Eine verlorene Erinnerung

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Eine verlorene Erinnerung
Donnerstag, 13. März 2014
Szene und Freizeit
Nummer 60
21
Eine verlorene Erinnerung
Immersion bei
„3 gigs for free“
Heute vor 20 Jahren hätte Nirvana, damals Platz 1 in USA und England, ein Konzert in der Böblinger Sporthalle geben sollen
Am Samstagabend in Horb
Weil Kurt Cobain zuerst einen
Selbstmordversuch beging und sich
schließlich tatsächlich umbrachte, kam es
nie zum Auftritt von Nirvana in der
Sporthalle Böblingen. Heute würde sich
das Konzert, das es nicht gegeben hat, zum
20. Mal jähren. Christian Biadacz, der in
Böblingen aufgewachsen ist, erinnert sich.
SINDELFINGEN (red). Die Sindelfinger Band
Immersion hat sich im März für mehrere
Vorrunden bei Bandwettbewerben qualifiziert. Nach dem Publikumssieg beim Rocktest im Februar spielt die fünfköpfige Band
schon am kommenden Samstag, 15. März,
ab 20 Uhr in Horb am Neckar im Marmorwerk um den Einzug ins Finale des Bandwettbewerbs „3 gigs for free“.
Zum zweiten Mal veranstalten drei Jugendhäuser in Sindelfingen, Holzgerlingen
und Herrenberg diesen Contest. Die Gewinner kommen jeweils ins Finale am 17.
Mai im Jugendhaus Herrenberg. Der Gesamtsieger darf auf drei Open-Air-Festivals auftreten.
Die Jungs von Immersion haben dabei
besonders das Horber Minirock-Festival im
Visier: „Dort zu spielen, wäre ein Traum.
Nicht zuletzt ist das Minirock eins der uns
liebsten Festivals – bisher allerdings nur
als Besucher“, sagt Sänger und Gitarrist
Daniel Greber.
Eine Woche später schon spielt Immersion im Finale des Bandcontest „Rock an
der Aich“ im Karl-Sturm-Haus in
Waldenbuch. Und frisch bestätigt ist die
Zusage zum „Support Your Local Act
Extended“ am Freitag, 28. März, in Schwäbisch Gmünd. Für Immersion wird das der
fünfte Contest in zwei Monaten sein, bei
welchem die Band sich für das Finale oder
die Zwischenrunde qualifizieren konnte.
Mehr Infos gibt es unter der Adresse
www.immersionmusic.de im Netz.
Von Christian Biadacz
BÖBLINGEN. Es ist früher Sonntagabend als
am 13. März 1994 drei Tübinger Studenten
aus ihrem Auto steigen, über den fast leeren
Parkplatz der Böblinger Sporthalle laufen
und sich mächtig wundern: niemand hier. Sie
hatten Massen von jungen Menschen mit zerrissenen Jeans, Holzfällerhemden und langen
Haaren erwartet, den Insignien eines Musikstils, dem drei Jahre zuvor die Band Nirvana
zu unglaublichem weltweiten Erfolg verholfen hatte: Grunge. Und genau diese Band
wollen sie an jenem Abend bejubeln, sie wollen den Über-Hit „Smells Like Teen Spirit“
mitsingen und Kurt Cobain, den charismatischen kreativen Kopf der Band, einmal aus
nächster Nähe beobachten. Doch Nirvana
kommen an jenem Abend nicht an den Murkenbach und sollten dies auch nie nachholen
können.
Am 1. März 1994 hatte alles noch gut ausgesehen. Nirvana spielen das 66. Konzert
ihrer „In Utero“-Tour auf dem ehemaligen
Münchener Flughafen Riem vor einer frenetischen Menge, die sich in den extrem verzerrten Gitarrensounds suhlt, aus deren Feedback sich immer wieder genial einfache, aber
eben doch besondere Melodien erheben. Nirvana sind die Band die Stunde. „In Utero“ ist
das Nachfolgealbum zur millionenfach verkauften CD „Nevermind“. Nach fast einer
Dekade sogenannten Poser-Hardrocks mit
Bands wie Mötley Crüe oder Bon Jovi, die
ebensoviel wert auf ihre Frisur wie auf ihre
Musik zu legen schienen, kommt das ungebügelte, schluffige Gegenteil in Person von
Sänger Kurt Cobain daher, um ein aufgeblasenes Musikbusiness mit einem Tritt auf seinen „Big Muff“ Gitarrenverzerrer aus seinen
Angeln zu heben.
Doch Cobain ist an jenem Abend in München am Ende seiner Kräfte. Eine Bronchitis
plagt ihn und er verliert ab und an seine
Stimme. „Ich bin das Produkt von sieben
Monaten, in denen ich mir jeden Abend die
Lunge aus dem Leib gebrüllt habe, sieben
Monaten, in denen ich herumgehüpft bin wie
ein unterbelichteter Rhesusaffe, sieben Monaten, in denen ich immer wieder die selben
Fragen beantwortet habe“, schrieb er bereits
nach der ersten Tour als Weltstar in sein
Tagebuch [Kiepenheuer & Witsch, 2002,
übersetzt von Clara Drechsler und Harald
Mit dieser Karte wollte Christian Biadacz als
Reporter für die KREISZEITUNG zum Konzert
„Es ist unglaublich, wie viele
Karten nicht zurück kamen. Das
waren etwa 700 von 6000
verkauften Tickets.
Normalerweise werden alle
zurückgegeben“
Kurt Cobain (r.) mit seiner Band Nirvana: Am 13. März 1994 hätte er in der Sporthalle in Böblingen
auftreten sollen. Rund drei Wochen später war der damals 27-Jährige tot
Fotos: red/Biadacz
nach Rom. Bis zum Konzert in Prag, am 11.
März bleibt eine kleine Pause. Doch anstatt
sich zu regenerieren, unternimmt der 27-Jährige am 4. März einen Selbstmordversuch in
seinem Hotelzimmer. Er hatte sich schon viele
Gedanken zu dem Thema gemacht. So wollte
er, wie er in seinem Tagebuch schreibt, sterben „bevor ich Pete Townshend werde“ (der
Songschreiber von The Who, der 1994 an
einem Musical arbeitete, was für Cobain eine
Art Ausverkauf des Rock ’n’ Roll war).
Die Unvereinbarkeit des Lebens eines
Independent-Musikfans, der seine Musik
nicht verraten will
und der Existenz als
einer der größten
Rockstars und damit
als elementarer Teil
des
Mainstreams,
nagten an ihm. Er
ahnte, dass es wie in
seinem Lied „In
Bloom“ zugeht, dass
ein großer Teil seiner
Fans einfach nur
mitsingen will und
Coole Socke: Christian Biadacz im Jahr 1994 (Bild aus dem Passfotoauto- sich gar nicht darum
kümmert, um was es
mat Breuningerland) und heute als Chef einer Berliner PR-Agentur
ihm in seinen Songs
eigentlich gehe.
Hellmann, ISBN 3-462-03184-8], und jetzt
Neben dieser intellektuellen Frage nach
fühlt er sich wahrscheinlich wieder ähnlich. Wahrhaftigkeit, plagte ihn ein seltenes, chroWeit über 40 Konzerte stehen noch bis Ende nisches Magenleiden, das auch die 1993 verMai auf dem Plan. Das Konzert in Böblingen dienten fünf Millionen Dollar nicht kurieren
ist nur zwölf Tage entfernt.
konnten, und das ihm das Leben, insbesonDas letzte Mal als Nirvana in die Nähe von dere während einer Tour, zur Hölle machte.
Er hatte sogar vor, das zweite Album „I
Böblingen gekommen waren, spielten sie
noch im Vorprogramm der New Yorker Indie- hate myself and I want to die“ (Ich hasse
Avantgarde-Band Sonic Youth im Stuttgarter mich und möchte sterben) zu betiteln. Darauf
Longhorn. Das war am 29. August 1991, angesprochen, gab er in manchen Interviews
einen Monat bevor ihr großer Hit veröffent- an, dies wäre am Widerstand der Plattenlicht wurde. Einen Monat bevor sie jeder firma gescheitert, in anderen wiederum, er
Jugendliche der westlichen Welt unter 30 hätte nur auf lustige Art Vorurteile bedienen
wollen. Wahrscheinlich stimmt beides ein
Jahren kennen sollte.
wenig.
Ein paar Tage war daraufhin alles in der
Vielleicht hätte Nirvana Böblinger
Schwebe. Man wusste nicht genau, was da in
Indie-Bands im Proberaum besucht Rom passiert war. Nur eine Party, auf der es
viel zu hoch hergegangen war? Für die Sin„Auf Studentenpartys wurden nicht nur delfinger und Böblinger Musikszene, die sich
die Single gespielt, sondern auch irgend- mit Bands wie Mädels No Mädels, Dröhner
welche obskuren Albumtracks. Und wirklich Hebab, WIZO oder den Confused Mind Fujeder kannte diese. Das war eine unglaub- ckers (CMF) in jenen Tagen klanglich im Nirliche Identifikation mit dieser Platte“, ordnet vana-Spektrum befanden, bedeutete ihr AufJoachim Hentschel, bis vor kurzem Redak- tritt eine willkommene Aufmerksamkeit. „Ich
teur beim deutschen Rolling Stone Magazin, hatte mich sehr auf das Konzert gefreut“,
die Band heute ein. 1994 studierte er noch sagt Ralf Dietel, damals Sänger von CMF und
Germanistik und Anglistik an der Uni Tübin- heute Frontman seiner in Amerika gegründegen und war einer der drei Jungs auf dem ten Band Krash Karma.
Parkplatz am Anfang dieses Artikels.
In einem Interview mit dem Rolling Stone
Cobain ist erschöpft. Er lässt das zweite im Januar 1994 hatte Cobain von nächtlichen
Konzert in München und das folgende in Streifzügen durch die Städte, in denen sie
Offenbach absagen und fliegt zur Erholung auftraten, erzählt und berichtet, wie sie dort
neue, unbekannte Bands entdeckten. Wären
Nirvana in Böblingen zu den Proberäumen
geschlendert, die es damals vis a vis an der
www.bb-live.de
Breitensteiner-/Ecke Schönbuchstraße gab,
ungefähr dort, wo sich heute der Übungsplatz für die Skater befindet? Oder wären sie
Wer ebenfalls eine Geschichte zum entfalleins Krok am Busbahnhof, oder ins Nero
nen Nirvana-Konzert am 13. März 1994 in
gegenüber der Polizeikaserne, wo sich zu der
Böblingen zu erzählen hat, kann dies auf der
Blogetse, dem Internettagebuch der KREISZeit die örtliche Musikprominenz traf?
ZEITUNG, tun. Die Adresse: blog.bb-live.de
Es folgte eine Konzertabsage mit erfreulicher Nachricht: „Die Europa-Tournee geht
Konzertveranstalter Michael Russ
weiter (. . .) Nirvana hätten eine Zwangspause einlegen müssen, nachdem der Sänger
in Rom zusammengebrochen war.“ Jetzt sei
alles wieder in Ordnung, er brauche nur noch
Zeit, um sich „ganz zu erholen“. Das Konzert
in der Böblinger Sporthalle wurde auf den 5.
Mai verschoben. Dieses „Erholen“ war in
Wirklichkeit jedoch ein Drogenentzug in
einer Klinik in Los Angeles, aus der Cobain
nach drei Tagen bereits wieder flüchtete. Er
hatte ein Heroin-Problem, da dies das einzige
Mittel gegen seine Magenschmerzen gewesen
sein soll. Eine Woche bevor es am 12. April
mit der Tour wie gehabt weitergehen sollte,
erschoss sich Cobain.
Hintergrund
BÖBLINGEN. „Soul-Blues-Singer-Songwriter-Jazz“ mit Devi Reith ist am Freitag,
14. März, ab 21 Uhr beim Kulturnetzwerk
Blaues Haus angesagt. Unter dem Motto
„Devinition of Sound“ stehen facettenreiche Eigenkompositionen von Sängerin
Devi Reith auf dem Programm. „Diese
Songs verbinden die Musiker durch ihre
ganz eigene Spielart zu einem harmonisch
Ganzen“, heißt es in der Ankündigung, in
der weiter von „musikalischen Liebesgeschichten mit spannungsreicher Rhythmik und stimmungsvollen Klangfarben“
die Rede ist. Der Eintritt kostet zehn Euro.
Als Kurt nicht nach Böblingen kam
!
Auf eBay wird ein Konzertticket
für 2800 US-Dollar gehandelt
Es würde also kein Nachholkonzert geben.
Michael Russ, der örtliche Veranstalter, erinnert sich: „Es ist unglaublich, wie viele
Karten nicht zurück kamen. Das waren etwa
700 von 6000 verkauften Tickets. Normalerweise werden alle zurückgegeben.“ Die Eintrittskarte wurde zum Souvenir, zum Erinnerungsstück. Joachim Hentschel machte eine
Farbkopie der Karte, Ralf Dietel gab sie einfach so zurück: „Ich war halt ein armer Nirvana-Fan.“
Der Autor dieser Zeilen hatte eine Pressekarte erhalten, denn eigentlich sollte er damals für die KREISZEITUNG Böblinger
Bote berichten, was er mit diesem Artikel
wieder ein wenig zu kompensieren versucht.
Auf eBay wird derzeit ein gebrauchtes Ticket
des im Endeffekt letzten Konzerts in München für 1500 Euro angeboten, auf eBay
international versucht es jemand für 2800
Dollar. Normale Tickets der Tour gehen für
35 Dollar weg. Der offizielle Preis betrug damals etwa 35 DM.
Aber kein Geld der Welt kann uns Erinnerungen kaufen, die wir nie haben konnten.
Insofern ist die Geschichte dieses Konzertes,
das nie stattfand, die einer verlorenen Erinnerung.
Devi Reith im
Blauen Haus
!
!
Der Autor: Der in Böblingen aufgewachsene Christian Biadacz (42) leitet eine PRAgentur 28IF in Berlin. Er betreut unter
anderem die Öffentlichkeitsarbeit von
Manfred Maurenbrecher (mehr unter
www.28if.net). Von 1991 bis 1996 war er
ständiger Freier Mitarbeiter der Kreiszeitung BB. Er berichtete über die Sitzung
des Schäferhundevereins genauso wie über
die internationale Musikszene. Für das
Journal am Sonntag interviewte er unter
anderem Brian May, Suede, die Manic
Street Preachers oder Heinz Rudolf Kunze.
Ein Interview mit Kurt Cobain war 1994
auch beantragt.
Der Ort: Die Böblinger Sporthalle existierte von 1966 bis 2008 und war mit einer
Kapazität von bis zu 6000 Zuschauern vor
dem Bau der Schleyerhalle 1983 der größte
Veranstaltungsort in der Region Stuttgart.
In der Mehrzweckhalle traten Größen wie
Queen, BAP und Coldplay auf. In der letzten Veranstaltungswoche Ende 2007 konzertierten zuerst die brachialen Marylin
Manson, eine Woche später die volkstümlichen Kastelruther Spatzen, was das Spektrum der Konzertvielfalt gut reflektiert.
Die Band: Kurt Cobain und Bassist Krist
Novoselic gründeten Nirvana 1987 in Aberdeen, einer Kleinstadt 200km westlich von
Seattle, der Stadt, die 1992 zum Epizentrum des Grunge-Phänomens wurde.
Nach einem Achtungserfolg mit ihrem
ersten Album im Jahr 1989, dauerte es
noch bis Ende 1991 als die Single „Smells
Like Teen Spirit“ die Hitparaden der Welt
stürmte. In Deutschland reichte es für
Platz2. Nach dem Tod Cobains löste sich
die Gruppe auf. Sie verkaufte bis heute
weltweit über 75 Millionen Tonträger
(Quelle: Billboard Magazine).
Facettenreich: Sängerin Devi Reith Foto: red
Mick Checker
gibt Party-Tipps
Wo geht was ab?
Partykönig Mick Checker weiß wieder, wo
in der Gegend was los ist. Hier seine
aktuellen Tipps für die kommenden Tage:
Let's Mini! MINI Afterworkparty steigt am
Freitag im Autohaus Netuschil in Böblingen. Los geht es ab 19 Uhr.
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Wer mehr auf Stromgitarrenmusik der Alten
Schule steht, ist am
Freitag ab 18 Uhr bei
der Rock-Café-Party
im Rock Café in der
August-Borsig-Straße
11 in Böblingen an der
richtigen Adresse.
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Die „Das Ding“-House-Session ist am
Freitag zum vorerst letzten mal im Perkins
Park in Stuttgart angesagt. Freunde der
elektronischen Tanzmusik kommen wieder
voll auf ihre Kosten. Beginn ist ab 21 Uhr.
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Am Samstag steigt ab 16 Uhr die Bierparty
im Power Tower in Böblingen. Bierliebhaber sollten sich das nicht entgehen lassen.
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Die beliebte Ü30-Fete ist zurück. Die Party
steigt am Samstag ab 21 Uhr im Sensapolis
in Böblingen.
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Noch eine verlorene Erinnerung: die abgerissene Böblinger Sporthalle
KRZ-Foto: Bischof/Archiv
Im Böblinger Irish Pub steht der St. Patrick's Day an. Los geht es mit einer Live
Band ab 21.30 Uhr.