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Inhalt 1. Einleitung................................................................................................................. 1 2. Datenerhebung zur Integration im Fußball.............................................................. 2 ¾ FC Bayern München................................................................................................ 4 ¾ FC Schalke 04.......................................................................................................... 4 ¾ Bayer 04 Leverkusen ............................................................................................... 4 ¾ 1.FC Kaiserslautern ................................................................................................. 4 ¾ Alemannia Aachen................................................................................................... 5 ¾ Karlsruher SC Phönix-Mühlberg ............................................................................. 5 ¾ Interview Anthony Baffoe ....................................................................................... 5 ¾ Interview Spielerberater........................................................................................... 5 3. Integrationsideale versus tatsächliche Integration? ................................................. 6 ¾ Definitionen ‚Integration’ ........................................................................................ 6 ¾ Vorüberlegungen und Vertragsgespräche................................................................ 7 ¾ Integration................................................................................................................ 8 ¾ Konkurrenzdenken und Rassismus........................................................................ 10 4. Nationale Identitäten und rechtspolitische Zusammenhänge ................................ 12 5. Unternehmer-Kultur und Process Communication Model (PCM) ........................ 16 ¾ Unternehmer-Klima ............................................................................................... 17 ¾ Process Communication Model (PCM)................................................................. 17 ¾ Anwendbarkeit allgemeiner Unternehmensstrategien auf den Profifußball.......... 18 6. Zusammenfassung ................................................................................................. 20 7. Literatur ................................................................................................................. 23 8. Anhänge:................................................................................................................ 26 ¾ Anhang 1: Fragenkatalog Spieler .......................................................................... 26 ¾ Anhang 2: Fragenkatalog Vereinsvertreter............................................................ 32 ¾ Anhang 3: Fragenkatalog Berater .......................................................................... 36 ¾ Anhang 4: Abbildungen – Ausländerzahlen in der Fußballbundesliga ................. 40 ¾ Anhang 5: Unternehmer-Kultur............................................................................. 42 ¾ Anhang 6: Möglicher Evaluationsbogen für Fußballvereine:................................ 43 ¾ Anhang 7: Vermutetes Klima-Profil bei Profifußballvereinen.............................. 50 ¾ Anhang 8: Interview Anthony Baffoe: .................................................................. 51 ¾ Anhang 9: Mindmap Zusammenhänge.................................................................. 97 1. Einleitung „Den Fußball gibt es seit über 2000 Jahren. Auch in 2000 Jahren wird er noch da sein, weil er einem Grundinstinkt des Menschen entspricht und der Ball kugelrund ist, wie die Erde.“ Joseph Blatter – FIFA Präsident (zitiert aus: FIFA 2005a) Die vorliegende Arbeit setzt sich mit der Frage auseinander, inwieweit ausländische Spieler in der deutschen Fußballbundesliga integriert werden, wie die verschiedenen an diesem Prozess Beteiligten sich mit dem komplexen Thema der Integration auseinandersetzen und was für eine Bedeutung die Integration der Spieler nicht nur für sie persönlich, sondern auch für die Vereine, die Fans und die Gesellschaft allgemein spielt. Um die Arbeit so nah wie möglich am tatsächlichen Vereinsgeschehen orientieren zu können, wurde mit Unterstützung einiger ausgewählter Vereine der Ersten und Zweiten Fußballbundesliga, eine Forschung durchgeführt. Zu diesem Zwecke wurden Interviews mit verschiedenen Personengruppen innerhalb des Vereinsgeschehens und Spielerberatern, die größtenteils vereinsunabhängig arbeiten, sowie mit dem ehemaligen Fußballspieler Anthony Baffoe, dem ersten schwarzen Bundesligaspieler und Spieler der ghanaischen Nationalmannschaft, geführt. Damit der Leser einen Überblick über das Forschungsfeld bekommt, wird schon zu Beginn der Arbeit ein kurzer Abriss der eigenen Daten gegeben. Soweit nicht anders angegeben, beziehen sich die Daten auf die Rückrunde der Saison 2004/ 2005. Die Angaben über das Angestelltenverhältnis der jeweiligen Personen beruhen auf dem Stand des Zeitpunktes des Interviews in dem jeweiligen Verein, der sich bisweilen schon kurz nach dem Interview geändert hatte, da Fußball ein schnelllebiges Geschäft ist. Ziel der Interviews war es, Integrationsmechanismen und den Umgang mit aus dem Ausland stammenden Spielern herauszustellen. Hierbei ging es insbesondere um die Frage, welche Integrationsmechanismen es in den Vereinen gibt, wie Vereinsoffizielle und Spieler diese reflektieren und inwieweit die Integrationsideale, die in den Vereinen herrschen, tatsächlich umsetzbar sind beziehungsweise bereits umgesetzt werden. In dem Kapitel ‚Integrationsideale versus tatsächliche Integration?’ findet schließlich eine detaillierte Auswertung der Interviewdaten statt. Hierbei wird in erster Linie untersucht, inwieweit die offiziellen Integrationsideale auch der tatsächlich stattfindenden Integration entsprechen. Ein weiterer Untersuchungsschwerpunkt ist, herauszuarbeiten, wie die Vereinsvertreter die Integrationsmechanismen innerhalb ihres Vereins reflektieren. Zudem wurde betrachtet, ob dies auch der Wahrnehmung der Spieler und ihrer Betreuer entspricht und inwiefern hier ein Bezug zum Ausländerbild in der Zivilgesellschaft hergestellt werden kann. 1 Da Integration immer sowohl im Arbeitsumfeld als auch gesellschaftlich stattfinden sollte, wird es als notwendig angesehen, sich sowohl mit rechtspolitischen Zusammenhängen mit der Thematik auseinander zu setzen, als auch zu prüfen, ob die Integration im Fußball den allgemeinen gesellschaftlichen Entwicklungen entspricht, oder ob es sich hier um einen Ausnahmefall handelt, der mit dem sozialen Alltag nicht verglichen werden kann. Da es sich bei professionellen Fußballvereinen in erster Linie auch um wirtschaftliche Unternehmen handelt, muss ebenfalls untersucht werden, ob und inwiefern man sich bei der Integration der Spieler aus dem Ausland mit Konzepten aus dem Bereich der Wirtschaftswissenschaften zu diesem Thema auseinandersetzen kann. Hierfür wird zunächst exemplarisch das Konzept der Unternehmer-Kultur dargelegt, um anschließend darauf einzugehen, inwieweit es auf den Profifußball in Deutschland anwendbar ist oder bereits angewandt wird. Die Fans sind ein wichtiger Bestandteil des Fußballs, der bei einem solchen Thema, insbesondere wegen der durchgehenden Vergleiche mit den allgemeinen gesellschaftlichen Verhältnissen, nicht außer Acht gelassen werden kann. Das Fanverhalten wird lediglich anhand von Sekundärliteratur, aus Sicht der Probanden und durch eigene Erfahrungen und Beobachtungen als Fußballfan aufgearbeitet werden. Zuletzt ist anzumerken, dass sich die vorliegende Arbeit ausschließlich mit der Ersten und Zweiten Liga des Männerfußballs auseinander setzt. Frauenfußball in Deutschland, wie auch die unteren Fußballligen, sind noch nicht so professionalisiert und kommerzialisiert wie die Bundesligen der Männer. Aus diesem Grund ist hier von einem anderen Integrationsbild auszugehen. Da bei der Integration schon im Männerfußball von Verein zu Verein erhebliche Unterschiede zu erkennen waren, würde es an dieser Stelle zu weit führen, den Frauenfußball als weiteren Vergleichsfaktor heranzuziehen. 2. Datenerhebung zur Integration im Fußball „Football is the most popular sport in the world … The Brazilians say: even the smallest village has a church and a football field – well, not always a church, but certainly a football field.” (Kuper 2004: 1) Da Fußball zu den beliebtesten und bekanntesten Sportarten weltweit gehört und vor allem in Deutschland und vielen anderen europäischen Ländern der Volkssport Nummer Eins ist, gibt es selbstverständlich viel populärwissenschaftliche und journalistische Literatur über alle Bereiche des Fußballs. Um diese Arbeit jedoch so realitätsnah wie möglich am Vereinsgeschehen zu gestalten und das Thema möglichst gezielt in Bezug auf die eigene Fragestellung aufarbeiten zu können, sollen auch die betreffenden Personen selbst zu Worte kommen. 2 Dazu wurden jeweils ein Leitfragebogen für Spieler, Vereinsvertreter und Spielerberater (vgl. Anhang 1 und 2, 3) ausgearbeitet. Von den achtzehn angeschriebenen Vereinen der Ersten und sechs der Zweiten Bundesliga, erklärten sich die folgenden Vereine freundlicherweise zu einer Zusammenarbeit bereit: ¾ FC Bayern München ¾ FC Schalke 04 ¾ Bayer 04 Leverkusen ¾ 1.FC Kaiserslautern ¾ Alemannia Aachen ¾ Karlsruher SC Interviews waren hier mit aktiven, ausländischen stammenden Spielern, sowie offiziellen Vereinsvertretern aus den Bereichen Presse, sportliche Leitung, Management, Spielerbetreuung und Trainerstab möglich. Die vielen verschiedenen Bereiche der interviewten Vereinsvertreter rühren in erster Linie daher, dass, je nach Verein, Menschen aus unterschiedlichen Bereichen für Spielerbetreuung und Integrationsarbeiten zuständig sind. Daher sind die Informationen durchaus miteinander vergleichbar und können bei der Auswertung in ähnlicher Weise herangezogen werden. Zudem spiegeln sie gut die Unterschiede wider, die es bei der Integration der Spieler zwischen den verschiedenen Vereinen gibt. Vereine aus den neuen Bundesländern und vor allem das Fanverhalten in den neuen Bundesländern wurden seitens der Probanden wiederholt als Negativbeispiele angeführt. Daher wäre es interessant gewesen, auch in einem der vier ostdeutschen Zweitligavereine Interviews zu führen. Von diesen erklärte sich jedoch leider keiner zu einer Kooperation bereit. Im Laufe der Interviews wurde seitens der Spieler bestätigt, dass die ersten Ansprechpartner bei Problemen oft ihre Spielerberater sind. Diese werden allerdings von den Vereinen lediglich als ‚notwendiges Übel’ hingenommen. Um die Rolle der Spielerberater bezüglich der Integration ausländischer Spieler zu untersuchen, wurde zusätzlich Kontakt zu Beratern aufgenommen. Zu den oben aufgeführten Interviews kamen also in der Folge noch drei weitere Interviews mit Spielerberatern, von denen einer in einem getrennten Interview ebenfalls in seiner Funktion als Pressesprecher interviewt wurde, hinzu. Während der Interviews stellte sich heraus, dass es keine einheitliche Integrationsstrategien gibt, sondern dass es, in jedem der kooperierenden Vereine sehr individuelle Meinungen und Strategien zur Integration der aus dem Ausland stammenden Spieler gibt. Bei den Probanden handelt es sich um Personen des öffentlichen Lebens, gerade deshalb ist es wichtig, den interviewten Personen eine gewisse ‚Anonymität’ zu wahren. Um dies garantieren zu können, wird die allgemeine Datenauswertung ohne Nennung von Vereinsund Personennamen stattfinden. Dennoch soll der Leser eine Einsicht in den Umfang der interviewten Personen bekommen. Zu diesem Zweck wird im Folgenden eine Übersicht über die Probanden gegeben. Eine Ausnahme hierfür ist Anthony Baffoe, der die ausdrückliche 3 Einwilligung und den Wunsch zur Namensnennung geäußert hat (Interview siehe Anhang 8). ¾ FC Bayern München Interviewpartner beim FC Bayern München war Roman Grill. In einem circa einstündigen persönlichen Gespräch wurde er in seiner Position als Pressesprecher des FC Bayern München sowie in einem etwa 40-minütigen telephonischen Interview in seiner Funktion als persönlicher Berater des Spielers Owen Hargreaves interviewt. Ein 45-minütiges Spielergespräch war beim FC Bayern München mit dem englischen Nationalspieler Owen Hargreaves möglich, der seit seinem sechzehnten Lebensjahr für die Bayern spielt. Interessant ist vor allem auch die Tatsache, dass Owen Hargreaves nicht nur in Deutschland Migrant ist, sondern auch als Sohn einer englisch-walisischen Zuwandererfamilie in Kanada aufgewachsen ist, was den 24-jährigen in seinem Denken stark beeinflusst zu haben scheint. ¾ FC Schalke 04 Interviewpartner bei ‚Schalke 04’ war zunächst Vorstandsmitglied Andreas Müller, früher selbst Bundesligaspieler bei VFB Stuttgart, Hannover 96 und Schalke 04. Ein Spielergespräch fand beim FC Schalke 04 mit dem uruguayischen Nationalspieler Darío Rodriguez statt. Der heute 30-jährige Abwehrspieler ist seit 2002 bei Schalke unter Vertrag. Zudem gab es ein circa 25-minütiges Interview mit den beiden Brasilianern Goncalves da Silva Ailton und Cassio de Souza Soares alias Lincoln. ¾ Bayer 04 Leverkusen Bei Bayer 04 Leverkusen waren die Interviewpartner der Sportpädagoge Frank Ditgens, , der bei Bayer als pädagogischer Leiter für die Betreuung der ausländischen Spieler zuständig ist, sowie der Spielerbetreuer Carlos de Freitas. Letzter der selbst Brasilianer ist, übernimmt seit 2004 die Betreuung der brasilianischen Spieler von Bayer Leverkusen. Die Möglichkeit zu Spielerinterviews gab es bei Bayer 04 Leverkusen leider nicht. ¾ 1. FC Kaiserslautern Beim 1.FC Kaiserslautern war ein Interview mit dem Team-Manager Olaf Marschall möglich. Der 59-jährige frühere Nationalspieler ist in der DDR aufgewachsen. Von 1994 bis 2002 spielte er für den 1.FCK mit dem er 1996 den DFB-Pokal sowie 1998 die deutsche Meisterschaft gewann. Ein Spielergespräch fand beim 1.FC Kaiserslautern mit dem Griechen Ioannis Amanatidis statt. Der heute 23-jährige kam im Alter von neun Jahren als Sohn griechischer Einwanderer nach Stuttgart, wo er seither aufwuchs. Im Sommer 2004 kam er zum 1.FCK. Als einziges ‚Zuwandererkind’ unter den befragten aktiven Spielern war Ioannis Amanatidis für diese Arbeit besonders interessant. 4 ¾ Alemannia Aachen Ein Interview am ‚Tivoli’, dem Stadion von Alemannia Aachen, war mit Susanne Czennia, Assistentin der sportlichen Leitung, möglich. Als einzige Frau unter den Interviewpartnern spielt sie für die Forschung eine besondere Rolle. Susanne Czennia ist in Aachen die Ansprechpartnerin zum Thema Integration und ist ein wichtiger Ansprechpartner für die Spieler. Auch in dem Interview fiel auf, dass sie sich intensiv mit dem Thema Integration beschäftigt. ¾ Karlsruher SC Phönix-Mühlberg ‚Ede’ Becker ist seit 25 Jahren Mitglied beim KSC. Von 1980 bis 1985 war er hier selbst Spieler. Seit 2004 hat er die Position des Cheftrainers der ersten Mannschaft des Karlsruher Sport-Clubs inne. Der tschechische Stürmer Jiri Kaufman spielt seit Beginn der Saison 2005/2006 für den badischen Verein. Zum Zeitpunkt des Interviews war er daher erst seit einigen Wochen beim KSC, der ihn von Hannover 96 nach Baden geholt hatte. ¾ Interview Anthony Baffoe Der Sohn eines ghanaischen Diplomaten war der erste schwarze Bundesligaspieler und schaffte 1991 auch den Sprung in die ghanaische Nationalelf. Während heute fast jeder Bundesligaclub mindestens einen schwarzen Spieler beschäftigt, war Anthony Baffoe in den 80er Jahren noch ein ‚Exot’ in der Liga. Jedoch hatte er das Glück, in den meisten Stadien eher Publikumsliebling zu sein und daher nur selten Probleme mit Rassismus zu haben. Dennoch hat auch er negative Erfahrungen mit gegnerischen Fans gemacht, die Bananen nach ihm schmissen oder ihn mit „husch, husch, husch, Neger in den Busch“ – Rufen provozierten (Anthony Baffoe – eigenes Interview). Der heute 40-jährige setzt die diplomatische Arbeit seines Vaters im Fußball fort und engagiert sich in verschiedenen Kampagnen und Organisationen, wie zum Beispiel Football Against Racism in Europe (FARE) gegen Ausländerdiskriminierung. Heute arbeitet Anthony Baffoe für die BBC und ist Pate der U13Mannschaft seines früheren Vereins 1.FC Köln. ¾ Interview Spielerberater Die Position eines Spielerberaters wird im Ligageschäft ambivalent angesehen. Während sie seitens der Vereine meist nur als notwendiges Übel oder als „elende Kröten, die man eben schlucken muss, wenn ein Verein einen Spieler unbedingt haben will“ (Zeit-Online 2000) angesehen werden, sehen die Spieler ihre Berater, die sie auch über Vereinswechsel hinweg weiter betreut, oft als ersten Ansprechpartner in Problemsituation innerhalb und außerhalb des fußballerischen Alltags an. 5 Der ausgebildete Zeitungsredakteur Dirk Lips (DL Sportmanagement) war vor seiner Arbeit als Spielerbetreuer als Redakteur im Bereich Landespolitik und Sport bei einer Tageszeitung tätig. Seit zwanzig Jahren arbeitet er im fußballerischen Bereich, wo er zunächst als Pressechef des VFB Stuttgart beschäftigt war, bevor er in die Spielerberatung wechselte und seine FIFA Agents Licence machte. Zehn Jahre lang war der heute 43-jährige dann Partner in einer Personengesellschaft im Bereich Spielerberatung, bevor er sich vor zwei Jahren mit seiner eigenen Beraterfirma DL Sportmanagement selbstständig machte. Der 32-jährige Spielerberater Alen Augustincic (Soccertalk Sportmanagement) gründete Ende 2000 nach seinem Studium in Sport, Psychologie und Rhetorik die Spielerbetreueragentur Soccertalk. Hier arbeitet er seit 2003 mit Julian Syha und seit 2004 mit Sascha Breese zusammen. Im Jahr 2002 machte Alen Augustincic seine FIFA Agents Licence und hat zur Zeit neunzehn Spieler aus der Ersten und drei Spieler der Zweiten Bundesliga unter Vertrag. 3. Integrationsideale versus tatsächliche Integration? „...eine der verbreitetsten Aktivitäten der ‚menschlichen Familie’ ist das Fußballspiel, das nahezu ein universales menschliches Bedürfnis zu sein scheint: Für die Dauer des Spiels sind Herkunft, Glaube und Status bedeutungslos – es gibt keinen Unterschied zwischen einem Häftling und einem Mönch, einem Franzosen oder einem Sudanesen. Solange das Spiel andauert, sind alle Hierarchien aufgehoben.“ (Kuper 2002: 7) In diesem Kapitel werden die Ergebnisse der eigenen Forschung systematisch aufgearbeitet und ein Überblick über das breite Spektrum der Meinungen zu diesem Thema gegeben. Die Aufarbeitung erfolgt ähnlich strukturiert wie die Fragebögen für Vereinsvertreter und Spielerberater: von den Vorüberlegungen zur Einstellung eines neuen Spielers über Vertragsgespräche bis hin zur Integration der Spieler und ihrer Familien innerhalb und außerhalb der Vereine unter Berücksichtigung der verschiedenen Faktoren, die Einfluss auf die Integration haben. Wie eingangs beschrieben, verläuft die Integration in den verschiedenen untersuchten Vereinen auf völlig unterschiedliche Weise, so dass es nicht möglich ist, eine allgemeingültige Aussage über die Integration der Spieler aus dem Ausland in Vereinen zu treffen. Auch seitens der befragten Spielerberater wurde immer wieder bestätigt, dass sich hierüber keine allgemeinen Aussagen machen lassen, da es immer auf den jeweiligen Verein und die jeweiligen Menschen ankäme. Dieses Kapitel legt daher die subjektiven Empfindungen und Auffassungen der Probanden zu den einzelnen Themenbereichen rund um die Integration dar. ¾ Definitionen ‚Integration’ Um den Integrationsprozess als Ganzes verstehen zu können, war es zunächst vonnöten, sich von den Probanden definieren zu lassen, was sie unter dem Begriff ‚Integration’ verstehen 6 und was er für sie umfasst. Schon hier ging das Meinungsbild sehr auseinander. Während einige der Vereinsoffiziellen der Meinung waren, Integration bedeute, dass die Spieler die Möglichkeit bekommen müssten, sich in der ‚neuen Welt’ zurechtzufinden und wohl zu fühlen, ohne aber ihre eigenen täglichen Angewohnheiten, Vorlieben und Attitüden ablegen zu müssen, meinte ein anderer schlicht „Integration bedeutet Anpassung. (...) Ich kann nicht in `nem andern Land so Leben wie ich will“ (Vereinsvertreter – eigenes Interview). Ein weiterer Aspekt war beispielsweise die Teilnahme der Spieler an ‚Mannschaftsprozessen’ während, aber auch außerhalb des unmittelbaren Vereinsgeschehens. Interessant war hierbei besonders die divergierende Gewichtung zwischen Anforderungen an die Spieler und Möglichkeiten zur Unterstützung für eine erfolgreiche Integration. Während einige Befragten aller Bereiche bei der Definition fast ausschließlich über die Anforderungen sprachen, die ein Spieler erfüllen müsse, damit eine Integration erfolgreich verlaufen könne, legten andere das Gewicht in erster Linie auf die Bedingungen, die durch das berufliche Umfeld, also Vereine und Berater, erfüllt werden sollten, damit es einem Spieler erleichtert würde sich in den Verein zu integrieren. Nur in wenigen Fällen wurden beide Aspekte deutlich angesprochen. Bereits hier wird deutlich, wie individuell die Ergebnisse der Interviews zu werten sind. Hätte man – auch innerhalb der jeweiligen Vereine – noch weitere Befragungen zu diesem Thema durchgeführt, wäre das Bild daher vermutlich nicht einheitlicher geworden. Sowohl Spieler als auch Vereinsvertreter und Berater waren sich jedoch einig, dass es für eine Integration dringend vonnöten ist, die Sprache des Landes, in dem man gerade lebt, zu lernen, um sich in diesem Land überhaupt zurechtfinden zu können. ¾ Vorüberlegungen und Vertragsgespräche Um die Integrationsmechanismen in den Vereinen verstehen zu können war es zunächst wichtig, zu untersuchen, welche Vorüberlegungen seitens der verschiedenen Parteien getroffen werden, bevor man sich für einen Spieler oder einen Verein entscheidet, und welche Faktoren hierbei besonders wichtig sind. Des Weiteren wurde herausgearbeitet, auf welche Aspekte bei Vertragsverhandlungen besonderes Augenmerk gerichtet wird. Sowohl Vereinsvertreter wie auch Berater äußerten sich erwartungsgemäß unisono, dass bei der Suche nach einem Spieler in erster Linie besonders auf rein sportliche Aspekte geachtet wird. In einem Verein überlegt man sich zunächst, auf welchen Positionen man sich durch neue Spieler verstärken könnte. Als Nächstes wird geprüft, wie viel ein solcher Spieler kosten darf und aus welchen Ländern nach aktuellen Ausländerbeschränkungen keine Spieler verpflicht werden dürfen. Erst an vierter Stelle wird darauf geachtet, ob ein Spieler, auch charakterlich 7 und vom Verhalten in die Mannschaft, in den Verein und zu den Fans passen könnte. Die Vereine entsenden hierfür Scouts, die Spieler im In- und Ausland in Hinblick darauf beobachten, wie sie sich in bestimmten Situationen auf dem und außerhalb des Spielfeldes verhalten, um abzuschätzen, ob sie zu der Mannschaft, für die sie gekauft werden sollen, passen. Die Nationalität der Fußballer spielt bei den Vorüberlegungen und der Auswahl, vor allem in Hinblick auf die Ausländerbeschränkungen, eine Rolle. Allerdings gaben fast alle befragten Vereinsvertreter an, dass die Tendenz immer mehr wieder dahin zurück geht, sich zunächst im Inland nach Spielern umzuschauen. Ein inländischer Spieler sei an die Umgangsformen in Deutschland und im deutschen Fußball gewohnt, wodurch die Integration stark erleichtert werde. Eine ‚Verwurzelung’ und ein Heimatgefühl, das bei einem deutschen Spieler automatisch vorhanden sei, müsse sich bei einem ausländischen Spieler erst entwickeln. „Und deshalb wollen wir schon den einen oder anderen [ausländischen] Spieler, der zu uns passt und der auch das fußballerische Potential mitbringt, wollen wir schon verpflichten, aber... das soll schon die Minderzahl bleiben“ (Vereinsvertreter – eigenes Interview). Die Spielerberater nennen als Voraussetzung dafür, dass sie einen Spieler unter Vertrag nehmen, neben der ‚sportlichen Qualität’ beziehungsweise dem ‚sportlichen Potential’ eines Spielers zusätzlich seinen Charakter als ausschlaggebend. Zu erkennen, ob ein Spieler den richtigen Charakter für den Erfolg habe, sei „die eigentliche Kunst, denn viele Spieler sind hochtalentiert, haben aber keinen Charakter für den Fußball und schaffen den Durchbruch nicht“ (Spielerberater – eigenes Interview). Die Spieler nennen als Gründe für den Wechsel zu einem bestimmten Verein neben dem finanziellen Aspekt, der, besonders von Spielern aus ärmeren Regionen, als wichtig genannt wurde, auch die Qualität des Vereins und die sportlichen Aussichten für sie selbst. Ein Spieler, der bei seinem Verein nicht spielen kann, kann sich weder für andere Vereine seines Landes empfehlen, noch kann er seine sportliche Leistungsfähigkeit in Spielen austesten und so gezielt fördern. ¾ Integration Wie bereits beschrieben, verläuft die Integration von Verein zu Verein völlig unterschiedlich. Allerdings kann allgemein gesagt werden, dass sich die Vereine oft stark um eine Integration der Spieler im gesellschaftlichen Alltag bemühen, während man im beruflichen Umfeld eher eine Assimilation der Spieler and den Verein erwartet. Jeder Verein hat seine eigenen Mechanismen zur Integration neuer Spieler. Während beispielsweise in einem der Vereine die Spielerfrauen eine wichtige Rolle bei der Integration spielen, weil sie, „während die Jungs trainieren, sich selber miteinander verabreden und 8 Treffen organisieren“ (Vereinsvertreter – eigenes Interview), erklärte ein anderer Vereinsvertreter, dass Spielerfrauen „generell schwierig“ seien und in der Freizeit nur wenig miteinander zu tun haben wollten. Ausländischen Spielern Hilfe bei der Wohnungs- beziehungsweise Haussuche, Einrichtung, Behördengängen und Ähnlichem zur Seite zu stellen ist Standard, der von allen Vereinen angeboten wird. Oft sind die Spieler allerdings nicht ausreichend informiert.. So wissen beispielsweise viele der Spieler, die direkt aus dem Ausland eingekauft werden, nicht, dass sie im Falle eines krankheitsbedingten Ausfalls von mehr als sechs Wochen seitens des Vereins keine Gehaltsfortzahlung mehr bekommen und eine spezielle Versicherung benötigen, um für diese Zeit weiterhin finanziell versorgt zu sein. Über solche weitsichtigeren Aspekte der finanziellen Versorgung muss man die Spieler zunächst aufklären und sie dabei unterstützen, sich diesbezüglich sinnvoll abzusichern. Die Bereitschaft, die deutsche Sprache zu lernen, wurde prinzipiell von allen als Grundvoraussetzung für eine Integration genannt. Allerdings wird diese Bedingung nicht vertraglich festgehalten und lässt sich nach Aussagen von Vereinsoffiziellen auch nur schlecht durchsetzen, wenn das Interesse dafür fehlt. Im Grunde waren sich jedoch alle Befragten einig, dass man zumindest ein Grundverständnis der Sprache benötige und in der Kabine sowie auf dem Platz ohne Dolmetscher auskommen müsse, um eine erfolgreiche Integration ermöglichen zu können. Zudem versuchen die meisten Vereine, den Spielern für eine gesellschaftliche Integration außerhalb des Vereinslebens interessenorientierte Anlaufstellen, wie zum Beispiel Dauerkarten für Spiele einer anderen Sportart, gute Restaurants des Landes aus dem der jeweilige Spieler kommt oder anderweitige Kontakte zu Menschen der gleichen Nationalität, zu vermitteln. Auch Integrationsmöglichkeiten für die Spielerehefrauen und Kinder wurden teilweise als wichtiger Aspekt genannt. Ehefrauen, zumindest von Spielern aus dem Nicht-EUAusland, sind in Deutschland prinzipiell nicht arbeitsberechtigt. Dies kann für die Frauen persönlich, wenn sie es gewohnt waren in ihrer Heimat zu arbeiten, ein Problem darstellen. Umso wichtiger sehen es einige Vereine an, den Ehepartnerinnen Beschäftigungsmöglichkeiten während der Arbeitszeit der Männer anzubieten, die auch dazu dienen sollen, dass die Frauen und Kinder sich besser kennen lernen. Hierfür werden beispielsweise Ausflüge oder andere gemeinsame Unternehmungen organisiert. Die Integration in den Verein findet in erster Linie in der Mannschaft statt, wobei die Spieler größtenteils auf sich allein gestellt sind. Vereinsoffizielle erklärten zwar, dass man immer wieder auf die neuen Spieler zugehe und sich erkundige, wie es ihnen gehe, aber so etwas wie 9 Mentoren, die sich gezielt um das Wohl eines Spielers im Verein kümmere, gebe es nicht. „Da setzt man dann eben auch auf das Mannschaftsgefüge, dass der Spieler in der Mannschaft integriert wird, dass beide Seiten aufeinander zugehen und dass so ein ausländischer Spieler dann auch von Mitspielern gesagt kriegt ‚so und so läuft das bei uns hier ab und da musst Dich eben mit abfinden oder mit anfreunden’ – mit gewissen Regularien – und da müssen eben beide Seiten aufeinander zu gehen. Wobei: da sind ja alle gefordert – ob das ein Manager ist, ob das `ne Mannschaft ist, ob das ein Trainer ist. Weil nur wenn du so einen Spieler richtig integrierst, dann wird der auch sein Potential abrufen und wird dich als Verein, beziehungsweise als Mannschaft, als Trainer dann auch weiter bringen“ (Vereisvertreter – eigenes Interview). Seitens der neuen Spieler selbst findet normalerweise ein ‚Einstand’ statt. Hierbei wird der Rest der Mannschaft für gewöhnlich zum Essen eingeladen, um sich näher kennen zu lernen. Alle Spieler im Team versuchen, auf die Neuen zuzugehen, sich mit ihnen zu unterhalten und ihre Hilfe anzubieten, damit sie sich so schnell wie möglich in der Gruppe wohl fühlen. „Wir wissen natürlich alle, wenn du irgendwo anders hin kommst, dann ist es schwierig und du brauchst Leute, mit denen zu reden kannst, und wir versuchen uns so zu verhalten, dass der andere sich wohl fühlt. ... Und du redest einfach ganz normal mit dem anderen ... und dann fühlen sich die Leute normalerweise wohl und reden auch mit dir“ (Spieler – eigenes Interview). Als schwierig werden oft die anfänglichen Sprachprobleme geschildert. Viele der Befragten erzählen, dass sie das erste Jahr, als sie aus dem Ausland kamen und die Sprache noch nicht kannten, keine besonders intensiven Kontakte zu den anderssprachigen Teamkollegen hatten und dass intensivere Kontakte erst durch besser werdende Sprachkenntnisse entstanden. Teamkollegen aus dem gleichsprachigen Ausland, die schon länger in der Mannschaft oder in Deutschland sind, dienen hierbei als Vermittler zwischen den neuen und alten Spielern. Sie können sowohl als Übersetzer fungieren als auch den verschiedenen Parteien die Verhaltensweisen des jeweils anderen erklären und näher bringen. Allgemein lässt sich aus den Interviews schließen, dass man sich seitens vieler Vereine, wider Erwarten, mehr um eine gelungene Integration außerhalb als innerhalb des Vereinslebens bemüht. Während man versucht, den Spielern für das gesellschaftliche Leben außerhalb des Vereins Kontakte zu vermitteln und dafür sorgt, dass Spieler und Familien sich wohlfühlen können, wird die Integration in den Verein zu einem Großteil den Spielern selber überlassen. Die Spieler sind für diese Integrationskonzepte und -angebote für ein Leben außerhalb des Vereins zwar dankbar, finden diese aber teilweise weniger wichtig als eine gezielte Integration in den Verein. Jeder Fußballer braucht das Gefühl, dass er seinem Verein hilft und ihn weiterbringen kann. Je weniger ein Fußballer für die Spiele eingesetzt wird und je weniger wichtig er sich für die Mannschaft fühlt, desto weniger wohl fühlt er sich im Team und desto schwieriger fällt ihm die Integration. Die unterschiedlichen Rollen der Spieler in einer Mannschaft steigern auch das Konkurrenzdenken, das ein weiterer Faktor bei der Integration ist. ¾ Konkurrenzdenken und Rassismus 10 Seitens der Probanden wurde das starke Konkurrenzdenken im Fußball zwar auch als Motivationsfaktor zur Leistungssteigerung gesehen, aber dennoch wurde es auch als Hemmnis zum Schließen von Freundschaften genannt. Zusätzlich geben viele der ausländischen Spieler an, dass man als Ausländer mehr leisten und mehr kämpfen müsse, um sich behaupten zu können. Denn in einer Mannschaft: „spielen elf Leute und zehn Leute nicht und deshalb ist es so, auch in Deutschland, dass man sagt ‚wieso spielt dieser Ausländer und nicht vielleicht der jüngere deutsche Spieler – wieso spielt dieser Ausländer?’ ... und deshalb ist das so, wenn man Ausländer ist, dann ist man auch häufiger kritisiert und man muss versuchen oder muss man bessere Leistung bringen, dass man spielt, aber wenn da zwei gleiche Spieler sind, dann spielt wahrscheinlich der deutsche, aber wenn ich deutlich besser bin, dann spiel ich“ (Spieler – eigenes Interview). Der Rassismus im deutschen Fußball ist – glücklicherweise – während des letzten Jahrzehnts stark zurückgegangen. Die meisten Spieler schildern, sowohl im fußballerischen Bereich als auch im alltäglichen Leben, keine oder kaum Probleme mit Rassismus zu haben. Jedoch träten rassistische Vorfälle in den neuen Bundesländern noch gehäufter auf als im Westen. So erzählen viele der Spieler von Bekannten, die in den östlichen Regionen Deutschlands Erlebnisse mit rassistischen Vorfällen gemacht hätten, und Vereinsvertreter berichteten von Spielern, die in Ostdeutschland Erfahrungen mit Rassismus machen mussten. Allerdings sehen die Spieler solche Erfahrungen oft als ein persönliches Problem an, das man „vielleicht eher mit der Familie“ (Spieler – eigenes Interview) besprechen würde, aber nicht innerhalb des Vereins. Ein Verhalten, das auch dazu führen kann, dass Vereinsvertreter dem irrigen Glauben unterliegen, dass die Spieler auf dem Spielfeld rassistische Äußerungen seitens der Fans nicht mitbekämen. Nur ein Vereinsoffizieller gab an, dass ein Spieler schon einmal wegen solcher Vorfälle an den Verein herangetreten sei, was einen großen Vertrauensbeweis darstelle. Damals sei man damit dann auch an die Öffentlichkeit gegangen, habe persönlichen Kontakt zu den betreffenden Personen hergestellt und Gespräche zwischen diesen und dem betroffenen Spielern vermittelt, was „zumindest vordergründig – man kann den Menschen nicht hinter die Stirn sehen – etwas gebracht hat“ (Vereinsvertreter – eigenes Interview). Einer der Vereinsoffiziellen wies jedoch darauf hin, dass Affektäußerungen, die während des Spielgeschehens schon einmal fallen könnten, streng von solchen ernstzunehmenden rassistischen Vorfällen zu differenzieren seien und nicht überbewertet werden dürften. Generell positiv zu unterstreichen ist, dass viele Vereine und auch Faninitiativen sich heutzutage intensiv in Gruppierungen, wie FARE oder BAFF1 und mit groß angelegten Aktionen, 1 Bund Aktiver Fußballfans. 11 wie Stand up – Speak up2 und dem Ball ist es egal, wer in tritt3 gegen Rassismus im Fußball engagieren. 4. Nationale Identitäten und rechtspolitische Zusammenhänge „Wir leben alle auf dieser Erde – nur eben auf verschiedenen Spielfeldhälften.“ Klaus Augenthaler (zitiert aus: Fußball-pur o.J.) Günter und Erich Küchenhoff bezeichnen den Charakter eines Staates in Anlehnung an Georg Jellinek als „die bisher höchst organisierte Ordnungseinheit menschlichen Zusammenwirkens. Sie ist als Organisation einer genossenschaftlichen Gemeinschaft, nicht als obrigkeitlicher Machtapparat aufzufassen“ (Küchenhoff & Küchenhoff 1967: 23). Nach der Jellinek’schen allgemeinen Staatslehre sind die drei wesentlichen Elemente eines Staates Staatsvolk, Staatsgebiet und Staatsgewalt. Für die vorliegende Arbeit ist vor allem ersteres von Bedeutung. Das Staatsvolk umfasst die Gesamtheit der Staatsangehörigen, die nicht nur der Staatsgewalt unterworfen sind, sondern zusätzlich eine personale Beziehung zum Staat haben, die sich durch gegenseitige Rechte und Pflichten für Staat und Staatsangehörige auszeichnet. Von ihnen zu unterscheiden sind diejenigen, die sich im Staatsgebiet aufhalten und somit der Staatsgewalt unterworfen sind, aber keine Staatsangehörigen sind, also Ausländer und Durchreisende. Als objektive Kriterien zur Bestimmung des Staatsvolkes gelten insbesondere die gemeinsame Abstammung, das Bestehen einer Sprach- und Kulturgemeinschaft und die Bildung einer Geschichts-, Schicksals- und Wertegemeinschaft (Zippelius 2003: 81ff.). Diese objektiven Merkmale werden durch subjektive Elemente ergänzt. Das Volk wird ebenfalls durch einen ‚Volksgeist’, den subjektiven Willen, eine gemeinsame Nation zu bilden, ausgemacht. Erst dieser erzeugt ein Zusammengehörigkeitsgefühl, durch das der Staat nach innen gestärkt hervorgeht (Jellinek 1960: 119). Auch Anthropologen wie Eduardo Archetti und Chas Critcher greifen bei ihren Untersuchungen über nationale Identitäten immer wieder auf die Bedeutung dieser klassischen Definition zurück (Archetti 1994: 225; Critcher 1991: 81). In Anlehnung an Critcher, der Fußball neben der Identifikation mit dem Königreich und Kriegserfolgen als stärksten Ausdruck von nationalen Identitäten nennt, stellt Udo Merkel fest: „As the Germans do not have a monarchy or proud war records, soccer success appears to be the most powerful idiom, a symbol for the production and reprodruction of a sense of nationhood“ (Merkel 1999: 61). Für die Erforschung der Entstehung einer nationalen Identität ist die Erinnerungsforschung von großer Bedeutung. Sie geht davon aus, dass sich die Wahrnehmung aus dem 2 3 Anti-Rassismus-Kampagne von Nike. Anti-Rassismus-Kampagne der Schalker Faninitiative. 12 Zusammenspiel eines persönlichen Gedächtnisses und einer persönlichen Erinnerung ergibt. Durch Kommunikation und Interaktion werden Ereignisse kollektiv aufgearbeitet und Erinnerungen in der Art und Weise in das kollektive Gedächtnis aufgenommen, wie sie in der jeweiligen Situation benötigt werden. Diese Erinnerungen entstehen durch: „Geschichte(n) und Mythen, Rituale und Symbole, Denkmäler und Gedenkfeiern, die Berufung auf herausragende Persönlichkeiten und wichtige Ereignisse – in der Gesellschaft, aber auch im Sport. Die kollektiven Erinnerungen konzentrieren sich keineswegs nur auf Produkte der hohen Kultur, sondern sie sind ebenso in der Alltagskultur, im Trivialen ebenso wie im Erhabenen, verankert“ (Pfister 2005: 51f.). Eine besondere Rolle spielen hierbei die Orte der Erinnerung. Hierbei kann es sich nach Pièrre Nora ebenso um materielle wie um immaterielle und ideelle „Ankerplätze der Erinnerung“ (Pfister 2005: 52) handeln. Der oben beschriebene subjektive Wille, eine gemeinsame Nation zu bilden, ist nichts Naturgegebenes. Er muss zunächst geweckt und schließlich immer wieder aufgefrischt und am Leben gehalten werden, um ein Zusammengehörigkeitsgefühl der Bürger zu entwickeln und zu stärken. Die Nationalstaaten sind demzufolge auf die kollektive Erinnerung und die Erinnerungsorte als Triebwerke der nationalen Identität angewiesen. Auch Fußballstadien können als solche Orte der Erinnerung dienen, da der Sport Ereignisse bietet, an denen Emotionen entstehen, in denen sich wiederum Mythen und Erinnerungen verankern lassen. So entstehen Zusammengehörigkeitsgefühle zwischen Menschen, die sich vorher nie gesehen haben – und möglicherweise auch nie wieder begegnen werden – obwohl zu keinem Zeitpunkt eine tatsächliche Interaktion zwischen ihnen stattgefunden hat. Bei dieser Bildung nationaler Identitäten kann der Fußball zur selben Zeit „Erinnerungen und Identitätsgefühle, nationale Begeisterung und Überlegenheitsgefühle [auslösen] (...) aber gleichzeitig Globalisierungs- und Lokalisierungsprozesse“ verkörpern (Pfister 2005: 53). Hierbei kommt es vor, dass der Fußball instrumentalisiert wird, um Auseinandersetzungen auf anderen Gebieten, wie Rivalitäten zwischen Nationen und Regionen, auszuleben. Als die Niederlande im Sommer 1988 das Halbfinale der Europameisterschaften gegen Deutschland mit 2:1 gewannen, feierten neun Millionen Niederländer und damit 60% der niederländischen Bevölkerung diesen Sieg auf der Straße. Die Gründe hierfür: die Niederländer sahen den Sieg über den ‚großen Bruder’ Deutschland als Vergeltung der Demütigungen, welche die Deutschen ihnen in der Zeit der fünfjährigen Besatzung der Niederlande während des Krieges zugefügt hatten. „It feels as though we’ve won the war at least”, begründete ein früherer Widerstandskämpfer seine Emotionen im Fernsehen, und ein Geschichtsprofessor, der sich intensiv mit der Geschichte der Niederlande während des Zweiten Weltkriegs auseinandergesetzt hatte, erklärte: „of course it’s got to do with the War. 13 Strange, that people deny that.“ (Kuper 2004: 4f.). Die Sympathien bei diesem Spiel gehörten, über die ganze Welt verteilt, den Niederlanden. Selbst die 150 Journalisten aus aller Welt gaben dem Niederländischen Teammanager Rinus Michels standing ovations. Aber der Fußball kann nicht nur Rivalität zwischen Menschen verschiedener Nationen oder aus verschiedenen Regionen schüren, er kann auch der Verständigung zwischen Menschen verschiedener Herkunft dienen und diese näher zusammenbringen. Durch die Globalisierung des Fußballs spielt in jeder Mannschaft eine Vielzahl von Ausländern (vgl. Anhang 4). Das führt einerseits dazu, dass die Fans sich eher auch mit diesen Spielern identifizieren und größere Hemmungen haben, sich mit rassistischen Äußerungen gegen die Spieler der anderen Mannschaft zu wenden, auf der anderen Seite sprechen die Mannschaften aber auch mehr Fans verschiedener Ethnien an, die sich die Spiele in den Stadien oder in Kneipen zusammen anschauen und sich hierbei miteinander freuen und gemeinsam leiden. Im Hinblick auf die Fußballweltmeisterschaft 2006 in Deutschland betont die FIFA sogar den Völkerverständigungswert des Fußballs: „Es wird so viel gekämpft und getötet für den Frieden, deshalb ist es gefährlich über den Frieden zu reden. Aber solange man sich berührt, schlägt man sich nicht. Und das tut man im Fussball. Die Spieler auf dem Feld berühren sich und die Fans auf den Rängen berühren sich. Wir sind ein Mittel zur Friedenslösung. Die FIFA sorgt dafür, dass auf der ganzen Welt alle Rassen miteinander Fussball spielen, denn Fussball ist die Sprache“ (Josef Blatter - zitiert aus: FIFA 2005b). Der Fußball kann also sowohl zur Bildung nationaler Identitäten als auch bei der Verständigung zwischen Menschen verschiedener Herkunft dienen. Auf der anderen Seite haben aber auch rechtspolitische Entwicklungen ihrerseits Einfluss auf den Fußball. Im folgenden Kapitel werden daher die aktuellen Diskussionen über die Integrationspolitik sowie juristische Entscheidungen, welche Einfluss auf die Globalisierung im Fußball hatten, dargelegt. „Der französische Erfolg ist ein gutes Beispiel dafür, was Integration von Einwanderern leisten kann und wie sie funktioniert. (...) Die Hautfarbe spielt in der französischen Nationalmannschaft keine Rolle mehr. Vor allem ist der Sieg des französischen Teams auch ein Erfolg für Frankreichs Integrationspolitik. (...) Von dem französischen Beispiel sollten wir Deutsche uns inspirieren lassen. Nicht nur um vielleicht selbst wieder einmal Fußball – Weltmeister zu werden, sondern um in allen Bereichen unserer Gesellschaft zu profitieren.“ (Schily 1998) Obwohl nicht anzunehmen ist, dass die Politik sich an einem gelungen Integrationsbild im Fußball wirklich ein Vorbild nimmt, kann man an dieser Aussage von Otto Schily doch sehen, dass die Integration in der Politik wie auch in allen anderen Bereichen der Gesellschaft eine immer größere Rolle spielt. Dieser Aufruf Schilys, sich Frankreichs gelungene Integrationspolitik als Vorbild zu nehmen, wurde unmittelbar nach dem französischen Fußballweltmeisterschaftssieg 1998 gemacht. 14 Nach den jüngsten Ausschreitungen von Migranten in Frankreich4 (Spiegel 2005: 128ff.) muss er jedoch durchaus kritisch angesehen werden. Dennoch ist in dem Zitat Schilys gut zu erkennen, dass Politiker gerne versuchen, das allgemeine öffentliche Interesse am Sport mit politischen Gegebenheiten in Verbindung zu bringen und sich persönlich in der Öffentlichkeit mit dem Sport zu identifizieren. Die Probanden bezweifeln fast durchgehend eine Wechselwirkung zwischen Politik und Fußball, da es sich hierbei um zwei zu verschiedene Bereiche des öffentlichen Lebens handelt. „Der Sport, der Fußball, ist hier und Politik ist dort (...) die Aspekte des Sports und Politik sind einfach so verschieden“ (Spieler – eigenes Interview). Auswirkungen der Politik, insbesondere der Legislative, auf den Fußball können hingegen, wenn man die Entwicklungen im Reglement betrachtet, nicht abgestritten werden. Dennoch wird gemeinhin angenommen, dass populäre sportliche Veranstaltungen zumindest auf die Ansichten der Menschen über Politik und Politiker Auswirkungen haben, und dass sich Politiker gerne in sportlichen Erfolgen eigener Nationalmannschaften und nationaler Sportler ‚sonnen’. So stieg laut Umfragewerten die Sympathiekurve des damaligen Bundeskanzlers Willy Brandt während der Olympischen Spiele 1972 in München – vor dem Massaker von Fürstenfeldbruck5 (Spiegel-Online 1972) – auf einen Höchststand (Winkler 1981: 15). Gelungene sportliche Veranstaltungen und nationale Sporterfolge werden häufig in Sympathie für das politische System umgesetzt. Insofern ist es in gewisser Hinsicht durchaus berechtigt, von einer Wechselwirkung zwischen Politik, Gesellschaft und Fußball zu sprechen. Bestimmte soziale Gebilde, wie beispielsweise die immer multikultureller werdende Gesellschaft und teilweise auch gelungene oder misslungene Integrationsstrukturen, tauchen auch im fußballerischen Bereich wieder auf und werden der Gesellschaft und den Politikern besonders durch die hohe Medienpräsenz bewusst gemacht. Umgekehrt wird das Ausländerbild im Fußball erheblich von der deutschen und insbesondere auch der europäischen Gesetzgebung beeinflusst. So spielen seit den Änderungen bezüglich der 4 Staatsangehörigkeitsregelung6 Ende der 90er Jahre auch in der deutschen Im November 2005 kam es in Frankreich über mehrere Wochen hinweg zu gewalttätigen Ausschreitungen seitens junger Migranten. Zwei jugendliche Migrantenkinder waren auf der Flucht vor einer Polizeikontrolle über ein abgesperrtes Gelände gelaufen und an einer Umspannstation ums Leben gekommen. Es entstand das Gerücht, die Jungendlichen seien von der Polizei zu Tode gehetzt worden und die jungen Migranten wollten durch gewalttätige Proteste auf mangelnde Integrationsmöglichkeiten und Missstände bezüglich beruflicher Möglichkeiten und Lebenssituation von Migranten in Frankreich aufmerksam machen. Es wurden Autos angezündet und auf Menschen geschossen. Die französische Regierung, die es zunächst nicht schaffte, diese Ausschreitungen in den Griff zu bekommen, reagierte hierauf mit Ausgehverboten und Ausweisungen. 5 Bei den Olympischen Spielen 1972 in München überfielen Palästinensische Terroristen das Quartier der israelischen Mannschaft im olympischen Dorf. Das Geiseldrama endete auf dem Flugplatz von Fürstenfeldbruck mit einem Blutbad. IOC-Präsident Avery Brundage entschied trotzdem: „The Games must go on“ (Spiegel-Online 1972). 6 Während bis dahin in Deutschland das reine ius sanguinis6 (Blutrecht) galt, gilt heutzutage in der deutschen Gesetzgebung eine Mischung des ius sanguinis und des ius soli6 (Territorialrecht), die besagt, dass ein Mensch, der in Deutschland geboren wird und dessen Eltern rechtmäßig und langfristig in Deutschland leben, bis zu seiner Volljährigkeit eine doppelte Staatsangehörigkeit, also die deutsche und die 15 Nationalmannschaft vermehrt Spieler, die oft nicht in Deutschland geboren wurden, aber einen Großteil ihrer Kindheit in Deutschland verbracht haben und daher, trotz ihrer ursprünglichen Herkunft, als Deutsche anzusehen sind. Dennoch ist es auch wichtig anzumerken, dass die Zuwanderungspolitik vor allem seitens der ‚kleineren’ Vereine teilweise als großes Problem dargestellt wurde. „Ich glaube, dass die Gesetzgebung in diesem Lande starke Auswirkungen hat. Einfach weil das System immer restriktiver zu werden scheint. Also die vielgepriesene Freizügigkeit hat ja schnell Grenzen. Wenn ein Mensch aus einem Nicht-EU-Land hierher kommt, wird’s extrem schwierig. (...) Vielleicht wenn es sich um wirklich prominente Menschen handelt, wenn es da um berühmte Spieler geht, um große Vereine, dass es da leichter ist und dass da auch die hehren Absichten, die Menschen zusammenzuführen, Folgen zeigen, aber in der Regel, in einem normalen Verein, wenn es sich um einen unbekannten Spieler handelt, dann glaube ich, dass der eher die negativen Seiten der Ausländerpolitik zu spüren bekommt“ (Vereinsvertreter – eigenes Interview). Hierbei wurde es als problematisch geschildert, eine Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis sowie eine Duldung für die mit einreisenden Familien zu bekommen. Vor allem durch diese politischen Restriktionen hätten Spieler und deren Familien Schwierigkeiten, sich in Deutschland richtig heimisch fühlen zu können. Bei den ausländerrechtlichen Problemen, mit denen kleinere Fußballvereine konfrontiert werden, kann davon ausgegangen werden, dass es sich um Hürden handelt, die auch von anderen Einwanderern überwunden werden müssen. Bei größeren Vereinen und prominenten Spielern scheinen diese Probleme weniger aufzutreten. Hier wurde auch berichtet, dass man in den jeweiligen Ämtern „schon Ansprechpartner“ habe, „die einem da den Rücken freihalten und bei Problemen unterstützen“ (Vereinsvertreter – eigenes Interview). Je prominenter ein Spieler und je etablierter ein Verein ist, desto weniger Probleme scheinen sich also bei den ausländerrechtlichen Hürden, die Zuwanderer im Allgemeinen überwinden müssen, zu ergeben. Dieser Vorteil für berühmte und einflussreiche Spieler oder Vereine gegenüber weniger bekannten lässt sich im generellen Gefälle zwischen Menschen oder Institutionen mit Einfluss oder in ‚Machtpositionen’ und solchen, die diese nicht besitzen, wiederfinden. 5. Unternehmer-Kultur und Process Communication Model (PCM) „Wir brauchen ein Leistungsklima. Die Abzockermentalität, die sich durch das Bosman-Urteil eingeschlichen hat, muss aufhören (...) unser Leistungsverständnis und Wertesystem in allen Bereichen verändern, besonders im Fußball.“ Dieter Hoeneß (zitiert aus: Sportal 2004) Die Jahresgehälter und Ablösesummen der Spieler in der ersten Liga liegen heutzutage teilweise bei mehreren Millionen Euro. Die Vereine der vier großen europäischen Ligen treiben diese im Wettstreit um die besten Spieler immer weiter in die Höhe. Zudem fließen extrem hohe Summen an Sponsoren- und Fernsehgeldern in die Vereine. Dadurch gerät der Erfolg seiner Eltern besitzen kann. Erst dann muss er sich für eine der beiden Staatsangehörigkeiten entscheiden und die andere bis zur Vollendung des 23. Lebensjahrs ablegen (§§ 4 & 29 StAG). 16 der Fußballvereine immer mehr in Abhängigkeit von den finanziellen Mitteln, die den Vereinen zur Verfügung stehen. Durch diese fortschreitende Kommerzialisierung des Fußballs kann man die heutigen Fußballvereine nicht mehr nur als reine Sportclubs sehen, sondern muss sie ebenfalls als wirtschaftliche Unternehmen betrachten. Aus diesem Grund wird es an dieser Stelle als wichtig angesehen, exemplarisch ein in der Wirtschaft gebräuchliches Konzept zur Integration von Mitarbeitern zu erläutern. Anschließend wird darauf eingegangen, inwieweit ein solches Konzept im Fußball Anwendung finden könnte. Um das folgende Kapitel fundiert und praxisnah gestalten zu können, wurde zusätzlich ein circa zweistündiges Interview mit dem Unternehmens- und Managementberater Gerald Hüsch geführt. ¾ Unternehmer-Klima Nach dem Unternehmer-Klima soll einer Unternehmensführung gezielt Hilfestellungen und Anleitungen bei einer personenbezogenen Leistungsoptimierung der Mitarbeiter gegeben werden. Das menschliche Verhalten lässt sich demnach auf drei Grundmotive zurückführen: • „Das Bedürfnis etwas zu LEISTEN – etwas besser, effektiver oder schneller zu machen. • Das Bedürfnis gute und freundschaftliche BEZIEHUNGEN herzustellen. • Das Bedürfnis Wirkung/MACHT zu haben und EINFLUSS zu nehmen“ (Hüsch 2005: 17) Um in einer Organisation ein Klima zu schaffen, in dem alle Beteiligten sich wohl fühlen und daher bereit sind, an ihre Leistungsgrenzen zu gehen, und um für das Unternehmen bestmögliche Ergebnisse zu erzielen, müssen bestimmte Kriterien überprüft werden. Voraussetzungen für ein harmonisches und leistungsfähiges Unternehmer-Klima sind demnach: • • • • • Eine möglichst niedrige Bürokratie; Jedem Mitarbeiter eine möglichst hohe Verantwortung zu übertragen; Einen möglichst hohen Standard zu erzielen; Jedem Mitarbeiter präzises Feedback und Annerkennung für die geleistete Arbeit geben; Um Klarheit zu schaffen und ein blindes Verständnis zwischen Unternehmensführung und Mitarbeitern zu erreichen, müssen diese ausführlich über Strategien und Anforderungen informiert werden; • Großer Team-Geist sowie Fairness und Offenheit innerhalb der Gruppe ermöglichen eine effektive Zusammenarbeit; (Hüsch - eigenes Interview, vgl. HayGroup 2004, vgl. Anhang 5) ¾ Process Communication Model (PCM) Taibi Kahler geht in seinem Process Communication Model (PCM) davon aus, dass Menschen sich dann negativ verhalten, „wenn ihre physischen oder psychischen Bedürfnisse nicht auf positive Weise befriedigt werden“ (Kahler 2003: 4). Um die maximale Leistung aus einem Menschen herausholen zu können muss man also gezielt auf dessen Bedürfnisse eingehen. 17 „Man muss nach jedem Spiel jedem einzelnen Spieler ein genaues Feedback geben und dabei auch auf die jeweilige Persönlichkeitsstruktur und den Charakter des einzelnen Spielers eingehen – ich habe die Vermutung, dass das im Fußball zu kurz kommt.“ Gerald Hüsch (eigenes Interview). Das PCM unterscheidet zwischen verschiedenen Persönlichkeitstypen (Feuersenger 2003: 10ff.). Um eine optimale Leistung zu erreichten muss auf jeden einzelnen dieser Persönlichkeitstypen jeweils individuell eingegangen und die Motivation geweckt werden. ¾ Anwendbarkeit allgemeiner Unternehmensstrategien auf den Profifußball Spätestens seit Einführung der europäischen Vereinswettbewerbe, im Besonderen der Champions League, hat sich der Fokus der Vereine immer mehr auf das Erreichen dieser finanziell äußerst lukrativen Wettbewerbe gerichtet. Um hierbei Erfolg haben zu können, mussten bisher fest verankerte Prinzipien eines ‚Idealvereins’, wie das Prinzip der Ehrenamtlichkeit und der Gemeinnützigkeit, in den Hintergrund rücken. So ist aus dem früheren Ideal des Fußballvereins längst ein ökonomisches Unternehmen geworden, dessen Ziel es ist, möglichst gewinnbringend und erfolgreich zu wirtschaften (vgl. auch: Lehnart et al. 2004: 120ff.). Nach Aussagen der Befragten setzt man sich nicht mit wirtschaftswissenschaftlichen Integrationstheorien auseinander. Ziel dieses Kapitels ist es also zu prüfen, inwieweit diese Strategien eingesetzt werden und ob sie für die Fußballvereine hilfreich sein könnten. Beim Fußball ist es von besonderer Wichtigkeit, dass die Mannschaft ein zusammengehöriges und optimal funktionierendes Teamgebilde darstellt. Eine gute integrative Arbeit ist bei einer großen Anzahl an Spielern verschiedener Nationalitäten umso wichtiger, da durch sprachliche, religiöse und kulturelle Unterschiede der Prozess der Bildung einer intakten Gruppe erschweren kann. Ziel der Integration jedes Spielers ist es, nach den wirtschaftswissenschaftlichen Ansätzen, ihn so zu motivieren, dass er für den Verein die bestmögliche Leistung abrufen kann. Trotz eines in der Regel gut funktionierenden Scoutingsystems kommt es immer wieder vor, dass ein Spieler in dem neuen Verein den erwarteten Leistungen nicht gerecht wird (Lehnart et al. 2004: 131). So begründete der Manager des 1.FC Köln seine Entscheidung gegen die Aufnahme von Verhandlungen mit Stürmer Ailton damit, dass der „in seinen letzten beiden Mannschaften nicht gut funktioniert“ habe (Meier 2005). Damit ein Spieler aber optimale Leistungen abrufen kann, darf nicht nur eine Assimilation des Spielers an den Verein erwartet werden. Es ist besonders wichtig, dass der Spieler sich mit der Kultur des Unternehmens, also des Vereins, identifizieren kann. Hierfür muss seitens des Vereins eine sinnvolle Integrationsarbeit geleistet werden. Denn nur eine gute Zusammenarbeit in der Mannschaft kann zu sportlichen und somit auch zu wirtschaftlichen Erfolgen führen. „Der Held ist das Team“ (Daniel Ljuboja zitiert aus: SWR 18 2005). Neben einem extrinsischen, also materiellen, monetären Anreiz muss in einem Spieler zudem eine intrinsische Motivation geweckt werden, die ihn dazu bewegt, optimale Leistung zu erbringen. Dies ist vor allem Aufgabe des Trainers. Dieses Ziel kann nur erreicht werden, wenn sich ein Spieler vollkommen mit seiner Mannschaft und seinem Verein identifiziert, so dass in ihm ein inneres Bedürfnis geweckt wird, mit ‚seinem’ Verein bestmögliche Ziele zu erwirken (Kieser 1990: 36). Durch die – im Vergleich zu anderen Unternehmen – hohe Mitarbeiterfluktuation im Fußball wäre es wichtig, möglichst schnell herausarbeiten zu können, um welcher individuelle Persönlichkeitstyp dem einzelnen Spieler vorliegt. So könnte man schnell, gezielt und effektiv auf dessen Bedürfnisse eingehen und so eine maximale Leistung erzielen. Des Weiteren ist es wichtig, allen Spielern die Möglichkeit einzuräumen, selbst Vorschläge für eine effektivere Trainingsgestaltung zu machen, ihnen auf diese Weise mehr eigene Verantwortung zu übergeben und so eine gruppendynamische Eigeninitiative bei der Interaktion der Teammitglieder zu erreichen. So könnte die gesamte Mannschaft, wie auch der Trainer, aus den Erfahrungen der einzelnen Spieler bei früheren Vereinen lernen und bei den Spielern könnte eine Motivation geweckt werden, sich durch mehr Leistung für die eigenen Ideen und deren erfolgreiche Umsetzbarkeit einzusetzen. Nach bisherigen Eindrücken werden diese Mitsprachemöglichkeiten üblicherweise vor allem den Führungsspielern in der Mannschaft eingeräumt. Durch selbstständig gestaltete Trainingseinheiten in verschiedenen, selbstorganisierten Teamkonstellationen kann der allgemeine Team-Geist gesteigert werden und eine stärkeres Mitverantwortungsgefühl bei den Spielern geweckt werden. Ein präzises und detailliertes Einzelfeedback nach jedem Spiel könnte den Spielern helfen, ihre Leistungsstärken weiterhin zu steigern und gezielt an ihren Schwächen zu arbeiten. Evaluationsbögen, die regelmäßig anonym von den Spielern ausgefüllt werden, geben dem Trainer seinerseits ein ehrliches Feedback und helfen ihm einzuschätzen, in welchen Punkten man die Zusammenarbeit mit den Spielern möglicherweise noch verbessern könnte, wo es im Team Defizite gibt und wie die Spieler die gemeinsame Arbeit einschätzen (vgl. Anhang 6). So kann durch eine enge Zusammenarbeit mit den Spielern und transparente sowie detaillierte Erklärung und Begründung der gewählten Strategie und der Ansprüche an jeden einzelnen Spieler die Grundlage für ein blindes Verständnis der Teammitglieder untereinander auch während des Spiels geschaffen werden. Das heißt, konkret auf den öffentlichkeitsorientierten Bereich des Fußballs bezogen, in erster Linie ein Vertrauen unter den einzelnen Mitgliedern des gesamten Vereins aufzubauen, so dass Probleme miteinander besprochen werden können und Differenzen nicht in die Medien getragen und über die Medien ausgetragen werden. In 19 Zusammenarbeit mit dem Unternehmensberater Gerald Hüsch wurde ein vermutetes Unternehmensprofil für überdurchschnittlich erfolgreiche und mittelmäßige Fußballvereine erstellt. Bei den hier angeführten Werten handelt es sich um Schätzwerte, die auf Trainingsbeobachtungen und Auswertungen der Interviewdaten basieren (Anhang 7). 6. Zusammenfassung „Fußball ist überflüssig, Fußball ist lästig, aber Fußball ist schön, denn Fußball ist Fußball ist Fußball.“ (Schümer 1998: 2) Die Bedeutung des Fußballs für den wissenschaftlichen Bereich lediglich auf seine gesellschaftliche Popularität zurückzuführen, würde den mannigfaltigen Dimensionen des globalen und ökonomisierten Fußballs kaum Rechnung tragen. Fußball ist längst nicht mehr nur ein Sport, „sondern auch ein massenmediales Spektakel, ein gigantischer Wirtschaftsbetrieb, ein funktionales Ritual der Spätmoderne, eine Schaubühne nationaler Errungenschaften, eine Projektionsfläche für die symbolischen Auseinandersetzungen multinationaler Unternehmen aus dem Konsumgüterbereich und (...) Arbeitsplatz für einige der bestbezahlten Angestellten der Welt“ (Fanizadeh et al. 2005: 275). Der Fußball hat, im Zeitalter der Globalisierung, einerseits Vorbildfunktion gegenüber der Gesellschaft. Da die im Fußball mitwirkenden Menschen aber letztlich auch ‚nur’ Mitglieder dieser Gesellschaft sind und der Fußball auch von rechtlichen und gesellschaftspolitischen Entwicklungen nicht unbeeinflusst bleibt, lassen sich andererseits bestimmte gesellschaftliche Strukturen und gruppendynamische Prozesse aus dem alltäglichen Leben auch im Fußball wiederfinden. So ist der Fußball in den letzten Jahren, ebenso wie die Zivilgesellschaft, immer multikultureller geworden. Die Migrationsbewegungen im Fußball verlaufen nicht vollkommen kongruent zu den Allgemeinen, und auch die Gründe stimmen hierfür nicht komplett überein. Dennoch hängen beide eng miteinander zusammen. Zudem berichten Vereinsoffizielle, dass die rechtlichen Probleme, die sich stellen, wenn man einen ausländischen Spieler in den Verein holen will, wie eine Arbeitserlaubnis zu bekommen, durchaus die Entscheidung zur Spielerwahl beeinflussen können. Die Vermutung, dass eine Integration von Spielern, die schon in Deutschland gespielt haben, besonders wenn sie die deutsche Sprache beherrschen, leichter ist als die Integration von Spielern direkt aus dem Ausland, hat sich bestätigt, auch, dass die Integration, im Fall von nicht-europäischen Spielern, durch vorherige, längere Aufenthalte im europäischen Ausland erleichtert werden kann. Da sich auch die größeren Vereine den erschwerten Integrationsvoraussetzungen bei Spielern aus dem Ausland zu stellen haben, bevorzugen auch sie es natürlich, Spieler zu kaufen, die schon in der Bundesliga gespielt haben. Allgemein lässt sich diesbezüglich also sagen, dass ein erfolgreicher Verein sich eher mit Topspielern 20 aus dem Ausland verstärkt, während ein kleinerer Verein eher aus Gründen des PreisLeistungsverhältnisses auf Spieler aus dem günstigeren Ausland, unter Berücksichtigung der Möglichkeiten für eine Arbeitserlaubnis dieser Spieler, zurückgreift. Für Spieler, die neu nach Deutschland kommen, ist eine gelungene Integration in den Verein ebenso wichtig wie eine Integration in das gesellschaftliche Leben. Die eingangs angebrachte Ausgangshypothese, dass die Vereine Integration hauptsächlich bezüglich der Leistungen innerhalb des Vereins thematisieren, erwies sich hierbei als falsch. Im Gegenteil bietet man wesentlich mehr Hilfestellungen für eine Integration außerhalb des betrieblichen Alltags, während die Integration in die Mannschaft weitestgehend in die Hand der Spieler gelegt wird. Mehrere Spieler der gleichen sprachlichen Herkunft können hierbei ebenso förderlich sein, indem sie als Dolmetscher und Vermittler fungieren, wie sie, im Fall einer zu starken Grüppchenbildung, hinderlich sein können. Auch in der Wirtschaft wird nicht selten auf billigere ausländische Arbeitnehmer zurückgegriffen und ganze Unternehmen in weniger teure Länder ausgelagert. Zumindest letzteres ist eine Erscheinung, die im Fußball nicht vorkommt. Durch die Anwendung von wirtschaftswissenschaftlichen Methoden zur Integration, mit denen sich der Fußball bisher nicht aktiv auseinandersetzt, könnte man bestimmten Problemen mit den neuen Spielern vorbeugen und optimale Leistungen erwirken. Hierbei ist es besonders wichtig, ein gut funktionierendes Mannschaftsgefüge zu erwirken. Durch den hohen Leistungsdruck im Fußball wird auch das Konkurrenzdenken der Spieler gesteigert. Dies kann zwar den Leistungswillen des einzelnen steigern, aber ebenso das Zusammenspiel der Mannschaft stark hemmen. Durch die aufgezeigten Integrationskonzepte könnte man den Spielern näher bringen, sich als gemeinsame Unternehmer im ‚Unternehmen Fußball’ zu sehen und die Interaktion innerhalb des Vereins und der Mannschaft steigern. Es wurde dargelegt, dass der Fußball, betrachtet man ihn ganzheitlich mit all seinen Facetten, in vielerlei Hinsicht durchaus als ein Mikrokosmos im Makrokosmos der gesamten Gesellschaft angesehen werden kann, in dem viele gruppendynamische, soziale, rechtspolitische und wirtschaftliche Entwicklungen, die sich auch allgemein verfolgen lassen, wiederzufinden sind. Im Detail betrachtet stellt der Fußball, besonders durch die außergewöhnliche finanzielle Stellung sowie den hohen Leistungsdruck, eine Ausnahme dar. Die Frage, inwiefern Fußballer sich in dieser Hinsicht mit anderen hochbezahlten Berufgruppen vergleichen lassen, muss in dieser Arbeit leider unbeantwortet bleiben. Die vorliegende Arbeit hat aufgezeigt, dass der Fußball nicht nur den sportlichen Bereich, sondern ebenso weitere wichtige Bereiche wie Allgemeingesellschaft, Politik und Wirtschaft 21 betrifft (vgl. Anhang 9). Eine gelungene Integration der Spieler in und außerhalb des Vereinslebens ist daher nicht nur für den jeweiligen Spieler selbst, sondern ebenso als Vorbild für Fans und Zivilgesellschaft wie auch für die Vereine als Wirtschaftsunternehmen von essentieller Bedeutung. Die aktuellen Integrationsansätze in den Vereinen sind durchaus gut und sinnvoll, dennoch könnte eine noch systematischere und aktivere Integration besonders in die Vereine für alle Bereiche, auf die der Fußball einwirkt, hilfreich und von Vorteil sein. 22 7. Literatur Archetti, Eduardo P. 1994. Masculinity and football: The formation of national identity in Argentina. In: Richard Giulianotti & John Williams (eds.). Game without frontiers. Football, identity and modernity, 225-244. Ashgate, Aldershot/Brookfield. Critcher, Chas 1991. Putting on the style: Aspects of recent English Football. In: John Williams & Steven Wagg (eds.). British Football and Social Change - Getting into Europe, 67-84. University Press, Leicester. 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Zippelius, Reinhold 2003 (1969). Allgemeine Staatslehre. Beck, München. 25 8. Anhänge: ¾ Anhang 1: Fragenkatalog Spieler Zensusfragen: Alter: Herkunftsland: Staatsangehörigkeit(en): Religion: Familienstand: Kinder: Weitere Länder, in denen Sie bisher gelebt haben: Zeitpunkt der Einreise in Deutschland: (Evtl.: Dauer längerer Aufenthalte in weiterem Ausland: ) Vorherige Vereine: - im Herkunftsland - in Deutschland - im weiteren Ausland Persönliche Fragen: Wieso sind Sie zum Spielen nach Deutschland gekommen? Was bedeutet das Spielen in einem deutschen Club für Sie? Wie wichtig ist Ihre Herkunft für Sie? Spielt Ihre Herkunft in bezug auf den Fußball eine Rolle für Sie? Würden Sie sagen, dass es in Ihrem Herkunftsland eine andere „Fußballphilosophie“/ Einstellung zum Fußball gibt als in Deutschland? Wenn ja, wo liegen die Unterschiede? Spielt das für Sie persönlich eine Rolle? Wenn ja, welche? Spielt Ihre Religion im Zusammenhang mit dem Fußball eine Rolle? Wenn ja, welche? 26 Glauben Sie, dass es wichtig ist/große Unterschiede macht, was für einer Religion man angehört? Was bedeutet „Integration“ für Sie? Inwieweit waren Ihre kulturellen Hintergründe für Sie wichtig für die Integration in die Mannschaft? Welche persönlichen Faktoren sind Ihrer Meinung nach wichtig für eine Integration in die Mannschaft/in den Verein? Wie wichtig ist eine Integration in die Mannschaft für Sie? Wie wichtig ist die Sprachkenntnis hierfür? Vermischen Sie in Ihrer Freizeit privates und berufliches Umfeld miteinander? Wenn ja, wieso/wie wichtig ist Ihnen diese Vermischung? Wenn nein; warum nicht? Haben Sie auch außerhalb des Vereins Deutsche in Ihrem näheren Bekanntenkreis? Hatten Sie schon einmal Probleme mit rassistischem Verhalten in Deutschland? Wenn ja, welche? - seitens der Fans - innerhalb der Mannschaft - innerhalb des Vereins - seitens eines anderen Vereins/einer anderen Mannschaft - außerhalb des sportlichen Umfeldes Vereinsbezogene Fragen: Wurden im Vorfeld Faktoren, die im Zusammenhang mit der Herkunft stehen und Einfluss auf das Verhalten/die Integration innerhalb des Vereins haben könnten, thematisiert? Wenn ja, welche? (andere „Fußballphilosophie“, Sprachkenntnisse, „Verhaltensregeln“...) Haben Sie „Integrationshilfen“ seitens des Vereins bekommen? 27 Wenn ja, welche? - Integration in den Verein - Integration in die Mannschaft - Integration außerhalb des Vereins (im alltäglichen Leben) Wie wichtig ist eine Integration in den Verein für Sie? Wird rassistisches Verhalten vom Verein thematisiert: - rassistisches Verhalten innerhalb des Vereins/der Mannschaft - rassistisches Fanverhalten - rassistisches Verhalten außerhalb des Vereins Was glauben Sie, wonach die Spielerauswahl im Verein getroffen wird?/Warum ausgerechnet Sie als Spieler für diesen Verein verpflichtet wurden? Wieso haben Sie sich für diesen Verein entschieden? Was bedeutet es heute für Sie bei diesem Verein zu spielen? Was wären für Sie Gründe den Verein zu wechseln? Mannschaftsbezogene Fragen? Gibt es bei Ihnen in der Mannschaft/im Verein noch mehr Leute, die aus dem gleichen Land stammen wie Sie? Gibt es innerhalb des Vereins Grüppchenbildungen von Leuten aus dem gleichen Land/mit der gleichen Hautfarbe/der gleichen Sprache etc...? Glauben Sie, dass es für die Integration hilfreich/hinderlich ist, wenn mehrere Spieler aus dem gleichen Land oder der gleichen sprachlichen Abstammung in einem Verein sind? Warum? Wie stark ist das Konkurrenzverhalten innerhalb der Mannschaft? 28 Wie zeigt es sich? Glauben Sie, dass die Herkunft eine Rolle bezüglich des Konkurrenzverhaltens spielt? - gegenüber den Spielern aus dem Ausland? - von Spielern aus dem Ausland gegenüber deutschen Spielern? Wenn ja, wie sind die Unterschiede? Wie muss man sich verhalten um ins Team integriert zu werden? Was muss man machen, um NICHT ins Team integriert zu werden? Hatten Sie jemals Probleme bei der Integration in einen Verein? Wenn ja, welche? Haben Sie andere Spieler erlebt, die Integrationsprobleme hatten? Wenn ja, welche? Wie werden neue Spieler in die Mannschaft aufgenommen? Gibt es hierbei Unterschiede zwischen deutschen Spielern und Spielern aus dem Ausland? Wie geht man innerhalb der Mannschaft mit sprachlichen Problemen um? Wird rassistisches Verhalten innerhalb der Mannschaft thematisiert? - rassistisches Verhalten innerhalb des Vereins - rassistisches Verhalten innerhalb der Mannschaft - rassistisches Fanverhalten Gibt es auch in Ihrer Freizeit Unternehmungen mit den Teamkollegen? Wenn ja, - mit welchen (deutschen Kollegen/Kollegen aus dem Ausland/beides)? - was für Unternehmungen? - wie oft? Wenn nein, warum nicht? 29 Familienbezogene Fragen: Wie wichtig ist die eigene Kultur/sind Traditionen für Ihre Familie? - für Ihre Lebensgefährtin - für Ihre Eltern - für den Rest der Familie Wo wohnt Ihre Familie? - Ihre Lebensgefährtin - Ihre Eltern - der Rest der Familie Welche Sprache/n werden in Ihrer Familie gesprochen? - von den Eltern/Verwandten - mit der Lebensgefährtin und den Kindern - Schaut Ihre Familie sich Ihre Spiele regelmäßig an? - im Fernsehen - persönlich Welche Rolle hat Ihre Familie für Ihre fußballerische Karriere gespielt? Woher kommt Ihre Lebensgefährtin? Interessiert Ihre Lebensgefährtin sich für Fußball? Wenn ja, war das schon vor Ihrer Beziehung der Fall? Spricht Ihre Lebensgefährtin Deutsch? Wenn nein, will sie Deutsch lernen? Wenn nein, warum nicht? Ist Ihre Lebensgefährtin berufstätig?/Kann sie ihren Beruf z.Z. ausüben? Wenn nein, warum (wegen Kindern, wegen des deutschen Ausländerrechts etc...)/ ist das ein Problem für sie? 30 Kommt Ihre Lebensgefährtin zu Veranstaltungen innerhalb des Vereins? Hat Ihre Lebensgefährtin auch unabhängig von Ihnen Kontakt zu Personen, die in Bezug zum Verein stehen? (z.B.: anderen Spielerfrauen...)? Weitere Fragen: Es gibt Theorien, nach denen Fußball als Spiegel der Gesellschaft angesehen werden kann. Inwieweit halten sie diese für haltbar? Denken Sie, dass man von einer Art Wechselwirkung zwischen Politik und Fußball sprechen kann? 31 ¾ Anhang 2: Fragenkatalog Vereinsvertreter Zensusfragen: Alter: Staatsangehörigkeit(en): Herkunftsland: Religion: Weitere Länder, in denen Sie bisher gelebt haben: (Evtl.: Dauer längerer Aufenthalte in weiterem Ausland: ) Vorherige Vereine: Spielerwahl: Welche Vorüberlegungen werden gemacht, bevor Sie sich nach neuen Spielern umschauen? Nach welchen Kriterien wird die Auswahl der Spieler getroffen? (Wo werden die Prioritäten gesetzt? Welche Rolle spielt die Nationalität bei der Spielerwahl? Wie wichtig ist die Herkunft (der kulturelle Hintergrund, Religion etc...) der Spieler?...) Welche Vorteile hat es einen Spieler aus Deutschland einzustellen? Welche Vorteile gibt es, wenn man einen Spieler aus dem Ausland einstellt? Welche Auswirkungen hatte das Bosman-Urteil auf die Auswahl der Spieler? Wie denken Sie über die herrschenden Diskussionen über die Kontroverse der Auswahl von Spielern aus der deutschen Jugend gegenüber Spielern aus dem Ausland? Die typischen Migrantengruppen in Deutschland (Türken, Polen etc..., die in Deutschland aufgewachsen sind) sind im Fußball prozentual unterrepräsentiert, warum? Wie denken Sie über eine Einbürgerung ausländischer Spieler für die deutsche Nationalmannschaft? Welche Auswirkungen hat die Änderung der Gesetzgebung bezüglich der Staatsangehörigkeiten Ende der 90er Jahre auf das Ausländerbild im deutschen Fußball? 32 (Kinder, die in Deutschland geboren werden können, bis zum 23.Lebensjahr eine doppelte Staatsangehörigkeit behalten (die deutsche Staatsangehörigkeit und die der Eltern), bevor sie sich für eine entscheiden müssen). Vertragsgespräche: Wird die Herkunft der Spieler schon im Vorfeld thematisiert? Sprechen Sie im Vorfeld mit dem Spieler über Probleme, die sich durch seine Herkunft und kulturellen Hintergründe ergeben könnten? - sportliche - persönliche - familiäre Klären Sie vorher ab, ob ein Spieler z.B. bereit ist Deutsch zu lernen? Integration: Was bedeutet Integration für Sie? Haben Sie bestimmte Mechanismen, die den Spielern eine Integration in den Verein erleichtern sollen? Wenn ja, welche? Befassen Sie sich bei Überlegungen um die Integration von Spielern auch mit den wirtschaftswissenschaftlichen Theorien und Strategien zu diesem Thema (z. B. Diversity Management Ansätze)? Bieten Sie den Spielern auch eine Integrationshilfe für eine erfolgreiche Integration in das Leben außerhalb des Vereins? Wenn ja, welche? Glauben Sie, dass die kulturellen Hintergründe wichtig für eine erfolgreiche Integration in der Mannschaft sind? Welche persönlichen Faktoren sind Ihrer Meinung nach wichtig für eine Integration in der Mannschaft/in den Verein? 33 Wie wichtig ist eine Integration in die Mannschaft Ihrer Meinung nach? Wie wichtig ist eine Integration in den Verein Ihrer Meinung nach? Wie wichtig sind die Sprachkenntnisse hierfür? Wie muss ein Spieler sich Verhalten, um Voraussetzungen für eine erfolgreiche Integration zu schaffen? Wie muss ein Spieler sich verhalten, um wahrscheinlich nicht erfolgreich in die Mannschaft/in den Verein integriert werden zu können? Hatten Sie jemals Probleme mit der Integration bestimmter Spieler? Wenn ja, welche? Sprechen Sie seitens des Vereins mit den Spielern/der Mannschaft/Vereinsmitgliedern über das Thema Integration? Beispiele? Sprechen Sie mit den Spielern... über rassistische Vorfälle? - von Fans - innerhalb der Mannschaft/des Vereins - seitens anderer Mannschaften - außerhalb des sportlichen Umfeldes Bieten Sie den Familien der Spieler Hilfen zur Integration in Deutschland? Beispiele? 34 Was für Auswirkungen hat eine gelungene/misslungene Integration einzelner Spieler Ihrer Meinung nach? - sportlich - für das Klima in der Mannschaft im Verein - für die Spieler persönlich - außerhalb des Vereins (Fans etc...) Weitere Fragen: Es gibt Theorien, nach denen Fußball als Spiegel der Gesellschaft angesehen werden kann. Inwieweit halten Sie diese für haltbar? Denken Sie, dass man von einer Art Wechselwirkung zwischen Politik und Fußball sprechen kann? 35 ¾ Anhang 3: Fragenkatalog Berater Zensusfragen: Alter: Staatsangehörigkeit(en): Herkunftsland: Religion: Weitere Länder, in denen Sie bisher gelebt haben: (Evtl.: Dauer längerer Aufenthalte in weiterem Ausland: ) Vorherige Vereine: Spielerwahl: Nach welchen Kriterien wählen Sie Ihre Spieler aus? Welche Vorüberlegungen werden gemacht, bevor sich die Vereine nach neuen Spielern umschauen (außer rein sportlichen Überlegungen)? Nach welchen Kriterien wird die Auswahl der Spieler getroffen? (Wo werden die Prioritäten gesetzt?) Welche Rolle spielt die Nationalität bei der Spielerwahl? Wie wichtig ist die Herkunft (der kulturelle Hintergrund, Religion etc...) der Spieler?... Wie beurteilen Sie als Betreuer diese? Welche Vorteile/Nachteile hat es seitens der Vereine einen Spieler aus Deutschland/aus dem Ausland einzustellen? Welche Auswirkungen hatte das Bosman-Urteil auf die Auswahl der Spieler? Wie beurteilen Sie die Veränderungen seit dem Bosman-Urteil? Wie denken Sie über die herrschenden Diskussionen über die Kontroverse der Auswahl von Spielern aus der deutschen Jugend gegenüber Spielern aus dem Ausland? Die typischen Migrantengruppen in Deutschland (Türken, Polen etc..., die in Deutschland aufgewachsen sind) sind im Fußball prozentual unterrepräsentiert, warum? 36 Wie denken Sie über eine Einbürgerung ausländischer Spieler für die deutsche Nationalmannschaft? Welche Auswirkungen hat die Änderung der Gesetzgebung bezüglich der Staatsangehörigkeiten Ende der 90er Jahre auf das Ausländerbild im deutschen Fußball? (Kinder, die in Deutschland geboren werden, können bis zum 23.Lebensjahr eine doppelte Staatsangehörigkeit behalten (die deutsche Staatsangehörigkeit und die der Eltern), bevor sie sich für eine entscheiden müssen). Vertragsgespräche: Wird die Herkunft der Spieler schon im Vorfeld thematisiert? - Sportliche Faktoren - Persönliche Faktoren - Familiäre Faktoren Ist es für die Vereine wichtig, ob ein Spieler z.B. bereit ist Deutsch zu lernen – was denken Sie darüber? Nach welchen Kriterien (außer den finanziellen) entscheiden Sie, ob ein Verein für einen Ihrer Spieler geeignet ist? Integration: Was bedeutet Integration für Sie? Wie wichtig ist Ihrer Meinung nach die Herkunft (Kultur, Religion, die Fußballphilosophie des jeweiligen Landes) für den Fußball/für die Integration der Spieler? Was gibt es in den Vereinen für Mechanismen, die den Spielern eine Integration in den Verein erleichtern sollen – wie beurteilen Sie diese? Welche Rolle spielen die Berater bei der Integration? Ist eine intensive Zusammenarbeit mit den Vereinen auch noch möglich, nachdem der Vertrag schon unterschrieben ist? Haben Sie sich bei Überlegungen um die Integration von Spielern auch mit den 37 wirtschaftswissenschaftlichen Theorien und Strategien zu diesem Thema auseinander gesetzt (z. B. Diversity Management Ansätze)? Wenn ein Spieler den Verein gewechselt hat, bieten die Vereine oder Sie den Spielern auch eine Integrationshilfe für eine erfolgreiche Integration in das Leben außerhalb des Vereins? Wenn ja, welche? Wie wichtig ist eine Integration in die Mannschaft Ihrer Meinung nach? Wie wichtig ist eine Integration in den Verein Ihrer Meinung nach? Wie wichtig sind die Sprachkenntnisse hierfür? Glauben Sie, dass die kulturellen Hintergründe wichtig für eine erfolgreiche Integration in der Mannschaft sind? Welche persönlichen Faktoren sind Ihrer Meinung nach wichtig für eine Integration in der Mannschaft/in den Verein? Wie muss ein Spieler sich verhalten, um Voraussetzungen für eine erfolgreiche Integration zu schaffen? Wie muss ein Spieler sich verhalten, um wahrscheinlich nicht erfolgreich in die Mannschaft/in den Verein integriert werden zu können? Hatten Sie jemals Spieler, die Probleme hatten sich in eine Mannschaft/einen Verein zu integrieren? Wenn ja, welche? Wenn die Spieler Probleme mit der Integration haben, sprechen Sie mit Ihnen darüber? Beispiele? Inwieweit gibt es in solchen Fällen eine Zusammenarbeit zwischen Vereinen und Beratern? Denken Sie, dass es für eine Integration problematisch/hilfreich ist, wenn mehrere Spieler aus einem Land (die dieselbe Sprache sprechen), in einer Mannschaft sind? 38 Sprechen Sie mit den Spielern... über rassistische Vorfälle? - von Fans - innerhalb der Mannschaft/des Vereins - seitens anderer Mannschaften - außerhalb des sportlichen Umfeldes Bieten Sie den Familien der Spieler Hilfen zur Integration in Deutschland? Beispiele? Was für Auswirkungen hat eine gelungene/misslungene Integration einzelner Spieler Ihrer Meinung nach? - sportlich - für das Klima in der Mannschaft im Verein - für die Spieler persönlich - außerhalb des Vereins (Fans etc...) Denken sie, dass die Zusammenarbeit zwischen Vereinen und Beratern intensiv genug ist? Könnte eine Intensivierung die Integration der Spieler erleichtern? Weitere Fragen: Es gibt Theorien, nach denen Fußball als Spiegel der Gesellschaft angesehen werden kann. Inwieweit halten Sie diese für haltbar? Nach der WM 1998, bei der Frankreich Weltmeister wurde, sagte Otto Schily, dass man an der französischen Nationalmannschaft sehen könnte, wie gut die Integration in Frankreich allgemein funktioniert und dass wir uns hier in Deutschland ein Beispiel daran nehmen sollten. Denken Sie, dass in gewisser Hinsicht von einer Art Wechselwirkung zwischen Politik und Fußball sprechen kann? 39 ¾ Anhang 4: Abbildungen – Ausländerzahlen in der Fußballbundesliga TABELLEN Die Basisdaten für die folgenden Tabellen sind aus dem Sonderheft „Bundesliga 2004/ 2005“, dem Sportmagazin „Kicker“, dem Text „Ausländer in der Fussball-Bundesliga“ (Thomé 2003: 171ff.), den Homepages der jeweils achtzehn Vereine der Ersten und Zweiten Bundesliga sowie den Internetseiten fußballdaten.de, transfermarkt.de und kicker.de, entnommen. Teilweise gestaltete es sich als schwer, die Hintergrunddaten zu erfassen. Kleinere Fehler in den statistischen Daten können daher leider nicht ausgeschlossen werden. Detaillierte Informationen über Spieler, Vereinswechsel und Spielerberater können auf der Internet Homepage www.transfermarkt.de nachgelesen werden. 100% A u s l ä n d e r a n t e i l Spieler gesamt Ausländische Spieler 90% 80% 70% 60% 50% 40% 30% 20% i n % 10% Saison Anteil in % 0% 92/93 93/94 94/95 95/96 96/97 97/98 98/99 99/00 00/01 01/02 02/03 03/04 04/05 17,9% 20,6% 23,9% 25,1% 28,2% 37,7% 39,7% 42,4% 44,0% 49,0% 51,8% 50,9% 49,5% Abbildung 4.1.: Ausländeranteil 1.BL in % Saison 92/93 – 04/ 05 (Thomé 2003: 172 ff.) – ergänzt. 600 A n 500 z a h 400 l Spieler gesamt ausländische Spieler S 300 p i 200 e l e 100 r 04/05 03/04 02/03 01/02 00/01 99/00 98/99 97/98 96/97 95/96 94/95 93/94 92/93 91/92 90/91 89/90 88/89 0 Saiso n Abbildung 4.2.: Entwicklung Ausländerzahlen 1.BL Saison 88/89 – 04/05 (Thomé 2003 ff.) – ergänzt. 40 29% 1% 1% 11% 3% 2% 56% DEUTSCHLAND UEFA-AUSLÄNDER UEFA-AUSLÄNDER MIT DEUTSCHEM PASS (doppelte Staatsangehörigkeit) NICHT-UEFA AUSLÄNDER NICHT-UEFA SPIELER MIT EUROPÄISCHEM PASS (doppelte Staatsangehörigkeit) NICHT-UEFA SPIELER MIT DEUTSCHEM PASS (doppelte Staatsangehörigkeit) Abbildung 4.3.: Ausländeranteil 1. & 2. BL: Rückrunde Saison 2004/ 2005; eigene Grafik. 50 Deutsche 2. BL.: 300 2. Bundesliga 1. Bundesliga Deutsche 1. BL: 246 Anzahl Spieler 40 30 20 10 Deutschland Brasilien Kroatien Tschechien Polen Dänemark Türkei Serbien - Montenegro Niederlande Belgien Schweiz Frankreich Bosnien-Herzegowina Österreich Ghana Ungarn Bulgarien Argentinien Slowakei Finnland Albanien Slowenien Schweden Georgien Nigeria Kamerun Italien USA Senegal Australien Rumänien Marokko 0 Land Abbildung 4.4.: Länderübersicht 1. & 2. BL (mind. 5 Bundesligaspieler); eigene Grafik. 41 ¾ Anhang 5: Unternehmer-Kultur Abbildung 5.1.: Integration als Leistungsmotivation (HayGroup 2004). außergewöhnliche Führungskräfte gute Führungskräfte it Te am -G ei st G es am t-K lim a la rh e K St an da rd A ne rk en nu ng nt w ra Ve K on fo rm is or t m un g us 100 90 80 70 60 % der Norm 50 40 30 20 10 0 Abbildung 5.2.: Unterschiede zwischen den Klimata von außergewöhnlichen und guten Führungskräften nach Hay McBer (Hüsch 2005: 35). 42 ¾ Anhang 6: Möglicher Evaluationsbogen für Fußballvereine: (anonym auszufüllen von Spielern) ¾ Der vorliegende Fragebogen soll dem Verein, dem Trainer und den Spielern dazu dienen, ihre Leistung zu optimieren und herauszufinden, wie man diese verbessern könnte. Anhand von Erkenntnissen und Vorschlägen aus dem Team soll herausgefunden werden, was jeder Beteiligte zur Optimierung beitragen kann. ¾ Dieser Fragebogen ist kein standardisierter Fragebogen, sondern lediglich eine Anregung, wie ein solcher Bogen konzipiert werden könnte. Je nach Verein kann er jederzeit verändert und angepasst werden. ¾ Um eine maximale Effektivität zu erreichen ist es wichtig, den Fragebogen bewusst, also nicht unter Zeitdruck und nicht ‚aus dem Bauch heraus’ auszufüllen. ¾ Es handelt sich hierbei um einen qualitativen Fragebogen, der nicht wissenschaftlich geprüft ist. Er wurde in Zusammenarbeit mit dem Unternehmens- und Managementberater der Boston Business School, Gerald Hüsch, erstellt. Auf dem vorliegenden Fragebogen bedeutet: Bei einer Skala von 1 bis 10 : 10 = ausgesprochen gut 1 = schlecht Eigene Leistung: Denken Sie, dass Sie für Ihre eigene Leistung genug Anerkennung bekommen? □ □ Ja Nein Sind Sie der Meinung, dass das Training ihre Fähigkeiten optimal fördert? □ □ Ja Nein Auf einer Skala von eins bis zehn, wie gut werden Sie als Einzelspieler auf Ihren jeweiligen Gegner vorbereitet? 43 □ □ □ □ □ □ □ □ □ □ 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 Würden Sie sich eine intensivere Vorbereitung wünschen? □ □ Ja Nein Bekommen sie nach jedem Spiel ein individuelles Einzelfeedback? □ □ Ja Nein Auf einer Skala von 1 bis 10: - Wie sinnvoll ist das individuelle Einzelfeedback, das Sie nach jedem Spiel bekommen? - - □ □ □ □ □ □ □ □ □ □ 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 Wie gut hilft es Ihnen Fehler abzustellen und daraus zu lernen? □ □ □ □ □ □ □ □ □ □ 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 Wie sinnvoll ist das individuelle Einzelfeedback, dass Sie für die Trainingseinheiten bekommen? - □ □ □ □ □ □ □ □ □ □ 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 Wie gut hilft es Ihnen Fehler abzustellen und daraus zu lernen? □ □ □ □ □ □ □ □ □ □ 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 Würden Sie sich ein intensiveres Einzelfeedback wünschen? Nach den Spielen? □ □ Ja Nein Für die Trainingseinheiten □ Ja 44 □ Nein Team: Auf einer Skala von 1 bis 10: - - - - - - Wie hoch würden Sie das blinde Verständnis zwischen den Spielern einschätzen? □ □ □ □ □ □ □ □ □ □ 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 Wie gut würden Sie den Teamgeist in der Mannschaft einschätzen? □ □ □ □ □ □ □ □ □ □ 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 Wie hoch würden Sie die Zusammenarbeit im Team einschätzen? □ □ □ □ □ □ □ □ □ □ 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 Wie hoch würden Sie das Konkurrenzverhalten im Team einschätzen? □ □ □ □ □ □ □ □ □ □ 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 Wie hoch würden Sie die Fairness im Team einschätzen? □ □ □ □ □ □ □ □ □ □ 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 Wie gut wird auf Ihren jeweiligen Gegner vorbereitet? □ □ □ □ □ □ □ □ □ □ 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 Würden Sie sich eine intensivere Vorbereitung wünschen? - 45 □ □ Ja Nein Wie präzise ist das Teamfeedback nach jedem Spiel? □ □ □ □ □ □ □ □ □ □ 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 - Wie gut hilft es, Ihrer Meinung nach, der Mannschaft ihre Fehler abzustellen und daraus zu lernen? - - - □ □ □ □ □ □ □ □ □ □ 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 Wie gut hilft es Ihnen persönlich Ihre Fehler abzustellen und daraus zu lernen? □ □ □ □ □ □ □ □ □ □ 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 Wie präzise ist das Teamfeedback bei den Trainingseinheiten? □ □ □ □ □ □ □ □ □ □ 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 Wie gut hilft es, Ihrer Meinung nach, der Mannschaft ihre Fehler abzustellen und daraus zu lernen? - □ □ □ □ □ □ □ □ □ □ 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 Wie gut hilft es Ihnen persönlich Ihre Fehler abzustellen und daraus zu lernen? □ □ □ □ □ □ □ □ □ □ 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 Würden Sie sich ein intensiveres Teamfeedback wünschen? Nach den Spielen? □ □ Ja Nein Für die Trainingseinheiten □ □ Ja Nein Auf einer Skala von 1 bis 10, wie gut kann das Team sein Potential Ihrer Meinung nach ausnutzen? 46 □ □ □ □ □ □ □ □ □ □ 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 Was könnte optimiert werden? Was würden Sie sich wünschen? Falls nein: Was denken Sie, woran das liegen könnte? Trainingsgestaltung: Auf einer Skala von 1 bis 10: - - - Wie gut würden Sie die Trainingsgestaltung einordnen? □ □ □ □ □ □ □ □ □ □ 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 Wie abwechslungsreich finden Sie das Training? □ □ □ □ □ □ □ □ □ □ 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 Wie stark schätzen Sie Ihren eigenen Einfluss auf die Trainingsgestaltung ein? □ □ □ □ □ □ □ □ □ □ 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 Würden Sie sich mehr Mitspracherecht bei der Trainingsgestaltung wünschen? □ □ Ja Nein (Falls Ja) Wären Sie hierfür bereit mehr Arbeitsaufwand in Kauf zu nehmen? 47 □ □ Ja Nein Auf einer Skala von 1 bis 10, wie gut wird das Training Ihrer Meinung nach der allgemeinen Qualität des Vereins gerecht? □ □ □ □ □ □ □ □ □ □ 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 Trainer: Auf einer Skala von 1 bis 10: - - Wie gut schätzen Sie Ihr Verhältnis zu Ihrem Trainer ein? □ □ □ □ □ □ □ □ □ □ 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 Persönlich? □ □ □ □ □ □ □ □ □ □ 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 Was fehlt Ihnen/was würden Sie sich wünschen? - Beruflich? □ □ □ □ □ □ □ □ □ □ 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 Was fehlt Ihnen/was würden Sie sich wünschen? - - 48 Wie hoch ist das blinde Verständnis zwischen Trainer und Team? □ □ □ □ □ □ □ □ □ □ 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 Wie flexibel kann der Trainer auf allgemeine sportliche Entwicklungen reagieren? □ □ □ □ □ □ □ □ □ □ 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 - Wie flexibel kann der Trainer auf wechselnde Situationen und Stimmungen in der Mannschaft eingehen? - □ □ □ □ □ □ □ □ □ □ 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 Für wie fair halten Sie den Trainer? □ □ □ □ □ □ □ □ □ □ 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 Verein: Auf einer Skala von 1 bis 10: - - 49 Wie hoch würden sie die Bürokratie in ihrem Verein beurteilen? □ □ □ □ □ □ □ □ □ □ 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 Wie hoch schätzen sie den Standard/die Qualität ihres Vereins ein? □ □ □ □ □ □ □ □ □ □ 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 Abbildung 7.1.: Vermutetes Klima-Profil bei Profifußballvereinen (Grafik: Karla Hanss/Gerald Hüsch). 50 Fairness innerhalb der Gruppe Team-Geist präzises Einzel- & Gruppenfeedback Standard/ Qualität Verantwortung/ Mitentscheidung Klarheit/ Blindes Verständnis Überdurchschnittlich gute Vereine durchschnittliche Vereine 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 Bürokratie % der Norm ¾ Anhang 7: Vermutetes Klima-Profil bei Profifußballvereinen ¾ Anhang 8: Interview Anthony Baffoe: Karla: Ja, wie gesagt, der Grund, warum ich Dich gerne befragen wollte eigentlich, ist, dass Du ja schon einer der, sagen wir mal, Vorreiter der ausländischen Spieler mit im deutschen Fußball so warst. Anthony: Mhm. Karla: Also, das war ja damals zu Deiner Zeit noch nicht so, dass da in jeder Mannschaft... Anthony: Das stimmt, ja. Karla: Ja, dass es zu Deiner Zeit ja noch nicht so war, ... Anthony: Mhm. Karla: ...dass da in jeder Mannschaft so wahnsinnig viele Ausländer gespielt haben. Anthony: Beziehungsweise, Schwarze, mhm. Karla: Ja, Schwarze erst recht nicht. Anthony: Mhm. Karla: Also irgendwie warst ja Du, dann mit dem Anthony Yeboah zusammen und dem Souleyman Sané... Anthony: Ja, aber ich war vor denen da. Karla: Ja. Ja, ich weiß, aber ihr wart ja so... Anthony: Das stimmt, ja. Karla: ...die drei prominenten Vorreiter der Schwarzen in der Fußballbundesliga... Anthony: Das stimmt. Karla: Ja, also, es geht eben, wie gesagt, es geht um die Integration aus dem Ausland stammender Spieler im deutschen Profifußball... Anthony: Mhm. Karla: ...und dann so... einfach insgesamt um: wie ist Deine Einstellung dazu... Anthony: Mhm. Karla: ...wie ist die Mannschaft damit umgegangen. Wie hast Du den Eindruck, dass sich das – Du siehst das ja auch durch Deine Arbeit auch beim Fernsehen etwas – wie sich das vielleicht jetzt verändert hat – oder auch nicht. Anthony: Mhm. Karla: Wird hauptsächlich auf eine Integration in der Mannschaft geachtet oder auch im Verein allgemein. – Also, ich mein, klar, Du bist ja hier aufgewachsen... Anthony: Mhm. Karla: ...von dem her ist das, hattest Du ja zum Beispiel nicht so die Sprachprobleme 51 und so weiter aber... ja, also, dann... es geht auch um Rassismusthemen, halt... Anthony: Mhm. Also, bei mir, ich sag Dir ganz klar: frag geradeaus drauf los. Karla: Ja, ich wollte es Dir nur vorher kurz erklären... Anthony: Ja, ne, ne, das ist schon gut. Ich weiß ja, dass es um Integration und so was geht... Karla: Ja. Anthony: ...also bei mir kannst Du so voll losschießen. Karla: Ja, alles klar. Ähm, ja: Wie wichtig ist Deine Herkunft für Dich und auch in Bezug auf Fußball für Dich äh... gewesen? Anthony: Äh... Als allererstes zeigt meine Hautfarbe meine Herkunft und äh... darauf bin ich sehr, sehr stolz. Meine Eltern haben mir von... also von Kindesbeinen auf ... äh... beigebracht, dass, ich glaube, die Identität eine sehr wichtige Rolle für alle Personen spielt. Vor allem für – für „Gäste“, sag ich mal, in Anführungsstrichen und ich sag immer: ich bin Afrikaner, durch und durch – als erstes, zweitens bin ich Ghanaer und drittens bin ich Kölsch-Ghanaer. Karla: Okay. Anthony: Und, für mich ist es sehr wichtig, dass ich – es gibt zum Beispiel einen Satz “if you know your history, then you know where you’ re coming from.“ Und – der ist von Bob Marley – und das ist mir sehr, sehr wichtig. Ja? Und genau das versuche ich den Jungen, die hier aufgewachsen sind und die nachkommen, auch mitzugeben. Das heißt aber nicht, dass ich natürlich keine deutsche Attitüde in mit habe. Wo drauf – was ich auch gut finde. Denn wenn man – je bunter desto besser. Aber ich finde, finde es auch schlimm, wenn man seine Identität verleugnet, weil, ich hab immer die Leute so gesehen, wie die Leute mich sehen – und die werden mich nie als Deutschen sehen. (lacht) – Da kann ich 100 000 Jahre hier bleiben und dadurch sag ich: hähä, ich hab meine Hautfarbe, die mir das mitgibt – und wir sind noch nicht in so einem Zeitalter angekommen, wo man ganz einfach sagt, dass Schwarze auch Deutsche sind. Auf keinen Fall. Karla: Hm. Anthony: (lacht) Karla: In Ghana, würdest Du sagen, da gibt es eine andere Einstellung zum Fußball – eine andere Fußballphilosophie als hier in Deutschland? Anthony: 52 Fußball in Ghana wird – sehr, sehr hoch geschrieben. Also, das steht, glaube ich, an allererster Stelle, weil das ist überhaupt der Sport, der Nummer eins ist. Jedes kleine Kind spielt Fußball und hat einen ganz, ganz, ganz hohen Akzeptanzgrad. Und ähm... die Fußballer, die... die es schaffen rauszukommen, die für die Nationalmannschaft spielen, die werden vergöttert und verehrt. Fußball ist wie Religion. Und für viele, die zum Beispiel nicht zur Schule gegangen sind, die spielen Fußball und viele spielen auch Fußball, in erster Linie, um ihre Familien zu ernähren. Also es hat einen – ich sag mal – einen sehr, sehr hohen Stellenwert, Fußball in Ghana – in Afrika allgemein. Karla: Und inwieweit hat das für Dich auch dann eine Rolle gespielt? Anthony: Für mich hat es immer so eine Rolle gespielt, dass... (seufzt) – ich weiß noch genau als mein Vater verstorben ist, und ich gesagt habe, ich werde für Ghana spielen, das ist ganz klar. Ich habe immer so im Flachs gesagt: ‚ich werde mal der erste Schwarze sein, der für Deutschland spielt’. – Nur zu meiner Zeit war das sowieso Utopie – und ich bin sehr stolz darauf, dass ich für mein Heimatland gespielt hab, und die Menschen geben mir diesen Respekt und – und auch die Ehre und auch diesen Stolz. Das merke ich immer tagtäglich, wenn ich immer in Ghana bin, ich bin halt immer noch was Besonderes, weil ich hier aufgewachsen bin, bzw. geboren bin und trotzdem für mein Land gespielt habe und es war mit, glaube ich, mit die wunderschönste Erfahrung, die ich in meiner Profikarriere gemacht habe. Ja? – Auf jeden Fall. Karla: Was hat... Was hat es denn für Dich bedeutet in einem deutschen Club zu spielen? Also, ich meine, es war ja – klar – naheliegend, Du bist aber dann ja auch nach Frankreich gewechselt... Anthony: Mhm. Karla: Also, wie war... Anthony: Also, ich hab das Diplomatenleben meines Vaters äh... Karla: Voll ausgenützt... Anthony: Ausgenützt, aber in sportlicher Hinsicht weitergeführt. Weil ich halt auf fast jedem Kontinent eben gespielt habe, außer Australien. Ich hab in Asien gespielt, in Hongkong, in Südamerika – Venezuela. Und... in Afrika für die Nationalmannschaft. Und äh... für mich hat die Bedeutung in Deutschland zu spielen, gespielt zu haben, hat mir sehr viel mitgegeben. Sehr viel Disziplin, die ich auch anderen vermitteln konnte, im Ausland hat mir eine gewisse Stärke gegeben und dass ich meinen Beruf schon ziemlich ernst genommen 53 hab, aber ohne dadurch die Lockerheit zu verlieren, die wir Afrikaner in uns haben. Und ähm... nach Frankreich bin ich eigentlich gewechselt, weil ich endlich mal das feeling haben wollte, wie’s ist, mit vier/fünf Schwarzen in einer Mannschaft zu spielen. Karla: Mhm. Anthony: Und das war fantastisch! Das war eine klasse Zeit und... und wie gesagt, das möchte ich auch nicht missen. Und, was mir in Frankreich sehr gefallen hat, dass `n afrikanischen... dass ein afrikanischer Nationalspieler den gleichen Stellenwert hat wie ein französischer Nationalspieler. Karla: Mhm. Anthony: Und, dass – diesen Respekt – gibt man bis heute noch nicht afrikanischen Nationalspielern hier. Und ähm... Und das war in Frankreich sehr, sehr gut. Karla: Mhm. Ja, da sind die Franzosen ja sowieso immer so... ja, als große Vorbilder gesehen in Europa, so. Anthony: Ja, muss man sagen. Ja. Karla: Bist Du religiös? Anthony: Ich bin sehr religiös. Ich bin... ich hab Kommunion gemacht, Firmung gemacht und bin römisch-katholisch aufgewachsen und habe immer eine Bibel bei mir und... bete jeden Morgen und jeden Abend. Hab auch den muslimischen Glauben vorübergehend angenommen gehabt, ähmmh... die Familie meiner Frau sind Muslime, aber ich hab jetzt nicht wegen meiner Frau mich konvertiert, nur, weil ich ein... eine Phase gehabt hab, wo ich... wo ich mich sehr nah... dem muslimischen Glauben hingezogen gefühlt hab und hab auch viele positive Attitüde daraus gewonnen gehabt, aber nicht alles und, wenn man mich heute fragen würde, bin ich voll katholisch oder muslimisch, könnte ich Dir die Frage nicht beantworten. Ich weiß nur eins: Dass ich sehr gläubig bin. Karla: Mhm. Anthony: Und, dass ich an einen Gott glaube und... meine Mutter uns auch so erzogen hat und ich, dadurch, dass ich halt noch mehr nach Afrika gereist bin, noch... noch gläubiger geworden bin. Und für mich ist Religion und Glaube auch `ne sehr persönliche Sache. Karla: Mhm. Anthony: Das ist zwischen mir und ihm. Ich kann Dir heute erzählen, ich bete jeden Tag, 54 aber Du bist nicht bei mir, wenn ich bete, also sieht er nur das; und deshalb ist es eine sehr persönliche Sache. Karla: Mhm. Anthony: Ich akzeptiere... und toleriere jede Religion, aber was für `ne Meinung ich über gewisse Religionen hab, das mach ich zwischen mir und meinem eigenen Gott aus. Karla: Hat die Religion in Bezug auf Fußball für Dich irgendwie `ne Rolle gespielt? Also, war die da währenddessen besonders wichtig für Dich, oder in Bezug auf die Karriere auch, oder... Anthony: Also, was mir gefallen hat... ähm... ich komme jetzt wieder auf die Nationalmannschaftskarriere zurück, ist, dass wir, vor jedem Spiel, alle in einem Zimmer zusammen gewesen sind, haben uns die Hand gehalten – Muslime, Protestanten, Katholiken – und... haben gebetet. Der eine hat die... die Fard gesprochen und der eine hat das ‚Vater unser’ gesprochen, abwechselnd, und... und dass der Glaube zum Beispiel da war, um dieses Spiel zu gewinnen und – auf dem Weg zum Spiel in dem Bus – haben wir gesungen. – Gotteslieder gesungen, dass wir unseren Gegner schlagen werden. Und äh... wenn man das hier machen würde, würde man sagen: ‚Eh... singen vor dem Spiel?’ Aber das hat uns Selbstbewusstsein eingeflößt und dadurch auch dann den Gegner beängstigt. Also, ich glaube schon, dass das `ne sehr, sehr große Rolle gespielt hat. Ja. Karla: Glaubst Du, dass es einen Unterschied macht, welcher Religion man angehört, dabei? ... Oder glaubst Du einfach,... Anthony: ... Nein, glaub ich nicht... Karla: ... dass der Glaube an sich... Anthony: Das ist ja... das musst du einfach mit dir selber ausmachen. Wie... wie jemand anders... wie man sich in einer andern Religion fühlt, das kann ich ja nicht beurteilen. Für mich macht es... ähm... gibt es keinen... keinen besonderen Grund. Ob man Buddhist ist oder Hinduist oder... oder ich sag mal Muslime oder... das ist, wie gesagt, immer zwischen dir und ihm und... ich glaube nicht, dass der Glaube da... ähm.. irgendwie was verändert. Karla: Ähm... Ein bisschen ein Themawechsel: Was bedeutet Integration für Dich? Also: was ist Integration für Dich? Anthony: 55 Integration bedeutet für mich, dass... ähm... wenn ich in einem fremden Land lebe, dass man mich erst mal so nimmt, wie ich bin. Ob jetzt einer ein Kopftuch an hat oder nicht, das soll mir schnurzpiepegal sein. Ich glaube, solang’ man sich... ordentlich verhält... gemäß den Traditionen und Kulturen und... und den Menschen über Respekt zollt, dann ist’s mir wurscht, wie man aussieht. Wenn aber das Verhalten, sprechen wir jetzt von Religion, in... in äh... sag ich mal, Fanatismus ausübt und... ähm... sag ich mal, ausartet, dann hat das für mich nichts mit Integration zu tun. Karla: Mhm. Anthony: Ich finde... und dann, darüber hinaus möchte ich auch, dass man..., dass du selber auch was zu Integration beitragen kannst, indem du dich versuchst... die Sprache zu lernen. Und wenn... wenn eine Kultur 100prozentig ist, find ich `s auch gut wenn du, sag ich mal, 10 – 20 % der Kultur annimmst. Weil ich finde, Multikulturalität und Flexibilität gehört zusammen. Und ich glaube, dass das sehr, sehr wichtig ist. Karla: Ähm... ich glaube, ein Problem ist, ähm... dieser... diese Diskrepanz zwischen Assimilation, also Anpassen... Anthony: Genau. Karla: ...auf der einen Seite und tatsächlicher Integration. Ähm... und ich glaub’, dass das `n Problem ist – also, ich komm jetzt zu diesem Stichwort ‚Parallelgesellschaften’ – dass irgendwie die Kommunikation fehlt, bei der... Anthony: Mhm. Karla: Also, dass halt... bei der... Anthony: Es kommt halt... `tschuldigung, dass ich Dich unterbreche... Karla: Ja, klar. Anthony: Es ist eben manchmal auch sehr, sehr schwierig und es kommt immer drauf an, in was für `ner Stadt du auch lebst. Karla: Ja. Anthony: In einer Stadt wie Köln ist es, glaub ich, einfacher als... wie in einer Stadt wie München oder so. Karla: Ja, auf jeden Fall. Anthony: Auf jeden Fall. Hier herrscht Subkultur. Und das spielt natürlich auch dann `ne große Rolle. Wenn du hier in Köln in eine Kneipe gehst, dann fragt der dich gleich auf Kölsch ‚wo küst de her, wat mä `ste’, das ist... ist ja wieder was ganz anderes. Aber trotzdem wirst du immer noch Leute finden, die, in 56 Anführungsstrichen, „nichts gegen Ausländer haben“. Karla: Mhm. Klar. Anthony: Und... äh... es liegt trotzdem an dir, dich zuerst anzupassen und zu integrieren, indem du erst mal die Sprache lernst. Karla: Mhm. Anthony: Weil, sonst kannst du nicht mit den Menschen kommunizieren. So. Und du kannst nicht von den Menschen erwarten, dass sie deine Sprache lernen. Karla: Ja, wobei ja da schon auch... naja, Ideale mitspielen, Wertvorstellungen... Anthony: Mhm. Karla: ... und ich glaube, auch wenn du die Sprache so kannst... also, wenn Du jetzt Deutsch kannst, kann `s trotzdem Kommunikationsprobleme geben... Anthony: Na klar. Karla: ...einfach, weil du dich anders ausdrückst. Oder irgendwie... Anthony: Natürlich. Na, weil in deiner Sprache du auch einfach ganz anders denkst. Karla: Man merkt oft bei Asiaten, dass die einfach `ne ganz andere Art haben... Anthony: `ne total andere. Karla: ...und es da irgendwie Missverständnisse gibt... Anthony: Es leben im Moment – apropos Asiaten – ähm,... `n Buch ‚die Schwarzen, die Gelben und die Weißen’ – das ist, wie der Asiate den Schwarzen sieht, wie der Asiate den Weißen sieht, wie der Schwarze den Weißen sieht... Karla: Mhm. Anthony: ...und der Schwarze den Asiaten auch sieht. Karla: Mhm. Anthony: Und wenn man über Asiaten auch spricht, dass es ja eigentlich ein Volk für sich ist. Und eigentlich gar kein Volk ist, das sich gerne unter die Leute mischt. Karla: Mhm. Anthony: Und man sieht `s in jeder größeren Stadt, wie China-Town, es gibt die Ecke, wo sie zusammen halten und da hab ich auch kein Problem mit, solang sie nicht aggressiv sind. Karla: Mhm. Anthony: Oder irgendjemand wehtun. Hab ich gar kein Problem mit. Karla: Naja, wobei es ja an sich schon... also, dieses Abkapseln an sich schon irgendwie ein bisschen schade eigentlich ist... Anthony: 57 Es ist schade, aber ich... ich finde, man kann sich abkapseln, das ist okay, wenn man sich gruppiert, aber irgendwie keine Aggressivität ausübt. Karla: Ja,... Anthony: Ne, Du verstehst. Der will seine Ruhe haben – okay. Karla: Ne, das mach... Ich mach ja gerade auch nebenher auch für die Uni noch so `ne Forschung über Behinderte in der Gesellschaft... Anthony: Mhm. Karla: ... und da gibt es ja auch ganz oft diese Subkulturen, dass die halt so ihre Gruppen bilden... Anthony: Natürlich. Karla: Und da... Anthony: Ich finde, das ist mit Ausländern, Schwarzen, Behinderten, Homosexuellen, Frauen ... (Lachen)... man kann das... Karla: (Lachen)... unendlich weiterführen. Anthony: Ja. Auf jeden Fall. Karla: Ähm... Okay: Waren Deine kulturellen Hintergründe wichtig für die Integration in der... in den Fußballmannschaften bei Dir? Anthony: Ähm... wichtig für die Integration war erst mal mein Selbstbewusstsein. Das ich... ähm... keine Meterfünfzig klein war... Karla: So wie ich (lacht)... Anthony: ...neinnein, das... ich red vom Sport... Karla: Ja, klar! Anthony: Im Sport spielt das natürlich `ne große Rolle. (Lacht) Ich kenn viele Frauen, die nicht so groß sind, die aber sehr forsch sind. Und ähm... und wichtig war erst mal, dass ich mein’ Sport gut konnte. Das war allererste Voraussetzung und dann... dann ist es so, dass ich die Sprache besser beherrschte, als... wie mancher Deutscher. Und für mich war es auf jeden Fall von... von frühen Kindesbeinen an sehr wichtig, dass ich für andere Menschen stehe. Karla: Hm. Anthony: Für andere Türen öffne. Und ich hab mich immer so... oder ich nenn’ mich immer noch ‚a rebell for justice’. (Räuspern) Mein Vater hat immer gesagt: ‚Respektier die Menschen, but never let... never let them step on your toes’. Karla: Hmm. Anthony: Und es war mir immer sehr wichtig... so wie man zu mir ist, so bin ich zu anderen. 58 Karla: Mhm. Anthony: Und ähm... Deshalb hab ich natürlich auch negative Phasen gehabt, aber immer mich durchgesetzt und dagegen angekämpft. Karla: Was glaubst Du, was für persönliche Faktoren wichtig sind für `ne Integration in `ner Mannschaft? Oder in einen Verein. Also, was muss man tun, um sich erfolgreich in `ne Mannschaft oder in einen Vereine zu integrieren? Anthony: Ähm... Jetzt als Ausländer oder allgemein? Karla: Allgemein und als Ausländer. Anthony: Das Ding ist, du musst erst mal ein Mannschaft-... ein Teamspieler sein. Karla: Mhm. Anthony: Ein Teamspieler heißt aber nicht, dass du dich mit jedem super verstehen musst. Karla: Ja, klar. Anthony: Du musst auch nicht mit jedem Kaffee trinken gehen, hab ich auch nicht gemacht. Aber: Du musst schon `n gewissen Teamspirit haben. Um überhaupt deine Person, deine Position zu erobern, musst du frech sein. Karla: Mhm. Anthony: Vorsichtig frech. Äääh und ähm... was als Ausländer noch dazu kommt ist, dass du dich natürlich nicht abkapselst und versuchst, da kommen wir wieder auf die Sprache, so schnell wie möglich mit den Jungs zu kommunizieren. Die sehen den Willen und umso mehr wird dir geholfen. Karla: Mhm. Anthony: Und ääähm... das ist schon sehr wichtig. Wenn gewissen Festivitäten, Aktivitäten anstehen, dass du dich daran auch beteiligst. Und – du hast immer ein, zwei in der Mannschaft, wo du dich sehr gut mit verstehen wirst, die auch mehrere Sprachen sprechen und die dich sofort integrieren. Bei uns Schwarzen war das immer so ganz normal, wenn ein Neuer da war, der ein Schwarzer oder Ausländer war, haben wir uns direkt um ihn gekümmert – und zwar automatisch. Und wie ich in Frankreich war, habe ich kaum in den Hotels geschlafen, wie ich neu kam und noch keine Wohnung oder Haus hatte, sondern bin ich... schliefst Du bei den Kumpels. Karla: Hm. Anthony: Ja? Und... Karla: Aber das war auch wieder dann was, was ihr nur ausländischen Spielern 59 gegenüber gemacht habt? Anthony: Ja. Aber das... das... das ist eigentlich ganz normal, weil... man sucht sich ja zuerst, weil man... Karla: Ja, klar. Anthony: Weil man ja was gemeinsam hat und wenn... wenn ich irgendwo in Afrika bin und dann ist da ein Deutscher und dann kommt da ein Deutscher, die suchen sich auch direkt. Karla: Ja, klar... Anthony: Und... da bin ich wieder bei dem: man gruppiert sich, aber ohne sich abzukapseln. Karla: Mhm. Anthony: Ja? Das ist... Das ist ganz normal. Karla: Ähm... Hast Du in Deiner Freizeit das private und berufliche Umfeld miteinander vermischt? Und wenn ja, wie stark? Anthony: Für mich war... Privat ist für mich... privat, ja. Karla: Mhm. Anthony: Da hat mein... mein Job gar nichts mit zu tun. Es sei denn, es sind meine engsten Freunde. Mit denen diskutier’ ich auch über diverse Sachen... diverse Sachen. Aber... `n bisschen vermischt sich das schon, weil ich bin halt ein multikultureller Mensch und... hab’... in meinem Freundes- bzw. Bekanntenkreis Menschen von so viel verschiedenen Abstam... Abstammungen und dann ist es zwangsläufig, dass du beides schon mal vermischst, wenn... wenn zum Beispiel irgendein Vorfall auf dem Spielfeld gewesen ist, wenn dich mal jemand beleidigt hat oder so, und das wird dann ja auch groß aufgebauscht und dann spielt das schon im privaten Kreise schon mal ein Thema. Karla: Mhm. Anthony: Ja? Äh, `ne Rolle. Und, äh... aber ansonsten versuch’ ich das strikt zu trennen. Karla: Okay. …. Hattest Du schon Probleme mit rassistischem Verhalten in Deutschland sowohl... also auch jetzt im Fußball als auch außerhalb des sportlichen Umfelds ... Anthony: Ja. Karla: ...oder auch seitens der Fans, innerhalb `ner Mannschaft, innerhalb eines Vereins oder...? Anthony: 60 Ich bin noch in `ner Zeit groß geworden, wo man ‚husch, husch, husch, Neger in den Busch’ gerufen hat. Karla: Ja. Anthony: Und... ich hab eigentlich viel Glück gehabt, weil ich eben in den meisten Stadien eigentlich Publikumsliebling gewesen bin, aber... ich hab in Dresden Probleme gehabt, äh... das war in Berlin, da war ich noch mit meinem Verein Fortuna Köln, wo man Bananen nach mir geschmissen hat... ‚husch, husch, husch, Neger in den Busch’ gerufen hat. Das war auch so bei... einer meiner Lieblingsstädte, in Hamburg. Zu dem Zeitpunkt war immer nur eine gewisse Ecke. Aber... ich hab... auf offener Straße bin ich schon mal angegangen worden: ‚Scheißneger’, ‚geh nach Hause’ und so... also... aber – ich glaube, das ist mir nie so oft passiert, wie zum Beispiel einem normalen Studenten, der jetzt hierhin kommt und... und... das heißt ja nicht... ich war ja nicht immer einigermaßen bekannt. Aber ich hab Glück gehabt. Karla: Mhm. Anthony: Dadurch... Durch meine Eltern, dass wir sehr kosmopolitisch aufgewachsen sind – in Bad Godesberg, beziehungsweise Bonn. Und ähm... da hat man von so... solchen Problemen eigentlich wenig mitgekriegt. Es sei denn, du bist zu den Randbezirken gegangen und dann wurde dir wieder deutlich,... dass du gar nicht von hier bist. Karla: Mhm. Anthony: Weil als Kind habe ich diese Wahrnehmung noch nicht so, du weißt zwar, dass du anders bist, aber... du kannst das ja noch gar nicht... differenzieren. Du siehst Schwarz und Weiß, aber diese Probleme, warum man beleidigt wird, warum man wegen `ner Hautfarbe angegriffen wird, das kann man noch gar nicht kapieren. Und... und das können nur deine Eltern dir klar machen. Mit ihrer Identität. Karla: Mhm. Anthony: Und... Aber im Großen und Ganzen, muss ich sagen,... hab ich viel Glück gehabt, aber ich glaube trotzdem, dass ich als Schwarzer, bzw. Ausländer noch mehr leisten muss als ein Einheimischer. Karla: Mhm. Ja, Du hast auch mal in `nem Interview gesagt, dass Du relativ viel Glück hattest, weil Du nicht so viele Probleme hattest, wie... wie das bei Kollegen, also grad’ beim Anthony Yeboah oder so, der Fall war. Anthony: 61 Mhm... Ja, ja. Genau. Weil ich... ich war immer jemand... ich konnte mich artikulieren. Wenn die mich in, im Interview gesehen haben, dann haben die gesehen, der ist locker, der ist flockig, der lässt sich nichts gefallen. Ich kam schon mal ganz anders rüber. Karla: Mhm. Anthony: Ein Yeboah konnte das noch nicht. Zu dem Zeitpunkt hat er noch keine Tore geschossen. Da war das noch schwieriger. Bei Sammy Sané genauso. Und aber mit der Zeit wurden auch sie noch mehr akzeptiert, indem sie die Sprache auch noch mehr beherrscht haben. Und... Aber es war keine einfache Zeit und ich würd` uns immer noch – uns drei – als... große Türenöffner sehen. Karla: Hattest Du auch Probleme mit rassistischem Verhalten innerhalb Deiner eigenen Mannschaft mal? Anthony: Ja. ... Zu mir hat mal einer in der Mannschaft,... das war einmal ein Spieler, gesagt ‚halt deine Negerfresse’ und dementsprechend hab` ich reagiert – hab ihm eine gescheuert (lacht). Karla: Und wie reagiert dann... also wird dann überhaupt innerhalb des Vereins und innerhalb der Mannschaft dann auf so was reagiert? Also auch auf rassistisches Verhalten der Fans, oder so? Oder wird das mehr so... totgeschwiegen? Anthony: Ähm... Zu dem Zeitpunkt war das noch nicht so, weil... ähm,... wie gesagt, ich mit der einzige damals war, bzw. dann Yeboah und Sané noch dazu kamen. Aber ... für mich... war ganz klar, wie dieser Mensch denkt über mich. Mein Trainer damals hatte mir zwar gesagt, wir sollen uns die Hand geben, hab gemeint: ‚ich geb` ihm nicht die Hand, aber ich spiel’ mit ihm in einer Mannschaft und trainier’ mit ihm und ich hab gar kein Problem damit, ich tun haben, nach `m Training nicht mit ihm, vor dem Spiel nicht und nach dem Spiel nicht’. Karla: Mhm. Anthony: Weil ich weiß, wie dieser Mensch denkt, da kann er sich tausendmal entschuldigen. Und... äh... das ist dann für mich gegessen. Karla: Mhm. Anthony: Und ich reagiere auch auf gewisse Sachen manchmal sehr extrem, damit diese Menschen es nicht mit jemand machen, der nach mir kommt. Karla: Hm. Anthony: Weil, du musst nicht mein Freund sein, wie gesagt, es muss dir nur Respekt entgegen gebracht kriegen. 62 Karla: Ja, klar. Anthony: Das ist alles. Man muss mich nicht lieben, ich will Respekt haben. Mir egal, was für `ne Hautfarbe – Respekt. Das ist für mich ein sehr wichtiges Wort. Und deshalb werde ich heute auch noch weiter respektiert. Und... was ganz witzig ist, ich hab, ich bin Pate der U13 vom 1.FC Köln und da spielen auch drei Schwarze in der Mannschaft und ich diskutier’ mit ihnen – über Hautfarbe, über Dinge, die passiert sind – und denen sag’ ich auch: ‚Eure Identität ist Schwarz, das dürft ihr nie vergessen. Aber trotzdem dürft Ihr Euch nicht gruppieren – oder abschirmen. Ihr müsst immer versuchen dieses Multi-Kulti auszuleben und... und stolz darauf sein, woher ihr kommt – keinen übertriebenen Stolz, aber das ist schon wichtig.’ Weil ich glaub, viele... durch das deutsche Attitüde... gehen in diesem Land manchmal vergessen – weil, man entwurzelt sich. Karla: Mhm. Anthony: Und... und ich find’s sehr schön, wenn man mehrere Kulturen in sich hat. Karla: Mhm. Ja, auf jeden Fall. ... Ähm... wenn Du das jetzt grad’ sagst, wie... wie... glaubst Du, dass die... diese Jungs... also ich mein, sicherlich nicht so stark, weil’s ja mittlerweile viel üblicher ist, dass halt Schwarze im Fußball sind... Anthony: Mhm. Karla: ...oder generell auch auf der Straße oder so... Anthony: Klar, mhm. Karla: ...aber glaubst Du trotzdem, dass die ähnliche... Probleme haben, teilweise, wie Du sie erlebt hast, oder... Anthony: Heutzutage, ich glaube, nicht mehr so häufig, wie... wie in... in ... in der Vergangenheit, weil... Hip-Hop ist cool. (lacht) Rap ist cool. Es gibt viele... viele schwarze Schauspieler, die... die... die Jugendlichen haben die Hosen bis auf den Hüften hängen, was ja eigentlich von den Schwarzen kommt, von der Hip-Hop-Kultur, und ich glaube, schon allein das verbindet. Karla: Mhm. Anthony: Und ähm... viele werden ja auch als... als cool angesehen: ‚mit dem möcht` ich zusammen sein’, ‚mit dem möcht` ich in einer Gruppe sein’ und... das ist `ne andere Zeit. Aber ich glaube auch – grad’ auf dem Fußballfeld – um darauf wieder zurück zu kommen, dass... du ja auch Leute hast, die vor dem Fernseher seh... sitzen und die Kinder daneben: ‚guck dir den Neger an’. Und die Kinder 63 sprechen das nach. Und äh... (lacht sarkastisch) Rassismus wird nie ausgehen. Wir werden immer damit konfrontiert werden und wir werden immer Probleme damit haben. Nur, wir müssen uns lernen... wir müssen lernen uns dagegen zu wehren. So, dass es... Maß annimmt, dass die Menschen nachdenken und nicht... die Leute zum Beispiel mit Neger ansprechen – dieses Wort verabscheue ich. Karla: Wie... also (lacht), das hat jetzt nicht direkt damit zu tun... Anthony: Mhm. Karla: ...aber wie hast Du das in Ghana... also ich war ja `ne Weile in Namibia und hab da gearbeitet, und ich hab die Erfahrung gemacht... Anthony: In Windhoek, oder? Karla: Äh... ja, das erst... Erst war ich in Okahandja... Anthony: Okahandja, mhm. Karla: und dann war ich Windhoek. Anthony: Okay. Karla: Das zweite Mal, als ich da war. ... Und ich hab bei meinen Kollegen die Erfahrung gemacht, dass der Rassismus innerhalb der Schwarzen, also je nachdem was für `ner.... Anthony: Mhm. Ethnischen Abstammung... Karla: ... ethnischen Gruppe... Anthony: ...ja... Karla: ...sie jetzt angehören, teilweise, wesentlich extremer noch war als der Rassismus der Weißen den Schwarzen gegenüber. Wobei der ja doch schon, teilweise, relativ stark... Anthony: ... mh… ja, aber dann... das würd’ ich anders sehen, das ist... das ist... ich würde das... mehr als manchmal... ich würd’ mich erst mal fragen: woher kommt das? Karla: Also ich hatte so das Gefühl, das war so, dass sie... ähm... für sich nicht akzeptieren wollten, dass sie selber schwarz... also... das war teilweise wirklich so, dass wenn die untereinander... Anthony: Ne, aber... Karla: ... sich gestritten haben, dann sind sie zu mir hergekommen und haben gesagt, ‚weißt Du, ich bin nicht wie die, ich bin wie Du’ und ich stand da und... Anthony: 64 ...ja, aber woher kam, woher kam... woher kommt das? Das muss man sich mal fragen. Gra... Karla: Naja, im Endeffekt, kommt’s schon auch von der Stellung der Weißen. Anthony: Ja. Karla: Klar... Anthony: Ja. Ja, und grade in so Ländern wie Südafrika hab’ ich bemerkt, ich bin – nur mal ein Beispiel – ich hab mal `ne Mondshow in Sun City gehabt und komm da an und es war ein Riesenkomplex – das Hotel groß wie sonst was – und dann hab ich einen von den schwarzen Arbeitern gefragt, ‚sorry, can you tell me, where the lift is?’ und der hat gefragt ‚staff lift?’ – er konnte sich nicht vorstellen, dass ein Schwarzer in so einem Hotel wohnt. Und dann hab ich gesagt ‚hey, they’ve lost their culture’. Weil sie die ganze Zeit unterdrückt wurden. Und... und es gibt auch Unterschiede in... in... in Südafrika oder Südwestafrika, weiter im Osten an der Westküste, es gibt überall Unterschiede. Und... Für mich... ich geh immer zurück zur Sklavenzeit, weil... warum sind so viele ethnische Gruppen überhaupt entstanden? Man hat ja damals schon die Leute getrennt. Indem man wirklich... ‚du gehst in die Ecke und du in die – die’ – man hat damals schon Grenzen so gezogen. Da hat sich `ne Sprache gebildet – da hat sich `ne Sprache gebildet – da und da. Die wollten nicht, dass wir uns verstehen und das... das sind so lauter ganz kleine Mosaiksteine, die zu... zu `m großen Felsen und... und ich finde daher kommt das. Weil ich denke immer: Leute wie... Mandela, wobei dann muss ich erst mal bei Nkuma anfangen, dass die ein vereintes Afrika wollten. Weil, in diesem... auf diesem Kontinent ist so viel Potential und... Und ich wünsch’, dass wir das hier weiterführen. Und... und ich glaube auch, dass es der Wirtschaft sehr gut tun würde. Aber ich glaube, trotzdem, dass immer... immer noch Leute... die... die westlichen Leute, das gar nicht haben wollen, dass sich Afrika vereinigt. Karla: Hm... Anthony: Ja, so seh’ ich das. Karla: Also, ich muss sagen... Anthony: Mhm. Karla: ...ich hatte da wirklich teilweise Probleme, mit... Anthony: Mhm. Karla: ...weil, für mich war’s so – ich bin hier aufgewachsen... Anthony: Mhm. 65 Karla: ...und wenn in meiner Klasse ein Schwarzer oder jemand, was... Anthony: Mhm. Karla: ..weiß ich woher war... Anthony: Mhm. Karla: ...das war mir – also, das hat für mich nie einen Unterschied gemacht... Anthony: Mhm. Mhm. Karla: ... und dann bin ich dahin gekommen und dann war’s... klar einerseits sowieso schon mal dieses Schwarz und Weiß und die Schwarzen haben eben in den Ghettos gewohnt, wo man kein fließend Wasser und nichts hatte und die Weißen hatten eben diese relativ noblen Häuser... ja doch und dann... und dann war’s eben auch dieses... dieses untereinander... Anthony: Ja... Karla: dieses... diese quasi... Anthony: Hierarchie... Karla: ...diese Hierarchie einfach... Anthony: Ja, mhm. Karla: ... auch zwischen den einzelnen Ethnien... Anthony: Klar, mhm. Karla: Und das war für mich... das hat mich völlig überfordert teilweise, Anthony: Das sind auch so Sachen, die ich nicht mag, wenn... wenn... wenn Afrikaner zum Beispiel sagen ‚he’s a negro’ or ‚he’s a funky, that’s why he is like that’ and I say ‚he’s a person’… ‘he is a person’… Karla: Ja. Anthony: und… und das sind halt auch so Sachen, die... die mir persönlich nicht gefallen. Und auch dafür werde ich immer weiter kämpfen und den Kindern beibringen, dass sie – egal welcher ethnischen Abstammung, sagen wir mal, egal welcher Nationalität, innerhalb von Afrika sie sind – dass sie versuchen müssen zusammen zu halten. Karla: Mhm. Wobei der Rassismus, glaub ich in Südafrika, noch wesentlich extremer ist, also... Anthony: Ach, auf jeden Fall. Karla: Also ich weiß nicht, in Südafrika bin ich... bin ich Weißen begegnet, die mir ernsthaft versucht haben mit Argumenten klar zu machen, dass Schwarze keine Menschen sind... 66 Anthony: Klar... Karla: ...wo ich da stand und dachte – okay, was ... Anthony: Klar, aber das sind für mich alles nur so Oberflächlichkeiten. Was da abgeht. Karla: Ja, aber weißt Du... ich find’ das so schlimm, weil du gehst irgendwo hin und du verstehst dich eigentlich gut mit Leuten... Anthony: Mhm. Karla: ...und dann kommst du irgendwie mal auf so’n Thema und dann... dann kommt irgendwie so was... Antony: Klar. Karla: ...und dann sitzt du da und weißt überhaupt nicht, wie du damit... also im ersten Moment... klar... Anthony: Mhm. Karla: Klar, ich hab dann mit den Leuten gestritten, hab mit denen diskutiert und hab... Anthony: Klar. Karla: ... keine Ahnung was und das war dann auch ein Problem, weil wenn ich dann mit meinen schwarzen Kollegen irgendwie was gemacht hab... Anthony: Mhm. Karla: ...oder so, dann war das auch immer irgendwie sehr schwierig oder so, dass die Weißen dann gegangen sind, wenn dann halt die Schwarzen auch da waren oder was weiß ich was, aber... Anthony: Das sind aber auch so... so Themen, die ich hier oft... wo die Leute immer: ‚Du bist ganz anders’, wenn die das zu mir gesagt haben, sag ich immer: ‚inwiefern bin ich anders? Nur, weil ich besser Deutsch spreche? Nur weil ich... aus `nem anderen Background komme?’ Das sind so Sachen... (lacht)... die ich nicht verstehen wollte. Karla: Andererseits kommt’s auch vor, dass die Schwarzen dann selber, wenn man mit ihnen diskutiert dann gleich sagen ‚das sagst Du nur, weil ich schwarz bin’ ... Anthony: Das ist für mich mangelndes Selbstbewusstsein. Das... das... das ist wieder – für mich – wenn ich diskutiere, oder wenn ich in einer Mannschaft spiele – und das bring ich auch diesen jungen Leuten bei – dass Rassismus immer an letzter Stelle stehen muss – als Argument. Karla: 67 Mhm. Anthony: Du musst dich verbal artikulieren können. Rassismus muss immer an letzter Stelle stehen. Das bring ich denen immer bei. Ihr sollt sagen: ‚ich geh’ immer nur über Leichen zuerst’ – leider Gottes. Aber das muss an letzter Stelle sein, dazwischen ist es mir zu einfach zu sagen ‚Hm – weil ich schwarz bin’. So. Karla: Jetzt sind wir etwas vom Thema abgekommen... (lacht) Anthony: Ja, kein Problem. Karla: Also, ich bin vom Thema abgekommen. Anthony: (lacht) Karla: Ähm... bevor Du den Verein gewechselt hast, ist da seitens des Vereins, sind da Faktoren thematisiert worden, die mit... Anthony: Die mit Hautfarbe zu tun haben? Karla: ... die mit Hautfarbe oder einfach mit Deiner Herkunft, mit Deiner Kultur zu tun haben,... die... also, ich weiß nicht, zum Beispiel die Fußballphilosophie betreffen oder irgendwelche Verhaltensregeln... Anthony: Ja... jaja... ähm, das Ding war... das ist so witzig, ich hab mich mit jemandem, mit einem Weißen oder einem Deutschen unterhalten und plötzlich sieht der einen Schwarzen über die Straße gehen und plötzlich sagt der ‚kuck mal, da ist `n Schwarzer’, weil er mich gar nicht so sieht eigentlich. Karla: Mhm. Anthony: Allein dadurch, dass ich diese Sprache so gut beherrsche. Karla: Hm. Anthony: Und dann sind wir bei dem Thema, ‚Du bist ja anders’. Karla: Ja. Anthony: Aber... viele haben auch noch nicht versucht den Schwarzen oder den Afrikaner richtig kennen zu lernen. Was das für ein Mensch ist, wie der ist... Karla: Mhm. Anthony: Das gehört auch zur Integration. Karla: Mhm. Anthony: Finde ich. Karla: Beidseitig. Anthony: Ja. Karla: Ja. Also, so was ist nie im Vorfeld geklärt worden. Anthony: Nein. Neinnein. Karla: Hast Du Integrationshilfen seitens des Vereins... also auch jetzt, klar, in 68 Deutschland war das wahrscheinlich jetzt nicht so nötig. Aber als Du in den anderen Ländern warst auch jetzt teilweise, Integrationshilfen seitens des Vereins gestellt bekommen? Also, zur Integration in den Vereinen, in die Mannschaft oder auch außerhalb der Mannschaft im persönlichen Leben? Anthony: Ich persönlich hab’s eigentlich nie gebraucht. Weil die... die wussten schon im Vorfeld was ich für `n Typ bin, und dass ich eher... den Spielern geholfen hab sich zu integrieren – egal wo ich war... Karla: Hmm. Anthony: ...und... durch mein Auftreten haben die schon gesehen, wie ich getickt habe... Karla: Mhm. Anthony: ...und deshalb habe ich’s eigentlich nie gebraucht. Aber der Verein hat eigentlich meistens – immer fast eigentlich – ich glaube, dass das heute noch ein bisschen intensiver ist, jemand, der dir zur Seite steht und, der dir hilft in... in... in gewissen Sachen. Karla: Ähm... wie wichtig ist `ne Integration in den Verein außerhalb der Mannschaft – also zum Rest des Vereins für Dich? Anthony: ... ach, sehr wichtig. Für mich ist erst mal... ähm... äh... das spielt `ne elementare Rolle, weil... du brauchst immer jemanden, der... zum Beispiel, wenn viele Ghanaer da sind, dass du ein Ghanaer nimmst, der auch wieder beide Kulturen in sich hat, und der erst mal sein Landsmann versteht, aber auch die Kultur hier. Der kann auch ganz anders vermitteln. Und... ähm,... weil Schwarze sind eigentlich sehr sensible Menschen und sehr stolze Menschen. Wenn sie in ihrem Stolz verletzt werden, ticken sie ganz anders, aber wenn du ihnen... ihnen gewissen Respekt gegenüber bringst, dann werden die ganz anders performen. Und ich find’ das sehr, sehr wichtig. Ob jetzt mit Australiern, Brasilianern, Türken es ist sehr wichtig, um auf der Arbeit bzw. im Sport 100prozentige Leistung zu bringen. Sehr wichtig. Karla: Hmm. Und da hattest Du dann auch – weiß ich nicht – Vereinsführung oder außerhalb der Mannschaft zu den Leuten die... die Kontakte so? Anthony: Ja, ja, ja. Auf jeden Fall. Ja. Karla: Okay. Ähm… Du warst ja auch immer relativ engagiert, also Du hast ja auch selber gesagt, Du hast Dich immer so als... als Vorreiter gesehen, als... Anthony: 69 Mhm. Karla: ...Vorkämpfer, dich engagiert bei FARE7 oder keine Ahnung was... Anthony: Ja. Immer noch ja. Mhm. ‘Stand up – Speek up’ die neue Kampagne von Nike. Ja. Karla: Ähm... Wie wurde das aufgenommen, so von Deinem Umfeld immer? Anthony: Ähm... Die Schwarzen haben – was ich auch später erst gemerkt habe – wenn ich jetzt mit... mit Leuten rede, die... die auch gespielt haben, wie Lou Bega, dieser Sänger, haben wir – beim Promispiel – haben wir gespielt und dann kommt der, mittendrin, im Spiel, sagt er‚Du bist mein großes Idol, immer gewesen’ und... viele kamen auf mich zu, weil die sind in irgendwelchen Dörfern aufgewachsen, waren die einzigen Schwarzen, aber ich war der Schwarze, der gespielt hat. Karla: Mhm. Anthony: An mir haben sie sich mit hochgerissen. Und da hab ich schon so `n Gänsehauteffekt gekriegt und das hat mich eigentlich bewogen noch mehr zu kämpfen. Und auf der Straße merk’ ich sowieso, wenn... fast jeder Afrikaner kennt mich. Und man grüßt sich auch automatisch. Das ist einfach: ist so – und dann bleib ich eben stehen, quatsch so ein bisschen mit denen und ich versuch’ auch, wenn ich helfen kann, immer zu helfen, aber ich bin kein Typ, das musst Du auch wissen, dass ich versprech’, ich werde das und das machen. Nein, wenn was geht, dann geht was... Karla: Mhm. Anthony: Und... das ist mir auch sehr wichtig muss ich sagen, dass... dass diese große Akzeptanz und dieser Respekt da ist, das ist mir sehr wichtig, weil, wie gesagt, ich seh’ mich jetzt als Afrikaner, weil... weil ein... ein Deutscher, oder ein Italiener würden nie sehen, woher ich komme. Ich kann unterscheiden, durch die Gesichtsstruktur, ob das jetzt ein Ghanaer ist, oder ein Nigerianer. – Nicht immer 100prozentig, aber natürlich besser wie ein Europäer. Und dadurch, sag ich immer, seh’ ich mich selbst als Afrikaner. Karla: Mhm. Ja, das stimmt. Anthony: (lacht) Ja. Karla: Das hab ich auch gemerkt,... Anthony: Ja. Karla: ...dass die Leute das nicht wirklich auseinander halten können... 7 Football against racism in Europe. 70 Anthony: genau, ja. Karla: ...genau, wie es einem ja auch mit den Asiaten oft geht, ... Anthony: Genau so ist es, ja. Karla: ...dass... Anthony: Genau, ja. Karla: Ja, stimmt. Ähm... Du hast vorher mal gesagt, Du hast mal gesagt, Du bist mal der erste schwarze deutsche Nationalspieler, was bedeutet es für Dich, dass es jetzt, trotzdem – auch wenn Du’s nicht jetzt nicht warst – dann ein Ghaneer war... Anthony: ...Ghanaer. Karla: oder Ghanaer, der... Anthony: Gerald Asamoah. Karla: Ja. Anthony: Ja, mit dem ich auch befreundet bin und... anfangs dachten vielen ‚ah, warum spielt der nicht für Ghana – super Spieler’ Karla: Naja, wollte er ja eigentlich auch... Anthony: Ja, er war... er saß ja auf der Bank,... Karla: Ja. Anthony: ...aber man muss... man hat ihn nicht eingewechselt. Ähm... hm... ich find’s traurig... sehr traurig, dass er nicht für Ghana spielt, aber, im Gegenzug, find’ ich’s klasse, weil... auch er fördert die Integration noch mehr. Indem er `ne hohe Akzeptanz hat, für... für die deutsche Nationalmannschaft zu spielen. Ich hab’ zu Gerald mal gesagt ‚Du hast so was wie die erste Seite eines Buches geschrieben. Du kannst dieses Buch jetzt voll machen’... Karla: Mhm. Anthony: ... und das hat er auch kapiert. Und... Schwarze gehen zu ihm und sagen ‚hey, durch Dich werden wir auch schon wieder mehr akzeptiert’ und... und das find ich klasse. Er ist quasi... ein afro-deutscher Botschafter für Afrika. (lacht) Ja? Und ich... ich find `s klasse. Auch jetzt mit Owomoyela, obwohl er... halb und halb ist, aber... das ist gut und ich fänd’s – je bunter, je besser. (lacht) Karla: (lacht) Mhm. Anthony: Wenn mehr bunt wären, denk ich immer, aber so (lacht)... warum nicht mehr bunte Leute? Ja. Karla: 71 Asamoah hat mal gesagt... Anthony: ‚ich bin der schwarzeste...’ Karla: Genau... Anthony: ...’deutsche’ ... Karla: ... ‚ich bin der schwarzeste Deutsche...’ bzw. ‚es gab schon einige schwarze’... Anthony: schwärzeste... warte mal... Karla: ‚Nationalspieler’... Anthony: schwärzeste oder schwarzeste...? Karla: schwärzeste... Anthony: schwärzeste... schwarzeste – kein Ahnung (lacht)... Karla: (lacht) schwärzeste, glaub ich ... ja genau. Anthony: (lacht) Das stimmt ja. (lacht) Karla: Ne, aber er ist ja auch ein absoluter Publikumsliebling. Anthony: Ja. Ja, aber auch wieder nur durch seine Art, so und... und... und auch durch seine Spielweise. Also, weil er ein absoluter Kämpfer ist und... aber er trotzdem auch... seine Identität kennt. Karla: Mmm. Anthony: Und das ist wichtig. Und deshalb mögen ihn auch die Schwarzen. Karla: Mhm. Anthony: Weil es gibt... es gab zum Beispiel Leute, die... wie Jimmy Hartwig, die gespielt haben, aber da hat sich kein Schwarzer mit identifiziert. Karla: Mhm. Anthony: Und... und... und das find ich sehr wichtig. Karla: Mhm. Ne, also, es ist ja auch, er ist ja auch absolut... also, ich hab ja auch mit... mit Schalke ein bisschen zusammengearbeitet... Anthony: Mhm. Karla: ...und hab auch gefragt, nach Spielerinterviews... Anthony: Mhm. Karla: … und hab auch eben gemeint, also besonders interessant wär’s natürlich, sich mit Gerald Asamoah zu unterhalten... Anthony: Mhm. Karla: Aber da haben sie halt gleich gemeint, das ist halt der absolut begehrteste Spieler überhaupt. Anthony: Ja. Ja. Karla: Also, das ist quasi nicht möglich, da irgendwie `n Termin zu bekommen. 72 Anthony: Ja. Vielleicht kann ich was organisieren. Schau 'ma mal Karla: Echt? Das wär cool! Anthony: Weil ich hab also Kontakt zu allen Schwarzen. Wir treffen uns auch mal... Karla: Oder Otto Addo ist zum Beispiel auch so jemand... Anthony: Otto ist wie mein kleiner Bruder... Karla: Aber von Dortmund hab ich... bei Dortmund hab ich – da war `s so, dass ich da überhaupt kein feedback gekriegt hab... Anthony: Ja. Karla: ...und dann auch dachte: Okay, die haben wahrscheinlich gerade genug andere Sachen im Kopf als, ich denen da hinterher renne. Anthony: Ja, ja, aber... die, die hab ich alle auch, also dass sind, wie... Otto ist wie mein kleiner Bruder, oder... das... das ist ein hochintelligenter Mensch. Karla: Ja, eben. Ne, Otto Addo war immer so... Anthony: Ja, Otto ist ein sehr normaler Mensch, sehr auf dem Boden geblieben. Karla: Ja. Anthony: Wie gesagt, wir treffen uns immer alle zwei, drei Monate und... und ich hab dieses Treffen... wo wir schon bei dem Thema sind, das erste Mal gemacht, weil Otto sich das dritte Mal verletzt hatte... Karla: Mhm. Anthony: ...mit dem Kreuzbandriss. Hab’ ich gesagt, was können wir tun, um ihn moralisch zu unterstützen und dann hab ich die ganzen Jungs angerufen, dass wir uns in einem afrikanischen Restaurant treffen... Karla: Cool. Anthony: ...aber Otto wusste nichts davon. Und dann saß ich mit Otto da und dann kam Asamoah, Owomoyela, Kalla, Oliseh und wir waren dreißig Mann und es war... war wunderschön – war klasse – und dann haben wir dadurch bewogen, dass wir das öfters machen... Karla: Schön. Anthony: Ja. Karla: Okay... Ähm… Was glaubst Du, wonach in den Vereinen die Spielerauswahl getroffen wird, außer eben jetzt, dass man sagt, okay, ich brauch auf der und der Position `n Spieler, wo krieg ich da einen her? Also, warum... keine Ahnung, jetzt ein... ein Deutscher ausgewählt wird, ein Afrikaner ausgewählt wird... glaubst Du, da gibst irgendwelche Kriterien, wo man sich überlegt, 73 okay, da hol ich jetzt am besten ein Brasilianer oder `n Italiener oder `n Schwarzen? Anthony: Ähm... das ist meistens... meistens eigentlich immer so... ähm... es war mal ne Phase, wo Ghanaer total in waren, dann – hat immer mit der Afrikameisterschaft zu tun gehabt – damals in... Ende 80er, Anfang 90er, wo die die meisten Talente rausgebracht haben, dann waren’s Kameruner, dann Nigerianer, das waren immer so Phasen. Aber jetzt glaub’ ich schon, dass es so ist, dass man natürlich erst guckt, wer... wer spielt, dann erkundigt man sich, wie er charakterlich ist, ... wie seine... Integrationsqualtitäten sind, ich glaube schon, dass man nach diesen Methoden urteilt, weil: es gibt auch viele Vereinsmanager, die mich anrufen und fragen über Afrikaner, ‚wie ist der drauf? was macht der?’ und... ‚meinst Du, der wär’ was – charakterlich?’, dass sie sich so Auskunft holen. Karla: Mhm. Anthony: Auf jeden Fall, ja. Karla: Okay. Wieso hast Du Dich... also, wonach hast Du entschieden, was für `n Verein... also zu welchem Verein Du jetzt wechselst – oder nicht wechselst? Anthony: Ähm... ich hab das Glück gehabt halt... einigermaßen auswählen zu können. Für mich hat die Stadt eigentlich immer `ne große Rolle gespielt. Die MultiKulti. Und... ähm... das... das hat `ne große Rolle gespielt. Aber für... in erster Linie ist es eigentlich wichtig, ... der... der Manager kann dich 1000 mal anrufen, aber wenn der Trainer mich nicht anruft... Karla: Hmm. Anthony: (lacht)... dann merk ich auch nicht, dass mich jemand unbedingt haben will. Karla: Mhm. Anthony: Wenn der Trainer mich anruft, und sagt ‚hey, ich möchte Dich in meiner Mannschaft haben’ und so, das ist schon mal das erste, was für mich sehr wichtig ist: dass mich ein Trainer will. Und ganz abgesehen davon was für `ne Stadt – was für ein Umfeld. Karla: Obwohl der Trainer ja eigentlich der wackligste Stuhl in der Mannschaft ist... Anthony: Ja, aber macht die… der stellt die... die... die Mannschaft auf. Karla: Mhm. Ja klar. Anthony: Ne? Und... und das ist erst mal wichtig, weil... der Manager stellt die Mannschaft nicht auf. Der ist nicht jeden Tag beim Training dabei. 74 Karla: Mhm. Ja. Anthony: Ja?... Und... ja, und natürlich auch so... Ich wär’ zum Beispiel nie in den Osten gegangen. Karla: Wegen dem Rassismus. Anthony: Ja, klar. Karla: Klar. Anthony: Ich mein’: ich könnte mich im Stadion wohlfühlen, aber außerhalb des Stadions nicht. Karla: Mhm. Anthony: Und, wenn ich gar nicht richtig rausgehen kann und in keinen Laden rein komm – was soll ich in der Stadt? Also, das wär’ nichts für mich. Karla: Hmm. Was hältst Du davon, dass Spieler für den Fußball, egal jetzt, ob für die Nationalmannschaft oder nicht, ihre Nationalität wechseln? Also es geht ja auch der Trend so `n bisschen in die Richtung – dadurch, dass es jetzt diese Beschränkungen gibt, wie viele nicht-europäische Ausländer überhaupt, ich glaub, im Kader sein dürfen... Anthony: Mhm. Karla: ...dass man eben sagt irgendwie, wie einer mal gesagt hat ‚ich hatte man einen deutschen Schäferhund und darum nehm` ich jetzt die deutsche Staatsangehörigkeit an’ Anthony: Wenn das legitim ist – warum nicht? Wenn... wenn das gesetzlich alles korrekt ist... Okay. Wenn er sich persönlich identifizieren kann – gar kein Problem. Das heißt ja noch lange nicht, wenn Du zehn deutsche Pässe hast, dass Du trotzdem Deutscher bist. Ich mein, Du... das ist ja legal. Das zu haben. Karla: Ja, klar. Anthony: Weil... je... wenn das... deine beruflichen Perspektiven hier erhöht, und... was ganz legitim ist, Du hast eine Familie, musst diese Familie ernähren und ... was ich korrekt finde... Karla: Mhm. Anthony: Ich find `s nur blöd, wenn einer aus Brasilien ist und die... die Nationalität von Katar annehmen will und da für die Nationalmannschaft spielen will. Da... da fehlt mir die Identifikation. Wenn er die annimmt um... um da in dem Land zu spielen und, sag ich mal, als einer der wenigen Ausländer zu spielen, okay, das ist kein Problem... 75 Karla: Mhm. Du sagst immer, dass es... ähm... ich weiß nicht, Du machst... ähm... äh... diese ganzen... Subgroup-Sachen immer so ein bisschen an der Hautfarbe mehr fest, als an der Nationalität... also ich weiß nicht, Du sagst, wenn... wenn... als Du in Frankreich gespielt hast, war’s da noch wichtig, dass da noch andere Schwarze gespielt haben, Anthony: Ich hab gesagt... Nein. Ich wollte das Gefühl haben, ich wollte wissen, wie das Gefühl ist, mit mehreren Schwarzen in einer Mannschaft zu spielen. Karla: Okay. Anthony: Das, was ich hier ja nicht kannte. Karla: Ja, klar. Anthony: Also mir... das hatte jetzt gar nichts... nichts damit zu tun, wie viel Leute meiner Hautfarbe da in der Mannschaft sind. Ich wollte das Gefühl haben. Karla: Mhm. Okay. Anthony: Das ist wieder was ganz anderes, wie es ist. Das ist ein feeling. Karla: Ja. Anthony: Und es war ein klasse Gefühl. Das kann ich heute nur noch sagen. Karla: Aber würdest Du jetzt unterscheiden, ob das jetzt Leute sind, die auch aus Ghana kommen, oder... Anthony: Nein! Überhaupt nicht. Deshalb sag ich ja: ‚ich fühl mich als Afrikaner’! Karla: Erst als... ja, genau, das wollt ich wissen. Anthony: Mhm. Karla: Ähm... Diese Grüppchenbildung... Anthony: Mhm. Karla: Ähm... glaubst Du, da gibst – weil Du das immer so... so positiv gesagt hast – da gab’s auch negative Aspekte durch, diese... Anthony: Du meinst innerhalb der Mannschaft? Karla: Subgroups... Anthony: In Frankreich jetzt? Karla: Ja eigentlich allgemein..., Anthony: Ich kann’s ja nur beurteilen. Karla: Ja, ich dachte vielleicht auch aus Asien oder so... oder gab’s da auch gar keine Schwarzen damals? Anthony: Ähm... In Asien waren auch Schwarze, ja. Aber die... die... die haben sich so gruppiert, weil die Asiaten überhaupt keine Schwarzen angenommen haben. 76 Karla: Hmm. Anthony: Ne? Das die dann ihr eigenes Leben geführt haben. Genauso wie die Asiaten in Europa. (lacht) Aber die... die wollen mit dir gar nichts zu tun haben. Karla: Hm. Okay. Anthony: Das ist... ein Land wie Hongkong, das multikulturell ist, aber die Menschen denken nicht multikulturell. Das ist multikulturell von verschiedenen Farben her – Hautfarben – aber die Menschen denken überhaupt nicht multikulturell. Karla: Hmm. Anthony: Du bist ein Mensch zweiter Klasse. Absolut. Karla: Okay, dann… dann nur in Frankreich – gab’s da auch negative Aspekte, dass ihr dann irgendwie, seitens des Rests der... der restlichen Mannschaft da... Anthony: Ne. Ne, weil in... in Frankreich ist es eigentlich... die weißen Franzosen sehen das ganz anders. Dadurch, dass Frankreich viel mehr Kolonien hatte, in Afrika, das fängt doch schon an, wenn du mit jemandem mit nach Hause gehst, das ist... Klein... die kleinen Kinder auf dich zu kommen: ‚fait Antoine a tu la bissu?’‚gib ihm ein Küsschen’, das ist ja in Frankreich so. Karla: Mhm. Anthony: Da geht’s ja nicht so (Bewegung zum Händeschütteln), da geht’s ja so (Küsschen, Küsschen). Karla: Mhm. Anthony: Da geht es direkt so und... und die Kinder gewöhnen sich an Schwarze. Die wachsen mit Schwarzen auf, in den Kindergärten und so. Das ist ein ganz anderer Umgang. Karla: Mhm. Anthony: Das heißt, nicht, dass die nicht auch Rassisten sind. Aber es ist ein anderer Umgang. Ganz anders. Das ist... ist... ich weiß nicht, ich hab... hab... das war ein ganz anderes feeling. Karla: Glaubst Du, dass das hauptsächlich... so auf den sportlichen Bereich beschränkt war, oder glaubst Du, dass das allgemein, die Integration in Frankreich besser funktioniert? Anthony: Äh... Ich glaube... Frankreich ist... durch die Kolonien... Karla: Mhm. Anthony: Du hast ja damals... wo Du in Frankreich geboren bist, das ist heute ein bisschen anders von Gesetz, hast Du direkt `n französischen Pass gekriegt. 77 Karla: Das ist immer noch so, oder? thony: Ne. Karla: Nicht? Anthony: Du musst `n … Du musst, glaub ich... Doch. Ist immer noch so. Glaub ich, doch. Karla: Ich dachte immer, das ist das jus soli, also das Territiorialrecht. Anthony: Ja. Ich glaube, ja. Karla: Ja? Anthony: Ja, und das... das macht die Sache ja schon viel, viel einfacher. Karla: Mhm. Glaubst Du, dass die Entwicklung... also es ist ja jetzt seit... Ende der 90er in Deutschland auch so, dass du, wenn du in Deutschland geboren wirst... Anthony: Mhm. Karla: ...erst mal von Geburt an den deutschen Pass und den ... also quasi doppelte Staatsangehörigkeit hast... Anthony: Ja, und bis zum 23. Lebensjahr... Karla: Genau. Anthony: da musst du dich dann... Karla: entscheiden. Anthony: Ja. Karla: Glaubst Du, dass das hilfreich ist, für die Integration auch? Anthony: Ja. Sehr hilfreich. Du... du hast ja... genügend Zeit, um... um zu überlegen... was dir jetzt mehr hilft. Für mich heißt... Pass noch lange nicht Herkunft. Karla: Ne, klar. Anthony: Oder Identität, wie gesagt. Aber es ist sehr hilfreich für die Integration. Was ich sehr gut find. Karla: Mhm. Anthony: Auf jeden Fall. Karla: Ich weiß nicht inwieweit Du Dich da so mit der Politik auseinandersetzt, aber... ich weiß nicht, ich hab diesen Bericht der Freiwilligen Kommission Zuwanderung ‚Zuwanderung gestalten – Integration fördern’... Anthony: Mhm. Karla: ...gelesen und da war’s halt auch so, dass... naja gut, dass... dass eben... klar, diese neue Gesetzgebung ist das eine und das andere, dass man gesagt hat, okay, man muss den Leuten Unterstützung geben die Sprache zu lernen, aber, 78 dass ich trotzdem, seitens der Politik, ein bisschen das Gefühl hatte, dass das... dass sie gesagt haben, dass die Leute sich auf `m Arbeitsmarkt erfolgreich eingliedern müssen, sich hier eingliedern und dort eingliedern müssen, aber dass halt seitens der Politik eigentlich relativ wenig Hilfe gestellt wird für die... für die Integration. Anthony: Seh’ ich auch so, ja. Karla: Also, dass Du quasi hierher kommst und... und halt irgendwie... halt mehr oder weniger allein gelassen wirst? Anthony: Ja, schon. Karla: Mit... Anthony: Man... man könnte mehr tun. Find ich auch. Ja? Weil man redet immer darüber ‚der braucht einen festen Arbeitsplatz’ aber, wie gesagt, da sind wir wieder bei der Sprache und so. Und es kommt immer drauf an, wie der hier hin kommt. Ob der... durch politisches Asyl hierhin kommt, dann hat der wieder Schwierigkeiten die deutsche Sprache zu lernen. Der kann sich nicht einfach so `n Kurs nehmen, kann sich nur `n Kurs nehmen, wenn er dementsprechend was verdient und... und irgendwo arbeiten kann. Karla: Mhm. Anthony: Und... und ich glaube auch, dass man dort mehr tun könnte und auch viel mehr Leute mit einwirken lassen, die vielleicht, wie ich, hier geboren sind, aufgewachsen, aber trotzdem zwei Kulturen haben. Dass man mehr von diesen Menschen einbeziehen müsste. Karla: Mhm. Anthony: Auf jeden Fall. Karla: Ne, ich glaub auch, dass ein bisschen mehr so Anlaufs... also multikulturelle Anlaufstellen... Anthony: Genau. Karla: ...geben sollte. Also irgendwie so... Anthony: Genau. Karla: Schaffen. Weil es gibt immer so die Anlaufpunkte, klar, für... für Leute bestimmter Nationalität, aber das ist dann ja auch wieder – die sind dann unter sich. Untereinander. Anthony: Ja. Karla: Da kommt dann ein Deutscher gar nicht rein in dieses Umfeld. 79 Anthony: Ja. Und da wären wir dann wieder bei dem Thema Frankreich. Da... dadurch, dass... es gibt nun mal das Beispiel, die Weltmeistermannschaft von Frankreich 1998... Karla: Ja. Anthony: Multikulti. Und die Kinder, die Jugendlichen haben `ne ganz andere Identifikationsmöglichkeit. Da sagt der Schwarze dann doch viel eher: ‚ich bin Franzose’. Weil ein Schwarzer für Frankreich spielt. Karla: Andrerseits waren die Franzosen die ersten, die das Kopftuchverbot in den... in den Schulen... Anthony: Das ist wieder... wieder contradiction, wie man so schön sagt. Absoluter Widerspruch. Ja? Was ich nicht verstehe. Karla: Mhm. Anthony: Ja? Karla: Ähm... wie stark ist das Konkurrenzverhalten innerhalb der Mannschaft und wie zeigt sich das? Anthony: Unter Schwarzen oder unter... Karla: Ne, allgemein. Anthony: Allgemein. Äh... m... ist... Es ist schon sehr schwer, also es ist... Du merkst’s ja tagtäglich im Training, du hast immer ein, zwei, drei Leute, die auch auf Deiner Position spielen können. Und ich weiß ja, `n Training muss immer was anders sein. Dein... deinen besten Kumpel musst Du schon mal umhauen... (lacht) ... auf Deutsch gesagt und... aber alles in Maßen. Aber das Konkurrenzdenken ist schon... Du musst ja quasi darauf hoffen, dass der, der auf deiner Position spielt, schlecht spielt (lacht). Karla: (lacht) Und glaubst Du, dass das innerhalb... also, dass das gegenüber Ausländern größer ist... dieses... das Konkurrenzdenken größer ist, als... Anthony: Du meinst vom Deutschen auf’n Ausländer? Karla: Ja. Deutschen – Ausländer oder auch Ausländer gegenüber Deutschen. Dieses interkulturelle Konkurrenzdenken, dass das was ausmacht? Anthony: Puh... das ist schwer... schwierig zu beurteilen. Also ich würd’ sagen... Nein. Nein.... Nein, würd’ ich nicht sagen. Würd’ ich nicht sagen. Karla: Mhm. Was glaubst Du, wie muss sich jemand verhalten, um es nicht zu schaffen, sich in ein Team zu integrieren? Anthony: 80 Ähm... erstmal... die Sprache verneinen, wenn irgendwie außerhalb... des Trainings gewisse Aktivitäten sind, dass er nie dran teilnimmt. Es gibt ja auch Regeln, in einer Mannschaft: Wenn du zu spät kommst, musst du das und das Geld zahlen. Wenn du Handy in der Kabine anlässt, musst du das und das zahlen. Wenn du all diese Punkte nicht beachtest... Karla: Mhm. Anthony: ...dann kommt der für mich nur hierhin, will Geld verdienen und will wieder weg. Der identifiziert sich gar nicht mit dem Verein, mit dem Club... Karla: Mhm. Anthony: ...und auch nicht mit der Mannschaft. Karla: Mhm... Ähm... wie werden neue Spieler generell... also gut, Du hast in Frankreich gesagt, ihr habt dann Schwarze oder auch, wenn Ausländer gekommen sind... Anthony: Mhm. Karla: ...die immer so als Eure Schützlinge... Anthony: Mhm. Karla: ...quasi aufgenommen... Allgemein – wenn neue Spieler in `ne Mannschaft kommen, wie hast Du die Erfahrung gemacht, wie die meistens aufgenommen werden? Also eher so mit offenen Armen oder eher erst mal... Anthony: Nein, da wirst du erst mal so... es kommen ja manche erst mal zum... es kommen ja manche auch zum Probetraining. Und da merkt der eine oder andere schon, dass der auf seine Position will und nimmt den dann schon dementsprechend hart auch noch mal ran, ne. Und... die Integration ist nicht immer einfach und wird einem auch nicht immer leicht gemacht. Man checkt den Typen – wie ist der so drauf? – aber wenn man merkt, dass er ein gesundes Selbstbewusstsein hat und auch dementsprechend eine Persönlichkeit, dann... dann lässt derjenige schon nach. Karla: Hmm. Anthony: Und wichtig ist halt, dass man immer zwei, drei Leute in der Mannschaft hat, die dir helfen. Die hinter dir stehen. Das ist ganz besonders wichtig – genauso für einen jungen Spieler, wenn der kommt. Was ja viele nicht kapieren, dass ist, wenn jemand verpflichtet wird, egal ob Ausländer oder Deutscher, dass du – `n Spoiler – dass du mental sehr stark sein musst. Dass ist überall, wenn du in `ner Gruppe bist. Dass du erst mal dieses Talent hast, gewisse Funktionen auszuüben. Das ist ja gegeben und dann musst du dich mental... weil es gibt 81 ja... automatisch entstehen Gruppen und... und da musst Du sehr stark sein. Da musst du auch mal gegen den Boss was zurücksagen. Damit man sieht ‚hey, mit dem kann man’s bis hierhin machen und fertig’. Das ist sehr wichtig. Karla: Wie geht man in der Mannschaft mit den anfänglichen Sprachproblemen um? Mit Sprachproblemen allgemein... Anthony: ...Ich hab oft erlebt, dass... ähm... man merkt ja immer so, dass Spieler... oder man versucht ja immer zu schauen, wie einer tickt. Wenn man merkt, trotz der Sprachprobleme, dass derjenige Persönlichkeit hat und ein richtig guter Spieler ist, ist man vorsichtig. Und wenn man merkt, dass der nicht so ein gesundes Selbstbewusstsein hat, und ein bisschen zweifelt, dann wird der auch schon mal verarscht. Wird sich über ihn lustig gemacht. Ne? Und da brauchst du wie gesagt, immer zwei, drei Leute, die dich unterstützen. Und das ist auch für viele... es gibt viele, die da dran gescheitert sind. Und sich dann absolut nicht wohl gefühlt haben. Weil... das schert auch den Manager, oder den der drum herum ist, schert das dann auch nicht viel. Weil der ja nicht tagtäglich bei dir ist. Karla: Ähm... Du hast gesagt, dass, innerhalb der Mannschaft, oder des Vereins, rassistisches Verhalten eigentlich eher weniger thematisiert wird. Anthony: Mhm. Karla: Wie ist das jetzt, wenn Du sagst, Ihr trefft Euch regelmäßig, jetzt Ihr Schwarzen, ihr Spieler. Sprecht Ihr dann über solche Themen, oder... Anthony: Ja. Ja. Mmm... Das ist nur ganz witzig, dass wir... dann... dass das automatisch entsteht und wir lachen dann. So wie Leute uns so titulieren oder wie die uns ansprechen, ‚Du wollen Brot kaufen’ oder... oder... es ist schon mal was passiert, dass bei einem Spieler, was mir auch schon mal passiert ist, dann kommst Du ran, bist vielleicht nur in `ner Jogginghose oder irgendwie `ne Mütze auf, gehst in `n erste Klasse Abteil vom Zug und dann sagt der ‚Du, das erste Klasse. Erste Klasse’ (lacht) und... aber wenn jetzt jemand anders so ankommen würde, würde er ihn nicht so fragen. Und... wir machen uns oft drüber lustig. Muss ich ganz ehrlich sagen. Ich hab mir schon mal überlegt, so `ne Fernsehsendung so zu machen – mit so Sketchen. Wo Leute einen ansprechen, du bist ja grund... das ist ja wieder so ne Sache – du wirst ja grundsätzlich immer in `ner anderen Sprache angesprochen. Das heißt ja nicht, dass dich jeder kennen muss. Vom... vom Fernsehen, von daher... und... was du 82 in Holland nicht hast. Was Du in England nicht hast. Was Du in Frankreich nicht hast. Weil da kann jeder Holländer sein, jeder Franzose sein oder jeder Engländer sein. Die sprechen dich immer in der jeweiligen Sprache an. Hier wirst du grundsätzlich... also meistens halt auf Englisch angesprochen. Karla: Wo glaubst Du, dass das her kommt? Anthony: Ja, da sind wir wieder bei den Kolonien. Weil das ein anderer Umgang ist. Weil man hat viel mehr Kolonien gehabt. Deutschland hat auch Kolonien gehabt, aber die sind immer nur bis zu `nem gewissen Zeitpunkt geblieben ob’s jetzt in Togo, in Namibia, in Kamerun ist... gewesen ist – war einfach so. Und... und... und, obwohl wir jetzt wieder in `nem ganz andern Zeitalter leben. Und ich hab mal `ne Geschichte gehabt, die... wir haben in Stuttgart gespielt, ich fahr im Zug zurück und hab die Bildzeitung in der Hand, bin am Lesen. Am Lesen. Ich bin nicht schnell am Blättern gewesen. Und der Typ hat die ganze Zeit englisch mit mir gesprochen, hat immer ‚you know, now we are arriving…’ und dann hab ich ihn nur so angekuckt – ‚you understand?’ – hab ich ihn nur so angekuckt und dann kommen wir an, sagt er ‚and this is the Cologne cathedral’. Sag ich: ‚Nä Jung, det is de kölsche Dom’. Karla: (lacht) Anthony: (lacht) Und dann sagt der zu mir: ‚Ach Sie sprechen ja deutsch’. Sag ich: ‚Ach, Sie auch’. (lachen) Anthony: Das sind so… (lachen) Karla: Das ist wie… `ne Freundin von mir, die hat in Basel studiert… Anthony: Mhm… Karla: …und `ne Bekannte von ihr ist da irgendwann mal mit der Tram halt irgendwohin gefahren und da saß halt auch ein Schwarzer und dann kam halt die… die… die Kontrolleurin vorbei… Anthony: Hmm. Karla: …geht zu dem Schwarzen hin irgendwie ‚hat das Negerli auch ein Billet?’ und dann kuckt er sie so an und sagt in astreinem Schwyzerdütsch ‚da ist das Billet vom Negerli, es studiert übrigens in Zürich Architektur, dürft`s denn auch ihr’n Namen wissen, dass es sich beschwer’n kann’. (lachen) 83 Anthony: Genau. Ja. Ja. Das sind so Sachen. Das würde man sich in England oder in Frankreich oder Holland nie trauen. Das… Es gibt ja auch Gesetze. Karla: Mhm. Anthony: Es gibt ja ganz andere Gesetze. Karla: Es gibt ja auch… ich weiß nicht, in England gibt’s das glaub ich auch, dass – in Medien – dass… Anthony: Ja, genau. Karla: Also, dass irgendwie einzelne Ethnien im Fernsehen so wie sie prozentual in der Gesellschaft vertreten sind, auch in Medien… Anthony: ...respektiert werden, ja. Ja. Ja. Ja. Ja. Und hier hat’s das ja nicht so. Karla: Was hältst Du von solchen Regeln? Anthony: Ich find’s sehr gut, aber schade, dass man das durch so’n Gesetz bestimmen muss. Karla: Ja. Anthony: Ich find’s sehr schade. Karla: Da sind Du und Deine Schwester auch schon wieder… Anthony: Ja, aber… aber, siehst Du, mein Spruch ist immer ‚es gibt ja Buntfernseher, wo sind die bunten Leute?’. Immer nur vereinzelt. Da sagen die Leute dir… ‚ja, die ist doch da, die ist doch da…’ aber wie viele – wie viele sind es? Von 100 Prozent gerechnet. Das ist immer so mein Ding. Ne? Und da… und wenn ich manchmal so Leute sprechen hör, ‚aber das ist doch nicht mehr so wie früher’ – es gibt ‚ach, gibt’s das noch?’ und dann… die stehen immer… die sieht meine Person. Ich hab gleich mit ganz andern Leuten zu tun. Karla: Mhm. Anthony: Aber die Basis, die hat mehr Probleme. Und… und die Verbindung zur Basis werd ich nie verlieren. Karla: Hmm. Anthony: Wie der Student, wie der einfache… Schwarze oder Ausländer lebt. Das werd ich nie verlieren. Weil sonst verlierst du… verlierst du den Kontakt zur Basis. Und… Karla: Hmm. Anthony: …und das verstehen die nicht. Ich kenne so viele Geschichten, die heut’ noch passieren, brauchst du nur bei Wohnungssuche anfangen. Was da noch… was da noch Probleme gibt. Egal ob Schwarze, Türke oder Perser – was auch 84 immer. Karla: Mhm. Anthony: Die Leute sehen’s immer noch anders. Ja? Karla: Ähm... Hast Du in Deiner Freizeit viel mit den Teamkollegen auch... also klar, Du hast gesagt, dass Du privates und berufliches Umfeld an sich hast Du getrennt... Anthony: Mhm. Karla: ...aber an sich, hast Du in Deiner Freizeit viel mit Teamkollegen auch unternommen? Anthony: Ähm... also, wie gesagt... Karla: Also, klar, mit dem einen oder andern, mit dem Du sowieso befreundet warst... Anthony: Ja, ja, aber Du, wenn mal irgendwo Feier war oder so war... war ich dabei, aber... aber ich musste jetzt nicht... nicht jedes Mal was mit denen unternehmen. Aber wir sind schon mal zu fünft, sechst sind wir schon mal unterwegs gewesen. Aber es war immer `ne Gruppe mit denen du dich besser verstehst, wie gesagt, aber... war schon so. Ja. Immer... ich hab’ auch nicht immer die gleichen Interessen gehabt, immer, das war schon so ein bisschen... ich mochte Mode, ich... ich bin absoluter Bob-Marley-Fan, ich... ich mochte schon immer auch das, was auch gegensätzlich war (lacht) Karla: Mhm. Anthony: Ja. Karla: Ähm... Zu Deiner Familie: ich weiß nicht – Deine Frau, woher kommt die? Anthony: Aus Ghana. Karla: Auch aus Ghana. Anthony: Mhm. Karla: Wie wichtig ist die Kultur und sind die Traditionen für Deine Familie? Also sowohl für Deine Frau, als auch... klar, Du hast gesagt, für Deine Eltern war’s immer enorm wichtig... Anthony: Ja. Karla: ... ihr seid so aufgewachsen. Wahrscheinlich auch, weil der Rest der Familie in Ghana – wahrscheinlich größtenteils noch in Ghana – war oder ist. Anthony: Ähm... Karla: ...von Deinen Geschwistern? Anthony: Ne. Ne, ne. Ich… 85 Karla: Nicht? Anthony: Ich hab... wir sind sieben. Vier... zwei sind in Ghana geboren, eine in England geboren und der Rest in Deutschland geboren. Aber wir sind zum Beispiel... Karla: Ich mein jetzt auch, weiß ich nicht, Deine Großeltern oder so. Anthony: Meine Großeltern sind verstorben. Aber von der Familie also Vater... Vaterseite und Mutterseite, ist der größte Teil jetzt wieder in Ghana. Karla: Ja, das mein ich. Anthony: Das stimmt, ja. Für mich ist sehr wichtig, weil ich hab ja zwei Kinder, die sieben und neun sind und einer in Frankreich geboren, und mein anderer Sohn in Kanada geboren und die haben teilweise in London gelebt... war halt immer alles Pendlerei und jetzt gehen meine Söhne in Ghana zur Schule, weil wir wollten, dass die halt von der Tradition und Kultur... Karla: Auf’s Internat dann? Anthony: Ne, ne, ne. Weil meine Frau... – also, wir haben ein Haus da – dort lebt, sie ist auch Schauspielerin und... Karla: Ach so, okay. Anthony: ...und sie pendelt halt sehr oft. Das machen eigentlich sehr viele afrikanische Familien. Karla: Hmm. Anthony: Weil... es uns schon wichtig ist,... dass sie von dieser Tradition und Kultur viel mitkriegen... Karla: Hmm. Anthony: ...und der Respekt gegenüber Großeltern bzw. Eltern ja ganz anders ist wie hier. Karla: Hmm. Anthony: Wenn man manchmal sieht, wie... wie Kinder... hier mit ihren Eltern umgehen und für uns sind die Mütter und Großmütter heilig. Karla: Hmm. Anthony: Das sind... Die sind heilig. Und das möcht’ ich, dass meine Kinder das auch mitkriegen. Karla: Hmm. Anthony: Und... und ab `nem gewissen Alter dann werden die irgendwann vielleicht mal hier leben. Karla: 86 Wie oft bist Du in Ghana. Anthony: Ähm... also meine Familie ist öfters hier als ich... Karla: Okay. Anthony: ...zeitbedingt, aber so zwei-, drei-, viermal im Jahr auf jeden Fall. Karla: Mhm. ... Welche Sprachen sprecht Ihr innerhalb der Familie? Anthony: Jetzt, meine persönliche Familie, meine Mama, oder...? Karla: Also eigentlich... Anthony: Meine Mama nur Fanti. Karla: Okay ... Anthony: Nur… unsere Sprache. Karla: Ja. Anthony: Also nur... nur Fanti.... Unter uns Geschwistern manchmal Mischmasch. Deutsch, Fanti,... ja. Karla: Und mit Deinen Kinder, mit Deiner Frau? Anthony: Englisch, überwiegend. Karla: Okay. Anthony: Ja. Karla: Ähm… Hat Deine… Also ich weiß nicht, Du warst dann – teilweise, warst Du wahrscheinlich schon verheiratet, als Du auch noch aktiv gespielt hast? Hat... Anthony: Ja. Karla: …Deine Familie Deine Spiele verfolgt im Fernsehen – oder im Fernsehen oder live oder... ja? Anthony: ... beide Familien? Karla: Ja. Beide. Anthony: (lacht) Ja. Auf jeden Fall. Ja. Meine Mama hat eh alles gesammelt und... meine Frau ist eigentlich nicht der große Fußballfan, aber sie hat zwangsweise gekuckt, wenn ich für Ghana gespielt hab’. Im Stadion hat sie’s eigentlich nie so ausgehalten... Karla: Hmm. Anthony: ...und ist manchmal in der Halbzeit schon gegangen, (lacht) weil sie halt so nervös war. Aber... sie haben das schon größtenteils verfolgt, ja. Karla: Also ist Dir das auch nicht besonders wichtig, dass Deine Frau dieses... schon Verständnis für den Fußball hat auch? Anthony: Nö. Manchmal auch besser. Karla: ... innerhalb der Familie, abgesehen jetzt vom... 87 Anthony: Aber – davon abgesehen, wie ich gespielt hab, wenn meine Geschwister oder... meine Mama war nur einmal so im Stadion, hab ich zwar ein Tor geschossen (lacht) – aber das war mir schon wichtig. Karla: Hmm. Anthony: Ne, dass meine Familie da war, das... da hab ich gefreut, ne. Ja. Karla: Und wie wichtig war Deine fußballerische Karriere für Deine Familie? Anthony: Ähm... meine Mama, um darauf zurückzukommen, stand anfangs überhaupt nicht auf Fußball. Karla: Mhm. Anthony: Weil... weil ich... Fußball ja damals gar nicht so hoch angesehen war. Grad’ in einer Diplomatenfamilie und die hat nur gesagt Schule, Abi machen und... Fußball, will sie gar nichts mit zu tun haben. Karla: Hmm. Anthony: Und sie hat auch meinen Vater meist immer aus dem Wohnzimmer rausgeschmissen, bei uns ins Zimmer zu kommen, um Fußball zu schauen. (lacht) und... aber letztendlich... je mehr der Erfolg eintritt und je mehr du merkst, dass es noch ernster wird – diese Karriere – desto stolzer werden die Eltern ja auch. Und das war ja dann auch der Fall. Karla: Hmm. ... Ähm... wie häufig ist es, dass die Spielerfrauen, also jetzt allgemein, mit zu Veranstaltungen kommen? Also, wenn Ihr Spieler was untereinander macht oder, wenn der Verein irgendwas organisiert oder so? Anthony: Och, das kommt immer drauf an, wie’s die Männer untereinander bestimmen, ne. (lacht) Aber, zu meinem Zeitpunkt war’s eigentlich so, dass ich eigentlich gar nicht so viel wollte, dass meine... meine Frau sich da so... vermischt mit, weil... es gibt ja die und die Spielerfrauen, ne? Manche sind... kann man sagen okay (grinst) und manche leben in `ner… auf `ner ganz andern Welt. Karla: Hmm… Anthony: und… Karla: …auf `ner ganz andern Welt im Sinne, dass sie sehr abgehoben sind dann… Anthony: Ja… abgehoben sind, ja. Absolut. Karla: Okay. Anthony: Ja? Und das wollt’ ich dann auch nicht. Aber, was ich gut finde… wenn… wie gesagt, wenn dann neue da sind, dass sich die… die… die Spielerfrauen dann untereinander auch was unternehmen, um dann diese Integration wieder zu 88 vereinfachen, ne. Das find ich dann wieder gut, ne. Karla: Hmm. Ähm… Im deutschen Profifußball ist es so, dass die typischen Migrantengruppen, statistisch eigentlich ziemlich unterrepräsentiert sind. Also man hat ziemlich viele Spieler da… weiß ich nicht, aus Brasilien halt oder Du hast ja auch gesagt, dass es `ne Weile ziemlich in war, Leute aus Ghana zu holen… Anthony: Mhm. Karla: … aber so… weiß ich nicht, Polen, Türken… keine Ahnung…sind… Anthony: Hmm. Karla: …also zumindest in der Ersten Liga… Anthony: Hmm. Karla: …schon ziemlich unterrepräsentiert. Was glaubst Du, woran das liegt? Anthony: …Allein das Gesetz. Ich find, man macht ein Gesetz… okay, Europa ist zusammengewachsen, man öffnet die Grenzen, aber man… man schließt die Grenzen für die ‚Randländer’ – in Anführungsstrichen – weil nur zwei oder drei Spielen dürfen. Und… und das find ich auch irgendwie nicht fair. Ein Brasilianer wird immer noch anders angesehen wie ein Afrikaner. Karla: Hmm. Anthony: Auch, wenn von den Brasilianern nicht so viele – geographisch bedingt – spielen dürfen. Weil, zum Beispiel, wenn ein Brasilianer zur Nationalmannschaft fliegt, machen die Leute nicht so viel Theater als wenn ein… ein Afrikaner fliegt. Obwohl der kürzer fliegt als ein Brasilianer. Und da sieht man halt den Status. Und… die Gesetze machen’s halt nicht einfacher. Karla: Hmm. Ähm… Was glaubst Du, was sich seit dem Bosman – Urteil verändert hat für ausländische Spieler in der Fußballbundesliga? Anthony: Allgemein für Spieler: dass sie mehr Macht haben. Und... aber ich sag immer: letztendlich setzt sich Qualität immer durch egal, ob du Deutscher bist, Brasilianer, Ghanaer, Pole... Qualität setzt sich letztendlich immer durch. Und... natürlich hast du... es gab `ne Phase, wo die Spieler total davon profitiert haben, weil sie nach Vertragsabschluss frei waren, die Ablösesumme also ihnen gehörte, was sich aber durch den Wechsel der Wirtschaft allgemein wieder nach hinten verschiebt – dass sich alles normalisiert und dass die richtig Guten immer ihre Kohle verdienen werden. Und... man hat lange Zeit davon profitiert... 89 Karla: Hmm. Anthony: ...aber jetzt geht der Weg wieder in `ne andere Richtung. Karla: Mhm. Glaubst Du, dass die Entwicklung positiv war, also, die Macht, die die Spieler erlangt haben? Anthony: Äh... Das war ja immer in Anführungsstrichen ‚Macht’... Karla: Ja. Anthony: ...weil es ja immer noch – ich fand’s mal gut,... dass es umgekehrt war, weil so war’s ja nachher in den Statuten der... der jeweiligen Verbände untergraben und... dass es... an der Zeit mal war, dass die Spieler auch mal so’n bisschen mehr Macht hatten. Ich fand’s phasenweise ganz gut, ja. Karla: Und was glaubst Du, wie sich eben explizit für die ausländischen die Situation verändert hat? Weil es ja dann schon so war, dass dann halt so’n Boom da war, dass auf einmal extrem viele Ausländer gespielt haben in... Anthony: Genau. Karla: ...in der... grad’ in Deutschland Anthony: Mhm. Karla: ...und auch immer mehr geworden sind? Anthony: Ja, aber das... dann, wo man die Entwicklung halt gesehen hat, dass das die Nationalmannschaft gehemmt hat – oder die jeweilige Nationalmannschaft und man natürlich... dadurch auch... dass sich die Talente nicht so weiterentwickeln können. Karla: Ja. Anthony: Weil... weil... Ausländer ihre Plätze belegen. Klar, dass man das dann wieder zurückschraubt und auch diese... natürlich auch durch diese Kirch-Krise, dass in den jeweiligen Vereinen mehr junge Spieler gefördert werden. Andererseits kriegst Du viele ausländische Profis für weniger Geld und hast dann auch `ne gewisse Qualität. Ja? Und... da glaub’ ich schon, dass natürlich `ne gewisse Regelung, wenn man für diese jeweiligen Länder spricht, natürlich ganz gut ist. Karla: Mhm. Glaubst Du, dass die Vereine seitdem mehr... gucken, dass die Spieler sich... gelungen integrieren, sag ich mal? Anthony: Klar. Karla: Weil’s einfach viel mehr ausländische Spieler sind? Anthony: Ja. Klar. Und... dadurch hast Du auch nicht mehr dieses Fangeschreie. Weil in fast jeder Mannschaft ein Schwarzer spielt. In fast jeder Mannschaft spielt ein 90 Brasilianer oder ein Pole oder ein Türke. Und das ist ja auch was marketingtechnisch gesehen, wenn in Berlin... ist ganz gut, wenn da zwei Türken in der Mannschaft spielen, weil ein großer Anteil an Türken dort lebt. Und... ich glaube schon, dass heutzutage alles... alles versucht wird, um den Ausländern... es einfacher zu machen. Und beim 1.FC Köln, meinem ‚Heimatverein’, in Anführungsstrichen ‚Heimatverein’, da, wo ich angefangen hab`, wird man mich jetzt beordern, dazu, dass ich mich für die Angelegenheiten aller Schwarzen kümmer’ und von der Jugend – von der kleinsten Jugendmannschaft bis zu den Profis. Und... man tut was. In Leverkusen hat man... arbeitet man viel mit Brasilianern. Da wird alles getan. Und ein Paradebeispiel dafür ist natürlich Bayern München. Der Verein ist einfach von A – Z gut organisiert. Und... es wird einem vieles erleichtert... und dadurch spielt derjenige aber auch besser. Ganz klar. Karla: Was hältst Du von der Aussage, das hab ich jetzt schon oft gehört... ähm... dass die Spieler... so viel Geld kriegen, dass sie Profis genug sein müssen, über solche kulturellen Diskrepanzen hinwegzusehen...? Anthony: Schwachsinn. Das ist Schwachsinn. Absoluter Schwachsinn. Karla: Also... weil ich dachte das auch immer, und ich hab das jetzt schon.... Anthony: Das hat doch mit der Menschlichkeit zu tun – nicht mit Geld. Karla: ... weil ich dann irgendwie... Anthony: Da kann ja jeder irgendwie sagen... Da kann ja jeder Spieler sagen, ich versuche nur auf dem Feld zu spielen... gut zu spielen und mich interessieren die Fans nicht. Wo ist denn da jegliche Identifikation? Das ist Schwachsinn, find ich. Karla: Ähm... Hast Du Erfahrung gemacht, wie... wie... wie Vereine damit umgehen, wenn es tatsächlich Probleme gibt mit der... also, wenn zum Beispiel es gab ja... wo war das?... mal dieses... als dieser Araber da gespielt hat, dass er dann meinte, man darf ihn nicht auswechseln... weil, das gegen seine Ehre ist, weil, wenn seine Familie das sieht, dass er dann... Anthony: In der Profi-Liga? (lacht) Karla: Ja, also ich dachte... ich weiß nicht wer’s war... irgendein arabischer Spieler auf jeden Fall. Anthony: Es gab nur einen iranischen Spieler, wie hieß der... Bagheri? – der war aber Profi, der da gespielt hat... Aber... welcher arabische Spieler hat da gespielt... 91 Karla: Ich weiß nicht, ich hab’s mir nur sagen lassen, dass das.... Anthony: Ne. Da weiß ich jetzt nichts davon. Gegen seine Ehre... es gibt in dem Sport nichts zu kaufen, wenn jemand schlecht ist, egal was für `ne Hautfarbe du hast, welche Religion du hast... Da kann man sich nicht drum kümmern. Der wird ja dann auch dementsprechend bezahlt. (lacht). Karla: Okay. Irgendwas hatte ich jetzt noch im Kopf, was ich jetzt aber... (lachen) Karla: Ja, sonst wird’s auch nicht so wichtig gewesen sein. Anthony: Kein Problem, wenn Du noch irgendwas hast.... Karla: Ach ja, jetzt weiß ich’s wieder. Wie... wie glaubst Du ist die gesellschaftliche Wirkung auf den Fußball und... die Wirkung vom Fußball auf die Gesellschaft? Also... Anthony: Mhm. Karla: …grade, was so Integrationsthematiken angeht. Anthony: Also... die Wirkung... vom Fußball.... auf die Gesellschaft... ist natürlich enorm hoch, weil es der Volkssport Nummer eins ist und jeder vierte, fünfte, sechste ist Fußballfan. Das ist dadurch natürlich `ne ganz andere Akzeptanz. Und umgekehrt wird’s auch immer einfacher für jemanden sein, der prominent ist, weil man den auch wieder ganz anders sieht als einen normalen Ausländer. Karla: Hmm. Anthony: Und in beidem steckt eine gewisse Oberflächlichkeit. Weil man nie weiß, wie die Menschen es meinen (lacht). Karla: Aber wie ist das jetzt zum Beispiel, also ich meine, wenn’s jetzt so ist, dass... sagen wir mal, in jedem Verein jetzt zum Beispiel auch ein Schwarzer spielt,... Anthony: Ja... Karla: ...dass das auch Auswirkungen hat auf die Leute, wenn sie halt Schwarze kennen lernen, dass sie dann da auch irgendwie offener drauf zugehen, oder...? Anthony: Ja. Ja. Man lernt ihn tatsächlich kennen. Wie er tickt. Obwohl’s da auch Unterschiede gibt. Aber... große Hilfe. Große. Karla: Mhm. Ähm... Und, glaubst Du, dass die Situationen, wie sie im Fußball sind, dann auch teilweise übertragbar ist auch auf die Gesellschaft? Dass man guckt – okay, im Fußball ist die Entwicklung so und so, in der Gesellschaft sind sie irgendwie ähnlich? Anthony: 92 Schwierig. Schwierig... Weil, wie gesagt Fußball ist etwas, wo Millionen von Menschen sich begeistern dran, ein Spiel wie... du siehst das im Fernsehen und dann ist das ja auch mit der... die Person steht in der Öffentlichkeit. Das wird ganz anders gesehen, wie das im normalen Leben ist. Du... du könntest ein super Student sein, mit besten Noten, trotzdem würden sie Dir die Arbeitsstelle vielleicht nicht geben – aufgrund der Hautfarbe. Also das... das ist... sehr schwierig, das ist was ganz anderes. Finde ich. ... Gucken wir doch mal... allgemein in Deutschland: wie viele Schwarze arbeiten in einer Bank? Karla: Kaum welche. Anthony: Eben. Werbung – okay, Uncle Ben’s Reis – machen jetzt Werbung für... aber... oder wie lange gebraucht hat – beim Modeln, für Make-up – Werbung zu machen, wie viele sind das? Da sind wir immer wieder bei der prozentualen Beteiligung. Karla: Mhm. Anthony: Das sind ja alles so Berufe, wo du... wo du nicht viele... viele Menschen siehst... das sind halt Sachen, die ich sehr schade finde. Ja. Karla: Wobei es ja schon so war... also, grade weil... weil... weil Du hast das ja vorher auch angesprochen, also so grade die Nationalmannschaft in Frankreich, dass da eben auch die Politik schon gesagt hat: an der Fußballmannschaft sieht man... also das hat ja auch... Otto Schily hat ja auch das in seiner Rede gesagt... Anthony: Mhm. Karla: An der französischen Nationalmannschaft sieht man, wie gelungen die Integration in Frankreich allgemein ist. Anthony: Ja. Dann zählen wir mal, wie viele in Deutschland sind und wie viele in Frankreich sind. Karla: Ne, klar. Anthony: Ja. Karla: Aber darum das ist ja schon in Frankreich zum Beispiel... Anthony: Ja. Karla: ... dann schon ein Spiegel von der Gesellschaft. Anthony: Das stimmt, ja. Helfen... würde es auf jeden Fall. Aber die Umsetzung – das wird noch was dauern. Karla: Ja, klar. Anthony: Ich befürworte es. Ich fänd’s schon klasse. Du hätt’st ja dann auch nicht nur, die, sag ich mal, nicht nur die so und so viel Millionen Deutsche hinter dir 93 stehen, sondern auch die Ausländer. Wenn der und der noch in der Mannschaft spielt. Ob jetzt Frankreich – Zidane, die ganzen Algerier; ob Desalie, ghanaischer Abstammung; Makalele, Zaire; Pirais, Portugiese; Bartez, spanischer Abstammung; Lizarazu, Baske – also ich find es klasse. Karla: Es gibt in Frankreich... ich weiß nicht, ich hab mal gehört, es gibt in Frankreich so ein vereinsunabhängigen... Förderverein für die Nationalmannschaft, wo Spieler vereinsunabhängig hin kommen und für die Nationalmannschaft trainiert werden? Anthony: Ja, es gibt ‚Club Fontaine’, ISSF Vichy? Das sind also diese Fußballakademien. Karla: Ja, das kann sein. Anthony: Ja. Das... das war ja schon in Frankreich schon gang und gäbe, dass jeder Drittligist so ein Internat haben muss,... Karla: Mhm Anthony: ...das zur Förderung der Spieler beigetragen hat. Was hier jetzt so langsam eingeführt wird. Und das war schon damals sehr wichtig. Was ich zum Beispiel... um auf die deutsche Nationalmannschaft zurückzukommen, die drei, vier Menschen, die jetzt an der Spitze stehen – Klinsmann, Löw und Bierhoff – für mich, könnte was Besseres gar nicht dem deutschen Fußball passieren. Weil... Bierhoff steht für Multi-Kulti, Klinsmann steht für Multi-Kulti, Löw hat auch in der Türkei trainiert, da und da trainiert, und... das ist `ne ganz andere Generation. Karla: Hmm. Anthony: Fern ab von diesen älter eingesessenen Menschen, die da oft gewesen sind. Die auch `n ganz andern Schwung da haben. Das find ich klasse. Karla: Hmm. Andrerseits ist es... also ich weiß nicht, ich find die Vorstellung in gewisser Weise positiv, dass es wenigstens was Gutes hatte, in anderer Hinsicht auch ein bisschen perfide, dass... quasi es positiv ist, je mehr Kolonien man hatte – weil’s hat auch irgendwie auf die Integration innerhalb der Länder positive Auswirkung hat. Anthony: Ja, weil’s halt... weil... weil es ja... weil du gelernt hast, ganz anders mit den Kulturen umzugehen. Weil Du mit dem Kulturen ganz anders aufgewachsen bist, als hier die Menschen. Karla: 94 Hmm. Anthony: Wie viel Franzosen haben in Afrika gelebt. – Man kennt die Kultur. Karla: Hmm. Anthony: Das ist... wird ganz anders wahrgenommen. Karla: Ja, andererseits, Kolonialisierung an sich ist ja... also, ich würd` Kolonialisierung an sich eher als was Negatives ansehen. Anthony: Seh’ ich auch so. Seh’ ich auch so. In dem jeweiligen Land. In... In Ghana. Karla: Ja. Anthony: Fand ich... Klar, hat ja mit Sklaventum zu tun gehabt und so. Aber letztendlich hat’s die Integration für die, die aus Afrika hier rüber gekommen sind, einfacher gemacht. Karla: Hm, ja, ist schon so... Anthony: Gell. Karla: Andrerseits sind sie ja auch hauptsächlich hier rübergekommen, weil sie da in der Kolonial... Anthony: Klar, meistens in der Freiheit. Karla: Ja. Das ist auch Glück... Anthony: Ne? Ich mein – wir waren das erste Land. Karla: Ja, aber trotzdem... trotzdem gibt’s ja schon noch diese... diese... Anthony: Konflikte. Karla: ...Konflikte. Und... und Machtunterschiede und... Anthony: Auf jeden Fall. Heute noch. Auf jeden Fall. Karla: Glaubst Du man kann... kann man irgendwie sagen, dass das auf Europa in gewisser Weise einen positiven Einfluss hatte, allerdings in den Ländern selber halt viel kaputt gemacht hat? Anthony: Ja, würd’ ich so sehen. Würd’ ich so sehen. Es hat den positiven Aspekt gehabt, dass man zum Beispiel Französisch, Englisch, Portugiesisch, Spanisch als Amtssprache hat, wo du wieder, sag ich mal, bilingual aufwächst, was ich sehr gut finde. Und... andererseits gab’s ja dieses gewisse... die gewisse Abhängigkeit der Unterdrückung. Karla: Andrerseits ist es halt auch so, dass schon hauptsächlich die... die Leute, die diesen Zugang zu den Bildungsstätten... Anthony: Mhm. Karla: ...haben, ja auch dieses Bilinguale auch haben, also wenn da jemand irgendwo vom Dorf abgelegen kommt... 95 Anthony: Okay. Ja, die haben die... die Möglichkeit gar nicht. Aber das Problem hast du ja auch nicht anders hier. Dass der, der da und da aufwächst... du hast zwar die Möglichkeit zur Schule zu gehen... Karla: Ja. Anthony: Aber – guck mal, wie der Deutsch spricht. Ja. Mal extrem gesagt. Karla: Ja. Anthony: Was ich in Holland klasse finde, dass... du wächst ja fast zweisprachig auf. Karla: Mhm. Anthony: Im Fernsehen werden alle Sprachen im original... Sprache gezeigt, mit Untertitel. Karla: Mhm. Anthony: Der Mensch denkt ja ganz anders. Und das find ich gut. Karla: Mhm. Anthony: Ja. Karla: Ja, das ist wie in Belgien... also ich kenn’s aus Belgien. Genau. Anthony: Mhm, wobei’s da auch so ähnlich. Die Valonen, die französische Seite... Karla: Ja, klar, ganz extrem... Anthony: Sehr extrem sogar. Karla: Die hassen sich ja. Anthony: (lacht) Ja. Wahnsinn. Im heutigen Zeitalter. ... Anthony: Jut... Karla: Ja. Anthony: Dann haben wir das auch geklärt. (lacht) Karla: Vielen Dank. Anthony: Wenn Du noch irgendwelche Fragen hast – Du hast ja die Nummer. Phone me. Karla: Danke. 96 ¾ Anhang 9: Mindmap Zusammenhänge (Vgl. extra pdf.) 97