Analyse des Energie-Autarkiegrades unterschiedlich großer
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Analyse des Energie-Autarkiegrades unterschiedlich großer
Programm Lebensgrundlage Umwelt und ihre Sicherung (BWPLUS) Zwischenbericht anlässlich des Statuskolloquiums Umweltforschung Baden-Württemberg 2015 am 24. und 25. Februar 2015 im Haus der Wirtschaft Karlsruhe Analyse des Energie-Autarkiegrades unterschiedlich großer Bilanzräume mittels integrierter Energiesystemmodellierung von Tomaschek, J.; Fahl, U.; Brodecki, L.; Gutekunst, F.; Siebenlist, A., Baumann, M.; Graf, R.; Hauser, W., Sonnberger, M. Universität Stuttgart Pfenning, U. Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt in der Helmholtz Gemeinschaft (DLR), Stuttgart Förderkennzeichen: BWE 13033 + BWE 13034 Die Arbeiten des Programms Lebensgrundlage Umwelt und ihre Sicherung werden mit Mitteln des Landes Baden-Württemberg gefördert Analyse des Energie-Autarkiegrades unterschiedlich Bilanzräume mittels integrierter Energiesystemmodellierung großer Tomaschek, J.; Fahl, U.; Brodecki, L.; Gutekunst, F.; Siebenlist, A., Baumann, M.; Graf, R.; Hauser, W., Sonnberger, M. Universität Stuttgart Pfenning, U. Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt in der Helmholtz Gemeinschaft (DLR), Stuttgart Zusammenfassung Die unterschiedlichen Möglichkeiten zur Nutzung erneuerbarer Energien, zur Energieeinsparung und zur Emissionsminderung von Kommunen, Regionen, aber auch Bundesländern lassen sich unter dem Schlagwort der „Energie-Autarkie“ bündeln. Ein wichtiger Punkt ist hierbei, inwieweit dieser sozio-ökologische Wert auch ökonomisch tragfähig ist. Ebenso herausfordernd ist die sozio-technische Umsetzung der Energie-Autarkie, d. h. die Auswahl und Kombination von Technologien zur Energieerzeugung, zu Speicherkapazitäten, zum Verteilnetz sowie zur rationellen Energieanwendung in den Anwendungssektoren. Es wird am Beispiel des Bilanzraumes einer Beispielkommune sowie für das Bundesland Baden-Württemberg als größeren Bilanzraum mittels einer integrierten Energiesystemmodellierung der Frage nachgegangen, wie sich unterschiedliche Energie-Autarkiegrade auf das Energieverbrauchsniveau und seine Struktur, die Ausgestaltung der notwendigen Infrastruktur (Speicher, Netze usw.), die Treibhausgasemissionen und die wirtschaftlichen Belastungen der Bilanzräume auswirken. Damit soll aufgezeigt werden, ob Autarkie im Energiebereich auf der Ebene einer Kommune, eines Bundeslandes sinnvoll bzw. möglich ist, welche SpeicherDimensionen und -Technologien dazu in welchen Bereichen möglich sind, wie derartige Versorgungsstrukturen von der Bevölkerung akzeptiert werden. Ziel ist es, aus den Ergebnissen des Vorhabens Rückschlüsse für die baden-württembergische Energiepolitik zu ziehen sowie Empfehlungen für die baden-württembergische Energiewirtschaft abzuleiten. Ein Hauptaugenmerk liegt dabei auf der Frage, wie der Begriff der Energie-Autarkie zu verstehen ist und welche Konsequenzen für Baden-Württemberg mit der Umsetzung dieses Konzeptes einhergehen würden. Im Rahmen des Projektes wurden bereits die fundamentalen Daten sowie eine Gebäudetypologie für die Energiesystemmodellierung erstellt. Zudem wurde für die Netzanalyse ein Modell des bestehenden Mittelspannungsnetzes erstellt, das dieses abbildet, parametrisiert und untersucht. Weiterhin wurde innerhalb einer ausgedehnten Literaturstudie der Begriff der Energieautarkie detailliert analysiert und diese durch Interviews mit den zentralen Stakeholdern in Baden-Württemberg aus dem Bereich der Energiewirtschaft ergänzt. Zudem wurde eine genaue Technologiecharakterisierung dazu verwendet die Rahmendaten für die Aufstellung einer ökobilanziellen Untersuchung zusammenzutragen. In einem weiteren Schritt wurden die soziologischen Aspekte hinsichtlich der Akzeptanz innerhalb der Bevölkerung für eine Autarkiebestrebung untersucht. Hierzu wurde eine Bürgerumfrage gestartet und weitere Presse- und Öffentlichkeitsarbeit geleistet. Die einzelnen Ansätze zur Umsetzung des Projektes und deren Zwischenstand werden im Folgenden kurz dargestellt. Analysis of energy autarky levels for different system boundaries by using an integrated energy system model approach Tomaschek, J.; Fahl, U.; Brodecki, L.; Gutekunst, F.; Siebenlist, A., Baumann, M.; Graf, R.; Hauser, W., Sonnberger, M. Universität Stuttgart Pfenning, U. Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt in der Helmholtz Gemeinschaft (DLR), Stuttgart Abstract The different aspects for the utilization of renewable energies, energy savings and emission reduction measures in small municipalities and whole states can be bundled under the keyword “energy-autarky” or energy self-sufficiency. An important aspect in this matter is to what extent this new socio-ecological value is conformable in an economical context: a key factor for its acceptance among the local population. Equally challenging is the socio-technical implementation of energy-autarky, i.e. the selection and combination of technologies for energy conversion, storage, distribution and for rational use of energy in the considered sectors. With the examples of a sample municipality set for system boundaries as well as the state BadenWürttemberg representing a large system in an integrated energy system model the following question is addressed: how do different degrees of energy-autarky affect energy consumption levels and its structure, the development of necessary infrastructure (storages, networks etc.), greenhouse gas emissions and the economic burden in respective systems. This is to show whether energy-autarky in the energy sector at the level of a municipality or a state is reasonable and feasible. In consequence it is to be shown, which storage dimensions and technologies are suitable and how such energy infrastructures are tolerated and accepted by the citizens. Furthermore, it is to be analyzed if such a development towards a local optimum (e.g. on municipality level) is consistent with aspirations of reaching a regional optimum (e.g. BadenWuerttemberg). The goal of the project is to draw conclusions from the results for the energy policy of BadenWuerttemberg and also to derive recommendations for the energy industry. A main focus of attention lies on the question how the concept of energy-autarky should be understood and which consequences for the state Baden-Wuerttemberg can follow with the implementation of this idea. Within the framework of the project the fundamental data has been acquired as well as a building typology for an energy system modeling have been developed. In addition, a model of the existing medium voltage network has been created, for analysis parameterized and examined. Furthermore, the term energy-autarky has been analyzed in detail within an extensive literature study and was amended by interviews of central stakeholders within the energy industry in Baden-Württemberg. In addition, accurate technology characterizations were applied as a framework for life cycle assessment studies. A further step was the analysis of sociological aspects in terms of acceptance within the population for the topic of energyautarky. The different approaches for the realization of the project and their intermediate state are briefly described below. Energie-Autarkie 1 Arbeitsprogramm Die Energiewende kann interpretiert werden als ein langfristiger politischer Auftrag an die Wissenschaft die Nutzung erneuerbarer Energien zu optimieren. Der abstrakte Systemcharakter aus Erzeugung, Verteilung und Speicherung, gerade aufgrund der volatilen und fluktuierenden Stromerzeugung, war zu Beginn der Energiewende nicht im Fokus der Politik als Auftraggeber der Energiewende. Ebenso wurden Belange der Wärmeversorgung und Mobilität zunächst weitgehend ausgeblendet, sowie sozio-technische und vor allem gesellschaftsorientierte Aspekte der Energiewende vernachlässigt. In der Konsequenz führen diese Entwicklungen zur Forderung einer soziologischen Systemanalyse zur Energiewende, um die Technologien auf Akzeptanz, Umsetzung, Systemintegration und Unterstützung durch die Bürgerschaft abzustimmen. Im vorliegenden Projekt wird ein interdisziplinärer Lösungspfad beschritten unter Einbeziehung von Ingenieur-, wirtschafts-, naturwissenschaftlicher und sozialwissenschaftlicher Kompetenz. Die technische Kompetenz beinhaltet Simulationen und Szenarien zu den drei Kernbereichen der Energiewende: Wärme, Strom und Mobilität im privaten, industriellen und gewerblichen Sektor. Hierzu gilt es komplexe Simulationsmodelle auf Basis vorhandener erprobter Simulationssysteme weiter zu entwickeln und informationstechnisch miteinander zu einem modularen Modellverbund über die Institutsgrenzen hinweg in Verbindung zu bringen. Hinzu kommen soziale Szenarien (Partizipation) auf Basis von Bürgerumfragen, Stakeholderbefragungen und Diskursverfahren und formaten (z. B. Bürgergutachten). Abgebildet werden soll dadurch das prototypische Energieverhalten und die Energienutzung, die Bereitschaft zur Handlungsänderung und dafür subjektiv als wichtig definierte gesellschaftliche Rahmenbedingungen sowie die Akzeptanz verschiedener Technologien. Die Einschätzung relevanter Parameter und der Tendenz zu deren Veränderung soll wiederum mittels der Cross-Impact-Bilanzanalyse geleistet werden, u. a. durch Expertenbefragungen. Diese Vorgehensweise soll die Komplexität des modularen Modellverbundes reduzieren und pragmatisch auf als wissenschaftlich realistisch empfundene Optionen eingrenzen. Zur Umsetzung dieses Ansatzes gliedert sich das Projekt in sieben Arbeitspakete, die in der Abbildung mit ihren Verbindungen dargestellt sind. 1.2 BaWü 1.1 Beispiele 1.3 Metzingen AP3 AP4 Technologien Modellierung AP5 Integration 5.1 CI-Methode 5.3 BaWü 5.2 Metzingen AP7 Empfehlungen: Implementierung und Transfer AP6 Partizipation und Akzeptanz AP2 Messkonzepte für den Energie-Autarkiegrad AP1 Ist-Situation Energie-Autarkie 2 ZIRIUS – Wolfgang Hauser, Marco Sonnenberger Am Zentrum für Interdisziplinäre Risiko- und Innovationsforschung der Universität Stuttgart (ZIRIUS) wurden im Rahmen des Berichtzeitraumes drei Aufgaben bearbeitet: Literaturstudie zum Thema Energieautarkie (AP1) Experteninterviews mit Stakeholdern (AP1) Szenarioerstellung (AP5/AP6) Literaturstudie Die Literaturstudie bezieht ihr Datenmaterial aus unterschiedlichen Quellen. Dabei zeigte sich schon früh bei der Recherche, dass zwischen Autonomie und Autarkie nicht stringent unterschieden wird. Daher wurden beide Schlagwörter zur Recherche verwendet. Konkret wurden für die Literaturstudie folgende Quellen herangezogen: An der Universitätsbibliothek Stuttgart verfügbare Fachzeitschriften ab 1990 zum Thema Energie (84) wurden mit den Schlagwörtern durchsucht. Bislang unbekannte, in den Artikeln verwendete und für die Forschungsfragen als interessant erscheinende Quellen wurden recherchiert, gesichtet und ggf. ausgewertet, um v. a. auch graue Literatur (z. B. Arbeitsberichte, Machbarkeitsstudien) in die Literaturstudie integrieren zu können. Im Karlsruher virtuellen Katalog wurden mit den Suchbegriffen Buchpublikationen recherchiert, gesichtet und ausgewertet. Mit Hilfe einer Internet-Suchmaschine wurde weiteres Datenmaterial recherchiert, das mit den oben genannten Suchstrategien noch nicht erfasst worden war. Die erfassten Publikationen wurden gesichtet und inhaltlich ausgewertet, um den aktuellen Stand der Diskussion zusammenzufassen. Auffallend war dabei u. a., dass auch in der wissenschaftlichen Diskussion sehr unpräzise mit den Begriffen umgegangen wird: zum einen wird die Energieautarkie nicht von der Energieautonomie abgegrenzt, sondern eher synonym gebraucht, zum anderen werden aber auch beide Begriffe bei Verwendung nicht hinreichend in Bezug auf die Systemgrenzen und die zu berücksichtigenden Energieflüsse definiert. Zusätzlich wird die Unterscheidung zwischen den Varianten der lastgerechten und bilanziellen Autarkie häufig nicht deutlich genug dargestellt. In ersterer darf Energie zu keiner Zeit von außen über die Systemgrenzen hineingetragen werden. Wohingegen die bilanzielle Autarkie einen bilateralen Energieaustausch über die Systemgrenze hinweg erlaubt aber die Bilanz über für definierte Ströme im Betrachtungszeitraum nicht negativ sein darf. Überdies würde festgestellt, dass der Reichweite des Autarkie-Begriffs in der Literatur unterschiedlich weit gefasst wird. So ist zumeist nur die Versorgung mit Wärme und/oder Strom gemeint, wenn von Autarkie gesprochen wird. Seltener wird der, nicht weniger wichtige, Aspekt des Energieverbrauchs der Mobilität (Treibstoffe) in eine Autarkiebetrachtung mit eingeschlossen. Denkbar ist überdies eine noch weiterfassende Betrachtung der Autarkie unter Einbeziehung von Rohstoff- und Energieeinsatz („Stichwort: „graue Energie“) zur Bereitstellung von Technologien. Die Ergebnisse der Literaturanalyse wurden in einem Artikel zusammengefasst, der sich gerade in der Endredaktion befindet und voraussichtlich in der Zeitschrift für Energiewirtschaft erscheinen wird. Experteninteviews mit Stakeholdern Ziel der Stakeholderinterviews war es, einen Einblick in die Einschätzung unterschiedlicher zentraler Akteure in Baden-Württemberg zur Energieautarkie zu erhalten. Dazu wurden zwischen Mai und August 2014 neun Interviews geführt mit Vertretern der Landesgruppen einschlägiger Verbände aus den Bereichen Energiewirtschaft und Umweltschutz, entsprechender Landesbehörden, kleinerer und größerer Energieversorger sowie eines Bioenergiedorfes. Die Interviewdurchführung orientierte sich Energie-Autarkie 3 an der offenen Variante der 3CM Methode (Conceptual Content Cognitive Map) zur strukturierten Erhebung kognitiver Repräsentationen eines bestimmten sozialen, technischen und/oder natürlichen Phänomens bei Individuen bzw. Stakeholdern [1, 2, 3]. Bei einem kleinen Sample und explorativem Vorgehen bietet sich die Erhebung im Rahmen eines teilstrukturierten Interviews an. Die 3CM Methode besteht dabei aus den folgenden drei Schritten: 1. Offene Themendarstellung: Der Interviewer fordert den Befragten mittels einer möglichst offenen Eingangsfrage auf, seine Perspektive auf das Thema darzulegen. 2. Sammlung zentraler Aspekte: Der Interviewer notiert währenddessen die zentralen Aspekte auf Kärtchen. Er präsentiert diese dem Befragten und bittet ihn, ggf. weitere Kärtchen hinzuzufügen, falls aus Sicht des Befragten noch weitere Aspekte fehlen. 3. Strukturierung der zentralen Aspekte: Im letzten Schritt bittet der Interviewer den Befragten, die Aspekte zu gruppieren (und ggf. Gruppenbezeichnung zu vergeben) und in Beziehung zueinander zu setzen, bis sich ein umfassendes Bild dessen Sichtweise auf das entsprechende Thema ergibt. Der Befragte soll dabei die Anordnung der Kärtchen fortlaufend kommentieren, sodass seine Gedankengänge nachvollziehbar werden. Mit Hilfe der 3CM Methode wurden die mentalen Modelle der Interviewten hinsichtlich Energieautarkie erhoben und visuell dargestellt, sodass ein umfassendes und valides Bild deren Sichtweise auf das Thema gewonnen werden konnte. Die Ergebnisse wurden in einem Artikel zusammengefasst. Es zeigte sich, dass der Begriff der Energieautarkie uneinheitlich verwendet wird und nicht klar definiert erscheint. Es fällt schwer abzugrenzen, was gemeint ist, wenn von Energieautarkie gesprochen wird und welche Systemgrenzen zu ziehen sind. Darüber hinaus sind die Autarkiebestrebungen für keinen der Befragten ein zentrales Anliegen. Lastgerechte Autarkie wird durchweg als nicht sinnvoll bzw. erstrebenswert erachtet. Bilanzgerechte Autarkie erscheint dagegen in einem positiveren Licht. Sie stellt jedoch auch kein Primärziel dar. Manche Befragten betrachten sie als positiven Nebeneffekt bei der Verwirklichung ihrer Ziele (z. B. Ausbau erneuerbarer Energien). Ein weiteres Merkmal der bisherigen Auswertung ist die Erkenntnis, dass hinsichtlich der Energieautarkiebemühungen kein zentraler Akteur existiert, den alle Befragten als treibende Kraft identifizieren. Manche betrachten die Kommunen (Stichwort „Bioenergiedörfer“) und Stadtwerke als zentrale Akteure, andere wollen diesen wiederum keine herausragende Rolle zugestehen. Allein die politischen Institutionen, die für die politisch-regulatorische Rahmensetzung im Energiebereich zuständig sind, werden von allen Befragten als zentrale Akteure betrachtet, obwohl diese selbst keine Energieautarkieziele verfolgen. Sie sind jedoch entscheidend dafür, was im Energiebereich wirtschaftlich darstellbar sowie erlaubt und damit letztendlich möglich ist. Szenarioerstellung Das Erstellen der Szenarien im Projekt erfolgt mit Hilfe der Methode der Cross-Impact-Bilanzanalyse (CIB) [4]. Mit ihr werden in folgenden Schritten die Kontextszenarien für das Projekt erstellt: Erstellung eines Katalogs möglicher kritischer Aspekte durch Literaturauswertung und Experteninterviews. Erstellung eines Katalogs relevanter gesellschaftlicher, politischer und technologischer Entwicklungen und ihrer Unsicherheiten im betrachteten Zeithorizont über Literaturauswertungen und Experteninterviews. Aufarbeitung der Interdependenzen zwischen den identifizierten Faktoren in Form eines qualitativen Wirkungsnetzes („Cross-Impact-Matrix“) mittels Experteninterviews und -workshops. Identifikation von konsistenten Kombinationen der möglichen Entwicklungen in den verschiedenen Bereichen unter Verwendung der CIB. Ausarbeitung der konsistenten Energie-Autarkie 4 Kombinationen zu mehreren Storylines, die zusammengenommen einen möglichen Entwicklungsraum darstellen. Die Storylines werden in einem Validierungsworkshop mit den Akteuren kritisch reflektiert und ggf. überarbeitet. Für die Szenarioerstellung wurden bisher die ersten beiden Schritte bearbeitet und die durch die Interviews identifizierten Stakeholder zu einem ersten Workshop eingeladen, in dem Sie die Auswahl der verwendeten Faktoren mitbestimmen können. Als nächste Schritte folgen Anfang nächsten Jahres die Bewertung der Interdependenzen zwischen diesen Faktoren und die Identifikation der konsistenten Kombinationen, für welche dann die entsprechenden Storylines ausgearbeitet werden. Die resultierenden Kontextszenarien dienen dann als Grundlage für die energiewirtschaftliche Berechnung in den numerischen Modellen der Partnerinstitute [5, 6]. IER – Lukasz Brodecki, Jan Tomaschek, Ulrich Fahl Das Institut für Energiewirtschaft und Rationelle Energieanwendung der Universität Stuttgart (IER) befasste sich im Rahmen des Berichtzeitraums mit der Erfassung des IST-Zustandes (AP 1) hinsichtlich des Energiesystems der Untersuchungsregion Metzingen, der Erstellung einer Gebäudetypologie für die Stadt Metzingen und mit der Entwicklung eines Energiesystemmodells (AP 4.2). Ist-Zustand Beginnend bei der Nachfrageseite wurden die sektorübergreifenden Energiebedarfe für die Untersuchungsregion ermittelt. Im Rahmen der Erstellung einer detaillierten Energiebilanz für Metzingen wurde für das Jahr 2013 eine Energie- und CO2-Bilanz auf Basis von Sekundärinformationen (Stadtwerke Metzingen, Landkreis Reutlingen, Stadt Metzingen, Statistisches Landesamt u. a.) sowie von Primärerhebungen über Fragebögen. Die Nachfrage für Strom, Wärme und Mobilität wurde den einzelnen Energieträgern Kohle, Heizöl, Erdgas, Strom und Kraftstoffen und den Sektoren Industrie, Gewerbe/Handel/Dienstleistungen sowie private Haushalte, öffentliche Liegenschaften und Verkehr zugeordnet und deren Emissionen bestimmt. Hierbei wurde die Fallunterscheidung zwischen einer quellen- und einer verursacherbezogenen Emissionsbilanz unternommen [7, 8]. Im Falle der Quellenbilanz werden die Emissionen betrachtet, die am Ort der Entstehung, d. h. am Standort der Emissionsquelle (z. B. Standort des Verkehrsgeschehens) anfallen (siehe Abbildung 1 für Metzingen und Abbildung 2 für Baden-Württemberg). Unberücksichtigt bleiben dabei die mit dem Importstrom verbundenen Emissionen. Hingegen sind die Emissionen, die bei der Erzeugung von Strom für den Export entstehen, in vollem Umfang einbezogen. Im Falle der Verursacherbilanz wurden hingegen alle Emissionen den verursachenden bzw. verbrauchenden Sektoren zugerechnet. Endenergiebedarf Metzingen CO2-Emissionen Metzingen Industrie 18.2% 28.3% Gewerbe Handel Dienstleistungen 19.9% Kommunale Liegenschaften Private Haushalte 31.2% 2.5% 21.8% 19.0% 25.3% 31.3% Verkehr 2.6% Summe: 521.267,0 MWh Summe: 169.415,3 t CO2 Abbildung 1: Anteile der quellenbezogenen Energie- und CO2-Bilanz in Metzingen im Jahr 2013 Energie-Autarkie 5 Endenergiebedarf BadenWürttemberg CO2-Emissionen BadenWürttemberg Industrie 22.6% 30.4% Haushalte und GHD 26.5% 26.7% Verkehr Gewerbe Handel Dienstleistungen 16.9% Industrie Private Haushalte 14.6% Verkehr 30.1% Summe: 285.059,4 GWh Öffentliche Wärmekraftwerke 32.2% Summe: 65.845.000,0 t CO2 Abbildung 2: Anteile der quellenbezogenen Energie- und CO2-Bilanz in Baden-Württemberg im Jahr 2012 Gebäudetypologie Zur Analyse des Gebäudebestandes in Metzingen und dessen Heizwärmebedarf dargestellt wurden in einem ersten Schritt relevante Merkmale des Gebäudebestandes gewählt. Anhand dieser charakteristischen Merkmale wurde der Gebäudebestand in einer Typologie geordnet und in einem Geographischen Informationssystem (GIS) zusammengefasst. Hierbei kann die räumliche Verteilung des Wärmebedarfs sowie bereits existierende Wärmequellen (Erzeugungsanlagen, Abwärme, Nahwärmenetze) abgebildet werden. Die Gebäudetypologie beinhaltet dabei Wohn- sowie Nichtwohngebäude. Der Bestand an Wohngebäuden ist durch eine Vielzahl verschiedener Eigenschaften geprägt, wie z. B. Gebäudetyp, Baualter, Geschoßzahl, Sanierungszustand u. a. Anhand dieser Merkmale konnten daraufhin mit Hilfe von Kennzahlen aus einer vorher durchgeführten Literarturrecherche Rückschlüsse auf den flächenspezifischen Wärmebedarf eines Gebäudes gezogen werden [9]. Hierbei wurde auch zwischen den einzelnen Anwendungen (Raumwärme, Warmwasser) unterschieden. Kartographische Grundlagen, wie die Liegenschaftskataster sowie digitale Stadtpläne der Stadt Metzingen, wurden von der Stadt Metzingen zur Verfügung gestellt. Momentan werden die Ergebnisse für den Wohngebäudebestand, der ca. 80 % der Bebauung in Metzingen ausmacht, finalisiert. Für die Ermittlung des Wärmebedarfs von allen Nicht-Wohngebäuden in Metzingen werden in einem nächsten Schritt aufgrund der inhomogenen Struktur und geringen Vergleichbarkeit mit Wohngebäuden Branchenkennzahlen, Beschäftigtenwerte und Realdaten angesetzt (Abbildung 3). Anzahl Einfamilienhäuser Gebäudetypologie Nicht-Wohngebäude Neugreuth Anzahl Zweifamilienhäuser Wohngebäude Glems Anzahl kleiner Mehrfamilienhäuser Innenstadt Abbildung 3: Klassifizierung der Gebäudestruktur in Metzingen Anzahl großer Mehrfamilienhäuser Energie-Autarkie 6 Um die gewonnenen Ergebnisse raumbezogen darzustellen, wurde ein geografisches Informationssystem verwendet. Die räumliche Zuordnung des detaillierten Gebäudebestandes und somit des Wärmebedarfs im GIS erlaubt eine spätere genaue Auflösung im Energiesystemmodell. Darüber hinaus können den einzelnen Quartieren die Energieträger zur Bereitstellung der Wärme zugeordnet werden. Eine beispielhafte Rastereinteilung und Auswertung des Wärmebedarfs eines Stadtteils von Metzingen ist in Abbildung 4 gegeben. Die aufgestellte Gebäudetypologie kann anschließend zu einem sektorübergreifenden Energiekataster weiterentwickelt werden. So können Verbrauchsursachen genau analysiert und der Energiebedarf einzelner Liegenschaften gezielt ausgewertet werden. Abbildung 4: Rastereinteilung und Auswertung der Gebäudetypologie in Metzingen Energiesystemmodellierung Die aus der Energie- und CO2-Bilanz, sowie aus der Gebäudetypologie im GIS gewonnen Erkenntnisse fließen anschließend in die Energiesystemmodellierung ein (AP 4.2). Für die Modellierung von Energiesystemen oder auch nur Teilen davon hat sich das Programm TIMES (The Integrated Markal Efom System) bewährt, das einen prozessanalytischen, dynamischen, optimierenden Energiesystemmodellgenerator darstellt. Er wurde innerhalb einer Arbeitsgruppe des Energy Technology Systems Analysis Programme (ETSAP) der Internationalen Energieagentur (IEA) entwickelt [10, 11]. Mit der Hilfe von TIMES wird ein Energiesystem technologisch detailliert als ein Netzwerk von Prozessen (z. B. Kraftwerkstypen, Verkehrstechnologien) und Gütern (Energieträgern, formen, Material) in Form eines sogenannten Referenzenergiesystems abgebildet. Durch Angabe von Rahmenbedingungen lassen sich unterschiedliche Fragestellungen formulieren, wie die kostengünstigste Umsetzung von Autarkie-Zielen unter Einhaltung technischer und ökologischer Restriktionen. Vorgegeben werden bei der Optimierung in der Regel der anfängliche Anlagenbestand, die zukünftige Entwicklung der Einstandspreise und der Energienachfrage sowie die die Technologien und Energieträger charakterisierenden Parameter. Als Ergebnis der Optimierung erhält man die Aus- Energie-Autarkie 7 gestaltung des Technologiebestands, d. h. die Art und Umfang (Kapazitäten) der Technologien sowie den benötigten Energieeinsatz, differenziert nach Energieträgern. TIMES Local [12] stellt eine Anwendung des TIMES Modells mit dem Schwerpunkt auf der Betrachtung von denjenigen Prozessen dar, die für ein Stadt- oder Quartiersmodell relevant sind. Die Gewinnung und Verarbeitung von Rohstoffen, wie beispielsweise Kohle, Öl oder Erdgas ist für ein solches Modell nicht in dem Maße relevant wie die vorhandenen Wärmebereitstellungstechnologien, die für die Wärmeversorgung der Haushalte und sonstiger Verbraucher benötigt werden. Es wird daher versucht, diejenigen Bestandteile des Modells genauer aufzulösen, die für die Problemstellungen einer Stadt oder eines Quartiers vorliegen. Im Rahmen der Erstellung des Stadtmodells für Metzingen wurde die räumliche Auflösung des Modells und die Ausgestaltung des Referenzenergiesystems zur Abbildung der räumlichen Zusammenhänge weiterentwickelt. Für eine räumlich hoch aufgelöste Betrachtung des Untersuchungsgebiets wurde zunächst eine Aufteilung des Gebiets in Segmente vorgenommen, die im Modell Regionen entsprechen. Für jede dieser Regionen wird in einem nächsten Schritt ein eigener Technologiesatz angelegt. Die spezifischen Charakteristika jeder Region beziehen sich z. B. auf die unterschiedlichen Gebäudegrößen und die damit verbundenen Anlagengrößen zur Wärmebereitstellung. Auch wird für jede Region eine eigene Nachfrageentwicklung vorgesehen. Hierbei wurden bereits verschiedene Sanierungsmaßnahmen für die einzelnen Gebäudetypen und deren energetischer Einfluss auf den Wärmebedarf erarbeitet, die zurzeit in das Modell eingebracht werden. Der konzeptionelle Rahmen wurde durch die umfangreiche Datenerhebung und den Aufbau der Datenbank in GIS weitestgehend aufgestellt und wird nun im nächsten Schritt in das Modell eingearbeitet. IFK – Florian Gutekunst, Andreas Siebenlist Analyse des Mittelspannungsnetzes Ein weiterer Baustein des Projektes ist die Analyse des Stromnetzes der Stadt Metzingen. Dieser Baustein wird vom „Institut für Feuerungs- und Kraftwerkstechnik“ (ifk) der Universität Stuttgart bearbeitet. Die Ergebnisse der Netzsimulation werden anschließend in das Gesamtenergiesystemmodell (TIMES-Local) angebunden. Detaillierte Netzrestriktionen und Angaben zu den elektrischen Betriebsmitteln fließen somit als Rahmenbedingungen in die Energiesystemmodellierung mit ein. Die für die Analyse notwendigen Daten werden von den Stadtwerken Metzingen zu Verfügung gestellt oder entstammen eigenen Erhebungen. Das Netzgebiet umfasst neben Metzingen auch die Ortsteile Glems und Neuhausen. Im Rahmen der Netzanalyse wird unter Berücksichtigung der Spezifikationen der elektrischen Betriebsmittel ein Modell der Mittelspannungsebene erstellt (siehe Abbildung 5). Abbildung 5: Modell des 10 kV Stromnetzes in Metzingen Energie-Autarkie 8 Grundlage der Netzanalyse ist eine Lastflussberechnung nach dem Newton-Raphson-Verfahren. Die Lastflussberechnung ermöglicht die Bestimmung der Stromflüsse und Spannungsverhältnisse im Netz. Hieraus ergeben sich die Leistungsflüsse über die Betriebsmittel. Im weiteren Projektverlauf wird das Netzberechnungsprogramm zur Analyse verschiedener Ausbauszenarien der dezentralen Energieversorgung herangezogen. Das Verfahren wird gemeinsam mit einer Visualisierung der wesentlichen Ergebnisse in MATLAB implementiert. Modellbildung und Parametrierung Der Netzaufbau des in Abbildung 5 dargestellten 10 kV-Netzes ergibt sich aus einem schematischen Netzschaltplan und der Lage der darin verzeichneten Ortsnetzstationen sowie den elektrischen Spezifikationen der einzelnen Betriebsmittel. Jede Ortsnetzstation wird im Modell durch einen Netzknoten auf der Mittelspannungsebene repräsentiert. Die an den einzelnen Netzknoten auftretenden Lasten ergeben sich aus dem Strombezug bzw. der Einspeisung auf der unterlagerten Netzebene (0,4 kV). Hierbei ist die Leistung von Stromerzeugung und –verbrauch unterspannungsseitig, jeweils an einem eigenen Netzknoten, summarisch abgebildet. Zudem ist der mögliche Einsatz eines Energiespeichers an jeder Ortsnetzstation vorgesehen. Somit werden jedem Mittelspannungsnetzknoten drei Netzknoten auf der Unterspannungsseite zugewiesen. Die Netzebenen sind im derzeitigen Modell an jeder Ortsnetzstation über einen standardisierten Transformator gekoppelt. Da zu den tatsächlich im Netzgebiet auftretenden Leistungen derzeit keine Daten vorliegen, werden erste Lastflussberechnungen mit einer Maximal- bzw. einer Minimallastabschätzung durchgeführt. Angenommen wird hier im Maximallastfall eine Entnahme von 10 MW und für den Minimallastfall eine Rückspeisung von 10 MW an der Übergabestelle zum Hochspannungsnetz (110 kV). Diese Annahmen dienen lediglich zur Veranschaulichung der prinzipiellen Funktionalität des Lastflussprogramms. Im weiteren Projektverlauf sollen detailliertere Erhebungen eine realitätsnahe Abbildung der tatsächlichen Lastverhältnisse ermöglichen. Mit Hilfe der Lastflussberechnung kann für diese Szenarien sowohl der Spannungsverlauf über die Leitungen (siehe Abbildung 6) als auch die Auslastung der einzelnen Betriebsmittel (Leitungen und Transformatoren - Abbildung 7) bestimmt werden. Abbildung 6: Darstellung des Spannungsverlaufs bei Starklast (Beispiel – Netzausschnitt Metzingen) Um thermische und mechanische Überlastungen der Betriebsmittel zu verhindern, sind Betriebszustände zu vermeiden, in denen die maximal zulässige Spannungsabweichung oder Energie-Autarkie 9 Stromflüsse überschritten werden. Auf Basis einer detaillierten Netzanalyse können die netzseitigen Auswirkungen des Autarkiebestrebens quantifiziert dargestellt werden und anschließend als Restriktionen in die Energiesystemmodellierung einfließen. Somit können Rückschlüsse auf den Einfluss der Autarkie auf notwendige Ausbaumaßnahmen oder auf die Versorgungssicherheit gezogen werden. Im weiteren Projektverlauf wird daher das Netzmodell mit plausiblen zukünftigen Szenarien für Einspeisung und Verbrauch belastet, um mögliche Netzengpässe zu identifizieren. Der momentane Schaltzustand des Netzes ist nicht bekannt, Anpassungen können aber im Netzmodell ohne großen Aufwand vorgenommen werden. Abbildung 7: Darstellung der Lastflüsse bei Starklast (Beispiel – Netzausschnitt Metzingen) GABI – Michael Baumann, Roberta Graf Die Abteilung Ganzheitliche Bilanzierung (GaBi) des Lehrstuhls für Bauphysik der Universität Stuttgart befasst mit der Untersuchung der Autarkie-Systeme aus ökologischer Perspektive. Ziel ist dabei vorrangig die ökologische Bewertung der Technologieoptionen, welche in die im Projekt eingesetzten Modellen (siehe IER und ifk) einfließen. Die ökologischen Auswirkungen der verschiedenen untersuchten Technologieoptionen werden dabei in Anlehnung an die ISO 14040/14044 [13], [14] mittels einer Ökobilanziellen Charakterisierung bewertet. Die Methode der Ökobilanz ermöglicht eine systematische Analyse der Umweltwirkungen eines Produktes über seinen gesamten Lebensweg [13]. Dies dient dazu die Stoffflüsse, die mit dem Einsatz der betrachteten Technologien einhergehen, über die Bilanzgrenzen hinweg zu erfassen. Technologiecharakterisierung Zur Realisierung der ökobilanziellen Bewertung von Energietechnologien wird zunächst in der verwendeten Methodik die Auswahl der zu berücksichtigen Technologien durchgeführt. Anschließend folgt die Modellierung dieser, sowie die Integration der einzelnen Modelle in ein generisches Systemmodell. In einer anschließenden Auswertung erfolgt eine Szenario-Analyse und die Zusammenfassung der jeweiligen Technologien in Steckbriefe. Energie-Autarkie 10 In Zusammenarbeit mit den Projektpartnern IER, DLR, IFK und ZIRIUS wurde die Vorgehensweise bei der Szenario-Analyse abgestimmt sowie die Schnittstellen zwischen den verschiedenen Teilarbeitspaketen bestimmt. Abbildung 8 zeigt die entwickelten Modelle und Schnittstellen für die Ökobilanzielle Betrachtung. Wichtig ist, dass die Erkenntnisse, die mittels der Ökobilanziellen Charakterisierung gewonnen werden, AP 6 zur Partizipation von Praxispartnern und Stakeholdern zur Verfügung gestellt werden. Notwendiger Schritt war daher eine Definition der Informationsdarstellung. Die Abteilung GaBi hat demgemäß sogenannte Steckbriefe entwickelt. Diese können zukünftig genutzt werden, um die Ergebnisse der ökobilanziellen Auswertung für spezifische Techniken zu illustrieren. Informationen Auswahl • • Technisch Ökonomisch Lokale Potenzialermittlung • Baden-Württemberg • Metzingen Auswahl Technologieoptionen • Energiebereitstellung z. B. Biogene Kraftstoffe • Energiespeicherung z. B. Power-to-Gas • Endenergienutzung z. B. Gebäudesanierung Ökobilanz Auswahl Analyse der Umweltwirkungen über den gesamten Lebensweges der Technologien Informationen Energie-Technologie-Akzeptanz (AP6) Charakterisierung Abbildung 8: Methode der Ökobilanzierung und Schnittstellen zu anderen Arbeitspaketen Darüber hinaus wurde in Zusammenarbeit mit dem IER eine Auswahl der zu berücksichtigenden Technologien getroffen und jeweils eine detaillierte Beschreibung erstellt. Dabei wurden lokale Potenziale, soweit zum Entscheidungszeitpunkt bereits bekannt, als Entscheidungsgrundlage hinzugezogen. Weitere Aspekte, die in den Entscheidungsprozess einflossen, waren technologische Ausgereiftheit und somit Verfügbarkeit, Wirkungsgrade, Investitions- und Betriebskosten, Ausbaupotenziale und Größenordnungen. Ein Auszug dieser Technologiesammlung ist im Anhang in Tabelle A - 1 dargestellt. Durch eine Rückspiegelung mit Stakeholdern der im Projekt beteiligten Stadt Metzingen wurde die Auswahl weiterhin angepasst. Die identifizierten Technologien wurden in einer Prioritätenliste kategorisiert. Die Aufstellung (siehe Tabelle A - 2) ist dynamisch und wird im Laufe des Projektfortschritts kontinuierlich überprüft. Ökobilanzielle Untersuchungen Die Kategorisierung der ausgewählten Technologien ermöglicht die intensive Abstimmung der Arbeiten zwischen dem IER und der Abt. GaBi. Momentan werden durch die Abteilung GaBi die Modelle für die Technologien der Priorität 1 finalisiert. Die Ökobilanzielle Modellierung erfolgt dabei mittels der Ökobilanzsoftware GaBi [15, 16]. Erste Ergebnisse für einzelne Technologien stehen bereits zur Verfügung und wurden zum Beispiel beim Kongress Energie- und Energiespeichertechnologien in Stuttgart vorgestellt. Parallel dazu erfolgt der Aufbau des generischen Systemmodells. Im weiteren Projektfortschritt erfolgt der kontinuierliche Ausbau. Nach Entwicklung von Autarkie-Szenarien in AP 6 können diese dann zukünftig auf ihre ökologischen Auswirkungen hin überprüft werden. Als nächster Schritt erfolgt die nähere Untersuchung der mit Energie-Autarkie 11 Priorität 2 berücksichtigten Technologien, wobei die Auflistung vor Beginn der Arbeiten in einer Abstimmungsrunde mit dem IER finalisiert und an den Erkenntnisstand aus AP 3.1 angepasst wird [17]. Zusätzlich erfolgt eine ökobilanzielle Unterstützung des AP 5. Hier werden für AP 5.1.2 Fahrzeugkonzepte auf ihre ökologischen Wirkungen untersucht. Berücksichtigt werden sollen hierbei Verkehrssysteme, die auch im Bereich der Mobilität einen Beitrag zur Energie-Autarkie leisten. Die Festlegung der potenziellen Konzepte erfolgt hierbei wiederum unter Berücksichtigung lokaler Gegebenheiten in Abstimmung mit dem IER. Dieser Abstimmungsprozess ist aktuell noch nicht abgeschlossen [18, 19, 20]. DLR Stuttgart - Uwe Pfenning Metzingen: Soziale Arena der Energieakteure Den Prozess nachzuzeichnen, wie welche Zielvorstellungen für ein lokales integratives Energieversorgungskonzept (Erzeugung, Verteilung, Speicherung für Strom, Wärme, Mobilität) aufkamen, wird in einer Stakeholder-Analyse mit den Mitgliedern des lokalen Arbeitskreises Klima und Energie (AKE) nachgegangen. Neben den Studien von ZIRIUS erfolgt hierbei auch eine OnlineErhebung bei allen Mitgliedern des AKE (n=30-35). Von Belang ist hierbei auch, inwieweit bei diesen Akteuren die Überzeugung vorherrscht, die Bürgerschaft zu vertreten und welche Einflussmöglichkeiten auf die Politik bestehen im Sinne einer lokalen wissenschaftlichen Politikberatung. Die Online-Erhebung findet im Dezember 2014 statt. Die Ergebnisse können mit dem Projekt Energiegenossenschaften verknüpft werden (Prof. Herbes). Bürgerumfrage als Bürgerbeteiligung Bisherige Umfragen zur Energiewende bezogen sich ausschließlich auf Einstellungsdeterminanten oder auf retrospektive und antizipierte Verhaltensweisen zum Umgang mit Energie („willingness to pay“ u. v. a.). Die Idee, Bürgerumfragen auch zur Auswahl von Bürgerbeteiligungsformaten zu nutzen, dient der Verfahrenslegitimation. Bürgerbeteiligung mit forscherseitig vorgegeben Formaten birgt das Risiko einer Inakzeptanz der Formate, die Auswahl der Formate verringert dieses Risiko und ist reflexiv. Diese Methode der Beteiligung an den Beteiligungsformaten hat sich bisher bewährt und führt zur erhöhten Akzeptanz der Verfahren (BW-PLUS Projekt Lokale Energiezukunft RW-Hausen). Diese Umfrage ist als Online-Tool konzipiert und wird bei Bedarf auch als Druckversion an interessierte Bürger weitergeleitet. Die Umfrage startete im November 2014. Sie ist als Vollerhebung vorgesehen. Der erwartete Rücklauf liegt bei 25-30 %. Bürgerumfrage als Datenbasis für Simulationen Die Bürgerumfragen dienen unter anderem zur Verbesserung der technischen Datenbasis der im Projekt eingesetzten mathematischen Modelle. Dazu zählen Erhebungen der Gebäudetypologie nach standardisierten Verbrauchswerten, Mobilitätsverhalten, bisherige Verhaltensweisen zum Energiekonsum und antizipierte Verhaltensweisen zu Veränderungen nach bestimmten Rahmenbedingungen. Diese Daten dienen den Projektpartnern IER, LBP und ifk als Input für technische Simulationen. Presse- und Öffentlichkeitsarbeit Flankierend zur Bürgerumfrage findet eine Öffentlichkeitsarbeit statt, deren Ziele a) die transparente Darstellung des Zieles und Vorgehen bei der Bürgerumfrage ist, b) eine Detailinformation zu den zur Auswahl stehenden Verfahren und c) Detailinformationen zu den EE-Technologien. Ergänzt werden soll diese Kampagne durch persönlich-interaktive Berichterstattung via Interviews. Metaziel ist ein Energie-Autarkie 12 Agenda-Setting-Effekt des Forschungsvorhabens. Die Presseartikel wurden mit den Stadtwerken und den Bürgermeister abgestimmt. Ausstehend sind Konsultationen mit dem Fraktionen im Gemeinderat. Schüler- und Jugendgutachten Die Einbeziehung der nachfolgenden Generation in die heutigen Entscheidungen stößt auf sehr breites Interesse, so dass das ursprünglich vorgesehene Schülergutachten zumindest durch ein zusätzliches Jugendgutachten komplettiert werden kann. In Metzingen gibt es einen aktiven Jugendgemeinderat, dessen Neuwahl im November 2014 erfolgte. Neben interessierten Schulen kann dieser - auch mit Blick auf das letztlich angestrebte lokale Energieparlament - in die Projektarbeiten als Jugendgutachten einbezogen werden. Dadurch eröffnet sich auch die Möglichkeit eines der Schülergutachten auf Empfehlungen auf die schulische Vermittlung der Energiewende zu setzen. Hier ergeben sich Synergie-Effekte mit einer laufenden DBU-Studie an der Universität Stuttgart unter der Supervision des DLR und von Prof. Ortwin Renn, ZIRIUS. Die Gespräche mit den Schulen laufen derzeit noch unter Einbindung des Kultusministeriums, was den Vorgang nicht unbedingt vereinfacht. Lokales Energieparlament Dieses Moment des Projektes zielt auf die innovative Einführung eines beratenden Gremiums für die langfristigen Planungen der Energiezukunft Metzingens. Angedacht ist, Vertreter aus den Bürgergutachten, Schülergutachten, Jugendgutachten, Gemeinderat, AK Klima und Energie sowie der Verwaltung und den Stadtwerken in einem organisierten Gremium als Modell für eine Bürgerbeteiligung zusammenzubringen. Dieses soll sich von den bestehenden Gremien von Stakeholder-Gruppen dadurch unterscheiden, dass über das Bürgergutachten und das Schülergutachten hinaus auch „Normalbürger/innen“ einbezogen werden sollen. Dieses Modell soll als Ernstcharakter konzipiert werden, d. h. a) Abhaltung turnusmäßiger Treffen, b) Selbstverpflichtung der Stadtverwaltung, Empfehlungen und Stellungnahmen dieses Gremiums bei Entscheidungen zur Energieversorgung einzuholen, c) Gewährung von Aufwandsentschädigungen oder Berufung auf Zeit als Ehrenbeamte sowie d) Rückspiegelung der Ergebnisse der Beratungen durch offizielle Bürgerversammlungen an die gesamte Bürgerschaft. Evaluationsdesign und Erhebung In einer (zweiten oder dritten) Bürgerumfrage sollen die Effekte dieses gesamten Vermittlungskonzeptes evaluiert werden bzgl. Veränderungen in den Einstellungen, antizipierten energiebezogenen Verhaltensweisen, ehrenamtliche Bereitschaft zur Mitwirkung in Gremien, Akzeptanz und Verständnis Erneuerbarer Energie und zur Nachhaltigkeit. Energie-Autarkie 13 Literaturverzeichnis [1] Kearney und Kaplan, „Toward a Methodology for the Measurement of Knowledge Structures of Ordinary People: The Conceptual Content Cognitive Map (3CM),“ Environment and Behavior 29 (5), pp. 579-617, 1997. [2] Weimer-Jehle, „Szenarienentwicklung mit der Cross-Impact-Bilanzanalyse,“ Paderborn, Vorausschau und Technologieplanung, pp. 435-454. [3] Lloyd und Schweizer, „Objectivity and a comparison of methodological scenario approaches for climate change research,“ Synthese, July 2014, Volume 191, Issue 10, pp. pp 2049-2088. [4] Weimer-Jehle, „Cross-Impact Balances: A System-Theoretical Approach to Cross-Impact Analysis,“ Technological Forecasting and Social Change, pp. 334-361, 2006. [5] Weimer-Jehle und H. Kosow, „Gesellschaftliche Kontextszenarien als Ausgangspunkt für modellgestützte Energieszenarien KIT Scientific Publishing, Karlsruhe,“ Energieszenarien Konstruktion, Bewertung und Wirkung. – „Anbieter“ und „Nachfrager“, pp. 53-65, 2011. [6] Kosow, „Consistent context scenarios: A new approach to strory and simulation,“ in FutureOriented Technology Analysis, Seville, University of Stuttgart, 2011. [7] Fahl et al., „Integrierter Energie- und Klimaschutzkonzept für die Region Neckar-Alb,“ Stuttgart, 2012. [8] I. U. Stuttgart und H. f. F. Rottenburg, Integriertes Klimaschutz- und Energiekonzept, Rottenburg, 2010. [9] Blesl, Kempe, Ohl, Fahl, König, Jenssen und Eltrop, „Wärmeatlas Baden-Württemberg Erstellung eines Leitfadens und Umsetzung für Modellregionen,“ Stuttgart, 2009. [10] ETSAP und IEA, Energy Technology Systems Analysis Programme (ETSAP), Contributing to the Kyoto Protocol, Summary of Annex VII (1999-2002), 2002. [11] Remme, Goldstein, Schlenzig und Schellmann, „MESAP/-TIMES - Advanced decision support for energy and environmental planning,“ in Operations Research Proceedings, Berlin, SpringerVerlag, 2001, pp. pp.59-66. [12] Blesl et al., Verfahren zur Entwicklung einer digitalen Wärmebedarfskarte, Kurzbericht, Frankfurt: AGFW, 2010. [13] DIN EN ISO 14040, Umweltmanagement – Ökobilanz – Grundsätze und Rahmenbedingungen, 2006. [14] DIN EN ISO 14044. Umweltmanagement – Ökobilanz – Anforderungen und Anleitungen, 2006. Energie-Autarkie 14 [15] PE-International, Universität Stuttgart und Lehrstuhl für Bauphysik, GaBi 6: Software-System und Datenbanken zur Ganzheitlichen Bilanzierung, Stuttgart und Echterdingen , 2012. [16] Baumann und Schuller, „Life Cycle Assessment and environmental comparison of electricity generation from hydropower, considering technical and climate boundary conditions,“ Guilin, 2013. [17] Lozanovski, Held und Sedlbauer, „Ökobilanz der Herstellung von Kupfer-Indium-GalliumDiselenid Photovoltaikmodulen,“ Universität Stuttgart / Lehrstuhl für Bauphysik, 2011. [18] Held, Photovoltaik aus Sicht der Ökobilanz (Präsentation), Bauzentrum München, 2010. [19] Held und Baumann, „Assessment of the environmental impacts of electric vehicle concepts (Presentation),“ in Towards Life Cycle Sustainability Management, Dordrecht: Springer, 2011, p. 8 pp.. [20] Held und Ilg, „Update of environmental indicators and energy payback time of CdTe PV systems in Europe.,“ in Progress in Photovoltaics: Research and Applications, 2011. Energie-Autarkie 15 Anhang Tabelle A - 1: Auszug aus Technologieatlas Technologie Mini-/Mikro BHKW http://www.bhkw-infothek.de/bhkw-anbieter-und-hersteller/mikrobhkw-ubersicht/ Quellen Leistungsklasse Wirkungsgrad Investitionsund Betriebskosten Ausbaupotential Schwierigkeit Allgemeine Infos http://www.heizungsfinder.de/bhkw/mikro-bhkw/preise Leitstudie 2010, Anhang Nano BHKW: Kleiner als 2,5 kWe. Mikro KWK: 2,5 kWe bis 10 kWe und 2-35 kWth. Alles darüber bis 50 kWe sind Mini BHKW Elektrisch zwischen 0,2-0,25 und gesamt etwa 0,8-0,9. Investitionskosten schwanken sehr stark bei kleinen Anlagen. Zwischen 1500 €/kWe bis hin zu 6000 €/kWe. Andere Quellen nennen Werte zwischen 700015000 €/ kWe. Installationskosten sind hier häufig nicht inbegriffen. Ca. 3000 € sollten für die Teile zur Anbindung an das Heizungssystem berechnet werden. Wartungsintervalle betragen zwischen 6000 h und 10000 h und kosten in etwa 1500 €/pro Jahr pro Anlage. Durch die Förderungsprogramme und die Einspeisemöglichkeit bieten sich hier große Möglichkeiten bei Mehrfamilienhäusern. Bis 2020 von zurzeit 11 % eine Ehrhöhung des durch mini/mikro-BHKWs dezentral erzeugten Stroms in Deutschland auf 25 % erhöhen (Ziele des integrierten Energie-Klimaprogramms IKEP) Gasanschluss notwendig, diskrete Beladungsvorgänge z. B. bei Pflanzenöl, oft nur in Kombination mit Wärmespeichern bzw. Wärmesenken sinnvoll. Genaue Auflistung der Mini/Mikro BHKWs und deren Leistungen siehe Excel Tabelle und Quelle oben El. Wirkungsgrad % Th. Wirkungsgrad % Gesamtwirkungsgrad % Typischer Wert für el. Wirkungsgrad heute / (Zukunft) Typischer Wert für th. Wirkungsgrad heute / (Zukunft) Lebensdauer Anlage Betriebsbereich Teillast Verfügbarkeit % Typische Kapazität kWe (siehe Herstellerliste) Typische Kapazität kWth (siehe Herstellerliste) Investitionskosten €/KWel Investitionskosten typischer Wert / (Zukunft) €/kWe O&M €/a Mikro BHKW 20-25 % 63-56 % 75-90 % 22,5 % / (24 %) Mini-/Mikro BHKW Mini BHKW 22-30 % 63-56 % 75-90 % 28 % / (30 %) 60 % / (60 %) 58 % / (58 %) 20 Jahre 75-90 % 90 2,5-10 20 Jahre 75-90 % 90 10-50 5-20 20-100 4000-8000 6000 / (5500) 4000-6000 5000 / (4000) 1500 1500 Energie-Autarkie Tabelle A - 2: Ergebnis der Technologieauswahl nach Prioritäten Priorität Technologie • (Mini-)BHKW (Nahwärme) • Bioenergie-KWK-Anlagen (Abfall bzw. Biogas und Holz) • Biogas (zunächst Abfallstoffe, Gülle, Grünschnitt etc.) Strom und CH4 • Wind-Onshore-Anlagen (2 MW) • PV-Frei- und Dachflächenanlagen in unterschiedlichen Konzepten • Solarthermie (Warmwasser, Heizung, Netznutzung ) • Solare Kühlung 1 • Geothermie (oberflächennah) • Abwasser-Wärmepumpen • Energiekonzept Kläranlage des Abwasserverbands Ermstal • Klärschlammverwendung • Wärmeverteilung, -speicherung • Pumpspeicherkraftwerk Glems II • Wasserkraftwerke Erms • Gebäudesanierung, Sanierungskonzepte • Solarthermie (Adsorptionskälteanlagen) • Gasverteilung 2 • Power to Heat • Stationäre Batterien (Lithium-Ionen, Redox-Flow) • Haushaltsgeräte (Lastmanagement) • Energiepflanzenanbau • Power-to-Gas (BW-Ebene) • Dampf- und Prozesswärmeerzeugung 3 • Gebäudeheizsysteme • Stationäre Brennstoffzellen (BW-Ebene) • Druckluftspeicher (BW-Ebene) 16