Gesichter der textilen Welt - Reutlinger General

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Gesichter der textilen Welt - Reutlinger General
Ausgabe 4 Oktober 2010
•
Eine Sonderveröffentlichung
des Reutlinger General-Anzeigers
Gesichter der textilen Welt
Umwelttechnik:
Bei Avat liegen
Ingenieure richtig
Informationstechnologie:
In Las Vegas steuert
ein Spectra-PC Ihr
ihr Glück
Solarenergie:
MHH hat Power für
den großen Sprung
GEA-Wirtschaftsmagazin
Wer Marke ist, hat ein Gesicht
Die Textilindustrie in der Region Neckar-Alb hat Gewicht.
Mögen die Strukturkrisen vergangener Jahrzehnte die Zahl der
Unternehmen und die ihrer Beschäftigten reduziert haben –
die Branche hat unverändert eine große Bedeutung – erst recht
in der Region Neckar-Alb. Allein die Konzentration im Wäschebereich gibt ihr hier ein Alleinstellungsmerkmal weit über
Deutschland hinaus. Leuchttürme wie Hugo Boss, Marc Cain,
Mey und im textilen Maschinenbau Stoll, Mayer & Cie und
Groz-Beckert spielen eine hervorragende Rolle auf der internationalen Bühne. Die hohen Investitionen der Unternehmen,
gerade in der jüngsten Zeit, sind ein eindrucksvoller Beleg für
den festen Glauben an die Zukunft.
Längst hat sich in der Textilindustrie neben Wäsche und Bekleidung ein anderes, starkes Standbein etabliert: die technischen Textilien. Ihre Anwendungsfelder scheinen unbegrenzt.
Ob in der Autoindustrie, in der Medizinbranche oder Umwelttechnologie – überall stiften veredelte Textilien einen hervorragenden Nutzen. Das Innovationstempo ist eindrucksvoll. Im
Verbund mit den Hochschulen gelingen Projekte, die weit
über Europa hinaus ihre Spuren hinterlassen. Wenn die IHK
Reutlingen sich erfolgreich, wie vor wenigen Tagen entschieden wurde, im Clusterwettbewerb der Landesregierung mit
dem Projekt einer Innovationsagentur einbringt, und in diesem Kontext sich zutraut, in Europa das Zentrum für technische Textilien werden zu können, will das schließlich etwas
heißen. Wer auch als Region eine Marke darstellen möchte,
braucht solche Erfolge.
Eindruckvoll, wie auch Unternehmen ganz anderer Branchen die größte Wirtschafts- und Finanzmarktkrise der Nachkriegszeit weggesteckt haben: Joma Polytec, Avat, Spectra,
MHH Solartechnik und Solcom. So unterschiedlich sie in
ihrer Aufgabenstellung sind, gemeinsam ist ihnen das Markenbewusstsein. Erfreulich auch für den Beobachter, dass zur
Marke immer auch sogenannte Soft Skills wie Nachhaltigkeit,
guter Umgang mit Mitarbeitern und dergleichen gehören. Der
Facharbeitermangel wird diese Seite stärken und manche negative Entwicklung, die sich im Globalisierungswettbewerb
auftat, ausgleichen.
Franz Pfluger
3
4
GEA-Wirtschaftsmagazin
Inhalt
Hugo Boss
Die eigenen Stores
sind das Fenster zur Marke .....................................6
Marc Cain
Die Kollektion ist der Star........................................8
Joma Polytec
Entwicklungspartner der ganz Großen .......10
Mey
Es muss einem wohl sein
in seiner Haut.................................................................12
Stoll
Im Herz der US-Modewelt..................................14
Spectra
Eine Marke wird verankert...................................16
Speidel
Das Herz schlägt in Bodelshausen..................20
Elmer & Zweifel
Konsequent nachhaltig...........................................22
MHH
Systemhaus für Sonnenkraft ...............................24
Mattes & Amann
Kompetenz durch Tradition...............................26
Sassa
Sassa setzt auf »Shop-in-Shop«.......................28
Solcom
Der Erfolg begann
mit einem Versprechen...........................................30
Hochschule Reutlingen
Textiles Know-how
von der Faser bis zum Handel............................32
Avat
Bei uns sind Ingenieure
am richtigen Platz........................................................34
Standortagentur
Engmaschiges Netzwerk........................................36
Südwesttextil
Fasern auf dem Vormarsch
– Allianz geschmiedet..............................................40
Andreas Tilp
»Wir brauchen eine Klägerindustrie«.........42
IHK Reutlingen
»Demografische Perspektive
ist dramatisch« .............................................................44
Interview
Dr. Stefan Engelhard
»Wir können in Europa Zentrum
für technische Textilien werden«....................18
Portät
Prof. Dr. - Ing. Michael Ernst
»Das war ein Zeichen des Himmels«.........38
Kolumne
Man kann die Seele nicht
durch die Sinne heilen .............................................46
Titelbild:
Gesichter der textilen Welt
Gestaltung: Achim Goller
Impressum
Sonderveröffentlichung/Advertorial-Magazin
des Reutlinger General-Anzeigers
für die Region Neckar-Alb
Ausgabe 3/April 2010
Verleger/Geschäftsführer: Valdo Lehari jr.
Leitung, Koordination: Franz Pfluger
Anzeigen: Stephan Körting
Grafische Konzeption: Achim Goller
Layout, Satz, Gestaltung: Achim Goller
Herausgeber: Reutlinger General-Anzeiger
Verlags-GmbH + Co. KG
Persönlich haftende Gesellschafterin:
Reutlinger General-Anzeiger Verlags GmbH,
Burgstraße 1–7, 72764 Reutlingen
Druck: DNA, Druckzentrum Neckar-Alb, Reutlingen
GEA-Wirtschaftsmagazin
GEA-Wirtschaftsmagazin
Die Hugo Boss Stores
sind das Fenster zur Marke
tion. Und schneller werden müssen heute alle
Markenhersteller, ob im Luxus- und Premiumsegment oder im preisaggressiven Bereich«, so
Lahrs weiter.
Direkter Draht
zum Endkunden
Kundennähe, Ausbau des eigenen Einzelhandels, Markendifferenzierung und Internationalisierung stehen bei der Hugo Boss
AG im Fokus der Wachstumsstrategie
Von Xaver Baumann
Die Ziele, die sich der Vorstandsvorsitzende
der Hugo Boss AG, Claus-Dietrich Lahrs, gesetzt
hat, haben es in sich: Ein Wachstum des Umsatzes auf 2,5 Milliarden Euro und eine EbitdaMarge von 20 Prozent bis zum Jahr 2015. Um
diese Ziele zu erreichen, wurden in jüngster Zeit
die Strukturen im Unternehmen fundamental
verändert und Prozesse neu aufgestellt. Fest steht:
Der Vorstand will die Erfolgsgeschichte, die in den
Siebzigern begann fortsetzen und für die Zukunft
schreiben. Schließlich gehört die Hugo Boss AG
seit Jahren zu den Weltmarktführern im gehobenen Bekleidungssegment.
Dabei hat die Wirtschafts- und Finanzkrise im
Jahr 2009 die Umsetzung der geplanten Veränderungen offenbar beschleunigt, jedoch nicht initiiert. Hugo Boss ist gestärkt aus dem Krisenjahr
hervorgegangen und hat die Weichen für zukünftiges Wachstum schon gestellt, sagt der Chef
und sagt auch sofort, wo es langgeht und wie die
Herausforderung angenommen wird: »Im Fokus
der Wachstumsstrategie stehen Kundennähe,
Ausbau des eigenen Einzelhandels, Markendifferenzierung und Internationalisierung.«
Das Lifestyle-Unternehmen am Fuße der
Schwäbischen Alb steht nicht nur für Mode und
Lifestyle, sondern auch für Innovation. Hinter
Kundennähe stehen eine klare Orientierung am
Verbraucher und ein schnelleres Reagieren auf
Marktveränderungen, hatte Claus-Dietrich Lahrs
schon auf der Bilanzpressekonferenz im Frühjahr
gesagt. Durch neue Auslieferzyklen soll die Verkaufsfläche kontinuierlich mit neuer Ware versorgt werden, um dem Kunden gleich bleibende
Kaufanreize zu bieten. »Der Markt verlangt von
uns, dass wir näher an der Saison agieren und den
Kunden besser verstehen.« Um dies zu erreichen,
werden die Entwicklungs- und Verkaufszeiträume
der Kollektionen im Showroom verkürzt. Bisher
lagen zwischen Idee und Auslieferung einer Kollektion 50 Wochen. Ziel sind zukünftig 38 Wochen. Der Vorstandsvorsitzende: »Bisher haben
wir beispielsweise im Juli 2010 entschieden, was
wir im Winter 2011 in die Läden bringen wollen.
Wenn wir jetzt 12 Wochen gewinnen, können wir
wichtige Abverkaufsinformationen der Spiegelsaison, also dem Winter 2010, in die Entwicklung
der neuen Kollektion einfließen lassen. Das erlaubt uns, die Folgesaison zielgenauer anzugehen.«
Im gehobenen Segment für Premium- und Luxusgüter ist Hugo Boss mit diesem Geschäftsmodell in einer Vorreiterrolle. Die Qualität ist
dabei weiterhin oberste Prämisse. Die Position als
Premiummarke will man beibehalten und sieht
da auch keinen Widerspruch zum forcierten
Tempo. Im Gegenteil. »Das schnellere Reaktionsvermögen basiert auf der Optimierung der
Vorlaufzeiten. Prozessschritte, die heute nacheinander ablaufen, beginnen zukünftig parallel. Wir
führen Kreative und Produktentwickler früher zusammen, Qualität beginnt bereits in der Entwicklung und entsteht nicht erst in der Produk-
Der Ausbau des eigenen Einzelhandels soll gezielt Wachstumspotentiale in Zukunftsregionen
erschließen, aber er bietet für Hugo Boss auch die
Chance, mit dem Endkunden in direkten Kontakt zu treten. Dieser Weg fördere das Verständnis für die Belange der Einzelhandelspartner und
ermögliche eine weltweit stringente Inszenierung
der Markenwelten. Für Europa wird ein Teil des
Sortimentes zukünftig in sogenannten Core-buys
zentral definiert. Damit sichert Hugo Boss eine
einheitliche Aussage in allen Läden. Ein gewisser
Teil wird weiterhin individuell geordert und deckt
damit lokale Besonderheiten ab. »Die Hugo Boss
Stores sind ein Fenster zur Marke und ermöglichen dem Kunden, die Markenwelt zu erleben«,
heißt es. Wichtige Neueröffnungen in 2010 sind
die Hugo Boss Stores in Frankfurt am Main und
Kopenhagen sowie die Boss Black und Boss
Orange Stores in Shanghai.
Durch eine klare Differenzierung sollen die
Marken im Portfolio weiter voneinander abgegrenzt werden. Die Kernmarke Boss präsentiert
sich mit vier verschiedenen Linien. Boss Black bietet klassisch moderne Business- und Abendmode
sowie Sportswear, sowohl für Männer als auch für
Frauen. Die Luxuslinie Boss Selection bietet Herrenbekleidung in einer Kombination aus anspruchsvollem Design, exklusiven Materialien
und mit der Tailored Line auch Schneiderkunst
auf höchstem Niveau. Durch einen eigenständigen Auftritt soll die Linie künftig noch deutlicher
von Boss Black unterscheidbar sein. Die golforientierte sportliche Boss Green Kollektion gibt es
seit diesem Jahr ebenfalls für Frauen. Boss Orange
hat sich mit seinem neuen Logo deutlich von Boss
Black abgegrenzt und eigenständig positioniert.
Die Kollektion bietet relaxte Freizeitmode für
Männer und Frauen. Die Marke Hugo richtet
sich an männliche und weibliche
Trendsetter und steht für Avantgardekollektionen.
Für Schnelligkeit in der
Logistik sorgt unter anderem das neue hochmoderne Distributionszentrum, Vis-a-vis des
Hauptsitzes in Metzingen, das neue
Maßstäbe
in
Europa setzt. Die
Kennzahlen sind
beeindruckend:
20 Meter Gebäudehöhe beinhalten
110 000 Quadratmeter Nutzfläche, 37
Kilometer Fördertechnik können täglich
100 000 Teile Hängeware umschlagen und auf
der 22 000 Quadratmeter großen Dachfläche erzeugt eine der leistungsfähigsten Fotovoltaik-Anlagen Deutschlands jährlich
1 Million Kilowattstunden und spart damit 540
Tonnen Treibhausgas Kohlendioxid. Das Distributionszentrum bündelt die weltweite Logistik
für Hängeware und bewältigt neben hohen Volumina auch eine hohe Komplexität.
Hugo Boss ist mit einer Marktpräsenz von
6 100 Verkaufspunkten in über 110 Ländern ein
stark international ausgerichtetes Unternehmen.
Die Region Asien/Pazifik hatte 2009 einen Umsatzanteil von 10 Prozent, dieser soll bis 2015 mit
21 Prozent mehr als verdoppelt werden, wobei
insbesondere China im Fokus der weiteren Expansion steht. Hier hat Hugo Boss mit einem bisherigen großen Wholesalepartner ein Joint Venture geschlossen, um vor allem auch mit eigenen
Läden zu expandieren. Daneben eröffnet der
Konzern kontinuierlich Shops in Eigenregie im
asiatischen Raum.
Hugo Boss sieht sich mit den bereits realisierten und weiteren geplanten Maßnahmen für die
Zukunft gut aufgestellt. Claus-Dietrich Lahrs
blickt positiv nach vorne: »Hugo Boss ist zurück
7
Fotos: Boss
6
mit einem abverkaufstarken Produkt und
wirklich guten Kollektionen.
Und mit dem neuen Geschäftsmodell stellen wir
prozessorientiert sicher, dass unsere Wachstumsprognose für die kommenden Jahre auf
einem starken Fundament steht«.
Hat große Ziele für Hugo Boss,
Vorstandsvorsitzender Claus-Dietrich Lahrs
Hugo Boss-Store in Kopenhagen
8
GEA-Wirtschaftsmagazin
GEA-Wirtschaftsmagazin
Die Kollektion ist der Star
Mit einem vierstöckigen Neubau und einem
neuen Factory Outlet bekennt sich Marc Cain
zum Standort Bodelshausen. Über 40 Millionen
Euro wurden in den letzten drei Jahren investiert.
delshausen an Platznot. Inzwischen sind wir
neben dem Hauptgebäude auf fünf weitere Gebäude in der Umgebung verteilt. Platznot ist
immer auch eine Wachstumsbremse, daher
wurde es höchste Zeit dieser Zersplittung Einhalt
zu gebieten«, erzählt Schlotterer. Um dem enormen Wachstum des Unternehmens und den daraus resultierenden Herausforderungen gerecht
zu werden, schlägt er daher ein weiteres, wichtiges Kapitel in der bemerkenswerten Unternehmensgeschichte auf: 2008 bis 2010 wurden über
40 Millionen Euro in die Errichtung des Factory
Outlets und ein neues, 12 000 Quadratmeter großes Produktions- und Verwaltungsgebäude mit
modernster Einrichtung und Maschinen investiert.
Im Juli wurde das offizielle Richtfest des neuen
Firmengebäudes gefeiert. Das Gebäude wird
demnächst komplett bezugsfertig sein. Dort sollen alle Arbeitsbereiche von der Fertigung über
das Design, Werbung, Interior bis hin zum Vertrieb unter einem Dach vereint werden.
Neubau
mit Penthouse
Von Stefanie Kaiser
Bodelshausen, die südlichste Gemeinde des
Landkreises Tübingen. Die Wirtschaft des Ortes
ist geprägt von der schon fast einmal weltberühmten Textilindustrie der Schwäbischen Alb.
Dort übernimmt Helmut Schlotterer vor 37 Jahren die Strickwarenfabrik seines Vaters und baut
das im italienischen Carpi, bei Bologna, gegründete Modeunternehmen Marc Cain zu einer international erfolgreichen Marke auf. Jeder im Umkreis kennt den Namen Marc Cain und die exklusive Mode für die er steht. Marc Cain ist aber
nicht nur in Bodelshausen ein Begriff – mittler-
Helmut Schlotterer
weile ist das Unternehmen in 57 Ländern weltweit vertreten.
Von London bis Hongkong tragen Stores den
Namen Marc Cain. Insgesamt 102 Stores werden
in der kommenden Saison in Eigenregie und im
Franchisesystem geführt. Zudem wird die Marke
in 216 Shop in Stores und über 1 000 weiteren,
gehobenen Fachhandelsgeschäften auf der ganzen Welt verkauft. Vom Stammsitz Bodelshausen
aus betreut die Marc Cain GmbH das internationale Geschäft. Die Marke mit umfangreicher
Produktion in Deutschland ist bis heute wichtigster Arbeitgeber in der Region geblieben. Oft
wird Helmut Schlotterer gefragt, warum er dem
deutschen Standort treu bleibt und es ihn mit seinem Unternehmen nicht schon längst in die großen Modemetropolen der Welt, wie Mailand
oder Paris gezogen hat. Seine Antwort: »Für uns
ist es von unschätzbarem Wert, die Produktion
am deutschen Firmensitz in Bodelshausen zu
haben. Hier werden die Innovationskraft, technische Kreativität und das Qualitätsniveau der Marc
Cain Kollektionen begründet und sichergestellt.
In Bodelshausen arbeiten hochqualifizierte Mitarbeiter mit herausragendem Know -how. Das ist
unser Wohnzimmer, hier fühlen wir uns zu
Hause.« Die Investitionen in das bereits eröffnete
Factory Outlet und die Errichtung des neuen Verwaltungs- und Produktionsgebäudes betrachtet
er als Statement für eine erfolgreiche Zukunft von
Marc Cain und als ein klares Bekenntnis zum
Heimatstandort.
Dort sieht man seit einiger Zeit, in der eher
ländlichen Umgebung, zwei strahlend weiße Gebäude hervorblitzen. Eines davon ist das neue
Factory Outlet in der Industriestraße, welches im
Oktober 2008 eröffnet wurde. Hiermit setzte Helmut Schlotterer einen wichtigen Meilenstein in
der erfolgreichen Firmengeschichte von Marc
Cain und für die Region Bodelshausen.
Einkaufserlebnis
im Factory Outlet
»Der bisherige Fabrikverkauf passte schon
lange nicht mehr zum exklusiven Image und zur
Erwartung der Kundschaft. Mit dem neuen Outlet wollten wir ein außergewöhnliches Einkaufserlebnis für unsere Kundinnen schaffen.« Genau
das ist Helmut Schlotterer gelungen. Die im exklusiven Marc Cain Interior Design gestaltete, 700
Quadratmeter große Verkaufsfläche bietet genügend Raum für die Präsentation der hochwertigen Kollektionen der beiden Labels Marc Cain
Collections und Marc Cain Sports. Das integrierte Fashion Café mit überdachter Außenterrasse läd zum Verweilen ein und sorgt zudem für
ein entspanntes Einkaufserlebnis. Mit dem neuen
Factory Outlet hat Marc Cain hohe Maßstäbe gesetzt, doch es geht noch weiter.
Durch den internationalen Erfolg ist das Unternehmen in den letzten Jahren rasant gewachsen: »Seit Jahren leiden wir am Firmensitz in Bo-
Der vierstöckige Neubau mit Penthouse erstrahlt in unmittelbarer Nähe zum bereits bestehenden Hauptgebäude des Unternehmens. Mit
Hilfe eines zweistöckigen Verbindungsbaus werden beide Bauten miteinander verknüpft. Das modern und edel gestaltete Gebäude mit einer hochwertigen Außenfassade aus weißem Alucobond
und Glas, einem lichtdurchflutetem Atrium mit
13 Meter hohem Glasdach und einer begrünten
Dachterrasse bietet genügend Platz für alle Mitarbeiter. Weiteres Extra: der integrierte Showroom mit Catwalk für Modenschauen, Präsentationen oder sonstige Events. Das neuartig gestaltete Restaurant mit großer Gartenterrasse und
moderner Café Bar bildet den passenden Rahmen für erholsame Pausen und neue Ideen. Ideale
Voraussetzungen für komfortables und kreatives
Arbeiten, sagen die Mitarbeiter.
Das neue Gebäude verfügt jedoch nicht nur
über ein attraktives Design es bietet dem Unternehmen vor allem auch genügend Platz für die eigene Fertigung und Produktion am Firmenstandort. Marc Cain ist nahezu einer der letzten
großen Bekleidungshersteller, der in Deutschland
Neues Hauptverwaltungsgebäude
in Bodelshausen
im Dreischichtbetrieb 24 Stunden werktags
strickt, bedruckt und ausrüstet. Die hochmoderne
Strickerei verfügt über einen Maschinenpark mit
über 100 Flach- und Rundstrickmaschinen. Der
neue Platz ermöglichte die Erweiterung des Rundstrickmaschinenparks wodurch nun beispielsweise innovative und superfeine Jaquardgestricke
erstellt werden können. Desweiteren sind die textile Ausrüstung sowie die Druckerei mit Inkjetund Schablonendruck hervorzuheben. Mit den
besonderen Inkjet-Druckmaschinen für Einzelteile können nahezu alle Materialien und Endverarbeitungsprodukte bedruckt werden. Von
Leder und Seide, über Taschen und Schuhe, bis
hin zu Shirts, Röcken und Kleidern – sogar Pailletten sind kein Problem. Durch die Produktion
und Entwicklung im eigenen Haus können innovative Designs direkt umgesetzt werden. Die Qualität wird dabei durch Einhaltung der hauseigenen, strengen Qualitätsnormen, wie beispielsweise
Maßhaltigkeit, Schrumpfwerte, Pillingverhalten
und Farbechtheiten gesichert. Bevor ein neuer
Stoff in die Kollektion aufgenommen werden
kann, muss er vorab unterschiedlichste Laborprüfungen bestehen. Im hauseigenen Labor werden sämtliche Zutaten, Stoffe und Leder untersucht und im Anschluss entsprechend ausgerüstet. Diese Nachbehandlung garantiert eine hohe
Farbechtheit, Formbeständigkeit und die Waschbarkeit nahezu aller Marc Cain Produkte. Genau
diese stehen bei Marc Cain getreu der Unternehmensphilosophie: »die Kollektion ist der
Star« ganz klar im Fokus.
Marc Cain Collections
und Marc Cain Sports
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Herbst/WinterKollektion 2010/2011
Fotos: MC
Farben, Materialien, Schnitten und Drucken weiterentwickelt. Dabei bleibt Marc Cain seinem Stil
jedoch immer treu. Seit Ende Mai sind bereits die
ersten Themen der neuen Marc Cain Herbst/
Winter-Kollektionen 2010 in den Läden erhältlich: Ein glamouröser und tougher Powerlook für
starke Frauen. Leder zeigt sich facettenreich, der
Pelz wird jung und feiert sein Comeback. Drucke
und Farben sind inspiriert von der Natur und
Tierwelt. Rockige Nieten- und Kettendetails verbunden mit glamourösen Spitzenapplikationen
unterstreichen die Weiblichkeit. Jeggings, Leggings und schmale Röhren setzen das Bein in
Szene und als absolutes Highlights des Winters:
Overkneeboots in allen Variationen.
Diese Kollektion setzt sich aus den beiden Labels Marc Cain Collections und Marc Cain
Sports zusammen. Marc Cain Collections, das
Kernlabel des Unternehmens, reflektiert den Zeitgeist mit eigenem Stil und Klasse. Marc Cain
Sports ist Casual- und Leisurewear: trendig, sportlich, voller Lebensfreude. Seit über drei Jahrzehnten werden die Marc Cain Kollektionen von
Creative Director Karin Veit verkörpert, die maßgeblich für den Erfolg der beiden Labels verantwortlich ist und immer wieder neue Maßstäbe
setzt. Jede Saison aufs Neue werden die Kollektionen gemäß den aktuellen Trends mit neuen
Marc Cain Factory Outlet
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GEA-Wirtschaftsmagazin
GEA-Wirtschaftsmagazin
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Entwicklungspartner der
ganz Großen
Sogenannte Bilderbuchgeschichten gibt die Region
Neckar-Alb immer wieder her: Beispiel Joma Polytec
in Bodelshausen. Da schaut dann auch ein Ministerpräsident Stefan Mappus mal vorbei.
Von Xaver Baumann
Bilderbuchgeschichten gibt es auch für Erwachsene. Sogar für Ministerpräsidenten. Eine
heile Welt trotz Stürmen, Spitzenleistungen auf
wirtschaftlichem oder kulturellem Gebiet, und natürlich der Charakter von Menschen, gehören zu
den Merkmalen und zum Mix solcher Geschichten. Stefan Mappus, der mit Stuttgart 21 und einer
angeschlagenen Landesbank natürlich auch Probleme am Hals hat, fühlte sich jüngst im schwäbischen Bodelshausen daher sichtlich wohl, als er
zur Präsentation des neu gebauten Unternehmenssitzes der Joma Polytec die Gastrede hielt.
Der seltene Anlass war gegeben, auf die schwäbischen Tugenden wie Mut, Innovationsgeist und
Anpacken das hohe Lied zu singen. Die beiden
Geschäftsführer Alexander und Dr. Hans-Ernst
Maute sowie das Gründerehepaar Katharine und
Johannes Maute vernahmen es mit gebührendem
Stolz. Die Gäste aus Politik, Verwaltung und Wirtschaft zollten Respekt.
Wenn ein Unternehmen mit 328 Beschäftigten in die stärkste Krise nach dem Zweiten Weltkrieg hineingeht und mit 329 herauskommt –
was will man mehr. Die Schlussfolgerung, die Familien geführten Unternehmen stehen im Gegensatz zu manch einer großen Aktiengesellschaft,
ist an diesem Tag schnell gezogen. Halten Familien auch noch über Generationen zusammen,
was auch im Schwäbischen nicht immer gelingt,
ist das fast eine Rezeptur gegen manche Unbill
der Globalisierung und der Stürme im Wettbewerb. Der Ministerpräsident sieht in der 13-Millionen Euro-Investition ein grandioses Signal für
die Region Neckar-Alb und für die Belegschaft.
»Mit solchen Leistungen behauptet sich der Südwesten im Wettbewerb des 21. Jahrhunderts.«
Neues Firmenareal
Gewürdigt wird auch eine Unternehmenskultur, die die Arbeitnehmer in Entscheidungen mit
einbezieht, auch wenn der Ministerpräsident Vokabeln wie Gewerkschaft und Betriebsrat nicht
in den Mund nimmt. Ein nicht alltägliches Bekenntnis machen Alexander und Hans-Ernst
Maute mit dem Hinweis, ein ökumenischer Gottesdienst mit der Belegschaft auf dem Betriebsgelände folge in den nächsten Tagen. Anspruch
der Gesellschafter ist es, eine Personalpolitik mit
Kontinuität und gegenseitigem Respekt zu führen. Es gibt eine goldene Regel im Haus: Jeder
Mitarbeiter hat den Anspruch, binnen 48 Stunden mit Hans-Ernst Maute ein Vieraugengespräch führen zu können.
Ein Unternehmer
braucht Standpunkte
Alexander Maute, zuständig im Unternehmen
für die technische Seite, präsentiert Joma Polytec
als einen stabilen, zuverlässigen und berechenbaren Partner. Dem sichtbaren Bekenntnis zum
Standort an der Grenze der beiden Landkreise
Tübingen und Zollernalb fügt er eine Standpunkthaftigkeit der Gesellschafter hinzu. Die
immer wieder zu haben, gehöre zum Unternehmer als wichtiges Charakteristikum, formuliert er
in seiner Rede. In diesem Kontext gibt es einen
Seitenhieb für jene Unternehmensberater, die
immer schnell dem Zeitgeist folgen. Einmal wird
auf teuren Seminaren die Philosophie hin zum
Kerngeschäft empfohlen, um nur kurze Zeit später das Gegenteil, die Diversifikation, als Heilsrezept anzuraten. Gut, dass Joma Polytec nicht
jeden Trend mitgemacht hat. Mit ihren Standbeinen Kunststofftechnik für Automotiv und Medizin sowie Fensterbau ist das Unternehmen sich
treu geblieben. Kunststoffteile für die Computerindustrie hat man beispielsweise bewusst nie gefertigt. Der Ministerpräsident greift die Standhaftigkeit auf und macht das Kompliment: »Gute
Kapitäne starten gegen den Wind.«
Ministerpräsident Stefan Mappus (links) und die Geschäftsführer von Joma Polytec Dr. Hans-Ernst Maute (rechts) und Alexander Maute
Joma Polytec definiert sich heute als technologisch führender Anbieter von Kunststofflösungen
für die Autoindustrie, als Hersteller von Komponenten der Medizintechnik und Fensterrahmen.
Zu den vier Produktionsschwerpunkten zählen
Spritzgieß- und Montagetechnik, Medizinreinraumtechnik, Extrusion und hydromechanische
Pumpentechnologie. Die Geschäfte laufen besser
als erwartet. Umsätze und Ertrag wurden schon
kurz nach der Krise nach oben korrigiert. Wurden
2009 circa 54 Millionen Euro Umsatz erwirtschaftet, sollen es in diesem Jahr um die 60 Millionen Euro werden. Alexander Maute kündigte
an, künftig auch Kunststoffteile in Asien herzustellen. Die Kunden wünschten eine Produktion
vor Ort.
Mittler zwischen
Politik und Wirtschaft
Wie so oft liegt das Geheimnis des Erfolgs in
der Innovationskraft. Joma Polytec versteht sich
nicht nur als Zulieferer, sondern definiert sich klar
als Entwicklungspartner der Industrie. Im Automobilbereich gehören Daimler, Porsche, BMW,
Audi und Volkswagen zu den Kunden. Mitte der
90er-Jahre hatte Joma Polytec eine neue Ölpumpe für BMW für die Formel I entwickelt und
gebaut. Spätestens 2006 gehört das schwäbische
Unternehmen bei Vakuumpumpen zur Welt-
spitze. »Wir haben viel entwickelt. Wir haben den
Finger am Puls«, unterstreicht Alexander Maute.
Es ist das Resultat der Arbeit vieler Ingenieure.
Früchte trägt auch die Zusammenarbeit mit der
Hochschule in Reutlingen. Als ein Beispiel für eine
»bahnbrechende« Neuerung wird die Fertigung
Temperatur resistenter und Gewicht sparender
Kunststoffe angeführt. Sie werden mit Strahlenvernetzung hochveredelt. Entwickelt wurde diese
Technologie mit der Beta-Gamma-Service
GmbH & Co. KG, Europas größter Dienstleister
für Bestrahlungen. Nur angedeutet, weil angeblich noch nicht im Stadium der Präsentationsreife,
wurde ein weiteres überaus Erfolg versprechendes Engagement auf dem Gebiet der Medizintechnik. Ein Joint Venture mit einer MedizinTechnikfirma ist in Bodelshausen in Gründung.
Die Region Neckar-Alb, die auf diesem Gebiet
punkten will, freut sich.
Die Unternehmerfamilie ist ohne Frage auch
Vorbild in der Übernahme gesellschaftlicher und
sozialer Verantwortung. Zudem ist sie Ratgeber,
Impulsgeber und Mittler zwischen Politik und
Wirtschaft. So sieht es der Ministerpräsident.
Auch der US-Botschafter in Deutschland, Philip
D. Murhy, der jüngst zu Besuch war, konstatierte
Ähnliches. Zum Hintergrund gehört auch, dass
Hans-Ernst Maute Ehrensenator der Universität
Tübingen und damit natürlich Förderer ist. Eberhard Schaich, ehemaliger Rektor der Universität,
hatte vor zwei Jahren bei der Ernennung zum Eh-
Fotos: Jürgen Meyer
rensenator von ethischen Grundsätzen des Gewürdigten gesprochen – die auch im Alltag gelebt
werden. Hervorgehoben wurde auch seine Rolle
des Türöffners und Netzwerkers. Maute ist auch
seit 2005 Vizepräsident der IHK Reutlingen. Der
damalige Ministerpräsident Günther Oettinger
hatte treffend ihm aber auch noch die Botschaft
mit auf den Weg gegeben: »Die Ehre ist gut,
schwerer wiegt aber die Verpflichtung.«
Selbst entwickelt: Roboteranlage
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GEA-Wirtschaftsmagazin
GEA-Wirtschaftsmagazin
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Es muss einem wohl sein
in seiner Haut
»Wir müssen die Marke schärfen mit all
Arbeitsplätze für über
200 Näherinnen in Lautlingen
Fotos: AG
den Werten, die uns zur Verfügung
stehen«, sagt der Vorsitzende der
Geschäftsführung des Wäscheherstellers
Mey, Joachim Hahn. Qualität, Attraktivität, Innovation und Nachhaltigkeit
Joachim Hahn
Von Xaver Baumann
Ein geflügeltes Wort steht ganz am Anfang
des Gesprächs: »Es muss einem wohl sein in
seiner Haut« Joachim Hahn, Vorsitzender der
Geschäftsführung bei der Mey GmbH & Co.
KG mit Sitz im schwäbischen Albstadt-Lautlingen, tauscht aber sehr schnell und geschickt
das Wort »Haut« mit »Wäsche« – und schon
ist er mittendrin im sogenannten »Markenkern« des namhaften Herstellers von Bodywear, um den sich die Begriffe Qualität, Innovation, Attraktivität und Nachhaltigkeit drehen
wie Planeten um die Sonne.
Während in China die Textilfertigung aufgrund von Lohnsteigerungen schon nach Bangladesh auswandert, textile Billigketten in
Deutschland bei den eigenen Mitarbeitern auf
öffentlichen Druck hin die Löhne erhöhen
müssen, philosophiert der Firmenchef im Gespräch mit dem GEA-Wirtschaftsmagazin unaufgeregt über das Thema »Nachhaltigkeit«,
das immer mehr den Zeitgeist prägt und bei
nicht wenigen Konsumenten sich als ein Kriterium beim Kauf von Wäsche herausgebildet
hat. Für Mey ist das gut, nicht nur, weil die Bevölkerung ein Thema neu gewichte, sondern
weil der schwäbische Textilhersteller schon
immer die Orientierung an der Qualität praktiziert und im besten Sinne nachhaltig gewirtschaftet habe. Die Kommunikation darüber ist
wichtig, räumt er ein, weil die Nachhaltigkeit
eines Produktes, im Gegensatz zur Attraktivität, nicht sofort sichtbar sei. Aber, einmal erfahren, wisse der Kunde, woran er sei.
Qualität entsteht bei dem Wäschehersteller,
der zwischenzeitlich in der vierten Generation
in Familienbesitz ist, in den eigenen Fertigungsstätten. In Albstadt-Lautlingen, im benachbarten Bitz auf der Alb und in Dormettingen entwickeln und fertigen 420 Mitarbeiter
Tag- und Nachtwäsche für Frauen und Tagwäsche für Herren, insgesamt werden über 800
Menschen beschäftigt. Hahn ist zutiefst überzeugt: »Wir müssen das Produkt und seine
Komponenten selber machen und sehen von
Zukäufen fast komplett ab. 90 Prozent der
Stoffe fertigen wir selber. Wir werden das
Know-how auf jeden Fall behalten.« In den eigenen Betrieben in Portugal und in Ungarn
wird ein Teil der Wäsche konfektioniert. Beispielsweise wird ein Büstenhalter, der aus über
40 Teilen bestehen kann, in Ungarn komplettiert.
»Qualität kann man
nicht befehlen«
»Qualität kann man auch nicht einfach befehlen«, meint Hahn beim Rundgang durch
den sehr geordneten und durchstrukturierten
Betrieb. »Wenn jeder nur seinen Stiefel ableistet und sich morgens fragt, wann er rauskommt, wird das nichts.« In diesem Kontext
spricht er von sozialer Nachhaltigkeit im Umgang mit den Beschäftigten. Er erwähnt helle,
freundliche Arbeitsräume, flexible Arbeitszeitmodelle, auf die vor allem
Frauen Wert legen, Ergonomie
gehören zum Markenkern.
der Arbeitsplätze von 220 Näherinnen, Firmenrestaurant und Schwimmbad. Mey ist auch
im Arbeitgeberverband. Das heißt, die Bezahlung der Mitarbeiter erfolgt nach Tarif oder
mitunter auch darüber. Die Folge: Bei der Besetzung von Ausbildungsplätzen hat Mey kein
Problem. Die Fluktuation unter der Belegschaft ist sehr gering.
Immer wieder kommen Chefeinkäufer nach
Albstadt-Lautlingen. Sie schauen sich die Produktion an. Beispielsweise werden bis zu 200
verschiedene Garne – einschließlich der verschiedenen Stärken – eingesetzt. Weit über 100
Rundstrickmaschinen machen aus Garnen
Stoffe. Hahn ist beispielsweise stolz auf die
langjährigen Beziehungen zu den Lieferanten
in Peru. Auch hier zahlt sich Nachhaltigkeit für
die Firma aus: Nicht jedem Preissprung an
den Rohstoffbörsen muss er sich
beugen. Neben Baumwollgarnen werden
auch Polyamide
und Elastane verarbeitet. Bis zu
drei Garnen
werden in
der Unterwäsche
verwendet. Auch in der Verarbeitung liegt eine
Kunst: 18 bis 50 Nadeln sind bei den Strickmaschinen auf einem englischen Zoll untergebracht. »Das alles müssen sie gut komponieren«, erläutert der Vorsitzende der Geschäftsführung und macht deutlich, dass zu diesem
alles noch viel mehr kommt. In einem weiteren
Arbeitsschritt sorgen sogenannte Schrumpfkalander dafür, dass der Stoff kompaktiert
wird. Schließlich darf die Wäsche nicht schon
beim ersten Waschen massiv einlaufen. Später
kommen Stofflege- und Schneidemaschinen
zum Einsatz. Mey ist ein vollstufiger Betrieb –
bis auf das Waschen und Färben wird alles selber gemacht.
An einem großen Tisch sitzen acht Frauen
bei der Produktentwicklung für die Kollektion
Herbst 2011 –
Designerinnen, Ingenieurinnen,
Schnitttechnike-
Magdalena Neuner
rinnen und die Produktmanagerin. Entwürfe
aus Papier hängen an der Wand. Einiges wird
verworfen. Neues entsteht. Die Kreativleute
müssen das Lebensgefühl der Menschen aufnehmen. »Vielleicht haben wir in dem Punkt
in der Region nicht die besten Voraussetzungen dazu. Aber unsere Leute gehen ja auch raus
zu den Metropolen«, urteilt Hahn. Die eigene
Vorstellung sei nicht alles. Bekleidungsstile ändern sich schnell und mit einem Hinterherlaufen erfülle man die Aufgabe nicht. Aktuell sei
ein Trend zu mehr Lässigkeit. Im Dessousbereich gebe es mehr Ausschmückungen. Und
auch die Männer bewegen sich – hin zu mehr
Farbe. »Wir müssen die Marke schärfen mit all
den Werten, die uns zur Verfügung stehen.«
»Wir haben uns
gut behauptet«
Sind die Prototypen fertig, kommen sie
ins Musterlager. Von jedem Teil der Kollektion werden 80 Teile produziert. Verkaufsleiter, Handelsvertreter, bestimmte
Kunden und die Konfektionsfilialen
sind die ersten, die den Zugriff darauf
haben. Auch der Qualitätsbegriff
habe sich in den vergangenen Jahren gewandelt,
sagt Hahn. Dazu gehöre heute der
Tragekomfort,
die Stimmigkeit
der Schnitte, die
Perfektion der
Materialien. Eigenschaften wie
physische Haltbarkeit und
Langlebigkeit
genügten
heute nicht
mehr.
Was stellt der Fasermarkt zur Verfügung, was
gibt es an Stricktechnologien, sind Fragen, die
beantwortet werden müssen. Neue Stoffe ermöglichten wiederum ein neues Design. Geht
es um Nähtechnologie und Schadstoffprüfung,
wird mit Instituten zusammengearbeitet. Vom
Textilinstitut Hohenstein hat Mey für neue Serien die bekleidungsphysiologische Testnote
eins bekommen.
Mey ist ausschließlich fachhandelsorientiert.
Zirka 3 500 Kunden werden bedient. 95 Prozent der Wäsche werden in Europa verkauft.
Der aktuelle Geschäftsverlauf gestaltet sich erfreulich. Die kleine Delle beim Umsatz von
minus 3,5 Prozent in 2009 auf 65 Millionen
Euro wird bereits in diesem Jahr wieder ausgebügelt. 70 Prozent des Umsatzes wird mit Wäsche, 30 Prozent mit Dessous erwirtschaftet.
Schwarze Zahlen hat das Unternehmen auch
in starken Investitionsjahren 2008/09, – zehn
Millionen Euro wurden investiert –, geschrieben. »Wir haben uns gut behauptet«, sagt der
Vorsitzende der Geschäftsführung und unterstreicht die Leistung mit dem Hinweis, dass in
Deutschland in den Jahren 1998 bis 2008 zwar
der Absatz in Stückzahlen gleich, der Umsatz
zu Verkaufspreisen bei Damenwäsche von 1,67
Milliarden auf 1,05 Milliarden Euro. zurückgegangen sei.
Unterstützt wird der Verkauf durch ein Marketing, mit dem Mey schon viele Preise gewonnen hat. Zuletzt in 2009, als das Unternehmen als den »Best Brand Award« aufgrund
einer repräsentativen Verbraucherumfrage erhielt. Bekannte Persönlichkeiten wie Magdalena Neuner, Cosma Shiva Hagen, Uschi Obermaier, Frank Schätzing oder Pascal Hens lassen sich in einer Kampagne in Mey-Wäsche ablichten.
»Jetzt sehen Sie, warum wir mit all diesen
Werten und Zielen für uns ein Unique Selling
Proposition (USP = Alleinstellungsmerkmal)
in Anspruch nehmen«, meint der Joachim
Hahn nicht unbescheiden.
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GEA-Wirtschaftsmagazin
GEA-Wirtschaftsmagazin
Im Herz der US-Modewelt
Der Strickmaschinenhersteller Stoll eröffnete in 2008 in der US-ModeMetropole New York ein »Fashion & Technology Knitting Center«. Mitten
im geschäftigen Garment District, Manhattan, präsentiert das Reutlinger
Unternehmen eigene Kollektionen sowie die neuesten Maschinen.
Von Joachim Baier
Mitten in Manhattan, New York, schlägt das
Herz der amerikanischen Modewelt.
Der sogenannte Garment District, zwischen
der 6th und 8th Avenue sowie zwischen der 34.
und 40. Straße gelegen, gilt als Mekka für Shopping-Begeisterte. Unter anderen ist dort Macy’s,
das mit knapp 200 000 Quadratmetern weltweit
größte Kaufhaus, zu finden. Designer-Teams aller
Couleur arbeiten im District Tür an Tür: Ralph
Lauren, Calvin Klein, Tommy Hilfiger, Oscar de
la Renta, Donna Karan oder Nicole Miller, nahezu
alle wichtigen Labels sind mit ihren »Showrooms« und »Flagstores« vertreten.
Jörg Hartmann, Leiter Fashion & Technology
beim Strickmaschinenhersteller Stoll, ist regelmäßig mittendrin in Manhattans geschäftigem
Moderummel. Seit dem 1. April 2008 präsentieren die Reutlinger auf rund 700 Quadratmetern
an der 39. Straße ihre eigenen Kollektionen und
natürlich das, wofür sie eigentlich bekannt sind:
Strickmaschinen. Für Hartmann macht die Mischung aus Mode und Maschinen durchaus Sinn.
Im »Fashion & Technology Knitting Center«
sollen amerikanische Textil-Designer das Stricken
wieder lernen. Die meisten Modemacher in den
USA, so erzählt Hartmann, würden lange schon
ohne große Nähe zur eigentlichen Produktion arbeiten und hätten dadurch viel technisches Know-
how eingebüßt. Er sagt, »wir bringen die verlorene Strickkultur zurück«.
Der Garment District entwickelte sich seit dem
Ende des 19. Jahrhunderts zum produktiven und
kreativen Zentrum der amerikanischen Modein-
Stoll-Center
in Manhattan
Fotos: Stoll
dustrie. 1910 wurden laut Statistik 70 Prozent der
Frauenkleider und 40 Prozent der Männerkleider
auf dem gesamten US-Markt in der Stadt gefertigt. Aber die Blütezeit von New Yorks einst größtem Industriezweig ist lange vorbei. Im Zuge der
Globalisierung verlagerte sich die Textil-Produktion mehr und mehr nach Asien, wo die Lohnkosten deutlich niedriger waren. In vielen früheren Kleiderfabriken haben sich inzwischen andere
Branchen angesiedelt. Bürogebäude, Lokale,
Läden, Galerien und Theater dominieren das
Straßenbild. Aber noch immer ist Manhattans
Mode-Industrie eine bedeutende Branche, in der
2008 rund 45 000 Menschen beschäftigt waren.
Seit den 1990er-Jahren gibt es zudem verstärkt
kommunalpolitische Anstrengungen, den lokalen Wirtschaftszweig zu fördern und die Vitalität
des Garment Districts zu verbessern.
Das Motto:
Design to inspire
Die New Yorker Stoll-Dependance befindet
sich im Erdgeschoss eines Jugendstilgebäudes aus
den 1920er-Jahren. Durch die Schaufenster können Passanten direkt die Arbeit an den Strickmaschinen beobachten. Der Eingangsbereich mündet in einen weitläufigen Showroom, in dem eigene, allerdings unverkäufliche Kollektionen prä-
sentiert werden. Hartmann spricht gerne von
»gläserner Entwicklung«, wenn er das Konzept
des Fashion-Centers erklärt. »Design to inspire –
wir machen Design, um die Modewelt zu inspirieren«, zitiert der Chefdesigner das Leitmotto
des Strickmaschinen-Herstellers.
Die Räume werden auch für Modeschauen
und andere Veranstaltungen genutzt. Die StollTochter in Manhattan beherbergt zudem das
nach eigenen Angaben weltweit größte Strickmuster-Archiv. Die Sammlung stehe auch firmenfremden Designern für ihre Recherchen zur
Verfügung, betont Hartmann. Im Haus werden
zudem Führungen und Strick-Workshops angeboten.
Hartmann bedauert, dass etliche amerikanische
Designer während ihres Studiums keinerlei Erfahrungen mit Strickmaschinen machen würden.
Viele junge Modeschöpfer seien geradezu »ausgehungert« nach Einblicken in eine echte Produktionsumgebung, hat er beobachtet. Stoll will
dem kreativen Nachwuchs das Know-how des
Strickens wieder vermitteln und arbeitet auch eng
mit den New Yorker Hochschulen zusammen.
»Wenn Mode-Designer nicht wissen, was mit
einer Flachstrickmaschine möglich ist, wie sollen
sie dann entsprechende Muster entwickeln«, sagt
Hartmann. Er schätzt im Übrigen, dass ganz allgemein nur etwa 30 Prozent der technischen
Möglichkeiten einer Stoll-Strickmaschine überhaupt genutzt würden. »Wir wollen zeigen, was
man kreativ mit Stricken machen kann und was
dabei die Qualitätsmerkmale sind.«
Stoll hatte schon seit vielen Jahren eine Vertriebs-Tochter in den USA. Mit ausschlaggebend
für die Eröffnung des Fashion-Centers in Manhattan war die Tatsache, dass etliche der asiatischen Großkunden eigene Designer-Teams in
der amerikanischen Mode-Metropole sitzen
haben. Die chinesischen Hersteller lassen ihre
Jörg Hartmann
Kollektionen in den USA entwerfen, denn der
amerikanische Modemarkt kennt eigene Stil-,
Schnitt- und Farb-Vorlieben. »Etwa 40 Prozent
der Strickwaren aus China gehen in die USA«, erklärt Hartmann. »Es darf nicht sein, dass der Ausbildungsstand der Designer in Amerika vorgibt,
was in China gestrickt wird.«
Obama-Familie
kaufte ein
Ein guter Geschäftspartner ist auch Calvin
Klein, der auf der gegenüberliegenden Straßenseite seinen Sitz hat. Der Modemacher schickt regelmäßig seine Designer ins Haus, um auf den
Maschinen Musterideen oder Entwürfe zu testen.
Die neueste Strickmoden-Kollektion von »Calvin Klein Collection« sei komplett bei Stoll gemustert worden, ist Hartmann stolz. Und er verrät, dass sogar die Präsidentenfamilie Obama eine
Es gehört zusammen: Stoll-Flachstrickmaschinen und Stoll-Kollektionen
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der gemeinsam entwickelten Premium-Kollektionen geordert habe. »Ohne die Nähe unserer
Strickmaschinen zu den Design-Abteilungen der
großen Marken würden deren Produkte ganz anders aussehen«, glaubt Hartmann und findet,
»das ist eine perfekte Symbiose«. Das »Fashion
& Technology Center« hat weiterhin die Aufgabe, Informationen darüber zu sammeln, was aktuell am US-Modemarkt nachgefragt wird. »Alles,
was wir technologisch anbieten, was Neuheitswert schafft, raffinierte Schnittformen ermöglicht,
ist auch gut für den Absatz.«
In Shanghai betreibt der Strickmaschinenhersteller bereits seit 2003 ein Kundenzentrum. Und
auch am Standort Reutlingen sind regelmäßig internationale Delegationen großer Modelabels
oder Textilproduzenten zu Gast. Wie Hartmann
verrät, interessieren sich Designer, Einkäufer und
Produktmanager für Schulungen bei Stoll. In
Reutlingen entstehen pro Saison zwei Kollektionen pro Jahr mit je 50 bis 60 Teilen. Auch bei der
Tochter in Shanghai werden eigene Kollektionen
entworfen, die speziell auf die asiatischen Märkte
zugeschnitten sind.
Kürzlich war sogar eine Abordnung aus dem
Londoner Saint Martins College of Art and Design in Reutlingen zu Gast, eine der weltweit renommiertesten Kaderschmieden für Modeschöpfer. Mit der Hochschule kooperiert Stoll seit
Jahren. Saint Martins habe nun Interesse am Kauf
einer Strickmaschine angemeldet, erzählt Hartmann. Er ist zufrieden, wenn er weiß, dass künftige Designer-Generationen schon während des
Studiums mit Stoll-Maschinen in Berührung
kommen. »Made in Germany hat immer noch
weltweit Bedeutung«, ist der 49-jährige Chefdesigner überzeugt. Er sieht Stoll inzwischen auch
als anerkannten Marktführer in Sachen Strickmode-Kompetenz. »So bekommen wir Respekt.
Und am Ende Aufträge.«
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GEA-Wirtschaftsmagazin
GEA-Wirtschaftsmagazin
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Eine Marke wird verankert
Industrie-PCs von Spectra findet man an den
ungewöhnlichsten Orten. Beispielsweise in den
Spielsalons von Las Vegas oder auf Kreuzfahrtschiffen.
Blick in die Produktionshalle
Von Veit Müller
Was haben ein Passagier, der von einem Luxusliner mit Zuhause telefoniert, ein Besucher des
Mercedes Benz-Museums in Stuttgart, der sich
bewegte Bilder auf einem Monitor anschaut, und
ein Tourist, der sein Glück an einem Spielautomaten in Las Vegas versucht, gemeinsam? Die
Antwort: Sie stehen vor einem Computer des
Reutlinger Unternehmens Spectra Computersysteme GmbH.
Sehen können die Leute den Rechner in der
Regel nicht, er arbeitet im Hintergrund, still und
leise. Er stellt die Telefonverbindung via Satellit
her, setzt die Museumsapplikationen und den
Spielautomaten in Bewegung. »Wir fertigen keine
normalen PCs, wie sie im Büro oder zuhause verwendet werden. Wir sind zuständig für all die
Fälle, wenn Computer bestimmte Aufgaben zu
erledigen haben und wenn sie sehr robust sein
müssen«, erklärt Spectra-Geschäftsführer Harald
Lang das Aufgabengebiet seines Unternehmens.
»Wir sind eine Industrie-PC-Firma. Das ist
unsere Kernkompetenz«, erklärt Lang und liefert
Anschauungsunterricht. Beispiel Kommunikationstechnik. Hier beliefert Spectra einen weltweit
operierenden Schiffsausrüster. Diese Firma hat
eine spezielle Software entwickelt, mit der Sprachtelegramme sehr kompakt übertragen werden
können. Diese Software läuft auf der äußerst robusten Spectra PowerBox und ermöglicht so dem
Schiffspersonal wie auch den Passagieren, wesentlich kostengünstiger telefonieren (voice over
IP) zu können als mit der herkömmlichen Satellitentelefonie. Diese Boxen, die jeweils bis zu 32
Telefonleitungen bedienen, werden auch im zivilen Bereich von Militärschiffen installiert. Lang:
»Wir liefern unseren Auftraggebern derzeit 150
solcher Boxen im Monat. Wobei die Stückzahlen
eher steigend sind.« So benötigt allein ein Kreuzfahrtschiff rund 250 Boxen.
Beispiel Automobilproduktion. Spectra lieferte
in der Vergangenheit in alle Fertigungslinien eines
großen Automobilherstellers Computer mit
Touchscreen – zur Steuerung der Kuka-Roboter,
die Scheiben in Fahrzeuge einkleben oder die Isolierstoffe in Autotüren einbringen. Den Namen
des Unternehmens will er nicht nennen – das ist
Kundenwunsch.
Beispiel Kino, Flughafen und Praxen. Spectra
stattete 200 Kinos in der Schweiz mit PCs aus, die
in der Lobby Kinoplakate anzeigen oder Trailer
der Filme laufen lassen. Im Flughafen in Münster-Osnabrück laufen die Anzeigeterminals mit
Spectra-Rechnern. Auch im Wartezimmer-TV
für Ärzte ist Spectra vertreten. In den Praxen laufen auf Bildschirmen Filme und spezielle Informationen ab, die von Spectra-Rechnern eingespeist werden.
Marktanteil von
zehn Prozent erreicht
Der große Vorteil von Spectra ist, dass das
Unternehmen die PCs auftragsbezogen auch in
kleiner Stückzahl fertigen kann. Dabei ist der Industrie-Computer-Hersteller, wie die Beispiele
zeigen, so breit aufgestellt, dass er nicht vom Kon-
junkturverlauf einzelner Branchen abhängig ist.
Inzwischen hat der Computerspezialist deutschlandweit einen Marktanteil von zehn Prozent erreicht. »Wir sind in nahezu allen Branchen vertreten«, sagt Lang. Mit Erfolg hat das mittelständige Unternehmen seine spezielle Nische entdeckt. »Unsere Stückzahlen liegen zwischen 1
und 1 000. Das ist die große Chance für unser
Wachstum«, beschreibt Lang die Position von
Spectra, denn bei solchen Stückzahlen »lohnt es
sicht nicht nach Fernost zu gehen«. Spectra bleibt
im Land und setzt auf Qualität.
Das Unternehmen, das 2008 von Echterdingen ins Gewerbegebiet Reutlingen-Nord umgezogen ist, hat heute 70 Mitarbeiter. Dazu kommen noch sechs Beschäftigte in der Schweiz
(Egg) und drei weitere in Österreich (Wels). Im
neuen Stammhaus in Reutlingen sitzt zudem
noch die Tochterfirma ICP Deutschland GmbH
(mit sechs Mitarbeitern), die sehr erfolgreich
Computerkomponenten verkauft. Lang: »Die
Firma ist eigenständig, wir nutzen aber gemeinsam die gleichen Ressourcen.«
Der Umsatz von Spectra lag 2008 bei 16,8 Millionen Euro. Nach dem kleinen Zwischentief von
2009, verursacht durch die weltweite Finanzkrise,
rechnet Lang für 2010 mit einem Umsatz von 18
Millionen Euro, »wir liegen jetzt bereits bei 40
Prozent über dem Vorjahr«.
Das ist aber noch lange nicht das Ende der
Fahnenstange. Die Zeichen stehen auf Expansion.
In den kommenden Jahren will Spectra die 30Millionen-Euro-Marke beim Umsatz knacken.
Dabei soll auch die Schaffung einer eigenen
Marke mit neuem Schriftzug und Logo helfen.
Entdecken kann man dies bereits im Fernsehen.
Spectra ist ins Sponsoring eingetreten und unterstützt den Bundesligisten VfB Stuttgart. Schriftzug und Logo erscheinen so bei TV-Übertragungen im Hintergrund auf der LED-Bande. Mit
Schicht etablieren. Fünf offene Stellen gibt es bereits, aber laut Lang ist es schwer, Leute mit technischen Sachverstand und Organisationstalent zu
finden, die zudem gerne persönliche Verantwortung übernehmen. Dem Unternehmen blieb deshalb teilweise nichts anderes übrig, als für manche
Positionen Quereinsteiger einzustellen, die betriebsintern weitergebildet werden.
Mittelständler sind
oft standfester
Auf dem Arbeitsmarkt »tun sich die meisten
Mittelständler mit dem Nachwuchs noch schwerer als die Großindustrie, weil diese sehr häufig
mit allerlei Vorteilen und mit angeblicher Sicherheit des Arbeitsplatzes lockt, dabei ihren »Brand
Name« erfolgreich einsetzt und die Mittelständler sozusagen der Chancen beraubt«, meint Lang.
bar weitergehen. In den kommenden Jahren soll
das Firmengebäude in Reutlingen und das Gelände mit einer Investitionssumme von mehreren
Millionen Euro erweitert werden. »Wir wollen
unsere Marke, die wir schon sind, noch fester in
der breiten Öffentlichkeit verankern.«
Schon frühzeitig hat Lang, Jahrgang 1946, seine
Nachfolge geregelt. Er will nach eigener Aussage
noch drei bis fünf Jahre in der Firma bleiben, dann
sollen Prokurist Jürgen Rauscher wie auch seine
Tochter Claudia Lang die Firma übernehmen.
Lang selbst ist in Schwäbisch Hall geboren. Mit
fünf zog er mit seiner Familie unter die Achalm,
weshalb er sich, wie er sagt, auch als Reutlinger
fühlt. Den Spectra-Umzug von Echterdingen ins
Kirchentellinsfurter Industriegebiet ganz in der
Nähe der Manz Automation AG bezeichnet er
daher auch als »back to the roots«. Lang studierte
an der Uni Stuttgart Luft- und Raumfahrttechnik.
Damals, als er das Studium als Diplom-Ingenieur
Harald Lang und Jürgen Rauscher (von rechts)
Handfertigung bei Spectra
Aktionen wie diesen will Spectra den Bekanntheitsgrad steigern. Rund 500 000 bis 600 000
Euro gibt das Unternehmen jedes Jahr für Marketing aus.
Bei der geplanten Expansion gibt es allerdings
einen »Wachstumshemmer«, wie Lang es nennt.
Das ist der Personalmangel. »Wir suchen seit
einem Jahr einen stellvertretenden Produktionsleiter«, berichtet Lang. Aber der Markt ist leer.
Auch möchte Spectra in Zukunft eine zweite
Kleine Serie – viele Varianten
Was dabei aber häufig vergessen werde, sei die
Tatsache, dass die Mittelständler, wenn es darum
gehe, Krisen durchzustehen, viel standfester seien.
Die Großen setzten in solchen Situationen dann
mal kurz Leute frei oder schickten sie in den Vorruhestand. Lang: »Sie werden dabei noch staatlich unterstützt, während der Mittelständler von
diesen Hilfen gar nichts sieht.«
Davon abgesehen, wird die Erfolgsgeschichte
von Spectra auch nach außen hin deutlich sicht-
Fotos: Gerlinde Trinkhaus
abschloss, gab es in diesem Bereich in Deutschland noch wenig Jobs. Deshalb stieg er in die industrielle Computer- und Messtechnik ein. Von
der staatlichen Material- und Prüfungsanstalt in
Stuttgart wechselte er schließlich zur Deutschlandvertretung einer englischen Firma für Messtechnikprodukte mit integriertem Rechner. Im
Jahr 1982 machte er sich dann selbstständig und
gründete die Spectra Computersysteme GmbH.
Eine Entscheidung, die sich gelohnt hat.
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GEA-Wirtschaftsmagazin
GEA-Wirtschaftsmagazin
Umsetzung neuer Ideen sein. Mit ihr wollen wir
eine stärkere Internationalisierung erreichen. Da
gibt es noch Schwächen. Einzelne Projekte haben
wir schon gefahren, die ganz gut ankamen. Hier
werden wir mehr tun. Wir wünschen uns mehr
Kooperationen mit Partnern.
Gibt es eine eigene Gesellschaft?
Engelhard: Der Betrieb hat einen eigenen Geschäftsführer. Der soll unter anderem entsprechende Arbeitskreise etablieren. Es ist kein Geheimnis, dass es etwas Entsprechendes in der Region Rhone-Alpes in Frankreich gibt. Wir sind ja
in das Vier-Regionen-Projekt der Landesregierung gut eingebunden. Dort hat man gute Erfahrungen gemacht.
Wer macht denn alles technische
Textilien in der Region?
Engelhard: Das lässt sich genau nicht sagen, weil
Foto: Trinkhaus
Interview: Dr. Stefan
Engelhard, Leiter Innovation und Umwelt bei der
IHK Reutlingen, begründet
den Antrag für den Clusterwettbewerb des Landes
Cluster Technische
Textilien Neckar-Alb
Artecs GmbH
»Wir können in Europa Zentrum
für technische Textilien werden«
Die Region Neckar-Alb ist im textilen Sektor
europaweit eine beachtliche Größe. Bei der Fertigung von Wäsche sogar die Nummer eins in
Deutschland. Seit einigen Jahren erobern technische Textilien den Markt. Viele Unternehmen
schaffen zwischenzeitlich hier eine beachtliche
Wertschöpfung. Mit dem Status quo können sich
die Teilnehmer natürlich nie zufrieden geben.
Aus diesem Grund beteiligt sich die IHK Reutlingen am Clusterwettbewerb der Landesregierung. Ein Ergebnis steht schon fest: die IHK Reutlingen ist dabei, 200 000 Euro Fördergelder sind
möglich. Ziel ist die Einrichtung einer Innovationsagentur. Mit Dr. Stefan Engelhard, Leiter »Innovation und Umwelt« bei der IHK Reutlingen,
sprach Franz Pfluger.
Die IHK hat sich mit Erfolg am
Landeswettbewerb zur Stärkung der
regionalen Cluster beworben. Mit
was gehen Sie da rein?
Engelhard: Wenn man den Standort NeckarAlb betrachtet, und wenn wir schauen, mit was
wir uns abgrenzen vom nördlichen Partner, dann
kommt man sehr schnell auf Biotechnologie, Medizintechnik und vor allem auf Textil. Da hat die
Region eine ganz große Stärke. Mit dieser Zu-
kunftsfähigkeit können wir uns klar profilieren.
Dass wir stark im Maschinenbau und bei der
Elektronik, Werkzeugbau und Automotive sind,
lassen wir hier mal beiseite.
»Wir wollen mit der
Innovationsagentur neue
Märkte erschließen«
Warum machen Sie denn die starke
regionale Abgrenzung zu Stuttgart?
Engelhard: Wir dürfen doch schauen, wo unsere Stärken liegen. Im textilen Bereich sind wir
besser aufgestellt als die Region Stuttgart. Im Wäschebereich haben wir 60 Prozent der Herstellung in Deutschland. Da gibt es Benchmarks, wo
die anderen schlicht nicht mithalten können.
Nehmen Sie nur das Outlet in Metzingen – das
ist das Outlet-City schlechthin. Und - Hugo Boss,
Trigema, Camazo, Marc Cain haben Vertriebskonzepte vorgelegt, die beispielhaft sind und
nachgeahmt werden.
Was stand denn bei Ihrem Antrag im
Vordergrund?
Engelhard: Zwei Ansätze gibt es. Einmal die
technischen Textilen – die machen beim textilen
Umsatz in Deutschland bereits 45 Prozent aus.
Wir in der Region liegen etwas darunter, weil wir
noch eine hervorragende Bekleidungsindustrie
haben. Die technischen Textilien sind deshalb so
interessant, weil sie in viele andere Bereiche hinwirken. Sie bilden quasi eine Querschnittstechnologie. Andere Branchen werden durch ihre
Anwendung wettbewerbsfähiger. Wir haben diesbezüglich einen hohen Anspruch. Ich behaupte,
wir können das Zentrum für technische Textilien
in Europa werden. Wir werden das nicht im
jedem Segment erreichen. Aber in bestimmten
Bereichen ist das machbar.
Wer setzt das um, die IHK, die
Standortagentur ReutlingenTübingen-Zollernalb?
Engelhard: Wir wollen eine so genannte Innovationsagentur etablieren. Sie soll helfen, neue
Märkte für technische Textilien zu erschließen.
Die Agentur bietet eine Menge an Dienstleistungen an, die Organisation von Veranstaltungen,
Presseaussendungen, Weiterbildung, Vermittlung von Förderprogrammen und Kontaktvermittlung, um nur das Wesentliche zu benennen.
Sie wird eine Plattform für die Generierung und
Buck GmbH & Co. KG
Carl Meiser GmbH & Co. KG CHT. R.
viele Betriebe auf mehreren Standbeinen stehen.
Aber – circa 35 Betriebe sagen von sich, dass sie
von Haus aus technische Textiler sind. Andere
definieren sich anders, auch wenn sie stricken,
weben, spinnen, um die Funktionen aus der Textilbranche zu benennen. Zirka 100 Unternehmen
dürfen es insgesamt sein, die textile Technologien einsetzen. Sie alle unterstützen den Projektantrag. Für die Anlauffinanzierung habe ich
zwischenzeitlich 30 Partner. Wenn wir die Förderung vom Land in Höhe von 200 000 Euro erhalten würden, könnten wir loslegen. Die
unterschiedlichsten Projekte selbst brauchen
dann aber noch ihre separate Finanzierung.
Nennen Sie doch mal einige
Unternehmen!
Engelhard: Auch auf die Gefahr hin, dass ich
jetzt einige vergesse: Mattes + Ammann, Fuchshuber Techno-Tex, Eschler Textil, Faiss-Textil,
Jotec mit Medizinapplikationen in Kooperation
mit Tetec, Filterhersteller Küfner, Villforth, DigelStricktechnik, Seiz, Groz-Beckert, Rökona, Textilchemie Dr. Petri um nur einige zu nennen. Da
sind doch Schmuckstücke darunter. Sie alle sind
in einem der drei Hauptbereiche tätig: Schutztextilien, Medizintextilien und Automobiltextilien.
Beitlich GmbH
Coats Thread Germany GmbH
Erbe Elektromedizin GmbH
Paten für neue
Märkte und Produkte
Eschler Textil GmbH
Fachvereinigung Wirkerei-Strickerei
Albstadt e.V. Faiss-Textil GmbH
FONG'S Europe GmbH Fuchshuber
TECHNO-TEX GmbH
Gebr. Conzelmann GmbH & Co. KG
LISA TEX GmbH Groz-Beckert KG
H. Stoll GmbH & Co. KG
Hochschule Albstadt-Sigmaringen
IHK-Netzwerk Automotive
J. C. Kauffmann Sohn KG JAXIDA Cover
Lederinstitut Gerberschule Reutlingen
Memminger-Iro GmbH
NMI - Naturwissenschaftliches und
Medizinisches Institut an der Universität Tübingen
Reutlinger Research Institute
rökona Textilwerk GmbH
Ohne die Einbeziehung von Wissenschaft und Forschung gewinnt man
heutzutage doch keinen Wettbewerb
mehr?
Engelhard: Richtig ist – wir brauchen auch eine
starke Integration über Hochschulprojekte. Zunächst gehen wir natürlich vom Bedarf der Unternehmen aus – ich denke, das ist ganz normal.
Mit wem am Ende die Betriebe zusammenarbeiten, ob mit dem Spitzeninstitut Textil- und Verfahrensinstitut in Denkendorf, mit dem Institut
in Hohenstein, den Fachhochschulen Reutlingen
und Albstadt-Sigmaringen, dem Naturwissenschaftlichen Medizinischen Institut (NMI) in
Reutlingen oder mit Forschungsinstituten in der
Schweiz oder in den USA, spielt am Ende für uns
keine Rolle. Es gibt natürlich einige Projekte in
der Region, über die ich aber im Interesse der Betriebe nichts sagen darf.
Roma Strickstoff-Fabrik
Sebastian Wochner GmbH & Co. KG
SOMA GmbH & Co. KG Stadt Albstadt
Tajima GmbH
Textildruck Heinrich Mayer GmbH
Traugott Baumann KG tvb GmbH
Weber & Heusser GmbH & Co. KG
Es gab bei dem Antrag noch eine
zweite Schiene?
Engelhard: Wir haben sogenannte Paten für
neue Märkte und neue Produkte gesucht. Wir
haben Arbeitskreise gebildet. Die haben sich beispielsweise mit Abstandsgestricke und Abstandsgewirke beschäftigt. Es gibt einen Arbeitskreis
filigrane Bauwerke und neue Baumaterialien.
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Oder – Wäsche mit Wirkstoffen für Patienten ist
ein anderes Projekt. Wer beispielsweise Neurodermitis hat, könnte künftig eine bestimmte
Funktionswäsche tragen. Da gibt es viele Fragen
und für die Antworten brauchen wir natürlich
viele Partner, nicht zuletzt einen aus der Zulassungsbehörde im Gesundheitswesen. Ein Pate
managt das jeweilige Projekt.
Die IHK Reutlingen hat auch die
Zuständigkeit für Enterprise Europe
Network?
Engelhard: Das ist ein Zusammenschluss von
400 Partnern in Europa. Es geht auch hier um
eine Vernetzung über die verschiedenen Technologien. Wir wollen Partnerschaften über die
Grenzen hinweg aufbauen. Die IHK erhält hier
Gelder aus Brüssel. Ich bin hier Ansprechpartner.
Auch hier kann ich mit exzellenten Beispielen aufwarten. Das Unternehmen Albnano aus Burladingen baut die kleinste Heizung der Welt. Angeblich hat sich Seat schon dafür interessiert. Ein
anderes Beispiel kommt aus den Backstuben.
Damit frisch gebackene Brötchen auf dem Blech
nicht kleben, wird derzeit immer noch Mehl gestreut. Ein Abstandsgewirke, das beschichtet ist,
erfüllt diese Funktion deutlich besser. Man muss
den Mehlstaub nicht einatmen. Bei dem Projekt
gibt es auch Kontakte mit einem französischen
Unternehmen.
Netzwerke oder Cluster sind ja nichts
Neues in der Region. Die gibt es doch
bisher schon.
Engelhard: Selbstverständlich. Wir haben in der
Region Neckar-Alb zirka 70 Textilbetriebe (über
20 Mitarbeiter) mit fast zehntausend Beschäftigten. Aber, zu einem Cluster gehören natürlich
auch beispielsweise die Hersteller von Textilmaschinen, Zulieferer wie Groz-Beckert oder der
Hersteller von chemischen Hilfsmitteln CHT
Beitlich. Es gibt sogar Logistikunternehmen, die
sich auf die Textilindustrie spezialisiert haben. Es
geht also nicht nur um die Zusammenarbeit auf
einer horizontalen Branchenebene, sondern auch
um die bessere Vernetzung auf vertikaler Ebene.
Nehme ich das alles zusammen ist der Cluster
Textil mit 220 Betrieben und 15 000 Mitarbeitern einer der wichtigsten Sektoren in unserer Region.
Hätten Sie das Projekt auch ohne
eine Förderung durch die Landesregierung und EU durchgezogen?
Engelhard: Wir freuen uns sehr, dass wir dieses
Mal bei den Siegern sind.. Aber – ich muss zugeben: einen Plan B hatten wir nicht. Die älteste Industrie der Welt hat mit der Region Neckar-Alb
einen guten und verlässlichen Standort, In dieser
Meinung fühlen wir uns bestätigt. Das Land
Baden-Württemberg kann sich mit einem textilen Cluster gut schmücken.
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GEA-Wirtschaftsmagazin
GEA-Wirtschaftsmagazin
Das Herz schlägt
in Bodelshausen
Der Wäschespezialist Speidel stärkt sein
Stammwerk und baut auf starke Tochtergesellschaften im Ausland. Erfolg hat das
Unternehmen mit zeitlosen »Basics«, mit
Trendkollektionen und einer Premiummarke.
Von Christoph Ströhle
Das geschieht auch nicht alle Tage und ist deswegen auch
bemerkenswert: Die Speidel GmbH in Bodelshausen,
namhafter Produzent von Damenunterwäsche, hat in
den vergangenen Jahren Millionen Euro ins schwäbische Stammwerk investiert und sogar einen Teil
der Zuschneiderei aus Ungarn hierher zurückgeholt. Produktionsprozesse wurden dabei optimiert,
die Leistungsfähigkeit erhöht. Bei der CAD-gestützten Erstellung von Schnittlagenbildern wird
nun weniger Stoff benötigt – der voll automatisierte
Zuschnitt erlaubt exakteste Schnittführungen, erläutern im Gespräch mit dem GEA-Wirtschaftsmagazin Geschäftsführer Günter Speidel und Gisela Geißler. In der Abteilung Zuschneiderei, die wieder komplett
hier arbeitet, sind 20 Menschen beschäftigt.
In der hauseigenen Musternäherei werden seit September
wieder Modenäherinnen ausgebildet. Die Stoffe für die gesamte
Produktion werden zu hundert Prozent im 2009 erweiterten
Bodelshausener Werk gestrickt. So gesehen muss einem um
den Standort Deutschland nicht bange werden.
Neue Modethemen
acht Mal im Jahr
In Bodelshausen schlage das Herz des Unternehmens, betont
Günter Speidel. Hier entwickeln Material- und Design-Spezialisten
die neuen Stoffqualitäten und Kollektionen. Hier sind außerdem das
Fertigwarenlager, die Logistik, die Verwaltung und der 2007 neu eröffnete Fabrikverkauf angesiedelt. Unternehmer Günter Speidel
legt Wert auf eine hohe Wertschöpfung, will, wie er sagt, »so viel
wie möglich im Unternehmen selber machen«. Die Wäsche
wird daher ausschließlich von hundertprozentigen Tochtergesellschaften in Ungarn und Rumänien konfektioniert. »Es
bringt nur Vorteile, wenn man das selbst in die Hand
nimmt«, sagt er. »Zwar ist der Aufwand größer, doch sichern
wir uns den direkten Zugriff auf die Technik, die Termine
und die Qualität. So können wir flexibler auf den Markt reagieren.«
60 000 bis 65 000 Wäscheteile konfektionieren die Speidel
Hungária in Szombathely (die ungarische Tochter wurde 1989
eingerichtet) und die Speidel Romania in Focsani (das Werk in Rumänien
besteht seit zehn Jahren) täglich. Schwerpunkt sind die sogenannten »Basics«, Lingerie-Produkte, die ganzjährig sofort ab Lager lieferbar sind. Seit
2008 werden diese zum Teil aus zertifizierter Bio-Baumwolle hergestellt. Darüber hinaus bietet Speidel acht Mal jährlich neue Modethemen und ist seit
drei Jahren mit der Premiumkollektion »Sylvia Speidel – Lingerie Pure« erfolgreich am Markt.
Diese Wäscheartikel sind exklusiv im Fachhandel und in Wäsche-Fachabteilungen erhältlich. »Für mich und mein Team ist jede Kollektion eine
neue Herausforderung mit dem Ziel, aktuelle modische Trends mit höchstem Tragekomfort und Funktionalität zu entwickeln, und das zu einem guten
Preis«, sagt Sylvia Speidel. Die Ehefrau des Geschäftsführers gibt als Chefdesignerin seit 1980 die kreative Linie vor und will mit Blick auf ihre Kundinnen vor allem eines: Wohlgefühl vermitteln.
So entstand jüngst die Produktlinie »in shape«, die das Unternehmen im
November auf den Markt bringt. Nachdem Anfang des Jahres die Idee geboren war, dauerte es nur drei bis vier Monate, bis Stoffe entwickelt, Modelle
entworfen und produktionsreif ausgearbeitet, sowie das Marketingkonzept
erstellt waren. »Die Serie wird gut ankommen«, ist sich Günter Speidel sicher und verweist auf den Shaping-Effekt der leicht modellierenden Wäsche.
»So etwas gab es bisher nur in festeren Qualitäten, im Miederbereich. Bei
der Wäsche ist das etwas vollkommen Neues«, sagt er.
Factory-Outlet in Bodelshausen
Wir bleiben auf
Wachstumskurs
Die Resonanz bei einschlägigen Messen, ob in Berlin oder Paris, war beachtlich, etliche der 1300 Handelskunden haben die neuen Produkte bereits
bestellt. Nachdem der Fachhandel in den vergangenen Jahren stetig geschrumpft ist, sind Handelskonzerne wie Kaufhof oder Karstadt, aber auch
der Versandhandel heute wichtige Abnehmer. Zwanzig Prozent der Ware
gehen in den Export, überwiegend in Nachbarländer, aber auch nach Russland, Finnland, Malta oder Italien. Über die Hälfte des Absatzes machen die
Basics aus, die Trendkollektionen kommen auf dreißig bis vierzig Prozent
Anteil, Mieder auf rund zehn Prozent.
Das 1952 von Hans und Rosa Speidel gegründete Unternehmen hat
zudem auch die Finanz- und Wirtschaftskrise trotz allgemeiner Konsumflaute gar nicht zu spüren bekommen. Und auch beim Blick zurück in die Vergangenheit, als eine textile Strukturkrise der anderen folgte, bleibt das Urteil
ausgesprochen positiv. Den Strukturwandel in der Branche in den 1970erJahren hat die Speidel GmbH gut überstanden – nicht zuletzt, weil sie sich
auf die Herstellung von Damenunterwäsche im mittleren Preissegment spezialisierte.
Mit 37 Millionen Euro Jahresumsatz erwirtschaftete das Unternehmen
2009 sogar ein leichtes Plus von drei Prozent und einen ordentlichen Überschuss. »So wie sich der Markt derzeit darstellt, werden wir auch in Zukunft
unseren Bestand haben«, meint Geschäftsführer Günter Speidel, der den Betrieb gemeinsam mit seinen Geschwistern Hans-Jürgen Speidel und Gisela
Geißler seit 1990 in zweiter Generation führt. Ohne Einschränkung bekennt
er sich zum Produktionsstandort Bodelshausen. Insgesamt zählt das Familienunternehmen heute über 700 Beschäftigte, davon 170 im Ort.
Mit den Zahlen in diesem Jahr ist der Firmenchef zufrieden. »Wir bleiben
auf Wachstumskurs«, erklärt Günter Speidel, wobei er ein stetiges, nachhaltiges Wachstum meint. Das Ergebnis unterm Strich müsse stimmen – »und
dass wir insgesamt stabil dastehen«. Studien der GfK attestieren dem Unternehmen seit Jahren steigende Marktanteile. Mit dem Aufbau und der Platzierung weiterer Basic-Serien bei wichtigen Abnehmern will das Unternehmen auch künftig für eine gut ausgelastete Produktion sorgen. Die innovative Entwicklung neuer Stoffe soll die Produkte im Wäschemarkt weiter festigen. »Wichtigster Faktor bleibt dabei unser Anspruch an Design und Qualität«, sagt Günter Speidel.
Neue Produktlinie »in Shape«
Fotos: Speidel
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GEA-Wirtschaftsmagazin
GEA-Wirtschaftsmagazin
Konsequent nachhaltig
»Wir setzen in jedem Punkt kompromisslos auf Ökologie und Qualität«,
sagt Geschäftsführer Stelzer, »das reicht von den Zutaten, die wir verwenden,
bis zum Etikett und Nähgarn«. Aber auch soziale Aspekte zählen: faire Löhne,
Gesundheitsvorsorge, Unfallschutz-Richtlinien – Kinderarbeit ist völlig ausgeschlossen. Das ist nur möglich, wenn der Weg der Ware vom Baumwollfeld bis zur Konfektion transparent und nachvollziehbar bleibt. Die Textilfertigung sei inzwischen sehr undurchsichtig, »da gibt es Licht und Schatten
nebeneinander«, bedauert der Geschäftsführer. Er unterstreicht, »uns ist es
wichtig, dass wir sauber arbeiten, und da muss man beim Rohstoff anfangen«.
Elmer & Zweifel bezieht Bio-Baumwolle ausschließlich aus Ländern, die
besonders hohe Standards einhalten. Indien, Syrien oder die Türkei sind aus
der Lieferantenkartei gestrichen, weil sie den Anforderungen nicht gerecht
wurden. Seit 2005 kaufen die Bempflinger ihre Bio-Baumwolle in Kirgistan.
Der Kontakt kam durch die Kooperation mit der schweizerischen Nichtregierungs-Organisation »Helvetas« zustande, die das Öko-Projekt in dem
zentralasiatischen Land initiierte. »Wir kaufen den Bauern dort praktisch ihre
gesamte Produktion ab – das waren allein im vergangenen Jahr rund 85 Tonnen«, betont der Geschäftsführer.
Die Baumwollspinnerei und Weberei
Elmer & Zweifel hat sich auf Bio-Textilien
spezialisiert. Der Rohstoff kommt zum
Großteil aus Kirgistan, wo vor fünf Jahren
ein Projekt für den Anbau von Bio-Baumwolle startete.
Von Joachim Baier
Rückgriff auf
155-jähriges Wissen
Eines der höchstgelegenen Baumwoll-Anbaugebiete der Erde liegt im Dreiländereck zwischen Kirgistan, Usbekistan und Tadschikistan. Im relativ milden Klima des Ferghana-Tals wird seit Jahrtausenden intensiv Landwirtschaft
betrieben. Der Fluss Syrdarja macht die weite Ebene fruchtbar. Im Jahr 1995
startete im kirgisischen Teil des Tals ein ökologisches Landwirtschaftsprojekt, dem sich mittlerweile mehr als 650 Bauern angeschlossen haben. Sie produzieren Bio-Baumwolle nach zertifizierten Standards, in diesem Jahr rund
150 Tonnen. Die Ware geht fast ausschließlich nach Bempflingen, importiert
von der Baumwollspinnerei und Weberei Elmer & Zweifel. Das Traditionsunternehmen setzt seit 15 Jahren auf ökologisch nachhaltige Textilproduktion.
Verbraucher setzen
auf Öko-Prädikate
Immer mehr Verbraucher verlangen Textilien, die frei von chemischen Zusätzen hergestellt sind. Und auch der Bedarf an Rohstoffen mit Öko-Prädikat steigt. Bio-Baumwolle erlebt seit einigen Jahren einen Boom: Zu Beginn
der 1990er-Jahre wurden weltweit etwa 2 000 Tonnen jährlich produziert.
Zehn Jahre später waren es knapp 7 000 Tonnen. Nach Schätzung der USOrganisation »Organic Excange« (OE) lag die Gesamtproduktion im vergangenen Jahr bereits bei über 175 000 Tonnen. Der Handel habe in 2009
weltweit 4,3 Milliarden US-Dollar mit Textilien aus Bio-Baumwolle umgesetzt, informiert die OE. Die Experten glauben, dass der Markt für den textilen Rohstoff in den kommenden Jahren zwischen 20 und 40 Prozent wächst.
Die Firma Elmer & Zweifel setzt seit 1995 auf die Verarbeitung von BioBaumwolle. Zunächst wurden Bettwäsche, Handtücher oder Babypflege-Artikel hergestellt. »Wir wollten erst einmal Erfahrungen sammeln, um später
richtig ins Geschäft zu kommen«, erläutert Geschäftsführer Roland Stelzer.
Nach der Testphase kam 2003 die erste eigene Kollektion »Cotonea« auf
den Markt, die inzwischen ein Viertel des Gesamtumsatzes abdeckt. Die Textilien sind zu 100 Prozent aus Bio-Baumwolle hergestellt und zum Großteil
mit dem »Best«-Zertifikat des Internationalen Verbandes der Naturtextilwirtschaft (IVN) ausgezeichnet. »Das sind die strengsten Richtlinien weltweit«, betont Stelzer.
»Die Bio-Baumwolle ist ein knappes Gut«, stellt Johannes Brenner fest,
Vertriebsleiter bei Elmer & Zweifel. Das Unternehmen verbindet mit dem
Engagement für Bio-Textilien auch ein konsequentes Nachhaltigkeits-Konzept. Für Brenner, der aus Bio-Baumwolle niemals einen Wegwerfartikel herstellen würde, setzt Nachhaltigkeit eine hohe Qualität voraus, damit die Produkte eine möglichst lange Lebensdauer haben.
Roland Stelzer
Elmer & Zweifel verarbeitet zwischen 200 und 250 Tonnen Bio-Baumwolle pro Jahr, rund 55 Prozent des Umsatzes werden mit ökologischen Textilien erwirtschaftet. Das Unternehmen ist international aufgestellt, der Exportanteil liegt bei 20 Prozent. Überwiegend wird aber nach Deutschland
sowie in europäische Länder geliefert. Zum Spektrum gehören neben BioTextilien auch Erzeugnisse für die industrielle Anwendung, beispielsweise
Gewebe für Poliertücher oder textile Trägerschichten für Klebebänder. Weiterhin produziert das Unternehmen Textilien für die Medizin, etwa Gaze für
Kompressen und Tupfer, außerdem Windeln oder Bettunterlagen für den
Pflegebereich sowie Säcke, Schnüre oder Rebgaze für Landwirtschaft und
Gemüsebau.
An dem Öko-Projekt in Kirgistan beteiligen sich mittlerweile mehr als 650
Bauern. Ihre Zahl nehme ständig zu, ist Stelzer zufrieden. In diesem Jahr sollen bereits 150 Tonnen Bio-Baumwolle produziert werden. 2007 besuchte
der Geschäftsführer erstmals die Region, um mehr über die Bedingungen vor
Ort zu erfahren. Er sprach mit rund 60 Landwirten und empfand die Menschen als sehr herzlich, neugierig und offen. »Die Bauern haben in aller Regel
relativ kleine Höfe, im Schnitt kaum ein Hektar groß«, schildert der Textilunternehmer die Verhältnisse.
Elmer & Zweifel blickt auf 155-jähriges Wissen in der Baumwoll-Verarbeitung zurück. Die Bauern in Kirgistan sollen von dem Know-how der
Bempflinger profitieren und dadurch ihre Anbau- und Erntemethoden kontinuierlich verbessern. Allerdings hat Stelzer die Behörden in Kirgistan als ausgesprochen schwerfällig erlebt. Es sei nicht einfach, die bürokratischen Hürden etwa beim Export zu überwinden. Und er bedauert, »die Startvoraussetzungen für die Menschen sind dort einfach schwierig«. Dennoch hält der
Unternehmer am Projekt fest – solange die Qualität der Bio-Baumwolle
stimmt. Die Zusammenarbeit soll den Landwirten auch Mut machen und
Perspektiven eröffnen.
Elmer & Zweifel wurde im Jahr 1855 gegründet. Von Beginn an stand die
Baumwollspinnerei und Weberei für eine soziale und nachhaltige Wirtschaftsweise. In dieser Tradition sieht sich der jetzige Firmenchef Roland Stelzer, der ein Nachkomme der Familie Elmer ist. Gelebtes ökologisches Bewusstsein drückt sich auch am Standort Bempflingen aus, wo Energie mit
Wasserkraftwerk und Solaranlage erzeugt wird. Das Firmengelände, das ein
Wasserturm aus dem Jahr 1907 schmückt, ist in den vergangenen 50 Jahren
zum Biotop gewachsen: Naturbelassene Streuobstwiesen. Feuchtgebiete für
Frösche und Reptilien. Mittendrin ein schönes Factory-Outlet, in dem der
Endkunde Biotextilien unter der Marke »Vivena« kaufen kann.
Wasserturm auf dem Firmengelände
Baumwollpflückerinnen in Kirgistan
Factory-Outlet in Bempflingen
Fotos: Gerlinde Trinkhaus/AG
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GEA-Wirtschaftsmagazin
GEA-Wirtschaftsmagazin
Systemhaus für Sonnenkraft
auch in Deutschland noch einen höheren Marktanteil holen können«, sagt Günter Haug. Dieser
Anteil liegt derzeit bei ein bis zwei Prozent. Der
Aufbau eines Vertriebsbüros in Nordostdeutschland soll für mehr Präsenz in der Fläche sorgen.
Bislang ist das Unternehmen vor allem in Süddeutschland und in Nordrhein-Westfalen stark.
Die Exportquote ins benachbarte Ausland liegt
bei zehn Prozent.
Mit jährlichen Wachstumsraten von 30 bis 80 Prozent
hat die MHH Solartechnik GmbH ihren Umsatz zuletzt
kontinuierlich nach oben geschraubt. Der Tübinger
Politik unterschätzt
erneuerbare Energien
Firmensitz wird zur internationalen Drehscheibe für
den Handel mit Photovoltaikanlagen ausgebaut.
Von Christoph Ströhle
Als die MHH Solartechnik GmbH vor neunzehn Jahren gegründet wurde, war an den Handel mit Photovoltaikanlagen noch nicht zu denken. »Es gab einige wenige Idealisten, die sich für
viel Geld damals und wenig finanziellen Nutzen
in Form einer Einspeisevergütung solche Anlagen auf die Dächer bauten«, sagt Günter Haug,
Geschäftsführer des Tübinger Großhandelsunternehmens, das seit 1991 Solartechnik installierte. »Erst mit dem Hunderttausend-DächerProgramm und dem Erneuerbare-EnergienGesetz im Jahr 2000 kam Schwung in die Bran-
Günter Haug
Kreuzeiche-Stadion
mit MHH-Solardach
Fotos: MHH
che.« Zahlreiche kleinere Anlagen und auch Vorzeigeprojekte wie die 2002 in Betrieb genommene
Photovoltaikanlage auf dem Dach des Reutlinger Kreuzeiche-Stadions – damals eine der größten Anlagen dieser Art in Baden-Württemberg –
realisierte das Unternehmen in diesen Jahren.
Die Sonnenkraft-Pioniere der MHH blieben
der Solartechnik treu, verlegten sich allerdings –
vor dem Hintergrund rasant steigender Umsätze
– 2006 ganz auf den Handel mit Modulen beziehungsweise Systemkomponenten. »Als Systemhaus sind wir heute Partner für das Fachhandwerk«, sagt Haug, der seit zehn Jahren die
Geschäfte im Unternehmen führt. Als einer der
größten Anbieter in Deutschland hat MHH 2009
Solarstromanlagen mit einer Leistung von fast 60
Megawatt an ihre Kunden ausgeliefert. Mit der
Strommenge aus dieser Anlagenleistung, sagt
Haug, könnte man rechnerisch alle Tübinger Privathaushalte komplett solar versorgen. Die fast
100 Mitarbeiter, die MHH vorwiegend am Firmensitz in Tübingen beschäftigt, haben im vergangenen Jahr rund 168 Millionen Euro Umsatz
erwirtschaftet. Für 2010 wird mit rund 200 Millionen Euro Umsatz gerechnet. Vertriebsteams
mit insgesamt 24 Beschäftigten arbeiten in München, Nürnberg und Duisburg. Seit 2008 verfügt
das Unternehmen zudem über eine französische
Niederlassung in Toulouse.
»Unser Ziel ist es, ein Netzwerk von Großhändlern aufzubauen«, sagt Günter Haug. »Bis
in zwei Jahren wollen wir in allen maßgeblichen
Photovoltaikmärkten Europas präsent sein.« Der-
zeit laufen Vorbereitungen für den Einstieg in den
italienischen und den britischen Markt. Als künftige Zentrale und Drehscheibe eines solchen
Netzwerks werde auch der Standort Tübingen
von dieser Expansion profitieren, erklärt der Geschäftsführer und stellt für Anfang kommenden
Jahres bereits erste Neueinstellungen dort in Aussicht, »vor allem im Vertrieb und im Marketing«.
Expansion in
der Neckaraue
Da der Firmensitz in Tübingen-Lustnau zu
klein ist, hat MHH das freigewordene Produktions- und Verwaltungsgebäude des Automobilzulieferers Modine im Tübinger Gewerbegebiet
Neckaraue übernommen und bündelt dort zum
Jahresbeginn 2011 seine Kräfte. So wird unter anderem auch das Lager in Dußlingen dorthin umziehen. In Verhandlungen mit der Stadt Tübingen hat sich das Unternehmen zudem eine Kaufoption für das angrenzende Grundstück an der
Bundesstraße 27 gesichert. »So können wir das
Gebäude bei Bedarf erweitern«, sagt Haug.
Die Weichen im Unternehmen, das seit zehn
Jahren profitabel ist, sind also auf Wachstum und
Expansion gestellt. Starker Partner im Rücken ist
dabei der BayWa-Konzern, der die MHH Solartechnik im Januar 2010 als hundertprozentige
Tochter übernommen hat. Der Konzern will mit
erneuerbaren Energien mittelfristig eine Milliarde
Euro Umsatz machen. »Wir denken, dass wir
Haug legt Wert darauf, die Fachhandwerker,
die das Unternehmen beliefert, umfassend zu beraten: über die Produkte, die, wie er sagt, ausschließlich Qualitätsprodukte sind und von führenden Markenherstellern stammen (darunter
die deutsche Schott Solar, die japanischen Konzerne Mitsubishi und Kyocera, Hyundai aus
Korea und die norwegische REC). Außerdem
greift die MHH in ihrem zwei Mal jährlich aufgelegten Seminarprogramm grundsätzliche Themen auf, geht auf Planung, Finanzierungs- und
Versicherungsfragen ein, erörtert Gesetzesneuerungen, Verkaufs- und Wirtschaftlichkeitsaspekte.
Das so vermittelte Know-how komme letztlich
auch den Endkunden zugute, meint Haug – also
Eigentümern von Einfamilienhäusern, an die die
MHH über das Fachhandwerk knapp jede zweite
Photovoltaikanlage ausliefert, Landwirten, die
meist besonders große Flächen zur Verfügung
haben, sowie Gewerbe- und Industriebetrieben.
Die Montagesysteme, die MHH selbst entwickelt, gehen vorkonfektioniert an die Kunden raus,
sodass der Installateur für die Dachmontage der
Module weniger Zeit braucht. »Die Fachhandwerker sehen das positiv. Dass Zeit und Kosten
gespart werden können, ist für sie ein gutes Verkaufsargument«, sagt MHH-Marketingleiterin
Tanja Senghas. Und weil sich das exklusiv vertriebene Montagesystem MHHnovotegra auf
Schrägdächern bestens bewährt hat, arbeiten die
Entwickler im Unternehmen mit Hochdruck
daran, die Produktlinie auf Flachdächer auszuweiten. Sämtliche Komponenten werden in
Deutschland hergestellt. In den Reutlinger Werkstätten der Bruderhaus-Diakonie sichern die Fertigung von Gleichstrom-Hauptschaltern und die
Vorkonfektionierung von Einzelteilen des Montagesystems Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderung.
An die saisonalen Schwankungen, die das Geschäft mit der Sonnentechnik mit sich bringt,
haben sich Haug und seine Mitarbeiter längst gewöhnt. Jeweils zum Jahresanfang wird die Einspeisevergütung nach dem Erneuerbaren-Energien-Gesetz gekürzt. Das führt dazu, dass die
Nachfrage nach Modulen zum Jahresende meist
sprunghaft ansteigt, während im ersten Quartal
mit niedrigerer Einspeisevergütung und widrigen
Wetterverhältnissen die Umsätze einbrechen.
»Das ist eine Schwierigkeit für die ganze Branche«, sagt Haug. Im ersten Fall kann das verfügbare Material schon mal knapp werden, im anderen kommt es zu Preisdruck und schwierigen
Konkurrenzverhältnissen. Die Sonderdegression
zum 1. Juli 2010 hat zusätzlich Unruhe in die
Branche gebracht. Trotz stabiler Geschäftsbeziehungen und fester Lieferkontingente konnte das
Tübinger Unternehmen nicht jeden Kundenwunsch befriedigen. »Wir spielen da gegenüber
unseren Kunden mit offenen Karten«, sagt Haug.
»Wenn wir keine Chance sehen, das Material
zum gewünschten Termin zu liefern, sagen wir es
lieber gleich. Dann hat der Kunde immer noch
die Möglichkeit, es vielleicht woanders zu besorgen.«
»Faktisch gebremst« sieht Haug die noch
junge Solarbranche durch die beschlossene Laufzeitverlängerung für Atommeiler und das Energiekonzept der Bundesregierung. »Da wird ein
klarer Konfrontationskurs in Richtung der erneuerbaren Energien gefahren«, kritisiert er. »Das
Potenzial und die Geschwindigkeit, mit der die
erneuerbaren Energien eingeführt werden können, werden von der Politik immer noch unterschätzt oder kleingeredet.« Haug verweist darauf,
dass an einzelnen Werktagen im Sommer schon
jetzt 15 Prozent der erzeugten Strommenge in
Baden-Württemberg von Photovoltaikanlagen
stammen, an Wochenenden sogar bis zu 20 Prozent.
Installation ...
der Solarmodule
MHH-Fachseminar
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GEA-Wirtschaftsmagazin
GEA-Wirtschaftsmagazin
Kompetenz durch Tradition
schungsprojekten bei uns Tradition«, betont Larsen-Mattes. Neben der Zusammenarbeit mit dem
ITV Denkendorf und dem Forschungsinstitut
Hohenstein sitzt auch die Technische Universität Stuttgart im Boot.
Die Firma »Mattes & Ammann« ist ein Traditionsunternehmen. Seit 60 Jahren fertigt der Betrieb auf der Schwäbischen Alb Maschenstoffe
und ist bis heute ein Familienbetrieb. 37 Jahre lang
führte Klara Mattes das Unternehmen, das sie
nach dem Tod ihres Vaters und seines Kompagnons übernommen hatte. 1982 kam ihr Sohn in
die Firma, Christoph Larsen-Mattes, dem sie fünf
Jahre später die Geschäfte überließ. Über der
schweren Eingangstür des Fachwerkbaus thronen die beiden Wappen der Familien Mattes und
Ammann, die die Firma 1951 gründeten. Natürlich hat das Unternehmen das Angebot über die
Jahre stark ausgearbeitet. Schon in den 70ern begann Klara Mattes, technische Textilien zu produzieren. »Damit hat sie die Firma auf das Gleis
der Zukunft gesetzt«, sagt Larsen-Mattes rückblickend.
Christoph Larsen-Mattes ist der Chef der Mattes & Ammann
GmbH & Co. KG. Zudem steht er dem baden-württembergischen Netzwerk Allianz Faserbasierter Werkstoffe vor.
»Man darf kein Gefangener eigener Gedanken sein«, sagt er.
Von Carina Stefak
»Früher bin ich rausgegangen und habe verkündet: ›Mein Name ist Mattes, ich habe schöne
Stoffe‹. Heute kommen die Leute zu uns«, sagt
Christoph Larsen-Mattes, geschäftsführender Gesellschafter der Mattes & Ammann GmbH &
Co. KG (Messstetten-Tieringen). »Wir sind Anlaufstelle am Markt«, da legt der Unternehmer
großen Wert darauf. Natürlich habe es Jahre gedauert, die Produktion zu dem zu machen, was sie
heute ist. »Mit den Kunden zu entwickeln ist die
beste Art, ein Produkt zu machen. Dazu muss er
aber das Ziel im Auge haben«, findet Larsen-Mattes. Leider höre man oft nur ein simples »macht
mal«. Mit solchen ungenauen Anweisungen ist
wenig anzufangen. Man investiert Zeit, Manpower und nicht zuletzt Geld – aber vielleicht umsonst.
Heute arbeite man mehr zusammen, vernetzte
sich – immer mit dem Ziel, effizienter und somit
erfolgreicher zu arbeiten. Nach außen sichtbar
wird dies in den verschiedensten Clustern, die es
in Baden-Württemberg und in der Region Neckar-Alb gibt. Beispielsweise ist der Unternehmer
nicht nur Mitglied im Cluster-Netzwerk »Allianz
faserbasierter Werkstoffe«, sondern auch dessen
Vorsitzender. Das Netzwerk arbeitet eng mit
dem Institut für Textil- und Verfahrenstechnik
Denkendorf und dem Forschungsinstitut Hohenstein zusammen. Wenn Institutionen aus Forschung, Lehre und Industrie sich zusammenschließen, trägt das in der Regel die besten
Früchte.
Vorteil des Clusters ist für Christoph LarsenMattes die sogenannte Vertikalisierung: »Wenn
Christoph Larsen-Mattes und Werner Moser
Mitarbeiterin in Forschungslabor
»Der Markt in Europa
ist uns genug«
Mitarbeiter an einer Rundstrickmaschine
Sie immer in Ihrer eigenen Welt leben, dann sind
Sie auch ein Gefangener Ihrer Gedanken«, veranschaulicht er. »Die Vertikalisierung macht andere Welten zugänglich.« Gemeint sind Einblicke in die Arbeitsabläufe anderer Unternehmen,
die das eigene beliefern oder die das eigene Produkt weiterverarbeiten. »Dabei ist mir der persönliche Kontakt sehr wichtig. Denn wenn sich
Menschen treffen, die einen artverwandten Gedankengang haben, »kann das nur positiv sein«.
In einem Cluster bemühe man sich um eine
Sache, bei der man gemeinsam sicher sei, was man
erreichen möchte.
Einer muss wissen,
was der andere tut
Werner Moser, Prokurist und Verkaufsdirektor, konkretisiert anhand zweier Projekte, welche
Entwicklungen Cluster-Themen sein können.
»Oft gibt es ein Schnittstellenproblem: Wir beziehen Garne von einem Hersteller. Auf seinem
Weg durch die Produktionskette wird es mit verschiedenen Mitteln präpariert – damit es sich
leichter spinnen lässt, damit es besser auf der Maschine läuft.« Der Veredler wäscht das Garn.
Dafür muss er genau wissen, »was er runterwaschen soll«. Stichwort Schnittstelle: Einer muss
wissen, was der andere tut und wenn ein Glied in
Fotos: Mattes & Amann
der Kette seine Arbeitsabläufe optimiert, dann
muss der Nächste davon erfahren. Denn der
Kunde will am Ende ein präparationsfreies, sauberes Textil – aber dafür brauchen wir die gesamte Lieferkette. Wenn es sein muss, bis nach
Asien, wo die Biobaumwolle herkommt.« Garnhersteller, Veredler und Vermascher – alle haben
ein großes Know-how. Aber eben nur auf ihrem
jeweiligen Gebiet. »Und wenn man nicht miteinander spricht, funktioniert überhaupt nichts.«
Ein weiteres Cluster-Projekt wäre eine Entwicklung, die »Mattes & Ammann« im Zuge
eines Forschungsprojekts mit dem IVT in Denkendorf gemacht hat: die elektromagnetische Abschirmung von Schlafzimmern. »Dazu gehört
von der Matratze über die Bettdecke bis hin zum
Schlafanzug alles«, zählt Moser auf. »Wir haben
mit einem Kunden einen besonderen Matratzenstoff kreiert und dafür ein spezielles Garn entwickelt: silberummanteltes Polyamid. Gut vermascht wirkt der Stoff dann wie eine Art faradayscher Käfig und schirmt gegen elektromagnetische Strahlung ab.
Nicht immer führt eine Entwicklung oder Forschungsarbeit wie diese direkt zu einem neuen
Produkt und jeder Menge Aufträge, mit denen
sich Geld verdienen lässt. Aber oft resultiert aus
der Auseinandersetzung mit einer Aufgabe und
dem dadurch angeeigneten Wissen etwas Neues,
das durchaus ankommt am Markt. So war es auch
mit dem silberummantelten Polyamid, das zwar
»ein tolles Produkt«, aber auch sehr kostspielig
ist. »Deshalb haben wir die Faser weiterentwickelt«, sagt Moser – »und eine ganz neue kreiert:
einen Baumwollsilberfaden. Diesen könne man
gut im Matratzenstoff verarbeiten, weil Silber
überdies antibakteriellen Schutz verspricht, auf
rein natürlicher Basis. Das ist beispielsweise wichtig für Menschen, die unter Neurodermitis leiden.
»Durch unser neu erworbenes Know-how haben
wir letztlich ein Produkt entwickelt, das sich doch
noch verkaufen lässt«, erklärt Moser. Manchmal
kommt der Erfolg also später, aber er kommt.
Damit das so bleibt, ist man stets am Puls der
Zeit. Dazulernen und immer noch ein bisschen
mehr Kompetenz erlangen, lautet die Devise.
Auch deshalb ist »die Beteiligung an ForFirmensitz in Tieringen
Die Kundenliste von »Mattes & Ammann«
ist lang. Sitzbezüge in den ICEs, Innenverkleidungen der C-Klasse, eines Baufahrzeugs, einer
Yacht oder sogar eines Mähdreschers – die unterschiedlichsten Branchen sind vertreten. Und
wie steht’s aktuell um die Geschäfte? »Wir haben
im September diesen Jahres die höchste Produktionsmenge erreicht, seit es diese Firma gibt«, verkündet Christoph Larsen-Mattes stolz. »Und das
schon im Folgejahr der Krise!« Vorher hat die
Firma jährlich 60 Millionen Euro umgesetzt. 2009
waren es 45 Millionen. Für 2010 wird ein Umsatz
von 55 bis 60 Millionen Euro erwartet. Das Unternehmen mit 275 Mitarbeitern produziert im
Jahr 40 Millionen Quadratmeter Stoff, den sie
unter anderem in Länder liefert, aus denen der
Rest der Welt Textilien bezieht: China und Indien. Wo will dieses Unternehmen noch hin? Larsen-Mattes bleibt bescheiden: »Wir wollen nicht
globalisieren, wollen nur Europa. Das ist uns
genug.«
Mattes & Amann liefert Sitzbezüge für den ICE
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GEA-Wirtschaftsmagazin
GEA-Wirtschaftsmagazin
Sassa setzt auf »Shop-in-Shop«
Lange Jahre lieferte die Sassa Mode GmbH in Bad Urach ihre
Wäsche und Miederwaren anonym an den Bekleidungsfachhandel
und Warenhäuser. Seit zwei Jahren vermarktet das Unternehmen
seine Kollektionen unter der Marke Sassa. Mit Erfolg.
Von Elisabeth Weidling
»In den ersten zwanzig Jahren unserer Unternehmensgeschichte wusste kaum eine
Kundin, dass die Miederwaren und Wäsche, die sie
kaufte, von Sassa kommt«,
erklärt Jochen Röhrer, einer
der beiden Geschäftsführer
der Sassa Mode GmbH. Sein
Vater gründete 1989 den Wäschespezialisten in Bad Urach.
»Wir waren ein im Handel
anerkannter, aber für die Endverbraucherin namenloser Lieferant.« Das ändert sich momentan. Zunehmend rückt die Bad
Uracher Firma ihre eigene Handschrift in den Fokus. Vor zwei Jahren
ging sie mit dem Label Sassa auf den
Markt.
Das soll nun bekannter werden
durch eigene Sassa-Verkaufsflächen im
Einzelhandel, sogenannten Shop-inShops. Bereits 30 Shops betreibt
Sassa deutschlandweit.
Hintergrund des Konzepts der
Shop-in-Shops ist die Entwicklung
im Textileinzelhandel. Der Wettbewerb hat sich verschärft, insbesondere Discounter beziehen ihre Billigware zu Dumpingpreisen. Weil
Miederwaren ein technisch aufwendiges Produkt sind, war die Wäschebranche bisher davon nicht so stark
betroffen. Doch das hat sich geändert,
erklärt Jochen Röhrer. »Es wird deswegen wichtiger, profiliert mit eigenem Label am Markt agieren zu
können«, stellt er fest.
Das Design von Sassa spricht
eine große Bandbreite von Verbraucherinnen an. Der Showroom in Bad Urach zeigt das
ganze Spektrum: Von eleganten Spitzen-BHs über
modische Blumenmuster auf hochwertigen Stoffen bis hin zu unifarbenen Basics für jeden Tag
oder funktionellen Miedern. Die Kundin erhält
eine hohe Qualität zu einem günstigen Preis von
zumeist maximal 20 Euro. Außerdem sind viele
der BHs auch in größeren Cups erhältlich – offensichtlich ein Manko zahlreicher anderer Marken.
Rudolf Röhrer
setzte Maßstäbe
Gemeinsam mit Alex Kerschbaumer hat Jochen Röhrer die Geschäftsführung inne. Sein 72jähriger Vater, Rudolf Röhrer, sitzt noch im Aufsichtsrat und ist Gesellschafter. Vor seinem Unternehmergeist hat der Sohn Respekt. »Er ist damals wirklich ein großes Risiko eingegangen. Im
Alter von 50 Jahren hat mein Vater seinen gesamten Besitz verpfändet, um eine eigene Firma
hochzuziehen.« Als Prokurist und Einkäufer in
der Miederwarenbranche brachte er das nötige
Know-how mit. Tag und Nacht arbeitete Rudolf
Röhrer für seine Firma, die er nach seiner Tochter benannt hat. Sein Einsatz zahlte sich aus. Heute
Designerinnen bei der Arbeit
Von links: Alexander Kerschbaumer, Joachim
Schölpple, Jochen Röhrer und Guido Wirtz
gehört Sassa zu den Top 20 der europäischen
Miederwaren-Anbieter und ist bei bedeutenden
Kunden vertreten. Zu den größten zählen Karstadt, Otto, C&A und Metro. Regional bedeutende Kunden sind zum Beispiel die Modehäuser Zinser und Breuninger.
Seit seiner Gründung ist das Unternehmen gewachsen – auch international. In neun europäischen Ländern sind Vertriebstochterfirmen entstanden. Weltweit verkauft die Sassa-Gruppe 13
Millionen Teile im Jahr. Das Krisenjahr 2009
habe die Firma »ohne Kurzarbeit, Entlassungen
oder sonstige Einschnitte überstanden«. Der
Umsatz sei auf dem Niveau von 2008 geblieben.
Für 2010 erwartet Jochen Röhrer ein Plus, da der
Konsum merklich anziehe und die Auftragseingänge vielversprechend seien.
In Bad Urach entwerfen vier Designerinnen
Kollektionen, machen Schnitte, verbessern Passformen. Sie gehören zu den 70 Mitarbeitern, die
im deutschen Hauptquartier beschäftigt sind, drei
davon Auszubildende. Die Hierarchien sind flach,
Teamarbeit wird großgeschrieben.
Die Sassa Mode GmbH ist in einem imposanten Gebäude untergebracht, das fünf Mal durch
Anbauten vergrößert wurde. Auf 8 000 Quadratmetern befinden sich neben dem Design auch
Management, Vertrieb, Verwaltung, Logistik und
das Lager. Lager und Vertrieb bilden das Herz der
Firma. Bei Sassa lautet die Devise: »Never out of
stock« – niemals Nullbestand. Der UnterwäscheSpezialist kann schnell auf Nachfrage reagieren.
Vor allem weniger modische Artikel sind in großem Umfang vorrätig.
Die Sassa Mode GmbH ist ein »Produzent
ohne Produktion«. Wie bei Miederwaren üblich
liegen die Fertigungsstätten in Fernost. »Mit unseren Produktionspartnern in China und Indonesien arbeiten wir bereits seit Jahrzehnten zusammen. Wir setzen auf Nachhaltigkeit, nicht auf
Dumping-Preise«, unterstreicht Alex Kerschbaumer.
Schnelle Reaktion
auf die Nachfrage
Der Zukunft des Unternehmens sehen die beiden Geschäftsführer Jochen Röhrer und Alex
Kerschbaumer optimistisch entgegen. »Wir
gehen davon aus, dass die aggressiven Billiganbieter ihre Wachstumsgrenze erreicht haben. Die
Stunde für eine erfolgreiche Vermarktung unseres Labels hat geschlagen.« Die Abverkaufszahlen der Sassa Shop-in-Shops bestätigten, dass der
eingeschlagene Kurs richtig sei, bemerkt Verkaufsleiter Guido Wirtz. Er ist gleichzeitig Pressesprecher des Unternehmens. »Wir leben in
Präsentation in Bad Urach
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einem digitalen Zeitalter«, ergänzt er. Im Bekleidungshandel würden Online-Geschäfte immer
wichtiger, auch weil die Zahl der Einzelhändler
sinke. »Nicht Bücher, nicht CDs, nicht Musikdownloads sind der größte Markt im Internet,
sondern Textilien.« Auch Sassa ist im Internet bei
Amazon erhältlich. Wichtig sei die schnelle Reaktion auf die Kundenwünsche. Immer noch
wolle die Kundin Unterbekleidung auch weiter
direkt sinnlich erfahren, ist Guido Wirtz überzeugt. Bis Ende nächsten Jahres sollen deswegen
50 weitere Shop-in-Shops von Sassa bundesweit
eröffnen. Die Marke Sassa erobert den Bekleidungshandel.
Fotos: Gerlinde Trinkhaus/Sassa
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GEA-Wirtschaftsmagazin
GEA-Wirtschaftsmagazin
Der Erfolg begann
mit einem Versprechen
In einem hart umkämpften Marktsegment erfolgreich zu sein, ist
ein schwieriges Unterfangen. Man begegnet Konkurrenz, Vorurteilen, hohen Ansprüchen und zeitweise auch erschwerenden,
wirtschaftlichen Bedingungen. Die Solcom Unternehmensberatung
GmbH, Projektdienstleister aus Reutlingen, hat sich dieser Aufgabe
gestellt und sie gemeistert.
Von Katharina Salanga
1994 als Einzelunternehmen von dem heute geschäftsführenden Gesellschafter Dipl.-Kfm. Thomas Müller gegründet und 1997 im Zuge der Professionalisierung in die Rechtsform der GmbH umfirmiert, setzte sich das
Unternehmen von Beginn an als Ziel, sich von der Masse abzuheben: Das
Geschäftsmodell implizierte hohe Servicequalität, kein Binden an Fixkosten
oder Angestelltenverhältnisse, sondern vielmehr die Vision, IT-Dienstleistungen durch hochqualifizierte Fach- und Führungskräfte für jede Position,
jede Technologie, jede Branche und im Vergleich zum Marktumfeld zu extrem niedrigen Kosten anzubieten.
Die Vision kam an und so konnten mit namhaften Konzernen wie der
Daimler AG oder der Metallgesellschaft AG von Anfang an attraktive Kunden für die Dienstleistung der »externen Projektunterstützung« gewonnen
werden. Schritt für Schritt arbeitete man an einem kontinuierlichen Auf- und
Ausbau sowohl der technischen Werkzeuge, die die tägliche Arbeit unterstützen und professionalisieren sollten, als auch der einzelnen Abteilungen
und Managementebenen.
Durch diese Maßnahmen erzielte das Unternehmen nicht nur eine Verbesserung im Hinblick auf Produktivität und Effizienz, sondern schuf in gleichem Maße eine Vielzahl an Arbeitsplätzen u. a. in den Bereichen Backoffice,
Recht, Vertrieb, Marketing und Personal.
Und heute? Im Jahre 2010 ist Solcom laut der Lünendonk-Marktsegmentstudie einer der zehn führenden Dienstleister in Deutschland für die
Vermittlung von externen Spezialisten, agiert an mehr als 50 Projektstandorten in über 25 Ländern und erwirtschaftet im Jahr 2010 einen Jahresumsatz von circa 40 Mio. €, wobei die durchschnittliche jährliche Wachstumsrate des Unternehmens bei über 30 Prozent liegt. Zum Portfolio gehört neben
der externen Projektunterstützung vorwiegend im 'State of the Art' Technologiesegment – also die Unterstützung der kundenseitigen Entwicklungsabteilungen im Bereich der absoluten Hochtechnologie – mittlerweile ebenso
auch der Geschäftszweig des Third Party Managements.
Diese neu erschlossene Dienstleistung bietet dem Kunden die Option, die
Konsolidierung, Beschaffung und Steuerung externer Mitarbeiter und geringvolumiger Lieferanten in die Hände eines spezialisierten, externen Anbieters zu geben, um auf diesem Wege flexibel auf Herausforderungen des
Lieferantenmanagements reagieren zu können sowie nachhaltig Kosten zu
senken.
Eine weitere erfolgreiche Entwicklung verdeutlicht der repräsentative Kundenstamm, zu welchem sich renommierte Unternehmen wie Alstom, Audi,
BASF, Bertelsmann, Hugo Boss, Commerzbank, EnBW, SAP, Siemens, Vattenfall und viele weitere zählen lassen.
Geschwindigkeit, Präzision
und Marktübersicht
Dass diese Differenzierungsstrategie auch im daily business Bestand hat,
verdeutlicht Thomas Müller im Gespräch über sein Unternehmen. »Eine
unserer zahlreichen Bewährungsproben bestand in einer Projektanfrage, welche komplexe Datenbanktechnologie innerhalb eines Mobilfunkprojektes
zum Gegenstand hatte. Der Haken daran: Der Starttermin wurde auf binnen
der nächsten 15 Stunden angesetzt, ansonsten würde das gesamte Projekt
kippen.«
31
Thomas Müller, Gründer und geschäftsführender Gesellschafter, setzte sich
von Beginn an das Ziel, sich von der Masse abzuheben
Hinsichtlich der bei Solcom definierten Zielvorgabe, dass spätestens 48
Stunden nach Kundenanfrage die ersten passenden Kandidaten angeboten
werden, ist es notwendig, diese Werte mit Leben zu füllen. Gepunktet wird
hierbei jedoch nicht nur mit Geschwindigkeit, sondern auch mit einem hohen
qualitativen Anspruch. Solcom hat es sich zur Aufgabe gemacht, Projekte ausschließlich mit exakt dem Experten zu besetzen, welcher zu einhundert Prozent die Anforderungen des Kunden erfüllt. »Aufgrund der extremen Schnelllebigkeit im Bereich der Informationstechnik ist es sogar für Großkonzerne
sehr schwierig, in allen Themen ausreichendes Wissen in den internen ITAbteilungen vorzuhalten – vor allem bei neuen Technologien, zu deren Einsatz Unternehmen oft vom Markt gezwungen werden, da z. B. der Support
für die alte Infrastruktur nicht mehr gewährleistet wird oder die Kompatibilität mit anderen Technologien innerhalb einer hochkomplexen IT-Umgebung nicht mehr gegeben ist. Hier besteht die Problematik darin, Spezialisten zu finden, welche sich bereits bis in die Tiefe damit auseinandergesetzt
haben und genau an diesem Punkt kommt unsere Dienstleistung zum Einsatz«, so Müller.
Solcom besetzt
mit Experten
»Ein weiteres Szenario, bei welchem wir Hilfestellung leisten können, ist
der Fall, dass bei einem Kunden lediglich temporäres Know-how erforderlich ist: Es gibt eine Vielzahl von Situationen, in denen ein Unternehmen für
kurze Zeit einen erhöhten Bedarf an externen Spezialisten hat. Dies kann zum
Beispiel eintreten, wenn eine neue Software eingeführt wird oder eine große
Anzahl an Mitarbeitern in einer neuen Technologie geschult werden soll.«
Diese hochqualifizierten Mitarbeiter stellt Solcom den Unternehmen kurzfristig zur Verfügung.
Die Einhaltung eines solchen Versprechens erfordert ein reibungsloses Zusammenspiel aller Fachabteilungen, fundiertes Wissen über die sich beständig ändernden Gegebenheiten des IT-Marktes und vor allem bedeutet dies,
sich auch Herausforderungen immer wieder zu stellen. »Auch wenn wir in
den letzten Jahren zahlreiche Erfolge in verschiedenster Hinsicht erzielen
konnten, so wollen wir uns darauf nicht ausruhen. Sowohl fachlich als auch
persönlich beständig zu wachsen, ist bei uns oberster Grundsatz.«
Tor zur Wirtschaft: Solcom unterstützt Unternehmen weltweit durch hochqualifizierte Fach- und Führungskräfte
Fotos: Solcom
Und wie ging die zeitkritische Anfrage aus? »Wir konnten erfolgreich besetzen«, lächelt Müller, »im geforderten Zeitrahmen.«
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GEA-Wirtschaftsmagazin
GEA-Wirtschaftsmagazin
Textiles Know-how
von der Faser bis zum Handel
zester Zeit zum Stillstand bringen sollen. Bei dem
Forschungsprojekt wird zudem geklärt, inwieweit
die Eigenschaften des Oberstoffs, einer Zwischenmembran und eines Innenfutters oder die
chemische Ausrüstung der verwendeten Garne
die vorzeitige Alterung des Materials verhindern
können. »Wir wollen ein neues, sichereres Produkt entwickeln«, betont die Fakultätsleiterin.
Von der Kooperation profitieren alle: Die Unternehmen durch ein neues Produkt, die Hochschule durch Drittmittel, mit denen Mitarbeiter
bezahlt und neue Geräte angeschafft werden können, und nicht zuletzt auch die Studenten. »Solche Projekte sind im Hinblick auf unsere MasterProgramme wichtig, denn die Studierenden sollen in die Forschung eingebunden werden«, erklärt Angela Maier. Entscheidend für die Jungakademiker ist der direkte Bezug ihrer wissen-
Die Textilbranche in Deutschland gilt als eine der innovativsten
Branchen überhaupt. Davon profitiert auch die Fakultät
Textil & Design an der Hochschule Reutlingen, die für die
Industrie ein gefragter Forschungspartner ist.
Von Joachim Baier
Textilien spielen in allen möglichen Lebensbereichen eine zunehmend wichtige Rolle. Dank
moderner Produktionsverfahren und neuen Verbundmaterialien ist Kleidung multifunktional geworden. So sorgen Wasser abweisende, Dampf
durchlässige oder Hitze resistente Gewebe für zusätzlichen Komfort und Sicherheit. Der technische Fortschritt hat der Branche aber auch neue
Geschäftsfelder erschlossen: In der Medizintechnik, im Agrarbereich, im Baugewerbe, im EnergieSektor oder im Fahrzeug- und Flugzeugbau sind
die sogenannten technischen Textilien auf dem
Vormarsch. So besteht etwa der neue Airbus
A380 zu insgesamt 30 Prozent aus KohlefaserVerbundstoffen, also aus technischen Textilien.
Und der größte US-Flugzeughersteller will in seinem neuesten Riesenvogel, der Boeing 787, sogar
bis zu 50 Prozent Faserverbundwerkstoffe einsetzen.
»Der Textilbereich hat sich in den vergangenen Jahren stark gewandelt, von der klassischen
Bekleidung hin zu funktionalen Textilien«, stellt
Professor Harald Dallmann, Vizepräsident der
Hochschule Reutlingen, fest. In kaum einem Feld
Berarbeitung eines Frottiergewebes auf einer Jacquard-Maschine
wird so intensiv an Neuerungen getüftelt: Allein
in Deutschland gibt es 17 Institute und Forschungseinrichtungen. Die Textilindustrie sei derzeit eine der innovativsten Branchen, meint der
Wissenschaftler. Während asiatische Textilproduzenten hauptsächlich Massenware herstellen,
wird hierzulande der Fokus auf die Entwicklung
technischer Textilien und textiler Verbundstoffe
gelegt. Im Jahr 2007 waren rund 36 Prozent der
Textilunternehmen mit Forschung und Entwicklung beschäftigt, im Jahr 2000 waren es nur
25 Prozent gewesen.
Kooperation mit
Betrieben der Region
Auch die Hochschule Reutlingen mit ihrer Fakultät für Textil & Design, die aus der 1855 gegründeten Webschule hervorgegangen ist, profitiert vom Wandel und der Innovationsfreudigkeit
der Branche. Noch bis Anfang der 80er-Jahre
stand die klassische Textiltechnologie mit Spinnerei, Weberei, Wirkerei und Veredlung im Mittelpunkt der Studieninhalte. Aktuell gibt es die Bachelor- und Masterstudiengänge in den Bereichen
Textil-Design/Modedesign, Textiltechnologie
/Textilmanagement, Transportation Interior Design (Konzeption und Gestaltung von FahrzeugInnenräumen) sowie International Fashion Retail (Textilhandel). Mit diesem Spektrum ist die
Fakultät inzwischen so breit aufgestellt, wie keine
andere Hochschule hierzulande. »Wir decken
von der Faser bis zum Handel den kompletten
Textilbereich ab«, unterstreicht Professorin Angela Maier, die Leiterin der Fakultät. Zurzeit werden drei neue Professorenstellen besetzt.
Die Fakultät Textil & Design ist schon immer
für namhafte Textilunternehmen und Bekleidungshersteller ein wichtiger Know-how-Träger
und auch Partner bei der Forschung. Die Fakultät bekommt regelmäßig für ihre Studierenden
Projektaufträge direkt von der Industrie. Hugo
Boss in Metzingen, Marc Cain in Bodelshausen,
der Reutlinger Strickmaschinen-Hersteller Stoll,
Jacquard-Maschine
der Industrienadel-Spezialist Groz-Beckert aus
Albstadt und viele mehr arbeiten eng mit den
Reutlingern zusammen. Darüber hinaus kooperiert die Fakultät mit verschiedenen Instituten und
wissenschaftlichen Einrichtungen.
Ein beispielhaftes Projekt der Fakultät ist die
Entwicklung verbesserter Schnittschutzhosen in
Zusammenarbeit mit der Hochschule für Forstwirtschaft in Rottenburg. Weitere Projektpartner
sind die Firma Rökona aus Tübingen, Produzent
technischer Textilien, die Firma Thurner Gartenund Forsttechnik aus Ammerbuch-Entringen, die
Waldarbeiter-Schutzbekleidung herstellt, die Sozialversicherung für den Gartenbau in Kassel
sowie die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung, Fachgruppe Forsten. Das Projekt ist auf drei
Jahre angelegt und wird vom Bundesforschungsministerium mit insgesamt 260 000 Euro gefördert. Ziel ist die Verbesserung der Schutzhosen,
die bei Unfällen mit Motorsägen Verletzungen
verhindern sollen. Wissenschaftler hatten festgestellt, dass die in den Schnittschutzhosen verwendeten Materialien altern und dadurch ihre Eigenschaften verändern können. »Es passieren
trotz der Schnittschutzhosen immer wieder Unfälle«, berichtet Angela Maier und meint, »es ist
nun unsere Aufgabe, die Ursachen zu untersuchen«.
Zentraler Aspekt sind die sicherheitswirksamen
Einlagen der Schnittschutzhosen, welche eine
Kettensäge durch Verstopfen des Ritzels in kür-
33
nuar 2011 vorlegen. Der Studiengang dauert acht
Semester, die Vorlesungen werden in Deutsch
und Englisch gehalten. Insgesamt sind über 500
Studenten im Wintersemester 2010/11 eingeschrieben.
Absolventen
bekommen Jobs
Bekleidungshersteller entwickeln inzwischen
monatlich neue Kollektionen, und die sollen zeitnah in die Läden kommen. »Die textile Kette bis
zum Laden zu kontrollieren und zu steuern, das
ist eine Kompetenz, die heutzutage gefragt ist«,
weiß Bug. Der neue Studiengang soll genau dieses Wissen vermitteln. Der Wissenschaftler ist
überzeugt, »der Bedarf nach Retail-Experten ist
da, sowohl im Textilhandel als auch in der Industrie, die zunehmend auf eigenen Retail setzt«.
Fakultätsleiterin Dekanin Angela Maier unterstreicht, »wir bilden Wissenschaftler aus, die keine
Scheuklappen haben. Die Textilbranche ist ein
weites Feld und unsere Absolventen bekommen
während ihres Studiums von der Produktion bis
zur Vermarktung ein umfassendes, praxisbezogenes Wissen vermittelt«. Gefragt sind die Wissenschaftler ohnehin, in der Textil- und Bekleidungsindustrie, im Textilmaschinenbau, in der
Forschung, bei Verbänden - ja selbst bei Automobilherstellern, bei deren Zulieferern oder in der
Luftfahrtindustrie.
Flachstrick-Maschine
schaftlichen Arbeit zur Praxis in den Unternehmen. »In diesem Verbund aus Forschung und
Lehre lernen die Studenten relativ viel und sie
können Netzwerke in die unterschiedlichsten
Branchen hinein knüpfen«, sagt Harald Dallmann.
Seit diesem Wintersemester wird an der Hochschule Reutlingen der Bachelor-Studiengang International Fashion Retail angeboten. Dabei handelt es sich um ein international ausgerichtetes
betriebswirtschaftliches Studium mit dem
Schwerpunkt Textilhandel. »Wir haben für 18
Studienplätze insgesamt 184 Bewerbungen bekommen«, ist Professor Peter Bug, Studiendekan
an der Hochschule Reutlingen, sehr zufrieden mit
der Resonanz auf den neu gestarteten Studiengang. Für das Sommersemester 2011 müssen die
Bewerber ihre Unterlagen bis spätestens 15. Ja-
Qualitätssicherung
Fotos: Gerlinde Trinkhaus
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GEA-Wirtschaftsmagazin
GEA-Wirtschaftsmagazin
Bei uns sind Ingenieure
am richtigen Platz
Reutlingen ein. Das Unternehmen unterstützt
Mechatronik-Studierende bei der Finanzierung
ihres Studiums. Den Erfolg dieser Partnerschaft
führt der Leiter des Kooperationsmodells, Prof.
Wolfgang Frühauf, insbesondere auf die enge Vernetzung des Studienbereichs Mechatronik mit
Avat und weiteren Unternehmen zurück, vor
allem aber auf die dadurch erreichte Win-Situation für alle beteiligten Partner.
70 hoch qualifizierte Mitarbeiter arbeiten bei Avat in Tübingen.
Auch in der Wirtschaftskrise ist Avat kräftig gewachsen.
Frank Ganssloser: Spitzenleute müssen spannende Jobs nicht in
Stuttgart suchen.
Von Hans Jörg Conzelmann
»Bei uns sind Ingenieure am richtigen Platz«,
sagt Armin Zabel von der Geschäftsleitung der
Tübinger Avat Automation GmbH. Am richtigen
Platz bedeutet: In einem attraktiven Umfeld gibt
es Entwicklungsmöglichkeiten auf Gebieten mit
Wachstumsmärkten und Zukunftschancen, noch
dazu in einer Region mit hohem Freizeitwert. Das
Schöne daran: Avat sucht Ingenieure – Automatisierungstechniker, Elektroniker, Regel- und
Steuerungstechniker, Informatiker und andere
Spezialisten. Manche dürften sich freuen: »Um
eine interessante Ingenieursstelle zu bekommen,
muss man nicht nach Stuttgart fahren. Wir haben
derzeit 10 hochqualifizierte Positionen offen.«
Geschäftsführer und Firmengründer ist Dipl.- Ing.
Frank Ganssloser. Er startete 1988 als Ingenieurbüro und gründete 1993 Avat. Bereits damals
stand die Entwicklung von Gasmotoren- Steuerungen für Blockheizkraftwerke im Vordergrund.
2010, also 22 Jahre nach seinem Start, hat
Ganssloser Motorsteuerungen für über 5 Gigawatt Stromerzeugerleistung (das entspricht 4
Großkraftwerken) in die ganze Welt geliefert.
Derzeit arbeiten für ihn 70 hochqualifizierte Mitarbeiter in interdisziplinären Teams: Die meisten
davon sind Ingenieure verschiedener Fachrichtungen, Informatiker und Naturwissenschaftler.
Dass der Chef jeden kennt und jeder den Chef,
Persönliche Entwicklung
durch »Mitarbeiter im Dialog«
Biogasanlage in Eningen - automatisiert von Avat
Die Nachfrage nach Ingenieuren ist groß: Unternehmenschef
sieht Ganssloser als unbedingten Vorteil an: »Wir
sind ein inhabergeführtes, mittelständisches Unternehmen – agil, hochflexibel und unabhängig.«
Hauptanliegen des expandierenden Unternehmens sind die Effizienzerhöhung bei der Energieerzeugung, die Reduzierung von Kohlendioxid
und von Schadstoff-Emissionen sowie die Nutzung regenerativer Energieformen. Zum Einen
entwickelt und produziert Avat Motormanagementsysteme für große Gasmotoren. Zum Anderen tritt Avat als Partner von Stadtwerken auf,
betreut regionale Versorger und Anlagenbauer.
Die Avat-Ingenieure realisieren für öffentliche und
gewerbliche Auftraggeber pfiffige Automationskonzepte – ganz-heitlich, durchgängig und her-
Dipl-Ing. Frank Ganssloser in der Avat-Testfactory mit virtuellen Motoren Foto: Gerlinde Trinkhaus
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stellerunabhängig. Dabei zieht sich die sinnvolle
Nutzung erneuerbarer Energieformen wie ein
roter Faden durch das Unternehmen. Ein Leitbild
lautet: »Unsere Umwelt ist uns wichtig und wir
betrachten sie als ein schützenswertes Gut. Mit
unseren Aktivitäten leisten wir einen umfassenden und nachhaltigen Beitrag zum Klima- und
Umweltschutz sowie zur Schonung der endlichen
Ressourcen.«
Für Avat spielt die »dezentrale Energieerzeugung mittels Kraft-Wärme-Kopplung« eine
Schlüsselrolle beim Klimaschutz. Mit ihren innovativen Motormanagement-Systemen für
BHKW-Gasmotoren ist das Tübinger Unternehmen eines der weltweit führenden bei dieser
Technologie. Bei der Erbringung von Ingenieurleistungen steht für Avat die ganzheitliche, Gewerke übergreifende Betrachtung der Aufgabenstellung im Vordergrund. Die Ingenieure sind darauf spezialisiert, durchgängige, ebenen- und systemübergreifende Gesamtkonzepte zu entwerfen
- technisch durchdacht, in sich schlüssig und
unter ökologischen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten optimiert.
Prag steht eine Kläranlage, deren Energiezentrale
auf die Planung von Avat zurück geht. Das Knowhow für das Netzleitsystem der Gasversorgung in
Heilbronn kommt ebenso aus Tübingen wie die
Klärschlamm-Trocknungsanlage in Ravensburg.
Die thermische Klärschlammverwertung an
deren Ende verwertbares und volumenreduziertes Granulat steht, geht derzeit in Mannheim in
Betrieb. Die Vorteile sind zukunftsweisend: Die
Vergasung stellt ein geschlossenes thermisches
Verfahren ohne Sonderabfälle dar, außerdem hat
der Betreiber eine gesicherte Verwertungslösung
mit langfristig stabilen Kosten zur Verfügung.
Als persönlichen Vorteil für Ingenieure, aber
auch fürs Unternehmen, sieht Armin Zabel den
Standort Tübingen: kurze Anfahrtswege, eine attraktive Infrastruktur in der »Doppelstadt Reut-
Individuelle Entwicklungsmöglichkeiten gehören zum Kerngebiet des Avat-Personalmanagements. Eigene Ziele und die der Firma werden
im regelmäßigen Prozess abgeglichen und angepasst. Das beginnt am ersten Arbeitstag, an dem
»Neue« über Tätigkeitsfelder, Geschäftspartner
und Kunden informiert und durch den Betrieb
geführt werden.
Dazu gibt es einen individuellen Einarbeitungsplan. Intern wird die Weiterentwicklung des
Mitarbeiters durch ein ständig weiterentwickeltes Programm »Mitarbeiter im Dialog« unterstützt. Zusätzlich stehen erfahrene externe Berater der Personalentwicklung im Rahmen eines
persönlichen Coaching-Programms zur Verfügung. »Wichtigster Motor auf dem Weg zum Er-
Steigende Nachfrage
nach Biogasanlagen
Beispiel Biogasanlagen: Aufgrund der komplexen Verfahren wird eine optimierte Mess- und
Regelungstechnik benötigt. Avat strebt von Beginn an eine möglichst lückenlose Erfassung der
gesamten Prozesskette von der Substratzusammensetzung bis hin zum erzeugten Produkt an.
Die gewonnenen Messdaten ermöglichen es, die
Effektivität des Prozesses einzuschätzen und ihn
zu verändern, wenn er suboptimal zu verlaufen
droht. Ganssloser: »Hohe Qualität und Verlässlichkeit sind unser Anspruch, die Zufriedenheit
unserer Kunden der Maßstab.« Wer denkt schon
beim Baden in den Limes-Thermen oder beim
Saunieren in Bad Wildbad an die Tübinger Firma
Avat? Dabei bliebe dort das Wasser kalt, hätte
Avat nicht ein Automatisierungskonzept entworfen, um die Heizwerke zu optimieren. Für die
Stadtwerke Rottenburg entwickelte Avat ein Verbundleitsystem für Gas, Wasser, Strom und
Wärme; in der 1,2-Millionen-Einwohner-Stadt
Mitarbeiter im Kundengespräch
lingen- Tübingen«. Avat unterhält starke Kontakte zu den Universitäten München und Stuttgart.
Die Mitarbeiter sitzen dennoch nicht im Elfenbeinturm: Die Nähe zum Anwendungsbereich
zeichnet das Arbeitsfeld der Avat-Ingenieure aus.
»Wir bieten Arbeitsplätze, die den einzelnen fordern, aber auch fördern.« Um Nachwuchs zu generieren, ging Avat unter anderem eine Mechatronik- Industriepartnerschaft mit der Hochschule
Fotos: Avat
folg sind unsere motivierten und engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter«, sagt Zabel. Dabei
ist freilich ein hohes Maß an Teamgeist gefragt:
Neben hoher fachlicher Qualifikation ist aufgrund
der internationalen Ausrichtung auch die Fähigkeit gefordert, in vernetzten, interkulturellen
Teams denken und arbeiten zu können. Fazit:
»Engagierte Kollegen und attraktive Arbeitsplätze
in einem zukuftssicheren Unternehmen motivieren zu Höchstleistungen.«
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GEA-Wirtschaftsmagazin
GEA-Wirtschaftsmagazin
Engmaschiges Netzwerk
Die Region Neckar-Alb sucht verstärkt den Weg
auf das internationale Parkett. Die Standortagentur
Reutlingen-Tübingen-Zollernalb hat dabei eine
wichtige Aufgabe
Medizin und Medizintechnik sind in der Region ein Standortvorteil
Von Marion Schrade
Die Böden waren karg, das Klima rau. Entsprechend begrenzt waren die Bewirtschaftungsmöglichkeiten der Bauern auf der Schwäbischen
Alb vor ein paar hundert Jahren. Viele von ihnen
bauten ihre Existenz auf die Schafzucht – und legten damit den Grundstein eines Wirtschaftszweigs, der zu den ältesten in der Region NeckarAlb zählt. Aus Schafwolle und den Erträgen des
ebenfalls traditionellen Flachsanbaus ließ sich
etwas machen: Weber und Stricker verarbeiteten
das Material in Handarbeit, bis die industrielle Revolution in Gestalt einer Spinnerei 1828 nach
Reutlingen kam.
Bis heute haben sich schwäbische Textilunternehmen am hart umkämpften internationalen
Markt behauptet. Mode-Labels wie Hugo Boss
und Marc Cain, Hersteller von Funktions- und
Sportbekleidung wie Trigema oder Erima und
Wäsche-Spezialisten wie Mey sind weltweit ein
Begriff. Allein im Zollernalbkreis haben 50 Bekleidungshersteller ihren Sitz, insgesamt beschäftigen 220 Textilunternehmen in der Region Neckar Alb 15 000 Mitarbeiter.
Dass Textilien nicht unbedingt mit Mode zu
tun haben müssen, be-
legt die wachsende Anzahl derjenigen Unternehmen, die sich in einer zukunftsweisenden Nische
etabliert haben: circa 60 Firmen in der Region
produzieren technische Textilien und damit für
ein Marktsegment mit enormen Wachstumschancen: Deutschland ist aktuell Weltmarktführer für technische Textilien, gefolgt von den USA
und China. Im Jahr 2010 rechnen Branchenexperten mit einem Umsatzwert von 106 Milliarden Euro für technische Textilien weltweit. Die
jährliche Wachstumsrate wird mit 3,8 Prozent
prognostiziert.
Historisch gewachsene
Strukturen
»techtex«, wie die Produkte im Fachjargon genannt werden, sind im Alltag ständig präsent: In
funktioneller Schutz- und Arbeitskleidung, in der
Innenausstattung von Kraftfahrzeugen, in Bandagen und Operationstextilien. Aber auch dort,
wo man sie nicht auf den ersten Blick vermuten würde: Technische Textilien werden beispielsweise
Botschafter der Region: (von links) Lars Sunnanväder, Geschäftsführer LS
Medcap GmbH, Hechingen, Dr. Paul-Stefan Mauz, Leitender Oberarzt UKT, Tübingen, Andrea Diewald, Projektmanagerin Standortmarketing, IHK Reutlingen
und Prof. Dr. Harald Dallmann, Vizepräsident der Hochschule Reutlingen
auch für leichte Dachkonstruktionen als Geotextilien im Deichbau, in Luftfiltersystemen, im
Flugzeug- und im Straßenunterbau verwendet.
Warum ein Großteil der Spezialisten in der Region Neckar-Alb sitzt, hat zum einen historische
Gründe: Die Textilwirtschaft findet eine Infrastruktur vor, die seit der Industrialisierung kontinuierlich aus der Tradition erwachsen ist. Textilmaschinenbauer bilden die Grundlage der Produktion. Forschungseinrichtungen, darunter das
Naturwissenschaftliche und Medizinische Institut an der Universität Tübingen (NMI), liefern
wissenschaftliche Hintergründe.
Hochqualifizierte Fachleute für Design, Entwicklung, Produktmanagement und Marketing
werden an den Hochschulen vor Ort ausgebildet.
Differenzierte Studiengänge setzen ganz gezielt
Schwerpunkte. In Reutlingen werden die Fachrichtungen International Fashion Retail, Transportation Interior Design,Textil-/Modedesign,
Textiltechnologie und Textilmanagement angeboten. An der Hochschule Albstadt-Sigmaringen
können Studierende zwischen Bekleidungstechnik, Textil- und Bekleidungsmanagement, Textile Produkttechnologie und Technische
Textilien wählen.
Der zweite Aspekt, der
die Entwicklung
und Produktion von technischen Textilien in der
Region Neckar-Alb zum Leuchtturmprojekt
macht, ist eine singuläre wirtschaftliche Konstellation: In direkter Nachbarschaft hat sich seit dem
19. Jahrhundert eine weitere Branche prächtig
entwickelt. Hechingen hat sich in den vergangenen Jahren zum Hightech-Standort entfaltet, der
mittlerweile – in Anlehnung ans berühmte »Silicon Valley« – international als »Medical Valley«
bekannt ist. In Hechingen und im benachbarten
Tuttlingen stellen rund 470 Unternehmen medizintechnische Produkte her. Die Universitätsklinik Tübingen ist ein wichtiger Partner – sowohl
was Forschung und Entwicklung als auch Erprobung in der Praxis betrifft.
Deutschlandweit weist die Medizintechnikbranche jährliche Umsatzsprünge von sieben bis
acht Prozent auf und ist damit ein ebenso vielversprechender Zukunftsmarkt wie der
»techtex«-Sektor. Steigern lässt sich der Erfolg
beider Wirtschaftszweige dann, wenn sie, bildlich
gesprochen, auf einen gemeinsamen Nenner gebracht werden: Es gibt Schnittstellen, an denen
sich Nischenprodukte für spezifische Anwendungsbereiche entwickeln lassen. Ein Beispiel ist
der »stoma-belt« der Tübinger rökona Textilwerk GmbH, eine Bandage für Patienten mit
künstlichem Darmausgang.
Fotos: Standortagentur
Derartige Vernetzungen zweier Zukunftsmärkte in direkter Nachbarschaft sind ein Pfund,
mit dem sich wuchern lässt – auch auf internationalem Parkett. Deshalb rührt die Standortagentur Tübingen-Reutlingen-Zollernalb GmbH
seit einiger Zeit verstärkt die Werbetrommel für
ihre beiden Leuchtturmbranchen. Fachpräsentationen im Ausland sollen die Aufmerksamkeit potenzieller Investoren und Kooperationspartner in
Richtung Neckar-Alb lenken.
Botschafter werben
für die Region
Entsprechend hoch steigen Dr. Wolfgang Epp,
Geschäftsführer der Standortagentur, und Projektleiterin Andrea Diewald ein: Sie reisen ausschließlich in wirtschaftsstarke europäische Metropolen – bisher stellten sie den Standort Neckar-Alb mit seinen Vorzeigeprojekten Technische Textilien und Medizintechnik in Wien, Zürich, Stockholm, Eindhoven und Mailand vor.
Begleitet werden sie von »Botschaftern der Region«, wie Wolfgang Epp sagt: Barbara Bosch war
als Reutlinger Oberbürgermeisterin und Aufsichtsratvorsitzende der Standortagentur in Wien.
Unternehmer Lars Sunnanväder, gebürtiger
37
Schwede, zeigte seinen Landsleuten in Stockholm
die Stärken des »Medical Valley« auf, an dessen
Entwicklung er als Gründer mehrerer namhafter
Medizintechnik-Firmen wie Maquet, Joline und
Jotec einen nicht unwesentlichen Anteil hatte.
Referenten wie Dr. Paul-Stefan Mauz von der
Medizinischen Fakultät des Universitätsklinikums
Tübingen, Professor Harald Dallmann von der
Fakultät Textil & Design der Hochschule Reutlingen und Henning Eichhorn von der rökona
Textilwerk GmbH in Tübingen gehen fachlich in
die Tiefe. Entsprechend ausgesucht ist das Publikum: Eingeladen werden ausgewählte Fachleute,
Multiplikatoren und potenzielle Investoren. »So
geht unsere Botschaft gleich an die richtige
Adresse – ohne Streuverluste«, sagt Wolfgang
Epp, dessen erklärtes Ziel es ist, Menschen und
Märkte zusammenzubringen. Bei schwäbischen
Spezialitäten und Metzinger Wein werden
Grundsteine für Kooperationen gelegt: Nach den
Vorträgen ergeben sich Gespräche zwischen Referenten und Firmenvertretern, die für die Unternehmen der Region Neckar-Alb entscheidende
Türöffner zu neuen Märkten sein können.
Rund 220 Kontakte haben sich nach den fünf
Auslandspräsentationen ergeben, die von der
Standortagentur gepflegt werden – beispielsweise
über einen regelmäßigen Newsletter. Dass sich
im Oktober vergangenen Jahres 30 Textilunternehmer aus der Türkei auf der Suche nach Kooperationspartnern ein Bild vor Ort machten, ist
ebenfalls ein Verdienst der Standortagentur. Das
Interesse der Fachwelt ist geweckt, der Weg für
internationale Schulterschlüsse geebnet. Hier
endet die Einflussnahme der Standortagentur,
Wirtschaftsförderung gehört nicht zu ihren Aufgaben. Das gute Image der Region, das im Idealfall zur internationalen Marke wird, wollen Epp
und seine Mitarbeiter weiterpflegen – die nächsten Reiseziele sind Paris und die Türkei. Epp ist
optimistisch: »Dieser Weg ist richtig. Wir werden uns mit unseren Stärken weitere Zielmärkte
erschließen.«
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GEA-Wirtschaftsmagazin
GEA-Wirtschaftsmagazin
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Hochschule Albstadt-Sigmaringen
Die Hochschule für Ingenieur- und Wirtschaftswissenschaften in Albstadt und in Sigmaringen hat drei Schwerpunkte:
• Fakultät 1: Engineering in Albstadt
• Fakultät 2: Business and Computer Science an
beiden Standorten
• Fakultät 3: Life Sciences in Sigmaringen
Foto: Gerlinde Trinkhaus
Porträt:
Prof. Dr.-Ing. Michael Ernst.
Er lehrt an der Fachhochschule
Albstadt-Sigmaringen
»Das war ein Zeichen des Himmels«
Von Xaver Baumann
Ob es wirklich ein Zeichen des Himmels war? Michael Ernst war gerade
17 Jahre alt und saß im Anprobenzimmer eines Ateliers in Stuttgart. Die Chefin der Frommlett-Modelle öffnete einen ihrer Schränke und eine Vielzahl
von Stoffballen fielen dem jungen Mann vor die Füße. »Das ist ein Zeichen
des Himmels«, entfuhr es der außergewöhnlichen Dame. Ab dieser Sekunde
hatte Ernst mit seinem nicht gewöhnlichen Berufswunsch den Ausbildungsplatz in der Tasche. In Stuttgart im Schneiderhandwerk eine Stelle zu bekommen, war damals gar nicht so einfach. Ganz abgesehen davon musste
man auch noch zum Vornähen kommen.
Michael Ernst ist 1972 in Stuttgart geboren. Dort besuchte er das KeplerGymnasium. Nachdem er das Einser-Abitur in der Tasche hatte, begann er
zum Erstaunen seiner Umgebung die Schneiderlehre auf dem Killesberg in
der Hauptmannsreute. Mit 14 Jahren hatte er zuhause eine Nähmaschine gesehen und darauf losgelegt, wie er im Gespräch mit dem GEA-Wirtschaftsmagazin erzählt. Auch als die ersten Versuche nicht sonderlich erfolgreich
waren, blieb er dieser Profession treu, weil ihn das Textile schlichtweg faszinierte.
»Das hat sofort gepasst«, meint Ernst, heute Professor an der Hochschule
Albstadt-Sigmaringen und Studiendekan für die textilen Studiengänge Textile Produkttechnologie Technische Textilien, Bekleidungstechnik sowie Textil- und Bekleidungsmanagement.
Die außergewöhnliche Begegnung mit der Dame hat er heute noch gut in
Erinnerung. Außergewöhnlich war auch die Arbeit mit den bunten Stoffen.
»Die Freiheit, die wir dort hatten, war unvergleichlich. Immer wurden individuelle Sachen gemacht, die Persönlichkeit stand im Vordergrund«,
schwärmt der Professor noch heute. Er konnte viele Entwürfe einbringen, die
alle realisiert worden sind. Und viel Schnitttechnik hat er gemacht. Zweieinhalb Jahre dauerte die schöne Zeit. Es folgte die vorgezogene Prüfung. Dann
hatte Ernst noch ein halbes Jahr als Geselle gearbeitet. Immer wieder Entwürfe, Schnittkonstruktionen, Produktionen und Anproben. Das war mehr
als eine Schneiderlehre, weiß er heute. Die Belegschaft war sehr kunstbegeistert. »Wir haben damals auch zusammen Konzerte und Theaterveranstal-
tungen besucht.« Kein Wunder, wenn die Beziehungen heute noch tragen.
Auch wenn man gemeinhin sagt, Lehrjahre sind keine Herrenjahre, resümiert
Ernst: »Das war eine sehr schöne Zeit.«
Anstrengendere Jahre folgten. Der Weg zur Meisterprüfung stand offen,
war aber dann doch nicht von Ernst eingeschlagen worden. Frau Sonja Knittel, die an der Berufsschule CAD-Lehrgänge gegeben hat, empfahl das Studium an der Hochschule in Albstadt. Der Entschluss, Bekleidungstechnik zu
studieren, war dann schnell gefasst. In den Jahren 1994 bis 1998 wurde eifrig
gebüffelt und Praxissemester absolviert. Der Lohn war das Diplom. »Ich habe
alles mit Begeisterung gemacht«, erzählt Professor Ernst . Von den Entwürfen hat er aber bis heute nicht die Finger gelassen. Nebenher machte er später Abendmode bei Lezzar und Enwürfe und Schnittechnik für kleinere Firmen.
»Ich habe alles mit
Begeisterung gemacht«
Noch wusste Ernst nicht, wo er ankommt. Immer wieder stand die Frage
im Raum, gibt es noch etwas anderes. Die Fühler wurden ausgestreckt und
die Beziehung zum Institut für Textil- und Verfahrenstechnik in Denkendorf
gefunden. Eine Diplomarbeit wurde geschrieben, die mit Bekleidung nichts
zu tun hatte. »Das Alterungsverhalten von technischen Nadelfilzen« war das
Thema. Gut ein halbes Jahr später wurde das Studium Verfahrenstechnik an
der Technischen Universität Stuttgart aufgenommen und in 2001 mit Diplom abgeschlossen. Die Promotion folgte im Jahr 2005 und beschäftigte
sich mit »Innovative Filtermedien mit Elektretbeschichtung«. Es geht dabei
unter anderem um textile Filter, die im Automotive-Bereich und in Reinräumen zum Einsatz kommen. Über Beschichtung und Aktivierung mittels Corona- und Plasmatechnolgie wurde erfolgreich versucht, Produkte mit elektrostatischen Abscheidemechanismen auszurüsten.
Mit aufgebaut und geleitet hat er in Denkendorf auch das Kompetenzzentrum Medizintextilien, bei dem es unter anderem um Barrieretextilien im
OP-Bereich, Kompressionstextilien und Wundauflagen ging.
Die Hochschule ist Mitglied der 2005 gegründeten Hochschulregion Tübingen-Hohenheim mit der Universität Hohenheim und der Eberhard Karls Universität Tübingen sowie
den Hochschulen Nürtingen-Geislingen, Hochschule Reutlingen und Rottenburg. Das Ziel dieser Vereinigung ist, bei
Projekten in der Infrastruktur, Verwaltung, Forschung und
Lehre enger zu kooperieren.
Neben der Möglichkeit eines herkömmlichen Studiums bietet die Hochschule auch ein kombiniertes Studium in den
Bereichen »Maschinenbau« und »Kommunikations- und
Softwaretechnik« an, wobei mit Unternehmen aus der Region eng kooperiert wird (sogenanntes »Albstädter Modell«:
2 Jahre verkürzte Berufsausbildung, 2 1/2 Jahre verkürztes
Bachelor-Studium). Im Bereich »Betriebswirtschaft« besteht
am Standort Sigmaringen eine ähnliche Kooperation mit der
Kreissparkasse Sigmaringen - Hohenzollerischen Landesbank.
Die Hochschule ist seit mehreren Jahren Mitglied im Verbund Internationale Bodensee-Hochschule und bietet derzeit an beiden Standorten zusammen 18 moderne praxisorientierte Studiengänge mit Bachelor und Master-Abschlüssen an. Internationalisierung erfährt die Hochschule Albstadt-Sigmaringen durch 30 Partnerhochschulen weltweit.
2006 wurde Ernst, der bereits seit 2000 Vorlesungen an der Hochschule
gegeben hatte, zum Professor berufen. Im Bereich technische Textilien, dem
viele Unternehmen in Region Neckar- Alb seit einigen Jahren einen neuen
Stellenwert beimessen, kennt Ernst sich aus. In zahlreichen Vorlesungen hat
er sich mit den unterschiedlichsten Fragestellungen und Lösungen beschäftigt und unterschiedlichste Projekte mit der Industrie wie zum Beispiel zum
Thema Barrieretextilien, Textile Abstandsstrukturen und Schutzbekleidungssysteme für den Katastrophenschutz bearbeitet.
Insbesondere hat es ihm auch die CAD und insbesondere
die 3D CAD angetan: Bei der virtuellen Simulation von Bekleidung aber auch
bei technischen Ab-
Pattern Kurs für die Industrie ecbp/ ETGAMA, Addis Ababa, Ethiopia 2009
wicklungsvorgängen für technische Textilien. Mehr als ein Steckenpferd sind
ihm die Reisen in das ferne Ausland. Nicht um Urlaub zu machen, nein. In
Südafrika und Äthiopien gibt der Gastprofessor immer wieder mal Unterricht – in Kapstadt schon im vierten Jahr als adjunct professor. Weitergereicht werden Kenntnisse auf den Gebieten der Technischen Textilien, technische Bekleidungssysteme sowie industrielle Fertigungstechnik, Konstruktion, CAD. Träger der Projekte ist die Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit. Gegenbesuch aus Südafrika war 2009 in Deutschland . Es wurden Messen, das Institut Hohenstein, Empa St. Gallen und Unternehmen
wie Hugo Boss in Coldrerio und Walter Knoll in Herrenberg besucht.
In Shanghai und Hongkong sieht sich Prof. Michael Ernst demnächst wieder einige Textilbetriebe an.
»Das Know-how
unbedingt halten«
Von den Strukturkrisen in der Textilindustrie will er nicht viel wissen. Die
gibt es auch in den anderen Branchen, relativiert er. Deutschland sei im hochwertigen Bekleidungsbereich und insbesondere bei technischen Textilien
und in vielen Nischen wettbewerbsfähig. Viele der Absolventen der Hochschule Albstadt-Sigmaringen, die heute in der Automobilbranche, in der Medizinbranche, im Textil- und Bekleidungsmanagement und in den Wirtschaftswissenschaften anpacken, bestätigten diese Erkenntnis. Mit Netzwerken, wie es sie in der Region Neckar-Alb gibt, könne man Kräfte bündeln und
voranschreiten. Bei den Vorbereitungen für den Hochschulplan 2012 sei der
Studiengang Textile Produkttechnologie - Technische Textilen entstanden,
den er maßgeblich mit aufbaut. Ein kurzes aber entschiedenes Plädoyer für
Fachkräfte folgt: »Wir brauchen gute Leute, die Wissen umsetzen und anwenden können und praktische Fertigung beherrschen. Nur wer Qualität liefert und flexibel ist, wird sich behaupten können. Wenn Unternehmer sagen, ich verlagere alles, ich gebe alles aus der Hand, ist
die Gefahr, die Kontrolle zu verlieren sehr groß und ein
Zurück nicht leicht - insbesondere wenn es dann
keine qualifizierten Fachkräfte mehr
geben wird«.
GEA-Wirtschaftsmagazin
GEA-Wirtschaftsmagazin
Fasern auf dem Vormarsch
– Allianz geschmiedet
Foto: ITV Denkendorf
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Ob als Lichtbeton, Luftfilter oder medizinisches Implantat: Textile Fasern
sind in vielen Branchen zum wichtigen Partner für neue Produkte
geworden. Die Allianz Faserbasierter Werkstoffe Baden-Württemberg
trägt dieser Entwicklung Rechnung und will mit Kooperationen die Querschnitttechnologie stärken.
Von Christoph Ströhle
Innovation findet nicht nur innerhalb von
Branchen statt. Vielmehr können sich so unterschiedliche Wirtschaftszweige wie die Textilindustrie, der Flugzeugbau oder die Medizintechnik auch gegenseitig befruchten. Querschnitttechnologie nennt man das. Der Verein »Allianz
Faserbasierte Werkstoffe Baden-Württemberg«
(AFBW), der sich im vergangenen Jahr in Stuttgart formiert hat, will innovative Entwicklungen
und Anwendungen gezielt anstoßen und als branchenübergreifendes Netzwerk den Dialog und
den Wissenstransfer von Unternehmen, Wissenschaft und Politik stärken.
Südwesttextil-Hauptgeschäftsführer und
AFBW-Vorstandsmitglied Dr. Markus H. Ostrop
ist überzeugt: »Wir werden damit die Innovationen in unserer Industrie deutlich vorantreiben.« Gemeinsam mit den Deutschen Instituten
für Textil- und Faserforschung Denkendorf
(DITF), den Hohensteiner Instituten und dem
Landesverband der Industrie hat Ostrop die Clusterbildung initiiert. Viele der Mitgliedsfirmen des
Verbands Südwesttextil haben sich in den vergangenen Jahren zu Hightech-Betrieben entwickelt. Sie produzieren verstärkt technisch anspruchsvolle Textilien mit komplexen physikalischen, chemischen oder funktionellen Eigen-
Die Allianz beziffert die wirtschaftliche Bedeutung der Querschnitttechnologie mit etwa 350
Unternehmen, die 45 000 Arbeitnehmer beschäftigen und ein geschätztes Umsatzvolumen
von acht bis neun Milliarden Euro erzielen. Unternehmen wie Rökona (Tübingen) und Mattes
& Ammann (Meßstetten), Freudenberg Vliesstoffe, einzelne Industrie- und Handelskammern
sowie Forschungseinrichtungen die bereits Mitglieder der Allianz sind, die nach Ostrops Wunsch
rasch weiter wachsen soll.
Zuschuss von der
Landesregierung
Dr. Markus H. Ostrop
schaften: Airbags, Luftfilter und Inkontinenzprodukte, Flugzeugsitze oder Feuerschutzanzüge.
Zur Zielgruppe des Clusters zählen bewusst auch
solche Betriebe, die faserbasierte Materialien
durch unterschiedlichste Verfahren an der Oberfläche veredeln. Mobilität, Bauwesen und Innenarchitektur sollen als Themen- und Forschungsfelder der AFBW ebenso eine Rolle spielen wie
etwa Gesundheit und Wellness, Produktionstechnik oder Maschinenbau.
Für den Aufbau des landesweiten Netzwerks
hat das Wirtschaftsministerium in Stuttgart dem
Verein 194 000 Euro als Zuschuss bewilligt. Die
Mittel stammen aus dem Europäischen Strukturfonds für regionale Entwicklung (EFRE). In
seiner Eröffnungsrede beim letztjährigen ClusterForum in Stuttgart hob Wirtschaftsminister Ernst
Pfister (FDP) hervor, dass Innovation und Kooperation Schrittmacher für mehr Wachstum
und Beschäftigung seien. Er sprach von überdurchschnittlichen Kompetenzen in wichtigen
Zukunftsfeldern, über die die Unternehmen in
Baden-Württemberg verfügten. »Wir können die
gewaltigen Chancen vor allem dann noch mehr
und noch besser nutzen, wenn die Akteure eines
Clusters über die jeweiligen engen Branchen- und
Technologiegrenzen hinweg zusammenarbeiten«, appelierte der Minister an die Teilnehmer.
Wissenschaftliche Studien belegen, dass der
wirtschaftliche Erfolg gerade von mittelständischen Unternehmen wesentlich höher ist, wenn
sie sich vernetzen. So fand das Fraunhofer Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO)
2008 heraus, dass 70 Prozent der Wachstumschampions unter den kleinen und mittleren Unternehmen in Europa auf eine enge Einbindung
von Netzwerkpartnern im Innovationsmanagement setzen. Ziel der AFBW ist es, solche Kooperationen innerhalb strategischer Allianzen anzubahnen und durch Veranstaltungen, die Schaffung einer Plattform für vorwettbewerbliche Produktentwicklungen und die Einwerbung von Fördermitteln tatkräftig zu unterstützen.
Ein erster Cluster-Workshop unter dem Motto
»Faserbasierte Werkstoffe – aus der Tradition in
die Zukunft« fand diesen Juli im Stuttgarter Haus
der Wirtschaft statt, gemeinsam veranstaltet vom
Steinbeis-Europa-Zentrum und der AFBW. Professor Dr. Heinrich Planck vom DITF in Denkendorf stellte dabei Ziele und Ausrichtung des
neuen Netzwerkes vor. Chancen für neue Entwicklungen sah er in allen Stufen der Wertschöpfung, von thermoplastischen Elastomeren
bis hin zu funktionalisierten Kunststoffen zur Herstellung hochwertiger Bauteile für viele Industrien
und den Maschinenbau. Dr. Klaus Jansen vom
Berliner Forschungskuratorium Textil skizzierte
die Zukunftsperspektiven und neuen Märkte für
faserbasierte Werkstoffe. Zuvor hatte Anne Masson für einen Blick über den Tellerrand gesorgt
und von Mission und Strategie, Methoden und
Erfahrungen des Clusters Technische Textilien
Rhone- Alpes (Techtera) berichtet.
In der sich anschließenden Podiumsdiskussion
wurden Bedenken zerstreut, wonach jedes Netz-
Funktionalisierte Oberflächen schützen Textilien
vor Wasser und Schmutz.
Foto: Hohenstein Institute
Gewirkte Gefäßprothese, entwickelt im Bereich
Biomedizintechnik am ITV Denkendorf
Foto: ITV Denkendorf
werk auch Risiken bietet. Christoph Larsen-Mattes, Vorsitzender der AFBW und Geschäftsführer von Mattes & Ammann, hob neue Kontakte
als Mehrwert für sein Unternehmen hervor. Vertrauen sei die Grundlage dafür und ganz im Sinne
eines unternehmerischen Risikos zu sehen. Sein
Unternehmen sei offen für neue Ideen und setze
auf die Technologie der Fasern, sagte Dr. Dietmar Völkle von der Diehl Aircabin GmbH (Laupheim) und stellte neue Anwendungsgebiete der
faserbasierten Werkstoffe im Kabinenbau der
Luftfahrt vor. Angestrebt wird eine textile Haptik
im Flugzeuginnenraum, mit Materialien, die allen
Anforderungen in Sachen Sicherheit und Brandschutz standhalten. Eine offizielle Auftaktveranstaltung für das Cluster ist für Februar 2011 geplant. Ostrop hofft auf einen regen Austausch.
Ein Airbus aus Metall
käme nicht in die Luft
In mehreren Broschüren unter dem Titel
»Textile (R)Evolution« hat das Forschungskuratorium Textil die enorme Bandbreite möglicher Anwendungen für funktionelle Hochleistungstextilien zusammengestellt. Neben historischen Hintergründen und dem aktuellen Stand
der Technik werden darin auch künftige Entwicklungspotenziale in den verschiedensten Lebensbereichen aufgezeigt. Tenor: Es gibt kaum
ein Material, das so vielfältig einsetzbar ist wie Textilien. So präsentierte das Institut für Textil- und
Verfahrenstechnik Denkendorf (ITV), ein Teil
des DITF, zusammen mit der RUD-Gruppe im
Jahr 2008 eine textile Schneekette für PKW. Der
geforderte Grip und die lange Lebensdauer wurden mit einer neu entwickelten Faser erreicht.
Textile Implantate sind aus der modernen Medizin nicht mehr wegzudenken. Bei der Therapie
von Leistenbrüchen ist der Einsatz von HermienNetzen mit jährlich rund einer Million Implan-
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tierungen bereits Standardmethode. Gebräuchlich sind zudem kettengewirkte Gefäßschläuche
aus Polyester für nicht mehr funktionstüchtige
Blutgefäße oder Geflechte (Stents), die in ein bestehendes Gefäß eingesetzt werden, um es auszudehnen. Eine textileingefasste Hornhaut für das
Auge befindet sich derzeit noch im Entwicklungsstadium. Anschauliches Anwendungsbeispiel ist auch der Airbus A 380. Das zurzeit größte
Verkehrsflugzeug der Welt käme – wäre es ganz
aus Metall gebaut – vollgetankt und mit 525 Passagieren nicht in die Luft, sagt der Leiter des Hohenstein Instituts für Textilinnovation, Professor
Dr. Stefan Mecheels: »Er fliegt mit Hilfe der Textilindustrie, weil nämlich Teile des Rumpfes und
der Tragflächen aus kohlefaserverstärktem Kunststoff bestehen. Dadurch werden etwa 30 Prozent
an Gewicht eingespart, aber auch Treibstoff.«
Etliche weitere Beispiele textiler Anwendungen
zeigt noch bis zum 21. November eine Sonderausstellung im Maschenmuseum in Albstadt-Tailfingen (Wasenstraße 10; geöffnet ist mittwochs,
samstags und an Sonn- und Feiertagen von 14 bis
17 Uhr). Dekoratives ist dort zu sehen, wie die
Licht leitenden Betonwaschtische der Robatex
GmbH (Stolberg) – fein verteilte, eingegossene
Glasfasern sorgen für die gewünschte Lichtleitung, die nach Bedarf farbig moduliert werden
kann. Und es findet sich Nützliches, wie Teile des
Rotorflügels einer Windkraftanlage.
Verstärkte Textilfasern tragen auch hier mit
ihren spezifischen Eigenschaften zu Effizienz und
Zuverlässigkeit der Rotoren unter größter Belastung bei. Selbst bei einem Brückenbauprojekt
können textile Werkstoffe zum Einsatz kommen,
wie die Firma Groz-Beckert in Albstadt- Lautlingen anhand eines derzeit realisierten Objekts verdeutlicht. Die rund 60 Tonnen schwere Brückenplatte und die Bewehrung werden verstärkt
mit 1 400 Quadratmetern gewirktem Gelege, das
aus Glasfaserbündeln besteht und mit Epoxidharz
imprägniert ist. Rostfrei, wie es heißt.
RUDmatic Soft Spike: Patentierter Reifenüberzug
auf Textilbasis - eine Entwicklung des ITV Denkendorf und der RUD-Gruppe
Foto: RUD PR
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GEA-Wirtschaftsmagazin
GEA-Wirtschaftsmagazin
»Wir brauchen eine Klägerindustrie«
Von Carina Stefak
»Anleger und Banken verhandeln selten auf Augenhöhe«, sagt Rechtsanwalt Andreas Tilp. Dieses strukturelle Ungleichgewicht rührt seiner festen
Auffassung nach daher, dass beide Parteien verschiedene Kenntnisstände zur
Materie haben. »Banken haben gegenüber einzelnen Kapitalanlegern einen
riesigen Erfahrungsvorsprung – für sie ist der Handel mit Wertpapieren
schließlich Tagesgeschäft«, hebt er im Gespräch mit dem GEA-Wirtschaftsmagazin hervor. Banken müssten eigentlich unterscheiden zwischen
Kunden, die ihre Geld als Altersvorsorge anlegen möchten und solchen, die
vor allem Gewinn machen möchten. Kosten und Risiken müssten transparent werden, Anleger vor unseriösen Angeboten geschützt werden.
Der Knackpunkt der Sache ist, wie so oft, ein Interessenskonflikt, unterstreicht der Experte im Anlagerecht. Auch, wenn ein Berater für seinen Kunden das Meiste herauszuholen verspreche, so schaue er immer auch auf seine
Provision. »Und im Zweifel empfiehlt er jenes Zertifikat, das ihm selbst am
meisten bringt«, erklärt der Rechtsanwalt und weist auf die politische Diskussion um die umstrittenen Beratungsprovisionen hin, die europaweit geführt wird. Auch Verbraucherschützer schalten sich ein und fordern eine Umstellung auf reine Honorarberatung – ohne Provisionen.
Die Realität zeige, dass man davon noch weit entfernt sei. Für jede Menge
Wirbel in der Branche sorgten in den vergangenen Jahren sogenannte versteckte »Kickback-Zahlungen«, mit denen die Banken viel Geld verdienten
– das sie zu Lasten der Anleger ohne deren Wissen abgezwackt haben. Allein
in der Kanzlei Tilp gingen weit über 500 solcher Fälle mit einer durchschnittlichen Schadenssumme von 100 000 Euro über die Schreibtische der
Anwälte. »Kickback-Zahlungen« sind Rückvergütungen, die die Bank kassiert, obwohl sie ihr nicht zustehen.
Wie funktioniert das? Die beratende Bank empfiehlt zum Beispiel dem
Kunden bestimmte Fondsanteile, für die er Ausgabeaufschläge an die Fondsgesellschaft bezahlt. Davon führt diese einen Teil an die Bank zurück, in Form
einer Provision. Die Bank habe also ein nicht unerhebliches Interesse, dem
Kunden genau diese Beteiligung zu empfehlen – ohne dass dieser davon etwas
ahne, so Tilp. »Nach deutschem Recht steht diese Zuführung dem Kunden
zu.« Seine Kanzlei hat 2006 das »Kickback-Urteil« erstritten, in dem der
Bundesgerichtshof festlegt, dass alle Provisionszahlungen und Rückvergütungen, die die Bank für ihre Empfehlung erhält, dem Kunden offengelegt
werden müssen. Seitdem häufen sich naturgemäß die Klagen.
Warum für Beratung
nicht bezahlen?
Die Finanzkrise hat es gezeigt – bei
Anlagegeschäften kann man sich ganz
schön die Finger verbrennen. Die
Kirchentellinsfurter Kanzlei Tilp Rechtsanwälte kämpft für einen erleichterten
Zugang zum Recht damit für geprellte
Anleger Rechthaben und Rechtkriegen
nicht zweierlei bleiben.
Um die Gesetzgebung zu umgehen, sichern sich manche Banken ab. »Die
Deutsche Bank beispielsweise lässt den Kunden ein Formular unterschreiben, in dem er sich bereit erklärt, dass die Bank solche Zuführungen behalten
darf«, erklärt Tilp. Der Kunde unterschreibt – und soll seine Ansprüche los
sein. »Wahrscheinlich, wie so oft, ohne große Ahnung, was er da eigentlich
abnickt«, meint Tilp. Er macht deutlich: »Der Kunde ist bis heute nur deshalb nicht bereit, für eine Beratung zu bezahlen, weil die Banken ihm jahrzehntelang erzählt haben, dass sie umsonst sei. Man hat ihm die Kosten stets
verschwiegen und hintenrum abkassiert.« Banken wie die Quirin Bank dagegen kehrten alle versteckten Zahlungen an den Kunden aus. Am Ende lassen sie sich von ihm eine Provision bezahlen, für die Beratung. »Dieses Modell gefällt mir, aber es hat sich bisher in Deutschland nicht durchgesetzt«,
relativiert Tilp.
Damit das »Hintenrum«, wie Tilp es nennt, für die Banken nicht mehr so
einfach ist, wurde zum 1. Januar im Wertpapierhandelsgesetz die gesetzliche
Pflicht verankert, Beratungsgespräche zu protokollieren. Diese Protokolle sollen für den nötigen Durchblick sorgen. Sie dienen zum Schutz des Kunden,
eigentlich. In Wahrheit »versuchen die Banken, durch das Ausfüllen des Protokolls und durch das Unterzeichnen des Anlegers eine optimale Beweissituation für sich selbst zu schaffen.« Schwammige Formulierungen und allenfalls grobe Risiko-Klassifizierungen stiften viel Verwirrung. Die Papierflut
überfordere den Kunden, er wolle die Formalien vom Tisch haben – und unterschreibe. Wenn der Kunde das tut, bestätigt er, dass das Protokoll vollständig und richtig ist. Später etwas anderes zu beweisen sei dann schwierig.
Aber wer muss eigentlich wem was beweisen? Grundsätzlich muss der Kunde
darlegen, dass die Bank ihre Pflichten verletzt hat. Bei einer Umkehr der Beweislast müsste hingegen das Geldinstitut sicherstellen, dass es richtig beraten hat. Andreas Tilp setzt sich für einen Kompromiss nach amerikanischem
Vorbild ein: »In den USA müssen beide Parteien, Kläger und Beklagter, ihre
Unterlagen zum Sachverhalt dem Gericht vorlegen.« Auf dieser Grundlage
wird dann geprüft, wie es letztlich wirklich gewesen ist«, sagt Andreas Tilp.
Steht also fest, dass die Bank falsch beraten hat, fragt sich der Anleger, ob
er Anspruch auf Schadensersatz hat – und im Zweifelsfall auch, wie lange
noch. Bisher galt für Schadensersatzansprüche im Wertpapierbereich die dreijährige Verjährungsfrist ab dem Zeitpunkt des Vertragsabschlusses. Das hat
sich nun geändert. Seit 5. August 2009 beginnt eine dreijährige Frist erst an
dem Tag, an dem der Verbraucher Kenntnis darüber erhalten hat, dass er
falsch beraten wurde. Allerdings gilt diese Regelung nur für Beratungen, die
ab diesem Datum getätigt wurden. Ansprüche aus Wertpapierkäufen die
davor getätigt wurden, sind spätestens drei Jahre nach Kaufdatum verjährt
und die Schadensersatzansprüche damit hinfällig.
Fahrlässig oder mit
Vorsatz gehandelt?
Einen Hoffnungsschimmer gibt es für geprellte Anleger dennoch: Die relevante Frage: hat die Bank nur fahrlässig oder gar vorsätzlich gehandelt? In
einem ebenfalls von der Kirchentellinsfurter Kanzlei erstrittenen Urteil des
BGHs vom Mai 2009 heißt es nämlich: Wenn feststeht, dass eine Bank falsch
beraten hat, dann muss sie beweisen, dass sie nicht vorsätzlich gehandelt hat.
»Ist dies der Fall, gilt die kurze dreijährige Verjährungsfrist nicht und im Prinzip kann man dann die letzten 30 Jahre schadensersatzrechtlich aufrollen«,
erklärt Andreas Tilp. Bleibt es dagegen bei der Fahrlässigkeit, gilt die dreijährige Frist wie gehabt.
Den Weg zu Gericht muss am Ende jeder selbst bestreiten. Viele private
und institutionelle Geschädigte schrecken davor jedoch zurück. Ein langwieriges Procedere, hohe Kosten und nicht zuletzt das strukturelle Kräfteungleichgewicht halten viele davon ab, zu klagen. An dieser Stelle bringt
Andreas Tilp zwei entscheidende Instrumente ins Spiel: Prozesskostenfinanzierer, die dem Anleger das Risiko der Gerichtskosten abnehmen und sogenannte Erfolgsgebühren, die den Anwalt im
Falle eines Siegs am erstrittenen Erfolg beteiligen. Verliert
er, sieht er keinen Cent. Darüber hinaus fordert Tilp
nach amerikanischem Vorbild: »Wir brauchen
endlich Sammelklagen!« In Deutschland gibt
es diese (bisher) nicht. »Wir brauchen in Deutschland eine Klägerindustrie, als Gegenstück zur Schädigerindustrie!«
Durch Sammelklagen werden die Rechtsansprüche vieler gebündelt und kostengünstig verfolgt. Letztlich würden dadurch auch die Gerichte entlastet.
Die Gerichtskosten in Deutschland sind mit die höchsten in Europa.
Fachanwalt für Finanzrecht – ein krisensicherer Job? »Unser Bereich ist
ein boomender Zweig«, erklärt Tilp. »Jeden Tag werden neue Produkte kreiert, die aus meiner Sicht nur ein Ziel haben: Den Kunden zu schröpfen.« Andreas Tilp, der in seiner Kanzlei drei neue Anwälte eingestellt hat, bringt deshalb ernsthaft die Frage an, ob es eine faire Finanzdienstleistungsindustrie
überhaupt geben kann.
Fotos: Gerlinde Trinkhaus
43
GEA-Wirtschaftsmagazin
GEA-Wirtschaftsmagazin
rationen bereits gefolgt sind,
hält Herrmann für überzogen.
Nicht nur wegen der dramatisch hohen Abbrecherquoten an den Hochschulen
und Universitäten, sondern
auch wegen des Ungleichgewichts der Abschlüsse.
Im internationalen Vergleich tun sich Fragen
auf, was die Gleichbehandlung betrifft. »Viele
Abschlüsse, die bei uns
normale berufliche Abschlüsse sind, werden im
Ausland bereits wie Collegeoder Bachelor-Abschlüsse bewertet.«
Herrmann: »Hier werden Äpfel mit Birnen
verglichen.«
Walter Herrmann (links), Landrat Thomas
Reumann (Mitte) und Sozialministerin von
Baden-Württemberg, Monika Stolz, im
Gespräch mit Auszubildenden bei Wafios
Fotos: WA
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»Demografische Perspektive
ist dramatisch«
»Egal, ob wir heute einen Fachkräftemangel haben oder
nicht, wir werden ihn bekommen«, sagt Walter Herrmann,
stellvertretender Hauptgeschäftsführer der IHK Reutlingen.
Er ist zuständig für die Aus- und Weiterbildung.
Von Hans Jörg Conzelmann
Die demografische Perspektive ist dramatisch.
Die Zahl der Schulabgänger wird in den nächsten Jahren abnehmen, die der Bewerber für eine
betriebliche Ausbildung deshalb auch. Bereits in
diesem Jahr berichteten viele Unternehmer, der
Andrang an Bewerbern für das jetzt gestartete
neue Ausbildungsjahr 2010 sei spürbar zurückgegangen. Die Prognose laut Statistischem Landesamt für das Jahr 2015: Die Gesamtzahl der
Grundschüler in der Region Neckar-Alb nimmt
um 20 Prozent ab, die der Hauptschüler um 33
Prozent. Ingesamt wird die Region Neckar-Alb
18 Prozent weniger Schüler haben als jetzt. Der
Rückgang ist stärker als im Landesdurchschnitt:
In ganz Baden-Württemberg sind es 15 Prozent
weniger Schüler als heute.
Konkurrenz zur beruflichen Ausbildung sieht
Herrmann im Studium. Immer mehr Schülerinnen und Schüler wechseln direkt nach der Grundschule in die Gymnasien oder später in die Beruflichen Gymnasien oder Vollzeitschulen. Man
kann davon ausgehen, dass Jugendliche mit entsprechenden Abschlüssen dann – zumindest in
der Mehrzahl – auch studieren wollen. Die Hochschulen im Land, auch in der Region, bauen derzeit ihre Kapazitäten aus. »Und sie werden sicher
bestrebt sein, diese Kapazitäten in absehbarer Zeit
auszulasten«, prophezeit Herrmann.
Den allseitigen politischen Appell zur akademischen Laufbahn, dem zahlreiche Schülergene-
Höheres Eintrittsalter
in das Berufsleben
Die Neigung zum Studium führt zum höheren
Eintrittsalter ins Berufsleben. Und die Studenten
kommen möglicherweise mit zu hohen Erwartungen in die Betriebe. Dennoch soll derjenige
studieren, der weiß, warum und der eine klare Perspektive vor Augen hat. »Trotzdem muss klar
werden, welche Chancen junge Leute in Betrieben haben«, fordert Herrmann. Der Jugend
räumt er umso größere Chancen ein, je weniger
Bewerber auf dem Markt sind. Denn die Zahl der
Konkurrenten sinkt.
Was bedeutet das für die Betriebe? Der Anteil
der Auszubildenden mit Abitur liegt seit Jahren
zwischen 12 und 15 Prozent. Wenn aber die meisten Abiturienten ein Studium anfangen, fehlen
immer mehr Bewerber in der betrieblichen Aus-
bildung. Die Zahl der Schulabgänger, auch die mit
mittlerem Bildungsabschluss, die direkt in die betriebliche Ausbildung wechseln, sinkt.
Der Wettbewerb um diese Bewerberinnen und
Bewerber wird daher unter den Betrieben zunehmen. Und das ist auch gut so, findet Herrmann:
»Die Unternehmen müssen die Qualität und das
Image ihrer qualifizierten Ausbildung weiter ausbauen, sie müssen ihre Attraktivität für junge
Menschen deutlich machen und unter Beweis
stellen.« Herrmanns Ratschlag an die Betriebe:
»Werben Sie für sich, wo immer es geht.« Wichtig sei der Gang in die allgemeinbildenden Schulen, um frühzeitig künftige Nachwuchskräfte kennenzulernen und ihnen Chancen aufzuzeigen.
Die IHK Reutlingen unterstützt dabei ihre Mitglieder. 1997 hat die IHK eine regionale Lehrstellen-Initiative ins Leben gerufen, an der sich
Handwerkskammer, Agentur für Arbeit und
Schulen beteiligen. Das Ziel war von Anfang an:
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»Für Schüler und Jugendliche Perspektiven aufzeigen, was in der betrieblichen Ausbildung
in der Region Neckar-Alb möglich ist.« 2004 startete die IHK zusätzlich die Kampagne »Wirtschaft macht Schule – machen Sie mit!« Das Angebot richtet sich an Unternehmen und Schulen
gleichermaßen. Die eigens eingerichtete IHK-Servicestelle »Wirtschaft macht Schule« bringt Vertreterinnen und Vertreter aus Schulen mit Betrieben zusammen.
Reutlinger Modell
gutes Beispiel
Leuchtendes Beispiel für eine gelungene Kooperation sei das »Reutlinger Modell«, eine
Kombination aus einer Facharbeiterausbildung
zum Industriemechaniker und einem Studium an
der Hochschule Reutlingen im Studiengang Maschinenbau. Innerhalb der ersten beiden Jahre absolviert der Schüler die komplette FacharbeiterAusbildung zum Industriemechaniker in einem
Ausbildungsbetrieb inklusive Berufsschul-Blockunterricht an der Ferdinand-von-Steinbeis-Schule.
Die gesamte Studiendauer ist nur geringfügig länger als bei einem reinen Hochschulstudium, da
das vorgeschriebene Vorpraktikum durch die
Facharbeiterausbildung entfällt und das Praxissemester in zwei Blöcken in den Semesterferien geleistet werden kann. »Das ist eine sehr gute Perspektive für Abiturienten.«
Zusätzlich wird der zweite Bildungsweg frührerer Jahre wieder aktiviert. Die Bildungslandschaft in der Region ist dadurch vielfältiger geworden: an der Beruflichen Schule in Rottenburg
wurde vor zwei Jahren eine neue Wirtschaftsoberschule eingerichtet. Wer einen mittleren Bildungsabschluss sowie eine abgeschlossene Berufsausbildung in einem kaufmännischen Beruf
hat, kann dort das Abitur machen. Ähnliches gibt
es für technische Berufe in Balingen. »Es werden
hier Wege aufgemacht für Menschen mit mittlerer Reife und Berufserfahrung.«
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WWW.HANDWERK.DE
GEA-Wirtschaftsmagazin
WWW.HWK-REUTLINGEN.DE
Kolumne: Philosophisches zur Mode
Oscar Wilde: Man kann die Seele
nicht durch die Sinne heilen
Korrektur am Ich
Die Philosophie der Kleider ist die Philosophie des Menschen. Im Kleid steckt die ganze
Anthropologie. Zwar sind die Kleider nicht in
erster Linie Bedeckung der Scham; aber sie
sind Korrekturen am menschlichen Ich. Der
Mensch, der sich kleidet, macht sich damit zu
einem Stück Welt. Der Akt des Kleidens besagt
eine Abwendung vom Selbst, ein Sich-verstellen-als-Welt. Gerhardus Leeuw
Verwandlung
Kleider, glückselige Erfindung! Nur Kleider
machen das, was Tugend und Verdienste, Redlichkeit und Liebe zum Vaterlande vergebens
unternehmen. Nunmehr ist mir nichts so lächerlich als ein ehrlicher Mann in einem
schlechten Anzug; Eine ängstliche Bemühung
bringt ihn in dreißig Jahren zu der Hochachtung
nicht, zu welcher er durch ein prächtiges Kleid
in vierundzwanzig Stunden gelangen kann.
Gottlieb Wilhelm Rabener
Das Kleid macht den Mann
Dass das Kleid den Mann mache, gilt in gewissem Maße auch für den Verständigen. Das
russische Sprichwort sagt zwar »Man empfängt
den Gast nach dem Kleide und begleitet ihn
nach seinem Verstande«, aber der Verstand
kann doch den Eindruck dunkeler Vorstellungen von einer gewissen Wichtigkeit, den eine
wohl gekleidete Person macht, nicht verhüten,
sondern allenfalls nur das vorläufig über sie gefällte Urteil hintennach zu berichtigen den Vorsatz haben. Immanuel Kant
Theater der Eitelkeiten
Bevor die Mode noch nicht die Massen erreicht hatte, war vertikale soziale Migration weniger möglich und üblich als im 20. und 21.
Jahrhundert. Verbunden mit dem sozialen Status war die fest reglementierte Verwendung von
Standestrachten. Jeder spielte seine soziale Rolle
in den Kleidern, die seiner Rolle entsprachen.
Heute haben die großen Formen der Geselligkeit mit ihren Empfängen, ihren Festen immer
einen mehr oder weniger maskierenden Spielcharakter, wo es Auftritte, Inszenierungen,
große Posen, Selbstpräsentationen, ein Theater
der Leidenschaften und Eitelkeiten gibt.
Eugen Fink
Stil des Konsums
Der Mode-Mythos ist die verklärende Erzählung der Mode-Werbung; sie will glauben machen, der Anbieter der Mode verkaufe mit dem
Gut gleichzeitig ein Metagut, z. B. Pralinen mit
»Liebesfüllung« oder Jeans mit Jugendlichkeit.
Das Konsumgut Zigarette birgt die
Metagüter Freiheit und Abenteuer:
damit wird Zigarettenkonsum
(Lifestyle) als Mittel zur Erlangung der Metagüter Freiheit
und Abenteuer dargestellt.
Lifestyle wird als Lebenskunst vermarktet: der
nach Freiheit strebende
Mensch begnügt sich
unter Umständen mit
dem Konsum einer
Zigarette. Lifestyle – im Jargon
der Werbung –
darf jedoch
nicht einfach
mit Lebensstil übersetzt und
gleichgesetzt
werden, sondern ist schlicht ein
»Stil des Konsums«, der keine
notwendige Bedingung für die Lebenskunst darstellt. Wilhelm Schmid
Tod und Geburt
Dieser Wechsel der Stile birgt das Verschwinden der alten und das Emporkommen
der neuen Mode, wie der Leib – platonisch gedacht – Tod und Geburt erfährt und nicht wie
die Seele unsterblich ist. Auf die Mode übertragen »stirbt« ein Stil der Mode, wenn ein neuer
geboren wird. »Die Mode ist tot, es lebe die
Mode« lautet die Überschrift eines Kapitels, das
die Mode in der Postmoderne untersucht. Der
Designer, als Gebärender, ist wie als Henker für
die Neuerschaffung der neuen Mode und damit
indirekt für den Tod der alten verantwortlich.
Die neue Mode verdrängt und »tötet« durch
ihre umgreifende Präsenz die alte. Der »Mord«
der neuen Mode an der alten Mode ist unumgänglich, denn die Zyklen der Mode und ihr
Wechseln haben einen autopoietischen Charakter erlangt. Weder der Designer noch der
einzelne Konsument sind in der Lage, die Zyklen der Mode, deren Geburt und Tod zu stoppen. Jean Baudrillard
Pseudo-Katharsis
In modernen Gesellschaften beabsichtigen die
Vermarkter
von Konsumprodukten die freigewordenen
Sinn-Lücken mit
Metagütern zu besetzen. Konsumaffine, kompensatorische Ersatzhandlungen, verschaffen jedoch
nur scheinbare Katharsis,
weil sie nicht nachhaltig
von Affekten reinigen, sondern diese überlagern. Die
Pseudo-Katharsis des Konsums
ist eine Symptombekämpfung
und keine Therapie. Eine Person
mit einem schwach ausgeprägten
Selbstbewusstsein wird dieses durch
exklusive Markenprodukte allenfalls
vorübergehend, jedoch nicht dauerhaft
stärken. Eine Katharsis, hier: eine nachhaltige Reinigung oder Entladung, beispielsweise
von der Angst der Inferiorität, muss durch die
psychische Tiefe eines Indivuums erfolgen, da
man nicht die Seele durch die Sinne heilen
kann. Oscar Wilde
*Roman Meinhold: Der Mode-Mythos: Lifestyle als Lebenskunst. Königshausen & Neumann.Würzburg 2005
Sie finden uns
in der Seitenstraße,
der Hauptstraße
und sogar in der
Milchstraße.
Das Handwerk ist nicht nur einer der größten Wirtschaftsbereiche Deutschlands,
sondern auch einer der innovativsten. Jedes Jahr entwickeln fast 1 Million Handwerksbetriebe mehr als 150.000 Innovationen, die uns das Leben erleichtern und
verschönern.Vom Spreizdübel bis zum Picosatelliten.Wer so viel erfindet, erfindet vor
allem eins immer wieder neu: sich selbst. Überzeugen Sie sich: www.handwerk.de
Statistikservice für Textiler
Aus welchen Ländern importiert Deutschland die meisten
Miederwaren?
Was kostet Nachtwäsche aus China?
Wie hoch ist die Ausfuhr
von Damenpullis nach
Russland?
Die Antworten auf diese umfangreichen Fragen liefert im Handumdrehen das Datenportal der Textilverbände Gesamtmasche und
Südwesttextil.
Nichts ist zeitraubender und ärgerlicher als sich mühsam und zäh aus
unterschiedlichsten Quellen Daten
herausfiltern zu müssen. Und wenig ist überzeugender als im Geschäftsleben mit fundiertem Zahlenmaterial zu arbeiten. Mit Hilfe
dieser modernen, komfortablen
und benutzerfreundlichen Internetplattform lassen sich individuelle
Auswertungen über eine riesige
Datenmenge erstellen – schnell
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Import- und Exportbilanzen der
textilen Branche, Konjunkturdaten
und Geschäftsklimaindex werden
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Grafiken präsentiert, können archiviert und als Excel-Tabellen ausgedruckt werden.
Die einfache und intuitive Menüführung unterstützt den Benutzer
beim Erstellen seiner individuellen
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monatlich aktualisierten Daten.
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Anmeldung unter info@suedwesttextil.de