PS 1/2006: Used Racebike: Suzuki GSX-R 600
Transcription
PS 1/2006: Used Racebike: Suzuki GSX-R 600
PITLANE LÄUFT UND LÄUFT UND LÄUFT... Gibt es das? PS empfiehlt allen Ernstes ein Motorrad aus dem vorigen Jahrtausend, erhältlich ab Modelljahr 1997, als Hobbyrennmotorrad? Ja, mit bestem Gewissen. Suzuki baut solche Motorräder. Die Ur-GSX-R 600 sieht nach heutigen Designmaßstäben vielleicht etwas bauchig aus, doch das täuscht: Sie gehört traditionell zu den leichtesten Vertreterinnen ihrer Klasse. Besagter Jahrgang, die pummelige GSX-R 600 mit dem charakteristischen Entenbürzel, ist eine gleichsam solide wie schnelle Basis für den Renntrainingseinstieg. Zwar stand sie ab 1999 ein wenig im Schatten der Yamaha YZF-R6, was ihren Rennerfolgen in nationalen und internationalen 80 PS 1/2006 Meisterschaften aber keinen Abbruch tat, im Gegenteil. Kein Wunder also, dass man sie auch heute noch erstaunlich oft bei Renntrainings antrifft. Bereits 1997 feierte Michael Schäfer, in Europa sicherlich die Tuner-Instanz in Sachen Suzuki GSX-R-Baureihe, erstaunliche Erfolge in der Worldseries, der Vorläufer-Veranstaltung der heutigen Supersport-WM. „Schon die erste Ausgabe war ein richtig schnelles Rennmotorrad, es brauchte allerdings Änderungen am Vergaserkit und den Einlassnockenwellen, um mehr Leistung im mittleren Drehzahlbereich zu erreichen“, plaudert der Saarländer heute aus dem Nähkästchen. 1998 flossen diese Erkenntnisse aus dem Tuning in die Serie ein. 1 Der Teufel steckt im Detail: Die Abstimmung der Vergaser kann Probleme bereiten, falls sich zuvor Laien daran versucht haben. Ansonsten ist die Ur-GSX-R 600 noch immer ein nicht zu unterschätzendes Racebike. Gerade für Einsteiger bestens geeignet. 2 Pflicht für jeden, der die GSX-R 600 auf der Rennstrecke bewegen will: ein einstellbarer Lenkungsdämpfer. 1 2 SECOND-HAND-RACER Robust, unkompliziert und langlebig: Die GSX-R 600 ist ein ideales Ringgerät. Nicht nur für Einsteiger, sondern auch für ambitionierte Fahrer, die maximalen Fahrspaß für kleines Geld suchen. 1 Auch als Serienmotorrad ein zeitloses und unkompliziertes Bike, die GSX-R 600, Baureihe K1 bis K3. 2 Für den Rennstreckeneinsatz unbedingt empfehlenswert: ein hochwertiges Federbein, beispielsweise von Öhlins. 3 Carbonschützer für den Rahmen und vor allem für die sturzgefährdete Lichtmaschine amortisieren sich beim ersten Abflug. 1 2 Dennoch blieb eine gekonnte Vergaserabstimmung für die Rennstrecke das A und O. „Falls da jemand ohne große Erfahrung rumgebastelt hat, macht die Abstimmung Probleme“, weiß Schäfer und rät zum Yoshimura-Düsennadel-Kit als beste, wenngleich kostspielige Lösung. Vor Nachtund-Nebel-Käufen sei deshalb gewarnt. Am besten vor dem Kauf eine Probefahrt vereinbaren – eigentlich die Ausnahme im Rennmotorradmarkt – oder einen Prüfstandsbesuch. Etwaige Abstimmungsprobleme lassen sich so sicher eingrenzen. Ansonsten ist die Ur-GSX-R 600, wie auch ihre jüngeren Schwestern, ein grundehrliches Motorrad. Schäfer empfiehlt für die drei Modellreihen grundsätzlich alle 3000 bis spätestens 5000 Rennstrecken- Text: Matthias Schröter; Fotos: fact, Gargolov, Jahn kilometer einen gründlichen Check des Ventilspiels und der Alu-Ventilteller, „die ziehen sich bei häufigen Drehzahlspitzen gerne rein.“ Ansonsten kennt er keine grundlegenden Schwachstellen. Weiteres Plus der urigen Erstauflage: Sie besitzt Nehmerqualitäten. Stürze nimmt ihr stabiler Leichtmetallrahmen im wahrsten Sinne des Wortes nicht gleich krumm – der wohl gravierendste Unterschied zu den Nachfolgemodellen. Die intern als K1 bis K5 bezeichneten 600er verfügen über empfindlichere Rahmen. „Überschläge können zum Verzug im Lenkkopfbereich führen, manchmal verkürzt sich auch die Schwinge“, warnt Schäfer. Aus diesem unfreiwillig veränderten Radstand resultieren dann mitunter für den Fahrer unerklärliche 3 PS 1/2006 81 PITLANE Stürze, zumeist über das Vorderrad. Der Fachmann rät deshalb im Zweifel vor dem Kauf zur Vermessung des Rahmens. Vorteil der ab 2001 abgebotenen GSX-R 600: die leichtere Abstimmung des Triebwerks, dessen wichtigste Änderung neben einem neuen Gehäuse: eine gut funktionierende Saugrohreinspritzung. „Unsere IDM-Maschinen drückten damals knapp 130 PS“, sagt Schäfer. Doch schon die Investition in eine komplette Racing-Auspuffanlage – Schäfer rät zu Akrapovic, Arrows und, als Importeur, zu Yoshimura – nebst Feinabstimmung der Einspritzung führt zu kerngesunden 120 PS, die ein HobbyRacer erst einmal ausreizen soll. Weiterer Vorteil, vor allem des Jahrgangs 2004 bis 2005: Das Setup des Fahrwerks gibt weniger Rätsel auf. „Bei der ersten GSX-R 82 PS 1/2006 600 konnte man sich gewaltig verrennen“, erklärt Schäfer. Die jüngeren Varianten verfügen zwar serienmäßig ebenfalls über eine zu softe Abstimmung, aber mit einer straffer abgestimmten Gabel und einem anderen Federbein, Schäfer rät zu aus Erfahrung zu Öhlins, ist die 600er bestens für harten Rennstreckeneinsatz vorbereitet. Für die K4/K5-Version nennt er zudem eine preisgünstige Alternative: „Hubert Hoffmann bietet einen soliden Fahrwerksumbau an, den er zusammen mit IDMSupersportpilot Roman Stamm entwickelt hat. Der funktioniert ebenfalls prächtig.“ Während man das Heck bis zur K3-Version problemlos mit Distanzscheiben um 2 bis 3 Millimeter anheben kann, rät Schäfer bei der jüngsten GSX-RVariante dringend davon ab, da Vorderradstürze drohen. 1 Das Federbein gegen die Rennversion von Wilbers (Bild) auszutauschen, ist eine Möglichkeit. Alternativ bietet sich ein Umbau von Hubert Hoffmann an. 2 Brauchen viel Zuwendung, sonst bremsen sie nicht schön: Vierkolbenzangen von Tokico. 3 Schlanker IDMEndschalldämpfer von BOS, der aber auf vielen Rennstrecken Geräuschprobleme bereiten wird. 1 2 3 DATEN MOTOR Bauart/Zylinderzahl Leistung* Drehmoment* Bohrung/Hub Hubraum Verdichtung Ventile pro Zylinder GEMISCHBILDUNG Bauart Ø Drosselklappe KRAFTÜBERTRAGUNG Kupplung/ Betätigung FAHRWERK Rahmenbauart Lenkkopfwinkel Nachlauf Radstand Ø Gabelinnenrohr Federweg v./h. RÄDER UND BREMSEN Räder Felgengröße v./h. Reifenempfehlung (Rennstrecke) Bremse vorn Bremse hinten Ø Scheibe v./h. GEWICHTE/ FÜLLMENGEN Fahrfertig, vollgetankt Tankinhalt Preis (inkl. Nebenkosten) SUZUKI GSX-R 600 (WY- WX) SUZUKI GSX-R 600 (K1-K3) SUZUKI GSX-R 600 (K4-K5) Reihe/4 85 kW (116 PS) bei 11800/min 68 Nm bei 10800/min 67,0/42,5 mm 599 cm3 12,2:1 4 Reihe/4 85 kW (116 PS) bei 13 000/min 68 Nm bei 10 800/min 67,0/42,5 mm 599 cm3 12,2:1 4 Reihe/4 88 kW (120 PS) bei 13 000/min 70 Nm bei 10 800/min 67,0/42,5 mm 599 cm3 12,5:1 4 Vergaser 38 mm Zünd-/Einspritzanlage 38 mm Zünd-/Einspritzanlage 38 mm MehrscheibenÖlbad/mechanisch MehrscheibenÖlbad/mechanisch MehrscheibenÖlbad/mechanisch LeichtmetallBrückenrahmen 66 Grad 96 mm 1400 mm 45 mm 125/130 mm LeichtmetallBrückenrahmen 66 Grad 96 mm 1400 mm 45 mm 125/130 mm LeichtmetallBrückenrahmen 66,75 Grad 93 mm 1400 mm 43 mm 125/130 mm LeichtmetallGussräder 3,50 x 17"/5,50 x 17" Michelin Power Race LeichtmetallGussräder 3,50 x 17"/5,50 x 17" Pirelli Supercorsa Pro LeichtmetallGussräder 3,50 x 17"/5,50 x 17" Bridgestone BT 002 Doppelscheibe, Vierkolben-Festsättel Einzelscheibe, Zweikolben-Festsattel 320/220 mm Doppelscheibe, Vierkolben-Festsättel Einzelscheibe, Zweikolben-Festsattel 320/220 mm Doppelscheibe, Vierkolben-Festsättel Einzelscheibe, Zweikolben-Festsattel 320/220 mm 192 kg 192 kg 194 kg 18 Liter 2000: 9352 Euro 18 Liter 2001: 9710 Euro 17 Liter 2004: 9690 Euro * Werksangabe Hochgezüchtete GSX-R 600 sind infolge des 1000er-Booms handverlesen, das Angebot an gebrauchten Kit-Versionen mit rund 130 PS ist deshalb relativ gering, die Preise entsprechend hoch. Auf der anderen Seite fällt die Serienleistung eher bescheiden aus. Schäfer gibt deshalb folgenden Tipp: „Wir haben Drosselklappenkörper der GSX-R 1000 (K3) auf den 600er-Motor angepasst und sofort 8 PS mehr gehabt.“ Er empfiehlt weiterhin dringend die Verwendung einer kompletten Rennauspuffanlage. Zusätzlich zu den bereits genannten Herstellern hat Laser eine gut abgestimmte Version im Programm. Satt 120 PS sollten so kein Problem sein. Was gilt es bei der K4/K5 sonst noch zu beachten? Die radial angebrachten Tokico-Bremszangen bedürfen besonderer Zuneigung. WY-WX, 1997–2000 STÄRKEN: leistungsstarkes Triebwerk, gutmütige Leistungsentfaltung, robuster Rahmen, standfeste Bremsen SCHWÄCHEN: Vergaserabstimmung, Handling PREISSPANNE: 2500 bis 5000 Euro K1-K3, 2001–2003 Während die Bremsanlagen ihrer Vorgängerinnen insgesamt als völlig problemlos gelten, sollten bei dieser Variante die Bremskolben vor allem bei häufigem Einsatz gründlich gereinigt werden. Und zwar mit lauwarmen Pril-Wasser und eben nicht mit aggressiven Bremsenreiniger. „Das Zeug verklebt den feinen Bremsstaub höchstens, anstatt ihn zu entfernen“, lautet Schäfers eindringlicher Rat. Befolgt man den nicht, laufen die Bremskolben mit der Zeit immer schlechter. Die Folgen: schlechtes Ansprechverhalten, Überhitzungsprobleme und verzogene Bremsscheiben. Insgesamt ist sich die Suzuki GSX-R 600 über all ihre Jahrgänge treu geblieben. Ein unkompliziertes Rennmotorrad, das vor allem eines macht: gewaltig viel Fahrspaß. STÄRKEN: unkompliziert und standfest, großes Gebrauchtangebot (Teile und Motorräder) SCHWÄCHEN: Rahmen sturzempfindlich PREISSPANNE: 3500 bis 8000 Euro K4-K5, 2004–2005 STÄRKEN: fantastisches Handling, einfache Fahrwerksabstimmung, hohe Zuverlässigkeit SCHWÄCHEN: Leistungsdefizit beim Serienmotor, Rahmen sturzempfindlich PREISSPANNE: 6000 bis 15 000 Euro PS 1/2006 83