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brennpunkt 2/2015 4,00 Euro 31. Jahrgang Magazin für Fotografie April bis Juni 2015 Galerien • Buchbesprechungen • Fotoszene Portfolio Horst Einfinger FÜR ORIGINALE „Ich fotografiere für den Fine Art Druck. Erst die Kombination von hochwertigen traditionellen Büttenpapieren und modernster Drucktechnik bringt die sinnliche Qualität meiner Bilder optimal zur Geltung.“ Manfred Kriegelstein Die Digital FineArt Collection bietet exklusive Künstlerpapiere mit edler Haptik und bestechender Optik für den Inkjetdruck. Brillante Schwarz-Weiß-Aufnahmen oder subtile Farbfotografie werden dank unserer feinen Papiere der Individualität Ihrer Kunstwerke mehr als gerecht. Mehr Papierkunst unter www.hahnemuehle.de 2 brennpunkt 2/2015 P A P I E R E M I T M U S E U M S Q U A L I T Ä T, A L T E R U N G S B E S T Ä N D I G U N D M E H R F A C H P R Ä M I E R T . Impressum: brennpunkt Magazin für Fotografie Erscheint vierteljährlich, erhältlich in Fotogalerien, Geschäften, Buchhandlungen und über Abonnement. Jahresabo 13,50 Euro Einzelpreis 4,00 Euro Konten: Postbank Berlin Konto-Nr. 375 106 104 BLZ 100 100 10 Redaktionsschluss: jeweils am 10. vor dem Erscheinungsmonat Herausgeber: edition buehrer c/o Dietmar Bührer Odenwaldstraße 26 12161 Berlin Telefon u. Telefax: (0 30) 8 53 35 27 e-Mail: buehrer-berlin@t-online.de Internet: www.edition-dibue.de Copyright bei Edition Druck: schöne drucksachen Bessemerstraße 76a, 12103 Berlin Redaktion: Dietmar Bührer V.i.S.d.P. Michael Gebur Elke Tesch Klaus Rabien Manfred Kriegelstein Udo Rzadkowski Hinweis: Für unverlangt eingesandte Manuskripte und Fotografien wird keine Haftung übernommen. © Sebastião Salgado, Large sand dunes between Albrg and Tin Merzouga, Tadrart. South of Djanet. Algeria. 2009. Galerien Liu Xia – Fotografin aus China ............................................................................. Sebastião Salgado »Genesis« ............................................................................. Ruud van Empel »Souvenir« .............................................................................. Volker Wartmann »Nur mit blauen Überziehern ...« ............................................ Boris Eldagsen »how to disappear completely« .................................................. Robert Polidori ................................................................................................... Eduardo Blidner »Argentine Iron Flowers« ......................................................... Efraim Habermann »Schwarz–Weiss« ................................................................. Harry Croner »Fotografien aus vier Jahrzehnten« ............................................... ECHOES OF WAR – Fotografien aus dem Zweiten Weltkrieg .............................. Silvia Sinha »Brandmauern« ................................................................................ Rainer König – Berlinische Fragmente ................................................................ James Higginson ................................................................................................. Ragnar Axelsson »Nordland« .............................................................................. FLORIAN MERKEL »Portraits und Stadtlandschaften« .......................................... Arnold Odermatt »90th Birthday« ....................................................................... Der Löffel raubt den Winterschlaf ....................................................................... DAS FENSTER ..................................................................................................... Dieter Matthes »Travestie« .................................................................................. »Ostkreuz Crossroads« People of(f) FhainXberg .................................................. Nuschi Kelm, Ursula Kelm, Angela Kröll »DREI sehen VIER« .............................. Amin El Dib »Inszenierte Bildnisse« .................................................................... Berger, Böttcher, Brabetz, Czichowski, Forsten, Kelm, Kröll, Oehler ................... Ursula Kelm »Gesichter aus Amerika« ............................................................... Peter Fischer-Piel »so oder so« ............................................................................ Daniel Samanns »Wet Plates« ............................................................................. Russel James »Angels« ........................................................................................ Kathrin Tschirner ................................................................................................ Fred Baumgart, Helmut Baumann, Winfried Matern............................................ Berlin Photography – Bürgin, Hillig, Machalowski, Profitlich ............................... Bill Perlmutter ..................................................................................................... Dagmar Kolatschny »Sunny« ............................................................................... Anne De Gelas »Mère et Fils« ............................................................................. Michael Lange »Fluss« ........................................................................................ Ritter, Roudière, Jouvet ....................................................................................... Gilbert Garcin »Mr. G.« ...................................................................................... World Press Photo 15.......................................................................................... »Vom Neuen Sehen zur Fotokunst«..................................................................... Metropolis – Hauptstadtarchitekturen ................................................................. Eddie Bonesire »Im Krieg sagtest Du einmal...« ................................................... Galeriebesprechungen Bilder und Wortgebilde (Klaus Rabien) .............................................................. Ausstellungen Pietro Donzelli.................................................................................................... Platon »Service« ................................................................................................. Karin Maria Zey .................................................................................................. Sandra Bartocha »von Bäumen ...« ...................................................................... Portfolio Horst Einfinger und die kreative Reduktion in der Photographie .......................... Fotoszene Interview mit Bill Perlmutter (Bertolt Prächt) ....................................................... Pepper´s Photo Chat – Marit Beer........................................................................ Wo - wie - und warum stellt man aus? (Manfred Kriegelstein) ............................. Buchbesprechungen Jan Sobottka »KITCHENWORK« ........................................................................ Jörg Rubbert »Paris–New York–Berlin« .............................................................. Beatrice Minda »Iran. Interrupted« ..................................................................... Tom Byrtes »Face the moment 1 und 2« ................................................................... Just One Flash / Punktlandung / LUMIX LX100 ........................................................ Vorschau 3-2015 ............................................................................................................... brennpunkt 2/2015 5 6 8 9 10 11 12 13 14 16 18 19 20 22 23 24 26 28 30 32 34 35 36 38 40 41 42 44 45 46 48 50 51 52 53 54 56 57 58 59 62 77 78 79 80 82 60 66 92 72 74 75 76 93 94 3 Galerien Liu Xia Fotografin aus China Liu Xia zählt zu den bemerkenswerten Fotografinnen im gegenwärtigen China. Sie fotografiert in Schwarzweiß. Zentraler Gegenstand ihrer künstlerischen Arbeit sind Puppen. Liu Xia ist mit dem Friedensnobelpreisträger Liu Xiaobo verheiratet, der seit 2010 in China in Haft ist. Auch Liu Xia steht seit vielen Jahren unter Hausarrest. Sie kann in China nicht ausstellen. Der Martin-Gropius-Bau zeigt etwa 50 ihrer Fotografien. © Guy Sorman Untitled Photograph by Liu Xia from the »ugly babies« series, 1996-1999 © Guy Sorman Untitled Photograph by Liu Xia from the »ugly babies« series, 1996-1999 LiaoYiwu, © Jim Glanzer © Guy Sorman, Untitled Photograph by Liu Xia from the »ugly babies« series, 1996-1999 bis 19. April 2015 Martin-Gropius-Bau Niederkirchnerstraße 7 10963 Berlin-Kreuzberg © Guy Sorman Untitled Photograph by Liu Xia from the »ugly babies« series, 1996-1999 Mi – Mo 10 – 19 Uhr Dienstags geschlossen brennpunkt 2/2015 5 Galerien Sebastião Salgado »Genesis« C/O Berlin präsentiert »Genesis« – eine Ausstellung des französisch-brasilianischen Fotografen Sebastião Salgado, gestaltet und kuratiert von Lélia Wanick Salgado. Archaische Vulkanlandschaften, arktische Eismassen, mäandernde FlussCanyons, nebelumhüllte Gebirgsketten, ursprüngliche Regenwälder und endlose Sanddünen – Genesis ist eine visuelle Hommage an den blauen Planeten. Der Fotograf Sebastião Salgado dokumentiert in opulenten SchwarzWeiss-Fotografien die überwätigende Schönheit und die Artenvielfalt unberührter Flora und Fauna sowie indigener Völker. Sein ästhetisch beeindruckender, großformatiger Bilderzyklus ist das Ergebnis einer langjährigen Expedition mit dem Ziel, über das Medium Fotografie das Bewusstsein für die Kostbarkeit der letzten unberührten Winkel der Erde zu schärfen. Das Genesis-Projekt ist Sebastião Salgados Appell an die Zivilisation, einen Teil des Planeten in seiner Ursprünglichkeit und faszinierenden Diversität zu bewahren. 46 Prozent der Landmasse auf der Erde sind immer noch so unberührt wie am Tag der Schöpfung und haben sich in der Erdgeschichte bisher kaum verändert. Innerhalb von acht Jahren hat © Sebastião Salgado, Marine iguana (Amblyrhynchus cristatus). Galápagos. Ecuador. 2004. Sebastião Salgado 32 Reisen in diese Gebiete unternommen – in kleinen sich zwischen Großwild, Dünenwogen, Erstmals in seinem Œuvre wendet SebasPropellerflugzeugen, zu Fuß, mit dem Lava, dem Okavango-Fluss und inmit- tião Salgado verstärkt seinen Fokus vom Schiff, im Faltkanu und im Fesselbal- ten des Nomadenvolks der Dinka im Menschen ab und richtet seinen Blick lon. Er war unterwegs in klimatischen Sudan. An den Northern Spaces faszi- auf die sogenannte nature morte sowie Extremen und unwegsamen Gebieten nieren Sebastião Salgado große Rentier- die Tier- und Pflanzenwelt. Formal fernab jeglicher Zivilisation. Genesis herden am Polarkreis, die Kamtschatka- bestechen seine Fotografien durch feine ist inhaltlich in fünf Kapitel unterteilt: Halbinsel, die zerrissenen Bergmassive Schattierungen und Grauabstufungen Planet South zeigt die Galapagosinseln Alaskas und die Menschen, vom Eis sowie scharfe Hell-Dunkel-Kontraste. mit Seelöwen, Kormoranen, Pinguinen überkrustet samt ihrer Schlitten, Hunde Gerade aufgrund der bewussten, ruhisowie Wale in der Antarktis und im Süd- und Zelte. Amazônia präsentiert Alliga- gen Komposition aus klaren Strukturen, atlantik. In Sanctuaries bereist Sebas- toren und Jaguare an den den Flussläu- Linien und Formen üben seine Bilder tião Salgado isolierte und artenreiche fen des Amazonas, Negro und Juruá eine starke Anziehungskraft aus. Zonen wie Madagaskar, Sumatra und sowie das Volk der Zo’é im Dschungel West-Papua und porträtiert die Bewoh- Brasiliens. C/O Berlin präsentiert als erster Ausstelnern der Mentawaiinseln sowie den lungsort in Deutschland Sebastião SalStamm der Korowai. In Africa bewegt er gados Genesis mit 245 Fotografien. Die 6 brennpunkt 2/2015 Galerien sowie der globalen Migration – nicht nur Flüchtlinge und Vertriebene, sondern auch Zuwanderer in den Megastädten der Dritten Welt. Sebastião Salgado, der zunächst in der renommierten Agentur Magnum Mitglied war, verließ diese und vermarktet seine Fotos durch die Agentur Amazonas Images, die er 1994 zusammen mit seiner Frau Lélia Wanick Salgado gegründet hat.. Seit den 1990er Jahren engagieren sie sich zusammen für ein Umweltprojekt (InstitutoTerra), das sich um die Aufforstung an der brasilianischen Atlantikküste sowie die ökologische Ausbildung der Landwirte kümmert. Der Fotograf wurde mit zahlreichen Fotopreisen ausgezeichnet – unter anderem mit dem Eugene Smith, dem Hasselblad- und dem Oskar Barnack-Preis. Er lebt und arbeitet in Paris. © Sebastião Salgado, Elephants are hunted by poachers in Zambia, so they are scared of humans and vehicles. When they see an approaching car, they usually run quickly into the bush. Kafue National Park. Zambia. 2010. Vernissage 17. April 2015, 19 Uhr © Sebastião Salgado, Typically, the women in the Zo’é village of Towari Ypy use the »urucum« (Bixa orellana) red fruit to color their bodies. Pará State. Brazil. 2009. Sanctuaries Ausstellung wurde von Lélia Wanick Organisation (ICO) in London und kam 18. April bis 16. August 2015 Salgado kuratiert. Im Taschen Verlag ist erst spät als Autodidakt zur Fotografie – ein Buch erschienen. seit 1973 ist er als Fotojournalist von C/O Sebastião Salgado, geboren 1944 in Bra- Paris aus tätig. Sebastião Salgado foto- (im Amerika Haus) silien, gehört zu den sozial engagierten grafiert selbst ausgewählten, weltwei- Hardenbergstraße 22-24 Fotografen in der Tradition der sozialdo- ten Langzeitprojekte in Schwarz-Weiß- 10623 Berlin-Charlottenburg kumentarischen Fotografie. Der promo- Bildern. Von 1986 bis 1999 widmete vierte Ökonom arbeitete als Verwaltung- er sich hauptsächlich der Dokumenta- täglich 11 – 20 Uhr sangestellter für die International Coffee tion des Endes des Industriezeitalters Eintritt 10 Euro brennpunkt 2/2015 7 Galerien Ruud van Empel »Souvenir« Zum Gallery Weekend Berlin eröffnet die Galerie WAGNER + PARTNER am 1. Mai 2015 die Einzelausstellung des renommierten holländischen Fotokünstlers Ruud van Empel. Bekannt wurde van Empel mit seiner Serie »World«, in der er adrett gekleidete farbige Kinder in exotischen Dschungelwelten postierte eine Paradieswelt, bunt, schillernd und zugleich ambivalent. Die Ausstellung Souvenir zeigt einen Überblick über das Werk Ruud van Empels, der mit seinen ausdrucksstarken Foto-Montagen das Thema Kind- Ruud van Empel, Identity #3, 2014, Cibachrome heit unter dem Blickwinkel der biogra- 84 x 59,5 cm, Ed. 10, © Ruud van Empel fischen Erinnerung und der Unschuld Courtesy WAGNER + PARTNER and Flatland immer wieder neu beleuchtet. Zentra- Gallery les Motiv sind dabei faszinierende und zugleich verstörende Portraits von Kin- Diese digitalen Foto-Collagen erinnern dern, für die er seine eigene Bildspra- an Werbetafeln oder Filmsets einer TVche entwickelt hat: die Kinder schauen Soap. stets frontal mit offenem, selbstbewuss- Die verschiedenen Serien eint van ten Blick in die Kamera. Sie stehen in Empels Ansatz der Foto-Montage, der naturähnlichen Landschaftsszenen, die eine Gleichwertigkeit aller Motive an künstliche Arrangements in Fotostu- behauptet. Virtuos eingesetzt, führt dios erinnern. sie den Betrachter in eine realistische anmutende Welt, in die er ähnlich Inhaltlich schließt van Empel an die flä- eines Theaterregisseurs Menschen und mischen Traditionen des Portraits und Gegenstände aus seiner Vorstellung insStilllebens an, wobei er zwischen der zeniert. Seine Collagetechnik arbeitet Bildsprache der Massenmedien und mit der dem Foto immanenten Suggesnostalgischen Einflüssen eine gekonnte tion von Wahrheit, die auf Grund der stilistische Balance hält. Seine Affinität digitalen Überarbeitungsmöglichkeiten zur Popkultur und Werbung zeigt sich von Fotografien als Fiktion enttarnt wird, in der grellen Farbigkeit seiner Foto- und stellt insofern einen sehr zeitgenösgrafien aber auch in dem typisierten sischen Umgang mit dem Medium FotoAussehen der Kinder, die wie Puppen grafie dar. ausgewählte Kleidungsstücke präsentieren. Dabei spielt er mit Klischees Van Empel (*1958 Breda NL) lebt und sowie deren Verfremdung und hält den arbeitet in Amsterdam und studierte an Betrachter bewusst in einer ambivalen- der Academy of Fine Arts Sint Joost in ten Haltung. Breda. In den vergangenen 3 Jahren WAGNER + PARTNER zeigt neben fanden Einzelausstellungen im Noordneuen Arbeiten auch Werke aus frühen brabants Museum, im Fotomuseum AntSerien, in denen die Referenzen an Wer- werpen, im Groninger Museum (NL) bung und Filmsets noch deutlicher sicht- sowie im MoPA Museum of Photograbar sind. In der Office-Serie aus dem phic Art in San Diego, USA statt. Seine Jahr 1996 warten Männer und Frauen Arbeiten sind in zahlreichen Privat- und hinter großen Schreibtischen in absurd öffentlichen Sammlungen international angefüllten Geschäften, die alle mit nur zu finden, wie in der Generali Foundaeiner Ware handeln, auf Kundschaft. tion und der Sir Elton John Collection. 8 brennpunkt 2/2015 Ruud van Empel, World #34, 2008, Cibachrome 84 x 59,5 cm, Ed. 10, © Ruud van Empel Courtesy WAGNER + PARTNER and Flatland Gallery Ruud van Empel, The Office #40, 2001, Digital Print on paper, 30,8 x 35cm, Ed. 15 © Ruud van Empel, Courtesy WAGNER + PARTNER and Flatland Gallery Sonderöffnungszeiten zum GALLERY WEEKEND BERLIN Samstag, 2. Mai 2015, 12 – 18 Uhr Sonntag, 3. Mai 2015, 12 – 18 Uhr 1. Mai bis 13. Juni 2015 Galerie WAGNER + PARTNER Strausberger Platz 8 10243 Berlin-Friedrichshain Di – Sa 13 – 18 Uhr und nach Vereinbarung mail@galerie-wagner-partner.com Galerien Volker Wartmann »Nur mit blauen Überziehern rin hier« Einblicke in das Innenleben der Stiftung Warentest Zu ihrem 50-jährigen Jubiläum gewährte die Stiftung Warentest dem Fotografen Volker Wartmann im Herbst 2014 einen Einblick in ihr Innenleben, das normalerweise für die Öffentlichkeit tabu ist. Ergebnis sind Fotografien mit Perspektiven, wie sie selbst langjährige Mitarbeiter nicht kennen. Wartmanns außergewöhnliche und teils skurile Bilder sind eine liebevolle Hommage an die unbestechlichen Warentester. Volker Wartmann, (O.i.F.) Volker Wartmann, (O.i.F.) Volker Wartmann, (O.i.F.) bis 12. Juni 2015 Stiftung Warentest Lützowplatz 11-13 10785 Berlin-Schöneberg Volker Wartmann, (O.i.F.) Volker Wartmann, (O.i.F.) Mo – Fr 7 – 19 Uhr brennpunkt 2/2015 9 Galerien Boris Eldagsen »how to disappear completely / THE POEMS« Der Künstler Boris Eldagsen erschafft mit Photographien, Video und wandfüllenden Plakaten eine Installation, die mit Elementen von Film, Theater und Malerei spielt und speziell für den Projektraum | PhotoWerkBerlin konzipiert ist. Aus einem künstlerischen Prozess, der inszenierte Photographie mit Street-Photography vereint, entstehen spektakuläre und traumhafte Bilder. Auf der Suche nach dem, »was die Welt im Innersten zusammenhält« produziert Eldagsen Nachtaufnahmen voller Rätsel, Spiegelungen und Schatten, zeitlose Archetypen, Archetypen, die den Betrachter auf das eigene Gefühl zurückwerfen und deren Wirkung sich über das Unbewusste entfaltet. In seiner fortlaufenden Serie »how to disappear completely / THE POEMS« hinterfragt er Realität und deren Auflösung in radikal suggestiven Bildern die keine Geschichte, sondern einen Zustand beschreiben. Boris Eldagsen ist in der deutschen Photoszene ein Solitär, der sich keiner Schule zurechnen lässt. Seine Photound Video-Arbeiten wurden in Galerien und Institutionen weltweit gezeigt. Wichtige Stationen waren: Fridericianum Kassel, Deichtorhallen Hamburg, European Media Art Festival Osnabrück, MAK Wien, Edinburgh Art Festival, Moscow Museum of Modern Art, Australian Centre of Photography Sydney, Encontros da Imagem Braga, Biennale Le Havre und Biennale of Electronic Arts Perth. Boris Eldagsen, how to disappear completely / POEM #88 (2013) Boris Eldagsen, how to disappear completely / POEM #90 (2013) bis 3. Mai 2015 Projektraum | PhotoWerkBerlin Kommunale Galerie Berlin Hohenzollerndamm 176 10713 Berlin-Wilmersdorf 2013 gewann er den Prix Voies Off des gleichnamigen Festivals in Arles. Boris Eldagsen studierte Philosophie und Bildende Kunst in Mainz, Köln, Prag und Hyderabad. www.PhotoWerkBerlin.com/Projektraum 10 brennpunkt 2/2015 Boris Eldagsen, how to disappear completely / POEM #100 (2013) Mo – Fr 10 – 17 Uhr Mi 10 – 19 Uhr So 11 – 17 Uhr Galerien Robert Polidori In Arbeiten aus mehreren seiner berühmten Serien sind in der Ausstellung ausschließlich Arbeiten zu sehen, die noch nie zuvor gezeigt wurden – darunter vier epochale Unikate des Künstlers. Der Fokus der Ausstellung liegt auf Robert Polidoris umfangreicher Dokumentation der Umbau- und Restaurationsarbeiten im Schloss Versailles, die er über einen Zeitraum von 25 Jahren intensiv photographisch begleitet hat. Die prunkvollen Räume, die aufwendigen Restaurierungsarbeiten am Schloss in den 80er-Jahren bis zu den präzisen Details, die Robert Polidori zu seinen Subjekten auserkoren hat, geben dem Betrachter einen Einblick in die Vergangenheit dieses geschichtsträchtigen Ortes, die so behutsam konserviert wird. Gleichzeitig verbindet sich die Historie mit der Gegenwart und lässt die glanzvolle Ästhetik dieser sorgsam geschmückten, verzierten und doch längst vergangenen feudalen Welt neu erleben. Den Werken von Robert Polidori wohnen eine anmutige Stille, eine präzise komponierte Ästhetik, eine farbenfrohe Komplexität und Kraft inne. Die Detailgenauigkeit der großformatigen Arbeiten ermöglicht es dem Betrachter, die Oberflächenstrukturen und Formen mit dem Auge regelrecht abzutasten: eine komplexe Bildfläche, welche die Räume auf ganz neue Weise erfahren lässt. Der Berührungspunkt zwischen Alt und Neu ist ein wiederkehrendes Motiv in Robert Polidoris Arbeiten. Subtil versteht er es, die Schnittstellen zwischen Alt und Neu aufzuspüren und dabei nach dem »emblematischen Moment« eines Ortes zu suchen – die Einheit aus Vergangenheit und Gegenwart. Die von ihm photographierten Räume, obwohl vollkommen menschenleer, erzählen mit ihrer einzigartigen Patina oder ihrem höfischen Glanz mannigfache Geschichten. Dabei ist der Photograph ein Meister in der räumlichen Ästhetik und Komposition. Seine Arbeiten sind komplexe Stillleben, die in ihrer Farbigkeit und einzigartigen Qualität eine Kulisse für die Fan- © ROBERT POLIDORI, DARBANGA GHAT, VIEWED FROM THE BOATS LEADING INTO THE GANGA VARANASI, UTTAR PRADESH, INDIA, 2003 tasie des Betrachters bilden. In der friedvollen Stille sowie in der Detailgenauigkeit seiner Werke liegt eine außergewöhnliche Kraft. Neben nie zuvor gezeigten Arbeiten von Versailles zeigt die Einzelausstellung auch ausgewählte neue Arbeiten von Robert Polidori, die in Kuba und in den USA entstanden sind. Robert Polidori Der 1951 im kanadischen Montreal geborene Robert Polidori lebt in New © ROBERT POLIDORI, HAVANA CAR York und Paris. Umfangreiche Photo- GARAGE, 157 AVENIDA BRAZIL, HAVANA reportagen in Zeitschriften wie »The VIEJA, HAVANA, CUBA, 1997 New Yorker«, »Architectural Digest«, »Geo« oder »Vanity Fair« begründe- Bildband »Parcours Muséologique Reviten Polidoris internationalen Erfolg, der sité« mit der monumentalen photogradurch Preise wie den Deutschen Foto- phischen Dokumentation des Schloss buchpreis oder den Alfred-Eisenstaedt- Versailles. Award offiziell gewürdigt wurde. Robert Polidoris Arbeiten wurden nicht nur in bis 18. April 2015 zahlreichen Galerien, sondern auch in international renommierten Museen Galerie Camera Work wie dem Metropolitan Museum of Art in Kantstraße 149 New York, dem Musée d’Art Contempo- 10623 Berlin-Charlottenburg rain de Montréal und dem Martin-Gropius-Bau in Berlin gezeigt. Di – Sa 11 – 18 Uhr Zudem sind zum umfangreichen Werk Robert Polidoris zahlreiche Publikatio- Homepage: nen erschienen, unter anderem der mit www.camerawork.de dem Liliane Bettencourt Prix de la Pho- Facebook: tographie ausgezeichnete, dreibändige www.facebook.com/cameraworkberlin brennpunkt 2/2015 11 Galerien EDUARDO BLIDNER (Buenos Aires) »Argentine Iron Flowers« S/W-Fotografien Blidner hat früh erkannt, dass Bilder uns im Medium des Erscheinens menschliche Erfahrungen nahe bringen. Im Bild der Kunst werden menschliche Arten der Weltbegegnung zur Darbietung gebracht, wobei die Form der Darbietung der Historizität unterliegt. Dies belegen die Photographien von Blidner, der gleichsam seinen Dialog mit dem weiblichen Körper der »TangoBilder« weiterführt, wenn auch radikaler. Zu den neuen Photos inspirierte ihn vor allem die Kunst der Renaissance. In der Renaissance steht die Idealisierung der Natur, zu der auch der menschliche Körper zählt, im Vordergrund, wobei Schönheit der Natur als Verwirklichung einer Idee betrachtet wurde. In der Renaissance vereinigt sich der Code der Perspektive mit dem Code der Anatomie um Schönheit in der Darstellung des Menschen zu erreichen. Leon B. Alberti setzt die Inszenierung der Figuren und Körper mit der inhaltlichen Konzeption des Gemäldes gleich und misst ihr grosse Bedeutung zu: Als Beispiel dieser Ansicht sei Sandro Botticellis »Primavera« genannt. Botticelli faszinierte das Drama des Körpers. Blidner faszinierte und beeindruckte auch der Barockmaler Peter Paul Rubens. Rubens Dialog mit seiner zweiten Frau und Modell Helene Fourment, deren barocken Körper er sehr bewunderte und ihre Schönheit öfters in Gemälden darstellte. Blidners Photographien sind ein Versuch, die Renaissance wieder zu beleben. Seine Photos holen die Körperlichkeit in unsere Erfahrung zurück, weiten Erkenntnis aus zu einer eigenen Inszenierung von Imagination mit unseren Sinnen. Die Gesten und Posen, die an die Art von Athleten erinnern, haben eine kraftvolle Ausdrucksweise und betonen das Erlebnis sinnlicher Erfah12 brennpunkt 2/2015 © EDUARDO BLIDNER, »VIOLET« rung. So ist der Ausdruck dieser »Iron Flowers« in Bildern ästhetisch entäusserte Subjektivität, die ihren Sog auf die Wahrnehmung des Betrachters ausübt. Die Art und Weise, wie die »Iron Flowers« ihre Körper inszeniert haben, darf als der Versuch gewertet werden, Antike- und Renaissanceskulpturen wieder zu beleben. Ihre Gesten, Posen und der ihnen inne wohnende Rhythmus lassen ein Spiel von Mysterium und Realität enstehen. Die »Iron Flowers«, die sich Dahlia(Dahlie), Gardenia (Gardenie), Jasmin, Orchid(Orchidee), Poppy,(Mohn) Tulip(Tulpe) und Violett(Veilchen) nennen, sind Athleten, die ihre Körper zu Plastiken formten, was eine kraftvolle und sinnenfrohe Kunst hervorbrachte, der ein poetischer Rhythmus inne wohnt. © EDUARDO BLIDNER, »MAGNOLIA« Blidners Photographien irritieren in einer Radikalität und Freizügigkeit unsere Imagination, bringen dann aber einen ästhetischen Sinn hervor, den wir ohne das Gefühl von Scham geniessen bis 27. April 2015 dürfen und die Anlass zur Quelle produktiver Phantasie werden können. Galerie Carlos Hulsch KUDAMM-KARREE Laudatio zur Vernissage Kurfürstendamm 206-208 von Prof. Alex Baumgartner, Eingang: Februar 2015 Lietzenburger Straße 80 10719 Berlin-Charlottenburg Di – Fr 15 – 19 Uhr Galerien Efraim Habermann »Schwarz-Weiss« In Efraim Habermanns Brust ruhen zwei Seelen, eine konstruktive und eine realistische, was bei ihm zu einer bestechenden Synthese von Rationalität und Emotionalität führt. Kaum könnte das spezielle Potential der jeweiligen Gattung, die Abstraktion des gezeichneten Bildes einerseits und die darstellende Gegenständlichkeit des auf Realität bezogenen Fotos andererseits, überzeugender zum Ausdruck kommen als in Habermanns Inszenierungen. Die Tuschezeichnung wird noch stärker zum Bild und das Foto wird noch stärker zur Kunst. Die Ausstellung zeigt die große Vielfalt der Werkgruppen (Venedig und Lido, Berliner Szenen und Architektur, Milieu) deren bestechende Klarheit und Präzision sofort ins Auge sticht. Efraim Habermann arbeitet ausschließlich im Medium der Schwarz-Weiss-Photographie und schafft höchst präzise, sehr ruhige Darstellungen, die sich mit Fragen von Realität und Abbildung, mit Zeit und Vergehen und Festhalten von Zeit und vor allem mit Schatten und fein nuancierten Abstufungen von Grautönen beschäftigen. Die hier gezeigten Werke sind präsent und einnehmend. In ihrer Klarheit strahlen sie Stille und Ruhe aus und wirken teilweise meditativ. So wohnt den Bildern von Venedig etwas Magisches inne, er wählt architektonische Elemente (Kulturforum, Treppe der Neuen Nationalgalerie) als Symbole um seine Empfindungen über die Gefühlsebene in das Medium der Photographie zu übertragen. Die Fotos präsentieren eine vergangene Wirklichkeit und werden dadurch zu einem kontemplativen Zeichen. Einige Fotos, so die bereits erwähnte Treppe oder die Fensterfront lassen den späteren konstruktivistischen Zeichner aufscheinen. Seine Themen sind sehr unterschiedlich doch in ihrem Ursprung durchaus verbunden, dass es sich nicht um spontane Schnappschüsse sondern um wohlüberlegte und geplante Aufnahmen handelt, die mit viel kompositorischer Raffinesse und mit größter Präzision und technischer Perfektion realisiert werden. Die © Efraim Habermann © Efraim Habermann Photographien werden zu einem dynamischen und statischen Gebilde. Es repräsentiert gleichsam einen eingefrorenen Blick, der eine starke Suggestibiltität beim Betrachter auslöst. Efraim Habermanns Photographien ist auch ein faszinierendes spielerisches Element inne wie z.B. die Verwendung ungewohnter Perspektiven sowie konstruktivistische Schattenspiele. So gelingt ihm seine Inszenierung von Welt, von der er Bilder liefert, in der man mehr von ihr versteht, als ihre Oberfläche preisgibt. Die Welt wird dabei zum Stoff der Imagination und wir ahnen in Habermanns Photographien, dass wir in ihnen unsere eigenen Bilder empfangen. Habermann photographiert mit seiner Leica ausschließlich analog. Alle Photographien sind Handabzüge auf Barytpapier in limitierter Auflage von 3 bis max. 5 Exemplaren. Die Photographie bewahrt die traditionelle Rolle der bildenden Künste, sie erhält das Verhältnis zur Wirklichkeit (u.a. Zentralperspektive, Fluchtpunkt und bezieht ihre ästhetische Bedeutung aus der Interpretation dieser Wirklichkeit, während zeitgenössische Malerei überwiegend die Abstraktion, also die selbstbezügliche Gestaltung der Fläche als eine Gesamtheit von Form und Farbe, zum Thema hat. Obwohl für ihn die bildnerischen Mittel Fläche, Linien und Bildraum dazu tendieren, nichts außer sich darzustellen, wohnt seinen Zeichnungen Witz, Leichtigkeit und Humor inne. Es handelt sich dabei nie um ein Abbild von Natur, sondern eher als Aufdeckung des visuellen Strukturplans der Natur. Die Grundformen der Zeichnungen sind Dreieck, Kreis, Quadrat. In der Farbgebung beschränkt er sich auf die Nichtfarben weiss und schwarz.. Das Ergeb- nis der Zeichnungen Habermanns ist ein dem Bilde virulent innewohnender Rhythmus, der eine gewisse Fröhlichkeit und Heiterkeit ausstrahlt, und die Genese von Zeitlichkeit und Räumlichkeit aufzeigt. Efraim Habermanns Tuschezeichnungen ermöglichen die Erfahrung von entstehendem Sinn. Es spielt sich ein ständiger Kreislauf von Erspüren von Kontrasten und Rhythmus, von Fabulieren, Erkennen und Erfinden ab. Im Erkennen der Phänomene eröffnen diese ihr Wechselspiel, was wir als Resonanz erleben und uns beglücken kann, ebenso wie seine geglückten Aufnahmen. Prof. Alex Baumgartner, Berlin, 2015 Vom 5. Mai bis 30. Juni 2015 werden im Buchhändlerkeller in der Carmerstraße 1, 10623 Berlin - Charlottenburg 12 s/w-Berlinfotos von Efraim Habermann gezeigt. Vernissage am Dienstag, 5. Mai 2015 um 18 Uhr. Vernissage 30. April 2015, 19 – 21 Uhr 30. April bis 10. Juli 2015 Galerie Carlos Hulsch KUDAMM-KARREE Kurfürstendamm 206-208 Eingang: Lietzenburger Straße 80 10719 Berlin-Charlottenburg Di – Fr 15 – 19 Uhr brennpunkt 2/2015 13 Galerien Bühne West-Berlin Fotografien von Harry Croner aus vier Jahrzehnten Das Stadtmuseum Berlin präsentiert eine Auswahl von rund 250 Berlin-Fotografien aus den Jahren 1946 bis 1988. Die Ausstellung im Märkischen Museum ermöglicht erstmals einen Blick auf das vielfältige Gesamtwerk des Pressefotografen Harry Croner (1903–1992) und gliedert sich in sechs Räume zu den Bereichen Stadtbild, Portrait, Reportage, Bühnenfotografie. Ob Sechs-TageRennen, Kellner-Derby, Miss-Wahl, Modenschau, Theater-premiere, Filmfestspiele, Jazz-Fest oder Presseball – Croner begleitete das Stadtleben jener Zeit stets mit seiner Kamera. Harry Croners Fotografien sind die Chronik einer Epoche und zugleich eine Hommage an eine kleine Insel der Weltpolitik, die vor allem eines war, eine große Bühne für die Kultur. Harry Croner © Stadtmuseum Berlin »Der Amerikanische Präsident John F. Kennedy mit Regierendem Bürgermeister Willy Brandt in der Kongresshalle«, 26. Juni 1963 Zu Fuß oder mit der Bahn durchquerte Harry Croner die Stadt, dokumentierte in eindrucksvollen Serien nicht nur Plätze und Straßen, sondern setzte auch bekannte wie unbekannte Berliner ins Bild. 40 Jahre begleitete der Bildjournalist das Leben in West-Berlin: den Wiederaufbau und das Entstehen neuer Wahrzeichen, große und kleine Ereignisse des Alltags, Prominenz aus Kultur und Politik, ganz besonders das GescheHarry Croner © Stadtmuseum Berlin »Romy Schneider verabschiedet sich von ihren Fans«, hen auf den Bühnen der Stadt. VII. Internationale Filmfestspiele Berlin, 1957 Croner ging es nie um den skandalösen Schnappschuss, vielmehr sprechen seine Bilder eine seriöse journalistische absolvierte er eine kaufmännische jedoch aufgrund seines jüdischen Vaters Sprache. Jenseits von Glamour und Sen- Lehre, war bei verschiedenen Automo- als »wehrunfähig« entlassen. Zurück in sation entstanden besondere Moment- bilfirmen als Werbeleiter und schließlich Berlin arbeitete er zeitweise wieder in und Porträtaufnahmen wie die einzig- als Reiserepräsentant der Bayerischen seinem Geschäft. 1944 kam Croner in artige Serie mit dem Schauspieler Klaus Motorenwerke tätig. Als er sich 1933 in ein Arbeitslager und geriet im März Kinski in dessen Berliner Wohnung Berlin-Wilmers-dorf mit einem eigenen 1945 in amerikanische Gefangenschaft, (1960). Mit vielen der in Berlin leben- Fotogeschäft selbstständig machte, hatte aus der er erst im April 1946 entlassen den oder hier gastierenden Künstler ver- er wohl bereits eine Karriere als Fotograf wurde. band Croner eine langjährige Bekannt- im Auge. Er verkaufte nicht nur Kameras Erst jetzt, mit 43 Jahren, begann seine schaft. und Zubehör, sondern fertigte auch Por- Karriere als freier Pressefotograf, der Späte Karriere als Fotograf trätaufnahmen an. 1940 wurde Croner vor allem für die Berliner TageszeitunHarry Croner wurde am 16. März 1903 eingezogen und kam als Kriegsbericht- gen Der Abend, Telegraf und Der Tagesin Berlin geboren. Von 1920 bis 1922 erstatter an die Westfront, wurde dann spiegel tätig war. 1971 erhielt er auf Vor14 brennpunkt 2/2015 Galerien Harry Croner © Stadtmuseum Berlin »Bahnhof Zoologischer Garten«, 1947 Harry Croner © Stadtmuseum Berlin »Die John-Tiller-Girls werben für die 1. Internationalen Varieté-Festspiele«, Potsdamer Straße vor dem Sportpalast, 1960 Harry Croner © Stadtmuseum Berlin »Daliah Lavi und Charles Aznavour auf den XIII. Filmfestspielen«, 1963 Harry Croner © Stadtmuseum Berlin »Prozess Gladow-Bande: Die Urteilsverkündung«, Berlin 1950 Der Nachlass Mit Unterstützung der Stiftung Preußische Seehandlung konnte im Februar Harry Croner © Stadtmuseum Berlin 1989 das umfang-reiche Archiv (rund »Der Regierende Bürgermeister Prof. Otto Suhr 100.000 Schwarz-Weiß-Fotografie und als Wurstmaxe«, 1955 über 1,3 Millionen Negative), erworben werden. Ein repräsentativer Teil Harry Croner © Stadtmuseum Berlin »Claudia des Nachlasses wurde 2013 digitalisiert, bis 28. Juni 2015 Cardinale auf dem Filmball«, 1964 unterstützt von der Servicestelle Digitalisierung des Landes Berlin. Rund 8.000 Märkisches Museum schlag des Regierenden Bürgermeisters Fotos sind bereits online unter Am Köllnischen Park 5 Klaus Schütz das Bundesverdienstkreuz. https://sammlung-online.stadtmu- 10179 Berlin-Mitte Harry Croner starb am 27. September seum.de/ 1992 in Berlin. www.stadtmuseum.de Di – So 10 – 18 Uhr brennpunkt 2/2015 15 Galerien ECHOES OF WAR Fotografien aus dem Zweiten Weltkrieg Ungewöhnliche Annäherung Russisch-amerikanische Fotokünstlerin kuratiert Vintage-Fotografien aus dem Zweiten Weltkrieg Die Ausstellung ECHOES OF WAR zeigt ausgewählte fotografische Originalaufnahmen aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs, die erstmals in einem künstlerischen Kontext zu sehen sind. Die historischen Fotografien erzählen individuelle Geschichten und nehmen unterschiedliche Blickwinkel ein – sowohl was Ort und Anlass ihrer Entstehung betrifft, als auch in Bezug auf ihre Provenienz. Die Aufnahmen stammen vor allem aus Deutschland, England, Frankreich, Polen, Russland und den USA. Sie bilden den Grundstock der fotografischen Vintage-Sammlung der Fotografin Benita Suchodrev. Erworben auf Auktionen, im Rahmen privater Recherchen bei Zeitzeugen und Sammlerkollegen sowie auf Flohmärkten in zahlreichen Ländern konnte die russisch-amerikanische Fotokünstlerin Benita Suchodrev einen Schatz von persönlichen Erinnerungen heben, der zeitgeschichtliche Einblicke gewährt und die Auseinandersetzung mit der Erfahrung des Kriegs befördert. Zu sehen sind Fotografien von professionellen Kriegs bericht¬erstattern, Soldaten und Privatpersonen, die seltene Aufnahmen aus Flugzeugen, Bilder von öffentlichen Hinrichtungen, Fallschirmspringer kurz vor der Landung, sowjetische und deutsche Kindersoldaten und den Alltag sowie die Nachkriegszeit in den zerbombten Städten zeigen. Die meisten dieser Aufnahmen dokumentieren einen privaten, subjektiven Blick auf die Begebenheiten der Zeit, keinen politisch-militärischen. Gezeigt werden Fotografien, die dem Blick jener Augen folgen, welche die Geschehnisse beobachtet haben. Es geht um die Menschen, die die Ereignisse verursacht, erlitten, erlebt haben und die politisch und strategisch wichtige Aufnahmen als 16 brennpunkt 2/2015 Melkereiwagen im zerstörten Berlin, 1945 (Foto: Unbekannt) Drummers, Demonstration der Freien Deutschen Jugend (FDJ), Berlin, 26. März 1953 (Foto: Unbekannt) Zum Teil entsprechen die Portraits der damals als modern geltenden Fotoästhetik, zeigen ernste, entschlossene, aber auch forsche und frech dreinblickende Gesichter. Andere Aufnahmen erinnern an einen Umgang mit dem »Selbst«, die eine frappierende Ähnlichkeit zu heutigen »Selfies« aufweisen. Die Vielschichtigkeit der fotografischen Porträts wird durch einen hinzugefügten Doppelungseffekt herausgearbeitet, der durch eine spezielle Lichtkastenkonstruktion eine veränderte Wahrnehmung eröffnet. Die neu geschaffenen Werke werden in einem verdunkelten Nebenraum präsentiert. Die Ausstellung will weder eine politische Aussage machen noch die Grausamkeit des Krieges übertünchen. Vielmehr möchte sie eine Auswahl von mehr als 130 subjektiver, privater Blicke der Menschen präsentieren, die diese Fotos gemacht haben. Gleichsam als in Bildern erzählte Geschichten, deren Echo bis in die Gegenwart reicht. »Viele von uns kennen noch Menschen, die den Zweiten Weltkrieg miterlebten. Wir haben Geschichten gehört, Briefe gelesen, Fotos angeschaut und sind in der Schule oder durch das Fernsehen über diese Zeit informiert worden. Wir, die Nachkriegsgeneration, haben viele Eindrücke sammeln können, doch diese sind lediglich Echos; sekundäre Erscheinungsformen, die niemals so klar und eindeutig wahr¬genommen werden können wie die ersten Klänge. Dennoch dienen diese Echos als Erinnerung und Bestätigung dafür, dass es diese ersten Klänge wirklich gab.« Benita Suchodrev auch flüchtige und poetische Momente im Bild erfasst und für die Geschichte festgehalten haben. Die ausgewählten Motive werden zusammen mit den rückwärtig angebrachten Beschreibungen gezeigt, deren Wortwahl eine weitere Ebene des Bildausschnitts eröffnen. So sind ebenso propagandistische Gedanken wie oft sehr persönliche Widmungen auf der Rückseite von Privataufnahmen zu finden. Zusammengestellt und kuratiert aus Sicht einer Künstlerin und Fotografin ergeben sich neue Zusammenhänge, die nicht streng wissenschaftlich konnotiert sind, sondern die Schrecken und lichten Momente, das Bemühen um Bildästhetik unter barbarischen Umständen und die Sichtweisen von einer Welt im Kriegszustand dokumentieren. In einem zweiten Teil der Ausstellung werden die Vintage-Fotografien durch historische Porträtaufnahmen ergänzt, die – künstlerisch bearbeitet – einen doppelten Blick erlauben. Sie sind als Antwort der Fotokünstlerin Benita Suchodrev auf das gefundene Material aufzufassen, das Echo des Kriegs in unsere heutigen Sicht- und Sehweisen zu überführen. Die teils überblendeten, teils invers gewandelten Aufnahmen spielen mit der Nähe und der Ferne, mit den uns bekannt erscheinenden Posen und Stilen, mit der Optik von Filmstills und dem Wissen um die Zeit- Weitere Informationen: lichkeit der Bilder. ivintagenow.com Galerien Mann mit Kontrabass, Stalingrad, Russland, 1942 (Foto: International News) Russian KGB Archives Photo of a Hitler Jugend Girl Soldier, Retouched, Printed on Transparent Film, 2015 (Artist: Benita Suchodrev) Fotokünstlerin Benita Suchodrev und ihr Fotoatelier »Blick.Macht.Bild« am Viktoria-Luise-Platz Benita Suchodrev ist eine russisch-amerikanische Fotokünstlerin mit Wohnsitz in Berlin. Sie wurde in der ehemaligen Sowjetunion geboren und ist im Alter von fünfzehn Jahren in die USA eingewandert. Ihren Abschluss in Geisteswissenschaften mit dem Schwerpunkt Kunstgeschichte bestand sie mit Summa cum Laude. Die Themen Film und Fotografie spielten eine wichtige Rolle in ihrem Studium. In der Dunkelkammer der Universität entwickelte sie ihre ersten SchwarzWeiß-Fotografien. Nach einer erfolgreichen Tätigkeit als Porträtfotografin in Southern Connecticut siedelte sie im Jahr 2008 nach Berlin über und begann eine produktive Dokumentation der facettenreichen Kunstszene der kosmopolitischen Stadt. Seitdem arbeitet sie an verschiedenen fotografischen Projekten, die in nationalen und internationalen Einzelund Gruppenausstellungen gezeigt werden. 2014 eröffnete sie ihr Atelier »Blick. Macht.Bild« am Viktoria-Luise-Platz in Schöneberg, wo sie fotografische Serien realisiert, künstlerische Positionen vertieft und ihre Dienstleistungen im Bereich Portraitfotografie Privat- und Geschäftskunden anbietet. Hier kann Benita Suchodrev auch auf eine Tradition in der Fotostadt Ich sammle keinen Kitsch, sondern Fotografien, die die verschiedenen Facetten einer Realität zeigen; insofern diese Realität im Bild erfasst werden kann.« Russische Seele WWII Photographer’s »Self-Portrait« in the »Ja, ich besitze die sogenannte ‚RusMirror of a moving Car (Photo: Unknown) sische Seele‘, deren helle und dunkle Kammern von stürmischen Emotionen Berlin zurückgreifen, nämlich auf und Erinnerungen – die nie zu Ruhe die weiblich geführten Fotoateliers in kommen – beherrscht sind. Ich habe Charlottenburg und Schöneberg, die von eine Schwäche für ausdrucksstarke multinational und polyglott orientierten Bilder, für Gestik und den stillen, viel Persönlichkeiten geprägt waren und erzählenden menschlichen Blick und besonders in den 1920er-Jahre großen alles was dahinter verborgen liegt. Das Einfluss auf die Fotografiegeschichte Oberflächliche und leicht Verdauliausübten. Zu nennen sind hier Yva, che hat mich nie interessiert, weder im die als 25-Jährige ihr erstes eigenes Alltag noch in der Fotografie.« Fotoatelier eröffnete sowie ihre Kriegsfotos Kolleginnen Frieda Riess, Lotte Jacobi »Was Kriegsfotos angeht, bin ich immer und Marianne Breslauer. wieder berührt und oft erstaunt, wenn ich Aufnahmen entdecke, die nicht nur Seit einigen Jahren ist Benita Suchodrev historisch interessant wirken, sondern auch als Fotosammlerin tätig. Der eine künstlerische Motivation erkennen Schwerpunkt ihrer Sammlung sind lassen, die Motivation etwas Schönes Vintage-Fotografien. In den kommenden oder sogar ‚Poetisches‘ im Bild zu Jahren plant die Fotografin eine Reihe von erfassen in einer Zeit, die das eigentlich Ausstellungen von Vintage-Fotografien nicht zulässt.« in ihren Atelierräumen. Die erste Schau mit dem Titel ECHOES OF WAR zeigt Vernissage ausgewählte, aus Privatsammlungen 6. Mai 2015, 18 Uhr stammende originale fotografische Aufnahmen aus der Zeit des Zweiten 7. Mai bis 24. Juni 2015 Weltkriegs, die erstmals in einem künstlerischen Kontext zu sehen sind. Blick.Macht.Bild Benita Suchodrev über Ihr Interesse für Atelier für Fotografie Vintage-Fotografie: Sammlung Motzstraße 52 »Meine Hauptmotivation Vintage- 10777 Berlin-Schöneberg Fotografien zu sammeln, ist weniger mit dem kommerziellen Wert dieser Werke Di – Mi 12 – 19 Uhr als Sammlerstücke verbunden, sondern Fr – Sa 12 – 19 Uhr mit der ästhetischen und historischen http://blickmachtbild.com Bedeutung der Originale. mail@blickmachtbild.com brennpunkt 2/2015 17 Galerien Silvia Sinha »Brandmauern« Dabei ist es nicht ihr Ziel, die Architektur des alten, gegenwärtigen und werdenden Berlin zu dokumentieren; vielmehr beabsichtigt sie, die Eigenästhetik grafisch-malerischer Erscheinungsbilder von Brandmauern mit all ihren Störfaktoren wie Verwitterung und Fremdeinwirkung - auch in Koexistenz mit Neuem - zu erfassen und festzuhalten. Somit entsteht alles »Dokumentarische« nur sekundär, als Folge des ästhetischen Leitfadens der Künstlerin. Während des Berliner Baubooms im 19. Jahrhundert entstanden zahlreicheArbeiterviertel, die durch großeWohnblocks mit ihren angrenzenden Seitenflügeln und Hinterhöfen typische Berliner Quartiere bildeten. Besonderes Merkmal dieser damaligen dichten Bauweise stellten die äußerst markanten und Häufig bricht sie die Großflächigkeit starken - aus Gründen des Brandschut- einer Brandmauer auf, indem sie vorhanzes stets fensterlosen - Brandmauern dar, dene Merkmale wie farbliche Akzente, die die einzelnen Wohnblocks vonein- architektonische Formen, Strukturen ander trennen und im Falle eines Bran- und grafische Muster als dominierende des vor übergreifendem Feuer schützen Elemente hervorhebt, wodurch ihre sollten. Arbeiten an zusätzlicher Ausdruckskraft gewinnen. Durch die Zerstörungen des Zweiten Weltkrieges warensehr viele Lücken Das Wahlkreisbüro Dilek Kolat zeigt eine und Brachen entstanden, dienoch deut- Auswahl der weitreichenden Sammlicher als zuvor den Blick auf noch ver- lung, die von September bis November bliebene Brandmauern frei gaben. 2015 im Museum St. Wendel, Saarland, zu sehen sein wird. Seit dem Fall der Mauer verschwinden sowohl Brachen als auch Brandmauern www.in-response.de immer mehr aus dem Stadtbild – nicht zuletztin Folge des bis heute anhaltenden Sanierungs- und Baubooms für das sich imsteten Wandel befindende Berlin. Viele Brandmauern erhielten im Rahmen von Sanierungsaufträgen nachträglich Fenster, sodass sie nunmehr als »Hausfassade« einer neuen Bestimmung dienen. Andere werden durch den direkten Anbau neuer Gebäude unsichtbar. Im Bewusstsein dieses Wandels erforscht Silvia Sinha die wenigen noch ursprünglich erhaltenen odermodernisierten Brandmauern. Dabei ordnet sieInterpretation und Ausdruck ihrer sehr eigenen Wahrnehmung und Auffassung von Ästhetik unter. Mit dem Blick einer Fotografin, die sich bei der Visualisierung gegenständlicher Motive gerneabstrakteBildwelten erschließt, zeigt sie, dass Brandmauern immer wieder auchein »pittoreskes« Eigenleben führen. Vernissage 17. April 2015, 19 Uhr Sie erforscht die Spuren der Zeit an freistehenden oder - im Zuge von Neubebauung -freigelegten Brandmauern. Di Mi Do 18 brennpunkt 2/2015 © Silvia Sinha, 2014, (O.i.F.) © Silvia Sinha, 2013, (O.i.F.) bis 17. Juli 2015 Wahlkreis- und Kulturbüro Dilek Kolat Schmiljanstraße 17 12161 Berlin-Friedenau 15 – 18 Uhr 15 – 17 Uhr 11 – 14 Uhr © Silvia Sinha, 2012, (O.i.F.) Galerien Rainer König BERLINISCHE FRAGMENTE Rainer König, 1926 in Berlin geboren, studierte Architektur zwischen 1945 und 1952 an der HfbK. Danach arbeitete er in verschiedenen Architekturbüros in West-Berlin und begann sich nebenher autodidaktisch mit Fotografie zu beschäftigen. Dies sollte seinen beruflichen Werdegang nachhaltig verändern. Ab 1958 war König als Lehrer für Ausstellungsbau an der Meisterschule für das Kunsthandwerk Berlin © Rainer König tätig. 1966 beendete er seine Arbeit als Architekt und unterrichtete von nun Bilder von Landschaften, Kanalbiegunan auch Fotografie. Von 1970 bis 1991 gen, Brücken und Schleusen, aufgewar er Professor für Ausstellungsgestal- nommen vom Land und aus der Luft, tung und Fotografie an der HfbK (heute aber auch Details von Natur und TechUdK) in Berlin. Nachdem König in den nik. Seine Detailaufnahmen der Schleufrühen fünfziger Jahren begonnen hatte sen erinnern aufgrund ihrer Konzentramit einer Kleinbildkamera zu fotografie- tion auf grafische Strukturen und der ren, arbeitete er später auch mit Mittel- intensiven Kontraste an die Subjekund Großformatkameras. Schließlich tive Fotografie. In seinen Berlin-Bildern begann er auch mit verschiedensten dokumentiert Rainer König die VeränObjektiven zu experimentieren und derung des urbanen Raumes. Dabei besitzt heute eine umfassende Samm- steht weniger die Stadt als Lebensraum, lung historischer Kamera-Objektive. sondern vielmehr als architektonischer Körper im Mittelpunkt. Zahlreiche AufDie Ausstellung zeigt notwendiger- nahmen von Häusern, Ruinen, Monuweise nur einen kleinen Einblick in das menten und vor allem Details wie Fasumfangreiche, mehr als ein halbes Jahr- sadenschmuck, Türklinken, Geländern hundert umfassende Oeuvre. Königs oder Treppen fügen sich gleichsam zu Fotografien zeichnen sich durch einen der Inventarisierung eines Zustandes architektonischen Blick aus, bisweilen der Stadt zusammen. ließe sich zudem von dem Blick eines Außerdem werden in der Ausstellung Schmuckmachers sprechen, der bei einige der Aufnahmen des Hauses von der Kreation eines ganzen Ensembles Hannah Höch zu sehen sein. König hat die Details nie aus dem Auge verliert. das Heiligenseer Gartenhäuschen seiner Es scheint nicht verwunderlich, dass Tante gleich nach ihrem Tod 1978 fotodie Stadt, ihre Häuser und architekto- grafisch dokumentiert. nischen Details einen großen Raum in Seine Fotografien von Stadt und Land Königs fotografischem Werk einneh- zeigen Fragmente und Monumente gleimen. Doch auch Landschaften hat er chermaßen. Charakteristisch ist Königs fotografisch in ihren kleinen und großen sehr genaue und klassische BildkomFormen untersucht. position, die in einer Perfektion der Abzüge und der akribischen ArchivieAb 1977 beispielweise fotografierte rung und Beschriftung des Werkes ihre König den Ludwigkanal (Ludwig-Main- Erweiterung erfährt. Donau-Kanal) im Altmühltal. Er doku- Bis auf einige Aufnahmen des Altmühlmentierte dessen Umbau zum Rhein- tals sind die Fotografien noch nie ausMain-Donau-Kanal über mehrere Jahre gestellt worden. hinweg. Entstanden sind eindrucksvolle © Rainer König Die Collection Regard ist eine Fotografische Sammlung, die den Schwerpunkt auf die deutsche Fotografie gelegt hat, insbesondere aus Berlin. 2005 begann Marc Barbey seine Sammlung deutscher Schwarz-Weiß Fotografie von den Anfängen der Fotografie bis in die 1990er Jahre auszubauen. Daneben wird hier auch der Nachlass von Hein Gorny verwaltet. Mit ihrem Wirken als Archiv und Ausstellungsort nimmt die Collection Regard bewusst eine Position zwischen Museum und Galerie ein und ist besonders bestrebt, der interessierten Öffentlichkeit solche noch weitgehend unbekannte fotografische Werke zu zeigen, die Aufmerksamkeit verdienen. bis 23. April 2015 Collection Regard Steinstraße 12 10119 Berlin-Mitte http://www.collectionregard.de brennpunkt 2/2015 19 Galerien James Higginson Behold. Perspectives at play in a young man‘s mind Der aus Los Angeles stammende und seit 2004 in Berlin lebendende und arbeitende Künstler James Higginson ist vor allem mit seinen perfekten Fotoinszenierungen bekannt geworden. Inszenieren ist gewissermaßen seine künstlerisch-fotografische Domäne. In der jetzt für das Haus am Kleistpark von Enno Kaufhold kuratierten Ausstellung Behold liegt der Fokus der in den letzten Jahren entstandenen und hier in Teilen erstmals gezeigten Serien auf dem Bild des Mannes. Das ist ein Bild, das sich aus unterschiedlichen Wahrnehmungen formt. Da sind die Männer selbst, die sich als Mann und mithin männlich sehen, da ist die Gesellschaft, die aus unterschiedlichen Quellen gespeist - eine Vorstellung vom Mann hat und schließlich ist es der Künstler James Higginson, der sein Bild vom Mann hat. Das ist jedoch offen und folglich wechselt er von Serie zu Serie die Perspektive. Das erlaubt ihm Sichtweisen, wie sie eher einem jüngeren, auf Rollen und Normen noch nicht festgelegten Mann eigen sein könnten.Deshalb der Untertitel »Perspectives at play in a young man‘s mind«. Und selbstredend sind die entstandenen Bilder, wie bei allen Arbeiten von James Higginson, nicht allein seiner Fantasie entlehnt, sondern reflektieren die realen und sich beschleunigenden aktuellen Veränderungen und beziehen sogar prospektive Vorstellungen mit ein.Denn was als männlich gilt, befindet sich in einem dialektischen Transformationsprozess mit dem, was als weiblich angesehen wird. In ihrer Summe reflektieren seine Bildserien die Gender-Diskussionen genauso wie die Emanzipation des Homosexuellen, des Transsexuellen oder des Transvestismus und verleihen so der allgemeinen Liberalisierung des Geschlechtsspezifischen ein anschauliches und letztlich künstlerisches Erscheinungsbild. 20 brennpunkt 2/2015 © James Higginson, Hollywood Dresses: Robert, 2008 © James Higginson, Hollywood Dresses: Christoph, 2008 © James Higginson, Interlude 8: Zeuthenersee, 2006 In der titelgebenden Serie »Behold« (2010/2011) hat James Higginson den von ihm fotografierten Männern – mit deutlicher Anspielung auf Man Rays »Le Violon d´ Ingres« mit dem Rückenakt seiner Muse Kiki de Montparnasse – mit schwarzer Farbe eine weiblich konnotierte Taille auf den Rücken gemalt. Hier vermischt sich das erotisch besetzte weibliche mit dem robusteren männlichen Profil. Mit Anspielungen auf frühe Pin-Up-Motive sowie Bilder der Nackt- kultur hat er in der Serie »Interlude« (2004/2010) nackte Männer vor der landschaftlichen Kulisse Berliner Seen aufgenommen. Die Männer nehmen Posen ein, die an frühere weibliche wie männliche Aktdarstellungen mit arkadischem Ambiente erinnern. In der Serie »Hollywood Dresses« (2008) porträtierte James Higginson die von ihm eingeladenen Männer unmittelbar nachdem diese über ihre Kleidung originale Frauenkleidungen gezogen hatten, die Galerien nationaler werdenden Gesellschaften in ihren eingeübten Männerrollen sowohl individuell als auch kollektiv auf dem Weg fundamentaler Veränderungen und mithin zukünftiger Perspektiven befinden. Enno Kaufhold © James Higginson, Hollywood Dresses: Moses, 2008 © James Higginson, Interlude 4: Zeuthenersee, 2005 in den B-Movies aus Hollywood bis in die 1990er Jahre Verwendung fanden. Ein Rollenspiel mit sichtbaren Verunsicherungen. Denn die für die Männer ungewohnte Kleidung hatte unmittelbare Auswirkungen auf ihre Körpersprache. Als Variation dieser Serie fotografierte James Higginson die Männer in den ungewohnten Kleidungsstücken im Sprung, also in expressiver Bewegung (2009). Im Unterschied zu diesen inszenierten und nur indirekt die realen Rollenverschiebungen reflektierenden Serien nehmen die von Higginson 2009 in Leipzig während eines Goths-Festivals fotografierten Porträts der gleichnamigen Serie »Goths« konkret Bezug auf den real zu beobachtenden Wandel. Seine immer vor derselben, an Victor Vasarelys Op Art erinnernden, Rückwand aufgenommenen Porträts zeigen stellvertretend, diesmal ohne inszenierenden Duktus, wie sich junge Men- © James Higginson, Goth 1812, 2009 schen bewusst dem Normdruck des Mainstreams widersetzen, gleichzeitig jedoch ihre extrem gestylten spezifischen Codes pflegen. Überwiegt in diesen Serien das Verwischen traditioneller Männerbilder, so rückt James Higginson in zwei weiteren Serien die stereotype Vorstellung vom Mann als Kämpfer deutlich in den Vordergrund. So verwendete er in der älteren Serie »Maneuver« (2001) handelsübliche Kinderspielzeugsoldaten, allerdings hinsichtlich der Uniformen mit unterschiedlichen nationalen Merkmalen. Die digital herbeigefügten Positiv-Negativ-Mischungen verleihen seinen farbigen Bildern abstrahierende Züge, die auf das Kämpfen an sich verweisen, nähere Bezugnahmen, womöglich auf konkrete Gefechte, aber ausschließen. Diese Bilder handeln vom Kampf als grundsätzlichem Phänomen. Wesentlich konkreter treten die mit vorzeitigen Waffen ausgerüsteten und mit alten Kostümen gekleideten Männer auf, die Higginson in den letzten Jahren bei seinen Besuchen in Georgien für die Serie »Black Shields« (2012/2014) in solchen Szenen nachstellte, wie sie traditionsgemäß von jungen Männern zelebriert werden. Alle diese formal und in ihrer Lichtführung klar durchgezeichneten und inszenierten Bildserien sind von Realität und Fiktion durchdrungen. Sie reflektieren die Rolle des Mannes und lassen erkennen, dass sich unsere immer inter- James Higginson (1957, Pittsburgh) schloss ein Biologiestudium mit dem Bachelor an der Pennsylvania State University ab, besuchte das Art Center College of Design in Pasadena und machte seinen Master in Fine Arts an der Claremont Graduate School in California. Er arbeitete bis 2007 in Los Angeles als Art Direktor und Set-Ausrüster für Film, Fernsehen und Werbung (Emmy Award 1987). Seit 2004 lebt und arbeitet er als Künstler, Filmemacher (Avonbiehl), Performer und Lehrer in Berlin. Er hatte diverse Einzel- und Gruppenausstellungen in den USA, in Asien und in Europa. In Berlin gab er 2003 sein Debut bei C/ O in der Linienstraße mit der Solo-Ausstellung »Portraits of Violence«. Seit 2007 unterrichtet er als Lehrbeauftragter an der Berliner Technischen Kunsthochschule (BTK) und gibt international Workshops. Enno Kaufhold (Kurator der Ausstellung) arbeitet als freier Fotohistoriker, Kurator, Publizist und Lehrer in Berlin. Zuletzt kuratierte er die Ausstellung »Die Bielefelder Schule. Fotokunst im Kontext« in Bielefeld. www.jameshigginson.com Am Sonntag, 19. April 2015, sowie am Sonntag 10. Mai 2015, jeweils 16 Uhr, finden Führungen mit Dr. Enno Kaufhold und dem Künstler James Higginson statt. bis 10. Mai 2015 HAUS am KLEISTPARK Grunewaldstraße 6-7 10823 Berlin-Schöneberg Di – So 11 – 18 Uhr Eintritt frei www.hausamkleistpark.de brennpunkt 2/2015 21 Galerien Ragnar Axelsson Mathias Richter »NORDLAND« »Je schlechter das Wetter, umso besser die Fotos«. (Ragnar Axelsson) Für viele ein Traum vom Abenteuer in einer großartigen Natur. Für Ragnar Axelsson, einer der erfolgreichsten Fotografen Islands, ist es das Land seiner Kindheit und sein zu Hause. Der Schwerpunkt seines Schaffens liegt in der jahrzehntelangen Dokumentation des Lebens auf den Nordatlantikinseln Island, Färöer und Grönland. © Ragnar Axelsson imago fotokunst zeigt eine Auswahl von Schwarzweißfotografien dieses einzigartigen Fotografen, aus einer Region, die sich erschreckend schnell verändert. Für Mathias Richter bedeutet das oft wiederholte Reisen nach Island vor allem eine Reise zu sich selbst, zum Verschmelzen mit der ursprünglichen Natur - Auftauchen aus dem Alltäglichen und Abtauchen in ein Mysterium. In der Ausstellung werden neue Arbeiten in Schwarzweiß- und Farbe präsentiert. © Ragnar Axelsson 5. Mai bis 13. Juni 2015 imago fotokunst Linienstraße 145 10115 Berlin-Mitte © Mathias Richter Di – Fr 12 – 19 Uhr Sa 14 – 18 Uhr Achtung: Zusätzliche Angaben zu veränderten Öffnungszeiten im Mai/Juni 2015 unter www.imago-fotokunst.de 22 brennpunkt 2/2015 Galerien FLORIAN MERKEL »Portraits und Stadtlandschaften« 1985 – 1987 Florian Merkel, der durch seine in altmeisterlicher Weise handkolorierten Fotografien bekannt geworden ist, zeigt hier seine frühen Schwarz-Weiß-Fotografien. Es sind von 6 x 6 cm Negativen auf Silbergelatine-Papier hergestellte Handvergrößerungen im Format 50x50cm. Florian Merkel 1961 geboren in Karl – Marx- Stadt (Chemnitz) 1980 Schulabschluß mit Abitur 1981 - 1986 Studium der Fotografie an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig, mit Diplomabschluss bei Helfried Strauß 1986 - 1989 als freiberuflicher Fotograf tätig Lebt und arbeitet in Hannover und Berlin Personalausstellungen (Auswahl) 2014 »Fotografie, Grafik, Malerei,Video«, Waschhaus Kunstraum Potsdam 2013 »Superpositions«, Atelier.Galerie für Fotografie Hannover 2012 »Kentauren Projekt«, Galerie Falkenbrunnen Dresden 2010 Thanassis Frissiras Art Gallery Athen 2007 »Goldmund«, Galerie Robert Drees Hannover 2006 »Jade«, Chung King Project Los Angeles »Silbergrube«, Samuelis Baumgarte Galerie Bielefeld »Nutzlast«, Dortmunder Kunstverein »line up«, Galleri Christian Dam Kopenhagen © Florian Merkel, 1985 © Florian Merkel, Borchert, 1986 © Florian Merkel, Halle, 1987 11. April bis 30. Mai 2015 Galerie argus fotokunst Marienstraße 26 10117 Berlin-Mitte Vernissage 10. April 2015, 19 – 21 Uhr Mi – Sa 14 – 18 Uhr www.argus-fotokunst.de brennpunkt 2/2015 23 Galerien Arnold Odermatt 90th BIRTHDAY Photographs 1948 – 2015 In der Polizeihauptwache der Stadt Frankfurt am Main sah ich erstmals in natura die Fotografien von Arnold Odermatt. In diesem Ambiente nahmen sie sich aus wie eine Dokumentation der in diesem Hause geleisteten Arbeit der Abteilung Verkehrsunfälle oder besser gesagt der Schäden an Vehikeln. Aber Arnold Odermatt ist aus Nidwalden und da gibt es in Kapellen, Kirchen und Museen wunderbare Votivbilder, Ex Votos. Auf ihnen ist in Dreiecksformation festgehalten: der Votant, der Anlass der Stiftung des Bildchens und die Madonna oder ein Heiliger als Schutzpatron. Es ist die wunderbare Errettung des Fürbittenden von einem Unglück durch die Kraft des Schutzgottes. Eine Danksagung also. Und je lebhafter und gläubiger der Errettete dem Votivbildmaler seine Geschichte erzählt, desto intensiver wird das Bild, dessen Typus sich im 15. Jahrhundert aus der Großen Kunst gelöst und seither derselbe geblieben ist. Als Polizist hat Odermatt diesen gerichteten Blick auf die Folgen eines Verkehrsunfalls. Die Aufmerksamkeit ist auf das Sujet, den karambolierten fahrbaren Untersatz, fokussiert. Und wie im Votivbild geschieht auch in diesen Aufnahmen ein Wunder: die Spuren sind getilgt, der Blutzoll des Unfalls ist eliminiert. Es sind Festhaltungen ohne Lädierte, ohne Tote, ohne Opfer des Unfalls. Die Narration von Unachtsamkeit, von überhöhter Geschwindigkeit, von Trunkenheit am Steuer, von Schwerverletzten, von Rechthaberei und Streit der Überlebenden ist inexistent. An ihre Stelle tritt die Skulptur, das Interesse an Verformungen des Blechs, das momentane Festhalten der plastischen Qualitäten des Schocks post Unfall, also die wunderbare Verwandlung des Polizisten in den Augenmenschen, der die Gelegenheit nutzt, aus einem Unglück eine Augenweide zu machen. Der Realismus kippt um in ein ästhe24 brennpunkt 2/2015 Arnold Odermatt, Dallenwil, 1977 © Urs Odermatt, Windisch tisches Event direkter Dramatik, mal mit nahem, mal mit fernem Fotoauge gebannt. Mal bilden die festgekeilten Autos Monumente, mal ist der im See halbversoffene VW mit geöffneter Tür wie der Beleg für eine marxistische Kunsttheorie, die vom Sakralen, Auratischen eines »Wanderers über dem Nebelmeer« in neueren, gewöhnlicheren Zeiten nur deren Verlust feststellen kann ohne zu bedenken, wie aus Arnold Odermatt, Buochs, 1965 Gescheitertem neue Schönheit, das © Urs Odermatt, Windisch Arretieren eines Ereignisses ins Zeitlose entsteht. dung gebracht zur Nasenlänge, um Naiv möchte man sagen, unverbraucht das Wesen des Porträtierten besser zu ist wohl der bessere Ausdruck. Henri treffen. Ob wildes Tier oder Muse des Rousseau hat noch die Distanzen von Dichters, sie blicken dich alle gleich Auge zu Auge ausgemessen, in Verbin- an, direkt aus unüblicher physiogno- Galerien Arnold Odermatt, Stans, 1973 © Urs Odermatt, Windisch Arnold Odermatt, Buochs, 1958 © Urs Odermatt, Windisch Arnold Odermatt, Vierwaldstättersee, 1972 © Urs Odermatt, Windisch mischer Proportion. Und es stimmt. So wie der Zöllner hingegeben und konzentriert malte, fotografiert auch der Polizist, das Menschenbild verbergend hinter dem auch von einem Menschen gefahrenen Auto. Als ich für Venedig eine freie Paarung von Desastern suchte, stellte ich der erschütternden Omnipräsenz des Todes nach der Explosion eines Reaktors des Atomkraftwerkes Tschernobyl, festge- wie der Gang von Zeiten der Seuche, die alle trifft, zum Menschenrecht der Selbstbestimmung. Und von da ist es ein kleiner Schritt zur Feststellung, dass im reichen Land auch der Polizist sich das Recht vorbehält, aus einer Karambolage eine neuzeitliche romantische Landschaft mit Unfall, eine Schönheit skulpturaler Art in verkeilten Autos, das labile Gleichgewicht eines über dem Seebord hängenden Mehrtonners für uns zu bannen. Das primär berufliche Auge flasht die Bilder in uns auf die Ebene ästhetischer Perzeption und von da wieder zurück in den Alltag des Verkehrs und seiner unfallbedingten Arretierung im nicht ausgewählten Ambiente. Odermatt schafft Schicksalsbilder ohne Schicksalsgestalten. Glaubhaftigkeit und Schönheit via Katastrophe, eine beeindruckende Bildsprache. Der Sensation den Wind aus den Segeln nehmen... von Harald Szeemann Aus: Arnold Odermatt. Die Biennale Auswahl. 32 Photographien für Venedig 2001, Springer & Winckler Galerie, Berlin 2002, S. 5f Vernissage 1. Mai 2015, 18 Uhr halten von Viktor Maruschenko, der kollektiven Bedrohung durch Radiation die von Individuen verursachten Karambo- 2. Mai bis 18. Juli 2015 lagen gegenüber. Die toxische Wolke dringt überall hin und ein. Das Fehl- GALERIE SPRINGER BERLIN verhalten des Autofahrers ist individu- Fasanenstraße 13 ell. Kollektiv und Individualität. 10623 Berlin-Charlottenburg Ohne Überinterpretation hatte jeder in dieser für Gegenüberstellungen so Di – Fr 12 – 18 Uhr geeigneten Schlaucharchitektur der Cor- Sa 12 – 15 Uhr derie seinen eigenen Atemraum, war es www.galeriespringer.de brennpunkt 2/2015 25 Galerien Der Löffel raubt den Winterschlaf Feriel Bendjama, Anna Duda, Sara Graetz, Anne Helmer, Stéphane, Lelarge, Annina Lingens, Verónica Losantos, Schirin Moaiyeri, Jule Roehr, Anke Schüttler, Marie Zbikowska Elf Berliner Fotografinnen und Fotografen, die sich beim ersten Stipendiatenjahrgang der Gesellschaft für Humanistische Fotografie kennen lernten, haben in Anlehnung an die im Surrealismus entwickelte Methode »Cadavre Exquis« gearbeitet. Ziel war die Entwicklung einer fotografischen Reihe. Jedem war nur die Arbeit seines Vorgängers bekannt. Darauf war innerhalb von 2 Tagen eine eigene Arbeit zu entwickeln und diese dann weiterzugeben. © Stéphane Lelarge, (O.i.F.) Die Fotoreihe hat die Autorin Heide Küsters zu diesem Text inspiriert: »Mein Blick spinnt die Lichtlinien des Hintergrunds fort, während die stumme Frau mich ansieht. Er wird durch die Äste in die Wand geführt, zum Fenster hinaus. Gebündelt verwachsen die Zweige mit einem Körper, drahtig, zart vor dem weißen Himmel, in den der Winterbaum greift. Sein Vogelnest steht ausgelagert auf einem Tisch, nebelumrankt wie die verborgene Welt unter der blauen Plane. Die Grabsteine lösen sich auf in ihre Essenz, schweben von ihrer Mitte her in den Raum hinein. Und wieder Äste wie Venen hinter einer kalkweißen Frau, Reminiszenz an den eben verlassenen Ort. Dann wird der Blick zurückgeworfen, die Christstollenbrille lächelt über dem akkuraten Schleiergewand. In der Backsteinmauer sein am Saum überschriebener Widerschein, kahler Schnee, weiß wie das Klebeband über den Zwischenräumen aus Haut.« 26 brennpunkt 2/2015 © Jule Roehr © Anna Duda © Anne Helmer, (O.i.F.) © Sara Graetz, (O.i.F.) Galerien © Anke Schüttler, (O.i.F.) © Verónica Losantos, (O.i.F.) © Marie Zbikowska, (O.i.F.) © Annina Lingens, (O.i.F.) bis 30. Mai 2015 © Feriel Bendjama, (O.i.F.) © Schirin Moaiyeri, (O.i.F.) world in room Projektraum für Fotografie Brunhildstraße 7 10829 Berlin-Schöneberg Fr + Sa 14 – 18 Uhr brennpunkt 2/2015 27 Galerien DAS FENSTER Kate Baker Sibylle Bergemann Lillian Birnbaum Elmer de Haas Heinz Hajek-Halke Monique Jacot Hannes Kilian Barbara Klemm Birgit Kleber Jens Knigge Robert Lebeck Herbert List stefan moses Rita Ostrowskaja Ulrike Ottinger Marek Pozniak Beat Presser Sheila Rock Michael Ruetz Max Scheler Liselotte Strelow Karin Székessy Donata Wenders Kurt Wyss Wir sind die Insider unserer je eigenen Welten. Im Interieur unserer selbst fühlen wir uns sicher, zuweilen aber auch isoliert und abgeschottet. Dabei enthält fast jeder Innenraum auch eine Hoffnung: Sie manifestiert sich in Fenstern, Durchgucken, Augentoren (ahdt.: augadoro). Denn jedes Fenster ist eine Verbindung; eine Schnittstelle zwischen innen und außen. Es funktioniert so gesehen wie die Linse eines Fotoapparates – es ist ein Spalt zwischen „Dunkler Kammer“ (camera obscura) und Außenraum. Ein Lichtdurchbruch. Ein Weltenspender. Schon Alfred Hitchcock hatte diese Verwandtschaft früh erkannt. In seinem 1954 gedrehten Meisterwerk »Das Fenster zum Hof« erzählt er von den Analogien zwischen Fenster und Photographie. Vordergründig eine Kriminalgeschichte auf kleinem Raum, ist der Film um einen gesundheitlich lädierten Photographen auf den zweiten Blick eine Metapher über die Möglichkeiten und Handicaps des apparativen Sehens. Photographen sind für Hitchcock Eingeschränkte. Innerhalb der vier Seiten ihrer Bilder verdichten sie Zeichen und Narrationen. Sie schaffen Andeutun28 brennpunkt 2/2015 © Kurt Wyss »Hotel Edison, NewYork« 1962 gen. Sie fixieren eingeengte Außenblicke. Das ganze Bild aber entsteht erst im Kopf. Die Welt zwischen Bild- wie Fensterrahmen ist immer nur die halbe Wahrheit. Blicke auf Fenster, in Fenster und durch Fenster hindurch: die Geschichte der Photographie ist voll von ihnen. So zeigt bereits das weltweit erste Photo – Joseph Nicéphore Niépces Blick aus © Max Scheler »George Harrison gibt seinem Arbeitszimmer in Le Gras (1826) Autogramme im Hard Days Night Zug«, – eine Aufnahme aus einem Fenster. London, 1964 Weitere berühmte Fenster-Durchblicke reichen von Louis Daguerres bis zu über das geheime Guckloch eines VoyAndreas Gursky. Dabei ist es vermutlich eurs; über den geschützten Blick auf ein nicht nur die immer wieder ungewöhn- Welttheater. liche Lichtsituation, die Photographen Die Galerie Johanna Breede PHOTOan den Blicken ins Freie gereizt haben. KUNST widmet sich in ihrer kommenVielmehr erzählen Fenster Geschichten den Ausstellung ganz diesen architeküber das photographische Sehen selbst – tonischen Schnittstellen. Über 60 Auf- Galerien © Elmer de Haas »RearWindow«, South Africa 2013 ren Fans wie Fische aus einem Aquarium heraus. Doch längst ist nicht ausgemacht, wer hier drinnen und wer draußen ist – wer Freigänger und wer Gefangener. Und mit Einschließung spielt auch eine Aufnahme des 1983 verstorbenen Heinz Hajek-Halke. Seine Fotomontage »Sexual Deprivation of Prisoners« aus dem Jahr 1926 ist vermutlich nicht nur die älteste, sondern auch die experimentellste Arbeit der Ausstellung. Hajek-Halke zeigt das vergitterte Gesicht eines Gefangenen, das übergroß auf eine angedeutete Figur im Vordergrund starrt. Es ist eine Mischung aus forensischem Wahn und photographi© Herbert List »Blick aus dem Fenster«, Via Lungarina 65, Rom 1953 scher Warnung: Eingekerkert im Interieur einer Seele, wird man schnell übernahmen von 24 Photographen werden Ansprache des einstigen US-Präsiden- wältigt von Trugbildern und Irrlichtern. von den unterschiedlichsten Herausfor- ten John F. Kennedy. Geschickt ver- Fenster sind somit immer auch Rettung. derungen zeugen, die Fenster für Pho- mischt der 1936 geborene Wyss nicht Sie sind Durchbrüche aus Dunkelheitographen gespielt haben. Ihre Möglich- nur natürliche und technische Fernbli- ten. keiten reichen vom geweiteten Welt- cke; er macht darauf aufmerksam, dass Ralf Hanselle blick bis zur Rückspiegelung des eige- auch Monitore Fenster sind – Weltöffnen Selbst. Die Archive von Photokünst- nungen, deren Transparenz immer nur lern wie Stefan Moses, Robert Lebeck, zu einer Seite hin gegeben ist. bis 13. Juni 2015 Barbara Klemm, Sybille Bergemann Max Scheler wiederum verweist darauf, oder Donata Wenders werden für diese dass Fenster nicht nur Öffnungen, son- Johanna Breede PHOTOKUNST Gruppenausstellung daher nach ihren dern auch Trennungen sein können. Ein Fasanenstraße 69 schönsten Fensterblicken befragt. Da Ausstellungsbild des einstigen Stern- 10719 Berlin-Charlottenburg ist etwa Kurt Wyss‘ Aussicht aus einem Photographen zeigt den damaligen Hotelfenster in New York City. Zwischen Beatle George Harrison vor dem ver- Di – Fr 11 – 18 Uhr Innenraum und Außenraum ist ein Fern- schlossenen Fenster eines Zugabteils. Sa 11 – 16 Uhr seher positioniert. Auf diesem läuft eine Auf der anderen Seite des Glases star- www.johanna-breede.com brennpunkt 2/2015 29 Galerien Dieter Matthes »Travestie« Berliner Tuntenball 1990 – 1993 Es war das perfekte Studio für einen Photographen, der außergewöhnliche Porträts machen wollte: Im Berliner ICC fand von 1979 bis 1995 jeweils im November als erster Ball der Saison der sogenannte Berliner Tuntenball statt, den der Gastwirt Andreas Höhne (»Andreas Kneipe«) 1975 zum ersten Mal in der Neuköllner »Neuen Welt« aus der Taufe gehoben hatte. Zunächst eine Insider- Veranstaltung der Berliner TransvestitenSzene wurde der Ball dann im ICC zu einer eher bürgerlichen Großveranstal- © Dieter Matthes, (O.i.F.) tung mit ca. 3500 Gästen im StandardDresscode, unter die sich relativ wenige, aber umso spektakulärer geschminkten und opulent phantasievoll kostümierten Transvestiten mischten, die das Ereignis für sich als Bühne nutzen wollten und sich als schöne Paradiesvögel bewundern ließen. Der Preis war im wahren Sinne oft hoch: Ähnlich wie beim Karneval in Rio mussten viele Protagonisten das ganze Jahr sparen, um sich das extravagante teure handgefertigte Kostüm leisten zu können. Welche noch wesentlich traurigeren Geschichten sich im Zusammenhang mit fehlender Identität, Geschlechtertausch und nicht zuletzt vor dem Hintergrund der damals noch meistens tödlich verlaufenden HIV- Infektion abspielten, war zu ahnen, sollte wenigstens an diesem einen Abend aber eben gerade keine © Dieter Matthes, (O.i.F.) Rolle spielen. Der Exhibitionismus der Darsteller ihrer Ich habe damals analog auf Ektageschlechtlichen Verwandlung und der chrome- Diafilm belichtet, jeweils mit Voyeurismus des Photographen ergänz- Belichtungszeiten zwischen halber und ten sich in diesen Stunden opportun – achtel- Sekunde geblitzt, um neben der viele Posen wurden angeboten und Schärfe des Blitzes gleichzeitig Lichtbegenommen. Daneben aber in kurzen wegungsspuren zu erzeugen, die den privaten Momenten wurden die faszi- glitzernd glamourösen Charakter der nierenden Gesichter oft noch erzählen- Motive unterstützen sollten. der, wenn unter der vermeintlich schütDieter Matthes zenden Camouflage gerade deswegen eine größere Durchlässigkeit und Verletzlichkeit zum Vorschein kam. 30 brennpunkt 2/2015 © Dieter Matthes, (O.i.F.) Galerien © Dieter Matthes, (O.i.F.) © Dieter Matthes, (O.i.F.) © Dieter Matthes, (O.i.F.) © Dieter Matthes, (O.i.F.) bis 26. April 2015 Café Berio Maaßenstraße 7 10777 Berlin-Schöneberg © Dieter Matthes, (O.i.F.) © Dieter Matthes, (O.i.F.) Mo – Do Fr Sa So 7 – 24 Uhr 7 – 01 Uhr 8 – 01 Uhr 8 – 24 Uhr www.cafeberio.de www.dieter-matthes.de brennpunkt 2/2015 31 Galerien »OSTKREUZ CROSSROADS« – People of(f) FhainXberg The Districts History of Tomorrow Das nächste Kapitel im photographischen Berlin-Zyklus von Günther Schaefer ist mit den jetzt vorliegenden Arbeiten aufgeschlagen. Nach der 25-jährigen Langzeitbeobachtung der Metropole unter dem Titel »Berlin - Bilder aus zwei Jahrtausenden«, erfolgt nunmehr unter dem Projektnamen »OSTKREUZ CROSSROADS« – People Of(f) FhainXberg ein weiterer konsequenter photo-graphischer Abschnitt, begleitet von einem neuen Expositionskonzept. In der zurückliegenden 25-jährigen Schaffensperiode widmete sich Günther Schaefers Schwarzweiß-Photographie überwiegend der so genannten Wende- und Nachwendezeit, den Menschen der Stadt und den Spuren, die sie hinterließen sowie den Kuriositäten und Phänomenen, die der Melting Pot Berlin produzierte. 2014, im fünfundzwanzigsten Jubiläumsjahr des Berliner Mauerfalls, erfolgen nun die Erstpräsentationen des neuen photographischen Konzepts, das sich hauptsächlich der »Next Generation« dieser Metropole widmet. Künstler aller Genres stehen stellvertretend für die diversen Kunstszenen dieser Stadt aus dem Kreativ-Dreieck Friedrichshain, Kreuzberg und Neukölln Modell. Diese neue Avantgarde Kunstschaffender verlangt photographisch geradezu nach Farbe. Um diesem Aspekt gerecht zu werden, schloss Günther Schaefer als leidenschaftlicher Schwarzweiß-Photograph nach mehr als zwei Jahrzehnten wieder »Frieden« mit dem Medium Farbe. Ein weiterer inhaltlich wichtiger Bestandteil des neuen Konzepts von Günther Schaefer behandelt die zunehmende Gentrifizierung, die unüberseh32 brennpunkt 2/2015 © Günther Schaefer, »Cristina Bravi«, 2014, (O.i.F.) bar auch von diesen Stadtteilen Besitz Die photographischen Kulissen Günergreift. Die Beispiele der Nachwende- ther Schaefers im öffentlichen Raum zeit in den 90iger Jahren im Bezirk Mitte wurden nachdrücklich von der Genesowie in den 2000er Jahren im Prenz- ration, die seit dem Mauerfall heranlauer Berg mögen als Exempel dienen wuchs, künstlerisch gestaltet und sind wie die rapide Gentrifizierung junger ein fester Bestandteil der heutigen IdenKreativschaffende, die das Flair und tität dieser Bezirke - ebenso in der Wahrdas Straßenbild dieser Bezirke maßgeb- nehmung eines Besucherstroms internalich geprägt haben vom »Turbo-Kapita- tionaler Gäste, die auch unter diesen lismus« gesellschaftlich an den Rand Aspekten Berlin erkunden, sich inspiriegedrückt und letztendlich, einer exis- ren lassen und das Erlebte global verbreitenziellen Problematik folgend, aus ten. Günther Schaefer: »Diese aktuelle diesen Bezirken verdrängt wurden. Seit Form von »Streetart« wird ebenso der geraumer Zeit lässt sich diese Entwick- fortschreitenden Gentrifizierung zum lung tendenziell auch in den erwähnten Opfer fallen wie es zuvor an anderen drei Stadtteilen erkennen. Stellen geschah. Ergo, behandelt mein neues photographisches Thema bereits Galerien © Günther Schaefer, »Bianca Guitton & Phil Cooksey«, 2014, (O.i.F.) © Günther Schaefer, »Ricardo Perez«, 2014, (O.i.F.) heute einen gewichtigen Teil der Kunstgeschichte Berlins von morgen. Die Locations, ein faszinierendes Kaleidoskop aus Trash, Edel-Trash, Graffiti, morbider Architektur, letzten Rudimenten einer DDR-Vergangenheit und schrill, attraktiven Individualisten werden auch hier schon sehr bald der Vergangenheit angehören. Alles wird glatt, sauber aufgeräumt und für den jungen Krea- Art nehmen dabei einen breiten Raum ein und zeugen in Live-Darbietungen vom kreativen Spektrum der Kulturmetropole Berlin. Überwiegend kommen bei diesen Events Künstler zum Zuge, die auch als Modell in den Ausstellungsexponaten vertreten sind und im Porträt vorgestellt werden. Im weiteren Sinne verschaffe dies jeder Exposition eine spezifische Form von »Dreidimensionalität«: das Photo werde sozusagen mittels Live-Act und Publikumsdialog »hörund erlebbar« - im Gegensatz zum aktuellen »Digitalen-3D-Hype« dieser Tage in einer natürlichen Fasslichkeit für die Besucher. Günther Schaefer: »Ein weiterer Anker im Konzept der »Dynamischen Ausstellung« ist die kontinuierliche Ergänzung der jeweils laufenden Exposition mit aktuellem brandfrischen Photomaterial; das heißt, keine Präsentation endet mit der gleichen Bild-Dramaturgie wie sie während der Vernissage anfänglich zu sehen war. Von Event zu Event wird die Ausstellung mit Werken aus jeweils neuesten PhotoSessions stammend, ergänzt und modifiziert. Bei allen beteiligten Akteuren und Rezipienten wird somit ein zusätzliches Spannungsmoment erzeugt und visuelle Abnutzungserscheinungen seitens des Publikums können vermieden werden. Diese Multi-Media-Events werden darüber hinaus kontinuierlich mit Slide-Shows und Filmdokumenten zu meinem Werk und seinem kreativen Umfeld begleitet. Berlin, seit Generationen eine stetige Inspiration und unerschöpfliches Elixier für alle Sinne. Denkend sehen – sehend denken«. Günther Schaefer, Juni 2014 tiven kaum noch bezahlbar sein. All dies wird einhergehen mit dem Verlust eines extraordinären Zaubers, den diese Stadtteile bei Tag und vor allem während eines pulsierenden Nachtlebens verströmen.« Nach Schaefers Ausstellungskonzept entstehen zum Zweiten Aufnahmen im Studio; Bilder, die die Persönlichkeit des Modells pur und in klassisch photographischer Technik würdigen und zum Ausdruck bringen. Stetiges Ziel dieser Sessions sei die Realisation und handwerkliche Umsetzung gemeinsam entwickelter Ideen - Impulse, die die ureigene Handschrift des Photographen und das Kreativpotential des jeweiligen Modells als Ergebnis des gemeinsamen Schaffensprozesses in einer photographischen Synthese vereinen. Mehr Infos: Konzeptionell werde auch in künfti- http://www.berliner-mauer-kunst.net gen Präsentationen diesen Aspekten in Form von »Dynamischen Ausstellungen« Rechnung getragen. Die kommenden Expositionen sehen stets mehrere Events vor, die über eine pure Präsentation von Photographie hinausgehen: Vernissage, Finissage sowie ein oder meh- bis 3. Mai 2015 rere Special-Events gehören bei Schaefer zukünftig zum Programmstandard. 7 Stufen Galerie Art Der Grundgedanke sei nicht nur die Krausnickstraße 16 Präsentation möglichst vieler Kreativ- 10115 Berlin-Mitte genres, sondern deren Verschmelzung. Literatur, Film, Musik und Performance- Mo – Fr 14 – 18 Uhr brennpunkt 2/2015 33 Galerien Nuschi Kelm Ursula Kelm Angela Kröll »DREI sehen VIER« Vernissage 17. April 2015, 19 Uhr Künstlergespräch 28. April 2015, 19 Uhr Kuratorin: Ursula Kelm Die Erinnerung an die früheren 18. April bis 16 Mai 2015 Passbildautomaten war für alle gleich, jedoch hat jede der drei Fotografinnen PFLÜGER 68 eine eigene künstlerische Interpretation Pflügerstraße 68 gefunden. 12047 Berlin-Neukölln Fotografie und Road-Movie (Stop-Motion-Film, 5 Minuten) © Nuschi Kelm, (O.i.F. und SW) © Ursula Kelm, (Original in Sepia) 34 brennpunkt 2/2015 Mo – Fr 12 – 18 Uhr Sa 12 – 20 Uhr http://www.pflueger68.de/3sehen4.html © Angela Kröll, aus Stop-Motion-Film, (O.i.F.), Galerien Amin El Dib »Inszenierte Bildnisse« Amin El Dib arbeitet in größeren Werkgruppen, die ihn oft jahrelang beschäftigen, die sein Leben begleiten und bestimmen. Umgekehrt wirken einzelne Momente dieses Lebens auf die Ausformung mancher Arbeitsweisen und damit die Art der Bilder zurück; das reicht von Spaziergängen mit dem Hund über familiäre Reisen nach Ägypten bis zu erotischen Obsessionen. Oft genug jedoch definieren die Arbeitsprozesse der Photographie selbst seine Arbeit: Was im Negativdruck geschieht, ist genau so spannend wie die Frage nach der Größe, dem Ausschnitt, dem Seitenverhältnis und der Grauwertverteilung von Bildern. Ein guter Teil seiner Radikalität des Œuvres verdankt Amin El Dib dem Umstand, dass er jeden Parameter seiner photographischen Arbeit gleich ernst nimmt – nichts ist zu klein, als dass es nicht die Wirkung seiner Bilder verändern könnte. © Amin El Dib © Amin El Dib © Amin El Dib © Amin El Dib bis 24. Mai 2015 Kommunale Galerie Berlin Hohenzollerndamm 176 10713 Berlin-Wilmersdorf Di – Sa So Mi 10 – 17 Uhr 11 – 17 Uhr 10 – 19 Uhr brennpunkt 2/2015 35 Galerien Frank-Rüdiger Berger Karl Böttcher Andrea Brabetz Susanne Czichowski Sylvia Forsten Ursula Kelm Angela Kröll Barbara Oehler »Zwischen Welten« Fotografie & Skulptur © Barbara Oehler, O.i.F. Ausgehend von den Räumlichkeiten der Mönchmühle wollen sechs Berliner Fotograf/-innen wie im mittelalterlichen Mysterienspiel jeder Ebene eine Dimension zuordnen, die Thema für die dort ausgestellten Fotos sein soll, aufsteigend Hölle, Erde, Himmel, denen die Elemente Feuer, Erde, Luft zugeordnet sind. © Frank-Rüdiger Berger, O.i.F. © Frank-Rüdiger Berger, O.i.F. Das Element Wasser als Motor der Mühle greifen ein Berliner Fotograf und eine Bildhauerin auf. © Ursula Kelm, O.i.F. © Ursula Kelm, O.i.F. 36 brennpunkt 2/2015 © Angela Kröll, O.i.F. © Sylvia Forsten Galerien © Susanne Czichowski, (O.i.F.) © Karl Böttcher, Stills aus Video © Franz-Rüdiger Berger, (O.i.F.) © Karl Böttcher, Stills aus Video © Ursula Kelm, O.i.F. © Ursula Kelm, O.i.F. © Andrea Brabetz, Marmor 26. Mai bis 26. Juli 2015 © Andrea Brabetz, Marmor Vernissage 25. Mai 2015, 14 Uhr Mönchmühlengalerie Mönchmühlenallee 3 16567 Mönchmühle So 14 – 17 Uhr und nach Vereinbarung brennpunkt 2/2015 37 Galerien Ursula Kelm »Gesichter aus Amerika« Fotografien 2010 – 2014 Was wahrhafte Porträts von »facebook« unterscheidet – die Begegnung von Angesicht zu Angesicht – das hat Ursula Kelm in den USA ins Bild gesetzt: Ihre »Gesichter aus Amerika« entstanden bei mehreren Besuchen in den Jahren 2010 und 2014. Die Schwarzweiß-Aufnahmen zeigen Menschen an ihrem Arbeitsplatz, bei der Graduierten-Feier einer High-School in Arkansa oder am Memorial-Day in Tulsa/Oklahoma. Stets begegnet die Fotografin ihrem Gegenüber in dessen vertrauter Umgebung, spürt dem jeweils Besonderen im Alltag nach, sei es beim Aufsichtspersonal der New Yorker MoMA PS1, von Bauarbeitern während der Mittagspause oder Metzgern auf einer Laderampe im meat-district von Manhattan. Jedem Porträt ist anzumerken, dass dem Moment der Aufnahme ein kurzes Gespräch, eine gegenseitige Verständigung vorausgegangen ist: Diese Bilder sind weder überfallartige Schnappschüsse noch aufwendige Selbstinszenierungen. Stattdessen lässt Ursula Kelm jedem Gegenüber genug Spielraum, sich auf sich selber zu besinnen – statt auf modische Posen zurückzugreifen oder mit exaltierten Gesten aufzuwarten. So gerät, was in den Anfangszeiten des Mediums in aufwendig gestellten Porträt-Sitzungen einseitig vom Fotografen kontrolliert wurde, en passant zum gleichberechtigten Dialog. Um eine weitere Dimension hat Ursula Kelm ihre Serie mit Doppelporträts erweitert, aufgenommen jeweils 2010 und 2014: Stets ist es ein und dieselbe Person, aber Gesichter und Gesten haben sich in nur vier Jahren verändert. Die Fotografin hat dem Leben bei der Arbeit zugeschaut. Jochen L. Stöckmann Zur Ausstellung erscheint ein Katalog. 38 brennpunkt 2/2015 © Ursula Kelm © Ursula Kelm © Ursula Kelm © Ursula Kelm © Ursula Kelm © Ursula Kelm Galerien © Ursula Kelm © Ursula Kelm, »Erika«, 2010 © Ursula Kelm, »Tony«, 2010 © Ursula Kelm, »Erika«, 2014 © Ursula Kelm, »Tony«, 2014 © Ursula Kelm Vernissage 12. Juni 2015, 18 Uhr 13. Juni bis 1. August 2015 © Ursula Kelm, »Kathy«, 2014 © Ursula Kelm, »Kathy«, 2010 Galerie der Kunststiftung Poll Gipsstraße 3 10119 Berlin-Mitte Do – Sa 14 – 19 Uhr und nach Vereinbarung brennpunkt 2/2015 39 Galerien Peter Fischer-Piel »so oder so« Wenn die Unterwasserfotos aus Georges Bateilles‘ Das Blau des Himmels mit der Intensivstation eines still gelegten Krankenhauses korrespondieren oder die Katastrophenbilder aus Fukushima als famose Theaterlandschaften eine neue Schönheit entfalten, wenn das alte Glasnegativ der Großmutter zur Patina für zeitlose Stadtlandschaften wird oder Ophelia aus den Pfützen der Beelitzer Heilstätten wieder aufersteigt, werden Dinge und Bezüge sichtbar, die vorher undenkbar schienen. »so oder so« spielt mit der Wahrnehmung und Phantasie des Betrachters. In keinem Fall kann er sich sicher sein, dass das, was er sieht, auch wirklich existiert oder so gewesen ist. Da taucht an einer Wand ein Gemälde von Otto Dix auf, wo es nie sein dürfte: wie ist es dahin gekommen? Wer hat es auf die Wand gemalt? In einem zerstörten Raum hält Trotzky seine berühmte Rede: ist das Bild auf der Wand eine Hinterlassenschaft der russischen Soldaten, die dort jahrzehntelang gelebt haben? Im Theater sitzt ein überdimensionierter Buddha vor der zerstörten Landschaft der Tsunami-Katastrophe: ist das moderne Bühnenbildarchitektur oder Abbild einer absurden Wirklichkeit? Und selbst die dokumentarischen Aufnahmen aus der Intensivstation eines Krankenhauses wirken derart unwahrscheinlich, dass wir niemals sicher sein können, dass das, was wir sehen, auch tatsächlich so gewesen ist. © Peter Fischer-Piel, (O.i.F.) 9. Mai bis 6. Juni 2015 Carpentier Galerie Meinekestraße 13 10719 Berlin-Wilmersdorf Di – Fr 16 – 18 Uhr und nach Vereinbarung www.carpentier-galerie.de 40 brennpunkt 2/2015 © Peter Fischer-Piel, (O.i.F.) Vernissage 8. Mai 2015, 19 Uhr Galerien Daniel Samanns »Wet Plates« Mit unverwechselbaren Unikaten auf Glas und Metall im Großformat präsentiert die Galerie Carpentier zeitgenössische Ambrotypien und Ferrotypien des Fotografen Daniel Samanns. In der Ausstellung werden Einblicke in drei Themen des Schaffens von Daniel Samanns gezeigt. Dabei handelt es sich um Fotografien aus seiner umfangreichen Portraitserie, die zwischen 2011 und 2015 entstanden ist und laufend fortgeschrieben wird. Daneben werden Arbeiten aus der aktuellen Serie »Natural Objects« und der jüngst entstandenen Serie »Nudes« gezeigt. © Daniel Samanns, Ohne Titel Das Kollodium-Nassplatten-Verfahren wurde Mitte des 19. Jahrhunderts entwickelt und ist als »Wet Plate Process« bekannt. Eine Glas- oder Metallplatte wird bei diesem Verfahren mit einer Träger-Flüssigkeit beschichtet und im Silberbad lichtsensibilisiert. Unmittelbar nach der sofort erfolgenden Belichtung wird die Platte entwickelt und fixiert. Das alles erfolgt in einer Verarbeitungszeit von maximal 15 Minuten. Dieser aufwendige, handwerkliche Arbeitsprozeß, bei dem sich das Material in einem ständig nassen Zustand befindet, erfordert deshalb bei Außenaufnahmen eine mobile Dunkelkammer. Auch die langen Belichtungszeiten von bis zu 20 Sekunden (ca. 1-ASA), die © Daniel Samanns, Ohne Titel bei Portraitaufnahmen eine Kopfstütze notwendig machen, sorgen bei dieser Arbeit mit »magischen Momenten«, wie Technik der Fotografie für eine unver- Daniel Samanns sie nennt. Wenn nämwechselbare Anmutung. lich auf wundersame Weise - wie aus einem Nebel heraus - das fotografierte Der lange in den Bereichen Mode- und Motiv auf der Glas- oder Metallplatte Werbefotografie tätige Fotograf und sichtbar wird. Fotojournalist Daniel Samanns bedient sich bewußt des fast vergessenen Kol- Über seine freien Arbeiten hinaus erstellt lodium-Nassplatten-Verfahrens aus der Fotograf Daniel Samanns auch Aufden Anfängen der Fotografie. Ihn faszi- tragsarbeiten für private und gewerbliniert bei diesem Verfahren vor allem der che Kunden. Zusätzlich gibt Samanns handwerkliche Prozeß, der eine unver- seine fotografischen Kenntnisse in Semimeidbare Entschleunigung mit sich naren weiter und ist als frei arbeitender bringt und permanente Aufmerksamkeit Dozent mit Workshops und Vorträgen und Sorgfalt des Fotografen erfordert. über fotografische Techniken an HochBelohnt wird die Anstrengung dieser schulen tätig. © Daniel Samanns, Ohne Titel © Daniel Samanns, Ohne Titel Vernissage 19. Juni 2015, 19 Uhr 20. Juni bis 17. Juli 2015 Carpentier Galerie Meinekestraße 13 10719 Berlin-Wilmersdorf Di – Fr 16 – 18 Uhr und nach Vereinbarung www.carpentier-galerie.de brennpunkt 2/2015 41 Galerien Russell James »Angels« CAMERA WORK freut sich, ab dem 25. April 2015 die Ausstellung »Angels« von Russell James zu präsentieren. Die Einzelausstellung zeigt eine exklusive Auswahl von teils nie zuvor gezeigten Aktund Porträtphotographien der schönsten und erotischsten Models der Welt, mit denen Russell James in den vergangenen 15 Jahren zusammengearbeitet hat. Bereits der Titel der Ausstellung und Serie »Angels« suggeriert eindringlich: Diese Frauen sind nicht von dieser Welt. Unerreichbare und engelsgleiche Anmut fasziniert die Menschen seit jeher und ließ weibliche Ikonen in allen Epochen entstehen, die als Inbegriff der erhabenen Schönheit gelten. Alessandra Ambrosio, Gisele Bündchen, Heidi Klum, Karolína Kurková, Adriana Lima und Candice Swanepoel gehören zu 35 solcher Models, mit denen der Photokünstler Russell James seit über 15 Jahren zusammenarbeitet und die als »Angels« tituliert so Protagonistinnen seines künstlerischen Schaffens sind. Dabei zielt Russell James nicht auf das pure Abbilden der Models ab – vielmehr ist es seine Intention, sie fernab von Haute Couture, Selbstinszenierung oder Werbebotschaft in der Atmosphäre intimer Momente darzustellen, in denen ihre bloßgelegte Schönheit in Sinnlichkeit aufgeht. Das vertraute Verhältnis zwischen Photograph und Model erlaubt es, dass Photographien entstehen können, in denen sich Doutzen Kroes völlig unbekleidet auf einem weißen Flokati für einen Akt räkelt oder Lily Aldridge und Candice Swanepole sich in sanfter Umarmung umspielen. Russell James agiert nicht als Voyeur, der aus dem Verborgenen heraus das Bild der vollendeten Erscheinungen zu erheischen versucht, vielmehr sind seine Arbeiten ein ehrlicher und intimer Dialog, in dem er seinen Blick auf die erotische Schönheit offenlegt – diese Herangehensweise unterscheidet ihn von vielen anderen Photokünstlern dieses Genres. Rus42 brennpunkt 2/2015 © RUSSELL JAMES, MARISA, VIRGIN GORDA, 2002 sell James versucht bei der Arbeit eine freundschaftliche, gelöste Atmosphäre zu erzeugen, in der die Models nicht nur ihre blanke Körperlichkeit aus sich heraus lustvoll vor der Kamera zelebrieren, sondern darüber hinaus ihre eigene Identität in ihr »verlieren«. Dementsprechende Leichtigkeit liegt in den Werken: Sie stagnieren nicht vor plumper Erotik, sondern haben das Strahlen eines spielerisch sinnlichen Knisterns. Mit dramatischen Lichtkontrasten setzt Russell James dabei die weibliche Physiognomie eindringlich in Szene – an den schönsten Orten der Welt: von Metropolen wie New York, Los Angeles oder Miami bis hin zu entlegenen und exo- tischen Naturschauplätzen wie Necker Island in der Karibik, der Costa Careyes in Mexiko oder den Turks- und Caicosinseln im Atlantischen Ozean. Inszeniert in eben jener rauen Natur, steriler Architektur oder den blanken Studiowänden, gewähren die Porträts und Akte einen Blick auf die Formschönheit des weiblichen Körpers. Hat sich dieser in mehr als 30.000 Jahren als eines der Hauptmotive der Kunst manifestiert, verschmelzen in den Schwarz-Weiß-Arbeiten von Russell James die Ästhetik der klassischen Aktphotographie, ein moderner Zeitgeist und die herausragende Bildqualität des 21. Jahrhunderts miteinander. Galerien © RUSSELL JAMES, ERIN WINDSWEPT HAIR PORTRAIT, NEW YORK, 2013 (O.i.F.) © RUSSELL JAMES, DOUTZEN NUDE AT SUNSET ON RUG, MIAMI, 2014 sche Narration der Gegenwart zugrunde, die weltweit Bespiel für aktive Versöhnung geworden ist. Seit dem Start in New York 2009 und mit der Unterstützung von Donna Karan, Hugh Jackman © RUSSELL JAMES, RIHANNA, BLACK SANDS PORTRAIT, LOS ANGELES, 2011 und der australischen Regierung wurde Das gleichnamige Photobuch zur Aus- Victoria’s Secret. Seine Photographien die Serie u.a. in Zusammenarbeit mit stellung erschien 2014 im teNeues reflektieren dabei die Kultur seines Hei- CAMERA WORK in Berlin und in der Verlag. Russell James matlandes. Die besonderen Landschaf- National Gallery of Victoria in AustraRussell James zählt zu den weltweit ten und Lichtverhältnisse in Australien, lien gezeigt. renommiertesten Mode- und Celebrity- auf Kuba oder den Bahamas, verleihen Photographen. Seine Photographien den Akt-, Porträt- und Modephotogra- 25. April bis 6. Juni 2015 erscheinen regelmäßig in Zeitschriften phien ihren individuellen, unverkennwie »Vogue«, »W«, »American Photo« baren Stil. Galerie Camera Work oder »GQ«. Der 1962 geborene Austra- Russell James ist ebenfalls bekannt für Kantstraße 149 lier führte ein bewegtes Leben als Poli- sein Kunstprojekt mit dem Titel »Nomad 10623 Berlin-Charlottenburg zist einer Spezialeinheit und als Photo- Two Worlds« – eine Kunstserie, die von model geführt, bevor ihm mit 34 Jahren den globalen Auswirkungen des Aufein- Di – Sa 11 – 18 Uhr der Durchbruch als Photograph in New andertreffens verschiedener Kulturen York gelang. Der Künstler arbeitet regel- inspiriert wurde. »Nomad Two Worlds« Homepage: mäßig mit den Topmodels der Welt liegt zum einen die Geschichte seiner www.camerawork.de zusammen – seit über 15 Jahren ist Rus- Heimat Australien, zum anderen die Facebook: sell James der offizielle Photograph von sich ständig weiter entfaltende politi- www.facebook.com/cameraworkberlin brennpunkt 2/2015 43 Galerien Kathrin Tschirner Die Ausstellung »Kurfürstenstraße« zeigt den eigenen, persönlichen Blick der Sexarbeiterinnen auf ihren Lebensalltag und verbindet diesen mit dem der Außenwahrnehmung der Fotografin Kathrin Tschirner, die die Frauen und Transfrauen über ein Jahr begleitet hat. Der Norden Schönebergs ist schon seit 1885 einer der wichtigsten Prostitutionsmärkte Berlins. In diesen 130 Jahren hat sich das Gebiet stark gewandelt, die Beweggründe für die Frauen aber sind auf einzigartige Weise gleich geblieben. Was ihnen heute wie gestern gemein ist, sind die geringen Ressourcen, auf die sie zurückgreifenkönnen und der stets kritische Blick der Gesellschaft auf sie. Die begriffliche Zuschreibung »Prostituierte« ist noch immer so oberflächlich und negativ besetzt, dass die Protagonistinnen nicht als Individuen gesehen werden. An dem Begriff entzünden sich politische Diskussionen, fernab der Realität und des Alltags für die Mädchen und Frauen auf der Kurfürstenstraße, fernab auch der Hintergründe und Bedürfnisse aller Beteiligten. Der Frauentreff Olga, eine Kontaktund Beratungsstelle für drogenabhängige Frauen und Prostituierte an der Kurfürstenstraße, führte aus diesem Grund 2014 ein Projekt namens »Photovoice« durch. »Photovoice« ist eine einzigartige partizipative Methode für Menschen aus marginalisierten Gruppen, zur Stärkung ihrer Ressourcen und um sowohl den Teilnehmerinnen als auch der Gesellschaft einen Blick auf sich und ihre Lebenswelt zu ermöglichen. Im konkreten Fall ist dies das Feld der Prostitution an der Kurfürstenstraße. Mit einer analogen Kamera, alleine oder in Begleitung der Mitarbeiterinnen des Olga oder der Fotografin Kathrin Tschirner, unternahmen die Frauen Streifzüge durch den Kiez. Daraus resultierten nach 10 Monaten Projektarbeit 24 lebensnahe Bilder und einzigartige Geschichten von Frauen der Kurfürstenstraße, die den Betrachter auf einen Ausflug durch die Straßen des Kurfürstenkiez und die individuellen Leben von 14 Frauen mitnehmen. 44 brennpunkt 2/2015 © Kathrin Tschirner, (O.i.F.) Photovoice Daisy, (O.i.F.) Photovoice Steffi, (O.i.F.) Dieses Foto-Projekt wurde vom Frauentreff Olga und mit der Unterstützung der Fotografin Kathrin Tschirner durchgeführt. Diese hat im Rahmen ihrer Masterarbeit über eineinhalb Jahre die Straße porträtiert und ehrenamtlich im Frauentreff gearbeitet. Ihr daraus entstandenes Buch »Kurfürstenstraße« setzt sich wie ein Puzzle aus den Erzählungen der Sexarbeiterinnen, des heterogenen Miteinanders des Umfeldes und Photovoice Tanja, (O.i.F.) ihren Erlebnissen in dieser Zeit zusammen. Dabei geht sie fragmentarisch vor, in dem Wissen, dass für sie immer Lehr- 16. Mai bis 7. Juni 2014 stellen bleiben werden. aff Galerie Kochhannstraße 14 10249 Berlin-Friedrichshain Vernissage 15. Mai 2015, 19 Uhr Sa + So 15 – 18 Uhr www.aff-galerie.de Galerien Fred Baumgart »Schwanger« Helmut Baumann »Sand auf der Haut« ist für ihn die Herausforderung schlechthin. Der Akt in sehr unterschiedlicher, immer beeindruckender Landschaft ist seit nunmehr über 10 Jahren seine Leidenschaft. Die hier ausgestellten Aufnahmen »Sand auf der Haut« – das ruft gegendokumentieren einen Tag während der sätzliche Assoziationen wach. Reibend, Vernissage Schwangerschaft von Letitia kurz vor der kitzelnd, reizend – aufreizend? Sand ist 8. Mai 2015 um 19 Uhr Thema bei vielen Schlagern, und ein (2. Freitag des Monats) Geburt ihres Kindes. Die Fotos sollen für beide eine dau- natürliches Seesand-Peeling regt den ernde Erinnerung an diese schöne Zeit Kreislauf an, erneuert die Haut - und 8. Mai bis 31. Mai 2015 sein. Für Letitia ist es bereits das zweite ersetzt teure Kosmetika. Sie spürt ihn Kind, deshalb wurde auch ihr erster gerne, den Sand auf ihrer Haut, sagte Die Aktgalerie Sohn Julian in die Dokumentation mit zum Beispiel Anja bei den Fotoaufnah- Krossener Straße 34 men am Strand der Maremma. »Man 10245 Berlin- Friedrichshain einbezogen. kann so viele Sachen machen mit 15 – 19 Uhr Die Bilder zeigen deutlich den liebevol- Sand«. Helmut Baumanns Aufnahmen Fr., Sa., So. zum Thema »Sand auf der Haut« sind len Umgang der Mutter mit Julian und an verschiedenen Stränden entstanihrem ungeborenen Kind. Winfried Matern »Akt-Portraits und Skulpturen« Der Künstler zeigt Fotos aus seinen langjährigen Projekten »The White Chair«, »Factory-Girl«, »XXL«, »Blond« und »Privat«. Die Fotos sind sinnliche Portraits von Frauen, in denen das Vergnügen der Modelle an der Aktfotografie zum Ausdruck kommt. Erstmalig zeigt er seine in den vergangenen Jahren entstandenen Holz-Skulpturen, die ebenfalls den nackten Körper thematisieren. © Fred Baumgart, (O.i.F.) bis 26. April 2015 Die Aktgalerie Krossener Straße 34 10245 Berlin- Friedrichshain Fr., Sa., So. 15 – 19 Uhr © Helmut Baumann, (O.i.F.) den – in der Toskana, auf Teneriffa, in der Provence und in der Algarve. Und was dabei herauskam, kann sich sehen lassen: Denn die Models geizen nicht mit ihren Reizen. Wie immer hat er sich © Winfried Matern von der Natur und den Umständen am Ort inspirieren lassen; er beobachtet Vernissage: 5. Juni 2015 um 19 Uhr und vertraut auf die Improvisation. Es gibt für ihn keine schlechten Situatio- 5. Juni bis 28. Juni 2015 nen: »Wer genau hinschaut, mit Geduld und Verständnis für das Modell und die Die Aktgalerie Umgebung, dem gelingt immer ein gutes Krossener Straße 34 Foto«, so sein Credo. Den überraschen- 10245 Berlin- Friedrichshain den Moment einzufangen, ihn festzuhalten und dem Betrachter zu erschließen, Fr., Sa., So. 15 – 19 Uhr brennpunkt 2/2015 45 Galerien Berlin Photography Jürgen Bürgin Thomas Hillig Frank Machalowski Florian Profitlich Jürgen Bürgin »Marathon« © Jürgen Bürgin. Aus der Serie: Marathon Der Marathonlauf in Berlin ist längst zu einem Massenphänomen geworden, mit Sponsoren und Fernsehübertragungen kommerziell ausgewertet, die Bedeutung für das Prestige und den Tourismus der Stadt Berlin ist immens. Die Fotoserie »Marathon« entfernt sich von diesem Massenphänomen und vermeidet jegliche Anmutung sportfotografischer Ästhetik. Die Fotografien greifen das Prinzip der Straßenfotografie auf, Situationen im urbanen Raum abzubilden und darüber hinauszuweisen. Die Bilder deuten die Bewegung, die Ausdauer, die Kraft, die Leiden des Langstreckenläufers an, aber sie abstrahieren von visuellen Klischees der Sportberichterstattung. Die eingefrorenen Gesten und Körperhaltungen - der nach hinten geworfene Kopf, der angespannte Muskel, die in die Luft gestreckten Arme, die zum kühlenden Wasser gerichteten Hände wirken wie stilisierte, verfremdete visuelle Elemente eines Langstreckenlaufs. Das aufspritzende Wasser, die Tropfen und Spritzer, die im Licht funkeln, die Schatten und die Silhouetten der Körper im Gegenlicht erzeugen eine grafische, fragmentarische Wirkung und eine beinahe abstrakte Bildsprache. 46 brennpunkt 2/2015 © Thomas Hillig. Aus der Serie: Unter Brücken Über sich selbst sagt Thomas Hillig: »Ich bin ein klassischer Stadt- und Straßenfotograf. Bedingt durch meinen architektonischen Background spielen Architekturen eine größere Rolle als Menschen. Diese werden in meinen Bildern Berlin hat mehr Brücken als Venedig. zumeist als dimensionaler Bezugspunkt Brücken sind Infrastruktur, die Verbin- eingesetzt und unterstützen wenn vordung zwischen Orten, werden aber handen, nur auf sehr subtile Weise die kaum als solche wahrgenommen. Der Geschichte eines Bildes. Vorgenanntes Aufenthalt auf und unter Brücken ist soll aber nicht heißen, dass es mir nicht flüchtig, meist nur notwendig. Brücken um den Menschen geht. Im Gegenteil, sind die ungewollten Rahmen für unprä- Architekturen und Stadt sind eine vom tentiöse Stadtlandschaften, Situationen Menschen kreierte Umwelt und die so unterschiedlich wie die Wege … Bilder sind immer eine Parabel für das menschliche Dasein.« Thomas Hillig »Unter Brücken« Galerien © Florian Pofitlich. Aus der Serie: Berlin stadt Frank Machalowski »Multiexpo« Das Projekt »multiexpo« konzentriert sich auf das touristische Berlin, auf Orte und Plätze die meist über die Stadtgrenzen hinaus bekannt sind. Hier verschmelzen verschiedene Elemente und Aspekte der Stadt mit einem träumerischen Moment. Zugleich wird mit der scheinbaren Unschärfe der Geschwindigkeit unserer heutigen Zeit, die besonders in Großstädten erfahrbar ist, eine ästhetische Komponente beigegeben. © Frank Machalowski. Aus der Serie: Multiexpo Florian Profitlich »Berlin stadt« Mit der achten und letzten Ausstellung endet - vorläufig muß man sagen - das Ausstellungsprojekt »Berlin Photography« der Carpentier Galerie. Die Ressonanz auf jede einzelne dieser Ausstellungen aber auch auf das Gesamtprojekt war sehr positiv und Peter Fischer-Piel hatte völlig recht, wenn er schrieb: »Die für die Ausstellungsreihe ausgewählten 32 Beitrage zeigen jedenfalls in ihrer Vielfalt und Qualität, wie auf einem ebenso subjektiven wie künstlerisch hohen Niveau zeitgenössische Stadtfotografie aussehen kann.« Der in dem Ausstellungsprojekt gemachte Anfang soll fortgeführt durch eine Gesamtausstellung sowie die Erstellung einer Publikation zum Thema. Diese Aktivitäten sollen bis 2016 stattgefunden haben. Darüber hinaus werden in der Carpentier Galerie auch zukünftig weiterere zeitgenössische stadtfotografische Positionen gezeigt werden. Mein Dank gilt allen ausstellenden Fotografinnen und Fotografen, den Jurymitgliedern Ursula Kelm, Boris von Brauchitsch, Marc Barbey und Peter FischerPiel, den zahlreichen Besuchern sowie den Käuferinnen und Käufern von Arbeiten der Fotografinnen und Fotografen und allen anderen Unterstützern. Manfred Carpentier Die Gebäude, Gebilde und Skulpturen verschiedener Stile und Epochen sind aus verschiedenen Perspektiven aufgenommen, ebenso wie die unterschiedlichen Besucher, deren Blicken der Foto- Die Arbeit »stadt« zeigt Berliner Stadtgraf folgt, sie betrachten. Die Multiplika- räume, die für die ganze Stadt von tion und Intensivierung der Positionen Bedeutung sind. In der Regel sind die und Blickfelder scheint die Bauwerke Aufnahmen von erhöhten Standpunkzu verzerren und letztlich auf ihren Kern ten aufgenommen, um eine bessere Verzu reduzieren. Sie vibrieren regelrecht ständlichkeit der städtebaulichen Strukunter dem Versuch, die Zeit selbst in den turen zu erreichen. Bildern einzufangen. Alle Bilder entstehen mit einer Panaoramakamera auf SW-Rollfilm. Die Abzüge Alle Aufnahmen dieses Projekts sind mit werden im eigenen Labor selbst angeanaloger Fototechnik realisiert worden. fertigt. Die in der Ausstellung gehängten Arbeiten zeigen den Stadtraum des his- 4. April bis 30. April 2015 torischen Stadtkernes von Berlin. Carpentier Galerie Meinekestraße 13 10719 Berlin-Wilmersdorf Vernissage 3. April 2015, 19 Uhr Di – Fr 16 – 18 Uhr und nach Vereinbarung www.carpentier-galerie.de brennpunkt 2/2015 47 Galerien Bill Perlmutter Europe in the Fifties Through a Soldier‘s Lens Präsentiert werden in der »Galerie Hilaneh von Kories« Arbeiten des New Yorker Fotografen Bill Perlmutter. Der heute 80jährige Fotograf reiste ab 1954 als Auftragsfotograf der US-Armee durch Europa. »Europe in the Fifties. Through a Soldier´s Lens« zeigt eine Auswahl seiner Aufnahmen aus Deutschland, Frankreich, Italien, Portugal und Spanien. Perlmutters Werk ist eine fotografische und historische Entdeckung und wird nun erstmals in Berlin gezeigt. Der Blick des Fotografen auf das Europa der Nachkriegszeit ist unmittelbar und direkt. Nur mit geringen Vorkenntnissen und mit eher filmisch vermittelten (Vor-)Urteilen startete der junge GI seine fotografischen Reportagen. In auffälliger Weise stehen von Anfang an die Menschen im Mittelpunkt seiner Fotografien. Mit offenem Blick und sichtbarem Interesse für seine Zeitgenossen sieht und erlebt er Europa knapp zehn Jahre nach Kriegsende. Zwar sind die Spuren des Krieges noch überall erkennbar, doch haben sich die Überlebenden wieder in ihrem Alltag eingerichtet; trotz aller Entbehrungen und Kriegserfahrungen geht das Leben weiter. Voller Neugierde hält der Fotograf Szenen und Momente des Straßenlebens fest und meist mit ebenso großer Unbefangenheit posieren und agieren die von ihm porträtierten Personen vor seiner Kamera. Er beobachtet sie nicht, sondern nähert sich den Menschen voller Empathie, ganz im Sinne einer humanistischen Fotografie. »Die Straße wurde zur Bühne und die Menschen zu Schauspielern in einem sich ständig wandelnden und faszinierendem Theater der Wirklichkeit«, so Perlmutter über seine fotografischen Inspirationen. Im Dezember 1954 bestieg der damals 22jährige Fotograf das Truppenschiff nach Deutschland um für amerikanische Armee-Magazine zu arbeiten. 48 brennpunkt 2/2015 Bill Perlmutter, Children Waving at U.S.Tanks, Germany, 1956 Bill Perlmutter, Man With Dark Glasses, Italy, 1956 Bill Perlmutter, OpenWide, Germany 1955 Bill Perlmutter, Front Side and Rear, Spain, 1956 Schon auf der rauen Nordsee-Überfahrt entstanden die ersten Aufnahmen mit seiner Rolleiflex. Zuvor hatte er die USA nie verlassen und war zwar über seine Zukunft ein wenig besorgt, aber »zur gleichen Zeit freute ich mich auf das zu fotografierende Europa und auf das Besuchen all jener wunderbaren Orte, von denen ich gelesen oder sie in Filmen gesehen hatte.« So überrascht es nicht, dass sein erster Drei-Tages-Urlaub während seines Deutschlanddienstes den Fotografen gleich nach Paris zog. Auch hier lässt er sich auf den Boulevards und Plätzen vom Geschehen treiben und findet so seine ganz persönlichen Momentaufnahmen der Metropole. Und nicht zuletzt diente eine Italienreise der Überprüfung der eigenen Vorurteile: »Ich wuchs in dem Glauben auf, dass alle Italiener Spaghetti mit roter Sauce essen und alle Frauen in Schwarz gekleidet sind. Denn bevor ich nach Europa geschickt wurde, waren die einzigen mir bekannten Italiener Bewohner der Bronx, die aus Sizilien kamen. Und: sie waren nicht meine Freunde.« Weitere Eindrücke hatte Perlmutter aus Meisterfilmen des italienischen Realismus der Nachkriegszeit gewonnen. Die Konfrontation mit der italienischen Realität des Jahres 1956 musste ihn daher überraschen: »Alle meine Vorurteile wurden erschüttert, als ich die meisten Italiener als sympathisch, weltoffen und optimistisch gegenüber der Zukunft erlebte. Rom war eine lebendige Geschichtsstunde und Venedig die bezauberndste Stadt, die ich je besucht habe.« Auch die Aufnahmen Perlmutters aus den anderen von ihm besuchten Ländern zeichnen sich durch ein ehrliches Interesse an den Lebensbedingungen und kulturellen Besonderheiten seiner europäischen Zeitgenossen aus. Wie unterschiedlich die Lebensstandards der von ihm besuchten Länder waren, lässt sich in den Bildern bis heute bemer- Galerien Bill Perlmutter, Boy on the Beach, Portugal, 1956 Bill Perlmutter, Old Couple in the park, Paris, 1955 Bill Perlmutter, Postcard Seller, Paris, 1956 Bill Perlmutter, Hitler Look.a.like, Germany, 1956 Bill Perlmutter, Nitrato do Chile, Portugal, 1956 Bill Perlmutter, Policeman, Madrid, 1956 kenswert deutlich ablesen. Und so ist auch für den heutigen Betrachter das Werk Perlmutters eine besondere Entdeckungsreise durch die europäische Nachkriegszeit. Rund sechzig Jahre nach ihrem Entstehen zeigen die Aufnahmen das Gespür des Fotografen für den besonderen Moment. So wird jedes einzelne Motiv ein lebendiges Mosaiksteinchen der Erinnerung, das sehr genau über die damalige Zeit, aber auch über sehr persönliche Begegnungen berichtet. Durch diese intuitive Fähigkeit des Fotografen wirken seine Bilder allerdings über den historischen Moment hinaus, lassen sein Werk bis heute als höchst lebendig und sehenswert erscheinen. BILL PERLMUTTER wurde am 5. September 1932 in New York geboren. Nach einem Studium der Filmtechnik und ersten fotografischen Arbeiten in New York schloss er 1954 sein Fotografiestudium an der Army Signal Corps School in Fort Monmouth, New Jersey, ab. Für zwei Jahre war er zunächst als angestellter Pressefotograf für Zeitschriften der US-Armee in Deutschland tätig, danach fotografierte er in verschiedenen europäischen Ländern und arbeitete ab 1958 als freier Fotograf. In fast sechs Jahrzehnten hat er in der ganzen Welt fotografiert. Seine Bilder wurden in zahlreichen Magazinen und Bildbän- 8. Mai bis 17. Juli 2015 den veröffentlicht. Er ist in diversen US-amerikanischen Galerie Hilaneh von Kories Museumskollektionen vertreten, u.a. Belziger Straße 35 in den New Yorker Sammlungen des 10823 Berlin-Schöneberg Museum of the City und des Whitney 14 – 19 Uhr Museum of American Art oder dem Di – Fr 12 – 15 Uhr Smithsonian Museum in Washington. Sa Heute lebt und arbeitet Bill Perlmutter Pre-Opening zum Gallery Weekend in New York City. mit Sonderöffnungszeiten: 14 – 19 Uhr Parallel zur Ausstellung erscheint im 30. April 2015 Verlag seltmann+söhne der Bildband 1. + 2. Mai 2015 12 – 16 Uhr »Through a Soldier‘s Lens – Europe in und nach Vereinbarung www.galeriehilanehvonkories.de the Fifties«. brennpunkt 2/2015 49 Galerien Dagmar Kolatschny »Sunny« Die subtilen Manifestationen des Sonnenlichts, sowohl drinnen als auch draußen, sind das Thema der in Berlin lebenden Fotografin Dagmar Kolatschny. Sie untersucht das Verhältnis zwischen der Sonne als lebensspendende Kraft unseres Planeten, die als unfassbar starker Energieball ihre Kraft in den Weltraum schickt und unserer Wahrnehmung derselben, die oft eher als zart und leicht empfunden wird. Es sind die schnell übersehenen, alltäglichen Momente, die sie fotografisch einfängt: das Muster an der Wand, das sich durch den Lichteinfall im Treppenhaus abzeichnet, Pflanzen, die sich wie Ornamente um eine Fensterscheibe ranken oder Schaufenster, die die Silhouette der Stadt im gleißenden Sonnenlicht spiegeln. © Dagmar Kolatschny, (O.i.F.) © Dagmar Kolatschny, (O.i.F.) Es geht auch um die Stadt in dieser Arbeit, wie der Verleger Hannes Wanderer anmerkt: Die Fassaden sind schmutzig grau, Fensterscheiben sind staubblind und gesplittert, das Treppenhaus könnte einen neuen Anstrich gut vertragen, Räume sind leer, Stühle sind umgefallen oder stehen unbenutzt in der Ecke und draußen wächst das Unkraut. Berlin. Dagmar Kolatschny zeigt uns keine kaputte Stadt. Sie geht in die Räume und Zwischenräume, die angestoßenen und übrig gebliebenen Lücken, die rissig gewordenen Ränder, setzt sich den Eindrücken aus, entdeckt überall Erstaunli© Dagmar Kolatschny, (O.i.F.) © Dagmar Kolatschny, (O.i.F.) ches – und macht Bilder davon. Bilder, die man sich nicht ausdenken oder planen kann. Man kann sie nur »Sunny« erschien 2014 als Buch bei erwarten, erfühlen, erleben. Peperoni Books und wird in dieser Form Die Momente kommen unerwartet, sind erstmalig in Berlin ausgestellt. Dagmar 2. Mai bis 31. Mai 2015 flüchtig, nicht von Dauer. Deshalb sind Kolatschny studierte an der Ostkreuzsie so kostbar. schule, Berlin und absolvierte das MfA exp 12 / exposure twelve Und ohne das Licht der Sonne würde es Photography Programm an der Univer- Greifswalder Straße 217 sie nicht geben – die Momente und die sity of Hartford, USA (Abschluss 2013). 10405 Berlin-Prenzlauer Berg Farben, unser Sehen und die Bilder. Seit 2012 ist sie Mitglied des Kollektivs exp12 / exposure twelve. Sa 16 – 20 Uhr Vernissage So 14 – 18 Uhr 1. Mai 2015, 19 Uhr www.dakola.de www.exp12.com 50 brennpunkt 2/2015 Galerien Anne De Gelas »Mère et Fils« Mit »Mère et Fils« präsentiert die in Brüssel lebende belgische Künstlerin Anne de Gelas ihre aktuelle Arbeit erstmals in Deutschland. In ihrem Buch »L’amoureuse«, das 2013 im Le-Caillou-Bleu-Verlag erschienen ist, beschrieb sie den Tod ihres Partners, ihre Niedergeschlagenheit und Trauer. Um es zu schreiben, führte sie täglich ein Tagebuch, was, wie sie sagt, eine »emergency-chanting discipline« war. Sie mischte Texte, Zeichnungen und Bilder in fragmentarischer und trotzdem Spannung aufbauender Anordnung mit dem Ziel »die Schwingung des Lebens« zu erfassen und »einen emotionalen Schock« auszulösen. »Mère et Fils« ist eine ähnliche Arbeit und Teil der Nachwirkung des Todes von Ehepartner und Kindesvater. Diese Arbeit offenbart die Eigenarten und die komplexen Veränderungen in der Zweierbeziehung zwischen der Künstlerin und ihrem Kind: Mutter und Sohn in einer neuen, überwältigenden persönlichen Begegnung. Anne de Gelas spricht von »drei Stimmen«: Die Stimme der Fotografie bezeichnet sie als »gefasst, bedacht und frontal«. Die des Schreibens ist »aufgeregt und scharf«, gefärbt von Wut und Verwirrung und schließt sogar die Geschichten nächtlicher Träume mit ein. Die Stimme des Zeichnens – »roher« und, laut Anne de Gelas, »näher am automatischen Schreiben«. Diese stark entwickelte, universelle Arbeit steht im Einklang mit dem Empirismus eines privaten Tagebuchs. Anne de Gelas ist eine in Belgien und Frankreich etablierte Künstlerin, deren Arbeit in wichtigen Sammlungen, wie der des Musée de la Photographie de Charleroi in Brüssel, vertreten ist. Sie hat kürzlich das Stipendium der Stiftung SPES 2015 erhalten und ihre Arbeit wird diesem Sommer in Arles in der Galerie Joseph Antonin gezeigt, In diesen Zusammenhang wird auch ihr neues Buch mit dem Titel »Mère et Fils« erscheinen. www.annedegelas.com © Anne De Gelas © Anne De Gelas © Anne De Gelas 21. Juni 2015 um 21.30 Uhr THE SMELL OF DUST I & II Slide Show mit Live Music Performance Kuratiert von Sue-Elie Andrade-Dé Musik: Karl Braun & Fumo 6. Juni bis 5. Juli 2015 Vernissage 5. Juni 2015, 19 Uhr exp 12 / exposure twelve Greifswalder Straße 217 10405 Berlin-Prenzlauer Berg Sa 16 – 20 Uhr So 14 – 18 Uhr www.exp12.com brennpunkt 2/2015 51 Galerien Michael Lange »Fluss« Nach seiner Serie Wald, die die Alfred Ehrhardt Stiftung 2012 zeigte, zog es Michael Lange an den Oberrhein. Mit seiner neuen Arbeit hat er einen Naturraum erfasst, der von permanenten, sehr schnellen und entsprechend intensiven Veränderungen geprägt ist: »Meine Bilder erzählen von der Sehnsucht nach Stille und Befriedung, Tiefe und Schönheit, und vom Verlangen, sich zu verlieren. Teil meiner Arbeit ist, der unablässigen Veränderung zu folgen, bis eine Landschaft mit meinen inneren Bildern im Einklang ist, die meinen Gefühlen entspricht. Im vermeintlichen Chaos die tiefe, innen wohnende Ordnung und Ästhetik verstehen. Die Landschaft in Kombination mit den äußeren Einflüssen – Nebel, Frost, Jahreszeiten, Licht, Wasserstand – entsprechend meinen Phantasien zu transformieren, mit den Elementen spielen, sie fortführen und mit meiner fotografischen Sprache kombinieren.« Michael Lange, Fluss #R10772, 2014, © Michael Lange 2014, (O.i.F.) Michael Lange fotografiert seit 1973. Zu seinen Projekten zählen u. a. L.A. – Drive-by, Desert – Kalifornische Wüsten, Frauen des Lamani Stammes sowie Wald – Landschaften der Erinnerung. In zahlreichen nationalen wie internationalen Ausstellungen und Fotofestivals vertreten. Michael Lange lebt in Hamburg. Zur Ausstellung erscheint das Buch Michael Lange folgte dem Thema über »Fluss« im Hatje Cantz Verlag. drei Jahre und blieb oft wochenlang inmitten dieser besonderen Landschaft der Rheinauen, um zumeist im Herbst Vernissage und im Winter im gedämpften Licht des 1. Mai 2015, 19 Uhr frühen Morgengrauens leise fließende in Anwesenheit des Künstlers Gewässer, sanft von Bäumen umsäumte Eröffnungsrede: Dr. Christiane Stahl, Ufer und nebelverhangene Wasserober- Leiterin Alfred Ehrhardt Stiftung flächen zu erfassen. Die große Ruhe der Bilder lebt von seiner aus dieser Erfahrung resultierenden, genauen Kenntnis Begleitende Veranstaltung: naturimmanenter Spannungen – die scheinbar regungslosen Wasserober- 31. Mai 2015, 14 Uhr: Künstlergespräch flächen lassen ihre darunter verborge- – Dr. Christiane Stahl spricht mit Michael nen Untiefen erahnen. In den atembe- Lange raubenden, abstrakten Details agitierter Wasseroberflächen entfaltet der Fluss, 17. Juni 2015, 19 Uhr: dessen Vordringen in diesen Gebieten In der Reihe »Literaturhaus der kaum Schranken gesetzt sind, seine Fotografie«: Wolfgang Denkel: Vom ganze bedrohliche, treibende, haltlose, Fließen und Bleiben. Texte und gnadenlose, unberechenbare, den eige- Gedanken zur Fotografie von Michael nen Gesetzen folgende, formende Kraft. Lange. Moderation: Thomas Böhm Mit feinsten Schattierungen und Farb- (radioeins) abstufungen entstehen Kompositionen von atmosphärischer Dichte und kon- Wir bitten jeweils um Voranmeldung zentrierter Klarheit. per e-Mail. 52 brennpunkt 2/2015 Michael Lange, Fluss #R1924, 2012 © Michael Lange 2014, (O.i.F.) Michael Lange, Fluss #R3498, 2012 © Michael Lange 2014, (O.i.F.) 2. Mai bis 28. Juni 2014 Alfred Ehrhardt Stiftung Auguststraße 75 10117 Berlin-Mitte Di – So 11 – 18 Uhr Do 11 – 21 Uhr www.alfred-ehrhardt-stiftung.de Galerien Nadja Ritter »Leaving Hollywood« Gilles Roudière »Lied« Charlie Jouvet »Tagtäglich« An der Serie »Leaving Hollywood« Es sind Geschichten und Träume, die Die »Dailies« von Charlie Jouvet sind arbeitet Nadja Ritter seit einigen Jahren hinter den Schatten schlafen, im Hin- eine Ansammlung von kleinen Alltagsund immerfort. Die Momentaufnah- terhalt lauern. momenten und gehören darüber hinaus men aus dem regen Berliner Nachtleben Es sind Verlangen, die ins Licht strah- keiner thematischen Serie an. Charlie hat sie allesamt mit einer Halbformat- len. Jouvet, geboren 1973, ist ein französiKamera namens Golden Half erhascht. Da gehen seltsame Geister, Silhouet- scher Künstler, der in Berlin lebt. Er hat Nadja Ritter wurde 1979 geboren und ten mit einer Dunst-, Licht- oder Bitu- an der Ecole Nationale Supérieure de wuchs in Ost Berlin auf. Sie begann in men-Struktur. Gebäude, Häuser, Stra- la Photographie in Arles studiert, wo er den frühen 2000er Jahren Konzerte und ßen scheinen aus der gleichen Lebens- später unterrichtet hat. Heute unterrichSubkultur zu fotografieren. Nach dem energie, wie die Menschen und die Tiere tet er an der Universität in Paris. Seine Studium der Fotografie an der Ostkreuz- zu vibrieren. Es ist, als ob alle Belebten Werke wurden international ausgeschule ist sie heute freie Fotografin in und Unbelebten an der seltsamen und stellt. Berlin. eindringlichen Lyrik eines geheimnisvollen Lieds teilnehmen würden. Die Ausstellungen von Nadja Ritter, Gilles Roudière und Charlie Jouvet werden präsentiert von Kaetha. Kaetha ist die kuratorische Zusammenarbeit von Katja Haustein und hannah Goldstein. Seit 2012 haben sie mehrere Fotoausstellungen an verschiedenen Orten realisiert. Eins ihrer Hauptprojekte ist KLEISTER, in welchem sie Ausstellungen im öffentlichen Raum organsieren. www.kaetha.de © Nadja Ritter, (O.i.F.) © Gilles Roudière © Charlie Jouvet, (O.i.F.) 15. April bis 12. Mai 2015 15. Mai bis 16. Juni 2015 17. Juni bis 14. Juli 2015 FENSTER61 Torstraße 61 10119 Berlin-Mitte FENSTER61 Torstraße 61 10119 Berlin-Mitte FENSTER61 Torstraße 61 10119 Berlin-Mitte www.fenster61.de www.fenster61.de www.fenster61.de brennpunkt 2/2015 53 Galerien Gilbert Garcin »Mr. G.« »Mr. G.« lautet der Titel der Ausstellung bei Hiltawsky und präsentiert Arbeiten von Gilbert Garcin. Von Gilbert Garcin wissen wir wenig. Unscheinbar steht bisher sein Name hierzulande in der Fotografiewelt, gleichwohl Gilbert Garcin mittlerweile sechs Fotobücher produziert hat und auf zahlreichen internationalen Ausstellungen vertreten war. Wer ist dieser Künstler? Und ist Gilbert Garcin jener geheimnisvolle Mr. G.? Ein Mann wandert über die auf dem Boden verstreuten, wie ineinander verketteten Ringe und trägt gedankenversunken das Quadrat eines leeren schwarzen Bilderrahmens aus dem Bild (»Der Unterschied«). Mann und Frau hängen, an Füßen und Armen gebunden, wie Marionetten an aus Wolken gesponnenen Fäden, im Fadengemenge ineinander verheddert, ihre Körperhaltungen nun wie austariert scheinen, jedoch eher bewegungslos und unlösbar verbunden sind (»Die ersten Schritte«). Das Bild von einem Mann, der auf einer schwarzen Sförmigen Linie wie ein Artist über das Seil durch den bodenlosen Bildraum balanciert, allein mit der quer gehaltenen Latte das Gleichgewicht haltend, macht den älteren Herren weniger zum sportlichen Akrobaten als zum selbstkontrollierten Jongleur durch Zeit und Raum (»Der Seiltänzer«). Im schwarzen Hochformat hängen wie von einer Theaterhebebühne lange Seile herab, deren Enden - da diese nicht allesamt auf den Boden reichen -, jene (uns nun bereits bekannte) Figur auf einem Hocker stehend, versucht diese zu greifen und dabei eine durchaus elegante, aber möglicherweise im nächsten Moment auch hilflose Position einnimmt (»Die Begierde«). Oder der in Geschäftsmontur mit gutem Mantel ausgestattet, aber doch als handlungsunfähiger Hampelmann an einem weißen, überproportional großen Luftballon hängend, der ihn doch nicht in die Lüfte bringen kann, da 54 brennpunkt 2/2015 © Gilbert Garcin, »Der Unterschied«, 2004 ihn an einem seiner Beine ein Schwergewicht am Boden fesselt (»Der vereitelte Ikarus«). – So einfach der Bildaufbau, so genial die Erfindung. So simpel die Umsetzung, so grandios der Inhalt. Bildtitel sind, Kalendersprüchen ähnelnd, wie ratsame Hinweise zur Lesart beigegeben, doch nicht in eine Zukunft optimistisch hinausschauend, denn eher der gemachten Erfahrungen wegen zuweilen negativ resümierend, angelehnt an Aphorismenteils auch nihilistisch und resignierend, wie: »Man muss an die Konsequenzen denken«, »Die Natur retten«, »Die Richtige Zahlung« oder »Herr über sich selbst«, ect. Solche Wegweiser wären nicht immer nötig, beschreiben aber die Ernsthaftigkeit, mit der die Bilderfindungen angelegt sind, fern von einer auf den ersten Blick sich übermittelnden Satire oder Komik angesichts der Widrigkeiten, Irrtümer und Schwierigkeiten des Anderen. Doch dieses Schmunzeln verebbt, sofern nur der Versuch unternommen wird, sich in die Verhängnisse des armen Mr. G. hineinzuversetzen. denen der Hauptakteur Mr. G. irgendwie zurechtzukommen sucht: Herr im Bild, aber nicht zwingend Herr über des Rätsels Lösung, und diese Misere den Betrachter in Versuchung bringt, Mr. G. zur Erleichterung beikommen zu wollen. Die verhandelten Themen sind: Der Mensch gegenüber der Übermacht der im Leben sich auftuenden Schleifen, Hürden und Hindernisse. Sich mühend unter der sich aufbürdenden Last, gebunden in Verantwortung oder rotierend im Hamsterrad des Alltags, ohnmächtig trotz Rock und Tasche, gefangen in den Bedingungen von Ehe, Arbeit, Natur und Lebenszeit. Die Widrigkeiten des Einzelnen sind es, aber auch Ehe, Mann-Frau-Problematik, das sprachlose Auseinandergelebt- und das Aneinandergefesseltsein. Die scheinbare Geometrie der Lebenslinien erweist sich für die darin verstrickte Person als unwägbar und labyrinthisch. Hier fallen surreale Alterswerke von René Magritte ein, vom Mann mit Melone oder die angesichts der zerfließenden Zeit selbstironischen Bilder von Salvador Dali, sich Bildelemente, die sich immer wieder selbst karikierend als alterndem Künstfinden: Fäden, Steine, Felsen; Striche, ler verstrickt inmitten von Musen und Linien, Geraden, Kurven – Ein Baustein- Merkwürdigkeiten. satz an Elementen, die verschiedentlich zusammengestellt, im Bildraum wie zur Knobelaufgabe kombiniert sind, und mit Galerien © Gilbert Garcin, »Erste Schritte«, 2003 © Gilbert Garcin, »Die Begierde«, 2005 Die Figur: Männlich, Alter zwischen 70- thematisiert: des von selbigem Stein 80 Jahre (geschätzt), als ganzfigurig aus- fast überrollt werdende Sisyphos, ein (dem Leben) geschnittene Figur, angezo- Blickwinkel, der nicht die Mühen aufgen in Mantel, Schuhen, Hose, von Kopf zeigt, sondern die Verzweiflung, Resibis Fuß ausgestattet zur Passage, fehlt gnation und lebensbedrohende Gefahr, nur noch der Koffer, um mit allem und der Übergröße eben dieses Steins eines Nichts loszuziehen, das Hier zu verlas- Tages zu unterliegen. Weil nicht er es ist, sen, überzusiedeln an einen anderen der »den Stein ins Rollen« bringt. Ort, in gewisser Weise heimatlos, ganz und gar nicht gemütlich, rastlos auf dem Der Erzähler: Gleich Alfred Hitchcock Weg. Ein älterer Mann, gesichtslos und führt Mr. G. als Erzähler in das Bild ein, einzeln – eine Ausschneidefigur, um eröffnet die Bildhandlung, von links, diese mittels der Collage im Bildraum recht, oben oder seitlich hereinkomverhältnismäßig klein einzusetzen: Die mend, Tatsachen berichtend und beiFigur winzig im Universum und klein in spielhaft voll- und vorführend. RegisProportion zu einem Menschenleben. seur und Protagonist in einem. Singulär wandert die Gestalt durch die BildDie Szenarien: In manchen Bildern landschaft. Nicht Lebens-Stationen findet sich Mr. G. als Held antiker sind es von denen berichtet wird, sonMythologie wieder: zum Beispiel als dern Lebens-Entscheidungen, die Mr. Ikarus in der verzweifelten Unmöglich- G. seine ganze Kraft abverlangen, an keit, fliegen zu können. Da agiert Sisy- denen er wächst, scheitert, ringt, verliert phus immer wieder aufs Neue, tagein oder gewinnt. Entscheidungen sind das tagaus, gezwungen zur Strafe einen Thema von Gilbert Garcin. Felsblock auf ewig einen Berg hinaufzuwälzen, der, fast am Gipfel, jedes Mal An dieser Stelle ein paar Wort zur Biowieder ins Tal zurückrollt. Das ist Sisy- grafie des Bild-Autors. Wir wissen ebenphusarbeit, heute ein geflügeltes Wort falls wenig darüber: Gilbert Garcin, für sinnlose und dabei schwere Tätig- geboren 1929. Es heißt, kurz vor dem keit ohne absehbares Ende. Während Ruhestand habe Garcin seinen Job als die antike Bilderwelt den auf den Berg Fabrikdirektor aufgegeben und wurde Hinaufsteigenden, also immer wieder Fotograf. Jahrgang 1929 – damit hinvon Vorn anfangenden Sisyphos dar- eingeborenen in das letzte Jahr der stellt, ist bei Garcin die schiere Unmög- Zwanziger Jahre und in die Turbulenlichkeit, des den Berg Hinabsteigenden zen des 20. Jahrhunderts, seine Geburt fällt inmitten der Inflation der 1930er Jahre und der vielfachen Bewegungen der Moderne. Spät fotografierend heißt vielleicht nicht im Selbstverständnis als Fotograf, mehr denn als Künstler. Erst Ende der 1990er Jahre begann Garcin sich mit dem Medium des Bildes zu beschäftigen. Die meisten Bilder sind erst Anfang der 2000er Jahre entstanden, also in einem anderen Jahrhundert als dem, aus welchem der erzählte Erfahrungsschatz basiert und welche Garcin nun in der ersten Dekade des neuen Jahrtausend wie folgt zusammenfasst: Allein ist der Mensch, auf sich gestellt in den Koordinaten des eigenen Lebens als einem Universum von Entscheidungen. Darin steht er seinen Mann. Die im Alter gewonnene Erkenntnis von der richtigen Balance setzt voraus, diese im Laufe des Lebens zuvor bitter verloren zu haben, mühsam aus dem Loch der Fehler und menschlicher Verfehlungen herausgekrabbelt zu sein, ehe sich ein solcher Erfahrungsschatz erst ernüchtert konstatieren lässt. Dies ist ein Alterswerk, ohne dass ein künstlerisches Werk zuvor stattgefunden hat. Das Werk zuvor ist das Leben selbst. Metaphorisch und lebenserfahren, zuweilen lebensverbittert, sich selbst karikierend, zwar mit Witz, aber ernüchtert, minimalistisch auf den Punkt gebracht. Jede Bilderfindung gehörte patentiert! Elke Tesch bis 11. April 2015 Galerie Hiltawsky Tucholskystraße 41 10117 Berlin-Mitte Mi – Sa 14 – 18 Uhr und nach Vereinbarung brennpunkt 2/2015 55 Galerien World Press Photo 15 Ein deutliches Statement gegen die Verfolgung von Homosexuellen in Russland ist zum weltweit besten Pressefoto des Jahres gewählt worden. Die Jury des Wettbewerbs World Press Photo zeichnete den dänischen Fotografen Mads Nissen mit dem renommierten Preis aus. Er fotografierte das schwule Paar Jon und Alex in einem intimen Moment in Sankt Petersburg. Das Foto ist Teil eines größeren Projekts des Fotografen zum Thema »Homophobie in Russland«. Das Foto nehme auf eindrückliche Weise Stellung zu einem universalen Thema, begründete die Jury ihre Wahl. Für Homosexuelle, Lesben, Bisexuelle und Transgender werde das Laben in Russland zunehmend schwieriger. »Sexuelle Minderheiten werden mit rechtlicher und sozialer Diskriminierung konfrontiert, Verfolgung und sogar gewalttätigen Hass-Verbrechen von konservativen religiösen und nationalistischen Gruppen«, heißt es in dem Bericht der Jury. »Dieses Foto hat eine große ästhetische Kraft und zeigt Menschlichkeit«, sagte die Vorsitzende der Jury Michele McNally, Direktorin für Fotografie der New York Times. »Gewalttätige Bilder werden heute von Terroristen für Propagandazwecke produziert. Unsere Antwort darauf muss subtiler ausfallen« sagt das Jurymitglied Alessia Glaviano. Das Siegerbild des Jahres: Jon, 21, und Alex, 25, sind ein Paar. Während sich in vielen westlichen Ländern Homosexuelle immer selbstverständlicher bewegen, wird es in Sankt Petersburg, der Heimatstadt der beiden, immer schwieriger ein angstfreies Beziehungsleben zu führen. Das Bild des Dänen Mads Nissen, das diesen nachdenklichen und intimen Moment zwischen den beiden Männern einfängt, ist für die Jury das wichtigste Bild des Jahres. © Mads Nissen/World Press Photo/DPA, (O.i.F.) Der Chinese Yongzhi Chu hat für dieses Bild eines geknechteten Zirkusaffens den ersten Platz in der Kategorie »Nature/Einzelbild« erhalten. © Yongzhi Chu/World Press Photo/ Reuters Die Jury wählte aus rund 98.000 Fotos aus 131 Ländern die Sieger aus. Preise wurden in acht Kategorien an 42 Fotografen vergeben. Die Siegerfotos werden Vernissage in einer Ausstellung ab April in Amster- 4. Juni 2015, 19.30 Uhr dam und anschließend in über 40 Ländern gezeigt. Begrüßung Gisela Kayser, Geschäftsführerin Freundeskreis Willy-Brandt-Haus WORLD PRESS PHOTO wird unterstützt von der NIEDERLÄNDISCHEN POSTLEITZAHL-LOTTERIE und weltweit gesponsert von CANON 56 brennpunkt 2/2015 Redner Repräsentant, World Press Photo Foundation Peter-Matthias Gaede, Chefredakteur von GEO Darcy Padilla dokumentierte den Wandel der Stadt San Francisco über einen Zeitraum von mehr als 20 Jahren und anhand ihrer eigenen Familiengeschichte. Dieses Bild entstand im Jahr 1993. © Darcy Padilla/World Press Photo/ Reuters 5. Juni bis 28. Juni 2015 Freundeskreis Willy-Brandt-Haus Willy-Brandt-Haus Stresemannstraße 28 10963 Berlin-Kreuzberg Di – So 12 – 18 Uhr Galerien »Vom Neuen Sehen zur Fotokunst« Fotografie aus der Sammlung im WillyBrandt-Haus Die Ausstellung der fotografischen Arbeiten aus der Sammlung im WillyBrandt-Haus schließt den Kreis der Sammlungspräsentationen, die wir seit dem Jahr 2006 in loser Folge im Willy-Brandt-Haus und in Kunstmuseen in ganz Deutschland gezeigt haben. Außerdem stellt sie die Verbindung her zum jährlichen Ausstellungsprogramm des Freundeskreis Willy-Brandt-Haus e.V., das ganz wesentlich von vielbeachteten Retrospektiven und thematischen Einzel- und Gruppenpräsentationen renommierter Fotografinnen und Fotokünstlern bestimmt wird. Aus den fast 200 Fotografien der Sammlung mit 60 verschiedenen Bildautoren haben wir rund 100 Werke aus der Zeit von 1926 bis heute ausgewählt und präsentieren sie erstmals in dieser Zusammenstellung dem Publikum. Diese Auswahl macht einen wichtigen Teil unserer Sammlungstätigkeit sichtbar und manifestiert die Autonomie des Mediums der Fotografie innerhalb der Kunstsammlung. Von den frühen Arbeiten der Schule des Neuen Sehens, über den Fotojour- Fotos © John Schuetz, ohne Titel, Lichthbildmontage, 1997 nalismus seit den 1950er Jahre und einigen Beispielen der Autorenfotogra- den Namen wie John Heartfield, Robert fie in Ost und West bis hin zu großfor- Capa, Tina Modotti, Gundula Schulzematigen Arbeiten zeitgenössischer Foto- Eldowy, Robert Lebeck, Michael Najjar, kunst zieht sich das Spektrum unserer Jürgen Klauke, Herlinde Koelbl oder Auswahl. Magdalena Jetelova einige Protagonisten der Fotoszene präsentieren. Chronologische und thematische Abfolgen sind Teil der Präsentation, wie auch 25. April bis 28. Juni 2015 einzelne Diskurse, die Motive unterschiedlicher Jahrzehnte zusammenbrinFreundeskreis Willy-Brandt-Haus gen sollen und zu einer neuen Betrach- Um Anmeldung für das Bildungspro- Willy-Brandt-Haus tung einladen. gramm wird gebeten: Stresemannstraße 28 »Vom Neuen Sehen zur Fotokunst« stellt maren.ziese@freundeskreis-wbh.de 10963 Berlin-Kreuzberg die Fotografiekollektion im Willy-Brandt- Weitere Informationen unter: Haus vor und kann mit herausragen- www.freundeskreis-wbh.de Di – So 12 – 18 Uhr brennpunkt 2/2015 57 Galerien Metropolis | Hauptstadtarchitekturen Fotoklasse von Ebba Dangschat Tom Brooks Angelika Dierkes Ute Nüchterlein Wilhelm Schünemann Lothar Köhler Ute Christina Bauer Sven Olbermann Lydia Kotzan Berlin bietet ein weites Feld unterschiedlichster metropolitaner Architektursprachen. Fotografisch lassen sich diese in viele subjektive Bildsprachen übersetzen. Wie nur wenige andere europäische (Haupt-)Städte ist Berlin einem ständigen Wandel unterzogen, der die Stadt für viele Bewohner und Besucher attraktiv macht. Kampagnen wie »Sei Stadt. Sei Wandel. Sei Berlin« beziehen sich darauf und heben das flexible, weltstädtische Flair der Stadt hervor. © Ute Christina Bauer © Ute Nüchterlein © Sven Olbermann Dennoch ist Berlin mehr als eine Baustelle. Die Projektklasse »Metropolis | Hauptstadtarchitekturen« des Photocentrums am Wassertor wollte unter der Leitung von Ebba Dangschat herausfinden, welche ästhetischen Vorstellungen den Wandel motivieren und zum Hauptmerkmal der Hauptstadt erklären. Welche Architekturen machen © Lydia Kotzan den Hauptstädter aus? Gibt es so etwas wie eine berlinspezifische Architektur? Welche Spannungsfelder entstehen im Kampf um Raum zwischen Bürgern und Weltbürgern, historischer Tradition und Zukunftsvision? Mit diesen Leitfragen im Kopf machten sich die Projektteilnehmer/innen auf die Suche nach ihrer persönlichen Sicht auf ihre Hauptstadt. Herausgekommen sind acht eigenständige künstlerische Positionen mit © Angelika Dierkes jeweils ganz individuellen visuellen Vernissage Antworten. 12. Juni 2015, 19 Uhr Finissage Kontakt: Ebba Dangschat 26. Juni 2015, 18 Uhr mail@ebbadangschat.de 58 brennpunkt 2/2015 Das Rahmenprogramm entnehmen Sie bitte der Website: www.metropolis.hauptstadtarchitekturen.de 12. Juni bis 26. Juni 2015 Seven Star Gallery Gormannstraße 7 10119 Berlin-Mitte Sa + So Mo – Fr 12 – 18 Uhr 14 – 20 Uhr Galerien Eddie Bonesire »Im Krieg sagtest Du einmal….« Ausstellung und Buch Wer heute durch die Eifel wandert, kann die Ruhe der Wälder genießen und den Blick über die weiten, sanften Hügel streifen lassen. Kaum etwas erinnert an die Verwüstungen des zweiten Weltkrieges, der hier, wie anderenorts in Europa vor mehr als 70 Jahren die Menschen aus ihrem Alltag riss. Die jungen Männer wurden meist an die Russlandfront geschickt; die zurückgebliebenen Alten, Frauen und Kinder schlugen sich mehr schlecht als recht durchs Leben. Eddie Bonesire’s Ausstellung erzählt uns vom einfachen Menschen im Krieg. Die Bilder und die dazugehörigen Texte konfrontieren uns mit den Nöten und Ängsten, aber auch mit der Leidenschaft und der Lebenskraft unserer Mütterund Väter-Generation. Kernstück der Ausstellung bilden die Fotoalben einer Eifler Familie aus der Zeit des 2. Weltkrieges: Fotos von Soldaten, Familienund Freunden, von Ereignissen des Alltages. Diese ergänzt Bonesire mit eigenen Bildern, die er in den vergangenen Jahren in der Eifel aufgenommen hat: Fotos von Landschaften und Dörfern, in denen die »Protagonisten« der Familienfotos gelebt haben. Die Bilder kommentiert Bonesire mit eigenen Texten, sowie mit Auszügen aus Werken von Lysias, Heinrich Böll, Hermann Michels undNatasha Radojcic. Über die bewusste Kombination der alten Texte mit den neuen Fotografien und umgekehrt möchte erdas Universale und Zeitlose dieser menschlichen Erfahrung hervorheben. Zur Ausstellung erscheint das Buch »Im Krieg sagtest Du einmal…« im Nicolai Verlag (ISBN 978-3-89479-930-4). Der 1956 in Belgien geborene Fotograf und Autor lebt in Brüssel und Berlin. www.ebonesire.net Vernissage 11. Juni 2015, 19 Uhr © Eddie Bonesire, (O.i.F.) © Eddie Bonesire, (O.i.F.) 12. Juni bis 24. Juli 2015 Fotogalerie Friedrichshain Helsingforser Platz 1 10243 Berlin-Friedrichshain © Eddie Bonesire, (O.i.F.) Di, Mi, Fr, Sa Do 14 – 18 Uhr 10 – 18 Uhr brennpunkt 2/2015 59 Fotoszene Interview mit Bill Perlmutter Ich war einer von denen, der sich die Fähigkeiten des Films angeeignet hat. Er pflegte einen freundschaftlichen Umgang mit allen Avantgarde Künstlern jener Zeit. Und ich war nur ein armer, kleiner Student, ich wurde nicht bezahlt, aber ich 2013 hörte der Photograph Bertolt Prächt habe jede Minute genossen. Er sagte »Du in New York vom Photgraphen Bill Perl- wirst nicht bezahlt, aber die Erfahrung, mutter und besuchte im selben Jahr die die Du hier machst, ist mehr wert als Ausstellung »Through a Soldiers’s Lens« Geld«. Damals dachte ich nicht so, aber in der Hamburger Galerie Hilaneh von heute ist mir klar, dass das stimmt. Kories. Also kam ich nach 4 Jahren aus der Im November 2014 interviewte Prächt Schule und ging 1954 zur US-Armee Perlmutter in New York unter dem und studierte dort Photographie. Ich Aspekt, welche Einflüsse ihn zu Photo- wurde in der Army Single Corps genannt graphie brachten. Im Mai 2015 kommt und der Army Single Corps war Teil der Bill Perlmutter mit einer Ausstellung US Armee. in die jetzt in Berlin ansässige Galerie Hilaneh von Kories. Heute gibt es keinen Army Single Corps mehr, aber die Armee hatte eine ZweigBertolt Prächt: Wann hast Du mit pho- stelle und ich studierte dort noch vier togtaphieren begonnen? weitere Monate. Und dann bin ich auf die School in New Jersey, um noch ein Bill Perlmutter: Ich habe mit der Pho- besserer Photograph zu werden. Und tographie angefangen, als ich noch ein dann wurde ich zur See geschickt, die Teenager war, 18 oder 19. Ich habe mir setzten mich auf ein Boot und teilten eine kleine Kamera besorgt. mir mit, dass ich nach Deutschland und Europa gehe. Während des gesamten zweiten Welt- Also, natürlich wollte ich am Anfang krieges war ich daran interessiert, aber nicht gehen. Ich habe ja das Land nie es gab nichts zu kaufen. Aber 1946/47 vorher verlassen. Aber ich hatte keine habe ich meine erste Kamera gekauft. Wahl. Ich ging auf das Schiff und kam Dies war eine 35 mm Kamera – eine 8 Tage später in Bremerhaven an. Ich kleine Kiste, die für die damalige Zeit muss sagen, ich hatte ein wenig Angst, sehr gut war, sie hatte einen Entfer- und letztendlich wurde ich nach Augsnungsmesser. Danach habe ich an der burg versetzt. Highschool (Gymnasium) ein bisschen Und die gaben mir eine Kamera und sie Fotografie gemacht, aber nicht viel, und sagten »Mach jetzt Bilder«. dann bin ich auf das City College von New York gegangen. Bertold Prächt: Du wurdest an einen anderen Ort versetzt und bekamst Dort habe ich Fotographie und Film die Möglichkeit Winston Churchill zu studiert. Ich habe an dem Film Insti- photograsphieren. tut des City Colleges studiert, und dies bei einem Mann, der der Direktor der Bill Perlmutter: Ja, das kam später. Also, Schule war, sein Name war Hans Rich- nach einer Weile haben sie mich dann ter. zu einem anderen Ort in Deutschland Ich wusste auch, dass er ein Avantgarde geschickt. Ich ging nach Bad KreuzKünstler war und ein Filmemacher, und nach und dort war ich auch Photoer leitete außerdem die Schule und hatte graph. Danach wurde ich 2 Monate zu den Job, Schülern etwas beizubringen. den Briten geschickt und dort photograEr war sehr interessant, weil er sehr phierte ich Panzermanöver. anspruchsvoll war und sehr »Preus- Es war um die Zeit, dass ich herausfand, sisch«. Er wollte, dass seine Studenten dass Winston Churchill nach Deutschihre eigenen Filme machten. land kam und mir wurde gesagt, dass ich ihn photographieren werde. 60 brennpunkt 2/2015 © Bertolt Prächt, »Bill Perlmutter«, 2014 Ich habe Winston Churchill immer bewundert, und ich war begeistert und aufgeregt. Es war sehr nett, ich habe den Mann photographiert, aber ich habe sehr viel mehr über ihn gelernt. Bertolt Prächt: Haben Deine Familienmitglieder eine Rolle gespielt, als Du die Entscheidung getroffen hast, Dich der Photographie zu widmen. Bill Perlmutter: Nein, niemand in meiner Familie war Photograph. Aber, ich habe einen jungen Mann in Wien kennengelernt und er war sehr daran interessiert, Nachforschungen über meinen Namen anzustellen. Ich weiss nicht warum. Und er schaute in die Aufzeichnungen und fand heraus, dass es 1885 einen Photographen in Wien gab. Sein Name war Wilhelm Perlmutter und er kam aus derselben Ecke wie mein Vater, in der Ukraine, und mit dem könnte ich verwandt sein, ich weiss es nicht… und der war Photograph. Er hat Photos von allen Köpfen (Anführern) des Landes gemacht, den Habsburgern. Ich weiss nicht, ob ich mit dem verwandt bin, aber ich würde es gerne denken. Interviewauszug Bertolt Prächt siehe auch Seite 48 Ausstellungen Café Aroma Photogalerie bis 30. Mai 2015 Mauro Casalboni »Dedali« Hochkirchstraße 8 10829 Berlin-Schöneberg Mo–Fr 18–24 Uhr Sa + So 14–24 Uhr Alfred Ehrhardt Stiftung bis 26. April 2015 Jörn Vanhöfen »Loop« Auguststraße 75 10117 Berlin-Mitte Di–So 11–18 Uhr Do 11–21 Uhr Helmut Newton Stiftung bis 17. Mai 2015 Helmut Newton »Permanent Loan Selection« Jebensstraße 2 10623 Berlin-Charlottenburg Di, Mi, Fr 10–18 Uhr Do 10–20 Uhr Sa, So 11–18 Uhr Museum für Fotografie 24. April bis 2. August 2015 Willy Maywald Jebensstraße 2 10623 Berlin-Charlottenburg Di, Mi, Fr 10–18 Uhr Do 10–20 Uhr Sa, So 11–18 Uhr Kulturforum bis 26. Juli 2015 Mario Testino »In Your Face« Matthäikirchplatz 4/6 10785 Berlin-Schöneberg Di–Fr 10–18 Uhr Do 10–20 Uhr Sa, So 11–18 Uhr Märkisches Museum 17. Juli bis 25. Oktober 2015 Cecil F. S. Newman »Berlin 1945/46« Am Köllnischen Park 5 10179 Berlin-Mitte Di–So 10–18 Uhr Kommunale Galerie Berlin bis 19. Juli 2015 Karl-Ludwig-Lange »Der Photograph in seiner Stadt« Hohenzollerndamm 176 10713 Berlin-Wilmersdorf Di–Fr 10–17 Uhr Mi 10–19 Uhr C/O Berlin 26. Juni bis 16. August 2015 Talent 33. Aniversaries Marc Beckmann / Sarah Alberti Hardenbergstraße 22 10623 Berlin-Charlottenburg täglich 11–20 Uhr Galerie Dittmar bis 25. April 2015 Horst Schäfer Auguststraße 22 10117 Berlin-Mitte Di–Sa 12–18 Uhr Johanne Breede PHOTOKUNST 20. Juni bis 5. September 2015 Sheila Rock Beat Presser »SEASCAPES« Fasanenstraße 69 10719 Berlin-Charlottenburg Di–Fr 11–18 Uhr Sa 11–16 Uhr und nach Vereinbarung Rathaus Köpenick bis 8. Mai 2015 FOTO KLUB FORUM BERLIN 2015 Alt-Köpenick 21 12555 Berlin-Köpenick Mo–Fr 8–20 Uhr Sa + So 9–18 Uhr Fotogalerie Friedrichshain 24. April bis 5. Juni 2015 Gruppenausstellung »Delphi« Helsingforser Platz 1 10243 Berlin-Friedrichshain Di, Mi, 14–18 Uhr Fr, Sa 14–18 Uhr Do 10–18 Uhr room with a view 24. April bis 26. April 2015 Kerstin Brandau »portraits in music« Vernissage: 24. April 2015, 19 Uhr 26. Juni bis 28. Juni 2015 Oliver S. Scholten »Fotografie als Waffe« Vernissage: 26. Juni 2015, 19 Uhr position fotografie Lütticher Straße 46 13353 Berlin-Wedding Sa + So 14–18 Uhr brennpunkt 2/2015 61 Galeriebericht Bilder und Wortgebilde Zum letzten Monat der Fotografie hatte sich die Schule und Galerie imagofotokunst sehr ergiebig dem Thema »Babel« gestellt, auf der Suche nach einer gemeinsamen Bildsprache für die Vielfalt Europas. Nun haben sich 7 Teilnehmer der Aufbauklasse von Mathias Richter »WORTGEBILDE« einfallen lassen, mit wunderbaren Ideen. Gestenreich schwatzen Barbara TöpperFennels Gesprächspaare vor der Haustür, fröhlich schreiben Matthew Lings Protagonisten ihre Statements mit Licht auf ihre Porträts, sensibel interpretieren Erika Mor und THE DUN DOG Lyrik, und Claudia Lerch durchleuchtet buchstäblich beiderseits bedruckte Journale auf einen Bild-Text-Zusammenhang. Kat Kapo erfindet freche Texte zu skurrilen Fotos aus dem Familienalbum und ermöglicht mir damit einen Brückenschlag zu Kermit Berg im Märkischen Museum, der in einer luxuriösen, aber total blutleeren Installation Briefe seiner Eltern aus der Zeit des Kalten Kriegs in Bezug setzt zu den geradezu klinisch reinen Formen von Design-Objekten des »Space Age«, dargeboten auf »Ultra Smooth Fine Cotton Paper 250 g«. Ähnlich aufwendige Drucktechniken finde ich in der Alten Feuerwache bei Sibylle Hoffmanns Projektkurs »Fotografie und Malerei«, vor allem bei ihrer eigenen Serie, dem düsteren »Nachtschattengarten«. Kraftvolle »konstruktive Konzepte« steuert Uwe Krzyzanowsk bei, streng formal, und Gunda Guldner sehr grüne Waldfantasien auf Photo Rag Fine Art, natürlich von Hahnemühle. Es ist schon Recht, wenn die Oberfläche eine Rolle spielt, gerade im Vergleich zur Malerei. Beim Foto fragt man aber eher nach dem Bezug zur Realität. Ja, ich weiß, ein Foto entsteht zuerst im Kopf. Aber dann muss es durch das Nadelöhr der Optik und lässt Federn. Das sieht man ihm an. Manchmal so sehr, dass es nur noch mit viel Text einen Sinn ergibt. Wüsste man nicht, dass Liu Xia (Gropius bis 19. April) die Frau des in China verfemten Friedensnobelpreisträgers Liu Xiaobu 62 brennpunkt 2/2015 © Barbara Töpper-Fennel © THE DUN DOG, (O.i.F.) © Eric Pawlitzky, (O.i.F.) © Kermit Berg, (O.i.F.) ist, man würde kaum Interesse aufbringen für ihre makabren schwarzweißen Puppenbilder, die an Hans Bellmer erinnern, aber aufgeladen sind mit politischem Sprengstoff. Nur daraus ziehen sie ihre Wirkung. Interessanter ist die Umkehrung, wenn ein schönes Landschaftsbild eine unvermutet schreckliche Vergangenheit hat. Bei Kehrer in der Potsdamer sind das idyllische Waldseen, die sich als Bombenkrater entpuppen. Henning Rogge hat sie aufgespürt, allenthalben im geschundenen Europa. Eric Pawlitzky treibt das noch weiter in der »Fotogalerie«. Den traumhaft schönen Landschaftsbildern aus seiner polnischen Heimat fügt er nüchterne Kriegsberichte bei von vor hundert Jahren. Mit diesem Wissen tut uns das zarte Morgenlicht, der glitzernde Schnee über den Schlachtfeldern der Geschichte sehr weh. Der Autor betreibt in Friedenau ein Fotostudio, in dem er regelmäßig Nachwuchsfotografen ausstellt. Eine ähnlich sympathische Kombination praktiziert Benita Suchodrev am Viktoria-Luise-Platz (siehe Seite 16). Sie hat sich einen Namen gemacht mit »Woman in Heat«, starken Porträts von Frauen über vierzig, die bei Carpentier zu sehen waren und als Buch erschienen sind. In ihrem schönen Studio zeigt sie Vintageprints, die sie als Sammlerin ausweisen. Sie setzt Fotos von Kriegsberichterstattern in Bezug zu privaten Bildern aus derKriegs- und Nachkriegszeit, oft ganz spontan entstanden, aus einer emotionalen Situation heraus, und damit durchaus von künstlerischem Wert. Die Patina und der neue Galeriebericht © Dieter Matthes, (O.i.F.) © Jacques H. Sehy Kontext tun ein Übriges. Als Fotografin hat Benita Suchodrev einen Blick für die Geschichten in den Bildern. Man muss sich Zeit nehmen und ihnen nachspüren. In einem extra Raum zeigt sie in Leuchtkästen eigene Bearbeitungen von Porträts jener Zeit, bei denen sie durch Dopplungseffekte die Vielschichtigkeit der Charaktere zum Ausdruck bringt. .Ein Meister der Verfremdung durch Reduktion ist entschieden Jacques H. Sehy mit seinen schwarzweißen Lichtzeichnungen von »hundert Berliner Köpfen« im Haus am Lützowplatz. Klar, dass alle Besucher der Vernissage bemüht sind, die teilbeleuchteten Gesichtsfragmente zu deuten und gar ihr eigenes darunter zu entdecken. Es ist ein Spiegel der Berliner Kulturszene, ein work in progress, wer nicht dabei ist, kann noch hoffen. Sehy geht aber noch einen großen Schritt weiter, aus Köpfen werden Chiffren, einfach dadurch, dass er sie wie Schriftzeichen auf Rollenpapier reiht zu schier endlosen Kolonnen, weiß auf schwarz, von der Decke bis zum Boden, als Metapher für das Verschwinden des Individuums in der Masse. Wollen Sie jetzt noch dazu gehören? Mit dem weiblichen Körper verfährt er nicht so grausam. Bei Tammen & Partner zeigt er parallel seine mit derselben Technik entstandenen Aktstudien, deren fließende Linien und Formen sein Lichtstab zärtlich heraushebt aus der Schwärze der Nacht, ein sinnliches Erlebnis. Niemand interessiert sich bei Sehy übrigens für das Material der Oberfläche. Die Strahlkraft der analogen Bilder kommt ganz von innen her. Strahlkraft ist wohl © Dietmar Bührer, Rudolf Springer, 1975 noch etwas anderes als die viel bemühte Ausstrahlung, die man von einem guten Porträt erwartet. Die Freunde des WillyBrandt-Hauses haben das auf einen einfachen Nenner gebracht: Carsten Sander, (Nomen est Omen) zeigt unter dem Titel »Heimat Deutschland – Deine Gesichter« »immer die Essenz eines Menschen und damit die Essenz dieses Landes«. Oh weh! Wer wollte sich dessen erkühnen! Was wir in der erfreulich stark besuchten Ausstellung sehen, sind sehr ehrliche, sehr nüchterne Konterfeis, ungeschönt und wohltuend distanziert. Ich bin mir nicht sicher ob White Walls opulenter Leinendruck dem Konzept des Fotografen förderlich ist. Wäre interessant, was August Sander dazu sagen würde. Sicher würde er das soziale Umfeld vermissen, das er selbst einbezogen hat in seine Chronik der Deutschen, und nach ihm Stefan Moses auf seine humorvolle Weise. Berliner Künstler haben immer gern Berliner Künstler zum Gegenstand ihrer Kunst gemacht. Eine Inzucht, die selten zu Missgeburten geführt hat, eher zu heiteren und grotesken Ergebnissen. So ist Andreas Kämper in den wilden Neunzigern losgeritten mit gezückter Kamera, um die Mauern der Volksbühne zu erstürmen, Ritter Castorfs Schloss. Er hat reiche Beute mitgebracht, die er uns noch bis 12. April in der Rangsdorfer Seebadallee freundlichst zugänglich macht. Ich kenne Andreas K. seit Wendezeiten, er ist einer der Ex-DDR-Fotografen, die über den Dingen stehen und gleichzeitig mittendrin sind im Geschehen. Diesen Spagat schafft er mit seinem Witz. In unserer letzten Ausgabe finden Sie Beispiele. In den Siebzigern hat Dietmar Bührer, der »Vater« dieses Magazins, auf sensible und sprechende Weise Westberliner Künstler porträtiert, in zarten Grautönen. 40 Jahre später hat er einige davon wieder besucht und die so entstandenen Bildpaare mitten in der Kreuzberger Marheinekehalle aufgehängt, herrlich eingebettet in das quirlige Markttreiben. Da begegnen wir Günter Grass, Johannes Grützke, Matthias Koeppel und Klaus Vogelsang und lesen in ihren Gesichtern etwas von ihrer geistigen Reifung (siehe brennpnkt 1/2015). Der Kontrast zu den schrill-bunten Porträts von Dieter Matthes könnte nicht größer sein, obwohl beide Künstler seit langem freundschaftlich verbunden sind. Matthes war 90 bis 93 auf dem Berliner Tuntenball unterwegs. Bis 26. April hängen seine herrlich verrückten Schnappschüsse und einfühlsamen Porträts im Szene-Café »Berio« am Nollendorfplatz, wo sie gewissermaßen »hingehören«. Wenn wir uns Mühe geben, entdecken wir unter der Schminke etwas von der Tragik dieser Rollenspiele. Ganz locker und ohne Maske erleben wir Jugendliche im Ferienlager oder am Wochenende in der aff-Galerie, unter dem ironischen Titel »Ohne Sorgen«. Alles in Farbe, dennoch mit Grauzonen im Blick auf eine ungewisse Zukunft. Fotografisch ist das nicht immer ausgereift, muss nicht. Aber die Botschaft kommt besser rüber, wenn die Gestaltung stimmt, wie bei Andrea Dieffenbach, die sich der Arbeitsmigration in Europa annimmt. Die junge Fotografin beobachtet Kinder auf dem Balkan, die ihre Eltern oft jahrelang nicht sehen, weil die in Italien gastarbeiten. Wieder brennpunkt 2/2015 63 Galeriebericht © Monique Jacot, »Paris«, 1962, / Fotostiftung Schweiz, Winterthur © Stephan Vanfleteren, Georgette, Brussel, Bruxelles, Brussels, 2004 ein Beweis für die soziale Aufgabe der Fotografie. Das kann auch ein Erfolgskonzept sein. Der Belgier Stephan Vanfleteren hat 4 x den World Press Award gewonnen mit seinen kraftvollen schwarzweißen Porträts von Randgruppen der Gesellschaft. Sie erinnern in ihrer urigen und schonungslosen Art an Anders Petersen aus Strömholms schwedischer Schule mit seinem »Café Lehmitz«. Die Galerie Hilaneh von Kories in Schöneberg zeigt sie noch bis 17. April 2015. Bei den Fotografinnen gab es 3 Wiederentdeckungen aus dem vorigen Jahrhundert, die wir im letzten »brennpunkt« vorgestellt haben. Johanna Breede und das Verborgene Museum nahmen sich der Monique Jacot an, geboren 1934, ausgebildet in der französischen Schweiz. Was und wie sie fotografiert hat, ist ganz ihrer Zeit verhaftet. Ihre großen Projekte »Frauen auf dem Land« und »Fabrikarbeiterinnen« stehen in der Tradition der Sozialreportage, haben aber in den 80er und 90er Jahren nicht mehr dieselbe Sprengkraft. Ähnlich ist 64 brennpunkt 2/2015 es mit ihren künstlerischen Experimenten auf Polaroidmaterial. Es gibt Parallelen zu Lore Krüger, die c/o Berlin bis 10. April zeigt. Sie ist 20 Jahre früher geboren und hineingewachsen in die Bauhausjahre mit dem »Neuen Sehen« und der Lust am fotografischen Experiment. Zu einer eigenen Handschrift hat sie es nicht gebracht. Man erkennt stets ihre Vorbilder. Pech für beide Frauen war, dass in Berlin ein Stern aufging, der noch bis 12. April im Willy-Brandt-Haus strahlt: Vivian Maier! Nicht nur die Story ist sensationell, auch die Fotos sind es. Die Medien haben ausführlich berichtet und die meisten Leser werden die Ausstellung längst gesehen haben. Gisela Kayser und die Freunde des Willy-BrandtHauses dürfen stolz sein, uns dieses Ereignis beschert zu haben. Ein »Kinderfräulein« fotografiert wie die großen Meister ihrer Zeit! Sie weiß, was ihre Bilder wert sind, sie erlebt »The Family of Man« im MOMA, aber sie hält ihre Schätze verwahrt, viele ihrer Bilder hat sie nie gesehen, weil sie die Entwick- © Markus Lehr, Fairytales and Nightingales lung der Filme nicht bezahlen konnte. Wenn man diese Schätze jetzt betrachtet, hat das was Unheimliches, die toten Augen der Vivian Maier sehen uns über die Schulter, man schämt sich, sehen zu können, was sie nie erblickte. Aber es wäre doch jammerschade, wenn uns diese Bilder aus Gründen der Pietät nie erreicht hätten. Vivian Maier hatte auch eine Neigung zu Abgründigem, für Polizeieinsätze und Unfälle, eine dunkle Seite, die auch ein Grund für ihre Abschottung sein könnte. Kehren wir zurück in unsere Stadt, die mit »Berlin Photography« bei Carpentier in 6. und 7. Folge ablief. Durch die Nacht der Großstadt führt uns eine spannende Taxifahrt mit York Wegerhoff, eine makabre Sequenz in hartem Schwarzweiß von Henrik Vering und ein wenig überzeugender Spaziergang bei Schnee und Eis von Jörg Rubbert, Galeriebericht © Henrik Vering, Berlin - die Stadt und die Beute © Manfred Kriegelstein, »Restroom«, (O.i.F.) Untitled, 1954, © Vivian Maier/Maloof Collection, Courtesy Howard Greenberg Gallery, N.Y. © Mauro Casalboni, Ristorante Nardò während Markus Lehr in die nächtliche Szenerie geheimnisvolles Licht zaubert. Eher nüchtern sind die Architekturen von Jörg Schmiedekind, mehrdeutig die von Stefanie Bürkle und Michael H.Rohde stellt seine Interieurs frech und trickreich auf den Kopf. Von Maximilian Meisse sind mir noch zauberhafte Fassaden aus Venedig in Erinnerung, Berlin hat ihn wohl nicht so inspiriert. Bei Gino Puddu im Café Aroma ist bis Ende Mai Mauro Casalboni zu Gast, den die Liebe zum Detail durch Berlin und halb Europa getrieben hat, mit überraschenden Perspektiven und einem feinen Gespür für geradezu musikalische Bildkompositionen. Jedes Foto ist ein ästhetischer Genuss. Auf den Menschen verzichtet er dabei ganz. Volker Wartmann be- und vergnügt sich mit dessen Spuren. Er hat ein Faible für scheinbar banale Innenräume wie Lager und Büros, die Unbefugten nicht zugänglich sind. Bei Carpentier waren es 2014 die »Geheimnisvollen Orte im Rathaus Schöneberg«. Nun ließ ihn die »Stiftung Warentest« am Lützowplatz gewähren und zeigt genug Humor, seine amüsanten fotografischen Entdeckungen vor Ort, im Foyer des Hauses auszustellen, zur Freude der Mitarbeiter und Besucher. Auch Altmeister Manfred Kriegelstein war in »Räumen« unterwegs, die man normalerweise nicht kennen lernt. Sie sind vom Menschen längst verlassen, haben aber eine intensive Aura, die von ihrer einstigen Bestimmung kündet. Die aufwendigen Drucke fügen sich wunderbar ein in Kriegelsteins Gesamtwerk »Ästhetik der Vergänglichkeit«. Zu sehen waren sie in den schönen Räumen des Kulturhauses Karlshorst. Sein Thema ist auch das des Kanadiers Robert Polidori, dessen spektakuläre Tableaus 2006 im Gropiusbau ausführlich vorgestellt wurden und nun zum 4. Mal in einer Auswahl bei Camera Work gezeigt werden, bis zum 18. April. Faszinierend sind die absolute Perfektion und der Detailreichtum der großen Formate, was besonders in Versailles zur Geltung kommt, weil die dort gezeigten, gelagerten, auch mal achtlos über Kopf an die Wand gelehnten Ölgemälde wie auf einer idealen Reproduktion erscheinen. Ebenso achtlos hingeworfene Tücher, eine bekleckerte Malerleiter unterstreichen noch die Wirkung. Es ist wieder mal die Ironie, der Humor, der den Betrachter glücklich macht. Und glücklich wollen wir doch alle sein. Klaus Rabien brennpunkt 2/2015 65 Pepper´s Photo Chat »Auch in der Inszenierung bleibt genug Freiraum für Entfaltung und Spontanität.« – Pepper im Gespräch mit Marit Beer Pepper: Als ich dich kürzlich um ein Interview gebeten hatte und dir sagte, dass ich deine Arbeit in eine von mir beobachtete neue romantische Fotografie einordnen würde, die ich zur Zeit vor allem bei jüngeren Fotografinnen beobachte, da wusstest du zunächst nicht so richtig etwas mit dieser Einordnung anzufangen. Ich hatte dann geantwortet, dass ich das Poetische, Traumhafte, Märchenhafte und Symbolische meine, das ich in Deiner Arbeit sehe. Und als weiteres Beispiel, das meine Behauptung illustrieren soll, hatte ich die bei Krakau lebende Polin Laura Makabresku angeführt. Wie siehst du selbst deine Arbeit? Marit Beer: Mit deiner Frage fühlte ich mich auch ziemlich überrumpelt, weil ich normalerweise die Fotografen für das Online-Magazin kwerfeldein ausfrage, warum sie machen was sie tun. Aber ich fand es sehr spannend, wie du meine Arbeiten einordnest und konnte die genannten Begriffe gut mit meiner Arbeit in Verbindung bringen. Ich bin © Marit Beer, aus der Serie: »Geister« also selbst gespannt wo wir am Ende des Interviews stehen. ablichten bzw. inszenieren möchtest? Ich sehe meine Arbeiten als das Resultat Oder eine – vielleicht einvernehmlieines Gespräches, indem nicht zwingend che und wortlose – Kommunikation mit Worte vorkommen. Die Bilder müssen einem Modell? Das ist mir jetzt nicht subtil sein, etwas Unausgesprochenes so klar. soll den Betrachter herausfordern. Ich mag es, wenn sie mir manchmal selbst Marit Beer: Wenn ich mit Menschen ein Rätsel sind – diffus, dunkel, eben arbeite, dann ist das immer eine poetisch. Zusammenarbeit, in der beide bereit sind etwas zu geben. Auch in der Pepper: Was meinst du mit dem Inszenierung bleibt genug Freiraum für Gesprächsresultat? Eine stille Zwie- Entfaltung und Spontanität. Ich habe sprache mit dem Gegenstand, den du kein bestimmtes Bild im Kopf, das ich 66 brennpunkt 2/2015 inszenieren und ablichten möchte. Da ist oft nur ein vages Gefühl, das ich vor der Zusammenarbeit kommuniziere und das die Bilder, die entstehen sollen, trägt. Aus diesem Grund arbeite ich vor allem gerne mit anderen Künstlern zusammen, die selbst fotografieren, schreiben, schauspielern oder sich anders künstlerisch betätigen. Ich mag den Gedanken, nicht einen Menschen zu inszenieren, ohne dabei auf seine Persönlichkeit einzugehen. Die Fotos sind dann das Resultat. Pepper´s Photo Chat © Marit Beer, aus der Serie: »Mondlicht«, (O.i.F.) auszufordern. Als letztes ist mir das mit Gloria und Julia gelungen. Wir haben zusammen an einer Serie gearbeitet, die die Spannung zwischen zwei Schwestern widerspiegeln soll. Ich ließ sie vor der Kamera verschiedene Gefühle wie Hingabe, Liebe und Eifersucht selbst ausloten. Pepper: Das aktive Mitwirken der Portraitierten ist also von elementarer Bedeutung in deiner Arbeit. In gewisser Weise bist du so etwas wie eine visuell © Marit Beer, aus der Serie: »Metamorphosis« arbeitende Psychologin, die die Menschen vor ihrem Kameraobjektiv Pepper: Du sagst, dass du vor einer erzählten. Das war für mich etwas aus sich herauskommen lässt. Dabei Fotosession kein bestimmtes Bild im komplett Neues, denn bis dato ließ geben diese dann einiges von sich preis. Kopf hättest, das du gerne inszenieren ich nur Freunde und gute Bekannte in Doch, das hat wirklich etwas von der und ablichten möchtest. Aber wenn ich meine Wohnung. So kam ich auf die Arbeit eines Psychologen, nur dass Du an mir deine Homepage ansehe, so sehe Idee, dieses Fremde zu verbildlichen, keine Schweigeverpflichtung gebunden ich doch eine gewisse Orientierung und zog zwischen mich und die fremde bist und die Portraitierten das auch gar in Deiner Arbeit. Du übertitelst deine Person eine durchsichtige Mauer in Form nicht von Dir erwarten. Du ermunterst Homepage ja auch direkt mit den einer einfachen Malerfolie, die Teile sie zum – ich meine das jetzt positiv – Worten »Tales & Photography«. Du des jeweils Anderen nur schemenhaft Exhibitionismus, zum Offenlegen ihres möchtest Geschichten erzählen, oder? abbildete. Und je nachdem, wie nah Seelen- und Gefühlslebens. Die Arbeit Und du magst eine märchenhafte und man an die Folie kam, wurden die mit deinen Modellen Julia und Gloria, poetische Atmosphäre. Also scheint mir Konturen der Körper schärfer oder so wie du sie schilderst, hat für mich eine eigene Grundidee doch vorhanden unschärfer. Denn genauso nahm ich fast etwas Therapeutisches. zu sein, wenn du mit einem Modell die Fremdheit war. arbeitest, oder irre ich mich da? Ich überließ es dann den Menschen Marit Beer: Deine Gedanken zu meiner hinter der Folie, wie sie sich beweg- Arbeitsweise sind sehr interessant. Aber Marit Beer: Ich habe eine Weile über ten. Einige tanzten, andere berühr- ich sehe das eher als eine Kulisse, die deine Fragen nachdenken müssen, aber ten vorsichtig die Folie oder rissen sie ich vorbereite und eine Stimmung, du hast Recht. Die Idee bin ich wohl sogar ein und versuchten, hindurch zu die ich vorgebe. Ich möchte es daher selbst. Nehmen wir als Beispiel meine steigen. Diesen Prozess fand ich total lieber als Theater beschreiben, wo der Geisterserie. Am Anfang stand lediglich spannend. Denn ich glaube, Menschen Mensch eine Bühne erhält auf der er das Gefühl von Fremdheit. Ich fing bekommen nicht nur gerne Geschich- sich austoben darf wie ein Schauspieler. gerade an, Menschen zu fotografieren, ten erzählt, sondern sie erzählen auch Nur das ich Regisseur und Publikum in die ich zuvor nicht kannte. Was ich selbst gerne Geschichten. Ich versuche einer Person bin und mit der Wahl des von ihnen wusste, war lediglich das, also mit jeder Idee, die ich habe, den Bildausschnitts bestimme, wie das Bild was sie mir im Erstgespräch von sich Anderen ebenfalls zum Mitwirken her- am Ende auf den Betrachter wirken wird. brennpunkt 2/2015 67 Pepper´s Photo Chat Und ich gehe dabei sehr empathisch vor, weil mich der Mensch an sich interessiert. Pepper: Das heißt, dass du beim Fotografieren zwar eine Idee von dem erwünschten Ergebnis hast, aber erst durch anschließendes Auswählen eines Bildausschnitts im Negativ oder in der Datei das finale Werk kreierst? Oder sprichst du von dem Bildausschnitt des inszenierten Geschehens, den du bereits im Sucher deiner Kamera festlegst? Marit Beer: Ein befreundeter Fotograf nannte seine Fotografie einmal Prozessorientiert. Ähnlich sehe ich das bei mir auch. Die Idee kommt während der Aktion. Ich sehe, begreife und wähle dann den Ausschnitt den ich haben möchte. Manchmal wiederholen wir dann auch eine Szene die mir gefiel, wo ich aber nicht schnell genug war, um das Foto zu machen. Das finde ich an dieser Arbeit auch so spannend. Keiner weiß am Anfang, wie das finale Bild aussehen wird. Wir bewegen uns langsam darauf zu. Da ich nur analog arbeite und sehr gern mit Mittelformat, werden es auch maximal 24 Bilder, also zwei Rollfilme, die ich belichte. Pepper: Warum hast du dich dazu entschieden, nur analog zu arbeiten? Marit Beer: Weil es mir ein besseres Gefühl gibt. Ich habe analog und digital damals die gleichen Chancen eingeräumt, aber die Arbeitsweise mit Film gefiel mir am besten, und ich verstehe sie. Pepper: Nur maximal 24 Aufnahmen zu machen, wenn man ein Model oder mehrere für eine Session einlädt und dafür dann auch ein Setting, eine Art Kulisse arrangiert, das scheint mir doch sehr konzentriert zu sein. Da kann viel schief gehen. Die Models sind anfangs evtl. noch nicht locker genug, um sich auf deine Ideen einzulassen, sie sind vielleicht noch zu steif und gezwungen in ihrer Haltung, in ihrer Mimik. Wenn ich selbst mit neuen Modellen arbeite, und ich bevorzuge Laienmodelle, die noch nicht diese vorgefertigten Posings beherrschen, dann merke 68 brennpunkt 2/2015 © Marit Beer, »blind« ich, dass es schon mal eine Stunde des Fotografierens bedarf, bis ich die Leichtigkeit und Natürlichkeit beim Model sehe, die ich im Bild haben will, bis sich das Model also an die Situation und an mich als fremde Person gewöhnt hat. Ich spreche jetzt natürlich von Laienmodellen, mit denen ich bis dahin noch nicht zusammengearbeitet habe. Würde ich mich also da auf 24 Aufnahmen beschränken, würde ich möglicherweise scheitern. Sind die Menschen, mit denen du zusammenarbeitest, überwiegend Bekannte und Freunde von Dir oder Menschen, die du durch deinen Freundes- und Bekanntenkreis kennenlernst? Ich fasse die zwei Fragen noch mal zusammen. Ist die kontingentierte Bildmenge immer ausreichend für dich? Und woher kommen deine Modelle? Marit Beer: Konzentriertes Arbeiten trifft es. Ich arbeite mittlerweile mit einer Handvoll Leuten die ich über die Jahre kennengelernt habe. Ein Freund fragte mal, ob ich mein »Ensemble« schon zusammen hätte. Das ist eine schöne Bezeichnung. Die Leute kennen mich, ich kenne sie, und mit einigen bin ich auch gut befreundet. Manchmal kommt es noch vor, dass Menschen auf mich zukommen und fragen, ob ich sie fotografieren möchte, weil sie meine Arbeit schätzen. Auch hier merke ich dann, dass es da keine große Scheu mehr gibt, und dass sie sich drauf einlassen können. Das macht es möglich, konzentriert zu arbeiten und ich bekomme das auch als Rückmeldung: dass sie das langsame Arbeiten angenehm finden. Ich beschränke mich einfach sehr gern und möchte das Wesentliche aus allem rausarbeiten. Dafür braucht es natürlich Zeit. Aber nicht hinter der Kamera mit dem Finger auf dem Auslöser, sondern schon vorher. Sich mit den Leuten beschäftigen, eine angenehme Beziehung aufbauen, nimmt den Leuten die Angst vor dem Unsichtbaren. Pepper´s Photo Chat © Marit Beer, aus der Serie: »Schwestern«, (O.i.F.) Pepper: Gibt es einen bestimmten Typus Mensch, den du bevorzugt fotografierst? Marit Beer: Ich fotografiere gerne Menschen die sich ebenfalls künstlerisch betätigen. Das gibt oft sehr gute Gespräche und bringt auch mich im Denken weiter. Weniger gute Erfahrungen habe ich gleich ganz am Anfang mit FreizeitModellen gemacht. Da gab es oft eine Diskrepanz zwischen dem was die wollten und dem was ich wollte. Anfänglich hatte ich da noch probiert einen Weg zu finden der beide Seiten glücklich machte. Aber mit der Zeit war mir klar, dass so nicht die Bilder entstehen, die mich glücklich machen. Pepper: Wenn Du erlebt hast, dass ein Model seine Ideen mit einbringen wollte, dann hast du aber immer auf einer Time for Print Basis gearbeitet. Bei bezahlten Fotosessions könnte Dir das nicht passieren. Eine Gefahr bei TfP liegt doch darin, dass ein Model dir irgendwann untersagen kann, die Zeit meinen philanthropischen Umgang bewahrt sowie eine eigene Bildsprache entwickelt. Seit Jahren nun habe ich eine Handvoll Leute mit denen ich immer wieder zusammen arbeite und im vorletzten Jahr hatte ich meine erste Ausstellung mit Dvorah Kern zusammen in der aff Galerie. Bei der Vorauswahl der Bilder passierte dann auch genau das, von dem du sprichst. Ich durfte zwei Bilder nicht zeigen und der Grund war für mich auch nachvollziehbar. Auf dem Bild war ein Paar zu sehen das mittlerweile nicht mehr zusammen ist und sich genau zur Zeit der Ausstellung in der Trennungsphase befand. Das Model hatte kein gutes Gefühl mit den Bildern an der Wand. Für mich war das vollkommen ok und mir fiel auch kein Zacken aus der Krone als ich diese Bilder dann eben nicht zeigen konnte. Mittlerweile gibt es jedoch mehr Interessenten an meinen Bildern und auch mehr Ausstellungsmöglichkeiten. Für die bereits freigegebenen Bilder für Ausstellungen in Galerien und Magazinen werde ich in Zukunft die beteiligten Personen und mich noch besser absichern, damit das MoMA keine Angst haben muss die Bilder wieder abhängemeinsam gemachten Fotos zu ver- gen zu müssen. wenden, denn rechtlich hast du in so einer Situation keinen Anspruch darauf. Pepper: Du arbeitest gerne mit Frauen Hast du da keine Angst, dass du Teile deiner Generation. Weil ihr generatiDeines Werkes, das mit viel Mühe und onsbedingt möglicherweise ähnlich Engagement entsteht, irgendwann ein- empfindet, gerade in Bezug auf Themal nicht mehr zeigen darfst? Vielleicht men und Bildinhalte? trifft solch ein Bann dann ausgerechnet deine besten Fotos. Mir wäre das Marit Beer: Die Frauen sind zwischen Risiko zu hoch. zwanzig und vierzig, ich muss also verneinen. Allerdings muss ich zugeben, Marit Beer: Das ist ganz richtig. Aber als dass sich jüngere Frauen ungezwunich anfing Menschen zu fotografieren, gener vor einer Kamera bewegen könhabe ich nicht im Traum daran gedacht nen. Ältere Frauen vergleichen sich eines Tages Bilder irgendwo auszustellen, oft mit jüngeren Modellen, die sie auf geschweige denn zu verkaufen. Im Fotos anderer sehen. Ich habe mir schon Vordergrund stand für mich etwas ganz den Mund fusselig geredet über Stereoanderes: Der Umgang mit Menschen, type und Schönheitsideale. Hängende die man für kurze Zeit trifft; zu üben, Brüste, schlaffe Haut an den falschen auf sie einzugehen und herauszufinden, Stellen, das lässt das Selbstwertgefühl wo meine Fotografie hingeht bzw. was ganz schnell sinken und macht mich ich mit ihr zu sagen habe. Und um manchmal regelrecht wütend. Aber diese Anfangszeit bin ich auch sehr nicht auf die Frauen, sondern auf das dankbar und auch um alle Erfahrungen, Ideal, das wir alle überall mit Bildern die positiven wie auch die negativen. produzieren und ich schließe mich da Sie haben mich zu Entscheidungen nicht aus. Ich hoffe wirklich, ich kenne gezwungen und ich habe mir über diese meine Handvoll Leute auch noch in brennpunkt 2/2015 69 Pepper´s Photo Chat zwanzig und dreißig Jahren und darf sie dann immer noch mit all ihren wundervollen Lebensfalten und grauen Haaren fotografieren. Ich würde auch gern mit älteren Menschen arbeiten, aber es ist gar nicht so einfach an diese heran zu kommen. Meine bisherigen Versuche waren diesbezüglich leider vergebens. Wenn du aber ältere Damen kennst die Geistergeschichten mögen, dann sag mir bitte Bescheid. Pepper: Du würdest gerne Geistergeschichten mit älteren Menschen inszenieren? Weißt du, dass Elemente des englischen Schauerromans von der Literatur der Romantik aufgenommen wurden? Da nähern wir uns ja ganz allmählich meiner These, dass deine Fotografie etwas Romantisches an sich hat. Marit Beer: Als du meine Bilder mit dem Wort romantisch beschriebst, ging ich von der Bedeutung in unserem heutigen Sprachgebrauch aus und sah vor mir eher bunte Blumenbuketts. Dass die Romantik, bzw. die schwarze Romantik Elemente des englischen Schauerromans aufnahm kann ich daher mit ja beantworten. Du möchtest sicher auf die gequälte Seele hinaus, die zu einem Grundthema der Romantik gehört? Pepper: Nicht nur, aber auch, ja. Gerade in den Arbeiten der eingangs von mir erwähnten Laura Makabresku ist das ja überdeutlich zu spüren. Soweit ich weiß, leidet die Fotografin unter Schizophrenie und lebt ziemlich zurückgezogen in der Nähe von Krakau. Ihre Fotografie scheint ihre Art der Kommunikation mit der Außenwelt zu sein, mit der sie sich mitteilt. Das ist bei anderen Fotografen auch so, aber für jemanden, der so abgeschieden lebt, ist das vielleicht noch von größerer Bedeutung. In ihren Arbeiten kommen Selbstverletzungen bzw. Verletzungen vor, aber auch große Zärtlichkeit. Zudem ist die Natur in ihren Aufnahmen wichtig: Laub, ausgestopfte Tiere, Wald. Und diese Hinwendung zur Natur ist ja ebenfalls ein Aspekt der Romantik. Allerdings habe ich bei meiner Begriffswahl nicht nur an die Romantik des 19. Jahrhunderts gedacht, sondern ich sehe das zeitloser. Es ist eher eine zarte Empfindung, die sich mir in vielen aktuel70 brennpunkt 2/2015 © Marit Beer, aus der Serie: »Schwestern«, (O.i.F.) len Fotografien vermittelt. Zwischenmenschliche Zärtlichkeit ist ein auffälliges Thema, manchmal sehr poetisch und in gewisser Weise verschwommen, unscharf gestaltet. Dann fällt mir die Verwendung alter Requisiten, wie beispielsweise Mobiliar und Wohnaccessoires aus den 1920er und 1930er Jahren auf, und die Verwendung von Kleidungsstücke aus Vorkriegsjahrzehnten (ich meine den zweiten Weltkrieg). In deiner Serie Gloria & Juliet arbeitest Du ja auch in solch einem Interieur. Dieser Rückgriff auf Altes hat für mich auch etwas Romantisierendes an sich, zumindest in der Art wie sie von Dir und anderen – vielleicht ja unbewusst – eingesetzt wird. Ich habe vor nicht allzu langer Zeit ein paar interessante Fotos gesehen, deren Urheber ich allerdings nicht kenne. Zu sehen ist auf ihnen ein zartes junges weibliches Wesen, das auf einem Teich oder einem Flüsslein treibt, bekleidet mit einem wallenden Kleid. Ich musste sofort an das Gemälde Ophelia von dem Präraffaeliten John Everett Millais aus der Mitte des 19. Jahrhunderts denken. Marit Beer: Die Hinwendung zur Natur in unserer Zeit ist sicher ein Zeichen dafür, dass wir etwas vermissen oder suchen. Die Natur ist ausgesperrt, jene, die vor den Toren der Stadt liegt, und jene in uns drinnen. Der Mensch wird gemaßregelt, die Natur beschnitten. Ich sehe viele Bilder anderer Fotografen als das Resultat eines Gefühls von Verlorenheit und die Suche nach dem Ursprung. Die Fotografien, die du ansprichst, werte ich als Spiegelbild unserer Zeit. Darin werden ausgestopfte Tiere an den Kaffeetisch eingeladen, wie bei Laura Makrabesku, oder Unmengen von Ophelias in Seen, Badewannen oder Schwimmbädern »ertränkt«. Und in all dem Schönen, Leichtem und Zartem schwingt etwas Dunkles mit. Bei den toten Tieren von Laura stockt mir manchmal der Atem. Sie schafft es ein oberflächliches Gefühl von Poesie und Zärtlichkeit zu vermitteln, doch schaut man weitere Arbeiten von ihr an, ist das Unaus- Pepper´s Photo Chat Pepper: Das macht doch nichts. Unser Gespräch handelt ja auch von deiner eigenen Fotografie. Und da ist es spannend zu hören, was dich noch so umtreibt. Wie thematisierst du in deiner Arbeit den Tod? © Marit Beer, aus der Serie: »Waiting for the fox« sprechliche in den Bildern bemerkbar – nämlich die geschundene Seele und damit wären wir wieder in der Romantik angekommen. Pepper: In diesem Sinne siehst du also auch einen romantischen Aspekt in der Arbeiten einiger junger Fotografen und Fotografinnen. Wen von ihnen schätzt du denn besonders? Und warum? Marit Beer: Ich versuche meine Bilder nicht in einer bestimmten Zeit zu verorten aber gleichzeitig mit bestimmten Hilfsmitteln den Tod zu realisieren. Bilder sollen wie eine Erinnerung wirken, die nichts direkt mit der Gegenwart zu tun hat. So ist es mit dem Tod ja auch. Er liegt irgendwie in der Ferne, irgendwie aber auch hinter uns mit all unseren Ahnen und Urahnen. Das ganze wird dann noch mit abgestorbenen Blüten, Knochenwirbeln oder bestimmten Lichtstimmungen verziert. Am Ende wünsche ich mir ein Gedicht, das jeder selber lesen kann. Pepper: Schaffst du eigentlich auch literarische Gedichte, die eine Ergänzung zu deiner visuellen Lyrik darstellen? Marit Beer: Ich sehe das eher als Kon- Vielleicht ist das ja klischeehaft, aber glomerat und mir fällt keiner im spezi- das würde jetzt perfekt zu dem Bild ellen ein, den ich einem anderen vor- passen, das sich gerade vor meinem ziehen würde. Es ist eine Strömung aus inneren Auge auftut. der ich mich manchmal bediene und damit arbeite, wie in der von dir ange- Marit Beer: Gedichte schreibe ich nicht. sprochenen Serie mit Gloria und Julia. Wenn überhaupt, dann mal Vignetten. Ich schätze aber Künstler wie Francesca Aber erzähl mir mal was zu dem Bild vor Woodman, Mascha Kaleko oder Sylvia deinem inneren Auge. Beschreib es! Plath sehr. Und ich denke dass diese Künstler auch großen Einfluss auf viele Pepper: Das wäre jetzt ein schönes, andere junge Künstler haben. Weil in klischeebeladenes Bild: Junge Fotoihren Arbeiten ihre wahre Natur sichtbar grafin schafft träumerisch-nachdenkist, ihr Leiden, aber auch immer Humor, liche Fotos mit Vanitassymbolen darin, versteckt zwischen den Zeilen. und nach getaner Arbeit, oder in einer Pause, gibt es einen Tee, vielleicht in Pepper: Wovon lässt du dich noch in diesem alten Ambiente, zusammen mit deiner fotografischen Arbeit beeinflus- dem Modell, das noch in dem leichten sen und inspirieren? Kleid oder worin auch immer gewandet ist, und dann wird sich über Gedichte, Marit Beer: Skurrile und bizarre Dinge eventuell ja Selbstgedichtetes unterhalinspirieren mich. Ein Thema, von dem ten. Das wäre doch auch ein schönes ich nie ganz weg komme, ist der Tod und Bild; Mädchenromantik vielleicht? der Umgang damit allerorten. Auch die Also das ist jetzt nicht als Werkkritik Unterweltansichten verschiedener Reli- zu sehen, aber das Bild poppte gerade gionen spielen da mit hinein. Wie stel- vor meinem inneren Auge einfach auf. len sich Menschen die Hölle vor, was Ein bisschen denke ich auch an meine ist die Hölle auf Erden usw. Oder Fra- eigene Jugend, als ich, so mit 18, in gen nach dem Bösen, was ist das genau, einem Lyrikkreis war. wie wird es beschrieben. Jetzt kommen wir vom romantischen Mädchenthema Marit Beer: Das ist doch ein schönes aber ganz schön weg, oder? Bild und mit 17 war ich auch so wild- romantisch. Nur das ich damals die Mädels lieber mit Artur Rimbaud ersetzt habe. Liest du eigentlich gern Gedichte? Es gibt ja auch recht unromantische. Pepper: Gelegentlich. Derzeit Heiner Müllers gerade neu bei Suhrkamp erschienenen Gesammelten Gedichte. Sehr viel Schönes dabei, vom Sprachklang vor allem. Aber ich bin kein LyrikVielleser. Es hat bisher auch nur wenige Autoren gegeben, die mich wirklich interessiert haben. Erich Fried habe ich gerne gelesen, und Albert Ostermaier. Einiges von Brasch. Na, ein paar mehr Autoren sind es wohl doch. Von den Klassikern natürlich Celan., insbesondere die Todesfuge, das für mich bis heute eines der wichtigsten Gedichte ist. Ich habe es mal von Gert Fröbe gelesen gehört, das war der pure Wahnsinn. Haben literarische Leseerfahrungen oder visuelle Seherfahrungen aus Theater und Film Einfluss auf deine Bildfindungen? Marit Beer: Ich habe über die Zeit bestimmte Vorlieben entwickelt und schaue mir beispielsweise gern die Arbeitsweisen von Regisseuren wie Lars von Trier, Jim Jarmusch, Tarantino oder Terry Gilliam an. Und ohne Zweifel haben mich deren Filme in ihrer Groteskheit und Intensivität stark beeinflusst. Pepper: Gib mir doch zum Schluss unseres Gesprächs noch einen Ausblick auf dein fotografisches 2015. Woran arbeitest du, was für Projekte möchtest du realisieren? Marit Beer: Ich werde in diesem Jahr an einer dritten Serie arbeiten und mir viel Zeit dafür nehmen. Sie wird die Weiterführung der Geister und Metamorphis Reihe sein und sich inhaltlich mit dem Thema »wahre Natur« beschäftigen. Das Gespräch wurde Anfang 2015 via Facebook geführt. www.maritbeer.de www.flickr.com/photos/einuhr www.obstundmuse.com www.photosbypepper.tumblr.com www.pepperproject.de brennpunkt 2/2015 71 Buchbesprechung Jan Sobottka »KITCHENWORK« Im Reich der Küche Das eigentliches Betätigungsfeld des Fotografen Jan Sobottka sind die Vernissagen der Berliner Galerien und Museen. Dachte ich immer. Seit Jahren treffe ich ihn dort, mit einer kleinen Kamera in der Hand, eingepackt in seine Lederjacke und den ihm eigenen verschmitzten Charme. Jan dokumentiert die Großen und Eitlen des Kunstbetriebes, aber sein geschärftes Auge sieht auch diejenigen Menschen, die sich durch ihre Ausstrahlung und nicht durch ihren Namen hervortun. Über die Jahre findet er unter diesen immer wieder Frauen, die ihn faszinieren und die er zu einer Fotosession in seine Küche einlädt. Eine ganz normale, kleine, enge Berliner Küche mit Tisch, Sitzbank, Bild an der Wand und Gerümpel auf dem Fensterbrett. Das verblüffende Ergebnis dieser unzähligen Treffen liegt nun mit »KITCHENWORK« vor. Es ist ein faszinierendes Buch über das Fotografieren und eine Reflexion über die Anziehung der Geschlechter. Mit jeder Seite entblättert sich die ganze formale und inhaltlich-emotionale Bandbreite, die zwischen Fotograf und Modell, Künstler und Muse möglich ist. Formal bewegt sich Jan kontinuierlich zwischen zwei Extremen: Einmal benutzt er die Küche so, wie man sie vorfindet, mit allen visuellen Ecken und Kanten. Ein andermal räumt er Tisch, Stuhl, Gegenstände heraus, um das Modell bühnenhaft in den Vordergrund zu stellen. Auch bei den Posen und beim Licht bewegt er sich zwischen den Gegensätzen von natürlich und künstlich, dokumentarisch und inszeniert. Inhaltlich ist »KITCHENWORK« so faszinierend, weil Porträt und Selbstporträt radikal eins werden. Schwer zu sagen, wer agiert und reagiert, Impulse setzt oder aufnimmt. Die Pose, die Kleidung, die Requisiten, die Rolle: sie kommen von beiden Akteuren. Es ist ein Tanz der Geschlechter, zeitlos und sich den72 brennpunkt 2/2015 © Jan Sobottka / KITCHENWORK: Lucy, Sommer 2014 © Jan Sobottka / KITCHENWORK: Schwangere Frau, 2015 noch seiner individuellen Vergänglich- Flirt mit der Kamera bis zum offen einkeit bewusst. gestandenen Begehren und Liebe. Jan Verstärkt wird dies durch die den Fotos lässt uns an diesem inneren Hin und Her zur Seite gesetzten Texte. In ihnen ohne Filter teilhaben. Und daran liegt beschreibt Jan wie und wo er das Modell die besondere Stärke der Arbeit. Wir kennengelernt hat, welche Gefühle und erleben den Künstler, wie er versucht, Gedanken das Fotografieren dieser Frau den Kern der ihn faszinierenden Frau auf in ihm ausgelöst haben. Hier begegnen den Punkt zu bringen. Wie er manchmal wir einer ganzen Bandbreite von Emoti- scheitert, manchmal gewinnt und dabei onen: Vom distanzierten Interesse, zum Einblicke in den fotografisch-künstleri- Ausstellungen © Jan Sobottka / KITCHENWORK: Volpessa, 2012 © Jan Sobottka / KITCHENWORK: La Capra mit verchromten Totenkopf, 2009 © Jan Sobottka / KITCHENWORK: MIR, 2014 © Jan Sobottka / KITCHENWORK: Fantomas, Sommer 2011 © Jan Sobottka / KITCHENWORK: LaTour, Sommer 2014 © Jan Sobottka / KITCHENWORK, 2015 schen Prozess und in sich selbst gibt. In Alle Abbildungen im Buch in Farbe. seiner Faszination für das Ewig-Weibliche zeigt er sich als Romantiker, in der Auflistung der »Wörter die unbenutzt blieben« als Kavalier und in der Gesamtkonzeption von »KITCHENWORK« als kluger Künstler, der ganz bei sich ist und gleichzeitig über sich schwebt. Boris Eldagsen (* 1970 in Pirmasens) Ein Nahtoderlebnis erotischer Art. Deutscher Photomedia-Künstler, lebt Boris Eldagsen und arbeitet seit 1998 in Berlin. KITCHENWORK 64 Fotos von Jan Sobottka Verlag: Seltmann + Söhne, 2015 Texte: Ina Weisse / Jan Sobottka Fadenheftung / Französische Broschur ISBN: 9783944721415 24 x 16,5 cm / 120 Seiten deutsch / englisch brennpunkt 2/2015 73 Buchbesprechung Jörg Rubbert PARIS – NEW YORK – BERLIN Straßenfotografie / Street Photography 1978 - 2010 Verlag PalmArtPress ca. 220 Seiten; 176 s/w Fotos Klappenbroschur Format: 24 x 28 cm Deutsch / Englisch ISBN: 978-3-941524-58-3 Erscheinungsdatum: Ende Mai 2015 Subskriptionspreis: 39 Euro (gültig bis 31. Mai 2015). Gebundener Ladenpreis: 44 Euro. In einer Zeit des millionenfachen Gebrauchs von Smartphone-Bildern, einer Zeit, in der die Verfügbarkeit von Bildern durch das Internet tagtäglich praktiziert wird, erscheint die klassische Straßenfotografie, die unser Bildgedächtnis geprägt hat, als ein Relikt vergangener Zeit – als ein aussterbendes Genre. Doch auch in unserem digitalen Zeitalter ist die Faszination geblieben, Leute auf der Straße bei den unterschiedlichsten Gelegenheiten und Situationen fotografisch zu erfassen und damit ein authentisches Bild von den Menschen und unserer Zeit zu zeichnen. (aus dem Vorwort von Norbert Bunge, argusfotokunst) Bei dem in Zusammenarbeit mit dem Verlag PalmArtPress konzipierten Fotobuch »Paris – New York – Berlin. Straßenfotografien 1978 - 2010« handelt es sich um ein persönliches Resümee des Berliner Fotografen Jörg Rubbert aus mehr als 30 Jahren Straßenfotografie. Der Schwerpunkt liegt auf einer sozialkritischen Sicht auf den Alltag der Menschen und auf die besonderen Umstände und gesellschaftlichen Situationen in den drei Metropolen Paris, New York und Berlin. 74 brennpunkt 2/2015 © Jörg Rubbert, Araberjunge auf einer islamischen Kundgebung, Place de la République, Paris 1989 © Jörg Rubbert An allen drei Orten fotografierte Jörg Rubbert insbesondere die Charaktere und Gesichter hinter der Stadt. Die drei Städte bilden gleichsam den Rahmen, an dem bestimmte politische Ereignisse der Zeit festgemacht werden: So befassen sich einzelne Kapitel mit den Auswirkungen des Mauerbaus und den Umwälzungen der Wiedervereinigung in Berlin. Andere Kapitel behandeln das Leben in den sozialen Brennpunkten in Paris oder das New York der Ära David Dinkins, des ersten schwarzen Bürgermeisters einer amerikanischen Großstadt. An allen drei Orten hat Jörg Rubbert längere Zeit gelebt und darüber einen interessanten Vergleich zwischen den drei Städten ziehen können: Sowohl in Paris als auch in New York fotografierte er die Protestbewegungen der ausgehenden achtziger Jahre, z.B. in Paris die Demonstrationen der arabischen Immigranten gegen das Kopftuchverbot in öffentlichen Räumen. Oder in New York die Parade zu Ehren Nelson Mandelas, der Symbolfigur für den Freiheitskampf und die Gleichstellung der Schwarzen sowie die Feierlichkeiten am Tag der Arbeit mit dem obligatorischen Marsch der Gewerkschaften. In Paris und in Berlin wiederum spürte er den veränderten Rhythmus der Städte bei Nacht auf. Für alle Orte gilt hingegen ein Prinzip von Rubberts Arbeit mit der Kamera: Für ihn ist die Schwarzweißfotografie die ideale Form, das Leben in den Großstädten einzufangen. © Jörg Rubbert, »Zuschauer bei einer islamischen Kundgebung«, Poissonnière, Paris 1989 Entstanden sind authentische Abbildungen dieser drei einzigartigen Metropolen, die trotz ihrer Unterschiedlichkeit bei näherer Betrachtung erstaunlich viele Parallelen aufweisen. Michael Nungesser, Kunsthistoriker Ausstellung und Buchpräsentation: am 30. Mai 2015, ab 19 Uhr im Verlag PalmArtPress Inh. Catharine J. Nicely www.palmartpress.com Pfalzburger Straße 69 10719 Berlin-Wilmersdorf Tel: 030-86390429 info@palmartpress.com Buchbesprechung Beatrice Minda »Iran. Interrupted« Privathäuser in Iran: Einblicke in eine verborgene Welt Beatrice Minda (*1968 in München) beschäftigt sich immer wieder mit dem Verhältnis von privatem Raum, Erinnerung und Geschichte. Nach der ausdruckstarken Erkundung rumänischer Interieurs in ihrem Bildband Innenwelt reist die Künstlerin für ihre neue Arbeit in die islamische Republik Iran. Dort taucht sie in die weitgehend unbekannte Welt privater persischer Wohnräume und Innenhöfe samt ihren Abschottungen durch Gitter, Mauern oder undurchlässige Vorhänge ein. In einem Land mit mehrtausendjähriger Geschichte folgt Beatrice Minda dabei der Fährte einer teils massiv verschütteten Tradition und identifiziert – trotz aller historischen Brüche – verborgene Zeichen von Kontinuität. In den sensiblen Farbbildern wird sicht- und spürbar, wie sich die gegenwärtige Geisteshaltung der Bewohner ebenso wie historische, kulturelle und soziale Zusammenhänge im Privatraum spiegeln. Subtil kommt dadurch die gesellschaftspolitische Dimension von Iran. Interrupted zum Ausdruck. © Beatrice Minda, Cover, (O.i.F.) Ein wunderschönes Buch, das mit einem filigranen hellblauen gemusterten Vorsatzpapier beginnt. Die Fotografien von Beatrice Minda sind teilweise voller Poesie und hin und wieder blitzt ein Hauch Melancholie auf. Beatrice Minda Iran. Interrupted Texte von Asghar Farhadi, Pooya Ghoddousi, Shahrnush Parsipur, Gestaltung von Chrish Klose Deutsch, Englisch, 2014. 160 Seiten, 87 Abbildungen 24,60 x 30,50 cm, gebunden ISBN 978-3-7757-3612-1 © Beatrice Minda, (O.i.F.) © Beatrice Minda, (O.i.F.) brennpunkt 2/2015 75 Buchbesprechung Tom Byrtes »Face the moment 1« »Face the moment 2« »Face the moment« - Begegnungen in Berlin ist ein Bildband aus Berlin. Ein Stadtportrait, bei dem nicht der Potsdamer Platz, das Brandenburger Tor, der Fernsehturm oder die Eastsidegallery die Hauptrolle spielen. Es ist das Portrait einer Stadt in Gesichtern. Von Strassenmusikern, Touristen, Studenten, Models, Modemachern, Schauspielern, Künstlern und hochrangigen Politikern. Ein Portrait von Menschen, die dem Autor im Laufe von zweieinhalb Jahren begegnet sind. Über 100 Personen und fast 270 Fotos zeigen die Gesichter einer Metropole, die sich mindestens ebenso schnell verändert, wie die Menschen, die sie besuchen oder dort leben. Beide Bildbände leben von der Dynamik der fröhlichen, lebensbejahenden Porträts von jungen Menschen. Immer wieder tauchen auch Fotografien von namhaften Künstler und Politiker auf. Überwiegend sind in beiden Büchern Schwarzweißfotografien enthalten, dazwischen blitzen einige Farbseiten auf. Kleine Textblöcke eingebunden zwischen den Bildern, erfrischen den Leser und sind lesenswert. Man darf gespannt sein auf »Face the moment 3« Bestellung unter: http://www.bod.de/buch/tom-byrtes/ face-the-moment-2/9783738607949. html © Tom Byrtes © Tom Byrtes »Face the moment 1« Byrtes, Tom Paperback, 192 Seiten ISBN 978-3-7386-0706-2 Verlag: Books on Demand Euro 29,90, inkl. MwSt. zzgl. Versand »Face the moment 2« Byrtes, Tom Paperback, 192 Seiten ISBN 978-3-7386-0706-2 Verlag: Books on Demand Euro 29,90, inkl. MwSt. zzgl. Versand 76 brennpunkt 2/2015 © Tom Byrtes © Tom Byrtes, Cover Ausstellungen Pietro Donzelli (1915-1998) Luce. Fotografien Zum 100. Geburtstag von Pietro Donzelli wird sein Werk umfangreich vorgestellt. Seine wichtigsten Arbeiten entstanden in den 1950er- und 1960erJahren, als der italienische Neorealismus neue Ausdrucksformen in Kunst, Film und Fotografie entwickelte. Donzellis Augenmerk galt immer jenen Momenten, in denen sich das Lebensgefühl der Menschen ausdrückt, und jenen Stimmungen, in denen das Wesen der italienischen Landschaft sichtbar wird. Sein Hauptverbündeter war dabei das Licht. Pietro Donzelli, Käseladen in Pozzuoli, 1950er-Jahre, © Renate Siebenhaar, Estate Pietro Donzelli, Frankfurt a.M. Pietro Donzelli, Cà Venier, Flussaue, 1953 © Renate Siebenhaar, Estate Pietro Donzelli, Frankfurt a.M. bis 14. Juni 2015 Kunst- und Kulturstiftung Opelvillen Rüsselsheim Ludwig-Dörfler-Allee 9 65428 Rüsselsheim Mi 10 – 18 Uhr Do 10 – 21 Uhr Fr – So 10 – 18 Uhr www.opelvillen.de Pietro Donzelli, Bauernversammlung, 1951/1994, © Renate Siebenhaar, Estate Pietro Donzelli, Frankfurt a.M., Courtesy DZ BANK Kunstsammlung brennpunkt 2/2015 77 Ausstellungen Platon »SERVICE« Rafael Jablonka freut sich, am 14. April die erste deutschlandweite Einzelausstellung des britischen Fotografen Platon (geb. 1968 in London) in der Böhm Chapel zu eröffnen. Berühmt wurde Platon mit seinen politischen Porträts von z.B. Barack Obama, Muammar Gaddafi, Vladimir Putin und George W. Bush sowie seinen Fotografien von anderen bedeutenden Persönlichkeiten unserer Zeit wie Muhammad Ali, Vivienne Westwood, Edward Snowden und Michael Douglas; in dieser Ausstellung jedoch zeigt er weltweit zum ersten Mal 5 bewegende, großformatige Arbeiten aus seinem preisgekrönten »SERVICE« Portfolio. Im Jahr 2008 erhielt Platon einen mehrjährigen Vertrag vom The New Yorker und trat damit die Nachfolge des verstorbenen Richard Avedon an. Seine erste Fotoreportage trug den Titel »SERVICE« (Wehrdienst) und war eine Hommage an die Männer und Frauen sowie an deren Familien, die ihrem Land dienen. In dieser Serie steht weniger die Politik, sondern vor allem das Menschliche und die Bedeutung von Führung in unserer Gesellschaft im Mittelpunkt. Die Bilderserie wurde wenige Wochen vor Barack Obamas erster Wahl zum Präsidenten veröffentlicht und hatte eine erkennbare historische Auswirkung auf das Ergebnis der Wahl. General Colin Powell war tief bewegt von dem Bild einer amerikanischen Muslima und Mutter, die am Grab ihres Sohnes trauert, und stellte klar, dass Integration in die Gesellschaft immer Priorität vor politischen Erwägungen haben muss. In der Hoffnung, Obama würde für mehr Respekt und Toleranz in der Gesellschaft stehen, unterstützte der Republikaner Colin Powell den demokratischen Kandidaten Barack Obama und trug auf diese Weise ein Stück weit zum Sieg Obamas bei. Platon, Elsheba Khan at the grave of her son, Specialist Kareem Rashad Sultan Khan, in Section 60 of Arlington National Cemetery in Arlington, Virginia, 2008. All Copyright © Platon Destabilisierung in der Welt wieder deutlich zunehmen, erinnern uns diese Bilder schmerzhaft an die Auswirkungen von Krieg. 15. April bis 28. September 2015 Platon, Sergeant Tim Johannsen and his wife, Jacquelyne Kay, in a rehabilitation unit at Walter Reed Army Medical Center in Washington D.C., 2008. All Copyright © Platon Böhm Chapel Hans-Böckler-Straße 170 50354 Hürth Kalscheuren Durch ihre beeindruckenden Abmes- konfrontiert, was es tatsächlich bedeu- Sa + So 11 – 16 Uhr sungen als auch die Platzierung der tet, seinen Dienst zu tun: Mitgefühl, Während der Art Cologne Werke in den 5 sakralen Nischen der Würde, Stärke, Zerstörung und Aus- Dienstag, 14. April – Sonntag 19. April Böhm Chapel wird der Betrachter damit dauer. In einer Zeit, da Unruhen und täglich von 11 – 16 Uhr 78 brennpunkt 2/2015 Ausstellungen Karin Maria Zey »Wenn man es nicht sieht ist es nicht erkennbar ...« Fotografien 2009 – 2014 Die Künstlerin, Karin Zey, 1960 in Osthessen geboren, hat sich, nach schwieriger Kindheit, viel rumgetrieben, auf Humboldts Spuren in Brasilien, in Portugal, in Griechenland. Auf diesen Reisen hat sie viel gesehen, hat viel von dem festgehalten, was sie gesehen hat. Gottlob hat sie es festgehalten, keine Urlaubsfotos im üblichen Sinne, nichts Wiedererkennbares ist zu sehen,aber was für Entdeckungen. Übrigens ist Karin Zey keineswegs darauf angewiesen, interessante Motive in fernen Ländern zu finden. Schon beim Gang vor die Haustür kann ihr auf der Plane eines Lkw eine faszinierende Erscheinung begegnen, die es verdient, festgehalten zu werden. Dieses Sehen hat sie im Laufe der Jahre vervollkommnet. Und dabei ist sie auch nicht frei von Einflüssen geblieben. Einer, der Karin Zey ermutigt und durch Ankäufe unterstützt hat, ist Henning Lohner, das Multitalent, der in den letzten Jahren durch seine »active images«, die er zusammen mit dem verstorbenen Kameramann Van Carlson schuf, ins internationale Rampenlicht der high end Video Kunst gerückt. Henning Lohner hat seiner Begeisterung über Karin Zeys Kunst mit Worten wie Grossartig, Unglaublich, Sensationeller Blick Ausdruck verliehen. Vielleicht können auch Sie sich diesem Urteil eines Mannes anschließen, von dem selbst einer der weltweit führenden Künstler, ich meine Gerhard Richter, ein »active image« in seinem Kölner Heim hängen hat. Claus-Dieter Fröhlich, (Auszug aus der Rede) © Karin Maria Zey, (O.i.F.) © Karin Maria Zey, (O.i.F.) © Karin Maria Zey, (O.i.F.) bis 3. Mai 2015 Museum für Fotografie Löbauer Straße 7 02826 Görlitz © Karin Maria Zey, (O.i.F.) Di – So 12 – 16 Uhr www.fotomuseum-goerlitz.de brennpunkt 2/2015 79 Ausstellungen Sandra Bartocha »von Bäumen …« Naturfotografie Sandra Bartocha, geboren1980, aufgewachsen in einem kleinen Dorf Mecklenburgs, liebt die Weiten der Landschaft in Mecklenburg-Vorpommern die Wiesen, Seen, Wälder, die Ostsee. Hier begann sie zu fotografieren. Hierher kehrt die inzwischen deutschlandweit und international bekannte Naturfotografin immer wieder zurück. Wenn sie Landschaft fotografiert, will sie nicht dokumentieren. Ihre Bilder sind vielmehr persönliche Interpretationen gesehener Momente. Sie fängt Stimmungen ein, entdeckt, deutet, übersetzt ihre Empfindungen, spielt, abstrahiert, findet das Großartige im Winzigsten. Bäume spielen dabei eine besondere Rolle. Sie üben auf Sandra Bartocha, die seit der Kindheit von ihnen umgeben war, eine kaum beschreibbare Faszination aus: »Ich mag es, im Wald die wechselnden Jahreszeiten zu erleben – vom kleinen Buchenkeimling, den austreibenden jungen Blättern, der Farbenpracht im Herbst bis zur kahlen, eher abweisenden Art im Winter. Ich habe gelernt, jeder Stimmung etwas Außergewöhnliches abzugewinnen.« An Birken liebt sie die Eleganz, das Zarte, Filigrane, das Weiß der Rinde. An Buchen – das Farbenspektrum des Stammes vom warmen Grau bis zu flirrenden Türkistönen, den schlanken Wuchs, die mächtigen Kronen, die im Sommer den Dom des Waldes bilden. Sie ist unterwegs, wenn das Licht und die Atmosphäre unwiederbringliche Stimmungen erzeugen. An den Grenzen zu Tag und Nacht, wenn Dämmerung die Stämme in tiefes Blau hüllt ... nach dem Regen, wenn Millionen Tropfen an den Zweigen hängen … wenn tiefer Nebel die Zweidimensionalität aufhebt oder Schneeflocken die Sicht behindern… »Ich liebe das Zusammenspiel der Elemente«, sagt sie, »in der Einsamkeit, den erdigen Geruch von Moos in der Nase oder die erste Frühlingssonne im Gesicht, genieße ich meine fotografischen Ausflüge zu den Bäumen.« 80 brennpunkt 2/2015 Magical Forest © Sandra Bartocha (O.i.F.) Green Reality © Sandra Bartocha (O.i.F.) Green Curtains © Sandra Bartocha (O.i.F.) The Warmth Of Summer © Sandra Bartocha (O.i.F.) Ausstellungen Die Ausstellung in der EINEARTGALERIE zeigt eine Auswahl der dabei entstandenen Bilder – grafisch beeindruckende Waldlandschaften, Solitäre auf weiten Feldern, ein buntes Mosaik von Laub des vergangenen Jahres, das sonnendurchflutete Blätterdach, GeästStrukturen, die sich zum perfekt geordneten Chaos fügen … Sie geben einen Einblick in die Naturfotografie von Sandra Bartocha. Die Fotografin ist Chefredakteurin der Zeitschrift »Forum Naturfotografie« sowie Autorin der Bücher »Fotoschule in Bildern. Naturfotografie« und »MüritzNationalpark. Hommage an eine Landschaft«. Von 2007 bis 2013 war sie Vizepräsidentin der GDT (Gesellschaft Deutscher Tierfotografen). Sie nahm erfolgreich an nationalen und internationalen Wettbewerben wie dem »Wildlife Photographer of the Year« und den »International Photography Awards« sowie am paneuropäischen Projekt »Wild Wonders Of Europe« teil. Seit vier Jahren arbeitet sie an einem fotografischen Langzeitprojekt über den Norden Europas. Beechnuts Rhythm © Sandra Bartocha (O.i.F.) Sonntag, 3. Mai 2015 Offene Ateliers im Land Brandenburg, 11 Uhr – 18 Uhr Multivisionsshow und Künstlergespräch mit Sandra Bartocha 14 Uhr, 15 Uhr, 16 Uhr Vernissage 26. April 2015, 16 Uhr Spring Wallpaper © Sandra Bartocha (O.i.F.) 26. April bis 21. Juni 2015 EINEARTGALERIE Seebadallee 50 15834 Rangsdorf Willow Rhythm © Sandra Bartocha (O.i.F.) The Dark Days © Sandra Bartocha (O.i.F.) Mi – Fr 14 – 18 Uhr So 14 – 18 Uhr (Himmelfahrt / Pfingsten geschlossen) www.eineartgalerie.de brennpunkt 2/2015 81 Portfolio Horst Einfinger Horst Einfinger und die kreative Reduktion in der Photographie © Horst Einfinger, DGPh, »MIRRORED« Wenn man sich das hier gezeigte Portfolio von Horst Einfinger anschaut, ist man geneigt an eine Abschlußarbeit eines jungen Studenten des Fachbereichs Photographie zu denken. Details einer modernen Architektur - reduziert auf Licht und Schatten und eingebettet in einer formalen Strenge der Linienführung. Die Reduktion abgerundet in einem klassischen Schwarz/Weiß was eher an die Perfektion analoger Dunkelkammerarbeit erinnert. Das ist auch kein Wunder, stand Einfingers »Wiege der Schwarz/Weißfotografie« in den Fünfziger Jahren des letzten Jahrhunderts in Berlin. Seine fotografische Verbundenheit mit dem damaligen West-Berlin spiegelte sich auch in seiner Zeit als Landesvorsitzender des DVF Ende der Sechziger Jahre wieder. In dieser Zeit war er auch federführend in dem international hoch geschätzten Fotowettbewerb »Europäische Fotografen«! Für mich besonders faszinierend - weil es auch häufig mein Anliegen ist - ist die Tatsache, daß der Autor die Kraft der Photographie nutzt um Dinge sichtbar zu machen, die man normalerweise nicht sieht! Die Abstraktionen des Augenblicks - kleine Lichtführungen die im nächsten Moment wieder verblassen und Linienführungen die eine exklusive Perspektive voraussetzen, sind seine Stärke. Seit den Siebziger Jahren lebt Horst Einfinger in Belgien und ist maßgeblich von der dortigen Kunstszene beeinflusst was sich auch seiner fotografischen Entwicklung niederschlägt. © Horst Einfinger, DGPh, »REFLECTION« © Horst Einfinger, DGPh, »SHADOWS OF THE PAST 1« Anlässlich der Vernissage der Retrospektive im Städtischen Ausstellungsraum Bogardenkapel in Brügge im Januar dieses Jahres, sagte der bekannte Kunstkritiker und <H>ART- Rezensent Johan Debruyne unter anderem: Einfinger ist es mit seinen Werken gelungen nicht nur Zweifel in mir aufzurufen – was eine Basiseigenschaft guter Kunst sein soll – sondern viel viel mehr:Er hat mich einmal eine Photographie berühren lassen, weil ich dachte es sei ein Gemälde. Ein anderes Mal habe ich an einer Photographie gerochen, eingegeben durch ein identisches Vermuten. Am meisten genieße ich es wenn er mit Licht und Schatten spielt und dafür lapidare Architekturen auswählt. Ein mir völlig unbekanntes Bauwerk oder eine sublime Installation wie das Holocaust Denkmal am Brandenburger Tor. Oder wenn er abstrakte Elemente benutzt, ein Kunstwerk in etwas sieht, was eigentlich nicht so gemeint ist. Es wird Sie nicht verwundern, dass ihn bemerkenswerte Gebäude aufgrund ihres ingeniösen Charakters oder gerade durch ihre Einfachheit inspirieren, das Architekten wie Gehry oder Le Corbusier bei ihm hohes Ansehen genießen. Ein kleiner Teil ihrer Kreation ist ausreichend für ein Spiel mit Formen oder das Schaffen der gewünschten Stimmung. In nahezu allen Photographien spielt die Schlichtheit eine große Rolle. Auch die Stille. Diese ist durchgehend beinah fühlbar. Er spielt auch mit Formaten. Einfinger überlässt in seinem Werk noch viel Raum für Interpretation an den Betrachter. Auch das macht es so interessant. Erst ist da der Zweifel, dann kann man ergänzen. Hineinsteigen und wegträumen. Ungeachtet der Reinheit und Einfachheit, sind sie soviel mehr als man sieht. Meiner Meinung nach sind das zwei Eigenschaften, die mir erlauben zu sagen, dass Einfinger ein ungewöhnlich begabter Photograph ist. Die starke Suggestion von Taktilität ist in beiden Fällen nicht nur auf die hohe Qualität des Hahnemühle Papiers zurückzuführen, Alle Photographien können als FineArt Ach übrigens, habe ich es schon gesagt? worauf er seine Werke stets druckt. Print auf Hahnemühle Papier in einer Horst Einfinger ist für mich der älteste limitierten Gesamtauflage von je 5 Stück Jungfotograf den ich kenne - er wird Einfinger’s Photographie hat mich von erworben werden. dieses Jahr seinen achtzigsten Geburts- Anfang an fasziniert. Ganz gleich ob in tag feiern! Schwarzweiß oder Farbe, figurativ oder Kontaktaufnahme mit Horst Einfinger: Manfred Kriegelstein abstrakt. Er ist einfach Klasse. horstehorst@icloud.com 82 brennpunkt 2/2015 Portfolio Horst Einfinger © Horst Einfinger, DGPh, »THERE´S ALWAYS A LIGHT« brennpunkt 2/2015 83 Portfolio Horst Einfinger © Horst Einfinger, DGPh, »SPEPS INTO LIGHTNESS« 84 brennpunkt 2/2015 Portfolio Horst Einfinger © Horst Einfinger, DGPh, »STEPS INTO DARKNESS« brennpunkt 2/2015 85 Portfolio Horst Einfinger © Horst Einfinger, DGPh, »STEPS TO THE LIGHT« © Horst Einfinger, DGPh, »GEOMETRICAL« 86 brennpunkt 2/2015 Portfolio Horst Einfinger © Horst Einfinger, DGPh, »THERE COMES THE LIGHT 1« © Horst Einfinger, DGPh, »VIEW ON SPACE« brennpunkt 2/2015 87 Portfolio Horst Einfinger © Horst Einfinger, DGPh, »TRACES OF WEAR« 88 brennpunkt 2/2015 Portfolio Horst Einfinger © Horst Einfinger, DGPh, »A QUESTION OF LIGHT« brennpunkt 2/2015 89 Portfolio Horst Einfinger © Horst Einfinger, DGPh, »SHADES OF GRAY« © Horst Einfinger, DGPh, »THERE COMES LIGHT 2« 90 brennpunkt 2/2015 Portfolio Horst Einfinger © Horst Einfinger, DGPh, »SHADOWS OF THE PAST 3« brennpunkt 2/2015 91 Fotoszene Wo - wie - und warum stellt man aus? Wo? Im Prinzip kann man seine Bilder überall dort ausstellen, wo es freie Wände gibt und der Eigentümer dieser Flächen es zulässt. Zum Beispiel in Banken, Krankenhäusern, Arztpraxen, Anwaltskanzleien oder öffentlichen Institutionen wie Rathäusern oder anderen Regierungsgebäuden. Man sollte sich aber drüber klar sein, dass man in diesem Fall dem Betreiber lediglich die Wände schmückt - in der Regel kostenlos! In Ausnahmefällen kann man hoffen, von dem Hausherrn einen Teil der eigenen Kosten ersetzt zu bekommen. Es kommt dann oft das Argument, dass diese Örtlichkeiten ja einen hohen Publikumsverkehr haben. Mag ja sein - nur diese Besucher haben aber in der Regel andere Dinge im Kopf. Wer sich beim Arzt um seine Gesundheit kümmern muss, oder beim Anwalt die Scheidung einreicht, oder beim Amt einen Bauantrag stellt, ist in der Regel auf alles andere fokussiert, nur nicht auf Kunst! Wer auf Öffentlichkeit Wert legt und bekannt werden will, stellt am besten in öffentlichen Galerien oder Museen aus. Hier sind die Träger in der Regel staatliche oder kommunale Einrichtungen. In Berlin sind es die Kulturämter der Bezirke oder Einrichtungen der Senatsverwaltung. Der Vorteil besteht darin, dass man ziemlich sicher sein kann ein interessiertes Publikum zu erreichen. Und die umfangreiche Öffnungszeiten für den Besuch der Galekommen hinzu. Außerdem verfügen diese Institutionen auch häufig über qualifiziertes Personal das für professionelle Gestaltung und guten Ablauf sorgt. Aber hinsichtlich der Kosten sollte man sich nicht allzu großen Illusionen hingeben, in der Regel bleibt man darauf sitzen. Auch, was den Verkauf angeht, sind die öffentlichen Betreiber hinsichtlich Marketing eher zurückhaltend, da sie ja nicht gewinnorientiert arbeiten. Bezüglich der Reputation für den Künstler haben die arrivierten Galerien der staatlich/kulturellen Träger natürlich die größte Bedeutung. 92 brennpunkt 2/2015 © brennpunkt, Ausstellung von Manfred Kriegelstein im KunstHaus Potsdam, 2008 Geht es aber um den finanziellen Erfolg, haben die kommerziellen Galerien zweifellos die Nase vorn. Sie verfügen in der Regel über eine Kartei interessierter Kunden, denen sie gezielt Werke anbieten können. Das Problem ist, dass es für einen Fotografen sehr schwer ist in einer solchen Galerie auszustellen, da die Galeristen in der Regel einen festen Künstlerstamm haben und sich ziemlich abschotten. Diese Galerien leben von dem Verkauf der Bilder, an dem sie prozentual beteiligt sind. Es gibt aber auch schwarze Schafe. Galeristen, die dem Künstler oft gegen horrende Honorare die Räume vermieten wollen. Das hat nichts mit seriösem Galeriewesen zu tun, sondern gehört für mich eher in die Kategorie der Immobilienhaie! Entscheidend ist die harmonische Abstimmung von Bildern, Rahmen und Licht! Ich persönlich bevorzuge Räume mit wenig Tageslicht und gezielter Spotbeleuchtung - aber das ist letztlich Geschmacksache. Warum? Natürlich könnte ich jetzt antworten: »Weil man es kann« - und damit den Beitrag beenden. Ich denke aber, dass würde weder Sie liebe Leser, noch meinen Chefredakteur wirklich amüsieren. Dennoch bleibt das Können selbstredend eine wesentliche Voraussetzung um Bilder auszustellen. Man braucht das Thema und die dazugehörige konzeptionelle photographische Umsetzung - das ist nicht so einfach wie es Wie? klingt. Denken Sie nicht liebe Leser, dass das Aber ich denke, die wesentliche Moti»Wie« sich darauf beschränkt, einfach vation besteht in dem Drang des künstBilder an die Wand zu hängen. Das lerischen Exhibitionismus (...na eben, Layout und die konzeptionelle Auswahl Exhibition!) Das Fotografieren an sich für die Hängung der Bilder ist eine Wis- ist die Tätigkeit eines einsamen Wolfes. senschaft für sich - und sie unterliegt Die Ergebnisse schreien dann aber nach auch dem Zeitgeist. großem Publikum. Für mich persönlich Ich erinnere mich noch sehr an meine sind die Gespräche mit den Besuchern erste Ausstellung 1981 zum Thema das größte Highlight! Vor allem weil sie Berlin-Kreuzberg, bei der nach langer sich grundsätzlich von den Diskussiound erbitterte Diskussion mein Lieb- nen in den Fachzirkeln unterscheiden. lingsbild rausfiel, weil es absolut nicht Man kann unglaublich viel lernen über in die Ausstellung passte. die Wirkung von Bildern, besonders Heutzutage nehme ich die Hilfe über die emotionale Wirkung! professioneller Kuratoren sehr gerne an, besonders wenn sie von Seiten Dennoch, man braucht auch mal wieder einer Galerie kommen. Während man Pausen zwischen den Ausstellungen. früher noch sehr einheitlich hinsichtlich Ich persönlich habe in den letzten acht Rahmengröße und - Farbe gehängt hat, Monaten fünf Ausstellungen gehabt habe ich in jüngster Zeit sehr gute jetzt überkommt mich das Bedürfnis Erfahrungen mit extrem wechselnden nach exhibitionistischem Zölibat... Formaten gemacht. Manfred Kriegelstein Buchbesprechung Just One Flash Punktlandung LUMIX LX100 Tolle Fotos mit nur einem Blitz Titeljäger in der Salonfotografie Das Buch zur Kamera Tilo Gockel Bernd Mai Frank Späth Verlag: dpunkt.verlag ISBN: 978-3-86490-209-3 240 Seiten, Festeinband, komplett in Farbe 29,90 Euro� Verlag: epubli GmbH, Berlin ISBN: 978-3-7375-2776-7 112 Seiten, Festeinband, komplett in Farbe 39,90 Euro� Verlag: Point Of Sale Verlag ISBN: 978-3-941761-53-7 272 Seiten mit 500 Abbildungen 28,00 Euro� Wer von uns kann schon ein komplettes Studio mit Blitzanlage sein eigen nennen? Die Reduzierung auf einen Aufsteckblitz schreckt viele Fotografen ab - »totgeblitzt« ist oft das Ergebnis. Tilo Gockel zeigt in seinem Buch allerdings Methoden zur kreativen Lichttechnik, auf die man nicht so ohne weiteres gekommen wäre - und das mit nur einem Blitzgerät! Der Autor legt überzeugend dar, dass weniger die aufwändige Technik, als viel mehr die sorgfältige Planung ein Garant für den Erfolg ist. Ein empfehlenswertes Werk für alle Fotografen die Ihre Scheu vor der Blitztechnik verlieren wollen. Manfred Kriegelstein Ein Buch über internationale Wettbewerbsfotografie - das hat es nach meiner Meinung auch noch nicht gegeben. Zumindest im deutschsprachigen Raum ist mir nichts davon bekannt. Um so gespannter war ich auf das Werk von Bernd Mai. Mit einer unglaublichen Akribie hat der Autor alles zusammen getragen was man als Wettbewerbsteilnehmer wissen sollte, aber natürlich nie weiß - zumindest nicht in diesem Umfang. Er erklärt sämtliche Ehrentitel der großen Amateurverbände bis hin zu Jurierungsverfahren. Außerdem gibt er Tipps zu Einsendestrategien und - ganz wichtig - Verwaltung und Organisation der eigenen Wettbewerbsdateien. Ein wirklich beachtenswertes Buch das zweifellos eine Marktlücke trifft. Meiner Ansicht nach die dringend notwendige »Harpune«, die man braucht, um sich in das Haifischbecken internationaler Fotowettbewerbe zu begeben! Manfred Kriegelstein Der Kamerabedienungsanleitungsveredler (was für ein Wort!) hat wieder zugeschlagen - und das ist auch gut so. Ich habe mir mal den Spaß gemacht na ja, es war eben kein Spaß, die Originalbedienungsanleitung der LX100 zu lesen und bin schier verzweifelt... Nicht so das Buch von Frank Späth. In klaren bebilderten Kapiteln findet man schnell einen Einstieg in die doch recht umfangreichen Kamerafunktionen. Neben den didaktisch sehr guten Erklärungen der Menüfunktionen und Einstellungsmöglichkeiten verbindet der Autor das Erklärte auch im anschließenden Praxisteil mit der fotografischen Wirklichkeit. Wer darüber hinaus Fragen oder Anregungen hat, kann sich in dem von Frank Späth geführten LumixForum austauschen. (www.lumix-forum. de) Fazit: Wie alle Lumix-Bücher von Frank Späth, eine absolute Empfehlung für das entsprechende Panasonic-Klientel! Manfred Kriegelstein brennpunkt 2/2015 93 Vorschau 3/2015 brennpunkt 3-2015 erscheint am 4. Juli 2015 Leserfoto © Anna Zmuda Seit Mitte März gibt es eine neue Plattform für künstlerische Fotografie in Berlin: »PiB | Photography in Berlin« bzw. »FiB | Fotografie in Berlin«. Neben Veranstaltungen bekannter Institutionen Berlins stehen Events der zahlreichen Projekträume, gemeinnützigen Einrichtungen oder auch privaten Sammlungen im Mittelpunkt, die mit großem persönlichem Engagement die Neben fotografischen Veranstaltungen lebendige Kunstszene Berlins prägen. aller Art in Berlin und begleitenden Für Veranstaltungseinträge wird ein kleiredaktionellen Inhalten auf der Web- ner Beitrag erhoben, für nichtkommersite erscheint alle zwei Monate der PiB zielle Einrichtungen werden zudem Print Guide – die gedruckte Ausgabe reduzierte Beiträge angeboten. Sämtdes Eventkalenders, welche kostenlos liche Einnahmen fließen in die intenin ausgewählten Galerien, Buchläden sive Bewerbung der Plattform, und und Institutionen in Berlin erhältlich somit ihrer Mitglieder und Veranstalsein wird. Die erste Ausgabe stellt Ver- tungen, sowie in die Publikation des anstaltungen im Mai & Juni 2015 vor. Print Guides. Bei Interesse kann der PiB Print Guide auch gegen einen kleinen Unkostenbei- PiB wurde gegründet von Julia Schiller, trag von Institutionen oder Einzelperso- Fotografin und freie Art Direktorin in nen abonniert werden. Berlin. Gemeinsam mit Oliver SchneiPiB ist ein Projekt mit gemeinnützi- der betreibt sie Actual Colors May Vary ger Ausrichtung, entstanden aus per- {ACMV}, ein internationales Onlinesönlicher Leidenschaft für Fotografie. Magazin für zeitgenössische FotograZiel ist es, mit PiB einen Ort zu schaf- fie. fen, an dem die überaus vielfältige fotografische Landschaft Berlins übersicht- PiB | Photography in Berlin lich und gesammelt an einem Platz zu www.photography-in.berlin finden ist, und somit das umständliche FiB | Fotografie in Berlin Durchsuchen diverser Websites über- www.fotografie-in-berlin flüssig wird. facebook.com/photographyinberlin Portfolio Daniel Samanns Daniel Samanns Ambrotypien Wer schaut hier wem in die Seele? Schon von weitem beeindrucken mich seine Portraits. Ich komme näher und die Intensität des Blickes nimmt zu. Wer schaut hier wem in die Seele? Sehe ich das Portrait an, oder fixiert mich das Abbild ? Noch bevor ich die Frage klären kann, entstehen neue: Wie kommen die Spuren auf das Bild? Sind es Fehler oder kontrollierte Absichten eines Künstlers, der mich in seinen Bann zieht? Neben mir sagt jemand: »Wenn du Fragen hast, beantworte ich sie gerne.« © Daniel Samanns, Librada So lernte ich Daniel Sammans kennen. Als ich ihn einige Tage später in seinem Atelier besuche, beginnt eine Zeitreise in die Anfänge der Fotografie - in das Kollodium-Nassplatten-Verfahren. Rainer Jordan 94 brennpunkt 2/2015 © Daniel Samanns, Lisa Vorschau 3/2015 brennpunkt 2/2015 95 Vorschau 3/2015 ������ ����������� ������������ ����������������� �������������������� ��������������������������� ����������������� 96 brennpunkt 2/2015 ��������������� �