 Investoren Chinesische OFDI nach Art des Investors und Branchen, 2000 bis 2014 1.000 noch eine vergleichsweise geringe Rolle, gewinnen allerdings europaweit an Bedeutung. Finanz-Investitionen durch Staatsunternehmen Strategische Investitionen durch Staatsunternehmen Finanz-Investitionen durch private Unternehmen Strategische Investitionen durch private Unternehmen Millionen EUR; Prozent 500 0 2002 2006 2010 2014 Landwirtschaft, Lebensmittel Gesundheit, Biotechnologie Immobilien Werkstoffe Unterhaltung, Gastgewerbe Elektronik Konsumgüter, Dienstleist. IKT Energie Finanz- u. Geschäftsdienstl. Metalle und Mineralien Maschinenbau Luftfahrt Automobil Transport und Bau 0% 25% 50% 75% 100% Ein zentraler Befund ist die weiterhin starke Rolle, die Staatsunternehmen bei chinesischen Investitionen in Deutschland spielen. Mehr als 60 Prozent des Gesamtwerts aller Transaktionen stammt von Firmen, die sich zu mindestens zu 20 Prozent in staatlicher Hand befanden. Die Sektoren, in denen das staatseigene Kapital dominiert, sind der Automobilsektor, Maschinenbau, Luftfahrt und Transport. Dies entspricht der historischen Entwicklung dieser Wirtschaftszweige in China, die traditionell der Kontrolle staatlicher Stellen (auf allen Verwaltungsebenen) unterlagen. Von den vier Milliarden Euro, die von Staatsunternehmen investiert wurden, stammen mehr als zwei Drittel von Unternehmen, die von Provinz- oder Kommunalregierungen kontrolliert werden. Die Privatunternehmen investierten dagegen vor allem in Sektoren wie Informationstechnologie, Elektronik und erneuerbare Energien. Quelle: Rhodium Group. Eine detaillierte Erklärung zu den Quellen und der Methodologie indet sich im Datenanhang. Chinesische OFDI vor allem aus Ostküstenregion und industriellem Kernland Abbildung 12.2 zeigt, wo sich die Hauptsitze chinesischer Unternehmen beinden, die in Deutschland seit 2000 investiert haben (aufgeschlüsselt nach Provinzen und Wert der Investitionen). Wenig überraschend handelt es sich bei den Unternehmen, die am meisten in Deutschland investieren, um Staatsunternehmen spielen solche aus den wohlhabenden Provinzen an der Ostküste. weiterhin eine starke Rolle Peking, Shanghai und Guangdong beheimaten große Investobei chinesischen Investitionen ren in einer Reihe von Sektoren, so z.B. Lenovo in Peking, Fosun in Deutschland. in Shanghai sowie Huawei und ZTE in Guangdong. Küstenprovinzen wie Zhejiang und Shanghai mit ihrem lorierenden Privatsektor sind ebenfalls eine wichtige Quelle für OFDI in Deutschland. Peking ist besonders wichtig, da hier eine große Zahl nationaler Staatsunternehmen (SOE), wie AVIC, China National Building Materials Company und Power Construction Corporation of China, angesiedelt sind. 26 MERICS 2. Europa als Ziel für chinesische Direktinvestitionen Auch Unternehmen aus dem industriellen Kernland im Norden und in Zentralchina sind wichtige Investoren in Deutschland. Der Norden und Zentralchina sind stark im Bereich Maschinenbau und Automobilsektor. Dies macht gerade Deutschland für Unternehmen aus dieser Region zu einem interessanten Investitionsziel. Zu den wichtigen Investoren zählen Wuhan Iron & Steel und CITIC Dicastal (Tochterunternehmen des großen staatseigenen Konzerns CITIC Group) in Hebei sowie Weichai Power und Qingdao Machinery Industry Corp in Shandong und Sany Construction in Hunan. Heilongjiang Beijing Hebei Abbildung 12.2: Woher kommen die in Deutschland aktiven chinesischen Investoren? Chinesische Direktinvestitionen nach Heimatprovinz des Investors, 2000 bis 2014 Xinjiang Liaoning Shanxi Shandong Shaan- Henan xi Anhui Hubei Chongqing Hunan < 50 Mio. 50 — 100 Mio. Millionen EUR Tianjin Jiangsu Shanghai Zhejiang Jiangxi Fujian Yunnan 100 — 500 Mio. Guangdong 500 Mio. — 1 Mrd. > 1 Mrd. Hainan Quelle: Rhodium Group. Eine detaillierte Erklärung zu den Quellen und der Methodologie indet sich im Datenanhang. MERICS 27 3. Neue Chancen nutzen 3. Neue Chancen nutzen Im vorherigen Teil wurde verdeutlicht, dass die chinesischen Investitionen in Deutschland und anderen Teilen Europas stark zunehmen, und zwar noch stärker, als veraltete amtliche Zahlen vermuten lassen. Unklar ist jedoch, welche Auswirkungen diese neuen Zulüsse auf die Volkswirtschaften Europas haben werden – und wie Brüssel, Berlin und andere europäische Hauptstädte darauf reagieren sollten. Die EU-Mitgliedsstaaten stehen ausländischen Direktinvestitionen grundsätzlich sehr positiv gegenüber und halten sich an den Grundsatz der Investitionsfreiheit für ausländisches Kapital. Mehr als 30 Prozent der globalen Kapitalbestände aus Direktinvestitionen entfallen auf die EU.14 Chinas Aufstieg eröfnet eine einmalige Gelegenheit, diese Kapitalbestände weiter zu steigern und von ihnen zu proitieren. Allerdings weist China zahlreiche Besonderheiten auf, die eine Debatte über die mit diesen Zulüssen verbundenen besonderen Risiken rechtfertigen. Auch vor dem Hintergrund steigender Investitionen aus Schwellenländern muss die derzeitige Aufassung, dass der Nutzen die Risiken weit übertrift, möglicherweise überprüft werden. In diesem Abschnitt untersuchen wir – unter Berücksichtigung von Chinas besonderen Charakteristika – die Chancen und den potenziellen Nutzen, den steigende chinesische Direktinvestitionen Europa bringen. Zunächst werden wir die besondere Konstellation von politischen, makroökonomischen und MarktFaktoren umreißen, die chinesische Auslandsinvestitionen in den kommenden Jahren antreiben werden und China zu einem der wichtigsten Auslandsinvestoren der Welt machen dürften. Außerdem werden wir diskutieren, inwiefern chinesische Investitionen durch weitere positive Auswirkungen, die ausländische Direktinvestitionen mit sich bringen können (wie zum Beispiel Verlechtungen für Exporteure mit dem chinesischen Markt oder der Spillover von Innovationen), für die europäischen Volkswirtschaften von Bedeutung sind. Abschließend geben wir Empfehlungen, wie Europa diese Vorteile in den kommenden Jahren optimal nutzen könnte. China hat das Potenzial, sich im Laufe des nächsten Jahrzehnts zur wichtigsten Kraft für das Wachstum ausländischer Direktinvestitionen weltweit zu entwickeln. Eine riesige neue Quelle globaler Investitionstätigkeit Der hauptsächliche – und ofensichtlichste – Nutzen von OFDI für ein Zielland liegt in den Investitionen selbst. China nimmt hierbei nicht nur eine exponierte Stellung ein, weil es bereits ein bedeutender globaler Investor ist, sondern auch, weil es das Potenzial besitzt, sich im Laufe des nächsten Jahrzehnts zur wichtigsten Kraft für das Wachstum ausländischer Direktinvestitionen weltweit zu entwickeln. Obwohl China schon im vergangenen Jahrzehnt enorme Wachstumsraten erzielt hat, beträgt das Verhältnis der chinesischen Investitionsbestände im Ausland zum BIP nur sieben Prozent. Dieser Wert liegt unter dem Durchschnitt für Volkswirtschaften mit mittlerem Einkommen (zehn Prozent) und weit unter den Werten, die die am weitesten entwickelten Volkswirtschaften wie etwa die USA (38 Prozent), Japan (20 Prozent) und Deutschland (47 Prozent) verzeichnen.15 Mit anderen Worten: Der Boom chinesischer Direktinvestitionen im Ausland hat gerade erst 14 Datenpunkt auf Basis der Daten der UNCTAD zu ausländischen Kapitalbeständen 2013. Einschließlich innereuropäischer ausländischer Direktinvestitionen. 15 Alle Angaben sind aus dem Jahr 2013 und basieren auf den amtlichen nationalen Statistiken und den von der UNCTAD zur Verfügung gestellten Daten. 28 MERICS 3. Neue Chancen nutzen begonnen und dürfte sich dank liberalerer Investitionspolitik und der sich wandelnden wirtschaftlichen Gegebenheiten im chinesischen Markt, die Firmen zu einer internationaleren Ausrichtung zwingen, fortsetzen. Liberalisierung und Deregulierung sind Voraussetzungen für den OFDI-Boom Die Erleichterung von Auslandsinvestitionen war eine der Voraussetzungen des Investitionsbooms im vergangenen Jahrzehnt. Die chinesische Führung sieht Auslandsinvestitionen als wichtigen Teil ihrer Bemühungen beim Aubau einer markt- und innovationsorientierteren, eizienteren und moderneren Volkswirtschaft. 2014 hat China eine Reihe von Richtlinien umgesetzt, die die Internationalisierung von Unternehmen fördern sollen und im Einklang mit dem 12. Fünjahresplan (2011–2015) sowie dem Reformprogramm des 3. ZK-Plenums vom November 2013 stehen. Dazu zählen die Deregulierung der administrativen Kontrollen für Unternehmen, die im Ausland investieren möchten, sowie Anreize, die sich an Firmen und Einzelpersonen richten. Der wichtigste Schritt war die Umstellung von einem komplexen Verfahren, bei dem Genehmigungen diverser Verwaltungsbehörden eingeholt werden mussten, zu einem weniger restriktiven System, bei dem sich die meisten Firmen nur bei den zuständigen Behörden registrieren lassen müssen.16 OFDI-Wachstum von Veränderungen des chinesischen Markts getrieben Die sich ändernden Gegebenheiten des chinesischen Markts sind der bedeutendste Faktor für künftige Investitionsströme ins Ausland. Angesichts der jüngsten wirtschaftlichen Entwicklungen und der sich abkühlenden Konjunktur steigt der Diversiizierungs- und Wettbewerbsdruck auf chinesische Unternehmen – und damit die Risikobereitschaft und das Interesse an internationaler Expansion. Wichtig ist dabei, dass auch der Kreis der Auslandsinvestoren vielfältiger wird. Immer mehr Privatunternehmen nutzen ihre neu gewonnene Freiheit für Auslandsinvestitionen. Inzwischen sind sie der Motor der Auslandsinvestitionen in Europa und in anderen Teilen der Welt. Auch die Reformbemühungen im Staatssektor, könnten zu einem noch stärkeren Schub bei den Auslandsinvestitionen Abbildung 13: Bis 2020 wächst der Bestand von Chinas OFDI weltweit auf 1 –2 Billionen USD an Prognosen für Chinas ausländische Direktinvestitionen bis 2020 3.000 2.500 2.000 1.500 1.000 500 0 2005 2010 2015 2020 Quelle: Rhodium Group. Diese Graik kombiniert drei Szenarien für die BIPEntwicklung ($11,2, $13,6 und $17,7) sowie des Verhältnisses von OFDI Beständen zum BIP (6%, 10%, 15%) um die mögliche Unter- bzw. Obergrenze für Chinas OFDI Bestand im Jahre 2020 abzuschätzen. Milliarden USD 16 Vgl. dazu das Dokument „2014 State Council Notice on Government Approval of Investment Projects“, Staatsrat, November 2014, zu finden unter: http://www.gov.cn/zhengce/ content/2014-11/18/content_9219.htm MERICS 29 3. Neue Chancen nutzen beitragen, denn Staatsunternehmen sollen international konkurrenzfähiger werden. Schließlich ist festzuhalten, dass sich neue institutionelle Anleger (u. a. Staatsfonds und Sozialversicherungsfonds, Versicherungsgesellschaften, Vermögensverwaltungsgesellschaften, Private-Equity-Fonds und Finanzkonzerne) immer stärker im Ausland engagieren, um die von ihnen verwalteten großen Geldvermögen, die derzeit fast ausschließlich in inländischen Anlagen gebunden sind, stärker zu streuen. Chinas Investitionsaktivitäten im Ausland lassen sich nur schwer prognostizieren: Zu groß sind die Ungewissheiten bezüglich des Tempos der Wirtschaftsreformen, makroökonomischer Faktoren wie der Geldpolitik, der Entwicklung der Wechselkurse und anderer relevanter Variablen. Auf Grundlage historischer Erfahrungen in anderen Ländern lassen sich jedoch anhand der Entwicklung des Verhältnisses von Investitionsbeständen im Ausland zum BIP einige Szenarien skizzieren. Diese Berechnungen legen nahe, dass – sofern keine großen Krisen eintreten und China sich hinsichtlich der Direktinvestitionen im Ausland ähnlich wie andere Schwellenländer zuvor entwickelt – der Wert der auf Direktinvestitionen im Ausland beruhenden chinesischen Kapitalbestände weltweit bis 2020 von heute 744 Milliarden USD auf ein bis zwei Billionen USD steigen dürfte (Abbildung 13). Europa braucht dringend Investitionen Der Aufstieg Chinas zu einer bedeutsamen globalen Kapitalquelle ist insbesondere für Europa relevant. Denn er geschieht zu einer Zeit, in der die ausländischen Direktinvestitionen und auch die Investitionsausgaben insgesamt in Europa gering sind. Seit dem Ende der Finanz- und Fiskalkrise ist die Investitionstätigkeit in Europa, insbesondere in den kleineren Volkswirtschaften, rapide zurückgegangen. Die Wachstumsaussichten leiden darunter. (Abbildung 14). Abbildung 14: Europa in der Investitionsfalle Bruttoinvestitionen als Anteil am BIP Bruttoinvestitionen bezeichnen den Wertzuwachs an Sachgütern wie Ausrüstungen, Bauwerken oder Lagerbeständen in einer Volkswirtschaft (Anlage- und Vorratsinvestitionen). FDI ist nicht identisch mit und trägt auch nicht unbedingt zu Bruttoinvestitionen bei. Es besteht jedoch ein enger Zusammenhang (siehe Fichtner et al. 2014) Prozent 30% Deutschland PIIG* (Durchschnitt) Japan USA 25% UK (Durchschnitt) 20% * PIIG: Portugal, Irland, Italien, Griechenland 15% 2001 2003 2005 2007 2009 2011 2013 Quelle: Weltbank. Die EU und ihre Mitgliedsstaaten müssen dringend ihre Investitionstätigkeit erhöhen, um ein „verlorenes Jahrzehnt“ zu vermeiden. Der „Juncker-Plan“, Europas wichtigste Investitionsofensive für einen Ausweg aus der „Investitionsfalle“ und zur Wiederbelebung der Konjunktur, steckt noch in den Kinderschuhen und wird sicherlich nicht ausreichen.17 Darüber 17 Veugelers (2014). 30 MERICS 3. Neue Chancen nutzen hinaus läuft die EU mit der Fokussierung auf Infrastruktur Gefahr, die falschen Prioritäten zu setzen und andere wichtige Wirtschaftsfelder zu übersehen, denen es an Liquidität fehlt.18 Europaweit werden nach wie vor und immer dringender ausländische Geldgeber für produktive Direktinvestitionen benötigt, die Arbeitsplätze schafen und erhalten. Im Vergleich zu anderen volatilen und prozyklischen Kapitalströmen sorgen ausländische Direktinvestitionen unabhängig von ihrem Ursprungsland für wirtschaftliche Stabilität und Entwicklung. Schon allein durch ihre große Zahl und die Vielfalt ihrer Interessen können chinesische Investoren – sowohl private als auch öfentliche Unternehmen – in verschiedenen europäischen Wirtschaftszweigen gleichzeitig wichtige Impulse für die wirtschaftliche Entwicklung geben. Marktverlechtung durch OFDI: Stärkung der Exportmöglichkeiten Abgesehen von den unmittelbaren Investitionsausgaben können ausländische Direktinvestitionen für die Zielländer auch indirekt von Vorteil sein: Dies gilt ganz besonders für China. Die beiden wichtigsten indirekten Vorteile sind stärkere Verlechtungen von exportorientierten Unternehmen in Europa mit dem chinesischen Markt und das Innovationspotenzial chinesischer Unternehmen. Ein wichtiger, jedoch weniger ofensichtlicher Nutzen ausländischer Direktinvestitionen für die jeweiligen Volkswirtschaften besteht darin, dass sie Verbindungen zu Auslandsmärkten schafen, die zu Exporterleichterungen beitragen und das Zielland stärker in die Weltwirtschaft einbinden.19 Durch solche Verbindungen proitieren Unternehmen in den Zielländern von der Produktspeziikation, von der Integration in neue Produktionsketten und vom Zugang zu neuen operationellen Netzen. Kleinere Firmen sind in der Regel nicht in der Lage, den chinesischen Markt in vollem Umfang zu nutzen bzw. zu verstehen. Ein chinesischer Partner kann ihnen dabei helfen. Wenn dieser auch an der Firma vor Ort beteiligt ist, kann das erfolgversprechender sein als ein Joint-Venture in China. Viele der Wirtschaftszweige, in denen chinesische Investoren aktiv sind, werden auch künftig aus ihren Exportchancen am chinesischen Markt Kapital schlagen. Chinesische Unternehmen bringen Wissen über China und eröfnen Kanäle in ein Land, das zu den Hauptexportmärkten Europas zählt. Beispiele für solche produktiven Verbindungen sind die Übernahme von Weetabix durch Bright Food oder Joysons Beteiligung an Preh. Beide positionieren sich nun mit speziell auf den chinesischen Markt zugeschnittenen Produkten. Auch Putzmeisters strategischer Zusammenschluss mit Sany sah ausdrücklich vor, zu expandieren und Synergien zwischen dem deutschen und dem chinesischen Markt zu schafen. Unternehmen wie Dürkopp Adler (Deutschland) und der schwedische Automobilbauer Volvo erleben unter chinesischen Eignern (ShangGong Group bzw. Geely) eine neue Blüte. Im Jahr 2015 ist China für Volvo der größte Markt, wobei das Unternehmen seine Geschäfts- und Industriepräsenz weiter ausbaut, gleichzeitig jedoch die schwedische Identität der Marke betont. Durch AVICs 40-Prozent-Beteiligung an KHD Humboldt Wedag war es dem in Köln angesiedelten Unternehmen möglich, den Verkauf seiner Zementmaschinen und Dienstleistungen auf die BRICS-Länder auszuweiten. Auch das Xinjiang Goldwind gehörende Unternehmen Vensys konnte den Absatz hochwertiger Windturbinen in China steigern. 18 Fichtner et al. (2014). 19 Vgl. dazu WTO (1996). MERICS 31 3. Neue Chancen nutzen Spezialisierung und Innovation: Chinas High-Tech Ambitionen als Chance sehen Ein zweiter wichtiger Nutzen, den ausländische Direktinvestitionen für das Zielland haben können, ist die Stärkung des Know-hows und der Innovationsfähigkeit vor Ort.20 Zusätzlich zu dem nicht direkt greibaren Nutzen der Verstärkung des Gesamtwettbewerbs am Markt (ein wichtiger Innovationsmotor) sind es in erster Linie drei Wege, auf denen ausländische Direktinvestitionen positive Auswirkungen auf das Know-how und die Innovationsfähigkeit der Zielländer haben können: Erstens schulen ausländische Unternehmen häuig ihre Mitarbeiter, wodurch sie für ein besseres Angebot an qualiizierten Arbeitskräften vor Ort sorgen. Zweitens lassen sich ausländische Firmen häuig in bestehenden Forschungsclustern nieder und tragen auf diese Weise zu den dortigen Ausgaben für Forschung und Entwicklung bei. Drittens bringen ausländische Firmen häuig Technologie und Wissen mit, was zu Spillover-Efekten führt, die der Innovation und Produktion vor Ort zugutekommen. In der Vergangenheit wurden chinesische Unternehmen zumeist als Lowtech-Firmen mit geringem Innovationspotenzial belächelt. Mittlerweile sieht die Realität anders aus: Chinesische Firmen zählen in etlichen Wirtschaftszweigen zu den führenden Innovatoren. Die Umstellung auf das neue Wachstumsmodell, das Innovation und den Schutz geistigen Eigentums betont, wird diesen Prozess weiter beschleunigen. Chinesische Firmen tragen heute schon erheblich zu den in Europa getätigten Ausgaben für Forschung und Entwicklung bei. Der Telekommunikationsausrüster Huawei hat mehr als 30 Standorte für Forschung und Entwicklung sowie Innovationszentren in ganz Europa aufgebaut, u. a. in Belgien, Finnland, Frankreich, Deutschland, Irland, Italien, Schweden und Großbritannien (mit der Konzernzentrale für Forschung und Entwicklung in München). Neben großen chinesischen Unternehmen wie Sany und CSR, die erheblich in Forschung und Entwicklung investieren, gibt es aber auch Tausende chinesische Unternehmen, die Innovationspotenzial bieten, zum Beispiel mittels neuer Produktionsverfahren, Infrastrukturlösungen, Technologien und maßgeschneiderten Konsumgütern. Die Bereiche, in denen SpilloverEfekte chinesischer Innovationen am nächsten liegen, sind unter anderem (Verbraucher-) Elektronik und die Internetbranche, zunehmend jedoch auch der Maschinenbau sowie der Transport- und Infrastruktursektor (Eisenbahn, Energie, Telekommunikationsnetze usw.). Tabelle 1: Chinesische Unternehmen exportieren F&E Auswahl von chinesischen Neugründungen in Europa im Bereich von Forschung und Entwicklung Projekt Chinesischer Investor Ort Branche F&E-Zentrum CSR Corporation Dresden, Deutschland Diverse Transportmittel F&E-Zentrum Sany Bedburg, Deutschland Industriemaschinen und -anlagen und Werkzeuge F&E-Zentrum Xuzhou Construction Machinery Group Krefeld, Deutschland Industriemaschinen und -anlagen und Werkzeuge F&E-Zentrum Huawei Technologies Düsseldorf, Deutschland IT-Anlagen F&E-Hauptsitz Huawei Technologies München, Deutschland IT-Anlagen Designzentrum Shanghai Automotive Industry Corporation Birmingham, Großbritannien Automobilzulieferer Designzentrum Chang’an Automobile Group Turin, Italien Automobilzulieferer Prüfzentrum Prag, Tschechien Pharmazeutika und Biotechnologie Beijing Genomics Institute Quelle: Rhodium Group. 20 Vgl. Caves (1974). 32 MERICS 3. Neue Chancen nutzen Ausländische Unternehmen führen auch andere Modelle und organisatorische Innovationen ein: So wie japanische Unternehmen mit Just-in-Time-Produktion und Lean Management Maßstäbe setzten, sind nun chinesische Unternehmen dabei, mit „High Tempo Cost Out“-Produktion oder innovativen Ansätzen im Bereich des E-Commerce neue Maßstäbe zu setzen.21 Von besonderem Interesse könnten die Erfahrungen chinesischer Unternehmen bei der Umsetzung großer Infrastrukturprojekte im In- und Ausland sein. Auch wenn es berechtigte Bedenken zu Infrastrukturprojeken mit chinesischer Beteiligung gibt (siehe unten), könnten neue chinesische Initiativen („Seidenstraßen-Initiative“) oder auch Beiträge zum europäischen Investitionsprogramm („Juncker-Plan“) durchaus nachhaltig zur Entwicklung der europäischen Volkswirtschaften beitragen. Handlungsempfehlungen um Nutzen chinesischer OFDI zu maximieren Chinesisches Kapital wird nicht zwangsläuig weiter nach Europa ließen. Es herrscht ein intensiver globaler Wettbewerb, und politische Entscheidungsträger auf der ganzen Welt bemühen sich um chinesisches Kapital. Darüber hinaus ist auch nicht gewiss, dass Chinas Direktinvestitionen in den Zielländern die oben diskutierten positiven Efekte mit sich bringen. Zur Nutzenmaximierung müsste Europa vor allem auf solche Direktinvestitionen setzen, die langfristig Produktivität und Wachstum steigern. Notverkäufe hingegen haben zwar den Wechsel der Unternehmenseigner zur Folge, führen jedoch nicht zwingend zu Veränderungen hinsichtlich des lokalen Investitionsniveaus, der Arbeitsplätze oder Innovationen vor Ort. Zur Maximierung der Quantität, aber auch der Qualität der aus China zuließenden Direktinvestitionen sehen wir für politische Entscheider in Europa drei Prioritäten. Strukturreformen machen Europa attraktiv für ausländische Investitionen Die erste und schwierigste Aufgabe ist die Umsetzung der erforderlichen Strukturreformen, damit Europa langfristig ein attraktives Ziel für chinesische Investitionen bleibt. Ein Hauptkriterium für die Standortentscheidungen ausländischer Investoren ist das mittelund langfristige Wachstumspotenzial einer Volkswirtschaft.22 Dieser Grundsatz gilt auch für chinesische Investoren – neben einer Vielzahl anderer Faktoren, die von der Art des Investors und der Branche abhängen.23 Europas Attraktivität leidet unter der nach wie vor ungelösten Eurokrise, der langsamen Konjunkturerholung, demograischen Faktoren und anderen strukturellen Deiziten. Wenn Europa auch in Zukunft für chinesische Unternehmen attraktiv bleiben will, gilt es, Reformen umzusetzen und die Konjunktur anzukurbeln. Die Krise hat chinesischen Investoren einige kurzfristige Chancen eröfnet, zum Beispiel im Zuge der Privatisierung portugiesischer und griechischer Staatsunternehmen. Europa ist jedoch sehr daran gelegen, dass chinesische Investitionen nicht nur in solche „Notverkäufe“ von Unternehmen ließen, die vor allem als Wertspeicher für langfristige institutionelle Anleger dienen. Die Regierungen müssen vielmehr das richtige institutionelle und geschäftliche Umfeld dafür schafen, chinesisches Geld in „produktive“ ausländische Direktinvestitionen zu leiten. Denn diese Investitionen schafen Arbeitsplätze, nutzen Produktionsfaktoren vor Ort und tragen zu langfristigem Wohlstand und Wettbewerbsfähigkeit bei. 21 Steinfeld und Beltoft (2014). 22 Dunning (1993). 23 Dreger et al. (2015). MERICS 33 3. Neue Chancen nutzen Abbildung 15: Ausländische Direktinvestitionen in Europa im freien Fall Anteil an den weltweiten FDI-Zuströmen 60% Prozent 30% USA EU EU (geschätzte extra-EU-Ströme) 50% Deutschland 40% 20% 10% 0 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 Quelle: UNCTAD, Eurostat. Deutschland zählt zu den Ländern, die sich wirtschaftlich in guter Verfassung beinden und für internationale Investoren (auch aus China) sehr attraktiv zu sein scheinen.24 Neuste Forschungsergebnisse zeigen, dass neben Deutschland vor allem auch Großbritannien, die Niederlande und Frankreich besonders attraktive Investitionsziele sind.25 Betrachtet man jedoch Europa insgesamt, zeigt sich ein großes Ungleichgewicht: 18 europäische Volkswirtschaften rangieren nicht einmal unter den 25 konkurrenzfähigsten Ländern der Welt. Deutschland hat ein Interesse daran, dass es Europa insgesamt gelingt, konkurrenzfähiger zu werden und mehr Investitionen anzuziehen. Berlin muss eine Führungsrolle dabei übernehmen, um die erforderlichen Veränderungen im europäischen Kontext zu bewirken und die nötigen Reformen voranzutreiben. Europa muss eine Politisierung chinesischer Investitionen vermeiden Als zweite Voraussetzung dafür, dass Europa für chinesisches Kapital attraktiv ist und bleibt, gilt es die traditionelle Investitionsfreiheit auch für ausländische Unternehmen in Europa zu verteidigen. Und zwar auch, wenn chinesische Transaktionen für Spannungen sorgen. Europa hat eine lange Tradition der Investitionsfreiheit: Jeder Mitgliedsstaat hat sich der grundsätzlichen Verkehrsfreiheit für Kapital aus Drittländern verschrieben. Von diesem Grundsatz gibt es nur sehr wenige Ausnahmen. Insbesondere Deutschland verfügt über eine sehr ofene Regelung: Nur in wenigen Fällen und Wirtschaftszweigen unterliegen ausländische Investitionen Einschränkungen. Chinas Aufstieg hat die traditionelle Ofenheit in vielen Ländern erschüttert. Formal haben zum Beispiel Länder wie Australien und Kanada ihre Gesetze und Vorschriften verschärft. Die USA und andere Länder haben Gesetze erlassen, um ausländische Direktinvestitionen, insbesondere die aus China, strenger zu prüfen.26 Außerdem hat es heftige 24 In einem neuen Bericht des Institute of World Economy and Politics der chinesischen Akademie für Sozialwissenschaften (CASS-IWEP 2014) gilt Deutschland unter dem Gesichtspunkt der Risikoanalyse als das attraktivste Zielland. 25 In semi-offiziellen (WEO 2015) und kommerziellen Berichten (EY 2015, AT Kearney 2015) stehen Deutschland, Großbritannien, die Niederlande und Frankreich in puncto Wettbewerbsfähigkeit und Attraktivität als Investitionsstandort weit oben. 26 DeLauro (2014). 34 MERICS 3. Neue Chancen nutzen Gegenreaktion gegenüber chinesischen Investoren gegeben. Einige geplante Geschäfte, wie etwa die Übernahme des US-Ölkonzerns Unocal durch CNOOC im Jahr 2005, entwickelten sich zum Politikum. Die eben genannten Gesetze, insbesondere aber die kontroverse politische Debatte um geplante ausländische Investitionen, haben dem Ruf der jeweiligen Länder als Investitionsstandorte geschadet. Teilweise hatte dies einen deutlichen Rückgang der Direktinvestitionen aus China zur Folge (am deutlichsten seit 2013 in Kanada).27 Bislang steht Europa gut da, und es gab keine stark politisierten Investitionsprojekte. Dennoch besteht durchaus die Gefahr, dass das Prinzip der Ofenheit aufgeweicht wird. Die formelle Kapitalverkehrsfreiheit ist zwar im EU-Recht verankert, jedoch ist der Spielraum für die Mitgliedsstaaten in der Auslegung recht groß. Es bleibt den einzelnen Volkswirtschaften selbst überlassen, Schranken im Falle einer „Gefährdung der öfentlichen Ordnung oder Sicherheit“ zu deinieren. Ein aktuelles Beispiel ist Frankreichs „wirtschaftspatriotische“ Reaktion auf das Übernahmeangebot des US-Unternehmens General Electric für Alstom: Ein 2005 in Bezug auf den Verteidigungssektor und andere Wirtschaftszweige erlassenes Gesetz, wurde dazu genutzt, ausländische Übernahmen auch in verschiedenen anderen Branchen zu blockieren. Es räumt dem Staat zusätzliche Befugnisse ein und beinhaltet eine Genehmigungsplicht durch den Wirtschaftsminister. Die Tendenz zu einer großzügigeren Auslegung des Begrifs der „nationalen Sicherheit“ könnte sich künftig angesichts vermehrter Kapitallüsse aus China fortsetzen. Neben der Gefahr, Sicherheitsbedenken mit höheren formellen Hürden zu begegnen, gibt es auch ein erhebliches Risiko der informellen Diskriminierung und Politisierung. Dass der frühere EU-Industriekommissar Tajani ein chinesisches Übernahmeangebot für den niederländischen Kabelhersteller Draka verhindern wollte, um die technische Führungsstellung Europas zu schützen, zeigt, dass ein solches Denken auch in der EU-Bürokratie verbreitet ist. Noch wichtiger ist jedoch, dass populistische Impulse gegen chinesische Übernahmen in Europa nicht auf fruchtbaren Boden fallen. Viele Europäer sehen China und seinen wirtschaftlichen Aufstieg eher negativ und haben allgemein starke Vorbehalte gegen Übernahmen durch ausländische Unternehmen (Abbildungen 16.1 und 16.2). In Verbindung mit der zunehmend politisch aufgeladenen Debatte über internationale Investitionsabkommen besteht die echte Gefahr einer populistischen Gegenbewegung gegen chinesische Investitionen. Dies gilt insbesondere dann, wenn diese Investitionen zunehmen und es zu Übernahmen oder feindlichen Übernahmeangeboten kommt, die bei inländischen Interessengruppen auf Ablehnung stoßen.28 Vor diesem Hintergrund sollte die Ofenheit für chinesische Investitionen auf europäischer Ebene intern und extern durch ein formales bilaterales Investitionsabkommen zwischen der EU und China fest verankert werden. Im laufenden Verhandlungsprozess ist das „Versprechen der Ofenheit“ nach wie vor das wichtigste Verhandlungsinstrument gegenüber China. Auch eine verstärkte Diskussion innerhalb der EU darüber, was öfentliche 27 Ng, Loretta and Wing-Gar Cheng, “Cnooc Drops $18.5 Bln Unocal Bid Amid U.S. Opposition,” Bloomberg, August 2, 2005, http://www.bloomberg.com/apps/news?pid=newsarchive&sid=ajw_ HHJkvuE4. 28 Eine feindliche Übernahme ist definiert als eine Übernahme, die nicht im Einvernehmen mit der Führung des Zielunternehmens zustande kommt, sondern sich direkt an die Aktionäre der Gesellschaft wendet oder auf den Austausch der Unternehmensführung gerichtet ist, um auf diesem Wege die Genehmigung der Übernahme zu erzielen. MERICS 35 3. Neue Chancen nutzen Sicherheit im EU-Kontext bedeutet (vgl. dazu die nachstehenden Empfehlungen), könnte dazu beitragen, den Ermessensspielraum der Einzelstaaten für das Ergreifen von Ad-hocÄnderungen klarer zu umreißen. Es gilt, die Investitionsfreiheit auch gegenüber populistischer Empörung zu verteidigen und überstürzte Reaktionen zu vermeiden. Auf nationaler und lokaler Ebene müssen diejenigen, die chinesische Investitionen fördern wollen, gezielt Strategien verfolgen, um die Öfentlichkeit über die Gründe und den Nutzen chinesischer Investitionen für die örtliche Wirtschaft und das Gemeinwesen zu informieren. Eine Möglichkeit wäre, die Vorteile anhand von Erfolgsgeschichten zu illustrieren. Abbildung 16.1: Deutsche sind skeptisch bezüglich Chinas zunehmenden globalen Einluss Anteil der Befragten, die den Einluss Chinas in der Welt „vor allem positiv“ oder „vor allem negativ“ bewerten 50 Differenz 40 t Negativ 30 Positiv 20 10 0 -10 -20 -30 Prozent -40 -50 -60 -70 -80 2009 2010 2011 2012 2013 2014 Quelle: BBC World Service Country Poll. Abbildung 16.2: Europäer haben negative Grundhaltung gegenüber ausländischen Übernahmen Anteil der Befragten, die Auswirkungen ausländischer Übernahmen auf das Land als gut/schlecht beurteilen Deutschland Gut Italien Schlecht Frankreich USA Griechenland Spanien UK China Israel Prozent Philippinen -80 -60 -40 -20 0 20 Quelle: PEW Research Spring 2014 Global Attitudes Survey. 40 60 Neue Strategien für Investitionsförderung notwendig Der dritte Bereich, der dazu beitragen kann, das Potenzial chinesischer Investitionen besser auszuschöpfen, ist eine verstärkte Investitionsförderung. Fördermaßnahmen sind inzwischen ein wichtiger Bestandteil des Wettbewerbs um die globalen ausländischen Kapitallüsse in Direktinvestitionen. Einige EU-Staaten, unter anderem Großbritannien, Frankreich und Deutschland, unterhalten bereits starke Investitionsförderungsgesellschaften.29 Diese sind auch ein wichtiges Instrument für Regionen und Kommunen, um ausländische Investoren für ihren Standort anzuwerben. Im Vergleich zu anderen ausländischen Investoren, sind chinesische Unternehmen häuig sehr unerfahren und benötigen einen besonderen Ansatz der Investitionsförderung und Unterstützung vor Ort. Erfolgreiche Strategien beinhalten kontinuierliche und hochrangige politische Unterstützung, eine enge Begleitung vor und nach der Initiierung des Investitionsvorhabens, lokale Anreize und Training sowie Initiativen wie Investitionskonferenzen, die eine „Willkommenskultur“ Wirklichkeit werden lassen.30 29 Vgl. Morisset und Andrews-Johnson (2004). 30 Vergleiche dazu die Empfehlungen des ersten Treffens des Deutsch-Chinesischen Beratenden Wirtschaftsausschusses unter: http://www.asien-pazifik-ausschuss.de/downloads/positionen/Joint RecommendationFinalJuly2014.pdf. 36 MERICS 3. Neue Chancen nutzen Einige „informelle“ Hürden könnten leicht abgebaut werden. Administrative Schwierigkeiten bei der Visavergabe sind nach wie vor eines der Hauptanliegen chinesischer Unternehmen, die in den europäischen Markt eintreten. Eine übereifrige „Golden Visa“-Regelung könnte zwar möglicherweise einen unproduktiven innereuropäischen Wettbewerb auslösen. Einige Länder müssten jedoch dringend überprüfen, ob ihre Vorschriften den neuen Gegebenheiten – nämlich Chinas Stellung als bedeutender Kapitalexporteur – noch gerecht werden. Europäische Volkswirtschaften verfügen über gute Voraussetzungen und sollten ihre Vorgehensweise an die Bedürfnisse chinesischer Investoren anpassen. Sie sollten Ansätze erarbeiten, um Investitionen in neue Bereiche wie Forschung und Entwicklung und weitere innovationsstarke Branchen zu fördern. Die deutsche Germany Trade and Invest (GTAI) ist unter den stärksten Investitionsförderungsgesellschaften in Europa und verfügt über viel Erfahrung im Umgang mit chinesischen Investoren. Sie könnte noch efektiver arbeiten, wenn sie den Fokus von Neugründungen auf Investoren ausweiten würde, die den deutschen Markt durch Akquisitionen betreten und diese beispielsweise bei Nachfolgeinvestitionen nach Übernahmen unterstützen. Unseren Daten zufolge bestünde dafür großer Bedarf. Des Weiteren ließe sich die Arbeit der GTAI durch größere personelle Ressourcen in China und die gezielte Anwerbung von Investitionen zur Clusterbildung in Deutschland optimieren. Auch die Vernetzung und der Informationsaustausch von Investitionsförderstellen auf nationaler, föderaler und kommunaler Ebene sollten verbessert werden. Nicht zuletzt wäre eine noch engere Kooperation mit der Chinesischen Handelskammer und anderen privaten chinesischen Unternehmensorganisationen eine hilfreiche Maßnahme. Auch wenn die EU-Kommission formell kein starkes Mandat für Investitionsförderung hat und nationaler Wettbewerb um ausländische Investitionen die Möglichkeiten für supranationale Bemühungen deutlich beschränkt, könnten einige Schritte auf EU-Ebene unternommen werden, um besser auf die Bedürfnisse chinesischer Investoren eingehen zu können: Erstens sollte die EU-Kommission neue Modelle für die Anwerbung chinesischer (und anderer ausländischer) Investitionen in transeuropäische bzw. grenzüberschreitende Projekte (z.B. Infrastrukturen) entwickeln. Ein Schwerpunkt könnte auf dem Anwerben staatlicher Investitionsfonds und großer institutioneller Investoren liegen, die versuchen werden in den nächsten Jahren einen beträchtlichen Anteil ihres Kapitals im Ausland anzulegen. Zweitens könnte die EU eine europäische „Willkommens- und Informationsstelle“ für ausländische Investoren einrichten, um lokale und nationale Bemühungen um Investorenwerbung zu verstärken. Eine Dachorganisation, ähnlich wie „Select USA“, die als Anlaufstelle Investoren mit nationalen und lokalen Investitionsförderern verknüpft, wäre eine kosteneiziente Lösung. Eine solche Organisation könnte auch die Koordination und den Informationsaustausch zwischen lokalen Förderern verbessern, „good practices“ und Vergleichsmaßstäbe bezüglich der Anwerbung chinesischer Investoren bereitstellen und kleinere europäische Volkswirtschaften unterstützen, die nicht genügend Ressourcen und Erfahrung mit eizienter Investorenwerbung haben.31 31 Vgl. Ecorys (2013). MERICS 37 4. Bedenken gezielt ausräumen 4. Bedenken gezielt ausräumen China bietet Europa eine einzigartige Chance, das Investitionsvolumen zu steigern und von den damit verbundenen Vorteilen zu proitieren. Es gibt jedoch auch eine Reihe speziischer Bedenken, die sich auf den besonderen Charakter Chinas als Ursprungsland der Direktinvestitionen beziehen. Dabei geht es weniger um branchen- oder unternehmensspeziische Faktoren, von denen der Erfolg oder Misserfolg bestimmter Übernahmen oder Neugründungen abhängt, sondern, um Bedenken allgemeinerer Art, die mit dem politischen und wirtschaftlichen System und der internationalen Rolle Chinas zusammenhängen. Vor diesem Hintergrund müssen die Einwände, die bislang gegen ausländische Direktinvestitionen angeführt wurden, aus Sicht der Zielländer neu bewertet werden.32 Im Folgenden analysieren und bewerten wir die sechs wichtigsten Bereiche (makroökonomische Volatilität, asymmetrischer Marktzugang, Subventionen und andere unfaire Vorteile, Technologie-Transfer, nationale Sicherheit sowie regulatorische Bedenken) und unterbreiten Vorschläge, wie sich diese Bedenken ausräumen lassen. Makroökonomische Volatilität Zu den ältesten Bedenken im Zusammenhang mit ausländischen Investitionen zählt, dass diese Volatilität und Schwankungen hinsichtlich Investitionsumfang und Preisniveau für die Zielländer mit sich bringen könnten. Diese Sorge betrift vor allem kurzfristige und hochmobile Kapitallüsse. Es gibt allerdings viele historische Beispiele für starke Auf- und Abschwünge („Boom and Bust“), bei denen ausländische Direktinvestitionen eine wichtige Rolle gespielt haben. Die meisten davon betrafen Investitionen im Rohstofsektor kleinerer Volkswirtschaften.33 Abbildung 17: OFDI-Ströme können massiv schwanken Gesamtwert der von Chinesen weltweit getätigten Übernahmen im Werkstof-Bereich Exklusive Energieträger (beinhaltet Chemikalien, Metalle und Bergbau, Papier und Plastik etc.) Milliarden USD 20 15 10 5 Quelle: Bloomberg, Thomson, Rhodium Group. China ist ein schwieriger Fall, weil das Land zwei Faktoren vereint: Erstens ist China die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt, und der Umfang der derzeitigen und künftigen Kapitalablüsse aus China übertrift die anderer Schwellenländer, die sich bisher als globale Investoren betätigt haben. Zweitens beindet sich China mitten im schwierigen Prozess interner und externer Finanz- und Wirtschaftsreformen. Deshalb ist in den kommenden Jahren mit erheblichen Schwankungen und einer großen Volatilität zu rechnen. Diese beiden Faktoren bedeuten, dass die Gefahr von „Boom 32 Die Analyse des Erfolgs bzw. Scheiterns einzelner Projekte oder eine genaue Aufschlüsselung für bestimmte Wirtschaftszweige übersteigt den Rahmen der vorliegenden Studie. Wir möchten jedoch betonen, dass aus unseren Daten nicht ersichtlich ist, dass chinesische Investoren häufiger scheitern als Investoren aus anderen Ländern. Es gibt durchaus Beispiele für bekannte OFDIProjekte in Europa und Deutschland, bei denen die Investitionsausgaben und die Zahl der geschaffenen Arbeitsplätze hinter den Erwartungen zurückgeblieben sind. Dass die tatsächlichen Investitionen für Neugründungen erheblich von den angekündigten Investitionen abweichen, ist jedoch ein weltweit häufig anzutreffendes Phänomen. 33 Vergleiche zum Beispiel Botta, Godin und Missaglia (2014). 38 MERICS 4. Bedenken gezielt ausräumen and Bust“-Zyklen für Länder mit einem hohen Anteil chinesischer Investitionen in den kommenden Jahren höher ist. Ein Beispiel ist der jüngste Anstieg und Rückgang von chinesischen Investitionen in den globalen Bergbau- und Werkstofsektor (Abbildung 17). Dieser Umschwung, insbesondere der Rückgang der Ausgaben im Zusammenhang mit diesen Übernahmen, war in den Zielländern von Nordamerika über Lateinamerika bis Afrika deutlich zu spüren. Risiken für Europa sind gering, aber bessere Daten zur Beobachtung notwendig Für Europa, insbesondere für Deutschland, spielen solche Sorgen zurzeit noch eine vergleichsweise geringe Rolle. Erstens entfällt trotz der jüngsten Steigerung nur ein kleiner Teil der gesamten ausländischen Direktinvestitionen in die EU auf China. Dies gilt für alle Sektoren. Zweitens hat Europa eine diversiizierte Wirtschaftsstruktur, die nicht von stark zyklischen Sektoren wie etwa Rohstofen abhängig ist. Eine Entwicklung, die man künftig jedoch möglicherweise im Auge behalten müsste, ist das jüngste sprunghafte Wachstum der ausländischen Direktinvestitionen durch „Finanzinvestoren“, unter anderem Private-Equity-Firmen, Versicherungsgesellschaften und Staatsfonds. Die Zulüsse aus diesen Quellen könnten in den kommenden Jahren einen sehr großen Umfang erreichen. Bislang konzentrieren sich ihre Investitionen jedoch vorwiegend auf einige wenige Branchen, wodurch es in bestimmten Teilen Europas zu Vermögenspreisinlation und zu spekulativen Blasen kommen könnte. Ein Beispiel dafür sind gewerbliche Immobilien, bei denen die jährlichen Investitionen, die vor 2013 extrem niedrig waren, in den Jahren 2013 und 2014 auf insgesamt sechs Milliarden USD gestiegen sind. Noch räumen wir diesem Bereich einen recht geringen Stellenwert ein. Dieser wird jedoch enorm an Bedeutung gewinnen, sobald auch andere Kapitalformen (nicht OFDI) aus China verstärkt nach Europa strömen. Wir erachten es für sinnvoll, dass die europäischen Institutionen insbesondere chinesische Kapitallüsse in kleinere EU-Staaten, Beitrittskandidaten und Drittländer überwachen, um potenzielle Blasen und Volatilität zu erkennen, bevor diese auf die EU-Volkswirtschaften übergreifen und sie in Mitleidenschaft ziehen. Dass China und andere Schwellenländer sich zu bedeutenden Kapitalexporteuren entwickeln, sollte zudem einen starken Anreiz dafür bieten, die Transparenz der Daten über Kapitallüsse nach Europa generell zu verbessern. Hierzu könnte sich die EU am Modell Treasury International Capital (TIC) Systems in den USA orientieren, das Informationen über ausländische Inhaber amerikanischer Staatsanleihen, Aktien und Schuldpapiere liefert.34 Asymmetrie im Marktzugang Eine zweite große Sorge ist, dass ausländische Direktinvestitionen den internationalen Wettbewerb unter den Unternehmen verzerren könnten, sofern die betrefenden Märkte in unterschiedlichem Maße für Investitionen geöfnet sind. Solche Asymmetrien beim Marktzugang sind nicht allein aus Gründen der Fairness problematisch. Sie sind auch im Hinblick auf den wirtschaftlichen Wohlstand nicht förderlich, weil sie zu politisch verursachten Investitionsungleichgewichten zwischen zwei Ländern führen können. In der Vergangenheit begegnete man diesen Bedenken zumeist durch bilaterale Abkommen zwischen Industrieländern (welche lange Zeit die dominierende Kraft unter den Auslandsinvestoren waren), um so eine gewisse gegenseitige Ofenheit zu garantierten. 34 Vgl. zum Treasury International Capital (TIC) System: http://www.treasury.gov/resource-center/ data-chart-center/tic/Pages/index.aspx. MERICS 39 4. Bedenken gezielt ausräumen Multilaterale bzw. regionale Abkommen, etwa durch den OECD-Kodex zur Liberalisierung des Kapitalverkehrs, das Allgemeine Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen (GATS) oder den Vertrag von Maastricht, in dem der Grundsatz des freien Kapitalverkehrs innerhalb der Europäischen Union festgeschrieben wurde, spielen ebenfalls eine wichtige Rolle.35 Mit dem jüngsten Aufstieg der Schwellenländer zu bedeutsamen Kapitalexporteuren ist diese Frage wieder auf die Tagesordnung gerückt. China steht dabei im Zentrum der Aufmerksamkeit. Die Ofenheit für ausländische Direktinvestitionen war eines der zentralen Elemente der chinesischen Wirtschaftsreformen seit den 1980er Jahren. China hat ausländische Investitionen als wichtige Quelle für Wachstum, Innovation und Beschäftigung gefördert. Gleichzeitig unterliegen Ausländer in vielen Bereichen der chinesischen Wirtschaft immer noch Zugangsbeschränkungen. Was die formellen Beschränkungen der ausländischen Direktinvestitionen angeht, so gilt China als eines der restriktivsten G20-Länder (Abbildung 18). Darüber hinaus werden ausländische Unternehmen in China auch informell stark diskriminiert.36 Als China noch ein Entwicklungsland ohne bedeutende Investitionstätigkeit im Ausland war, iel dies kaum ins Gewicht. Inzwischen ist China jedoch einer der wichtigsten ausländischen Investoren, und seine Firmen genießen so gut wie unbeschränkten Zugang zu den am weitesten entwickelten Ländern. Damit hat sich die Situation grundlegend geändert. Abbildung 18: China bleibt für ausländische FDI einer der am strengsten reglementierten Märkte überhaupt FDI Restrictiveness Index, ausgewählte Länder, 2014 Der Index misst gesetzliche Einschränkungen für FDI Index: 0=ofen; 1=geschlossen Vergleicht man China und Europa, so ist der Unterschied hinsichtlich des Indien formellen Marktzugangs besonders BRICS Russland ofensichtlich. Die EU-Staaten haben Durchschnitt sich verplichtet, freie Kapitalzulüsse Brasilien Australien nicht nur aus anderen europäischen OECD USA Volkswirtschaften, sondern auch aus Japan Drittländern wie China zuzulassen. Durchschnitt Das bedeutet, dass es chinesischen Österreich Großbritannien Unternehmen – auf dem Papier – freiFrankreich EU steht, in europäische Märkte zu invesDeutschland tieren, ohne dass sie dabei erhebliLuxemburg chen Beschränkungen unterliegen. Durchschnitt 0 0.1 0.2 0.3 0.4 0.5 Betrachtet man das rapide Wachstum Offen Geschlossen der letzten Jahre, so spricht vieles dafür, dass dies auch tatsächlich der Quelle: OECD. Fall ist. Gleichzeitig unterliegen jedoch insbesondere europäische Unternehmen in China gravierenden Markteintrittsbarrieren. Unternehmen aus der EU sind insbesondere in vielen der weit entwickelten Produktionsund Dienstleistungssektoren äußerst konkurrenzfähig, die zu jenen Bereichen der chinesischen Wirtschaft zählen, in denen die stärksten Einschränkungen gelten. Abbildung 19 China 35 Vgl. OECD (2013). Der Volltext des GATS ist unter https://www.wto.org/english/docs_e/legal_e/26gats_01_e.htm zu finden. Für den Volltext des Vertrags über die Europäischen Union (Vertrag von Maastricht) vgl. http://europa.eu/eu-law/decision-making/treaties/pdf/treaty_on_european_union/ treaty_on_european_union_en.pdf. 36 Eine Zusammenfassung dieser informellen Beschränkungen findet man in einem Bericht, der 2014 von Covington & Burling für die Europäische Kommission, Generaldirektion Handel, erstellt wurde: http://trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2014/august/tradoc_152739.08.10.pdf. 40 MERICS 4. Bedenken gezielt ausräumen Positiv ist zu verzeichnen, dass China sich dessen bewusst ist und zumindest oiziell eingestanden hat, dass eine Deregulierung ausländischer Direktinvestitionen zentral für die laufenden Wirtschaftsreformen ist.37 Anfang 2015 legte der Staatsrat einen Gesetzesentwurf vor, der den derzeitigen Ansatz formell auheben würde. Im Moment besteht das OFDI-Regime in China aus drei Listen, die Sektoren benennen, in denen (1) Landwirtschaft Forstwirtschaft Fischerei Bergbau Lebensmittel & andere Herstellende Industrie Ölraffinerien & Chemikalien China Deutschland Metalle, Maschinen & Mineralien Abbildung 19: Keine Reziprozität: Asymmetrien im Marktzugang zwischen China und Deutschland FDI Restrictiveness Index, Deutschland im Vergleich zu China, 2014 Der Index misst gesetzliche Einschränkungen für FDI Index: 0=ofen; 1=geschlossen Elektronik & andere Instrumente Transportanlagen Stromerzeugung Stromvertrieb Bauindustrie Großhandel Einzelhandel Straßentransport Seetransport Lufttransport Hotels & Gaststätten Radio und Fernsehen Dienstleistungen Gleicher Marktzugang ist elementar für tragfähige EU-China Investitionsbeziehungen Wir sind davon überzeugt, dass die Asymmetrien im Marktzugang zu den wichtigsten Problemen zählen, die in nächster Zeit gelöst werden müssen. Auch wenn es keine unmittelbare Gefahr gibt, dass bestehende Ungleichgewichte zu systemischen Marktverzerrungen führen, verstärkt die derzeitige Situation den Eindruck mangelnder Fairness. Dies erschwert es Entscheidern, für verstärkte Integration im Investitionsbereich mit China zu werben. Kurz gesagt: Mehr Reziprozität im Marktzugang sollte für die EU-Staats- und Regierungschefs einen hohen Stellenwert einnehmen, und das nicht nur, um faire Wettbewerbsbedingungen für Unternehmen aus der EU sicherzustellen, sondern – was noch wichtiger ist – auch, um Europas langfristige Verplichtung zu Ofenheit gegenüber China zu verteidigen. Landwirtschaft und Bergbau enthält eine detaillierte, nach Wirtschaftszweigen aufgeschlüsselte Darstellung der in China bzw. Deutschland geltenden formellen Investitionsbeschränkungen. Insbesondere für Deutschland ist Symmetrie im Marktzugang von allerhöchster Priorität, denn die deutsche Wirtschaft ist einer der weltweit größten Kapitalexporteure und Unternehmen haben ein massives Interessen daran, in derzeit noch beschränkte Bereiche der chinesischen Wirtschaft vorzustoßen. Sonstige Medien Festnetzkommunikation Mobilfunk Banken Versicherungen Sonstige Finanzinstitute Rechtsberatung Rechnungs- & Prüfungswesen Architektur Ingenieurswesen Immobilien 0 0.2 0.4 0.6 0.8 1 Ofen Geschlossen Quelle: Organization for Economic Co-Operation and Development (OECD) 37 Vgl. MOFCOM (2015). MERICS 41 4. Bedenken gezielt ausräumen ausländische Investitionen begrüßt werden, in denen sie (2) Einschränkungen unterliegen und in denen sie (3) verboten sind. Stattdessen soll nun eine moderne Regelung eingeführt werden, die auf Marktzugangsrechten basiert, die nur durch eine knapp gehaltene „Negativliste“ sowie mögliche Überprüfungen im Hinblick auf eine Gefährdung der nationalen Sicherheit und Wettbewerbspolitik eingeschränkt werden. Grundsätzlich wäre diese Entwicklung positiv, dennoch bleiben Zweifel: Der Zeitplan für die Umsetzung und der Umfang der Negativliste bleiben unklar. Zudem sind Umfang und Verfahren der Überprüfung im Hinblick auf die nationale Sicherheit und Wettbewerbspolitik nicht eng genug deiniert, sodass viel Raum für potenzielle informelle Diskriminierung bleibt. Chinas Partner können sich noch nicht zurücklehnen, sondern müssen aktiv werden, um rasche und eiziente Reformen für ausländische Direktinvestitionen in China voranzutreiben. Auf europäischer Ebene können verschiedene Kanäle genutzt werden, um die eigenen Interessen zu vertreten. Erstens ist die EU-Kommission seit dem 2008 geschlossenen Vertrag von Lissabon ermächtigt, bilaterale Investitionsabkommen (BIAs) auszuhandeln, die das primäre Instrument für die Diskussion und Deinition der Investitionsfreiheit im beiderseitigen Verhältnis sind. Ein solides bilaterales Investitionsabkommen mit China, das Marktzugangsrechte für europäische Unternehmen und nur wenige Ausnahmen (in Form einer Negativliste) auführt, wäre ein großer Schritt in Richtung der von China angekündigten Reformen für ausländische Direktinvestitionen. Die EU-Kommission hat mit den Verhandlungen über die Formulierung des BIA erhebliche Fortschritte erzielt. Inzwischen beinden sich die Verhandlungen in der schwierigen Phase der Vereinbarung der Negativliste. Da die EU zum Abschluss von Investitionsabkommen ermächtigt ist, könnte sie eine zweite Strategie verfolgen: die Zusammenarbeit mit anderen interessierten Ländern zur Förderung der globalen Investitionsfreiheit durch andere Abkommen und Initiativen auf bilateraler, plurilateraler oder multilateraler Ebene. Bilaterale und regionale Abkommen könnten dazu beitragen, neue Maßstäbe für Ofenheit zu setzen und einen „Wettlauf“ zu fördern. Die drei größten Volkswirtschaften der Welt, auf die 60 Prozent des globalen BIP und 67 Prozent der globalen ausländischen Direktinvestitionen entfallen, sind ofenkundig an ungehinderten Investitionslüssen interessiert. Vor diesem Hintergrund ist es sinnvoll, über die Wiederaufnahme von Gesprächen über multilaterale Investitionsabkommen nachzudenken, die globale Standards für die Freiheit grenzüberschreitender Investitionen und regulatorische „best practices“ zur Wahrung legitimer nationaler Interessen setzen. Auch wenn die Verhandlungen über Investitionsabkommen inzwischen unter der Führung der EU erfolgen, spielen die einzelnen Mitgliedstaaten eine wichtige Rolle dabei, eine größere Symmetrie hinsichtlich des Zugangs zum chinesischen Markt zu schafen. Zum einen wird es wichtig sein, dass einlussreichere EU-Staaten wie Deutschland sich stärker an gesamteuropäischen Interessen orientieren und nicht nur auf ihre eigene nationale Agenda achten, um Europas Gewicht in den BIA-Verhandlungen zu stärken. Angesichts des ungewissen Zeitplans für ein bilaterales Investitionsabkommen (BIA) sollten große EU-Mitgliedstaaten wie Deutschland darüber hinaus auf bilateralen Wegen auf China einwirken, damit es die versprochenen Gesetzesreformen bezüglich ausländischer Direktinvestitionen umsetzt und die informelle Diskriminierung ausländischer Firmen abstellt. Subventionen und andere politische Wettbewerbsvorteile Ein weiterer Faktor, der in der globalen OFDI-Arena zu unfairem Wettbewerb führen kann, sind Subventionen und andere politische Vorteile, die sich ergeben, wenn bestimmte Un- 42 MERICS 4. Bedenken gezielt ausräumen ternehmen Vorzugsbehandlung genießen. Derartige Vorteile können Verzerrungen auf den Weltmärkten bewirken, zum Beispiel dann, wenn ein Unternehmen den Zuschlag für einen weltweit ausgeschriebenen Vermögenswert nicht deshalb gewinnt, weil es diesen am eizientesten nutzen kann, sondern, weil es Darlehen zu Vorzugskonditionen bekommt und andere politische Privilegien genießt. Anders als im Handel, wo die Welthandelsorganisation und andere Einrichtungen über Streitigkeiten in Subventionsfragen entscheiden, gibt es weder eine globale Deinition von Investitionssubventionen, noch einen institutionellen Rahmen für die Beilegung von Streitigkeiten im Zusammenhang mit Investitionen. Grund dafür ist, dass traditionell mehr als 80 Prozent der globalen ausländischen Direktinvestitionslüsse aus Industrieländern kamen, in denen der Anteil der Unternehmen in Staatsbesitz dramatisch reduziert wurde und Subventionen sich prinzipiell auf Unternehmen beschränken, deren Auftrag die Bereitstellung öfentlicher Güter ist. Auch hier ist es der Aufstieg der Schwellenländer, insbesondere Chinas, der den Status quo der vergangenen Jahrzehnte infrage stellt. Durch die Reformen der vergangenen Jahrzehnte hat sich die Rolle der Staatsunternehmen in der chinesischen Wirtschaft enorm verändert. Dennoch spielen sie auch heute in vielen Bereichen noch eine wichtige Rolle. Auch weiterhin erhalten sie bevorzugten Zugang zu Kapital und anderen Ressourcen.38 Es sind jedoch nicht nur die Unternehmen in Staatsbesitz, die von politischer Vorzugsbehandlung proitieren, sondern auch große Privatunternehmen aus Bereichen, die wichtige nationale Entwicklungsziele verfolgen, oder die den Regierungen auf regionaler und lokaler Ebene wegen der Beschäftigungsefekte oder Steuereinnahmen besonders wichtig sind. Kurz gesagt: Viele der global operierenden Unternehmen in China erfahren eine Vorzugsbehandlung durch die Lokal- oder Zentralregierung und ziehen aus diesen Beziehungen erhebliche Vorteile. Früher waren europäische Unternehmen davon vor allem dann betrofen, wenn sie in China mit subventionierten Unternehmen konkurrieren mussten. Nachdem jedoch in letzter Zeit ausländische Direktinvestitionen aus China zugenommen haben, sind europäische Firmen dieser Konkurrenz inzwischen auch in ihren Heimatmärkten ausgesetzt. Abbildung 20 zeigt, dass zwei Drittel der chinesischen OFDI-Geschäfte (mit einem Gesamtvolumen von 46 Milliarden USD) von Staatsunternehmen getätigt wurden. In vielen Fällen haben diese bei Investitionsprojekten auch europäische Privatunternehmen ausgestochen.39 Besonders unfair dabei ist, dass europäische Unternehmen nach EU-Recht keine „staatlichen Beihilfen“ ihrer eigenen Regierungen erhalten dürfen. Dieses Verbot wird durch Behörden der Europäischen Kommission durchgesetzt.40 Das Erfordernis der Überprüfung „staatlicher Beihilfen“ gilt jedoch nur für europäische Unternehmen, nicht für Unternehmen aus Drittländern. Kurzum, Europäische Unternehmen unterliegen den EU-Regeln für staatliche Hilfen, müssen aber gleichzeitig mit chinesischen Firmen konkurrieren, die in ihrem Heimatland in den Genuss der Kreditlinien staatseigener Banken und häuig höchst zuträglicher Industriepolitik kommen. 38 Vgl. Meissner et al. (2015). 39 Beispielsweise unterbot 2011 China Three Gorges den deutschen Versorger E.ON im Wettbewerb um einen Anteil in Höhe von 21 Prozent an Energias de Portugal. 40 Vgl. den Überblick über die EU-Regelungen zu staatlichen Beihilfen unter http://ec.europa.eu/ competition/state_aid/overview/index_en.html. MERICS 43 4. Bedenken gezielt ausräumen Abbildung 20: OFDI von Staatsunternehmen dominieren noch in Europa Chinesische OFDITransaktionen in der EU-28 nach Art des Investors, 2000 bis 2014 15.000 Finanz-Investitionen durch Staatsunternehmen Strategische Investitionen durch Staatsunternehmen 12.000 Finanz-Investitionen durch private Unternehmen Strategische Investitionen durch private Unternehmen 9.000 6.000 Millionen EUR 3.000 0 2000 2002 2004 2006 2008 2010 2012 2014 Quelle: Rhodium Group. Eine detaillierte Erklärung zu den Quellen und der Methodologie indet sich im Datenanhang. Europa braucht einen „Plan B“, falls Reformen in China stagnieren Positiv zu bewerten ist, dass China mit den kürzlich angekündigten Wirtschaftsreformen darauf abzielt, dem Markt eine entscheidende Rolle in der chinesischen Wirtschaftspolitik zukommen zu lassen. Wenn diese Reformen wirklich umgesetzt werden, könnten viele der als problematisch angesehenen Punkte des chinesischen Wachstumsmodells (u.a. die Dominanz staatseigener Unternehmen und ein staatlich kontrolliertes Finanzsystem) an Brisanz verlieren.41 Im Hinblick auf eine Bevorteilung von chinesischen Firmen sollten die EU und ihre Mitgliedsstaaten vor allem zügige Fortschritte bei Chinas selbstverordneten Reformen einfordern und diese unterstützen. Die neue marktorientierte Reformagenda könnte den Europäern Gelegenheit geben zu zeigen, dass das Prinzip der „Wettbewerbsneutralität“ chinesische Unternehmen nicht behindern soll, sondern als nützliches Konzept dazu beiträgt, die produktive Koexistenz von Staatsunternehmen und einem wettbewerbsorientierten Markt sicherzustellen. In der Tat haben Wissenschaftler regierungsnaher Think Tanks in China klar gemacht, dass China langfristig ein starkes Eigeninteresse daran hat, einen regulatorischen Rahmen für staatliche Beihilfen zu schafen, wenn die Modernisierung des Staatssektors gelingen soll.42 Europa ist mit der Modernisierung seiner eigenen Staatsunternehmen weit vorangekommen und kann deshalb glaubwürdig die eigenen Erfahrungen weitervermitteln. Gleichzeitig wird deutlich, dass eine zügige Umsetzung der marktwirtschaftlichen Reformen in China keineswegs gesichert ist. Der Zeitplan und die tatsächlichen Erfolgsaussichten sind unklar, und mächtige Interessengruppen wehren sich dagegen. Darüber hinaus sind Entwicklungen im Staatssektor ziemlich widersprüchlich. Einige der angekündigten Reformen der Staatsunternehmen sehen große Fusionen chinesischer Unternehmen vor, durch die global konkurrenzfähige Giganten beispielsweise für Hochgeschwindigkeitszüge, Maschinenbau und Kernkraft entstehen sollen. Darüber hinaus hat die chinesische 41 Rosen (2014); Ahlers et al. (2014). 42 Liao und Zhang (2012). 44 MERICS 4. Bedenken gezielt ausräumen Regierung in der letzten Zeit sehr strategisch neue Initiativen (Fonds etc.) eingerichtet, die durch eine staatlich gesteuerte Kreditvergabe Direktinvestitionen fördern und zur Schafung neuer Märkte sowie zum Abbau von inländischen Überkapazitäten beitragen sollen.43 Politische Entscheider in der EU müssen Lösungen inden, um ein Szenario zu vermeiden, in dem China immer weiter wächst, ohne gegen diese Marktverzerrungen vorzugehen. Das Ziel besteht dabei nicht darin, Investitionen von Staatsunternehmen zu blockieren, sondern Regeln einzuführen, die mehr Transparenz bezüglich Art und Umfang der staatlichen Beihilfen für speziische Investitionen schafen. Auf EU-Ebene wäre der naheliegende Ausgangspunkt eine Erweiterung der bestehenden Regelungen für staatliche Beihilfen um eine externe Dimension (gegenüber Nicht-EU-Staaten). Die politischen Entscheider in den Einzelstaaten könnten die Möglichkeit in Erwägung ziehen, für Staatsunternehmen die Ofenlegung von Eigentumsverhältnissen, Finanzierung und Subventionen zu fordern. Technologietransfer und „Headquarters Efect“ Eine vierte Sorge besteht darin, dass ausländische Direktinvestitionen (insbesondere Übernahmen) zum Technologietransfer und zur Verlagerung der damit verbundenen Wertschöpfung aus dem Zielland in das Heimatland des Investors führen. Dieser sogenannte „Headquarters Efect“ war ein wichtiges Thema in den Debatten über OFDI der 1980er Jahre. In den vergangenen Jahren hat dieser Aspekt jedoch an Bedeutung verloren, da Wissenschaftler kaum noch empirische Belege inden können. Durch den Aufstieg Chinas zum globalen Investor wird diese Frage jedoch aus vielfältigen Gründen wieder aufgeworfen. Zum einen beindet sich China noch in einem vergleichsweise frühen Entwicklungsstadium, und es ist Chinas erklärtes Ziel, eigene Direktinvestitionen im Ausland zu nutzen um technologisch aufzuholen. Zum anderen betreibt China eine starke Industriepolitik, die inländische Forschung und Entwicklung sowie „eignständige Innovation“ fördert. Diese Ansätze, die im Mai 2015 durch die neue Regierungsstrategie „Made in China 2025“ eine neue Stufe erreicht haben, sollen China als innovative globale Produktionssupermacht positionieren.44 Früher waren ausländische Firmen häuig zum Technologieaustausch mit ihren chinesischen Partnern gezwungen. Nun könnte die strikte Umsetzung der nationalen Technologieagenda dazu führen, dass bei der Entscheidung darüber, wo chinesische Unternehmen ihre Forschung und Entwicklung ansiedeln, die Zielvorgaben der Industriepolitik stärker wiegen als unternehmerische Logik. Dies ist eine der Hauptsorgen in Europa. Europäische Firmen sind, vor allem bei Industrieanwendungen, häuig Technologieführer in ihren Bereichen. Gerade darauf zielen auch Chinas Ambitionen. Chinesische Unternehmen nutzen Investitionen in Europa dazu, um sich Zugang zu Technologie und Know-how zu verschafen, sei es in Form von Übernahmen oder durch Neugründungen (vgl. dazu Tabelle 2). Dies gilt insbesondere für Deutschland, wo fast alle wichtigen Fusionen und Übernahmen chinesischen Unternehmen Zugang zu Technologie und Know-how bedeuten. 43 Vgl. Irwin und Gallagher (2014) und Aizenmann et al. (2015). 44 Vgl. State Council (2015). MERICS 45 4. Bedenken gezielt ausräumen Tabelle 2: Chinesische Übernahmen zielen häuig auf innovative Technologien Auswahl von technologie-bezogenen Übernahmen durch chinesische Unternehmen in Europa EU-Unternehmen Chinesischer Investor Ort Branche Schwing Xuzhou Construction Machinery Group Herne, Deutschland Industriemaschinen, -anlagen und Werkzeuge WISCO Tailored Blanks Wuhan Iron & Steel Duisburg, Deutschland Autoteile und -zubehör Thielert Aircraft Engines AVIC International St. Egidien, Deutschland Luft- und Raumfahrtzulieferer Medion Lenovo Essen, Deutschland IT-Anlagen Alcatel-Lucent Enter- China Huaxin Post & Telecommunication Economy prise in Colombes, Development Center France Boulogne-Billancourt, Frankreich IT-Anlagen PSA Peugeot Citroen Dongfeng Motor Group Paris, Frankreich Autoteile und -zubehör Mailand, Italien Industriemaschinen, -anlagen und Werkzeuge Compagnia Italiana Forme Acciaio Zoomlion Heavy Industry Science & Technology Development Quelle: Rhodium Group. Positive Auswirkungen von Technologie-Investitionen Die Erfahrungen mit Technologie-Investitionen aus China in Europa sind noch sehr begrenzt, denn die meisten Transaktionen liegen weniger als fünf Jahre zurück. Noch sind allerdings keine Anzeichen erkennbar, dass die chinesischen Investitionen zu einer politisch veranlassten Verlagerung von Wertschöpfung nach China geführt hätten. Es ist also notwendig, darüber aufzuklären, dass eine steigende Zahl solcher Investitionen für die Besitzer des geistigen Eigentums eine grundsätzlich positive Entwicklung ist. Chinesische Unternehmen sind bereit und willens, in ofenen und marktbezogenen Transaktionen den Marktpreis für Technologie zu zahlen. Dies bedeutet die Abkehr von erzwungenem Technologietransfer und unverhohlenem Diebstahl geistigen Eigentums. Darin zeigt sich die gestiegene Bedeutung von Innovation und Technologie für das neue chinesische Wachstumsmodell. Darüber hinaus gibt es bislang keine systematischen Anhaltspunkte dafür, dass die Angst berechtigt wäre, chinesische Firmen könnten in der EU Technologiewerte kaufen und die damit verbundenen Aktivitäten und Arbeitsplätze nach China verlagern. Es gibt bislang keinerlei Anzeichen dafür, dass chinesische Unternehmen sich anders verhalten als andere multinationale Unternehmen. Ganz im Gegenteil: Die meisten chinesischen Unternehmen expandieren innerhalb Europas und verstärken ihre Präsenz und ihr Personal für Forschung und Entwicklung in der EU. Das macht Sinn, denn in ihrer Heimat haben sie mit einem massiven Mangel an qualiizierten Arbeitskräften zu kämpfen, während Europa auch noch einen guten rechtlichen Rahmen für den Schutz geistigen Eigentums bietet. Kurz: Es gibt bislang keinerlei Anzeichen dafür, dass chinesische Unternehmen sich anders verhalten als andere multinationale Unternehmen, in der Organisation globaler F&E Wertschöpfungsketten. Politische Entscheider haben deshalb die Aufgabe, weiter um eine gute Positionierung Europas im Wettbewerb der Industrienationen um die Milliarden von Euro zu kämpfen, die multinationale Unternehmen aus China in den kommenden Jahren für die Globalisierung 46 MERICS 4. Bedenken gezielt ausräumen ihrer Forschung und Entwicklung ausgeben werden. Auf nationaler und lokaler Ebene ist es wichtig, strategischer über potenzielle Beiträge Chinas zur lokalen Innovationsfähigkeit und über mögliche Modelle für eine vereinfachte Zusammenarbeit nachzudenken. Zum besseren Verständnis langfristig möglicherweise negativer Auswirkungen von Technologie-Investitionen ist es unseres Erachtens nach erforderlich, mehr Zeit und Mittel für die Analyse aufzuwenden. Insbesondere sollten die Entwicklungen in den Wirtschaftszweigen untersucht werden, die in hohem Maße durch Chinas Industriepolitik oder andere staatliche Eingrife geprägt sind. Gefährdung der nationalen Sicherheit Ausländische Direktinvestitionen bergen nicht nur wirtschaftliche Risiken, sondern können auch konkrete Bedenken im Hinblick auf die nationale Sicherheit der Zielländer wecken. Grundsätzlich haben ausländische Direktinvestitionen positive Auswirkungen auf die politische Stabilität im Verhältnis zweier Länder. Allerdings kann es Grund zur Sorge geben, wenn ein Besitzerwechsel ausländischen Firmen die Möglichkeit eröfnet, die Lieferung von Waren und Dienstleistungen zu verweigern, die für das Funktionieren einer Volkswirtschaft unerlässlich sind, insbesondere für deren Rüstungsindustrie. Ausländische Direktinvestitionen können auch dann Schaden anrichten, wenn sie ausländischen Interessen zusätzliche Kanäle für Iniltration, Überwachung und Sabotage kritischer Infrastrukturen im Bereich der Energie-, Transport-, Internet- und Finanznetze eröfnen. Dies kann auch dazu führen, dass Technologie oder Wissen an ein von Ausländern kontrolliertes Unternehmen übertragen werden, das diese gegen nationale Interessen einsetzen könnte.45 Viele Länder behalten sich das Recht vor, ausländische Übernahmen oder allgemein alle ausländischen Direktinvestitionen auf diese oder einige dieser Aspekte hin zu überprüfen. Sicherheitsbezogene Überprüfungen sind auch als Ausnahmen vom freien Kapitalverkehr in den meisten bilateralen Investitionsabkommen und Investitionsbestimmungen aus Freihandelsabkommen vorgesehen.46 Was Investitionsprüfungen im Hinblick auf nationale Sicherheit betrift, stehen Zielländer im Falle Chinas vor neuen Herausforderungen. In den vergangenen Jahrzehnten waren alle großen Auslandsinvestoren demokratische Marktwirtschaften. Die einzigen bedeutenden Ausnahmen bildeten Singapur und Russland (Abbildung 21). Die neu in den Kreis der großen Kapitalexporteure vorgestoßenen Länder, darunter vor allem Japan, waren entweder militärische Bündnispartner oder einfach nicht groß genug, um eine Gefahr darzustellen. China ist da ein anderer Fall: Inzwischen ist es die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt und einer der fünf größten ausländischen Direktinvestoren weltweit. Gleichzeitig tritt China als autoritärer Staat mit einem einzigartigen Wirtschaftssystem und schwachen Sicherheitsbeziehungen zu den meisten großen Zielländern immer selbstbewusster auf der internationalen Bühne auf. Ohne die Einbindung in existierende Militärbündnisse und mit teilweise völlig unterschiedlichen Wertevorstellungen muss die Grundausrichtung chinesischer Außenwirtschaftspolitik weiterhin kritisch beobachtet werden. 45 Vgl. Moran (2009). 46 Vgl. zum Beispiel Yannaca-Small (2007). MERICS 47 4. Bedenken gezielt ausräumen Größe des Kreises repräsentiert OFDI-Ströme im Jahresdurchschnitt 2008 bis 2013 Autokratie (–6 bis –10) Demokratie (6 bis 10) USA 17.500 9.500 China Japan 3.250 3.250 20 Mrd. USD Anokratie (–5 bis 5) 22.000 BIP (2014, Milliarden USD) Abbildung 21: China ist der größte ausländischer Investor mit einem autokratischen politischen System BIP 2014; OFDI-Ströme im Jahresdurchschnitt 2008 bis 2013; Politisches Regime (Polity IV Klassiizierung) Verein. Saudi- Arab. Arabien Emirate Russland Frankreich Singapur 0 Qatar Kuwait Malaysia Belgien –3.000 –10 –5 0 5 Regimetyp, 2014 (Polity IV Klassifizierung) 10 Quelle: International Monetary Fund WEO, United Nations Conference on Trade and Development, Polity IV. Investitionsprüfungen sind legitim und wichtig – eine bessere EU-Koordination aber notwendig Vor diesem Hintergrund und angesichts der Unsicherheit über Chinas Verhalten und geopolitische Ambitionen47 ist es wichtig, dass europäische Länder chinesische Investitionen sehr genau auf Gefahren für ihre nationale Sicherheit hin prüfen und gegebenenfalls Investitionen blockieren oder angemessene Maßnahmen zur Verringerung des Risikos trefen. Darüber hinaus sind Prüfmechanismen wichtig, damit Regierungen die Investitionsfreiheit verteidigen können: Bürger der EU werden eine verstärkte physische chinesische Präsenz nur tolerieren, wenn sie sicher gehen können, dass mögliche Sicherheitsbedenken angemessen überwacht und ggf. angegangen werden. Die meisten europäischen Staaten haben bereits Prüfverfahren eingeführt, allerdings mit großen Unterschieden hinsichtlich der Vorgehensweise und der Deinitionen (Tabelle 3). Der deutsche Ansatz sieht vor, dass jede Übernahme, die darauf hinausläuft, dass mindestens 25 Prozent eines Unternehmens in ausländische Hand gelangen, auf potenzielle Gefahren für die öfentliche Sicherheit und Ordnung überprüft werden kann. Frankreich folgt einem weitergehenden Ansatz und hat sein Prüfrecht erst kürzlich erweitert. Einige Staaten wie die Niederlande, Kroatien und Lettland sehen keine Investitionsprüfungen vor. Der Ansatz der meisten EU-Mitgliedstaaten (insbesondere in Deutschland) ist richtig und war in der Vergangenheit erfolgreich. Der Aufstieg Chinas zu einem prominenten Investor erfordert jedoch, die fragmentierte Lage bezüglich solcher Prüfungen in Europa zu überdenken, um ggf. zu einem koordinierteren Ansatz zu gelangen. Erstens haben chinesische Investoren begonnen, sich stärker für europäische Vermögenswerte zu interessieren, bei 47 Heilmann et al. (2014). 48 MERICS 4. Bedenken gezielt ausräumen denen sich nicht nur nationale, sondern auch regionale Sicherheitsimplikationen ergeben. Dies ist zum Beispiel im Bereich der Versorgungs-, Transport- oder Telekommunikationsinfrastruktur der Fall. Zweitens dürfte die für die kommenden Jahre zu erwartende Zunahme chinesischer Auslandsinvestitionen die Kapazitäten der kleineren EU-Staaten zur ordnungsgemäßen Überprüfung der betrefenden Investitionen überfordern. Drittens wird ein koordinierter Ansatz mit klareren Kriterien auch dazu beitragen, eine Politisierung von Transaktionen durch einzelne Regierungen zu verhindern. Europa braucht keine speziisch auf China ausgerichteten Mechanismen. Die EU-Mitgliedstaaten sollten jedoch einen EU-weiten Dialog über „best practices“ für Investitionsprüfungen initiieren. Dabei sollten die vier Grundsätze der OECD für solche Investitionsüberprüfungen zugrunde gelegt werden: Nichtdiskriminierung, Transparenz und Berechenbarkeit, Verhältnismäßigkeit sowie Verantwortlichkeit.48 Die Einzelstaaten werden ihre Souveränität bezüglich dieser Prüfungen kaum aufgeben. Zudem besteht bereits ein informeller Austausch zwischen den europäischen Kernländern. Dennoch wäre es bereits ein wichtiger Schritt, europaweit zu einem besseren gemeinsamen Verständnis von Gefahren für die nationale Sicherheit zu gelangen und einheitlichere Verfahren und Zeitpläne für Sicherheitsüberprüfungen einzuführen.49 Ein besserer Informationsaustausch über Transaktionen und Gefährdungsszenarien sowie die Zusammenarbeit bei Investitionen, die mehr als ein Land betrefen, ist elementar: Ein Beispiel dafür ist die jüngste Beteiligung am Flughafen Toulouse (dem „Airbus-Flughafen“).50 Auch mehr Transparenz bei Investitionsprüfungen wäre empfehlenswert, etwa durch die Veröfentlichung grundlegender Informationen (Anzahl der überprüften Deals und der Deinition möglicher Gefahren für die nationale Sicherheit in den einzelnen Ländern). Auch wenn es bislang gelungen ist, eine starke Politisierung von Transaktionen zu vermeiden, wäre mehr Transparenz und eine Mitteilung einiger grundlegender Informationen an die Öfentlichkeit und das Parlament auch für das deutsche Überprüfungsverfahren von Investitionen von Vorteil. Schließlich bietet Chinas Aufstieg als Direktinvestor die Gelegenheit, Normen und Standards für Sicherheitsprüfungen in einem generelleren Rahmen zu diskutieren. Europa könnte ein guter Ausgangspunkt dafür sein. Letztendlich wird das Thema jedoch im globalen Rahmen diskutiert werden müssen. Dies gilt insbesondere, da China dabei ist, die Rahmenbedingungen für seine eigenen nationalen Investitionsprüfungen zu überarbeiten und die Sorgen existiert, dass diese als Instrument zur weiteren Diskriminierung ausländischer Investoren genutzt werden könnten.51 Kurz gesagt: Es besteht ein akutes Risiko, dass ausländische Direktinvestitionen weltweit zu häuig wegen Ausnahmen im Hinblick auf die nationale Sicherheit abgelehnt werden. Zur Stärkung der Investitionsfreiheit ist deshalb eine Koordination der Deinitionen, der Begrife und des rechtlichen Rahmens unerlässlich. 48 Vgl. OECD (2009). 49 Vgl. Röller und Véron (2008). 50 “French plans for airport sale to China spark unease,” http://www.france24.com/en/20141205france-sell-major-stake-toulouse-airport-firm-china. 51 Chinas Investitionsprüfung geht von einer sehr breiten Definition von “Sicherheit” aus, die nationale Sicherheit, ökonomische und soziale Stabilität beinhaltet. Vgl. China‘s National Security Review (http://www.mofcom.gov.cn/article/b/f/201102/20110207403117.shtml) und den Entwurf des neuen Investitionsgesetztes von 2015 (http://tfs.mofcom.gov.cn/article/ as/201501/20150100871010.shtml). MERICS 49 4. Bedenken gezielt ausräumen Tabelle 3: Sehr diverse Ansätze für Investitionsprüfungen in der EU Investitionsprüfungen in ausgewählten EU-Staaten, 2014 Österreich Investoren aus Nicht-EWR-Staaten, die in gewissen Wirtschaftszweigen eine Beteiligung von mindestens 25 Prozent erwerben, müssen die Genehmigung des Wirtschaftsministeriums einholen. Dies betrift die Bereiche Landesverteidigung, Stromversorgung, Telekommunikation, Transport und andere Branchen. Zypern Das verplichtende Sicherheitsüberprüfungsverfahren wurde aufgegeben, es gibt jedoch noch Beschränkungen für Massenmedien, Immobilien und das Baugewerbe. Dänemark Ausländische Investitionen in Firmen, die Rüstungsgüter herstellen und die auf eine Beteiligung von mehr als 40 Prozent oder auf mehr als 20 Prozent der Stimmrechte hinauslaufen, bedürfen der Genehmigung durch das Justizministerium. Finnland Finnland sieht Beschränkungen vor, wenn Ausländer Beteiligungen an Unternehmen erwerben, die Rüstungsgüter produzieren oder für die Landesverteidigung unverzichtbare Waren oder Dienstleistungen liefern. Frankreich Übernahmen in bestimmten Wirtschaftszweigen werden durch den Wirtschafts- und Justizminister überprüft, wenn die Beteiligung bestimmte Schwellenwerte übersteigt. Dies ist auf die öfentliche Ordnung, Sicherheit und Landesverteidigung bezogen und betrift damit unter anderem die Bereiche Luft- und Raumfahrt, Kernenergie, Erfassen und Abhören von Kommunikation, Verschlüsselungstechnik, Wafen, Munition und Kriegsgerät, Glücksspiel und Kasinos sowie andere Branchen. Deutschland Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie kann Übernahmen prüfen und untersagen, die auf eine Beteiligung von mindestens 25 Prozent hinauslaufen, wenn die betrefende Transaktion die Sicherheit oder öfentliche Ordnung der Bundesrepublik Deutschland gefährdet. Dieses Überprüfungsverfahren ist nicht auf bestimmte Wirtschaftszweige beschränkt. Italien Italien hat ein nationales Sicherheitsüberprüfungssystem, das in den Bereichen Landesverteidigung, Energie, Transport und Kommunikation gilt, und zwar „in Fällen, in denen durch eine Übernahme oder eine andere Art von Transaktion die Gefahr einer „ernsthaften Beeinträchtigung wesentlicher Interessen des Staates entsteht.“ Litauen Litauen untersagt ausländische Investitionen in Bereichen der nationalen Sicherheit und Verteidigung. Der staatliche Verteidigungsrat kann Ausnahmen für Investoren aus EU- und NATO-Ländern gestatten. Polen Ausländische Unternehmen benötigen für den Erwerb in Grenzgebieten gelegener Immobilien wie auch für Investitionen in Flughafenverwaltungsgesellschaften die Genehmigung der Regierung. Unternehmen mit ausländischer Beteiligung dürfen keine Flughäfen eröfnen. Portugal Es gibt keine formale Sicherheitsüberprüfung für ausländische Investitionen in Portugal. Nur einige sensitive Bereiche werden von den jeweils zuständigen Behörden reguliert, beispielsweise im Transport- und Telekommunikationswesen. Slovenien Ausländische Firmen dürfen Wafen weder herstellen noch mit ihnen handeln. Spanien Ausländische Investoren, die sich an spanischen Unternehmen aus dem Rüstungssektor beteiligen möchten, benötigen die Genehmigung der Regierung. Schweden Unternehmen mit ausländischem Mehrheitsanteil benötigen für die Herstellung von Kriegsmunition die Genehmigung der Regierung. Großbritannien Der Innenminister kann bei Unternehmenszusammenschlüssen, die die nationale Sicherheit oder bestimmte öfentliche Interessen beeinträchtigen könnten aufgrund verschiedener Vorschriften intervenieren, unter anderem aufgrund des Industriegesetzes und des Unternehmensgesetzes. Darüber hinaus gibt es zusätzliche Regelungen für Investitionen in den Bereichen Luft- und Raumfahrt, Energie und Schiffahrt. Im Einzelfall erfolgt die Überprüfung ausländischer Investitionen durch das Oice of Fair Trading (OFT) und die Competition Commission. Quelle: Nationale Regierungsquellen, OECD Investment Policy Reviews, OECD-WTO-UNCTAD Berichte zu G20 Handels- und Investitionsmaßnahmen sowie US Department of Commerce Investment Climate Statements. 50 MERICS 4. Bedenken gezielt ausräumen Ein „race to the bottom“ bei Sozial- und Umweltstandards? Zu guter Letzt gibt es aus Sicht der Zielländer Bedenken, ausländische Investoren könnten „bad practices“ exportieren und damit eine Abwärtsspirale bei Arbeits-, Umwelt- und anderen Standards einleiten. Dies gilt insbesondere im Falle von OFDI aus Schwellenländern, da diese im Allgemeinen weniger gut reguliert sind als die aus Industrieländern. Chinesische Firmen operieren in einem institutionellen und regulatorischen Umfeld, das sich sehr stark von dem der meisten anderen großen Investorenländer unterscheidet (Abbildung 22). In Europa gab es mehrere Fälle, die Bedenken aukommen ließen, dass bei einer Zunahme chinesischer Investitionen die geltenden arbeitsrechtlichen Standards, die Umweltgesetze oder die Steuervorschriften unterminiert werden könnten. Bekannte Beispiele dafür sind die italienische Stadt Prato, wo chinesische Unternehmer das „Modell“ chinesischer Ausbeuterbetriebe auf Europa übertragen haben; der COSCO-Betrieb im Hafen von Piräus, durch den zwar die Produktivität gesteigert, die Position der örtlichen Gewerkschaften jedoch unterwandert wurde, sowie der Fall von COVEC in Polen, bei dem das chinesische Unternehmen seine Konkurrenz preislich deutlich unterboten, dann jedoch seine vertraglichen Verplichtungen nicht eingehalten hatte.52 Abbildung 22: Chinesische Unternehmen sind ein anderes regulatorisches Umfeld gewöhnt Governance Quality Index, ausgewählte Länder 2,0 1,5 1,0 0,5 0,0 -0,5 -1,0 -1,5 Mitspracherecht und Verantwortlichkeit Index: 2.5=hoch; –2.5=niedrig Politische Stabilität Regierungseffektivität Qualität der Rechtsvorschriften Rechtsstaatlichkeit Korruptionskontrolle -2,0 Deutschland Japan EU (Durchschn.) USA Italien China Russland Quelle: Weltbank Bedenken hinsichtlich regulatorischer Standards sind unnötig Wir halten solche Ängste für unberechtigt, sofern es robuste verbindliche Vorschriften gibt, die auch ordnungsgemäß durchgesetzt werden. Chinesische Firmen, die sich in Europa niederlassen, müssen die am Niederlassungsort geltenden Gesetze einhalten. Verstöße können geahndet und Verplichtungen auf dem Rechtsweg durchgesetzt werden. Die genannten Beispiele chinesischer Unternehmer und Firmen in Europa beruhen zumeist darauf, dass die Kapazitäten vor Ort nicht ausreichen, um Gesetze tatsächlich durchzusetzen und Verstöße zu ahnden. Deshalb sind wir der Aufassung, dass es gerade umgekehrt ist: Je mehr chinesische Unternehmen sich durch ausländische Direktinvestitionen in Europa niederlassen, desto größer ist der Anreiz für chinesische Unternehmen, sich den in den Industrieländern geltenden regulatorischen Standards anzupassen. Und 52 Ceccagno, Antonella (2012), van der Putten (2014), and Le Van (2012). MERICS 51 4. Bedenken gezielt ausräumen umso mehr Gelegenheit besteht auch, hierzulande gerichtlich gegen ein Fehlverhalten chinesischer Firmen vorzugehen. Der Sorge, dass durch den Markteintritt Chinas und anderer Schwellenländer eine regulatorische Abwärtsspirale entsteht, begegnet man daher am besten durch eine europaweite Harmonisierung der Arbeits-, Umwelt- und sonstigen Standards sowie durch eine Stärkung der zur Rechtsdurchsetzung vorhandenen Kapazitäten der lokalen Behörden. Darüber hinaus sollten Entscheider in Europa darüber nachdenken, wie sie die wachsende Präsenz chinesischer Unternehmen vor Ort nutzen können, um Fortschritte bezüglich des regulatorischen Umfelds (auch für europäische Unternehmen in China) zu erzielen. Ein Beispiel dafür ist die Durchsetzung der geistigen Eigentumsrechte. Wenn sich chinesische Unternehmen in Europa niederlassen und hier über erhebliches Vermögen verfügen, eröfnet das neue Wege für Gerichte und Staatsanwälte, Schadensersatzansprüche gegen sie durchsetzen zu können. Ein weiterer Bereich, in dem wir neue Chancen für Nationalstaaten sehen, Verbesserungen zu erwirken, wäre eine intensivere Zusammenarbeit mit China bei der Verfolgung von Wirtschaftsstraftaten. In China besteht großes Interesse, gegen Korruption vorzugehen. Daraus ergeben sich neue Gelegenheiten für bilaterale Zusammenarbeit. 52 MERICS 5. Die Policy-Agenda für Europa 5. Die Policy-Agenda für Europa Wir haben in dieser Studie argumentiert, dass, dass sich China deutlich von anderen bedeutenden ausländischen Investoren unterscheidet. Einerseits ergeben sich durch die Größe, das Wachstum und die Komplementarität der chinesischen Volkswirtschaft einmalige Chancen für Europa. Andererseits gibt es Bedenken angesichts Chinas politischem und wirtschaftlichem System. So zum Beispiel gegenüber den weit verbreiteten staatlichen Eingrifen oder Chinas Stellung im internationalen System. Diese Besonderheiten im Falle Chinas stellen zwar das bestehende Paradigma nicht in Frage, dass ausländische Direktinvestitionen grundsätzlich positive Efekte für die Zielländer haben. Dennoch gibt es einige Punkte, die politische Entscheider in Europa dringend angehen sollten, um auf Chinas Aufstieg als gewichtiger OFDI-Exporteur zu reagieren, den damit verbundenen Nutzen zu maximieren und gleichzeitig den Bedenken Rechnung zu tragen. Eine bessere Datengrundlage ist nötig Eine zentrale Erkenntnis dieser Studie lautet: Die derzeitige Datenlage reicht schlicht nicht aus, nicht einmal für relativ leicht zu verfolgende Kapitallüsse wie Direktinvestitionen. China wächst zu einem massiven, aber weiterhin relativ undurchsichtigen Investor heran. Es ist an der Zeit, bessere Ansätze zu entwickeln, um Umfang, Richtung und Trends globaler Kapitallüsse zu verstehen. Die nationalen Statistikämter sollten angemessene Ressourcen bereitstellen, um die Datenerfassung zu verbessern und eine Analyse der für die politische Entscheidungsindung relevanten Kapitallüsse und Kennzahlen leisten zu können. Organisationen wie der IWF, die OECD und die UNCTAD, die alle über das notwendige Fachwissen verfügen, könnten einen multilateralen Prozess in Gang setzen, um die Transparenz zu verbessern und globale Kapitalströme in Echtzeit zu verfolgen, statt diese Ströme nur nachträglich zu dokumentieren. Forschungseinrichtungen und der Privatsektor können diesen Prozess mit neuen Ideen und innovativen Ansätze unterstützen. Handlungsprioritäten auf EU-Ebene Abgesehen von der problematischen Datenlage haben wir verschiedene Bereiche analysiert, die politische Entscheider dringend angehen sollten. Auf der EU-Ebene sehen wir dabei die folgenden Prioritäten: Erstens: Wenn Europa verstärkt ausländische Direktinvestitionen aus China anziehen möchte, die produktiv sind und Arbeitsplätze schafen, muss es zu allererst die strukturellen Hürden beseitigen, die Wachstum verhindern. Chinesische Investitionen sind für Europa als zusätzliche Wachstumsanreize von großer Bedeutung. Allerdings steht Europa im Wettbewerb um diese Kapitallüsse und muss die notwendigen Strukturreformen erfolgreich umsetzen. Zweitens wird es elementar sein, ein solides bilaterales Investitionsabkommen abzuschließen. Dieses sollte die bestehenden Asymmetrien im Marktzugang abbauen, sich auf eine kurze Negativliste beschränken und europäischen Unternehmen mehr Marktzugangsrechte einräumen. Auf diese Weise würden nicht nur faire Wettbewerbsvoraussetzungen für EU-Unternehmen geschafen, sondern die Investitionsfreiheit würde auch von den Bürgern der EU und von europäischen Parlamenten getragen. Drittens halten wir eine Debatte über eine stärkere Angleichung der Investitionsprüfungen innerhalb Europas für dringend erforderlich. Dies ist nicht nur notwendig, um die Eizienz und Kohärenz dieser Überprüfungen aus sicherheitspolitischen Gründen zu verbessern. MERICS 53 5. Die Policy-Agenda für Europa Es dient auch dazu, das Vertrauen der Bürger in eine gesamteuropäische Lösung zu stärken, der es gelingt, Risiken zu minimieren. Nur so können populistische Gegenbewegungen und die Politisierung von Transaktionen vermieden werden. Letztendlich liegt die Verantwortung für solche Überprüfungen bei den einzelnen Mitgliedstaaten. Gemeinsame Regeln und eine bessere Koordination sind jedoch wichtig, um das Vertrauen in diese nationalen Verfahren und deren Eizienz zu erhalten. Viertens müssen sich die politischen Entscheider in Europa der Frage stellen, wie zu reagieren wäre, falls Peking die Strukturreformen, die es im Hinblick auf Subventionen und andere wettbewerbsverzerrende staatliche Eingrife zugesagt hat, langsamer umsetzt als es seiner wachsenden Rolle als Investor entspricht. Der beste Ausgangspunkt für Überlegungen über mögliche Ansätze auf europäischer Ebene sind die vorhandenen wettbewerbspolitischen Instrumente, etwa die Regelungen für staatliche Beihilfen. Handlungsprioritäten für Deutschland und andere Nationalstaaten Aus Sicht der Einzelstaaten sehen wir folgende Prioritäten, die wir am Beispiel Deutschlands illustrieren: Erstens wird es wichtig sein, den Grundsatz der Investitionsfreiheit zu verteidigen. Als Mitglieder der EU sind Deutschland und andere EU-Staaten verplichtet, ihre Grenzen für Kapitallüsse aus Drittstaaten ofenzuhalten. Chinesische Investoren erfreuen sich fairer Gleichbehandlung. Es könnte jedoch sein, dass die Zunahme chinesischer Transaktionen ähnlich wie in anderen Teilen der Welt zu populistischen Gegenreaktionen führt. In einem solchen Fall müssten Regierung und Verantwortliche zum Grundsatz der Investitionsfreiheit stehen und diesen verteidigen. Zweitens: Deutschland verfügt zwar schon über ein vergleichsweise efektives und gut ausgestattetes System der Investitionsförderung, doch nachdem sich China zu einer signiikanten Kapitalquelle entwickelt hat, sollten die bestehenden Ansätze überdacht werden. Dazu gehört der Ausbau der Kapazitäten in China, um Investoren vor Ort besser zu unterstützen. Weitere Bemühungen sollten sich darauf richten, China-speziische administrative Barrieren zu verringen. Ein noch stärkerer Fokus auf innovations-intensive Industrie und Investitionsausweitungen nach Übernahmen wäre empfehlenswert. Drittens: Es ist entscheidend, dass einlussreiche EU-Mitgliedstaaten wie Deutschland und andere die derzeitigen Bemühungen der EU um ein überzeugendes bilaterales Investitionsabkommen mit China unterstützen, und dass Europa mit einer Stimme spricht.53 Die informelle Diskriminierung ausländischer Unternehmen in China muss beendet werden. Bei der Überwachung der diesbezüglichen Fortschritte kommt den Regierungen der Einzelstaaten eine wichtige Rolle zu, weil diese sich nicht einfach durch ein bilaterales Investitionsabkommen regeln lassen. Die europäischen Regierungen müssen gegenüber der chinesischen Führung auf der Umsetzung eines neuen Regulierungsrahmens bestehen, der gleiche Voraussetzungen für in- und ausländische Firmen schafen soll. Hochrangige Regierungsvertreter müssen diesen Reformprozess positiv begleiten, aber auch beharrlich auf Verzögerungen und mangelnden Fortschritt hinweisen. Viertens: Eine Vorzugsbehandlung für nationale Spitzenunternehmen, eine strategische Industriepolitik und staatliche Eingrife bleiben Säulen des chinesischen Wachstumsmodells. Deutschland und andere EU-Staaten sollten mehr Mühe auf die Entwicklung von WorstCase-Szenarien verwenden, für den Fall, dass sich daran nichts ändert. Die EU-Staaten 53 Meunier (2014). 54 MERICS 5. Die Policy-Agenda für Europa verfügen diesbezüglich über einige Instrumente, die sie künftig einsetzen könnten (u. a. Wettbewerbspolitik, Ofenlegungsplichten oder die Regulierung öfentlicher Beschaffung). Es ist notwendig sich heute mit solchen Szenarien auseinanderzusetzen, um im Ernstfall vorbereitet zu sein. Ein Zeitfenster zur Neugestaltung der globalen Investitionsordnung Der Aufstieg Chinas zum globalen Investor eröfnet jedoch nicht nur Chancen auf EU- und einzelstaatlicher Ebene, sondern auch für die Wiederbelebung pluri- und multilateraler Initiativen im Zusammenhang mit globalen Investitionslüssen. Nachdem die Gespräche über ein multilaterales Investitionsabkommen (MAI) 1998 gescheitert waren, liegt ein wirklich globaler Ansatz für Investment Governance auf Eis. Chinas neuerliches Interesse an aktiven Auslandsinvestitionen bietet eine gute Gelegenheit, die Diskussion über neue Regelungen wieder aufzunehmen, um die Investitionsfreiheit weltweit festzuschreiben und Grundregeln für zulässige Ausnahmen festzulegen. So etwa zur Überprüfung im Hinblick auf Belange der nationalen Sicherheit, die Wettbewerbspolitik und Investitionssubventionen. Denkbar wäre eine Vermittlung etwa durch die G20, durch regionale Organisationen, durch den Ausbau bestehender institutioneller Plattformen für die Diskussion derartiger Themen (zum Beispiel OECD oder IWF) oder durch neue Gespräche über ein multilaterales Investitionsabkommen (MAI) der nächsten Generation. Eine gemeinsame hochrangige Arbeitsgruppe zu Investment Governance, die drei Pole der globalen Wirtschaftsordnung – die EU, die USA und China – zusammen bringt, wäre ein guter Anfang. Auch hier kann Deutschland eine führende Rolle spielen und den Prozess initiieren und steuern. Mehr als OFDI: Die neue Ära chinesischen Kapitals erfordert einen Politikwandel Ausländische Direktinvestitionen dienen als Testfall für einen größeren Veränderungsprozess, um den Herausforderungen in der neuen Ära chinesischen Kapitals gewachsen zu sein. Mit den ausländischen Investitionen sind immense Chancen und Herausforderungen verbunden, die in dieser Studie zusammengefasst wurden. Daraus ergibt sich, dass Chinas Aufstieg in Europa und anderen Teilen der Welt einen Wandel der wirtschaftspolitischen Ausrichtung im Verhältnis zu China erforderlich macht. In den letzten zwei Jahrzehnten haben die meisten Staaten ihre Wirtschaftspolitik zu China auf einige wenige Anliegen reduziert (Handel, Schutz geistigen Eigentums, Marktzugang). Diese Einstellung muss sich ändern: Künftig gilt es, ein viel breiteres Themenspektrum zu behandeln. Diese „Normalisierung“ der Wirtschaftspolitik in Bezug auf China geschieht allerdings unter dem Vorzeichen, dass China eine außerordentlich große Volkswirtschaft mit vielen Besonderheiten ist, die sich von anderen Wirtschaftspartnern unterscheidet. Diese neue wirtschaftspolitische Agenda wird auch eine stärkere Koordination und Zusammenarbeit verschiedener Ministerien und Verwaltungsapparate innerhalb der Einzelstaaten erfordern. Ebenso relevant werden eine bessere Kooperation zwischen den Einzelstaaten sowie eine klarere Kompetenzverteilung zwischen den Einzelstaaten und der EU sein. Wenn diese Anpassung ausbleibt und am bisherigen Kurs festgehalten wird, entgehen Europa nicht nur attraktive Chancen, die sich aus der neuen Position Chinas in der Weltwirtschaft ergeben. Auch die Interessen der Bürger und Unternehmen Europas würden ignoriert. Dies könnte zu populistischen Abwehrreaktionen führen, die sich gegen chinesische Investitionen und die wirtschaftliche Verlechtung mit China generell richten. Europäische Entscheider müssen Sorge tragen, dass wir die vielfältigen Chancen nutzen, die Chinas Umstellung auf ein neues Wachstumsmodell bietet. MERICS 55 Tabelle 4: Die Europäische Policy-Agenda bezüglich chinesischer OFDI China-speziische Besonderheiten Chancen FDI erhöht das Investitionsvolumen in Empfängerländern Im nächsten Jahrzehnt wird China zu den Ländern mit dem höchsten OFDI Wachstum gehören (1–2 Billionen USD bis 2020) FDI vertieft die Anbindung von Empfängerländern an globale Wertschöpfungsketten und Exportmärkte China ist bereits einer der wichtigsten Exportmärkte der EU; durch bessere Anbindungen kann dies noch stärker genutzt werden FDI kann zu höheren Ausgaben für Forschung und Entwicklung (F&E), Spezialisierung und der Ausbildung von Arbeitskräften beitragen Chinesische Firmen wollen Lücken im eigenen Fachkräfteangebot durch ausländische F&E schließen und werden selbst wichtige Innovatoren Risiken FDI kann die Volatilität von Investitionen und Preisen in Empfängerländern erhöhen. China ist ein Schwellenland mit einem fragilen Finanzsystem, dem schwierige Reformen im Finanzsektor und Kapitalmarktöfnung bevorstehen Ausländische Direktinvestitionen können zu Ungleichgewichten führen, wenn der Marktzugang nicht symmetrisch ist China proitiert in der EU vom freien Kapitalverkehr, hält aber an vielen formellen (und informellen) Beschränkungen für ausländische Investitionen fest Subventionen und andere politische Vorteile für bestimmte Investoren können den globalen Wettbewerb um Übernahmen verzerren und zu suboptimalen wirtschaftlichen Ergebnissen führen Chinesische Firmen, insbesondere Staatsunternehmen, proitieren von Subventionen und anderen Formen der Vorzugsbehandlung, durch die sie anderen Firmen gegenüber im Vorteil sind; die derzeitige Welle großer Fusionen wird diese Situation noch verschärfen Ausländische Übernahmen können zum Transfer von wichtigem Know-how und industriellen Kapazitäten führen Das Hauptmotiv der in Europa investierenden chinesischen Unternehmen ist der Zugang zu Technologie und Know-how; und chinesische Industriepolitik könnte Technologietransfer oder die Auslagerung von F&E-Aktivitäten nach China forcieren, die nicht Marktlogik oder Standortvorteilen folgen Unter bestimmten Bedingungen können ausländische Übernahmen Risiken für die nationale Sicherheit von Empfängerländern darstellen Die Größe der chinesischen Volkswirtschaft kombiniert mit Chinas ungewöhnlichem polit-ökonomischen System machen China zu einem besonderen Fall in Bezug auf Sicherheitsrisiken Ausländische Direktinvestitionen können zu einem „race to the bottom“ bei arbeits-, umwelt- und anderen Standards führen Chinesische Firmen operieren daheim in einem institutionellen und regulatorischen Rahmen, der sich stark von dem in Industrienation unterscheidet, was zu einem Export von solchen Standards führen könnte 56 MERICS Politikempfehlungen für die EU Politikempfehlungen für Deutschland (1) Langfristige Probleme im Bereich der Wettbewerbsfähigkeit lösen, um für FDI attraktiv zu bleiben (1) Führungsrolle bei der Wiederherstellung europäischer Wettbewerbsfähigkeit wahrnehmen (2) Einhaltung der Kapitalverkehrsfreiheit durch die Mitgliedstaaten durchsetzen (2) Anzahl China-speziischer Fachkräfte für Investitionsförderung erhöhen und neue Möglichkeiten für gezielte Investitionsförderung, subnationale und intra-europäische Koordination ausloten (3) Investitionsförderung besser koordinieren, insbesondere durch Anbindung an die europäische Infrastrukturagenda (1) Risiken für kleinere EU-Staaten/Beitrittskandidaten überwachen (2) Kapitallüsse in speziische Anlageprodukte stärker überwachen (z.B. Immobilien) (3) Transparenz bzw. Datenerfassung bezüglich Kapitalströmen (inkl. Kreditvergabe und öfentliche Aufträge) verbessern (1) Bilaterales Investitionsabkommen mit robusten Marktzugangsrechten abschließen (3) Zusammenarbeit mit anderen, um globale Investitionsfreiheit als Anreiz zu fördern (3) Vorbereitet darauf sein, das Prinzip der Investitionsfreiheit auch im Falle von umstrittenen Übernahmen zu verteidigen (1) Potenzielle Risiken identiizieren, die in bestimmten Branchen und Anlageklassen durch den Zuluss chinesischen Kapitals entstehen könnten. (2) Zunehmende Kapitallüsse von Finanzinvestoren aus China verstärkt beobachten (1) China gegenüber auf bilateralen Marktzugang dringen (2) Europäischen Einluss durch bessere Abstimmung der europäischen Interessen maximieren (3) EU-US-China Dialog zu Global Investment Governance initiieren (1) Unterstützung der laufenden Reformen in China aber Vorbereitung auf Worst-Case-Szenarien, falls Reformen ausbleiben (2) Untersuchen, inwieweit eine externe Dimension des „state aid“ Regimes der EU hilfreich wäre (1) Die chinesische Seite an ihren Reformzusagen messen (2) Optionen für Worst-Case-Szenarien jenseits des bestehenden Investitionsprüfungsprozesses entwickeln, um solche wirtschaftlichen Bedenken von der Sicherheitsprüfung zu trennen (3) Ofenlegungsanforderungen für Staatsunternehmen prüfen (1) EU-Wettbewerbsfähigkeit und Attraktivität für F&E stärken um chinesische Neuansiedlungen anzulocken (1) Strategisch über mögliche chinesische Beiträge zur lokalen Innovationskapazität nachdenken (2) Langzeitfolgen von chinesischen Investitionen auf lokale Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit besser untersuchen (2) Mehr Mittel zur Verfügung stellen, um langfristige Risiken für verschiedene Branchencluster zu untersuchen (3) Wettbewerbspolitik und andere zur Verfügung stehende Instrumente nutzen, um Bedenken bezüglich Übernahmen zu begegnen, die Innovation/Wettbewerb gefährden könnten (1) EU-weiten Dialog über bessere Koordination von nationalen Sicherheitsüberprüfungen in Gang setzen (1) Mehr Transparenz durch Veröfentlichung der Basisdaten von Sicherheitsprüfungen (2) EU-China-Dialog über Deinitionen und „Best Practices“ ermöglichen (2) An europäischem Dialog zu Koordination bzw. Informationsaustausch teilnehmen (3) Globale Diskussion über „best practices“ und Modelle vorantreiben (1) Arbeits-, umweltrechtliche und sonstige Vorschriften in der EU stärker harmonisieren (2) Sicher stellen, dass schwächere Staaten ausreichend Kapazitäten haben um diese Standards durchzusetzen (3) Institutionelle Entwicklung zu einer stärkeren Konvergenz mit Marktwirtschaften in China unterstützten (1) Die mit FDI verbundene stärkere physische Präsenz von chinesischen Unternehmen positive nutzen hinsichtlich Streitigkeiten und etwaiger Verfehlungen (2) Zusammenarbeit mit China im Bereich von Wirtschaftsstraftaten verbessern MERICS 57 Literaturverzeichnis Literaturverzeichnis A.T. Kearney (2015). “Connected Risks - Investing in a Divergent World”. https://www.atkearney.com/research-studies/foreign-direct-investment-conidence-index/2015. Ahlers, Anna; Meissner, Miriam und Zhu Yi (2014). 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Amtliche Statistiken aus China und Europa sind für eine gründliche Echtzeitanalyse der chinesischen Investitionsmuster ungeeignet, da sie erst mit erheblichem Zeitverzug vorliegen und aufgrund der Nutzung von Ofshore-Finanzzentren und anderen Faktoren verzerrt werden. Datenbestände, in denen Informationen zu einzelnen Transaktionen zusammengeführt werden, sind eine hilfreiche Alternative, um chinesische Direktinvestitionen im Ausland zu untersuchen. Die RHG-Datenbank beruht auf der Identiikation und Aggregation einzelner chinesischer Investitionen in der EU (Unternehmen aus Hongkong und Taiwan sind nicht berücksichtigt). Dafür werden verschiedene Kanäle genutzt: unter anderem kommerzielle Datenbanken, Online-Suchalgorithmen, Medienberichte, Meldungen an Behörden, Geschäftsberichte, Wirtschaftsverbände, amtliche Quellen, Investitionsförderungsstellen und Branchenkontakte. Der Datenbestand umfasst nur Transaktionen, die nach den allgemein üblichen internationalen Deinitionen als Direktinvestitionen anzusehen sind, d. h. Neugründungen (GreenieldProjekte) und Beteiligungen an bestehenden Unternehmen in der EU, bei denen sich die Beteiligung auf mindestens zehn Prozent des Eigenkapitals oder der stimmberechtigenden Anteile beläuft. Dienstleistungsverträge, Beschafung oder andere Elemente, die im Zahlungsbilanzhandbuch des IWF nicht als Investition deiniert sind, werden nicht berücksichtigt. Der Mindestwert für die in die Datenbank aufgenommenen Einzeltransaktionen beträgt eine Million Euro. Übernahmen werden nur berücksichtigt, wenn sie tatsächlich zustande kommen. Sie werden zum Datum des Zustandekommens aufgenommen. Neugründungen werden nur berücksichtigt, wenn die Projekte bereits begonnen haben. Sie werden zum Zeitpunkt des ersten Spatenstichs oder sonstigen Beginns aufgenommen. Ausgaben für über mehrere Jahre laufende Neuvorhaben werden inkrementell verzeichnet, wenn sie tatsächlich getätigt werden. Die Transaktionswerte werden addiert, und zwar entweder mit dem amtlichen Wert oder mit einem Schätzwert, welcher auf Variablen wie der Anzahl der Beschäftigten, den Jahreseinnahmen oder auf dem Wert ähnlicher Projekte beruht. In CNY oder anderen Fremdwährungen gemeldete Transaktionswerte werden in Euro umgerechnet, auf der Grundlage des durchschnittlichen Wechselkurses für das Jahr, in dem die Transaktion erfasst wird. Die Werte für Fusionen und Übernahmen berücksichtigen sowohl Eigenkapitalinvestitionen als auch die Übernahme von Schuldverplichtungen. Durch die Transaktionsdaten werden etliche Probleme der amtlichen Daten vermieden, insbesondere der erhebliche Zeitverzug und die Verzerrungen, die sich durch die intensive Nutzung von Ofshore-Firmennetzwerken ergeben. Der Datenbestand bietet somit eine hilfreiche Alternative für die Echtzeit-Einschätzung der Investitionsmuster und der Verteilung der Investitionen nach Wirtschaftszweigen, Einstiegsformen, Geograie und Eigentumsverhältnissen. Die Transaktionsdaten sind jedoch nicht direkt mit den FDI-Statistiken vergleichbar, die nach den für die Zahlungsbilanz geltenden Klassiizierungsgrundsätzen ermittelt werden. Und sie können auch nicht für die Analyse von Fragen der Zahlungsbilanz herangezogen werden. Die Jahresgesamtwerte der ausländischen Direktinvestitionen im RHG-Datenbestand sind im Allgemeinen höher als die in den amtlichen Statistiken angegebenen jährlichen Mittellüsse. Dies hat vor allem zwei Gründe: Erstens werden die Investitionen bis zum letzten wirtschaftlich Berechtigten zurückverfolgt, während Investitionen, die durch Ofshore-Rechtsgebilde getätigt werden, in den Daten der Zahlungsbilanz zumeist nicht erfasst werden. Zweitens weichen die für den RHG-Datenbestand verwendeten Deinitionen und Rechnungslegungsgrundsätze leicht von den für die Zahlungsbilanz geltenden Grundsätzen ab. So berücksichtigt zum Beispiel der RHG-Datenbestand den vollen Wert der Fusionen und Übernahmen (einschließlich der übernommenen Schulden), jedoch nicht die Rücklüsse nach China, die sich zum Beispiel durch konzerninterne Transaktionen ergeben. Unterschiede sind auch bei der Erfassung von Transaktionen möglich, bei denen nicht eindeutig abgrenzbar ist, ob es sich um Mittellüsse im Zusammenhang mit Portfolio- oder mit Direktinvestitionen handelt, zum Beispiel im Falle von Transaktionen bei Gewerbeimmobilien, nicht operativen Beteiligungen in rohstofgewinnenden Industrien sowie von Aufwendungen für langfristige Pacht- bzw. Mietverträge, Luftfracht- und Infrastrukturprojekte. 60 MERICS Impressum Mercator Institute for China Studies MERICS gGmbH Klosterstraße 64, 10179 Berlin, Deutschland Tel: +49 30–3440 999-0 Email: info@merics.de www.merics.org Design: Roman Wilhelm, INSIDE A Communications AG