Ausgabe 01/2012 - Die Agrarsoziale Gesellschaft eV

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Ausgabe 01/2012 - Die Agrarsoziale Gesellschaft eV
AG RAR S O Z IALE
G E S E LLS C HAF T
Schwerpunkt
Genossenschaften
ASG-Frühjahrstagung
in Bad Nauheim
EU-Agrarpolitik
H 20781 | 63. Jahrgang | 01/2012 | www.asg-goe.de
E. V.
Inhaltsverzeichnis
ASG
1 Am Rande notiert – ASG-Vorsitzender Dr. Martin Wille
2 LandSchau 2012:
- Daseinsvorsorge und Lebensqualität im Ländlichen Raum
- Europäischer Lebensstil und Welternährung – ein Gegensatz?
- Die Zukunft der Gemeinsamen Agrarpolitik nach 2013
11 Programm der ASG-Frühjahrstagung 2012 in Bad Nauheim
12 Tagungsregion Bad Nauheim: Vielfalt in der Einheit
Agrarpolitik
14 Neues von der agrarpolitischen Bühne: Showdown im Hühnerstall
16 Kontrovers: Prof. Dr. Peter Weingarten, Dr. Peter Pascher und Wolfgang Reimer
zu den Vorschlägen der EU-Kommission für die Gestaltung der 2. Säule nach 2013
19 Berliner Agrarministergipfel 2012: Ernährungssicherung durch Bildung
Landwirtschaft
20 Artenvielfalt statt Sojawahn
24 Förderpreis Ökologischer Landbau
Ländlicher Raum
26 Siedlungsentwicklung: Demografie zwingt Kommunen zum Handeln
Schwerpunkt
Genossenschaften
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Ländliche Genossenschaften – ein Erfolgsmodell vom Mittelalter bis heute
Genossenschaftliche Antworten auf globale Herausforderungen
Genossenschaften heute: bodenständig, bekannt und beliebt
Interview mit Manfred Nüssel: Die genossenschaftliche Idee lebt
Rezension: Erfolgsmodell Genossenschaften
Genossenschaftsbanken heute: Dr. Gerd Wesselmann, WGZ BANK, und Christof Lützel,
GLS Bank
bolando eG: Genossenschaftlich geführtes Dorfgasthaus
fairPla.net eG: Genossenschaft für Klimagerechtigkeit
(Bio)EnergieDörfer eG: Gemeinsam zu regionaler Energieerzeugung
Energiegenossenschaft Odenwald eG: Energiegewinnung, -einsparung und -effizienz
Veranstaltungen zum Internationalen Jahr der Genossenschaften
Termin
47 6. Bundestreffen der Regionalbewegung
Personalie
47 Dr. Monika Michael neue Geschäftsführerin des dlv
Für Sie gelesen
48 Landwirtschaft. Ein Thema der Kirche
48 Der kritische Agrarbericht 2012
48 Die Könnensgesellschaft
Foto Titelseite: Energiegenossenschaft Odenwald eG
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Am Rande notiert
1
„Wir werden das Landwirtschaftsgesetz in Richtung eines
modernen Gesetzes für die Landwirtschaft und den ländlichen
Raum weiterentwickeln und das Ziel einer flächendeckenden,
nachhaltigen Landbewirtschaftung in Deutschland festschreiben“, heißt es im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und FDP
vom 26. Oktober 2009. Ein wichtiges und anspruchsvolles
Vorhaben. Denn das alte Landwirtschaftsgesetz von 1955,
das „der Landwirtschaft die Teilnahme an der fortschreitenden
Entwicklung der deutschen Volkswirtschaft“ sichern soll und
zur jährlichen Vorlage von Lageberichten auffordert, ist vom
früheren Landwirtschaftsminister Horst Seehofer zwecks
Bürokratieabbau entkernt worden. Das Gesetz verstaubt
und wird nicht mehr beachtet. Auch das Gemeinschaftsaufgabengesetz „Verbesserung der Agrarstruktur und des
Küstenschutzes“ müsste novelliert und in Richtung Gemeinschaftsaufgabe integrierte ländliche Entwicklung modernisiert
werden. Und was ist mit „nachhaltiger Landbewirtschaftung“?
An vielen Stellen steht etwas, aber richtig festgeschrieben,
wie im Koalitionsvertrag gefordert, ist es nicht. Es ist anzunehmen, dass die zuständige Ministerin das Vorhaben durch
die Charta für Landwirtschaft und Verbraucher ersetzen will.
Bei der auf der Grünen Woche 2012 vorgestellten Charta
handelt es sich, wie Ministerin Aigner selbst feststellt, um
einen Fahrplan für die Politikgestaltung ihres Ressorts. Das
ist nicht viel; deutlich weniger jedenfalls, als viele der am
Charta-Prozess beteiligten gesellschaftlichen Gruppen erwarten konnten. Entsprechend teilnahmslos ist die Charta nach
meinem Eindruck aufgenommen worden. Wenn nicht einmal
Kritik geübt wird, kann bei den von den Moderatoren festgestellten, teilweise grundlegenden Meinungsunterschieden
mit dieser Charta nicht viel los sein. Auf jeden Fall macht sie
eine Novelle des Landwirtschaftsgesetzes nicht überflüssig.
Ein geeigneter Termin dafür steht mit der für 2013 zu erwartenden Verabschiedung des neuen EU-Finanzrahmens 2014
bis 2020 an. Die neue EU-Politik für Landwirtschaft und
ländliche Räume könnte dann in und mit einem modernen
Landwirtschaftsgesetz in Deutschland umgesetzt werden.
Ihr
StS. a.D. Dr. Martin Wille
Vorsitzender des Vorstandes der Agrarsozialen Gesellschaft e.V.
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LandSchau
Lösungen der Zukunftsfragen, auch für die Zukunft
2„Die
der Städte, werden auf dem Land entwickelt werden.
ASG
Dies gilt für Fragen der Ver- und Entsorgung, des täglichen Bedarfs und der Bildung. In NRW trägt z. B. die
Sekundarschule dazu bei, dass schulische Angebote
wohnortnah sichergestellt werden können.“
Johannes Remmel, Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft,
Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen
„Breitbandversorgung ist ein erheblicher Standortfaktor
für ganz Deutschland. Es kommt darauf an, dass wir
dies möglichst überall gleichzeitig erreichen, obwohl wir
wissen, dass dafür erhebliche Investitionen nötig sind.
Im Verkehrssektor sind manche Investitionen, wie z. B.
die Autobahn in Mecklenburg-Vorpommern, zu spät
gekommen.“
Prof. Dr. Hans-Günter Henneke, Hauptgeschäftsführer Deutscher
Landkreistag
Minister Johannes Remmel, Prof. Dr. Hans-Günter Henneke, Moderatorin
LandSchau 2012
Daseinsvorsorge und Lebensqualität im Ländlichen Raum
Im Zentrum der von der Agrarsozialen Gesellschaft e.V. in Zusammenarbeit mit den Bundesländern,
der Deutschen Vernetzungsstelle Ländliche Räume (DVS), der EU-Kommission und dem Landkreistag (DLT) durchgeführten LandSchau standen 2012 Initiativen, die der Daseinsvorsorge und der
Verbesserung der Lebensqualität im ländlichen Raum dienen. Die Unterschiedlichkeit der vorgestellten Konzepte machte deutlich, dass sowohl die Bedürfnisse und Probleme, als auch die Möglichkeiten des Handelns ein weites Spektrum umfassen.
Vom Dorfladen zum Dorfzentrum
Das verschiedene Aspekte der Daseinsvorsorge
umfassende Konzept der MarktTreffs in SchleswigHolstein besteht seit zehn Jahren. Kürzlich konnte
der 29. MarktTreff eröffnet werden. Träger der
MarktTreffs sind die Gemeinden, die hierfür eine
Anschubfinanzierung im Rahmen der Dorf- und
ländlichen Regionalentwicklung erhalten. Ingwer
Seelhoff, MarktTreff Management, ews group, betonte, dass MarktTreff ein lernendes Projekt sei
und an die unterschiedlichen Bedingungen in den
Gemeinden angepasst werde.
Anne-Marie Truninger, Verein für Regionalentwicklung Werra-Meißner e.V., wies auf den Wert einer in
die Tiefe gehenden Bedarfsermittlung hin. Im hessischen Werra-Meißner-Kreis sei diese durch den
Masterplan Daseinsvorsorge im Rahmen des Modellvorhabens „Region schafft Zukunft“ erfolgt. Unterschiedliche Bedingungen erforderten individuelle
Konzepte. So umfasse das in einem ehemaligen
Autohaus an einer Bundesstraße beheimatete Nahversorgungszentrum Datterode (Investitionssumme
1,2 Mio. €) verschiedene Einzelhandelsgeschäfte
und Dienstleistungen sowie eine PhysiotherapiePraxis, während das „Lädchen für Alles“ mit CaféStube in Gertenbach mit 92 m2 Gesamtfläche aus-
komme (Investitionssumme 60 000 €). Beide Projekte beinhalten einen Apotheken-Briefkasten mit
Lieferservice und die Möglichkeit, Geld abzuheben.
Sie wurden durch ansässige Bürger initiiert und
teilweise mitfinanziert sowie durch Bundesmittel im
Rahmen des Modellprojektes „Region schafft Zukunft“ gefördert (zu den Projekten s. a. LR 03/2011,
S. 68). Projektträger sind heute der Aufwind – Verein für seelische Gesundheit und dessen gemeinnützige Tochter, die stellenwert GmbH.
In der Region Kellerwald-Edersee (Hessen) hätten
sich zehn Gemeinden zusammengetan, um die geschlossene Grundschule in Haina-Löhlbach zu einem Dorfzentrum umzunutzen, berichtete Lisa
Küpper, Region Kellerwald-Edersee e.V. Zu dem
Projekt (Investitionssumme 1,2 Mio. €) gehöre das
bereits eröffnete „Lädchen für Alles“, eine Physiotherapiepraxis und eine Bäckerei mit Café. Als weitere Betreiber seien die örtliche Sparkasse und eine
Tochter des Landeswohlfahrtsverbandes Hessen
beteiligt, die künftig in vier Wohnungen betreutes
Wohnen anbieten würden.
Im 450-Einwohner kleinen Ortsteil Heilgersdorf
(Stadt Seßlach) in Oberfranken würden jeden Tag
200 Kunden im eigenen Dorfladen begrüßt (Öffnungszeit 6.00 - 19.00 Uhr), so Prof. Dr. Volker
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„Es ist der Kommission bei ihren Vorschlägen gelungen, die Finanzausstattung für die gemeinsame Agrarpolitik stabil zu halten. Die Zielgenauigkeit hat sich
verbessert, da in Zukunft nur noch aktive Landwirte
eine Förderung bekommen sollen. Durch die Begrenzung der Förderungshöhe konnte außerdem mehr
Spielraum in der Breite geschaffen werden.“
Fotos: M. Busch
Dr. Rudolf Moegele, Generaldirektion Landwirtschaft und ländliche
Entwicklung, EU-Kommission
„Die Vorschläge der Kommission zur GAP liegen auf
dem Tisch. Ich hätte es begrüßt, wenn etwas mehr
Mittel in den ländlichen Raum, in die 2. Säule, geflossen
wären, aber es gibt eine große Flexibilität, so dass
Mittel umgeschichtet werden können und so mehr
Geld zur Verfügung steht.“
StS. a.D. Dr. Martin Wille, Vorsitzender Agrarsoziale Gesellschaft e.V.
Petra Schwarz, Dr. Rudolf Moegele und StS. a.D. Dr. Martin Wille
Hahn, Unternehmensberater und Geschäftsführer. Angeboten würden bevorzugt regionale und biologisch
erzeugte Produkte. Eigentümer ist die Dorfladen Heilgersdorf GmbH & Co. KG, die von 100 Kommanditisten und der Stadt Seßlach gegründet wurde und
die Anschubfinanzierung ermöglicht hat (Investitionssumme 65 000 €, davon wurden 40 000 € von den
Bürgern aufgebracht). Neben Geld investierten die
Ehrenamtlichen viele Arbeitsstunden in ihren heute
schwarze Zahlen schreibenden Laden. Nicht zuletzt
durch einen Hol- und Bring-Service für ältere Bürger
sei der Dorfladen zu einem sozialen Treffpunkt geworden. Ein regionales Unternehmen habe das Transportfahrzeug gespendet. Für demente Personen werde
gemeinsam mit der Diakoniestation ein Einkaufstraining durchgeführt. Der Dorfladen Heilgersdorf wurde
mit einem bundesweiten Innovationspreis für bürgerschaftliches Engagement und weiteren Preisen ausgezeichnet und wird stetig weiterentwickelt.
Kultur, Kommunikation
und ärztliche Versorgung
2011 veranstaltete das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) gemeinsam
mit dem Deutschen Städte- und Gemeindebund und
dem Deutschen Landkreistag erstmalig den Wettbewerb „Menschen und Erfolge – Aktiv für ländliche Infrastruktur“. Prof. Dr.-Ing. Hagen Eyink (BMVBS) erläuterte, dass die Teilnahmebedingungen und Antragsformulare bewusst einfach gehalten worden seien, um
viele Initiativen für eine Teilnahme zu gewinnen. Zu
den 2011 aus ca. 600 Einsendungen ausgewählten
Preisträgern gehörten u. a. die Kammerspiele Treuenbrietzen und die Hausarztakademie Hersfeld-Rotenburg.
In Treuenbrietzen wurde 2002 auf Initiative einiger
Bürger damit begonnen, ein verfallenes Kinogebäude
zu sanieren. Neben Fördermitteln aus der Städtebauförderung und vielen Spenden von ansässigen Firmen
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und Privatpersonen erbrachte die Initiative umfangreiche Eigenleistungen. Heute sei das Kino
ein Treffpunkt für alle Altersstufen und werde für
Theater, Lesungen und Konzerte, aber auch zum
gemeinsamen Fußballschauen und für Feste genutzt, so Heidi Drescher, Vorstandsmitglied des
Kinofördervereins Treuenbrietzen e.V. Markus
Mempel, Deutscher Landkreistag, betonte, dass
Kultur ein wichtiger Stützpfeiler der Lebensqualität
vor Ort sei. Als weiteren Standortfaktor benannte
Dr. Martin Ebel, Allgemeinmediziner aus Bad
Hersfeld, die Hausarztversorgung. Diese sei für
die Entscheidung, den Lebensabend in ländlichen
Gebieten zu verbringen, besonders wichtig. Um
die ärztliche Versorgung in der Region zu verbessern, ermögliche die Hausarztakademie HersfeldRotenburg interessierten Studentinnen und Studenten den Kontakt zu niedergelassenen Kollegen. Diese könnten nicht nur durch ihre Qualifikation eine Weiterbildung nach individuellen Wünschen sicherstellen, sondern nach erfolgreichem
Abschluss der Facharztausbildung zum Arzt für
Allgemeinmedizin als Mentoren die Niederlassung
der jungen Kolleginnen und Kollegen in den ersten
Jahren begleiten. Insbesondere würden sie helfen,
die schwierigen Regularien im Kassenarztwesen
umzusetzen. Seit der Preisverleihung seien die
Anfragen von Studierenden stark angestiegen.
Mobilität
Seit 25 Jahren fördere das Ministerium die ehrenamtlichen Initiativen für Bürgerbusse mit Zuschüssen, so Hajo Kuhlisch, Ministerium für Wirtschaft, Energie, Bauen, Wohnen und Verkehr des
Landes NRW. 104 der insgesamt etwa 175 Bürgerbusse in Deutschland führen daher in NRW. Wenn
durch geringe Fahrgastzahlen der Einsatz großer
Busse des ÖPNV nicht gerechtfertigt werden könne, sei der Bürgerbus ein Modell für den ländli-
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LandSchau
ASG
LandSchau
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ASG
„Wir müssen auch in der Politik
deutlich machen, dass es sich lohnt,
den Ländlichen Raum zu unterstützen. Da hat es in der Vergangenheit
Defizite gegeben.“
Dieter Posch, Hessischer Minister für
Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung
„Wir müssen die jungen Menschen
für die freiwillige Feuerwehr begeistern. Das Modellprojekt ‚Wahlpflichtfach Feuerwehrtechnik‘ im Landkreis
Cochem-Zell ist für das Land wichtig
und wird Schule machen.“
„Unser Betrieb beliefert die im ‚Wetterauerlandgenuss' zusammengeschlossenen Gastronomen mit Salat, Spargel
und Erdbeeren. Bei regionaler Erzeugung können die Leute kommen und
sehen wie es wächst.“
Heike Raab, Staatssekretärin im Ministerium
des Innern, für Sport und Infrastruktur Rheinland-Pfalz
Heinz Christian Bär, Präsident des Kuratoriums
der ASG
chen Raum und werde aufgrund der demografischen
Entwicklung zunehmend wichtiger. In Abstimmung
mit den regionalen Verkehrsbetrieben würden für
die Bürgerbusse mit acht Fahrgastplätzen konzessionierte Linien eingerichtet und Fahrpläne erstellt.
Franz Heckens, Vorsitzender des Dachvereins Pro
Bürgerbus NRW e.V. betonte die Freude, die die
ehrenamtlichen Fahrer und Fahrerinnen – etwa
25 % sind Frauen – an ihrer Tätigkeit hätten. Manche seien seit 25 Jahren dabei. Insgesamt seien
2 500 bis 3 000 Ehrenamtliche in den Bürgerbusvereinen in NRW aktiv.
netz vom Land mit 90 % bezuschusst und zu 10 %
durch die Kommunen getragen. Dies gelte jedoch
nur für Gebiete, in denen noch keine Internetversorgung vorhanden sei und wäre für diese eine gute
Lösung, so Frank Stege, Amtsdirektor im Amt Gransee und Gemeinden. Die bestehenden, langsamen
Netze könnten für die betroffenen Gemeinden jedoch zum Problem werden. Steffen Schmitt, Bundesnetzagentur, erläuterte hierzu, dass ein bundesweiter Ausbau des Glasfasernetzes Investitionen
von 50-70 Mrd. € erfordere und daher nicht finanzierbar sei.
Telekommunikation
Ein außergewöhnliches Modell wird im südlichen
Nordfriesland verwirklicht. Mit dem Ziel, alle Haushalte an ein Glasfasernetz anzuschließen, werde
am 1. Februar 2012 die Bürger-Breitbandnetz
GmbH & Co. KG gegründet, erläuterte Ute GabrielBoucsein, Amt Nordsee-Treene. Das Investitionsvolumen für 20 000 Haushalte in 59 Gemeinden
betrage 60 Mio. €. Ziel sei, innerhalb der nächsten
fünf Jahre von Privatpersonen und Gemeinden
12 Mio. € als Eigenkapital in den geschlossenen
Fonds einzuwerben, wobei der Anteil der Kommunen maximal 25 % betragen solle. Gesellschafterkredite würden mit 2,5 % bis 4,5 % verzinst. Die
Projektlaufzeit betrage 30 Jahre.
Auch im ländlichen Raum seien schnelle Internetverbindungen kein Luxus, sondern notwendige Infrastruktur, betonte Hermann-Josef Thoben, Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume des Landes Schleswig-Holstein. Das Breitbandkompetenzzentrum Schleswig-Holstein berate daher
die Gemeinden über den Versorgungsstand und
stelle Know-how über verschiedene Techniken und
Möglichkeiten des Ausbaus zur Verfügung. Holger
Preckel, Alcatel-Lucent, unterstrich die Notwendigkeit des Aufbaus schneller Netze, da bereits in zwei
Jahren 50 % des Internetverkehrs Video-Streaming
sein werde. Nicht in jeder Region könnten die Netzbetreiber jedoch hierfür die Infrastruktur bereitstellen, da diese meist Aktiengesellschaften seien und
die Anleger eine Amortisation der Investitionen innerhalb von zwei Jahren erwarteten. Wo dies nicht
der Fall sei, so Dr. Klaus Ritgen, Deutscher Landkreistag, würden einige Landkreise Glasfasernetze
als Infrastrukturmaßnahme aufbauen. Deren Übertragungskapazität könne durch relativ gering Investitionen später gesteigert werden.
In Brandenburg werde der nicht rentable Anteil der
Investitionen des Netzbetreibers in das Glasfaser-
Jugendarbeit
Seit August 2011 werden erstmalig in Deutschland
Schüler und Schülerinnen der 8. Klasse der Realschule Plus Treis-Karden im Wahlpflichtfach „Feuerwehrtechnische Grundausbildung“ über zwei Jahre
hinweg zum Feuerwehrmann/zur Feuerwehrfrau
ausgebildet. Die Schülerinnen und Schüler demonstrierten ihre Fähigkeiten eindrucksvoll auf der LandSchaubühne. Möglich wurde die Integration des Faches durch viel ehrenamtliche Arbeit und eine gute
Zusammenarbeit von Schule, Verwaltung und Feu-
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„Ein wichtiges Kulturgut sind die reetgedeckten Gebäude in SchleswigHolstein. Die AktivRegionen Südliches Nordfriesland und Eider-TreeneSorge haben ein Kooperationsprojekt ins Leben gerufen, um die Baukultur
in der Region zu erhalten.“
Peter Harry Carstensen, Ministerpräsident Schleswig-Holstein
„Heute muss bei der Gründung eines neuen
MarktTreffs weniger in Gebäude investiert
werden als früher, da die Gemeinden meist
leer stehende Gebäude besitzen. Dafür wird
sehr viel mehr auf die Inhalte, das heißt auf
das Verhältnis zwischen Nahversorgung,
Dienstleistungen, Kommunikation und
sozialen Diensten geachtet.“
Dr. Juliane Rumpf, Ministerin für Landwirtschaft, Umwelt
und ländliche Räume des Landes Schleswig-Holstein
erwehr, so Heinz Platten, stellvertretender Schulleiter. Das von der DVS vorgestellte Projekt „Perspektive Feuerwehren Cochem-Zell“ wird von der Entwicklungsagentur Rheinland-Pfalz e.V. im Rahmen
des Modellprojekts „Ländliche Perspektiven“ begleitet und soll Freiwilligen Feuerwehren helfen, den
Herausforderungen des demografischen Wandels
zu begegnen.
auch lokale Initiativen und stelle Förderanträge für
Projekte wie beispielsweise die Landschaftspflege
mit Behinderten. Mit Hilfe solcher Beispiele würden
immer wieder neue Menschen motiviert, selbst
mitzuarbeiten, zuzustiften oder zweckgebunden
zu spenden. Das Stiftungskapital betrage heute
150 000 €, der Mindestbetrag bei der Zustiftung
läge bei 500 €.
Als „Ubuntu – der Circus“ 2009 Leuchtturmprojekt
der AktivRegion Steinburg in Schleswig-Holstein
wurde, bestand die private Initiative für eine zeitgemäße Jugendarbeit schon fast 15 Jahre. Aus der
Idee, Ferienfreizeiten anzubieten, entstand eine
Circusschule, die regelmäßig auf Tournee geht. Kindern und Jugendlichen zwischen 11 und 17 Jahren
wird die Möglichkeit geboten, die Regelschule für
ein Jahr zu verlassen, um in selbstgestalteten Zirkuswagen zu leben. Ob Akrobatik oder Abwasch –
das gemeinsame Leben, Lernen und Arbeiten steht
im Mittelpunkt. Zu Beginn jedes Auftritts der jungen
Zirkuskünstler auf der LandSchau-Bühne, übersetzte Sebastian Geisler als Manegendiener „Fido“ den
aus der Sprache der Zulus stammenden Begriff
Ubuntu für das Publikum: „Ich bin, weil wir sind,
und wir sind, weil ich bin.“
Auf Initiative von Wolfgang Ziegler, heute Vorsitzender des Stiftungsrates, wurde 2010 die Bürgerstiftung Schöneiche bei Berlin gegründet. Die Ziele
der Stiftung seien breit formuliert worden, um auch
in 100 Jahren nicht bestimmte Projekte ausschließen zu müssen. Bisher habe sich die Stiftung hauptsächlich im kulturellen Bereich engagiert; so sei der
Musikschule ein Schlagzeug geschenkt worden und
es würden mit fantasievollen Aktionen Spenden für
einen neuen Flügel für die Schlosskirche eingeworben. Axel Halling, Initiative Bürgerstiftungen im Bundesverband Deutscher Stiftungen, betonte, dass keine reichen Geldgeber oder großen Städte nötig seien, um eine Bürgerstiftung zu gründen und Dinge
unabhängig von Verbänden und Gemeindeaufgaben
zu bewegen. Die Initiative Bürgerstiftungen stehe
jedem Stiftungswilligen durch Beratung und Vernetzung zur Seite und bemühe sich mit der Stiftungsinitiative Ost, die Idee der Bürgerstiftung auch in
den neuen Ländern bekannt zu machen.
Bürgerstiftungen
Vor fünf Jahren sei die Bürgerstiftung Kulturlandschaft Spreewald gegründet worden, um möglichst
vielen Menschen die Möglichkeit zu geben, einen
kleinen Beitrag für den Erhalt der Kulturlandschaft in
der Region zu leisten, erläuterte Michael Petschick,
stellvertretender Vorstandsvorsitzender, das Ziel der
Bürgerstiftung. Die Stiftung sammele jedoch nicht
nur Geld, um mit den Zinserträgen Flächen zu pflegen, deren Bewirtschaftung durch die Landwirte aus
wirtschaftlichen Gründen aufgegeben worden sei,
sondern bündele mit ihrer ehrenamtlichen Arbeit
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Ziegen für den Tourismus
Anlässlich der Vorstellung der Ferienregion Münstertal Staufen (Schwarzwald) wies Armin Schuster,
MdB, Wahlkreis Lörrach-Müllheim, auf die Bedeutung der Bewirtschaftung von Steillagen hin. Im
Schwarzwald erwarteten die Urlaubsgäste grüne
Wiesen und Weidetiere. Die Förderung von Bergbauern stelle daher die Bezahlung einer Leistung
dar, die sonst durch andere gegen Entgelt erbracht
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„Eines der wichtigsten Ziele ist, der sich abzeichnenden Auseinanderentwicklung der ländlichen Räume durch die demografische
Entwicklung gegenzusteuern. Hierzu gehört, dass Gebiete mit den
größten Herausforderungen gezielt gefördert werden, wie es im
Modellprojekt LandZukunft bereits geschieht.“
Ilse Aigner, Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz
„Unter Federführung des Innenministeriums erfolgt eine Zusammenführung der von den verschiedenen Ministerien schon erarbeiteten Erkenntnisse, Strategien und Pilotprojekte zum demografischen Wandel. Die Antworten reichen von neuen Mobilitätskonzepten über die Gesundheits- bis zur Breitbandversorgung. Wir werden
das Netz ausbauen bis der letzte Bauernhof angeschlossen ist.“
Dr. Hans-Peter Friedrich, Bundesinnenminister
Ilse Aigner (1. Reihe, 4.v.l.) und Dr. Hans-Peter
„Gemeinsam stark sein“ auf der LandSchau-Bü
werden müsste. Eine in Deutschland einmalige Verwendung der Kurtaxe stellte Dr. Thomas Coch, Geschäftsführer der Ferienregion Münstertal Staufen
vor. So investiere die Gemeinde Münstertal ein Drittel ihres Kurtaxeaufkommens in die Landschaftspflege durch Ziegen. Der Erhalt der Kulturlandschaft
und der Lebensgrundlage für die Bevölkerung des
Münstertales stehe auch im Zentrum vieler Projekte
im Naturpark Südschwarzwald, so der Geschäftsführer Roland Schöttle. Beispielsweise nutze die
Käseroute das hohe Potenzial an Ziegen-, Schafsund Kuhmilch, biete den Landwirten Absatzmöglichkeiten und den Touristen die Gelegenheit, die
landwirtschaftliche Produktion näher kennen zu lernen. Regionale Wertschöpfungskreisläufe würden
so geschlossen.
„Ehrensache Natur“
Das Freiwilligenprogramm von EUROPARC
Deutschland ermögliche Menschen jeden Lebensalters und jeder Qualifikation, die Nationalen
Naturlandschaften zu erleben und die (Um-)Welt
aktiv zu gestalten, so Anne Schierenberg,
EUROPARC Deutschland e.V., Dachverband
der deutschen Großschutzgebiete. In 44 Schutzgebieten sei der Einsatz ehrenamtlicher Mitarbeiter möglich. Unter www.freiwillige-in-parks.de
könnten Interessierte sowohl Einsatzorte als auch
Tätigkeiten finden. Spezielle Veranstaltungen für
die freiwilligen Helfer rundeten das Programm ab.
Europäischer Lebensstil und Welternährung – ein Gegensatz?
Die Konsequenzen des europäischen Lebensstils und der europäischen Politik auf die Ernährungsund Menschenrechtssituation in den Ländern des Südens waren Thema von fünf Podiumsveranstaltungen, die von der Agrarsozialen Gesellschaft e.V. und Brot für die Welt zusammen ausgerichtet
wurden. Gemeinsamkeiten, Differenzen und Wechselwirkungen zwischen der Landwirtschaft und
Fischerei in Deutschland bzw. in Afrika und Lateinamerika wurden ebenfalls diskutiert.
Boden- und Agrarmärkte – global
Ackerland werde weltweit zum immer knapperen
Produktionsfaktor. Dies sei einerseits auf die global
zunehmende Nachfrage nach Agrarprodukten zurückzuführen und andererseits auf die steigende
Bedeutung des Bodens als Anlage- und Spekulationsobjekt, so Thomas Fritz, Forschungs- und Dokumentationszentrum Chile-Lateinamerika. Sowohl
zum Zweck der Produktion von Futter-, Nahrungsund Energiepflanzen für den Export, als auch mit
der Erwartung der Wertsteigerung von brach liegen-
den Flächen würde im großen Stil Land in Staaten
wie Brasilien, Sudan und Indonesien aufgekauft.
Hierbei handele es sich oft um Regionen, in denen
die Ernährung nicht gesichert sei. Im Gegenteil würde die einheimische Bevölkerung, oft aufgrund fehlender Landrechte, vertrieben und verliere dadurch
ihre Nahrungsgrundlage. Alternative Einkommensmöglichkeiten seien meist nicht vorhanden.
Während der langfristige Trend der Agrarpreise
aus dem steigenden Bedarf bei knapper werdendem
Land resultiere, verursachten Spekulationen zusätz-
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Friedrich (1. Reihe, 2.v.l.) ehrten die Preisträger und Preisträgerinnen des bundesweiten Wettbewerbs
hne in Halle 4.2. In der gleichnamigen Broschüre zum Wettbewerb werden die 27 Finalisten vorgestellt.
liche Preissprünge, so Dr. Bernhard Walter. Brot für
die Welt setze sich daher für eine Begrenzung der
Termingeschäfte und mehr Transparenz an den
Agrarrohstoffmärkten ein. Aus ethischer Sicht dürfe
mit Nahrungsmitteln nicht spekuliert werden. Arme
Menschen in Entwicklungsländern gäben bereits
heute 80 % ihrer Einkünfte für Nahrungsmittel aus.
Preissteigerungen bei Agrarprodukten hätten daher
katastrophale Folgen. Besonders Frauen würden wegen der patriarchalen Familienstrukturen hungern.
Zur Verbesserung der Lebensbedingungen in den
Ländern des Südens fordere Brot für die Welt die
Anerkennung traditioneller Landrechte sowie die
Durchsetzung bereits bestehender Gesetze und unterstütze Bauernorganisationen in den betroffenen
Ländern. Zusätzlich seien internationale Standards
bei der Landvergabe nötig, die das Recht auf Nahrung beinhalteten. Zur Bekämpfung der Ursachen
des Nahrungsmittelmangels seien soziale und ökologische Richtlinien für Importe von Agrotreibstoffen
und Futtermitteln notwendig. Zusätzlich müssten
Veränderungen bei der EU-Agrarpolitik erfolgen, um
Importe durch einheimische Produkte ersetzen zu
können. Die Verbraucher seien aufgefordert, durch
einen geringeren Verbrauch an tierischen Nahrungsmitteln und Treibstoffen an der Verbesserung der
Situation mitzuwirken.
Jürgen Hirschfeld, Bezirksvorsitzender Landvolk
Braunschweig, befürwortete ebenfalls Maßnahmen,
die Schwankungen an den Agrarbörsen begrenzen
könnten, wie ein Verbot der Leerverkäufe. Landwirte
orientierten sich zwar an den Börsen, wären dort
jedoch nicht aktiv. Er wies darauf hin, dass die Möglichkeit, Bioenergie zu erzeugen, die Landwirte weniger erpressbar gemacht habe. Die Produktion von
Bioenergie dürfe nicht für den Hunger in der Welt
verantwortlich gemacht werden. Beispielsweise sei
das Potenzial an Flächen für die landwirtschaftliche
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Produktion in Afrika sehr gut, ungeklärte Landrechte
verhinderten jedoch oft die Bestellung der Äcker.
Auch in Deutschland ist der Bodenmarkt in Bewegung. Das Johann Heinrich von Thünen-Institut
(vTI) hat in einem Forschungsprojekt die Aktivitäten
von nichtlandwirtschaftlichen und überregional ausgerichteten Investoren auf dem landwirtschaftlichen
Bodenmarkt in Deutschland untersucht. Dr. Andreas
Tietz, vTI, erläuterte, warum die Bodenpreise in
Deutschland seit 2007 stark gestiegen seien und
sich in den östlichen Bundesländern nahezu verdoppelt hätten. Als ein treibender Faktor für die Preisentwicklung bezeichnete er die Förderung der
erneuerbaren Energien. Auch Investoren aus dem
nichtlandwirtschaftlichen Bereich würden hierdurch
animiert, Betriebe zu kaufen und Landwirtschaft zu
betreiben. Um wie viele nichtlandwirtschaftliche
oder überregional ausgerichtete Investoren es sich
handele, sei jedoch nicht bekannt, im Besitz der
größten drei befänden sich je etwa 30 000 ha landwirtschaftliche Fläche. Für Landwirte, die nicht nur
eine kurzfristige Rendite durch Tierproduktion oder
Biogaserzeugung erzielen wollten, sondern langfristig und nachhaltig wirtschafteten, sei die Preisentwicklung sehr negativ. Aus Sicht von Dr. Titus
Bahner, Koordinator Europäisches Netzwerk Forum
Synergies ist nicht entscheidend, wer Eigentümer
des Landes ist, sondern ob die Höfe in die Region
eingebunden seien, wie es bei der Gut Temmen Agrar GmbH & Co. KG der Fall sei. Deren Betriebsleiter Hans-Martin Meyerhoff erläuterte, dass der Verkauf von Pachtflächen zum Höchstpreis durch die
Bodenverwertungs- und Verwaltungsgesellschaft
(BVVG) seinen und andere ökologisch wirtschaftende Betriebe in der Uckermark gefährdet habe. Auf
Initiative von betroffenen Landwirten und der GLS
Bank sei jedoch ein Bio-Boden-Fonds aufgelegt
worden, der die Flächen gekauft und zu fairen Bedingungen langfristig an die Betriebe verpachtet
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„Sowohl zur Anbahnung von Geschäftsbeziehungen als auch zum
Abschluss von Verträgen stellt die Grüne Woche eine wichtige
Plattform für die ausstellenden Länder dar. Außerdem hat sie eine
hohe agrarpolitische Bedeutung, u. a. durch das ‚Global Forum
for Food and Agriculture‘, das größte Treffen von Ressortministern weltweit. Aber auch das ‚Zukunftsforum Ländliche Entwicklung‘ des BMELV mit seinen Begleitveranstaltungen, an denen
auch die ASG beteiligt ist, hatte eine hohe Teilnehmerzahl.“
Lars Jäger, Projektleiter Internationale Grüne Woche Berlin
habe. Langfristige Anleger hätten mit einer Verzinsung von 3,25 % auf höchstmögliche Rendite verzichtet, um die ökologische Bewirtschaftung in der
Region zu erhalten.
Sojaanbau und -importe
In den letzten 20 Jahren habe sich die Sojafläche
um das 2,5-fache vergrößert und betrage heute
45 Mio. ha, so Dr. Bernhard Walter, Brot für die
Welt. Rodungen von Wäldern und Savannen in
Lateinamerika führten zu Umweltschäden, dem Verlust von Bodenfruchtbarkeit durch nicht angepasste
Bewirtschaftung und zur Vertreibung der indigenen
Bevölkerung. Bernhard Krüsken, Geschäftsführer
Deutscher Verband Tiernahrung e.V., bezeichnete
den Sojaanbau in Lateinamerika hingegen als nachhaltig, da er extensiv erfolge. Zudem stehe er erst
am Ende der Kette, zunächst würden die Flächen
wegen des Holzes gerodet, dann erfolge die Beweidung durch Rinder und erst zuletzt die Ackernutzung. Wegen der unterschiedlichen klimatischen
Bedingungen sei es folgerichtig, dass Europa Soja
importiere und Getreide exportiere. In diesem Zusammenhang wies Dr. Walter darauf hin, dass auch
Fleisch exportiert werde, z. B. nach Westafrika. Die
Überschwemmung der Märkte mit Fleischteilen, die
durch die rationalisierte europäische Landwirtschaft
und die Direktzahlungen konkurrenzlos billig seien,
würden den dortigen Bauern keine Chancen lassen,
ihr eigenes Fleisch zu produzieren und zu vermarkten, und stellten durch ungeeignete Lagerungsbedingungen zusätzlich ein gesundheitliches Problem dar.
Dr. Kai-Uwe Sprenger, Generaldirektion Landwirtschaft, EU-Kommission, wies darauf hin, dass sich
die Sojaimporte in die EU seit 2008 um 4 % verrin-
„Der Wettbewerb ‚Menschen und
Erfolge‘ ist Teil der von mir gestarteten ‚Initiative ländliche Infrastruktur‘
und soll Menschen ehren, die in dünn
besiedelten Gebieten Strukturen aufgebaut haben und diese Initiativen
als Vorbild bekannt machen.“
Dr. Peter Ramsauer, Bundesminister für Verkehr,
Bau und Stadtentwicklung,
im Bild mit Moderatorin Heike Götz, NDR
gert hätten, die Chinas jedoch im gleichen Zeitraum
um 42 % gestiegen seien. Nichtsdestoweniger sei
es sinnvoll, in Europa mehr Eiweißpflanzen anzubauen. Die Greening-Vorschläge der Kommission
zur Reform der GAP beinhalteten Vorgaben zur
Fruchtfolge, die dies unterstützten. Eine direkte Förderung von Eiweißpflanzen werde es jedoch nicht
geben. Bernhard Krüsken wies darauf hin, dass ein
Ersatz der Sojaimporte grundsätzlich möglich sei.
Hierfür würden etwa 13 % der Ackerfläche benötigt,
was dem Anteil des Energiepflanzenanbaus in
Deutschland entspräche. Letztlich sei es eine politische Entscheidung, was gefördert werde. Christoph
Dahlmann, Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), stellte das Projekt „Vom Acker in
den Futtertrog – Zukunftsweisende EiweißfutterVersorgung für NRW!“ vor. In Praxisversuchen werde der Anbau von Ackerbohnen und anderen heimischen Körnerleguminosen getestet. Reinhild
Benning, Agrarreferentin des Bundes für Umweltund Naturschutz (BUND), betrachtete es als Aufgabe der EU-Kommission, für eine Förderung des
Eiweißpflanzenanbaus als Umweltmaßnahme zu
sorgen. Sie wies darauf hin, dass 20 % des Stickstoffs in der deutschen Landwirtschaft aus den Sojaimporten stammten, was besonders in Regionen mit
einem hohen Viehbesatz zu einer zunehmenden
Verschmutzung des Grundwassers mit Nitrat führe.
Zudem bestehe laut Angaben der EU-Kommission
eine Fleischüberproduktion, die bei Schweinen etwa
10 % und bei Geflügel 4 % betrage. Bei über einer
Milliarde Hungernder müsse Europa Verantwortung
für die Ernährung dieser Menschen übernehmen
und nicht weiter Diskussionen über die Frage Trog
oder Tank führen.
Weitere Informationen zum Thema Soja auf
Seite 20.
| ASG | Ländlicher Raum | 01/2012 |
„Ein Ziel der europäischen Agrarpolitik ist,
Lebensmittelverarbeitern und Konsumenten Lebensmittel und Rohstoffe von hoher
Qualität zur Verfügung zu stellen und den
Landwirten dabei zu helfen, diese hohe
Qualität zu produzieren.“
Dr. Michael Erhart, Generaldirektion Landwirtschaft
und ländliche Entwicklung, EU-Kommission
„Ubuntu – der Circus“, ein Jugendprojekt aus Schleswig-Holstein, sorgte auf der
LandSchau-Bühne für Unterhaltung und animierte die Besucher und Besucherinnen in Halle 4.2 zum Mitmachen.
Zu wenig Fisch für alle
Ökologisch nachhaltige Fischerei ist das Ziel des
Marine Stewardship Councel (MSC). Das MSC-Umweltsiegel werde heute für 5 Mio. t Fisch vergeben,
was 6 % der Wildfänge entspräche, so Gerlinde
Geltinger, MSC. Zwar seien Umweltsiegel für den
europäischen Markt relevant, Fischerei müsse jedoch auch sozial nachhaltig betrieben werden, betonte Francisco Marí, Evangelischer Entwicklungsdienst (EED). Fischexporte hätten für die Länder
des Südens meist negative Folgen. An den dortigen
Küsten sei Fisch die wichtigste Eiweißquelle und
müsse für die Menschen erschwinglich bleiben. Vor
Westafrika seien die Fischbestände in den letzten
30 Jahren jedoch durch europäische Trawler so
stark reduziert worden, dass die Fischer kaum noch
von ihrer Arbeit leben könnten. Anlässlich der Reform der EU-Fischereipolitik engagiere sich der
EED daher in der Initiative Ocean2012. Ein Ziel sei,
die Überkapazitäten bei der industriellen Fischerei
abzubauen. Was in Europa zu einer nachhaltigen
Fischerei beitrage, nütze auch den Ländern des Südens, denn die Bedingungen für die Küstenfischerei
seien in Europa und Afrika ähnlich. Die Verschiebung des Fokus der EU-Fischereipolitik von der industriellen zur handwerklichen Fischerei forderte
daher auch Uwe Sturm, Arbeitskreis Fischerei der
AktivRegion Ostseeküste und Infoportal „Fisch vom
Kutter“.
Lebensmittelverschwendung
Auf allen Ebenen der Nahrungsmittelproduktion
würden Lebensmittel, die zum Verzehr geeignet seien, vernichtet, so Dr. Ursula Hudson, Vorsitzende
von Slow Food Deutschland. Gemeinsam mit Brot
für die Welt und dem EED habe Slow Food daher
| ASG | Ländlicher Raum | 01/2012 |
2011 unter dem Motto „Teller statt Tonne“ Aktionen
durchgeführt, bei denen 2,5 t Gemüse, das nicht
den Handelsnormen entsprach, auf den Äckern gesammelt wurde, um es zuzubereiten und im Rahmen von „Protest-Tafeln“ zu verzehren. Bei Tischgesprächen mit Vertretern der Lebensmittelkette
seien auch Abgesandte des globalen Südens beteiligt gewesen, denn „wir teilen uns eine Welt und
greifen auf dieselben Ressourcen zurück“ erläuterte
Dr. Hudson. Die globale Ernährungssicherung sei
ein Verteilungs- und Zugangsproblem und kein Problem des Mangels. Die Menge der Nahrungsmittel,
die in den Industriestaaten vernichtet werde – allein
in Deutschland handele es sich um 20 Mio. t jährlich – entspräche der Menge, die südlich der Sahara erzeugt werde. Sowohl Dr. Hudson als auch
Dr. Karsten Schulz, Bundesreferent für Evangelische Jugendarbeit in ländlichen Räumen (ejl), betonte die Bedeutung der Wertschätzung von Nahrungsmitteln, um Verluste zu vermeiden. Hierzu
würden ein gut geplanter Einkauf und Kenntnisse
über die Zubereitung, z. B. von Resten oder weniger
edlen Fleischteilen, gehören. Dabei käme auch der
Genuss nicht zu kurz. Die evangelische Landjugend
sammele Rezepte für die Verwendung von altem
Brot und weise im Rahmen der 2012 begonnenen
Kampagne „Marmelade für ALLE“ auf das im ländlichen Raum oft nicht geerntete Obst hin
(www.marmelade-fuer-alle.de). Joachim Weckmann, Geschäftsführer Märkisches Landbrot GmbH,
erläuterte an Hand seines Betriebes, wie auch im
Rahmen der Produktion vollständig auf die Vernichtung von Nahrungsmitteln verzichtet werden kann.
Nicht verkauftes Brot werde entweder im eigenen
Betrieb wieder als Rohstoff verwendet, an Kietzküchen, Kindertagesstätten und an Menschen, die
„Containering“ betrieben, abgegeben oder als Viehfutter genutzt.
LandSchau
9
ASG
LandSchau
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ASG
Die Diskutanten (v.l.n.r.): Lutz Ribbe, Albert Deß, Dr. Georg Häusler, Moderatorin Petra Schwarz, Dr. Robert Kloos, Prof. Dr. Folkhard
Isermeyer und Udo Hemmerling
Die Zukunft der Gemeinsamen Agrarpolitik nach 2013
Direktzahlungen: Einstieg in den Ausstieg …
Prof. Dr. Folkhard Isermeyer, Vorsitzender des
Wissenschaftlichen Beirats für Agrarpolitik des
Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft
und Verbraucherschutz (BMELV), bezeichnete die
Vorschläge der Kommission zur Gestaltung der
GAP als wenig hilfreich bei der Lösung der aktuellen
Probleme. Nach Analyse des Wissenschaftsrates
seien durch die geplanten Veränderungen bei den
Direktzahlungen keine Verbesserungen in der Tierhaltung, im Klimaschutz, für die peripheren ländlichen Räume oder die Welternährungssituation zu
erwarten. Lediglich im Bereich Biodiversität würden
sich leichte Fortschritte ergeben. Angesichts der seit
fünf Jahren hohen Agrarpreise sei es fraglich, ob es
noch nötig sei, die Wettbewerbsfähigkeit der Landwirtschaft durch ein Grundeinkommen für Landwirte
zu erreichen. Professor Isermeyer forderte die Politik auf, durch Umschichtung von der 1. in die 2.
Säule die bestehenden Probleme zielgerichtet anzugehen. Im Zentrum stehe die Frage: „Was bekommt der Steuerzahler für sein Geld?“
… oder beibehalten?
Die Preisentwicklung an den Agrarmärkten sei
nicht absehbar und der Anteil der Direktzahlungen
am Einkommen betrage in den landwirtschaftlichen
Betrieben durchschnittlich 50 %. Daher sei eine Einkommensstabilisierung weiter notwendig, so Udo
Hemmerling, stellvertretender Generalsekretär des
Deutschen Bauernverbandes (DBV). Dieser Einschätzung schlossen sich Dr. Robert Kloos, Staats-
sekretär im BMELV, und Albert Deß, Abgeordneter
des Europäischen Parlaments (CSU) an. Deß bezeichnete die Direktzahlungen als „Minimalentschädigung“ für die Landwirte, da diese durch niedrige
Nahrungsmittelpreise beträchtlich zur Wohlstandssteigerung in der Gesellschaft beigetragen hätten.
Er kritisierte die Vorschläge der Kommission, da
Europa sehr unterschiedlich sei und „man nicht von
Brüssel aus 14 Mio. Bauern vorschreiben kann,
was sie tun müssen.“ „Unser gutes Modell der Ausgleichszahlungen für benachteiligte Gebiete“ dürfe
nicht zerstört werden. Auch Dr. Georg Häusler,
Kabinettschef von EU-Agrarkommissar Dacian
Ciolos,
¸ wies darauf hin, dass eine flächendeckende
Landwirtschaft ohne Direktzahlungen nicht möglich
sei. Den Vorwurf, nicht auf unterschiedliche Bedingungen eingehen zu können, wies er jedoch zurück.
So bestehe ein großer Spielraum für die Mitgliedsstaaten, Mittel zur Förderung der Landwirtschaft in
benachteiligten Gebieten durch Umschichtung innerhalb der 1. Säule bereitzustellen.
Als Mitglied des europäischen Wirtschafts- und
Sozialausschusses begrüße er die Vorschläge der
Kommission, wenn auch im Detail gestritten werde,
so Lutz Ribbe, naturschutzpolitischer Direktor von
EuroNatur. Die GAP müsse grüner und gerechter
werden. Bei Erfüllung von Greening-Auflagen seien
Direktzahlungen gerechtfertigt, da dies den Wettbewerbsnachteil der umweltverträglicher wirtschaftenden Betriebe ausgleichen helfe und einer weiteren Industrialisierung der Landwirtschaft entgegenwirke. ba
| ASG | Ländlicher Raum | 01/2012 |
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Die neue Agrar- und Strukturpolitik der EU nach 2013
Bürokratieabbau zwischen Anspruch und Wirklichkeit
Mittwoch, 9. Mai 2012
14.00 - 21.30 Uhr
LandSchau
ASG-Frühjahrstagung
2012 in Bad Nauheim
ASG
Fachexkursionen – 2000 Jahre Hessische Kulturgeschichte
Römerkastell Saalburg, Freilichtmuseum Hessenpark, Hofgut Kronenhof, Bad Homburg v.d.H.
19.00 Uhr Bei uns hat Energie Zukunft
Lucia Puttrich, Staatsministerin für Umwelt, Energie, Landwirtschaft und Verbraucherschutz
des Landes Hessen
Donnerstag, 10. Mai 2012
7.15 / 8.00 Uhr Drei Fachexkursionen
Freitag, 11. Mai 2012
8.30 Uhr Begrüßung
StS. a.D. Dr. Martin Wille, Vorsitzender des Vorstandes der Agrarsozialen Gesellschaft e.V.
Teil 1: Die Agrar- und Strukturpolitik nach 2013 – Herausforderungen für die Verwaltung
Gründe für unterschiedliche Verwaltungslasten in EU-Mitgliedsstaaten – Ergebnisse
einer EU-Studie zur ländlichen Entwicklung
Constanze Rübke, Senior Consultant, Rambøll Management Consulting GmbH, Hamburg
Was kostet Förderung in Zeiten der Vereinfachung? – Ergebnisse einer Verwaltungskostenanalyse für Maßnahmen der 2. Säule
Barbara Fährmann/Regina Grajewski, Johann Heinrich von Thünen-Institut (vTI), Institut für
Ländliche Räume, Braunschweig
Hat Vereinfachung noch eine Chance? – Zum Stand der Diskussion über die Vorschläge
der EU-Kommission in den Gremien der EU
Dr. German Jeub, MinDirig im Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Berlin
Schwachstellen des Gemeinsamen Strategischen Rahmens aus Sicht der Länder –
wo müsste nachgebessert werden?
Dr. Sabine Awe, stellv. Abteilungsleiterin im Thüringer Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und
Technologie, Erfurt
Teil 2: Bürokratieabbau zwischen Wissenschaft und Praxis
Wie eine effizientere Agrarpolitik gestaltet werden müsste und warum die Wissenschaft
so wenig bewegt (hat)
Prof. Dr. Dr. h.c. P. Michael Schmitz, Institut für Agrarpolitik und Marktforschung der Universität
Gießen, Professur für Agrar- und Entwicklungspolitik, Gießen
Wo die Bauern besonders der bürokratische Schuh drückt. Ist eine Wendung zum Besseren
in Sicht?
Friedhelm Schneider, Präsident des Hessischen Bauernverbandes
Sind die Lasten für die Verwaltung wirklich so schlimm? Erfahrungen eines Praktikers vor Ort
Dr. Karl-Heinz Heckelmann, Leiter des Amtes für Ländlichen Raum im Hochtaunuskreis, Bad Homburg v.d.H.
13.30 Uhr Ende der Veranstaltung
| ASG | Ländlicher Raum | 01/2012 |
Foto: M. Busch
Das vollständige Tagungsprogramm und Online-Anmeldung im Internet unter www.asg-goe.de
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Fotos: M. Busch
Foto: Wetteraukreis
ASG
Taunus
Kornkammer Wetterau
Tagungsregion Bad Nauheim:
Vielfalt in der Einheit
Peter Gwiasda*
Vielfalt in der Einheit – so lautet ein Slogan des Europa-Parlaments. Der Spruch passt auch auf die
Region, in der im Mai 2012 die Frühjahrstagung der Agrarsozialen Gesellschaft stattfindet. Die Region liegt am Rande der hessischen Metropole Frankfurt und wird auf der Landkarte markiert von
Mittel- und Kleinstädten mit so klangvollen Namen wie Bad Nauheim, Bad Homburg, Kronberg und
Königstein. Diese Orte stehen für fürstlichen Glanz und kulturelle Blüte, für allgemeinen Wohlstand
und individuellen Reichtum.
Der Hochtaunuskreis wetteifert seit Jahren mit
bayerischen Landkreisen um den Titel des Kreises
mit der wohlhabendsten Bevölkerung. Hier darf die
höchste Konzentration von Millionären vermutet
werden. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts,
als in der Bad Homburger Spielbank auf der Südseite des Taunus der Adel und erfolgreiche Geschäftsleute ihr Glück am Roulettetisch suchten und manche wohl auch fanden, erforschte der Frankfurter
Privatgelehrte Gottlieb Schnapper-Arndt das bitterarme Leben von 5 000 Menschen in fünf Dörfern im
Hohen Taunus. Er schuf die erste sozialstatistische
Untersuchung dörflichen Lebens in Deutschland.
Sie ist ein erschütterndes Dokument erbärmlichen
Lebens nur 15 km entfernt von den protzigen Sommerresidenzen Frankfurter Kaufleute in Kronberg.
Zwischen Taunus und Wetterau
Der Landstrich zwischen Taunus und Wetterau ist
noch heute voller Widersprüche, meist sind sie reizvoll. Während der Taunus als Mittelgebirge vielfach
nur Grenzertragsböden vorhält, glänzt die Wetterau
(die Aue des Flüsschens Wetter) mit humusreichen
Lössböden. Diese höchst unterschiedliche Fruchtbarkeit bestimmt bis heute die Agrarwirtschaft und
das Leben in den Dorfgemeinden. Während im
Taunus, dessen Ausläufer bis zur Kurstadt Bad
Nauheim reichen, die Forstwirtschaft oft ertragrei-
cher ist als die Landwirtschaft auf den kleinen Parzellen beidseitig von im Hochsommer trockenen
Bächen, gilt die Wetterau seit Menschengedenken
als die „Kornkammer“, heute auch als Anbaugebiet
für Zuckerrüben.
Die natürlichen Segnungen der Wetterau hatten
schon die Römer vor zwei Jahrtausenden erkannt
und durch den Bau ihres Grenzwalles Limes weiträumig gesichert. Die Spuren ihres Imperiums sind
noch heute buchstäblich auf Schritt und Tritt zu erkennen. Viele der heutigen Straßen und Wege sind
römischen Ursprungs. Fast alltäglich werden bei
Bauarbeiten Reste römischer Siedlungen oder Gutshöfe entdeckt.
Aber bevor die Eroberer aus dem Süden Europas
den mittlerweile zum Weltkulturerbe geadelten Limes aufschütteten und mit zahllosen Wachttürmen
und Kastellen gegen die „Barbaren“ absicherten,
herrschte ein anderes Volk in dem Gebiet, das die
Teilnehmer der ASG-Tagung besuchen: die Kelten,
ein immer noch geheimnisvolles Volk. Es erlebte
seinen zivilisatorischen und kulturellen Höhepunkt
etwa 500 vor unserer Zeitrechnung. Beindruckende
Zeugen dieser Hochkultur sind zu bestaunen: Das
Keltenmuseum Glauberg auf einem Wetterauer
Basaltkegel mit dem prachtvollen Grab eines Fürsten, die Ringwälle einer keltischen Fliehburg zwi-
* Peter Gwiasda, Wehrheim im Taunus, Gwiasda-Wehrheim@t-online.de. Der Autor war bis zur Pensionierung viele Jahrzehnte für Tageszeitungen als
leitender Redakteur in der regionalen Berichterstattung tätig.
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ASG
Hessenpark
schen Kronberg und Oberursel und die Spuren einer
keltischen Stadt, in der mehrere zehntausend Menschen gelebt haben müssen.
Die reiche Geschichte der Region versuchte schon
vor mehr als einem Jahrhundert der letzte deutsche
Kaiser für sich und seinen Anspruch als europäischer
Herrscher durch den Wiederaufbau eines der größten
römischen Kastelle rechts des Rheins zu nutzen. Heute ist das Saalburg-Kastell ein bedeutendes, didaktisch vorbildlich eingerichtetes Museum. Es vermittelt
tiefe Einblicke in das agrarsoziale Leben der römischen Besatzer und der eingeborenen Volksstämme.
Nicht weit davon entfernt entstand vor fast vier
Jahrzehnten der Hessenpark, das größte hessische Freilichtmuseum. Auf 60 ha erleben die jährlich 200 000 Besucher das Leben in den hessischen Dörfern und Kleinstädten der vergangenen
300 Jahre. Die dislozierten originalen Wohn- und
Wirtschaftsgebäude stammen aus allen hessischen
Regionen. In den pittoresken Häusergruppen zeigt
das Museumspersonal, wie einstmals gelebt und
gear-beitet und wie einst auf den Äckern und Wiesen
gewirtschaftet wurde. Ochsen als Zugtiere einer Dreifelder-Wirtschaft, Ziegen als Milchlieferanten und
rückgezüchtete Schweine als Speck-Erzeuger sind
die Lieblinge der Gäste.
(Landschafts-)architektonisch
interessantes Bad Nauheim
Noch ein Wort zur Kurstadt Bad Nauheim, die allein
wegen ihres Thermalbades einen Besuch wert ist.
Nirgendwo sonst auf der Welt dürfte ein architektonisch so geschlossenes und komplett erhaltenes Ensemble reinen Jugendstils zu bestaunen sein. Und
nicht zu vergessen der sich direkt anschließende Kurpark, im 19. Jahrhundert entworfen von dem erfolgreichen Gartenarchitekten Heinrich Siesmayer. Wohl
noch berühmter ist der Landschaftsarchitekt, der ein
Jahrhundert früher den Kurpark in der partiell mit Bad
Nauheim konkurrierenden Kreisstadt Bad Homburg
geplant hat. Er heißt Peter Joseph Lenné.
| ASG | Ländlicher Raum | 01/2012 |
Bad Nauheim
Konflikte ums Land und
unterschiedliche Lösungsstrategien
Der ländliche Raum nördlich der prosperierenden
Großstadt Frankfurt ist gekennzeichnet durch fortwährende Konflikte um die Nutzung des immer
knapper werdenden Bodens – für Äcker und Wälder, Freizeit und Verkehr, Siedlungen und Naturschutz. Beispielhaft dürfte die Entwicklung zweier
benachbarter Taunusdörfer sein, die vor 40 Jahren
gleich groß und strukturiert waren, heute aber völlig unterschiedliche Profile aufweisen.
Neu-Anspach wurde aus vier Dörfern verschmolzen und zum Siedlungsschwerpunkt erklärt. Die
Einwohnerzahl verdreifachte sich auf heute 15 000
Einwohner. Es entstand ein Konglomerat von Neubauten, Gewerbegebieten und Umgehungsstraßen.
Das Dorf erhob sich zur Stadt und ist berechtigterweise stolz auf seine gute Infrastruktur mit Schulen, Kitas und Großmärkten an der Peripherie.
Die politischen Kräfte im benachbarten Wehrheim entschieden sich hingegen konsequent für
eine Entwicklung aus sich selbst heraus. Die Landwirtschaft hatte und hat hier stets eine privilegierte
Rolle. Heute werden fast 30 % der Agrarfläche
ökologisch bewirtschaftet. Einhellig votierten die
Parteien gegen Großmärkte am Rande. Stattdessen wagte die Gemeinde mit heute fast 10 000
Bürgern das Risiko, für mehr als 12 Mio. € in der
Dorfmitte ein Geschäfts-, Wohn- und Verwaltungszentrum zu bauen. In diesem Jahr wird es eingeweiht.
Alltäglich spüren die hier lebenden Menschen
die ökonomischen Segnungen des zentraleuropäischen Drehkreuzes Frankfurt mit seinem gigantisch wuchernden Flughafen, seinen achtspurigen
Autobahnkreuzen und riesigen Güter-Umschlagzentren. Immer belastender aber sind auch die
Folgen: Tag und Nacht Lärm, hohe Schadstoffkonzentration in der Luft, fortwährender Verlust
von Natur durch Verdichtung.
14
Agrarpolitik
Neues von der agrarpolitischen Bühne:
Showdown im Hühnerstall
Deutliche Worte, alte Rechnungen und neue Scharmützel beleben die Berliner (Agrar)-Politik
In den Reihen der Berliner Regierungskoalition wird bisweilen
eine vergleichsweise deutliche
Sprache gesprochen. „Ich kann
deine Fresse nicht mehr sehen“,
wird der nicht zuletzt für den inneren Zusammenhalt von Bundesregierung und der sie tragenden Fraktionen zuständige Kanzleramtsminister Ronald Pofalla
aus einer Unterredung mit CDUParteifreund und GriechenlandSkeptiker Wolfgang Bosbach zitiert. Der wiederum hat die spätere Entscheidung des liberalen
Koalitionspartners für Joachim
Gauck als künftigen Bundespräsidenten mit den vielsagenden
Worten kommentiert: „Man sieht
sich immer zweimal im Leben…“.
gesittet verhalten. Allenfalls kleinere Scharmützel im Zusammenhang mit der Frage von Informationsweitergabe im Rahmen des
letztjährigen Dioxinskandals oder
Initiativen für mehr Tierschutz in
der Landwirtschaft fanden den
Weg in die Öffentlichkeit. Inzwischen stellt sich aber heraus, in
Wahrheit war dies offenbar nur
das Vorgeplänkel zum entscheidenden Showdown, zum 12-UhrMittags zwischen der Schönen
und dem Geschassten, der Jungen und dem Alten, der Oberbayerin und dem Niedersachsen,
Berlin und Hannover, Frau und
Mann, Bergen und Flachland,
Süd und Nord, um nur einige
Aspekte zu nennen.
Wir wissen nicht, mit welchen
Worten Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner ihren damaligen Staatssekretär Gert Lindemann vor gut zwei Jahren mir
nichts dir nichts und ohne erkennbaren Anlass in die Wüste geschickt hat. Kein Geheimnis ist
aber, dass sich der altgediente
Fahrensmann der Ministerialbürokratie seinen Abgang von der
großen Bühne anders und vor
allem nicht so plötzlich vorgestellt
hatte. Gut möglich, dass dem
lebens- und politikerfahrenen Lindemann spätestens zu dem Zeitpunkt Bosbach’sche Gedanken
gekommen sein könnten, als er
ein Jahr darauf unverhofft zum
Landwirtschaftsminister von Niedersachsen ernannt wurde …
Entzündet hat sich die ohnehin
schwelende, aber letzten Endes
wohl unvermeidliche offene Feldschlacht nahezu zwangsläufig –
an der künftigen Unterbringung
von Hühnern. Im Herbst 2010
verwarf das Bundesverfassungsgericht nach einer Klage des Landes Rheinland-Pfalz die Rechtsverordnung des Bundes für die
sog. Kleingruppenhaltung von
Legehennen. Deren Einführung
war wenige Jahre zuvor von
Geflügelwirtschaft und Bauernverband unisono geradezu euphorisch als Weg zum Hühnerparadies, als Versöhnung von
Ökonomie und Tierschutz begrüßt, die 60 cm hohen Käfige
abwechselnd als „Kleinvoliere de
luxe“, „Hennenappartement“ oder
„Hühner-WG“ gefeiert worden,
wenngleich Tierschützer und ihnen nahestehende Parteien diese
Sicht partout nicht teilen wollten.
Die Verfassungsrichter haben
sich aus dieser Frage wohlweislich herausgehalten und zur Un-
Zugegeben, seither hat man
sich – von Ministerin zu Amtskollegen – mehr als zweimal im
gewöhnlichen Bund-Länder-Miteinander gesehen und sich dem
Vernehmen nach diplomatisch-
terbringung des Federviehs keine
Stellung genommen, wohl aber
die unzureichende Einbeziehung
einer Tierschutzkommission bei
der Verordnungsgebung bemängelt und den Bund zur Korrektur
des Formfehlers aufgefordert.
Der kontroversen Diskussionen
um Hühnerweh und -wohl in vergitterter Behausung gleich welcher Dimension überdrüssig, zog
Ministerin Aigner die vom Karlsruher Gericht nicht einmal angedeutete Reißleine und kündigte kurzerhand das Ende der einstmals
auch in ihren Reihen hochgelobten
Kleingruppenhaltung an. Gleichzeitig stellte die Ministerin jedoch
den bestehenden Anlagen ein
nahezu ewiges Leben bis 2035 in
Aussicht. Überraschend fand dieser Vorschlag im September letzten Jahres im Bundesrat keine
Mehrheit, wobei der Regierungschef der weithin bekannten Geflügelintensivhaltungsregion Rheinland-Pfalz („Wein, Huhn und Dibbekuche“) und selbsternannte
Schutzpatron von Pinguin, Löwe,
Huhn und Co, Kurt Beck, die notwendigen Gegenstimmen organisiert haben soll.
Für Niedersachsen und dessen
Agrarminister Lindemann, der in
der Länderkammer als Schutzpatron der mittlerweile nicht mehr als
150 noch verbliebenen Kleingruppenhalter für den Bestandsschutz
bis 2035 gestimmt hatte, sollte
die entscheidende Phase wenige
Wochen später beginnen. Die
Ende Oktober in Suhl tagende
Agrarministerkonferenz beauftragte den Niedersachsen, sich
mit seiner grünen rheinland-pfälzischen Kollegin Ulrike Höfken ins
Benehmen zu setzen und eine
| ASG | Ländlicher Raum | 01/2012 |
15
Agrarpolitik
allseits akzeptable Übergangsfrist
für die strittige Haltungsform zu
finden. Für viele überraschend
gelang dies tatsächlich zu Beginn
dieses Jahres. Noch überraschender war der gemeinsame Kompromiss: 2023 und zwei Jahre
drauf für Härtefälle.
Diese schwarz-grüne Verständigung komme doch sehr weit
den grünen und roten Ministern
entgegen, argwöhnten die einen,
er trage den Belangen der vor
allem in Niedersachsen ansässigen (Käfig-)Eierproduzenten nur
unzureichend bis gar nicht Rechnung, tobten die anderen und
insbesondere die Vertreter der
vornehmlich niedersächsischen
Geflügelwirtschaft. Lindemann
selbst beruft sich bei seinem Vorschlag auf ein Gutachten des Kuratoriums für Technik und Bauwesen in der Landwirtschaft (KTBL).
Das errechnet für unterschiedliche Annahmen und Eierpreise die
wirtschaftliche Nutzungsdauer für
die Anlagen. Im Durchschnitt der
Fälle, so die Schlussfolgerung in
Hannover, komme dabei eine
Zeitspanne von elf Jahren heraus. Die Länder schlossen sich
dieser Haltung an und stimmten
nahezu geschlossen im Bundesrat für 2023. Zuvor hatten allerdings Sondierungen ergeben,
dass ein sächsischer Antrag auf
eine Frist von 2025 nicht von Erfolg gekrönt sein würde, nicht zuletzt weil Niedersachsen abgewunken hatte.
Für Ministerin Aigner, die bereits
ihren Vorschlag für 2035 mit verfassungsrechtlichen Notwendigkeiten begründet hatte, ergibt sich
die Schwierigkeit, dass sie den
Kleingruppen zwar politisch lieber
heute als morgen den Garaus
machen würde, es nach eigenem
Bekunden rechtlich aber nicht
darf, wie ihr das für Verfassungsfragen zuständige Bundesjustizministerium unmissverständlich
deutlich gemacht hatte. Nunmehr
sind der CSU-Politikerin eigenen
Angaben zufolge die Hände gebunden. Sie könne die vom Bundesrat beschlossene Verordnung
mit der Übergangsfrist 2023 nicht
in Kraft setzen, teilte Aigner mit.
Wenig überraschend zieht sie
damit die geballte Kritik von Ländern („Affront“), der Opposition in
Berlin („Bankrotterklärung“) sowie
von Tierschutzverbänden („Sieg
der Eierbarone“) auf sich.
In Hannover dürfte sich derweil
angesichts der entstandenen Lage eine gewisse Genugtuung eingestellt haben. Minister Lindemann denkt nach Auskunft seines
Hauses überhaupt nicht daran,
eine Landesregelung für die
Kleingruppen zu erlassen, dies
sei eindeutig Aufgabe des Bundes. Andernfalls würde ein nicht
akzeptabler „Flickenteppich“ an
Regelungen im Bundesgebiet
entstehen. Dem Bund und damit
dessen Agrarministerin Ilse Aigner wirft der alte Fuchs gar eine
„Verweigerungshaltung“ vor. Die
vorgebrachten verfassungsrechtlichen Einwände gegen den Bundesratsbeschluss nennt Lindemann schlicht „abwegig“. Im Ergebnis des Politikermikados zwischen Bund und Ländern – „wer
sich zuerst bewegt, hat verloren“
– winkt den Kleingruppenhaltungen im Lande doch noch die Aussicht auf ein längeres Leben,
auch wenn dabei eine gewisse
Rechtsunsicherheit nicht von der
Hand zu weisen ist.
Gleichzeitig kann Lindemann
gegenüber den in Wahlkampfzeiten traditionell recht aktiven
Tierschützern mit einigem Recht
auf seinen guten Willen für ein
rasches Ende der in diesen Kreisen überaus unbeliebten Kleingruppenhaltung verweisen, „ja
wenn die Ilse nicht wäre…“. In
einem Vorwahljahr sind für den
Landwirtschaftsminister eines
Agrarlandes mit intensiver Veredlung wahrlich schlechtere Kon-
| ASG | Ländlicher Raum | 01/2012 |
stellationen vorstellbar als eine
gewisse Unangreifbarkeit in einem sensiblen Tierschutzthema.
Lindemann dürfte nicht müde
werden, die entsprechenden Verbände und Organisationen an die
Adresse seiner einstigen Chefin
in Berlin zu verweisen …
Immerhin kann die Ministerin
in Sachen Tierschutz auf ihre
Charta für Landwirtschaft und
Verbraucher verweisen. Darin
steht geschrieben, was sie machen würde, wenn man sie denn
ließe. Das ist im Einzelfall zumeist
nicht sehr überraschend und gibt
überwiegend den gegenwärtigen
Diskussionsstand wieder. Dies
könnte die Frage aufwerfen, in
welcher Form sich denn die monatelangen Diskussionen in der
Politik des Ministeriums niederschlagen werden. Die immerhin
haben sich nach Auskunft aller
Beteiligten gelohnt. Das Ziel war
offensichtlich der Weg.
Keine Antworten enthält die
Charta indes auf ein gewisses
Dilemma deutscher Tierschutzpolitik, zwar in Europa stets eine
Vorreiterrolle anzunehmen, den
Rest jedoch wenig von den eigenen Vorstellungen zu begeistern,
geschweige denn zur Nachahmung zu animieren. Selten ist das
so offenkundig geworden wie in
der Legehennenhaltung. Sind in
Deutschland konventionelle Käfige bereits seit Ende 2009 verboten, hätten die anderen EULänder den Brüsseler Vorgaben
zufolge spätestens bis Ende 2011
nachziehen müssen. Taten sie
aber nicht. Ätsch. Schätzungen
zufolge stehen europaweit noch
immer rund 100 Mio. Hennen in
Käfigbatterien und legen täglich
ihr Ei. Vielleicht sollte sich Kanzleramtsminister Pofalla des EierThemas annehmen und für die
nötige Klarheit sorgen.
Rainer Münch
16
Agrarpolitik
Kontrovers:
Zu den Vorschlägen der EU-Kommission
für die Gestaltung der 2. Säule nach 2013
Prof. Dr. Peter Weingarten,
Direktor des Instituts für Ländliche Räume des Johann Heinrich von Thünen-Instituts (vTI)
Vorschläge wenig ambitioniert
Foto: vTI
Herr Professor Weingarten, um die
1. Säule toben heftige Auseinandersetzungen. Dagegen ist es um die
2. Säule ziemlich ruhig. Alles in
Butter bei der Reform der ländlichen Entwicklungspolitik?
Weingarten: Zumindest bedeuten die Vorschläge
der Europäischen Kommission keine tiefgreifenden
Veränderungen für die 2. Säule. Vielleicht erklärt das
die relative Ruhe. Dies ist allerdings insofern erstaunlich, als die Legislativvorschläge in Teilen sogar hinter
den bisherigen Ansätzen der Politik für ländliche Räume zurückbleiben.
Inwiefern?
Weingarten: Die Fachleute sind sich weitestgehend
einig, dass eine erfolgreiche Politik für ländliche Räume sektorübergreifend ausgelegt sein muss und die
Region als Ganzes in den Blick zu nehmen hat. Wir
stellen jedoch fest, dass die Kommission in ihren Vorschlägen mit der Förderung von Klein und Kleinstunternehmen zwar eine leichte Öffnung über den
Agrarsektor hinaus vornimmt, insgesamt der Agrarbezug jedoch noch zunimmt. Das erkennen Sie daran,
dass von den sechs Prioritäten, die für den Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums
(ELER) aufgestellt werden, nur eine einen eindeutigen
territorialen Bezug hat, nämlich der Schwerpunkt
„soziale Eingliederung, Armutsbekämpfung und wirtschaftliche Entwicklung“. Eine räumlich ausgewogene
ländliche Entwicklung ist zwar eines der drei großen
Ziele der EU-Agrarpolitik, wie die Kommission in ihrem Reformvorschlag erklärt. Die Umsetzung dieses
Ziels in prioritäre Politikfelder ist jedoch wenig ambitioniert. Da hilft auch kaum, dass LEADER zukünftig
von allen Fonds bedient werden kann.
Welche Ursachen sehen Sie für diese wenig mutige
Politik?
Weingarten: Diese Politik steht immer in einem
Spannungsfeld. Einerseits lässt die Bezeichnung
„Politik für ländliche Räume“ erwarten, dass die Maßnahmen dort ansetzen, wo sie für die jeweilige Region
am meisten bringen, und keinen Fokus auf einen bestimmten Sektor haben. Andererseits erwarten viele
einen starken Agrarbezug, weil diese Politik ein Teil
der Agrarpolitik ist.
Werden aus Ihrer Sicht zumindest einige Weichen
gestellt werden müssen, um zu erkennen, wohin die
Reise in Zukunft gehen könnte?
Weingarten: Ja, allerdings nur in bescheidenem
Maße. Ich denke an die stärkere Verknüpfung des
ELER mit den anderen Fonds. Alle Fonds werden
nach den Kommissionsvorschlägen in einen Gemeinsamen Strategischen Rahmen und in Partnerschaftsvereinbarungen eingebunden. Damit könnten sich die
Möglichkeiten für einen sektorübergreifenden Politikansatz oder zumindest für eine bessere Abstimmung
unterschiedlicher Politiken verbessern. Im Grundsatz
gut ist der größere Gestaltungsspielraum für die Mitgliedsstaaten und damit in Deutschland für die Bundesländer, was die Verteilung der ELER-Mittel auf Prioritäten und Maßnahmen betrifft. Hier macht die EU
weniger Vorgaben als in der laufenden Periode. Damit
können die Bundesländer ihre Politik für die ländlichen Räume stärker auf ihre Bedürfnisse ausrichten.
Die Frage ist allerdings, ob die Länder diesen Spielraum auch nutzen werden. Ein in die Zukunft gerichtetes Signal ist meines Erachtens auch die vorgesehene Option für die Mitgliedsstaaten, bis zu 10 % der
Direktzahlungen in die 2. Säule zu übertragen. Ob
davon tatsächlich Gebrauch gemacht wird, halte ich
aber in Deutschland angesichts der schwierigen
Haushaltssituation und der starken landwirtschaftlichen Interessenvertretung für sehr fraglich, zumindest solange dies eine nationale Kofinanzierung
erfordert.
Das sind die kleinen Schrauben. Welcher große Hebel müsste nach Ihrer Auffassung umgelegt werden,
um eine tiefgreifendere Reform zumindest der Richtung nach anzuschieben?
Weingarten: Das Instrument der Direktzahlung
müsste grundsätzlich auf den Prüfstand. Eine kritische
Prüfung würde zeigen, dass die Direktzahlungen, die
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Agrarpolitik
ursprünglich als Preisausgleichszahlungen eingeführt
worden waren und ihre Berechtigung hatten, heute
kaum einen Beitrag leisten, die Herausforderungen
zu meistern, vor denen Landwirtschaft und ländliche
Räume stehen. Es müsste daher ein eindeutiges Signal für einen schrittweisen Abbau der Direktzahlungen
geben. Wenn wir nicht jetzt zumindest ein solches
klares Zeichen für einen Ausstieg geben, wann denn
sonst? Solange die 1. Säule weitgehend unantastbar
bleibt, solange wird die ländliche Entwicklungspolitik
auf der Stelle treten. Versuche, den Direktzahlungen
über das Greening eine neue Legitimation zu verschaffen, sind da wenig hilfreich und stehen sogar
einer wirklichen Reform entgegen.
Hat sich die Kommission vom Ziel einer eigenständigen Politik für die ländlichen Räume unter dem Dach
der Gemeinsamen Agrarpolitik verabschiedet?
Weingarten: Die Kommission sieht die 2. Säule
hauptsächlich als Ergänzung zur 1. Säule. Die Generaldirektion Landwirtschaft hat in einer Veröffentlichung Anfang 2011 festgehalten, dass die Politik zur
ländlichen Entwicklung auf den Bedarf an Strukturanpassungen reagieren soll, der durch Reformen in
der 1. Säule der Agrarpolitik hervorgerufen wird.
Wenn die Politik zur ländlichen Entwicklung ihrem
Namen gerecht werden will, sollte sie aber generell
auf Anpassungsbedarf in ländlichen Räumen reagieren, egal ob dieser aus Reformen in der 1. Säule
herrührt oder woher auch immer.
Zumindest an der Mittelverteilung und damit am
Stärkeverhältnis zwischen 1. und 2. Säule will die
Kommission keine Änderungen vornehmen …
was die EU-Mittel betrifft. Aber die Verhandlungen um
den zukünftigen EU-Haushalt sind noch nicht abgeschlossen. Auch die Verteilung der Strukturfondsmittel
wird eine große Rolle spielen, weil es letztlich aus nationaler Sicht immer um Gesamtpakete geht.
Wie müsste eine ländliche Entwicklungspolitik aussehen, die den Herausforderungen gerecht wird und
den Ansprüchen der Wissenschaft genügt?
Weingarten: Patentrezepte gibt es leider nicht, auch
nicht aus der Wissenschaft. Eine solche Politik sollte
wegen der großen Vielfalt ländlicher Räume differenziert sein und ein reichhaltiges Set an Maßnahmen
bereit halten. Der ELER bietet bereits heute sehr viel
Gestaltungsspielraum. Ob dieser jedoch vorrangig
genutzt wird, um agrarstrukturpolitische Ziele, agrarumweltpolitische Ziele oder das Ziel einer räumlich
ausgewogenen Entwicklung zu verfolgen, hängt von
den Mitgliedsstaaten und in Deutschland von den
Bundesländern ab. Eine solche Politik müsste auch
dem Subsidiaritätsprinzip mehr Rechnung tragen und
den europäischen Mehrwert kritischer hinterfragen. In
einzelnen Bereichen hieße dies, dass die EU mehr
Verantwortung übernimmt, beispielsweise bei der
Kofinanzierung von Maßnahmen im Bereich Klimaund Biodiversitätsschutz, die unstrittig von europäischer Bedeutung sind. In anderen Bereichen könnten
dagegen Kompetenzen stärker auf die Mitgliedsstaaten oder Regionen verlagert werden. Eine solche Politik sollte räumlich Schwerpunkte setzen, damit das
Geld vorrangig dort eingesetzt wird, wo der Handlungsbedarf oder der erwartbare Erfolg am größten
ist.
Wie steht es um die Umsetzbarkeit?
Weingarten: Ich darf daran erinnern, dass die Diskussion noch vor nicht langer Zeit eine ganz andere
war. Denken Sie an die Auseinandersetzungen im Zusammenhang mit dem Health Check 2008. Damals
schien klar, dass es nach 2013 zu kräftigen Einschnitten in die 1. Säule kommen würde, weil das Argument
des Vertrauensschutzes dann noch weniger ziehen
würde. Vor diesem Hintergrund ist die nunmehr geplante Kürzung um rund 12 % in der EU ausgesprochen bescheiden. Vor ein, zwei Jahren hätte niemand damit gerechnet, dass die Direktzahlungen in
Deutschland 2020 noch bei 5,2 Mrd. € liegen sollen.
Gleichzeitig ist zu vermuten, dass die neuen Mitgliedsstaaten in den Reformverhandlungen auf einen größeren Anteil am 2.-Säule-Kuchen bestehen werden,
nachdem sie bei der angestrebten Angleichung der
Direktzahlungen nur bedingt erfolgreich waren. Dies
würde bedeuten, dass die 2. Säule hierzulande empfindlich Federn lassen müsste und weiter an Boden
gegenüber der 1. Säule verlieren würde, zumindest
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Weingarten: Sie haben völlig recht, eine solche
Politik muss verwaltungsmäßig umsetzbar bleiben.
Anstatt einfacher zu werden, wird die ländliche Entwicklungspolitik durch die Verzahnung von 1. und 2.
Säule, die Partnerschaftsvereinbarung und die Leistungsreserve zukünftig komplexer und damit aufwändiger. Dies birgt aus meiner Sicht die Gefahr, dass der
größere Gestaltungsspielraum, den die Kommissionsvorschläge eröffnen, für die Länder verpufft, weil die
sich gezwungen sehen könnten, sich auf die einfach
handhabbaren Maßnahmen zu beschränken. Eine
umfassend verstandene ländliche Entwicklungspolitik
müsste stärker als bisher als ressortübergreifende
Aufgabe verstanden werden und geht weit über das
hinaus, was die 2. Säule der Gemeinsamen Agrarpolitik zu leisten vermag. Diese ist nur ein Teil der raumwirksamen Politiken und sollte daher auch nicht mit
Erwartungen und Ansprüchen überfrachtet werden.
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Agrarpolitik
Dr. Peter Pascher, Fachbereich
Betriebswirtschaft und ländlicher Raum des Deutschen
Bauernverbands e.V.
Foto: DBV
Kein stärkerer Landwirtschaftsbezug enthalten
Der Verordnungsvorschlag der
Kommission zu ELER nennt drei
Hauptziele und sechs Förderprioritäten. Zu den drei Zielen gehören
ähnlich wie bisher die Wettbewerbsfähigkeit der Landwirtschaft, die nachhaltige Bewirtschaftung der natürlichen Ressourcen und die Klimaschutzpolitik sowie eine
ausgewogene räumliche Entwicklung der ländlichen Gebiete. Die Förderprioritäten setzen darauf auf. Entscheidend zur Beurteilung der künftigen ELER-Verordnung
sind die Vorschläge zu den einzelnen Maßnahmen. Bei
Wolfgang Reimer, Ministerialdirektor im Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg
Foto: MLR
Kein Europa der Bürokraten
Zwar ist es der Europäischen Union mit ihrem Vorschlag für eine künftige Politik der ländlichen Entwicklung im Großen und Ganzen gelungen, den unterschiedlichen Anliegen
und Interessen der 27 Mitgliedsstaaten gerecht zu werden. So ermöglichen die Ausweitung der Förderinstrumente und deren stärkere Vernetzung sowie die Möglichkeit, ELER-Projekte beispielsweise aus Strukturfonds
wie EFRE oder ESF zu fördern, den Mitgliedsstaaten
eine höhere Flexibilität bei der Gestaltung der Förderprogramme. In den vorgelegten Legislativentwürfen
zum ELER ist aber weder eine Stärkung der 2. Säule
noch eine klare politische Strategie feststellbar. Beides
ist aber angesichts der vielen und großen Herausforderungen, vor denen die ländlichen Räume stehen, unbedingt notwendig. Allein dass nur eine von insgesamt
sechs Förderprioritäten auf die ländliche Entwicklung
abzielt, zeigt: Die strategische Neuausrichtung im ELER
und die Entwicklung über den Agrarsektor hinaus ist der
Kommission nicht gelungen.
Ein weiteres falsches Signal sind die zu niedrig definierten förderfähigen Höchstsätze für Agrarumwelt- und
Naturschutzmaßnahmen in der 2. Säule. Unter diesen
Bedingungen bestehen unter heutigen Marktverhältnissen für die Bewirtschafter der Flächen keine Anreize, an
solchen Maßnahmen teilzunehmen. Außerdem muss
näherer Betrachtung gelangen Kenner der Materie
schnell zu dem Schluss, dass das Förderspektrum
künftig sogar größer sein wird und mit Schwerpunkten
wie Wissens- und Innovationstransfer, Innovationspartnerschaften und Kooperationen zukunftsgerichtete
neue Aktionsfelder aufgreift bzw. bestehende ausbaut. Darüber hinaus sollen die Fördermöglichkeiten
zugunsten nichtlandwirtschaftlicher Unternehmen und
Zwecke im ländlichen Raum weiter ausgebaut und
die landwirtschaftliche Investitionsförderung zum Leidwesen des landwirtschaftlichen Berufsstandes eingeschränkt werden. Von einer stärkeren Konzentration
der ELER-Förderung auf die Landwirtschaft kann keine Rede sein. Das Gegenteil ist der Fall. Der ELER
soll immer mehr Entwicklungen im ländlichen Raum
unterstützen. Und weil dies so angedacht ist, liegt die
Schlussfolgerung nahe, dass neben dem ELER auch
die Europäischen Strukturfonds (EFRE und ESF) ihren Beitrag leisten und die Entwicklung ländlicher
Räume mit unterstützen und finanzieren sollten.
sichergestellt werden, dass Vertragsnaturschutz auch
weiterhin auf nicht land- oder forstwirtschaftlich genutzten Flächen möglich ist. Für die Agrarumwelt- und Naturschutzmaßnahmen, insbesondere bei Natura 2000
und der Wasserrahmenrichtlinie, ist eine höhere finanzielle EU-Beteiligung erforderlich. Die im ELER-Vorschlag vorgesehene Neuabgrenzung der Gebietskulisse nach europäisch einheitlichen Kriterien ist grundsätzlich nachvollziehbar. Es mangelt den Vorschlägen
aber noch an der Ausgewogenheit, vor allem durch
eine fehlerhafte Einschätzung der Abgrenzungseinheiten. Z. B. erstrecken sich in Baden-Württemberg viele
Gemeinden über große, heterogene Gebiete und sind
daher für eine an natürlichen Standortbedingungen orientierte Abgrenzung zu großräumig. Deshalb fordern
wir von der EU-Kommission eine praxisgerechte Abgrenzung auf Ebene der Gemarkung und eine Auslöseschwelle von 50 % Benachteiligung in der Gemarkung.
Positiv hingegen ist die Stärkung von Beratung, Ausbildung und Wissenstransfer. In diesem Bereich will Baden-Württemberg sein Angebot wesentlich verstärken.
Auf bewährte Instrumente zur Lenkung des ländlichen
Raums wie Kofinanzierungssätze und Mindestbudgets
zu verzichten, gleichzeitig aber eine Vielzahl weniger
effektiver, aber verwaltungstechnisch aufwändiger
Maßnahmen wie Ex-Ante-Evaluierungen oder die Ausweitung von Monitoring und Berichtspflichten einzuführen, halte ich hingegen für höchst bedenklich. BadenWürttemberg macht sich daher für die Einführung einer
Bagatellgrenze stark, wenn es um Rückforderungen
von Beträgen unter 100 € geht. Denn wir brauchen ein
Europa der Bürgerinnen und Bürger und kein Europa
der Bürokraten.
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Foto: noltepicture / BMELV
Agrarpolitik
Landwirtschaftsministerinnen und -minister des Agrarministergipfels
Berliner Agrarministergipfel 2012:
Ernährungssicherung durch Bildung
Beim 4. Berliner Agrarministergipfel am 21. Januar 2012 kamen Minister aus 64 Ländern zusammen.
Im Hinblick auf eine aktive Beteiligung an der kommenden UN-Konferenz Rio+20 im Juni 2012
tauschten sie sich über Strategien zur Sicherung der Welternährung und zur Armutsbekämpfung
aus. Im Ergebnis bekannten sie sich zu einem verstärkten Schutz knapper Ressourcen und zu einer
Steigerung der Agrarproduktion, betonten die besondere Rolle von Kleinbauern in der Armutsbekämpfung und bekräftigten die Notwendigkeit, Verschwendung und (Nachernte-)Verluste von Nahrungsmitteln weltweit zu vermindern.
Im Abschlusskommuniqué des Spitzentreffens, an
dem neben zahlreichen europäischen Staaten auch
China, Brasilien, Japan, Indonesien und 15 afrikanische Länder teilgenommen haben, wird eine Landwirtschaft gefordert, die sich konsequent an den
Prinzipien der Nachhaltigkeit ausrichtet. Hierfür werde eine starke und abgestimmte Agrarpolitik auf allen Ebenen benötigt. Durch eine nachhaltige Produktionssteigerung würden die Ernährungssicherheit
und das Einkommen der in der Landwirtschaft Beschäftigten gesichert. Das gemeinsame Ziel der
nachhaltigen Entwicklung sei über eine Gestaltung
der Landwirtschaft als Schlüsselsektor zu erreichen.
Darauf seien alle weiteren Anstrengungen, Forschungsvorhaben und Politiken auszurichten. Die
FAO wird aufgerufen, Konzepte zur Verminderung
der Nahrungsmittelverluste und -abfälle auszuarbeiten. Diese gelte es anschließend in Zusammenarbeit mit den Ländern, den landwirtschaftlichen
Betrieben, dem privaten Sektor und der Zivilgesellschaft umzusetzen.
Traditionelles Wissen
mit Forschung verbinden
Einen besonderen Stellenwert sehen die Minister
darin, in allen Staaten den Kleinbauern Investitionen
zu ermöglichen und sicheren Zugang zu Land und
Wasser zu gewähren. Einen weiteren Schwerpunkt
stelle die Rolle der Frauen dar, deren Rechte weltweit gestärkt werden müssten. Der Generaldirektor
der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation
der Vereinten Nationen (FAO), Prof. José Graziano
da Silva, hob die Bedeutung von Bildung für die
Hungerbekämpfung hervor. Dies gelte für die Er-
| ASG | Ländlicher Raum | 01/2012 |
nährung und die Erzeugung landwirtschaftlicher
Produkte gleichermaßen. Hier liege ein entscheidender Ansatz in der Verbesserung der Situation
der weltweit 500 Mio. Kleinbauern, von denen ein
Großteil in Armut lebe. Von den anwesenden Staaten wurde erkannt, dass innovative Ansätze regional
entwickelt und umgesetzt werden müssen. Patentrezepte würden den lokalen Bedingungen der landwirtschaftlichen Produktion nicht gerecht. Das traditionelle Wissen der Landwirte müsse in partizipative
Lösungsansätze mit aufgenommen werden. Hier
seien vor allem Wissenschaft und Beratung gefordert. Zudem müssten die institutionellen Voraussetzungen geschaffen werden, um Anbau- und
Vermarktungsmöglichkeiten zu verbessern.
Die Verantwortung aller Staaten für eine angemessene Nutzung der Bodenressourcen sowie für eine
effiziente Gestaltung der Wassernutzung wurde unterstrichen. Bezüglich des Ziels einer deutlichen
Verringerung des Verlusts von landwirtschaftlichen
Flächen verpflichten sich die Minister zur Umsetzung entsprechender Maßnahmen. So solle der fortschreitenden Urbanisierung mit einer Stärkung von
Landwirtschaft und ländlichen Räumen begegnet
werden. Mit Blick auf einen verantwortungsvollen
Umgang mit Agrarrohstoffen und Nahrungsmitteln
wurde festgestellt, dass der Einsatz nachwachsender Rohstoffe, die Verwertung von Abfällen und ein
bewusster Umgang entlang der gesamten Nahrungsmittelkette einen Beitrag zur Klimaschonung
darstellten. ka
Das Abschlusskommuniqué sowie weitere Informationen zum
Agrarministergipfel auf: www.bmelv.de/agrarministergipfel
20
Landwirtschaft
Artenvielfalt statt Sojawahn
Dr. Andrea Beste*
Nur noch ein Bruchteil des Eiweißfutters für die europäische Tierproduktion wächst heute in der
Europäischen Union, während außerhalb Europas dafür auf 20 Mio. ha Eiweißpflanzen angebaut
werden. Über 40 Mio. t werden jährlich importiert, das sind fast 80 % des für die Tierproduktion
benötigten Eiweißfutters. Wir nutzen Flächen für unseren Ernährungsstil und unsere Fleischexporte, die auf diese Weise einem Großteil der Menschheit nicht mehr zu deren eigener Nahrungsmittelproduktion zur Verfügung stehen.
In der Europäischen Union ist die Eiweißpflanzenerzeugung in den vergangenen zehn Jahren stark
zurückgegangen. Sie beansprucht derzeit nur noch
3 % der Ackerfläche der EU – in Deutschland ist es
nur noch 1 %. Mit dieser Art zu wirtschaften belasten wir nicht nur die Umwelt in Europa durch die
Auswirkungen der intensiven Tierhaltung, sondern
tragen auch in anderen Regionen der Welt zur Abholzung von Regenwäldern, zur Intensivierung der
Landwirtschaft, zu Monokulturen und zur Belastung
der Umwelt bei.
Der Rückgang der Eiweißpflanzenerzeugung in
Europa geht in erster Linie auf in der Vergangenheit
abgeschlossene internationale Handelsabkommen
zurück (Allgemeines Zoll- und Handelsabkommen
(GATT) und Blair-House-Abkommen). Darin wurden
der EU als Gegenleistung für die Gewährung der
zollfreien Einfuhr von Ölsaaten und Eiweißpflanzen
in die EU – vor allem Seitens der USA – mehr Freiheiten in der Getreideerzeugung gestattet. In der
Folge des GATT-Abkommens wandelte sich die EU
vom Nettogetreideimporteur zum weltweit zweitgrößten Getreideexporteur nach den USA. Durch
die Zollfreiheit für die USA und später auch Südamerika wurde die Sojabohne für Futtermittelmischungen in Europa zunehmend preislich attraktiv.
Leguminosenschwund
führt zu ökologischen Nachteilen
Billiges Importsoja aus den USA und niedrige Preise für Mineraldünger machten die Fütterung mit und
den Anbau von Leguminosen zur Stickstoffversorgung unattraktiv. Diese Entwicklung führte zu einer
deutlich geringeren Wettbewerbsfähigkeit der Leguminosen-/Eiweißpflanzenerzeugung. Die Entwicklung krankheitsresistenter und hochleistungsfähiger
Sorten war für Züchter nicht mehr interessant. Landwirte und Verarbeitungsgewerbe verloren das Interesse an der Eiweißpflanzenproduktion. Praktische
Kenntnisse im Bereich des Ackerbaus und der
Fruchtfolgeplanung, wie auch bei Verarbeitung
und Fütterung gingen verloren und Verarbeitungsstrukturen entwickelten sich dramatisch zurück.
Der Lupinenanbau für die hofeigene Fütterung war
davon nicht ganz so extrem betroffen. Inzwischen
ist der Ölsaaten- und Eiweißpflanzenhandel fast
ganz auf die Einfuhr von Eiweißpflanzen eingestellt.
Mit den Leguminosen verschwanden außerdem
auch alle ihre positiven ökologischen Wirkungen
aus den landwirtschaftlichen Systemen und die konventionellen Tierhalter gerieten in eine extreme Abhängigkeit. Aber nicht nur in Europa hat diese Entwicklung nachteilige ökologische und wirtschaftliche
Folgen. In Brasilien, Argentinien, Kolumbien, Ecuador und Paraguay bringt der Sojaanbau negative
Umweltwirkungen mit sich. Es entstehen großflächige Sojamonokulturen auf ehemaligen Regenwaldund Grünlandflächen. Paraguays atlantischer Regenwald fiel dem Sojaanbau komplett zum Opfer
und in Brasilien hat dieser bis 2007 zur Entwaldung
von 21 Mio. ha Wald geführt. In Argentinien wurden
14 Mio. ha entwaldet. Eine weitere negative Umweltwirkung ist der exzessive Einsatz von Glyphosat-Herbiziden wie Round-Up beim Sojaanbau.
Allein in Argentinien werden pro Jahr 200 Mio. l
davon eingesetzt.
Die Soja-Expansion führt zur extremen Land- und
Einkommens-Konzentration. In Brasilien verdrängt
der Sojaanbau mit der Schaffung eines neuen Arbeitsplatzes durchschnittlich elf Landarbeiter. Für
viele Menschen in Argentinien bedeutet die Sojaproduktion, keinen Zugang mehr zu Land zu haben
und damit zunehmenden Hunger. Für den Staat
Argentinien bedeutet es vermehrte Importe von
Grundnahrungsmitteln, also einen weiteren Verlust
an Ernährungssouveränität und erhöhte Nahrungsmittelpreise.
* Dr. Andrea Beste, Diplomgeografin und Agrarwissenschaftlerin. Leitung des Büros für Bodenschutz und Ökologische Agrarkultur Mainz. Unabhängiges
Beratungs- und Dienstleistungsbüro. Internationale Beratung, Bodenschutz und nachhaltige Landwirtschaft. Mainz, gesunde-erde@t-online.de,
www.gesunde-erde.net
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Foto: A. Beste
Landwirtschaft
Leguminosen sind schon seit Jahrhunderten als Bodengesundungsfrüchte bekannt. Sie lockern den Boden aktiv auf, bilden selbst
Mittelporen und sorgen über den Lebendverbau für eine gesunde Bodenstruktur.
Eiweißpflanzen –
Alleskönner in der Fruchtfolge
Leguminosen können im Gegensatz zu anderen
Pflanzenarten aktiv den Luftstickstoff aufnehmen
und in für Mensch und Tier ernährungsphysiologisch
wertvolle essenzielle Aminosäuren umwandeln.
Auch in der Fruchtfolge haben sie wichtige Vorteile.
Sie erhöhen die Artenvielfalt, erhalten die Bodenfruchtbarkeit, verbessern die Stickstoff- und Phosphatversorgung und erhöhen die Qualität der Folgefrucht. Sie werden daher auch in Form von Zwischenfrüchten als Bodenverbesserungsmaßnahme
genutzt. Leguminosen tragen zu einer günstigeren
Klimabilanz der Landwirtschaft bei. Das gesamte
Treibhauspotenzial einer mineraldüngerbasierten
Fruchtfolge beträgt nach Berechnungen von Robertson et al. (2000, in NEMECEK et al 2008)1 gegenüber einer leguminosenbasierten Fruchtfolge 100
zu 36. Leguminosen verringern darüber hinaus die
Erzeugungskosten für die Landwirte aufgrund der
Verringerung des Mineraldünger-, Energie-, und
Pflanzenschutzmittelbedarfs. Diese ökologischen
1
und ökonomischen Benefits sind durch viele europäische Studien belegt. Sie werden aber – außer
im ökologischen Landbau – kaum genutzt.
Substitution von Sojaschrot als Futter
teilweise schwierig, aber machbar
Sojaschrot lässt sich je nach Tierart und Haltungsform unterschiedlich gut ersetzen. Bei einheimischen
Körnerleguminosen ist der Tannin-Gehalt in der
Schweine- und Hühnermast ein Problem, bei Wiederkäuern nicht. Beim Einsatz heimischer Körnerleguminosen in der Fütterung kann in der Regel nicht
von einem einfachen Ersatz des Sojaschrotes ausgegangen werden, sondern es kommt darauf an, für
den jeweiligen Einsatzbereich passgenaue Futtermittelmischungen mit einem möglichst hohen Anteil
einheimischer Körnerleguminosen zu entwickeln. Hierzu gibt es schon viele Daten aus der Forschung. In der
Milchproduktion kann beispielsweise der Eiweißanteil
im Grundfutter durch den Erntezeitpunkt und eine Erhöhung des Leguminosenanteils beeinflusst werden
und so den Eiweißbedarf aus dem Kraftfutter senken.
Nemecek, Th. et al. (2008): Environmental impacts of introducing grain legumes into European crop rotations. In: Europ. J. Agronomy 28.
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Landwirtschaft
Laut einer französischen Studie erzeugt die Substitution von Sojaschrot bei Masthähnchen längere
Mastzeiten, da sie das Wachstum verzögert. Hier
eröffnet ein Wechsel auf eine qualitätsorientierte
Produktion mit längeren Mastzeiten bzw. ökologische Produktion Möglichkeiten des Proteinersatzes
durch Körnerleguminosen.
Verringerung der Eiweißimporte
der EU – ein wichtiger Bestandteil
der GAP-Reform
Die EWG-Verordnung Nr. 1538/91, die die europäischen Normen für Marktfleisch regelt, setzt fest,
dass Freilandhühner (mit Ausnahme der ökologischen Produktion) mit einem sehr hohen Mindestgetreideanteil in Futtermitteln gemästet werden
müssen (Verordnung (EG) Nr. 543/2008). Hierdurch
ergibt sich quasi ein erzwungener Anteil an Sojaschrot, um die Qualität zu halten. Der Einsatz von
Körnererbsen wird dadurch verhindert.
Die Europäische Kommission und die Mitgliedsstaaten sind sich einig, dass mit einer
Stärkung des Eiweißpflanzenanbaus in der EU
auf die neuen Herausforderungen wie den
Klimawandel, den Verlust der Artenvielfalt,
die Bodenerschöpfung und die Grundwasserbelastung sowie Preisschwankungen bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen auf dem Weltmarkt gleichermaßen positiv reagiert werden
könnte. Hierfür müssten aber nach dem starken
Rückgang des Eiweißpflanzenanbaus unter eine
für Zucht, Anbau, Verarbeitung und Handel kritische Menge große Anstrengungen erfolgen.
Eine Angleichung der Regelung an die Anforderungen für Futtermittel in der ökologischen Produktion,
wo Erbsen zum Einsatz kommen dürfen, könnte beispielsweise allein in der französischen Produktion
von Qualitätsgeflügel jährlich 28 700 t Sojaschrot
ersetzen. Würde die gesamte französische Produktion auf Qualitätsgeflügel umgestellt und die Verordnung angepasst, könnte eine Menge von 178 400 t
Sojaschrot durch Erbsen ersetzt werden.
Einheimische Körnerleguminosen gelten als
wirtschaftlich wenig lukrativ. Dies liegt u. a.
daran, dass Anbauentscheidungen zumeist nur
aufgrund eines einfachen Deckungsbeitragsvergleiches und nicht in Bezug auf die Leistungen in ganzen Fruchtfolgesystemen gefällt werden. Berechnet man die vielfältigen (Vorfrucht-)
Leistungen von Leguminosen mit ein, sieht die
Bilanz aber deutlich anders aus.
Tiermehle als Proteinquelle?
Die EU-Kommission überlegt seit einiger Zeit, das Verbot der
Verfütterung von Tiermehlen für Nicht-Wiederkäuer wieder
aufzuheben. Doch die Beschränkung der Zulassung auf NichtWiederkäuer hilft nicht wirklich. Denn bekanntlich ist die Gefahr hoch, dass Tiermehle durch kriminelle Energie in der
Fleischwirtschaft in Wiederkäuer-Futter gelangen. Die Fleischskandale der letzten Jahre belegen, dass eine ausreichende
Kontrolle der Fleischwirtschaft – besonders im Bereich des
Handels mit Schlachtabfällen – schwierig ist. Die EFSA (Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit) hat in einer Stellungnahme 2008 darauf hingewiesen, dass selbst niedrige
Rückstände von Tierproteinen in Futtermitteln für Wiederkäuer eine Gefahr für die Verbraucherinnen und Verbraucher darstellen. Sie warnt vor der Erhöhung der Toleranzschwellen für
tierische Proteine in Futtermitteln. Frankreich hat sich gänzlich gegen eine erneute Nutzung tierischer Proteine ausgesprochen. Auch in diesem Zusammenhang hat eine Eiweißversorgung über den Anbau von Leguminosen deutliche Vorteile in Fragen der Lebensmittelsicherheit und -qualität sowie
der Tiergerechtheit. Für die Massentierhaltung und die ohnehin zu hohe Fleischproduktion sollten nicht noch Erleichterungen durch die risikobehaftete Verwendung von Tiermehl im
Tierfutter gegeben werden.
Die Vermarktung der Ernte ist derzeit problematisch, da in einigen Regionen der Landhandel
mangels Masse oder Einheitlichkeit wenig Interesse an der Abnahme von Körnerleguminosen
hat (Fehlen großer einheitlicher Partien mit definierter Qualität). Der züchterische Ertragsfortschritt ist im Vergleich zu anderen Fruchtarten
geringer und die Anzahl von Zuchtprogrammen
sehr begrenzt.
Dennoch sieht die EU-Kommission im Anbau
und Einsatz von Eiweißpflanzen einen zukünftig
vielversprechenden Bereich zur Erhöhung der
Versorgung der EU mit einheimischen Eiweißpflanzen. Dies gilt besonders für den hofeigenen
Anbau sowie für die ökologische und gentechnikfreie Fütterung. Um den Anbau zu fördern,
bedarf es unabhängiger Forschung im Bereich
Saatgutentwicklung und in der Entwicklung
von Empfehlungen für hofeigene Futtermittelmischungen sowie eine intensive Vermittlung
des Themas in Ausbildung und Beratung. Eine
Analyse des Handlungsbedarfs und schließlich
eine entsprechende Förderung der gesamten
Wertschöpfungskette von Anbau, Handel und
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Landwirtschaft
Verarbeitung im engen Schulterschluss von
Züchtung und Landwirtschaft einschließlich
Verbänden, Wissenschaft sowie Politik ist dafür
notwendig. Das Eiweißprojekt der Deutschen
Agrarforschungsallianz (DAFA) ist dafür ein
guter Ansatz in Deutschland, siehe auch unter
http://www.dafa.de/de/startseite/fachforen/
leguminosen.html. Wir brauchen aber viel
mehr europäische Projekte und eine europäische Koordination. Denn hier spielen alle Akteure eine Rolle.
Angesichts der in den WTO-Verhandlungen
angestrebten weiteren Liberalisierung der Weltagrarmärkte, in denen sog. Drittländer wie z. B.
die USA u. a. eine Erleichterung der Handelsbeschränkungen für Futtermittelimporte aus
GV-Pflanzen fordern, muss die EU dann konsequenterweise – auch mit Rücksicht auf den
Wunsch der europäischen Verbraucher nach
Gentechnikfreiheit der Nahrungsmittel – vermehrt die im Recht auf Nahrung verankerte
Ernährungssouveränität von Staaten und Regionen in die Verhandlungen einbringen. Es kann
nicht sein, dass die USA entscheiden, was europäische Bürger/-innen auf ihren Tellern haben
sollen.
Der Fleischkonsum
Viele Flächen – vor allem im subtropischen
Klima – sind ohne die Nutzung von Wiederkäuern kaum für die menschliche Ernährung nutzbar. Insofern sollte Tierhaltung und ein gemäßigter Fleischkonsum nicht generell verteufelt werden. Es bleibt aber festzustellen, dass das Ausmaß an Produktion und Konsum von Fleisch,
das seit Jahren in der EU vorherrscht, mit einer
sinnvollen Nutzung von Weideflächen, die dem
Begriff der „Veredelung“ gerecht würde, schon
lange nichts mehr zu tun hat. Bei der Art und
Weise der aktuellen Fütterung stehen ehemalige Weideverwerter inzwischen in Nahrungskonkurrenz zum Menschen. Hohe Sojaimporte
sind eine wesentliche Voraussetzung für eine
Entwicklung der europäischen Landwirtschaft,
die die Verbreitung der Massentierhaltung begünstigt und die viel sinnvollere Weidehaltung
verdrängt. Eine Förderung von Leguminosen in
den landwirtschaftlichen Fruchtfolgen und in der
einheimischen Fütterung beinhaltet dagegen viele Chancen gleichzeitig. Wir sollten diese Pflanzen wiederentdecken und ihre Vorteile nutzen.
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Der „Eiweißbericht“ –
eine Initiative des Europäischen Parlaments
Die Abhängigkeit Europas von Eiweißimporten für die
Fleischproduktion bringt auch wirtschaftlich große Risiken
für viele europäische Landwirte mit sich. Die Tierproduktion
in Europa ist in diesem System, das auf „Fernfütterung“
basiert, von den Preisschwankungen auf den Weltmärkten
direkt abhängig. Das können viele Betriebe nicht lange
auffangen. Sie geben auf.
Tierhaltung sowie Milch- und Fleischproduktion müssen
wieder in die richtigen Bahnen gelenkt werden. Es gilt, der
Landwirtschaft eine Perspektive für eine unabhängigere
Form der Fütterung mit mehr Regionalität, mehr Qualität
und mehr Wertschöpfung für die Landwirte und die Regionen zu geben. Dies stünde darüber hinaus im Einklang mit
einer stärkeren Ausrichtung der Lebensmittelkette auf
Qualitätsproduktion, wie im „Grünbuch“ der EU-Kommission über die Qualitätspolitik für Agrarerzeugnisse gefordert (EU-KOM 2009). Auch Klima, Boden, Wasser und
Artenvielfalt könnten davon profitieren.
Aus diesem Grund hat das EU-Parlament 2011 den Initiativbericht „Das Proteindefizit in der EU: Wie lässt sich das
seit langem bestehende Problem lösen?“ verabschiedet.
Berichterstatter war Martin Häusling, Agrarsprecher der
Fraktion Die Grünen/EFA im europäischen Parlament.
Die Autorin hat maßgeblich am Initiativbericht mitgearbeitet.
Um die Ergebnisse des Berichtes verständlicher aufzubereiten und weiter zu verbreiten, hat sie im Auftrag von Martin
Häusling 2011 die Broschüre „Artenvielfalt statt Sojawahn“
ausgearbeitet. Runa Boeddinghaus, Universität Hohenheim,
hat dabei wertvolle Hilfe geleistet.
Kontakt: R.Boeddinghaus@uni-hohenheim.de
Weitere Informationen
sowie eine Kontaktund Literaturliste sind
in der Studie „Artenvielfalt statt Sojawahn“
unter folgendem Link
nachzulesen: http://
gruenlink.de/3zp
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Foto: IMAGO/BLE
Landwirtschaft
Gärtnerei Obergrashof – Ein Gemisch aus Stallmist, Pflanzenresten und Gesteinsmehl bildet nährstoffreichen Dünger für den Gemüseanbau.
Gut Herrmannsdorf – Sulmtaler
Zwei-Nutzungshuhn aus Sulmta
Förderpreis Ökologischer Landbau
Mit dem „Förderpreis Ökologischer Landbau“ werden jedes Jahr bis zu drei ökologisch wirtschaftende Betriebe geehrt, die sich durch Innovationen und vorbildliche Leistungen in der ökologischen
Landwirtschaft auszeichnen. Dabei kann sich die Auszeichnung sowohl auf das gesamtbetriebliche
Konzept als auch auf einen Teilbereich des Betriebes beziehen. Die Leistungen der Betriebe sollen
übertragbar sein und zum Nachahmen anregen sowie Verbraucher und Verbraucherinnen über
Produktionsweise und Qualität der ökologisch erzeugten Lebensmittel informieren.
Der Förderpreis wird vom Bundesministerium für Ernährung,
Landwirtschaft und Verbraucherschutz vergeben. Zu den Preisträgern 2012 gehören die Gärtnerei Obergrashof in Bayern, die
Gut Herrmannsdorf KG in Bayern
und der Bioland-Betrieb „De Fischer ut Grambek“ aus Schleswig-Holstein.
Gärtnerei Obergrashof
Die Demeter-Gärtnerei Obergrashof wird für ihr innovatives
Gesamtkonzept mit dem Förderpreis ausgezeichnet. Seit der
Betriebsgründung 1992 ist der
Obergrashof von 5 ha und drei
Mitarbeitern auf heute 113 ha mit
30 Mitarbeitern gewachsen. 55 ha
werden mit Gemüsekulturen bewirtschaftet, die restliche Ackerfläche wird zum Futter- und Getreideanbau genutzt. Damit trotz
intensiven Gemüseanbaus die
Kreislaufwirtschaft verfolgt werden kann, hält der Demeter-Hof
eine Rinderherde mit 68 Tieren
und eine 40-köpfige Schafherde.
Durch den Einsatz von Mistkompost und vielfältige Gründüngung
kann so der Düngereintrag von
außerhalb des Betriebes auf
10 kg N pro Hektar begrenzt
werden.
Beeindruckend ist die Vielfalt
im Betriebskonzept: Neben dem
Erhalt alter Nutztierrassen – die
Rindviehherde stellt den zweitgrößten Bestand des alten heimischen Murnau-Werdenfelser
Rinds dar und wird im Herdbuch
geführt – wird viel Wert auf die
Züchtung und den Erhalt der
Sortenvielfalt im Gemüseanbau
gelegt. Neben dem Anbau von
über 100 Sorten Feld- und Feingemüse leistet der Obergrashof
Pionierarbeit in der Züchtung
neuer Gemüsesorten. Die eigene
Saatgutvermehrung, Erhaltungsund Eigenzucht führte schon zu
mehreren Sortenzulassungen
durch das Bundessortenamt.
Nachhaltigkeit bedeutet für den
Obergrashof neben dem Erhalt
der Biodiversität auch Weitergabe von Wissen: Neben der Ausbildung von Lehrlingen (fünf bis
sechs pro Jahr) ist der Betrieb
auch mit Kursen an der Volkshochschule und im eigenen Seminarhaus in der Erwachsenenbildung tätig. Ein Waldorfkindergarten, Hoffeste und Hofführungen
erweitern das Angebot. Somit ist
Nachhaltigkeit im ökologischen,
sozialen und ökonomischen Bereich die Leitmaxime des Denkens und Handelns auf dem Hof.
Gut Herrmannsdorf KG
Der Biokreis-Betrieb Gut Herrmannsdorf KG erhält den Förderpreis für die erfolgreiche Vermarktung eines innovativen
Finanzierungskonzepts der ökologischen Hühnerhaltung. Ausgehend von der schwierigen Situation der Geflügelhaltung auch in
der biologischen Landwirtschaft
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25
Foto: HLW
Foto: IMAGO/BLE
Landwirtschaft
Hühner (s. Plakat li), Bresse-Huhn und
ler und Bresse (re)
startete das Gut Herrmannsdorf
ein Projekt zur Haltung, Vermehrung und Mast von Zwei-Nutzungshühnern aus einer Kreuzung der
Rassen Sulmtaler und Bresse.
Damit wird auf hochspezialisierte
Hybridrassen zugunsten von traditionellen Hühnerrassen verzichtet und die Tötung männlicher
Küken vermieden, da diese für
die Mast genutzt werden. Über
ein „Landhuhn-Darlehen“, das die
Kunden dem Betrieb gewähren,
konnten binnen kürzester Zeit
Investitionsmittel für einen Brutapparat, Mobilställe und die Eiersortierung zum Aufbau des neuen
Betriebszweiges aufgebracht werden. Mit einer zweiten Auflage
dieses erfolgreichen Finanzierungsmodells konnte der Aufbau
einer Geflügelschlachtung realisiert werden.
Für ein Darlehen in Höhe von
300 € bekommen die Kunden
über zehn Jahre einen Einkaufsgutschein für die Gut Herrmannsdorfer Verkaufsstellen von pro
Jahr 40 € zurück. Der alternative
Ansatz, der durch das Gut Herrmannsdorf verfolgt wird, rückt die
ethische Problematik der Geflügelhaltung in den Mittelpunkt und
bezieht die Verbraucher als Kapitalgeber aktiv mit in den Entwicklungsprozess ein. Außerdem stärkt
das Projekt die Kundenbindung
„De Fischer ut Grambek“ – Fütterungsanlage für den Einsatz von Bio-Bruchgetreide
in der Ernährung von Karpfen
an den Hof. Zur Unterstützung
des Projektes und der Auseinandersetzung mit ethischen Fragen
der Geflügelhaltung wurden ein
Landhuhn-Tagebuch in Form eines Blogs geschaffen. Kunden
können dort die Entwicklung der
Hühnerhaltung verfolgen und sich
mit Fragen und Kommentaren
aktiv beteiligen. Zusätzlich werden Spezialführungen, Newsletter
und Verkostungsaktionen angeboten.
„De Fischer ut Grambek“
Für seine besonders artgerechte
Haltung, Zucht und Fütterung von
Fischen erhält der Bioland-Betrieb „De Fischer ut Grambek“ die
Auszeichnung. Der Betrieb wird
seit der Übernahme 1989 extensiv bewirtschaftet. In 44 naturnah
gestalteten Fischteichen mit insgesamt 32 ha Wasserfläche hält
der Fischer hauptsächlich Karpfen, aber auch Schleie, Hechte
und Welse, die alle aus eigener
Nachzucht stammen. Um große
Verluste durch Kormorane zu vermeiden, sind die Jungfischanlagen
mit Netzen überspannt; eingegrabener Maschendraht und ein
Elektrozaun schützen die Teiche
vor Fischottern und sorgen für
eine naturschutzverträgliche Lösung. Seit 2010 werden auf dem
Betrieb Enten mit Fischen in
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Polykultur gehalten. Dieses neu
aufgegriffene, alte Haltungssystem fördert durch die Wahl der
Orpington- und der Pommernente
nicht nur den Erhalt bedrohter
Nutztierrassen, sondern senkt
auch den Pflegeaufwand für die
Teiche und regt das natürliche
Nahrungsangebot der Teiche an.
Durch den nährstoffreichen Kot
der Enten entwickeln sich im
Wasser Kleintiere, die bis zu
50 % des Futterbedarfs der Fische decken. Für den restlichen
Futterbedarf setzt der Fischer auf
den Einsatz von Bruchgetreide
eines benachbarten DemeterHofes. Neben einer sinnvollen
Verwertung steigt durch den
Insektenbesatz des Getreides
auch das Proteinangebot im
Futter. In Zusammenarbeit mit
der Universität Kiel konnte festgestellt werden, dass das Bruchkorngetreide eine rentable und
effektive Fütterungsvariante darstellt. Beruhend auf diesen Forschungsergebnissen sollen in
Grambek zukünftig vermehrt Insekten als innovative Eiweißalternative zu Soja und Fischmehl in der Fütterung eingesetzt
werden. ka
Weitere Informationen über den Förderpreis Ökologischer Landbau und Filmporträts der Preisträger: www.foerderpreisoekologischerlandbau.de
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Ländlicher Raum
Siedlungsentwicklung:
Demografie zwingt Kommunen zum Handeln
Andreas Greiner*
Welche Konsequenzen hat der demografische Wandel für die Siedlungsentwicklung und den Wohnungsmarkt in den Kommunen? Im Rahmen des baden-württembergischen Modellprojekts „Flächen
gewinnen durch Innenentwicklung“ wurde dazu im Landkreis Böblingen eine Studie erstellt. Die Ergebnisse liegen jetzt vor und sind nicht nur für die Projektpartner Böblingen, Magstadt, Mötzingen
und Nufringen interessant. Der demografische Wandel betrifft mehr oder weniger alle Kommunen.
Je früher sie sich darauf einstellen, umso besser können sie diesen Herausforderungen begegnen
und Fehlentwicklungen vermeiden.
Ziel des 2011 durchgeführten Projekts1 war die
Förderung der Innenentwicklung, insbesondere
die Wiederbelegung von Leerständen in den beteiligten Kommunen und die Entwicklung übertragbarer Maßnahmen für andere Kommunen. In einer
Bestandsaufnahme erhoben die Kommunen gemeinsam mit dem Stuttgarter Büro Ökonsult die
heutigen Leerstände im Gebäudebestand. Darüber
hinaus berechneten die Projektpartner die aufgrund
des demografischen Wandels zu erwartenden Leerstände bis zum Jahr 2030. Denn neben der Mobilisierung von Baulücken und Brachflächen muss
für die Innenentwicklung zunehmend die Wiederbelegung von leer stehenden Wohnflächen im
Fokus stehen.
Leerstand mindert Attraktivität
und Wohnqualität
Obwohl sich die beteiligten Kommunen hinsichtlich Größe, Zentralität der Lage, Verkehrsanbindung
und vielen anderen Merkmalen deutlich unterscheiden, liegen die ermittelten Leerstandsquoten relativ
nahe beieinander. So betragen die Anteile der aktuell leer stehenden Gebäude bei allen Projektpartnern etwa 5 %, weitere rund 10 % werden in den
nächsten 20 Jahren durch den demografischen
Wandel dazu kommen (s. Abb. 1). Sollten diese
Wohnungen nicht wiederbelegt werden, drohen im
Jahr 2030 rund 15 % der Gebäude leer zu stehen.
Wenn diese Entwicklung einmal eingesetzt hat und
Abbildung 1: Entwicklung des Anteils leer stehender Gebäude bis 2030
18,7 %
20 %
14,3 %
14,2 %
8,3 %
9,7 %
9,6 %
5,0 %
4,6 %
4,6 %
6,9 %
Mötzingen
Nufringen
13,3 %
15 %
10 %
11,8 %
5%
0%
Böblingen
Magstadt
Anteil aktuell
Anteil Zuwachs bis 2030
Quelle: Daten aus den Projektkommunen, Berechnungen und Zusammenstellung ÖKONSULT GbR
* Andreas Greiner, Ökonsult GbR, Stuttgart, Tel. (0711) 674 474 – 60, greiner@oekonsult-stuttgart.de, www.oekonsult-stuttgart.de
1
Eine Kurzfassung der Studie „Demografie, Innenentwicklung und Wohnraumpotenziale im Landkreis Böblingen und den vier Projektkommunen Böblingen,
Magstadt, Mötzingen und Nufringen“ steht im Internet unter www.lra-bb.kdrs.de (unter „Aktuelles“ „Broschüren und Faltblätter“).
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27
Ländlicher Raum
im Straßenbild sichtbar wird, ist sie – wenn überhaupt –
nur mit großem Aufwand zu stoppen bzw. umzukehren.
Denn bereits Leerstandsquoten über 10 % können nach
Einschätzung von Experten die Attraktivität und Wohnqualität von Ortsteilen deutlich mindern. Methodisch
bedingt sind die real zu erwartenden Leerstände möglicherweise sogar noch höher, denn in der Studie konnten nur solche Gebäude als „Leerstand“ erfasst werden,
die komplett unbewohnt sind. Mehrfamilienhäuser, in
denen eine oder mehrere Wohnungen leer stehen,
konnten nicht mitgezählt werden. In Ortsteilen von
Gemeinden mit vielen mehrstöckigen Wohngebäuden
sind deshalb die Wohnraumpotenziale im Bestand
wahrscheinlich noch größer als die ermittelten Werte.
Hinzu kommt, dass der vorhandene Wohnraum nicht
auf die zukünftige Nachfrage ausgerichtet und manchmal auch für die Wiederbebauung ungeeignet ist. Nachgefragt werden wird in Zukunft Wohnraum für kleine
Familien und Alleinerziehende, aber auch seniorengerechte, barrierefreie Wohnungen in zentraler Lage.
Gleichzeitig gibt es immer weniger junge Familien und
Interessierte, die neuen Wohnraum suchen. Daher
führt die Ausweisung neuer Baugebiete – wenn die
neuen Bauplätze gut verkauft werden, was vielerorts
bereits heute nicht mehr der Fall ist – unweigerlich
dazu, dass die Vermittlung leer stehender Wohnungen
und Häuser im Bestand schwieriger wird. So hat das
erste Fazit der Untersuchung nicht wenige überrascht:
Von Kommune zu Kommune gibt es zwar gewisse Unterschiede, aber die grundsätzliche Entwicklung betrifft
alle Projektpartner gleichermaßen – und wahrscheinlich
die allermeisten Kommunen. Damit stellt der demografische Wandel alle Akteure vor eine ähnliche Herausforderung.
Beispiel Baden-Württemberg
Nach Vorausberechnungen des Statistischen Landesamts Baden-Württemberg wird die Bevölkerung
im Landkreis Böblingen von 2008 bis 2030 um 14 600
Einwohner abnehmen. Die tatsächlich für das Jahr
2010 erfasste Einwohnerzahl liegt bereits unter dem
Wert der Vorausberechnung. Dies könnte eine vorübergehende Schwankung der Bevölkerungsentwicklung sein, könnte aber auch darauf hinweisen, dass
die Realität des demografischen Wandels noch schneller voranschreitet als die Vorausberechnungen nahelegen, die ja immer nur Entwicklungen der Vergangenheit fortschreiben und aktuelle Trends nur zeitverzögert
abbilden. Sicher ist: Sollten die 137 ha genehmigte
Neubaugebiete bzw. wesentliche Teile davon im
Landkreis Böblingen erschlossen werden, ist mit
Überkapazitäten im Wohnungsmarkt zu rechnen,
die sich über kurz oder lang auch auf den Wert der
Bestandsimmobilien auswirken werden.
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Abbildung 2: Demografie und Erbmasse
Generation 1:
4 Personen
(1940er)
Generation 2:
6 Personen
(1960er)
Generation 3
4 Personen:
(1990er)
4 Personen haben in 10-20 Jahren
7 Immobilien zur Verfügung!
Quelle: ÖKONSULT GbR
Sicher ist auch: Die Entwicklung im Landkreis
Böblingen ist kein Sonderfall. Nach den Zahlen
des Statistischen Landesamts wird die Bevölkerung in ganz Baden-Württemberg von aktuell
10,75 Mio. Einwohnern auf 10,37 Mio. im Jahr
2030 abnehmen. In 20 Jahren werden also rund
380 000 Menschen weniger im Südwesten leben.
Diese Vorausrechnung basiert darauf, dass bis
2030 jährlich 10 000 Menschen mehr ins Land
zuwandern als wegziehen. Doch können diese
Wanderungsgewinne die niedrigen Geburtenraten in der Summe nicht mehr ausgleichen.
Außerdem wollen die Menschen vor allem in die
größeren Städte ziehen, weit weniger in die kleinen Gemeinden im ländlichen Raum. Letztere
verlieren also Einwohner durch Wegzug. Die
Städte können dagegen bei attraktiver Infrastruktur ihre Einwohnerzahl im besten Fall stabil halten. Hinzu kommt der Effekt, dass es aufgrund
der Überalterung und der allgemein hohen
Sterberate in allen Kommunen immer mehr leer
stehende Wohnungen und Häuser geben wird
(s. Abb. 2). Durch die demografische Entwicklung und den Siedlungsbau seit dem Zweiten
Weltkrieg haben die Haushalte heute in der Tendenz immer mehr Immobilien zur Verfügung.
28
Ländlicher Raum
Praxisbeispiele zur Innenentwicklung in den
vier Modellkommunen:
Im Zusammenhang mit dem Modellprojekt wurden
in den beteiligten Gemeinden Projekte identifiziert,
die exemplarisch zeigen, wie Kommunen die Innenentwicklung voranbringen können:
Im Herzen von Böblingen entsteht ein Wohn- und
Bürohaus mit insgesamt 18 barrierefreien Wohneinheiten im Niedrigenergiestandard auf bereits
ehemals bebauten Flächen. Erste Käufer haben
hier bereits eine Wohnung für ihre spätere Eigennutzung im Seniorenalter erworben.
Auf dem rund 2 ha großen ehemaligen Fabrikgelände der Schoenenberger Pflanzensaftwerke
in Magstadt entsteht ein attraktives Quartier in
zentraler Lage. Es wurden bereits 24 Wohneinheiten realisiert, hinzu kommen ein Lebensmittelgeschäft und ein barrierefreies 12-Familienhaus
mit Arztpraxen. Die Nachfrage nach diesen nur
rund 400 m von der künftigen S-Bahn-Station gelegenen Wohnungen ist hoch.
Die Gemeinde Mötzingen wurde im Jahr 2007
mit der Sanierungsmaßnahme „Ortskern II“ in
das Sanierungsprogramm des Landes BadenWürttemberg aufgenommen. In diesem Rahmen
wurde das im Ortskern gelegene „Lammareal“
von der Gemeinde aufgekauft, alte Gebäude abgerissen und das Grundstück neu aufgeteilt. Es
stehen dort nun fünf Bauplätze zum Verkauf. Auf
der gegenüberliegenden Straßenseite liegt das
Gelände für eine geplante Einrichtung des betreuten Altenwohnens, das demnächst realisiert
werden soll.
In Nufringen haben private Eigentümer Hand in
Hand mit der Kommune Grundstücke mit abbruchreifen Häusern an der Hauptstraße veräußert und die Flächen für eine neue Nutzung frei
gemacht. Heute stehen dort ein Mehrfamilienhaus mit sechs Wohnungen, zwei Gewerbegebäude und drei Reihenhäuser. Außerdem wurde ein landwirtschaftliches Gebäude mit Stallungen in der Ortsmitte abgerissen. Dort haben nun
junge Familien in vier Reihenhäusern und zwei
Doppelhaushälften ein Zuhause gefunden. Daneben wurde noch eine Grünanlage mit Spielmöglichkeiten für Jung (Spielplatz) und Alt (Boulebahn) angelegt.
Konsequenzen für die Kommunalplanung
Vielen fällt es schwer, die ganze Dimension der
Fakten zu ermessen und daraus Konsequenzen für
die Praxis abzuleiten. Dabei hat der unverblümte
Blick auf die Realität durchaus seine handfesten
Vorteile: Je früher sich die Entscheidungsträger in
den Kommunen sachlich fundiert mit dem Thema
befassen und daraus Konsequenzen für ihr Handeln
ableiten, umso besser können sie diesen Wandel
noch gestalten und Fehlentwicklungen vermeiden.
Wenn die Kommunen eine positive Entwicklung
herbeiführen wollen, müssen sie heute Veränderungen aktiv begleiten. Sie sollten alles vermeiden,
was die Leerstands-Problematik verschärft und
möglichst viel dafür tun, die Wiederbelegung von
Wohnraum im Bestand zu fördern. Ihren Schwerpunkt sollten sie darauf setzen, den qualitativen
Umbau ihrer bestehenden Flächen und Immobilien
zu organisieren. Dazu müssen sie alle Bürgerinnen
und Bürger und auch die Entscheidungsträger in
den Kommunalparlamenten mitnehmen.
Empfehlungen für Entscheidungsträger in Kommunen
Die aktuellen und künftig zu erwartenden Leerstände systematisch erheben und damit eine sachlich fundierte Grundlage
für die Planung schaffen.
Ausweisung neuer Baugebiete vermeiden, weil sie mit der Wiederbelegung von Bestandsimmobilien konkurrieren.
Innenentwicklung fördern und damit die Attraktivität der Ortskerne erhalten.
Die für die Wiederbelegung der Bestandsimmobilien in Frage kommende Zielgruppe der jungen Familien vor allem auf
die leer stehenden Ein- und Zweifamilienhäuser bzw. Reihenhäuser lenken („Familienwohnraum“, häufig mit größeren
Gärten als im Neubau).
Die vorhandenen Potenziale in Baulücken und Brachflächen vor allem für altersgerechte bzw. barrierefreie Wohnungen
nutzen, damit sie der wachsenden Nachfrage-Gruppe der Senioren zur Verfügung stehen.
Gemeinderat sowie Bürgerinnen und Bürger mit geeigneten Kommunikationsmaßnahmen informieren.
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Genossenschaften
Schwerpunkt Genossenschaften
Das von der UNO für 2012 ausgerufene Internationale Jahr der
Genossenschaften ist der Anlass für den Schwerpunkt dieser
Ländlicher-Raum-Ausgabe. Wir möchten die Idee, den Genossenschaftsgedanken zu fördern, mit Informationen zu seiner Geschichte, zur Bedeutung von alten und neuen Genossenschaften sowie
zu Genossenschaftsbanken unterstützen. Für die Jahresaktivitäten
haben die Genossenschaften in Deutschland das Motto „Ein Gewinn für alle – Die Genossenschaften“ gewählt, mit dem sie auf die
Leistungsfähigkeit von Genossenschaften als moderne Wirtschaftsform hinweisen möchten. Einige Praxisbeispiele von Genossenschaften stellen wir separat dar, viele weitere Beispiele finden sich
darüber hinaus in den Texten der Autoren.
Ländliche Genossenschaften – ein Erfolgsmodell
vom Mittelalter bis heute
Prof. Dr. Gerhard Henkel*
Genossenschaften in Mittelalter
und Früher Neuzeit
Genossenschaften sind typisch ländliche Einrichtungen der wirtschaftlichen
Selbsthilfe. Sie reichen weit in die Dorfgeschichte zurück. Vom alt- und mittelhochdeutschen Wortsinn her heißt Genosse: „der seinen Besitz mit anderen
gemeinsam hat“ und der einen „Nutzen
davon“ hat, was noch in unserem Wort
„genießen“ steckt. Genossenschaften
sind also Zusammenschlüsse mehrerer
Personen zu einem gemeinschaftlichen
Geschäftsbetrieb, wobei für den Einzelnen Vorteile entstehen. Jeder Genosse
bringt in die Gemeinschaft etwas ein: in
der Regel Land, Geld oder seine Arbeitskraft. Man unterscheidet Zwangsgenossenschaften und freiwillige Zusammenschlüsse.
Die älteren, bis ins Mittelalter reichenden
ländlichen Genossenschaften waren überwiegend Zwangsgenossenschaften, denen man
durch seinen Besitz oder Wohnort angehörte.
So wurde insbesondere das allen Dorfbewohnern zustehende Weideland (Allmende, Brachen und Wald) gemeinschaftlich und nach
festen Regeln genutzt, die Gemeinschaftsherden von dorfeigenen Hirten betreut. Ähnliches galt für die in Parzellen aufgeteilte
Feldflur, deren Bewirtschaftung ebenfalls
fest geregelt war. Weitere Zwangsgenossenschaften waren Wald- und Jagdgenossenschaften. Letztere haben bis heute Bestand
und regeln die Bedingungen der Jagd zwischen den Grundeigentümern und Jagdpächtern auf der gesamten Flurfläche. Die meisten
Zwangsgenossenschaften haben allerdings
mit den Agrarreformen des 19. Jahrhunderts,
mit der Überführung der Gemeinrechte in
Privatrechte, ihre Basis verloren.
* Prof. Dr. Gerhard Henkel, Geographisches Institut der Universität Duisburg-Essen, gerhard.henkel@uni-due.de. Die ausführliche Fassung des Artikels ist
nachzulesen in: Das Dorf. Landleben in Deutschland – gestern und heute. Konrad Theiss Verlag GmbH, Stuttgart, 2012.
| ASG | Ländlicher Raum | 01/2012 |
Foto: Stiftung GIZ, Berlin
Genossenschaften gehörten zu jedem mittelgroßen Dorf wie die Kirche oder Schule. Hier kauften
die Bauern Futter-, Düngemittel und Saatgut oder lieferten ihre Getreideernte ab. Im Angebot gab es
aber auch Hühnerfutter und Grassamen oder Kleingeräte und Gummistiefel für den Land- und
Gartenbau. Inzwischen sind die meisten dieser klassischen Bezugs- und Absatzgenossenschaften
aus den Dörfern verschwunden, andere wie die Volksbanken haben Bestand. Und neue Genossenschaften mit höchst unterschiedlichen dörflichen Zielen werden gegründet.
30
Genossenschaften
Gründungsboom freiwilliger
Genossenschaften im 19. Jahrhundert
Das moderne, auf Freiwilligkeit basierende Genossenschaftswesen entwickelte sich ab der Mitte des
19. Jahrhunderts – wir unterscheiden Waren-, Kredit- und Betriebsgenossenschaften. Sie hatten die
Wirtschaftsförderung der Einzelmitglieder zum Ziel
und arbeiteten in lokaler Selbstverantwortung sowie
nach dem Kostendeckungsprinzip. Generell sollten
die Genossenschaften den Bauern, die durch die
Agrarreformen juristisch und ökonomisch frei geworden waren, dabei helfen, ihren Start in die Marktund Kapitalwirtschaft zu bestehen. Als Begründer
der bäuerlichen Genossenschaftsbewegung gilt
Friedrich Wilhelm Raiffeisen (1818 - 1888). Sein
Grundsatz entsprach der christlichen Nächstenliebe
und lautete „Einer für alle – alle für einen“, was nicht
nur ökonomische Vorteile, sondern auch Gemeinsinn hervorbrachte. Die Genossenschaften waren
nach Raiffeisen ein Mittel zur Steigerung des Wohlstandes und der geistig-sittlichen Kultur der Landbevölkerung. Als Pionier neben Raiffeisen ist Hermann
Schulze-Delitzsch (1808 - 1883) zu nennen, der als
Begründer des handwerklich-gewerblichen Genossenschaftswesens gilt. Dies war wichtig, weil sich
das Landgewerbe ebenso wie die Landwirtschaft im
späten 19. Jahrhundert kräftig entwickelte und zum
Aufschwung des Dorfes beitrug.
Foto: RWG Eitorf
Die Genossenschaftsgründungen in der zweiten
Hälfte des 19. Jahrhunderts hatten sehr unterschiedliche Schwerpunkte. Vor allem in der Anfangsphase
hatten die Genossenschaften die Aufgabe, Bauern
und Handwerker mit günstigen Krediten zu versorgen und vor Ausbeutung durch Zinswucherei zu
schützen. Die Warengenossenschaften dienten ei-
nerseits dem Bezug von Betriebsmitteln wie Saatgut, Dünger und Maschinen, andererseits dem Absatz landwirtschaftlicher Produkte wie Mehl, Brot
und Fleisch. Dazu kamen Betriebsgenossenschaften wie Molkerei- oder Winzergenossenschaften.
Die Ideen und Pioniergründungen von Raiffeisen
und Schulze-Delitzsch haben wesentlich zur wirtschaftlichen Entwicklung der Landwirtschaft und
des ländlichen Handwerks beigetragen. Sie fanden
schnell in ganz Deutschland Verbreitung und darüber hinaus in der ganzen Welt Nachahmung. Im
Rückblick gehören die Genossenschaftsgründungen
des 19. Jahrhunderts zu den bedeutenden Innovationen der modernen Dorfgeschichte.
Im Jahr 1917 bestanden in Deutschland 28 967
ländliche Genossenschaften mit etwa 2 Mio. Mitgliedern. Deren Vielfalt lässt sich an ihren Untergruppen erkennen: 97 Zentralgenossenschaften,
17 866 Spar- und Darlehenskassen, 3 595 Molkereigenossenschaften, 2 909 Bezugs- und Absatzgenossenschaften, 1 123 Elektrizitätsgenossenschaften,
287 Viehverwertungsgenossenschaften, 206 Winzergenossenschaften, 152 Eierverkaufsgenossenschaften und 2 732 sonstige Genossenschaften.
1930 existierten im Deutschen Reich etwa 40 000
ländliche Genossenschaften. Das heißt, zumindest
jedes mittelgroße deutsche Dorf hatte eine eigene
Spar- und Darlehenskasse und eine Warengenossenschaft, die man meist nur „die Genossenschaft“
nannte.
Nach dem Zweiten Weltkrieg erfuhr das Genossenschaftswesen in Deutschland zunächst eine höchst
unterschiedliche Entwicklung. In der DDR wurden
die bestehenden Genossenschaften auf freiwilliger
Basis bald aufgelöst, die Bauern ab 1952 in die unfreiwilligen landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG) genötigt. In Westdeutschland
erlebten die Kredit- und Warengenossenschaften
zunächst einen Aufschwung. Die Spar- und Darlehenskassen blühten in der Wirtschaftswunder-Phase
der 1950er und 1960er Jahre auf und entwickelten
sich zu modernen Banken. Auch die ländlichen Bezugs- und Absatzgenossenschaften entwickelten
sich positiv, errichteten bald neue und größere Gebäude und erweiterten nach und nach ihre Aufgabenfelder. Neben dem Bezug von Betriebsmitteln
und dem Absatz landwirtschaftlicher Produkte hatte
„die Bäuerliche“, wie die lokale Genossenschaft im
Volksmund oft hieß, vielerorts auch Brennstoffe wie
Kohlen, Heizöl und Diesel im Angebot. Später kamen Baustoffe hinzu und seit einigen Jahren deutlich zunehmend ein immer breiterer Garten- und
Hobbymarkt.
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Fotos: Gemeinde Grasbrunn
Genossenschaften
Harthausen: Im ehemaligen Gebäude der Freiwilligen Feuerwehr befindet sich heute der Dorfladen
Seit den 1970er Jahren schrumpft das traditionelle
ländliche Genossenschaftswesen jedoch zunehmend.
Vor allem die dörflichen Warengenossenschaften
mussten nun auch nach modernen Leistungs- und
Kostenkriterien bewirtschaftet werden. Die meisten
ließen sich aus ökonomischen Gründen nicht halten
und wurden aufgegeben bzw. „zentralisiert“; der
Rückzug aus der Fläche vollzog sich aus ähnlichen
Kriterien wie bei Post, Bahn, Kommunen und Polizei. An den verbliebenen oder konzentrierten Standorten präsentieren die ländlichen Warengenossenschaften heute ein breites und hochwertiges Angebot nicht nur für die Landwirte, sondern für die gesamte Landbevölkerung. Wie in ihrer Gründungsphase vor über 100 Jahren sind sie immer noch als
freiwilliger Zusammenschluss von Genossen organisiert. Sie tragen heute in ganz Deutschland den
Namen „Raiffeisenmärkte“ und zeigen sich damit
ihrem Gründer und seinen Idealen verpflichtet.
Auch die Spar- und Darlehenskassen haben bis in
die Gegenwart Bestand. Viele firmieren heute als
Volksbanken, sie sind aber immer ein Zusammenschluss von „Genossen“, die aber längst nicht mehr
allein aus dem Bauern- und Handwerkerstand kommen. Die Innovationen von Raiffeisen und SchulteDelitzsch vor 150 Jahren hatten somit für den ländlichen Raum eine nachhaltige Wirkung. Sie sind –
trotz aller Konzentrationsprozesse – bis heute wirksam und erfolgreich.
Heutige Neugründungen von
Genossenschaften vielfach als Dorfläden
Zahlreiche Neugründungen von Genossenschaften in jüngerer Zeit zeigen, dass die Genossenschaftsidee auf dem Land nicht nur eine lange Tradition hat, sondern auch bis heute lebendig ist. Ein
Schwerpunkt liegt auf Dorfläden und Gasthöfen,
die zunehmend von lokalen Genossenschaften
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getragen werden. Diese arbeiten nach dem Kostendeckungsprinzip und müssen keinen Gewinn machen. Der Verlust des letzten Ladens im Ort hat
viele Bürger und Politiker auf dem Land wachgerüttelt: Ist kein Laden mehr im Dorf, ist kein Leben
mehr im Dorf. Allein in Bayern gab es in den letzten
fünf Jahren über 200 Neugründungen von Dorfläden
im Besitz einer Bürgergenossenschaft. In Harthausen, einem Ort östlich von München mit 870 Einwohnern, gab es zuletzt nur noch einen Kaugummiund einen Zigarettenautomaten. Die letzte Metzgerei schloss im Jahr 2005, als der Metzger in den Ruhestand ging. Dann wurde der neue Dorfladen mit
80 m2 Verkaufsfläche im alten Feuerwehrhaus untergebracht. Rund 200 Dorfbewohner traten der
Ladengenossenschaft bei und erwarben einen Anteil
von je 200 €. Das Startkapital von 40 000 € reichte
für Regale, Kühltheken, Geräte und Lebensmittel.
Harthauser Bürger und Handwerker brachten sich
ehrenamtlich ein. Die Angestellten der Dorfläden
bekommen umgerechnet rund 6 € in der Stunde,
trotzdem sind die Verkäuferinnen zufrieden. Sie arbeiten im eigenen Dorf, bieten viele regionale Produkte an, deren Erzeuger sie kennen, und schätzen
die lokalen Kontakte. Das Land Bayern unterstützt
die dörflichen Aktivitäten mit Seminaren zum Thema „Tante Emma-Laden“ – durchaus ein Vorbild für
andere Bundesländer.
Manchmal sind die neuen ländlichen Genossenschaften mit ihren jeweiligen Kommunen zu Partnerschaften verknüpft. Im niedersächsischen Dorf
Luthe wurde im Jahr 2005 die Genossenschaft
»Naturerlebnisbad Luthe« gegründet, nachdem die
Stadt Wunstorf das Bad aus Kostengründen geschlossen hatte. Ziel war die Errichtung eines naturnahen Freibades mit Schwimmbecken ohne Chlor.
Das Naturbad wird nun ehrenamtlich geführt, die
Gemeinde leistet einen jährlichen Kostenzuschuss.
32
Genossenschaften
Genossenschaftliche Antworten
auf globale Herausforderungen
Prof. Dr. Markus Hanisch und Martin Ihm*
Am 18. Dezember 2009 hat die Generalversammlung der Vereinten Nationen das Jahr 2012 zum
„Internationalen Jahr der Genossenschaften“ erklärt. Die UN-Resolution A/RES/64/136 trägt den
Titel „Cooperatives in social development“ und würdigt die Vielfalt des Genossenschaftswesens
in der ganzen Welt. Sie fordert weltweit Regierungen auf, Maßnahmen zur Schaffung eines förderlichen Umfelds für die Entwicklung von Genossenschaften zu ergreifen. Nationale und internationale Aktivitäten im internationalen Genossenschaftsjahr sollen das Thema „Genossenschaft“ stärker in das öffentliche Bewusstsein rücken.
Genossenschaften
in vielen Bereichen
Heute bilden genossenschaftliche Unternehmen einen wichtigen
Bestandteil der deutschen Wirtschaft. Praktisch jeder Landwirt ist
Mitglied einer oder mehrerer Genossenschaften. 60 % aller Handwerker, 75 % aller Einzelhandelskaufleute, 90 % aller Bäcker und
Metzger sowie über 65 % aller
selbstständigen Steuerberater
sind Genossenschaftsmitglieder.
Die Wohnungsbaugenossenschaften umfassen 3,2 Mio. Mitglieder
und bewirtschaften ca. 10 % der
Mietwohnungen in Deutschland4.
Über 1 000 Kreditgenossenschaften bilden eine bislang krisensichere Säule im deutschen Bankensystem5. Wegen ihrer traditionellen Verwurzelung in den Regionen und der Verpflichtung zum
Mitgliedergeschäft haben sich die
Genossenschaftsbanken gerade
in Krisenzeiten als wichtiger Anker
des Finanzsystems vieler europäischer Länder erweisen können6.
Stabile Kundenbeziehungen, lokales Wissen über Risiken und eine
vergleichsweise mäßige Margen-
Foto: Wikimedia
Genossenschaften spielen
heute schon eine bedeutende
Rolle. Etwa 800 Mio. Menschen
sind Mitglieder in Genossenschaften. Weltweit sichern Genossenschaften über 100 Mio.
Arbeitsplätze1. Wie überall auf
der Welt geht die genossenschaftliche Tradition in Deutschland auf das frühe Wirken von
Genossenschaftspionieren zurück. Hier sind besonders die
Ideen und das Werk von Friedrich Wilhelm Raiffeisen2 und
Hermann Schulze-Delitzsch im
19. Jahrhundert hervorzuheben. Während beide schon
Mitte des 19. Jahrhunderts
eigene Konzepte entwickelten,
Selbsthilfeorganisationen initiierten und aus dieser Praxiserfahrung heraus noch heute
bewährte Genossenschaftsprinzipien aufstellten, ist Hermann Schulze-Delitzsch später
besonders für seine Arbeit am
noch heute gültigen deutschen
Genossenschaftsgesetz bekannt geworden3.
Raiffeisen Warengenossenschaft in
Burgdorf
* Prof. Dr. Markus Hanisch und Martin Ihm, Humboldt-Universität zu Berlin, Landwirtschaftlich-Gärtnerische Fakultät, Department für Agrarökonomie,
Fachgebiet Kooperationswissenschaften, Berlin, hanischm@rz.hu-berlin.de
1
Zum Vergleich: http:/www.ica.coop/
2
Klein, M. (1997): Leben, Werk und Nachwirkung des Genossenschaftsgründers Friedrich Wilhelm Raiffeisen (1818 - 1888). Köln [i.e.] Pulheim: RheinlandVerlag Köln. Hg. Verein für Rheinische Kirchengeschichte: Schriftenreihe des Vereins für Rheinische Kirchengeschichte; Bd. 122
3
Zerche, J. (2001): Die sozialpolitischen Ansätze im Leben und Werk von Hermann Schulze-Delitzsch: Darstellung und kritische Würdigung. Förderverein
Hermann Schulze-Delitzsch und Gedenkstätte des Deutschen Genossenschaftswesens e.V. Hrsg.: Vorstand und Kuratorium des Fördervereins Hermann
Schulze-Delitzsch und Gedenkstätte des Deutschen Genossenschaftswesens e.V.
4
Siehe hierzu: http://www.dgrv.de/
5
Deutscher Genossenschafts- und Raiffeisenverband e.V. (DGRV), Hrsg.(2011): Zahlen und Fakten 2011. Berlin, DG VERLAG.
6
Smolders, N.; Koetsier, I.; de Vries, B. (2012): Performance of European cooperative banks in the recent financial and economic crisis (Paper presented at
the International Conference on Cooperative Responses to Global Challenges, 21-23 March 2012, Berlin)
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33
Genossenschaften
Interessanterweise haben auch
ein Großteil der Ethik- und Umweltbanken in Deutschland einen
genossenschaftlichen Hintergrund.
Ethisch-ökologische Banken haben durch ihren Spezialisierungsgrad ein Alleinstellungsmerkmal
gegenüber anderen Banken. Ihr
Marktanteil ist zwar gering, aber
in den letzten Jahren verzeichneten sie einen enormen Kundenzulauf. Wichtige Institute auf diesem Gebiet in Deutschland sind
die GLS Bank in Bochum, die
UmweltBank in Nürnberg, die
Ethikbank in Eisenberg und die
Triodos Bank in Frankfurt. Hinzu
kommen die kirchlichen Institute
wie die Pax Bank, KD Bank und
Liga Bank, die alle als Genossenschaften organisiert sind.
Die prägendste Rolle spielen
Genossenschaften nach wie vor
bei der Agrar- und Mittelstandsfinanzierung und in Bezug, Absatz und Verarbeitung der deutschen und europäischen Landwirtschaft7. Allein in Deutschland
erwirtschafteten Dienstleistungsund Agrargenossenschaften einen Umsatz von 42,8 Mrd. €8.
Aber nicht nur in den traditionellen Sektoren Landwirtschaft,
Handwerk oder Finanzen sind
Genossenschaften erfolgreich.
Mehr und mehr hat sich die genossenschaftliche Organisationsform auch auf weitere wirtschaftliche und öffentliche Bereiche in
Deutschland ausgedehnt. So sind
in der kommunalen Elektrizitätsund Wasserversorgung allein in
Foto: Blum, Norddeutsche Mission (CC)
orientierung haben immer wieder
dazu beitragen können, dass es
für die Kunden nicht zu Kreditklemmen und für die Genossenschaftsbanken nicht zu hohen
Ausfallrisiken gekommen ist.
Frauen in Ghana bei der Verwaltung von Mikrokrediten (2009)
den letzten acht Jahren über 300
neue genossenschaftliche Unternehmen entstanden. Auch im
Gesundheitsbereich ist ein Trend
zu genossenschaftlicher Kooperation seit einigen Jahren zu beobachten9. Die gemeinsame unternehmerische Betätigung von Ärzten im Gesundheitswesen sichert
faire Abrechnungsdienstleistungen und damit die Ertragskraft
ihrer Praxen; über 10 000 Ärzte
sind Genossenschaftsmitglieder.
In vielen strukturschwachen ländlichen Regionen sichern Genossenschaften die medizinische
Versorgung durch Gemeinschaftspraxen und den Betrieb von
Krankenhäusern. Ein Beispiel
liefert die „Krankenhaus Salzhausen eG“. Die Gemeinden im
Einzugsgebiet des Krankenhauses sind Genossenschaftsmitglieder. Gleiches gilt für die ansässi-
gen Patienten und zahlreiche Mitarbeiter des Krankenhauses Salzhausen. Die Genossenschaft besteht bereits seit 1898 und ist
heute ein unverzichtbarer Bestandteil der ambulanten und
stationären medizinischen Versorgung ihrer Region.
Genossenschaften
in Schwellen- und
Entwicklungsländern
Im Gegensatz zu der Bedeutung von Genossenschaften für
die Kooperation und Finanzierung
der mittelständischen Wirtschaft
in Europa, wird die genossenschaftliche Organisationsform in
Entwicklungsländern als Schlüssel zu Armutsreduzierung und
wirtschaftlicher Entwicklung begriffen. Die Landwirtschaft ist in
vielen Schwellen- und Entwick-
7
Hanisch, M.; Filler, G.; Odening, M. (2008): Zur Ableitung von Entwicklungsstrategien für Warengenossenschaften. In: Zeitschrift für das Gesamte Genossenschaftswesen (ZfgG), Erlangen-Nürnberg. Vandenhoeck und Ruprecht.
8
Deutscher Bauernverband (DBV), Hrsg. (2011): Situationsbericht 2011/12: Trends und Fakten zur Landwirtschaft. Berlin, DBV. (abrufbar unter www.situationsbericht.de)
9
Zum Vergleich: http://www.neuegenossenschaften.de/download/IntegrierteVersorgung.pdf, 7.3.2012
| ASG | Ländlicher Raum | 01/2012 |
34
Genossenschaften
lungsländern ein wichtiger Baustein der Entwicklung ländlicher
Räume. Jedoch ist die landwirtschaftliche Produktion oftmals
nur in Kleinstbetrieben organisiert, welche entweder für den
Eigenverbrauch oder nur geringe
Mengen für die Vermarktung produzieren können. Ohne entsprechende Organisation bleibt den
Kleinstproduzenten der Zugang
zu Beratung, Innovationen, Kapital und Vermarktung weitgehend
verschlossen, was ein wichtiges
Entwicklungshemmnis darstellt.
Zudem beschränken solche „unorganisierten Strukturen“ in der
Landwirtschaft häufig das Angebot an öffentlichen Dienstleistungen und Infrastrukturinvestitionen
und damit die Chance ganzer
Regionen darauf, Verarbeitungsindustrien anzusiedeln10.
Im Entwicklungsländerkontext
spielen daher genossenschaftliche Produzentenorganisationen
besonders im Verarbeitungsbereich für wertvollere landwirtschaftliche Erzeugnisse wie z. B.
im Kaffeeanbau- und Milchsektor
eine wichtige, oft überregionale
Rolle. Genossenschaftliche Finanz- und Versicherungsorganisationen stellen für die ländliche
Bevölkerung den Zugang zu
Krediten, zum eigenen Konto
und zu verschiedensten Finanzdienstleistungen her.
Ein Problem genossenschaftlicher Organisation in Entwicklungsländern ist häufig die Instrumentalisierung genossenschaftlicher Strukturen für kurzfristige
politische Zwecke und Wahlkampagnen. Hierdurch wurde in der
Vergangenheit häufig die Motivation der Mitglieder solcher Genossenschaften untergraben, was
mancherorts in Bezug auf Genossenschaften zu enttäuschten Erwartungen geführt hat. Aktuelle
10
Ansätze beispielsweise von UNOrganisationen wie der Food and
Agriculture Organization (FAO)
oder der Weltbank konzentrieren
sich daher auf die Verbesserung
von Ausbildung, Beratung und
Marktinformationsangeboten für
Genossenschaftsmitglieder über
Nichtregierungsorganisationen
(NGOs). Hierdurch sollen die Mitglieder selbst und damit die traditionellen Genossenschaftsprinzipien der Selbsthilfe, Selbstorganisation und Selbstverantwortung gestärkt werden.
Weltweit Tagungen zum
Thema Genossenschaften
Ein wichtiges Ziel des UNOGenossenschaftsjahres ist es daher, die Gesellschaft besser über
die Chancen, die Genossenschaften bieten können, aufzuklären.
Neben kurzfristigen Aktionen der
Lobbygruppen und der Medienöffentlichkeit sind hier insbesondere auch Einrichtungen von
Wissenschaft und Bildungsträgern stärker angesprochen, denn
es gilt, die Genossenschaft in
ihrer Funktionsweise richtig zu
verstehen und als Gestaltungsprinzip in den Köpfen von Verbrauchern, Unternehmern und
Entscheidungsträgern besser zu
verankern.
Die Humboldt-Universität zu
Berlin war als wissenschaftliche
Einrichtung seit 2009 an der inhaltlichen Vorbereitung der UNResolution beteiligt. Ihr Beitrag
zum Genossenschaftsjahr war die
Konferenz „Genossenschaftliche
Antworten auf Globale Herausforderungen“, die im März 2012 in
Berlin stattfand. Mit organisatorischer Unterstützung der Vereinten Nationen diskutierten 250
Vertreterinnen und Vertreter aus
der Wissenschaft, Praxis, Beratung und Politik aus 43 Ländern,
welche Antworten Genossenschaften auf globale Herausforderungen tatsächlich bieten können. Zudem bot die Veranstaltung
eine interdisziplinäre Plattform,
um die zukünftige Forschungsagenda für diesen Bereich, über
das Jahr 2012 hinausgehend,
abzustecken. In Plenumsvorträgen und Workshops wurde auf
aktuelle Themen wie die Finanzkrise, globale Armut, Energiewende, Welternährung, Klimawandel, Agribusiness, Ressourcenschonung und demografischen Wandel eingegangen.
Weitere Informationen zu Tagungsbeiträgen finden sich unter:
www.coopsyear.hu-berlin.de/
Im UNO-Genossenschaftsjahr
finden weltweit sieben weitere
wissenschaftliche Konferenzen zu
diesen Themen statt, u. a. in
Quebec, Kanada „2012 International Summit of
Cooperatives“,
Venedig, Italien „Promoting the
understanding of cooperatives
for a better world“ und
Trim, Irland „The World of
Rural Co-operation“.
In den einzelnen Ländern werden darüber hinaus verschiedenste weitere Aktivitäten über
nationale Programme gebündelt
und untereinander abgestimmt.
Ein „Focal Point“-Büro der Vereinten Nationen mit Hauptsitz in
New York ist mit der weltweiten
Koordination des Genossenschaftsjahres betraut. Schon
heute ist absehbar, dass die
weltweite Initiative zur Stärkung
des Genossenschaftsgedankens
ihre Ziele erreichen wird.
Weitere Informationen zum Genossenschaftsjahr und zu verschiedenen Aktivitäten: http://social.un.org/coopsyear/
Rondot, Pierre, and Marie-Helene Collion. 2001. Agricultural Producer Organizations: Their Contribution to Rural Capacity Building and Poverty
Reduction-Report of a Workshop, Washington, D.C., June 28-30, 1999. RDV, World Bank, Washington.
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Genossenschaften
Genossenschaften heute: bodenständig, bekannt und beliebt
Univ.-Prof. Dr. Theresia Theurl*
Wer glaubt, Genossenschaften passen nicht mehr in unsere Zeit, der irrt. Sie haben zwar eine lange
Tradition, doch sie sind zeitgemäßer denn je. Und sie sind beliebt und werden geschätzt. Dies zeigt
eine repräsentative Untersuchung, die das Institut für Genossenschaftswesen der Westfälischen
Wilhelms-Universität Münster zusammen mit der GfK Nürnberg anlässlich des Internationalen Jahres
der Genossenschaften durchgeführt hat1.
Bekannt: 83,1 % der deutschen Bevölkerung kennt
den Begriff der Genossenschaften. Viele von ihnen
können Besonderheiten von Genossenschaften angeben, etwa dass sie zum Wohle der Mitglieder handeln
müssen (81 %) oder dass die Mitglieder gleichzeitig
Eigentümer und Nutzer der Leistungen der Genossenschaft sind (64,5 %). Dies ist damit verbunden, dass
Genossenschaften realwirtschaftlich verwurzelt sind.
Dazu passt auch, dass Genossenschaften eher langfristige Strategien verfolgen, was zwei Drittel der Befragten wissen und 75,5 % als sehr gut oder gut einschätzen.
Viele Befragte können Beispiele und Namen von Genossenschaften nennen, ebenso wie Branchen mit einem hohen genossenschaftlichen Organisationsgrad.
So wissen 80,6 % der deutschen Bevölkerung, dass es
in der Landwirtschaft genossenschaftliche Kooperationen gibt. Von genossenschaftlichen Organisationen in
der Wohnungswirtschaft wissen 72,3 % und im Handel
66,5 %. 64,1 % kennen Genossenschaftsbanken und
60 % Genossenschaften im Handwerk.
Bodenständig: Bekannt sind die Tatsachen, dass
Genossenschaften tendenziell mittelständisch orientiert sind (55,8 %) und ihre Aktivitäten eher einen regionalen Bezug haben (57,7 %). Die regionale Ausrichtung wird von 66,5 % und die mittelständische Orientierung von 64,8 % als gut oder sehr gut beurteilt. Der
gute Informationsstand und die hohe Wertschätzung
von Genossenschaften, gerade im ländlichen Raum,
sind nicht überraschend. In den vergangenen Jahren
sind hier zahlreiche neue Genossenschaften gegründet worden, um Infrastruktur und Nahversorgung zu
erhalten, die Kontrolle über wichtige Angelegenheiten
zurückzubekommen und Abhängigkeiten zu verringern
sowie wirtschaftliche Existenzen zu erhalten oder zu
schaffen.
Genossenschaften können die Entscheidung beeinflussen, auf dem Land zu bleiben oder sich neu dort
anzusiedeln. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die
Qualität des ländlichen Raumes als Lebensraum auch
seine Qualität als Wirtschaftsraum beeinflusst und
umgekehrt. Wenn Genossenschaften in der Lage sind,
den ländlichen Wirtschaftsraum zu stärken oder die
Attraktivität des Lebensraumes zu erhöhen, entsteht
eine Spirale, die nicht nur individuelle, sondern auch
gesamtwirtschaftliche und gesellschaftliche Wohlfahrtsgewinne ermöglicht.
Beliebt: Dazu passt, dass die Frage nach den eigenen Erfahrungen mit Genossenschaften durchweg positiv beantwortet wird: 67,4 % beurteilen diese als gut
oder sehr gut, 27,3 % immerhin noch als mittelmäßig.
Nur 5,4 % berichten von schlechten oder sehr schlechten Erfahrungen mit Genossenschaften. Dass man
sich in Genossenschaften zusammentut, um gemeinsam etwas zu erreichen, was allein in dieser Form
nicht möglich ist, halten 80,7 % der Bevölkerung für
sehr gut und gut.
Es stellt sich heraus, dass die positive Einschätzung
von Genossenschaften nicht nur von ihrem wirtschaftlichen Fundament herrührt, sondern auch von einer gewissen Bodenständigkeit, die ihnen von der Bevölkerung zugeschrieben wird. Es wird ihnen mehrheitlich
attestiert, zuverlässig, kundennah, vertrauens- und
glaubwürdig, stabil und zeitgemäß zu sein.
Abbildung: In welchen Branchen gibt es Genossenschaften?
Antworten „Stimmt“ in Prozent, Rest „Stimmt nicht“ oder „weiß
nicht“. Quelle: Theurl/Wendler 2011
* Univ.-Prof. Dr. Theresia Theurl, Geschäftsführende Direktorin des Instituts für Genossenschaftswesen der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster,
theresia.theurl@wiwi.uni-muenster.de
1
vgl. Theresia Theurl und Caroline Wendler (2011): Was weiß Deutschland über Genossenschaften? Aachen.
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36
Genossenschaften
Die genossenschaftliche Idee lebt
Interview mit Manfred Nüssel, Präsident des Deutschen Raiffeisenverbandes (DRV), über die Rolle
von Genossenschaften in der Energiewende, deren Anpassungsfähigkeit sowie den Zwang zur
Professionalisierung in einem marktwirtschaftlichen Umfeld
Herr Nüssel, alle reden von der
Energiewende, Sie auch?
Nüssel: Selbstverständlich. Die
Energiewende ist das zentrale
Thema der nächsten Jahre. Der
Umbau unserer Energieversorgung stellt die Wirtschaft und die
Bürger vor riesige Herausforderungen. Die werden wir bewältigen, aber das erfordert erhebliche Anstrengungen und ein Umdenken in vielen Bereichen.
Was meinen Sie?
Nüssel: Ich denke daran, dass
der Ausbau der erneuerbaren
Energien nicht zum Nulltarif zu
haben ist, und zwar nicht nur in
finanzieller Hinsicht. Es passt beispielsweise nicht zusammen, einerseits Windenergie zu fordern
und Windparks vor der Haustür
abzulehnen. Wir müssen meines
Erachtens auch Entscheidungen
treffen, die dem einen oder anderen wehtun. Dazu gehört, um
beim Beispiel Windenergie zu
bleiben, die Zulassung von Windrädern etwa in Staatswäldern und
Naturschutzgebieten. Dazu zählt
auch, den ohnehin dramatischen
Flächenverbrauch durch Ausgleichsflächen beim unerlässlichen Netzausbau nicht noch weiter anzuheizen. Nach meinem
Eindruck hat es die Politik bislang
versäumt, darauf hinzuweisen,
welche konkreten Auswirkungen
die Energiewende mit sich bringt.
Welche Rolle können Genossenschaften bei der Energiewende
spielen?
Nüssel: Eine zentrale. Die Genossenschaft ist wie keine andere
Rechtsform geeignet, Bürger einzubinden, sie an den wirtschaftlichen Erträgen zu beteiligen und
damit breite Akzeptanz zu schaffen. Und nicht zuletzt – und dies
ist für mich der zentrale Punkt –
schaffen Genossenschaften die
Voraussetzung dafür, dass die
Wertschöpfung bei der Energieerzeugung in der Region verbleibt
und nicht allein den großen
Energiekonzernen zufällt.
Wie stark ist das Interesse an
der Rechtsform der Genossenschaft, wenn es um die Erzeugung von Energie geht?
Nüssel: Nach meinen Erfahrungen ist das Interesse in vielen
Regionen riesig. Dies gilt sowohl
für die Gründung von Bürgergenossenschaften, etwa zum Betreiben von Windparks, als auch für
den Bau und die Bewirtschaftung
von Biogasanlagen durch mehrere Landwirte. Unseren Erhebungen zufolge wurden in den letzten
drei Jahren bundesweit mehr als
300 Energiegenossenschaften
gegründet, mit zuletzt deutlich
steigender Tendenz. Bürgerbeteiligung, regionale Verankerung
und Nachhaltigkeit sind die Schlüsselbegriffe, die für die eingetragene Genossenschaft sprechen und
ihr Vorteile gegenüber anderen
Rechtsformen verschaffen. Hinzu
kommen handfeste Vorzüge wie
eine große Stabilität, geringe
Haftungsrisiken und eine problemlose Kapitalbeschaffung.
Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein für die Gründung
einer Energiegenossenschaft?
Nüssel: Ich sehe im Wesentlichen zwei Bedingungen: Zum
einen brauchen Sie eine Gruppe
von Menschen mit weitgehend
übereinstimmenden Interessen
und Zielen. Dies kann bei drei
Personen – mehr brauchen Sie
nicht zur Gründung einer eG –
ebenso gegeben sein wie bei 30
oder 300. Zum anderen müssen
die Mitglieder die Bereitschaft für
ein längerfristiges Engagement
mitbringen, das über die gesetzlich vorgeschriebenen fünf Jahre
hinausreicht. Wenn es dann noch
eine geeignete Geschäftsführung
gibt, ist die eingetragene Genossenschaft im Energiebereich beinahe ein Selbstläufer. Hinzu kommen Vorteile im steuerlichen Bereich. Weder müssen diese kleinen Genossenschaften Rückstellungen vornehmen noch muss jedes Mitglied am Jahresende eine
eigene Bilanz vorlegen. Das sind
übrigens spürbare Vorteile gegenüber einer Personengesellschaft
und ein Grund dafür, dass Steuerberater zunehmend Interesse an
der Genossenschaft zeigen.
Welche Rolle spielt dabei das
Erneuerbare Energien-Gesetz
(EEG) mit langfristiger Abnahmegarantie und festen Preisen?
| ASG | Ländlicher Raum | 01/2012 |
37
Genossenschaften
Was bedeutet das für die vielen
kleinen Energiegenossenschaften?
Nüssel: Das bedeutet, dass
sich die Strukturen in diesem Bereich in Zukunft ändern werden.
Wir werden nicht umhin kommen,
überregional tätige Genossenschaften zu gründen oder ins Boot
zu holen, die dann den Strom der
Energiegenossenschaften auf
Augenhöhe mit den Großen der
Branche verkaufen können. Auf
diese Weise wird mittelständischen Erzeugern das Überleben
gesichert. Erste Ansätze dazu
gibt es, beispielsweise in der Region Weser-Ems. Ich bin mir sicher, dass sich der genossenschaftliche Sektor auch im Energiebereich als ebenso flexibel
erweisen wird wie in angestammten Geschäftsfeldern.
Diese Strukturen hätten dann
jedoch mit den Bürger- oder landwirtschaftlichen Energiegenossenschaften nicht mehr viel am Hut …
Nüssel: Das Gegenteil ist richtig: Erst diese größeren Einheiten
schaffen die Voraussetzungen
dafür, dass Energiegenossenschaften unter marktwirtschaftlichen Bedingungen arbeiten
könnten. Wir brauchen wettbewerbsfähige Strukturen, die auch
ohne garantierte Einspeisevergütung am Markt erfolgreich agieren
können. Nur die ermöglichen es,
dass Wertschöpfung in der Region verbleibt. Alles andere wäre
naiv und würde den großen Konzernen in die Hände spielen, die
längst auf dem Gebiet der erneuerbaren Energien unterwegs sind.
Ohne ein hohes Maß an Professionalität wird es auch im Energiesektor für die Genossenschaften
in Zukunft nicht gehen. Gerade
für die Landwirtschaft bietet die
Genossenschaft die große Chance, dass sie auf dem Feld der
Energieerzeugung nicht auf die
Funktion des Rohstofflieferanten
reduziert wird.
Was macht Sie so sicher, dass
die von Kritikern mit einer gewissen Trägheit in Verbindung gebrachten Genossenschaften das
hinbekommen?
Nüssel: Schauen Sie sich die
landwirtschaftlichen Warengenossenschaften an. Sie haben den
Systemwechsel von landwirtschaftlichen Marktordnungen mit
garantierten Preisen und festen
Abnahmemengen in die liberalisierten Agrarmärkte geschafft.
Ich räume zwar ein, dass diese
| ASG | Ländlicher Raum | 01/2012 |
Foto: DRV
Nüssel: Natürlich bietet das
EEG Rahmenbedingungen, die
Investitionen erst ermöglichen
oder zumindest erleichtern. Ich
halte das für völlig gerechtfertigt,
um die Energiewende anzuschieben. Es ist hier erforderlich, für
eine gewisse Zeit Ruhe in die
Diskussion zu bringen und nicht
ständig über neuerliche Anpassungen zu philosophieren. Wir
brauchen Planungssicherheit.
Ansonsten werden Betreiber und
Investitionswillige verunsichert.
Klar ist aber auch, dass diese
Rahmenbedingungen nicht dauerhaft Gültigkeit haben können.
Ich rate daher allen Beteiligten,
schon jetzt, über den Tellerrand
dieses Feldversuchs hinaus zu
denken und sich auf marktwirtschaftliche Lösungen einzustellen.
Manfred Nüssel steht seit 1999 an der
Spitze des Deutschen Raiffeisenverbandes, seit 2000 ist er zudem Präsident des
Deutschen Genossenschafts- und Raiffeisenverbandes (DGRV). Der 63-Jährige
stammt aus Bad Berneck in Oberfranken.
Bereits mit 22 Jahren übernahm der
Agraringenieur den elterlichen landwirtschaftlichen Betrieb, den er bis heute
mit den Schwerpunkten Ackerbau und
Schweinemast führt. Der Sohn des früheren bayerischen Landwirtschaftsministers Simon Nüssel bekleidet zahlreiche Ämter im genossenschaftlichen
Bereich. Seit vielen Jahren ist er Aufsichtsratsvorsitzender der BayWa AG.
Erfolgsmeldung nicht für alle zutrifft und wir speziell im Fleischbereich auch schmerzhafte Erfahrungen machen mussten und
Misserfolge erlebt haben. Insgesamt haben sich Genossenschaften im Agrarbereich aber als flexibel und wettbewerbsfähig bewährt.
38
Genossenschaften
Stutzig macht allerdings, dass
die Flaggschiffe im genossenschaftlichen Bereich gar keine
Genossenschaften mehr sind …
Nüssel: Ich gebe Ihnen Recht,
es gibt unterschiedliche Lösungen und nicht nur die eine allein
selig machende. Das ist aber gerade eine der wesentlichen Stärken der Genossenschaft. Es ist
doch völlig in Ordnung und eine
Antwort auf die steigenden Erfordernisse des Marktes, wenn aus
Genossenschaften heraus im
Milch- und Fleischbereich für bestimmte operative Aufgaben
GmbHs gegründet wurden und
werden. Oder denken Sie an die
Internationalisierung des Agrarhandels: Ohne eine Bündelung
der Kräfte, die Bildung größerer
exportorientierter Einheiten oder
die Bildung von Aktiengesellschaften etwa als Vertriebseinrichtung wären die Genossenschaften längst vom Markt verschwunden. Dies belegt eindeutig
die Anpassungsfähigkeit dieser
Rechtsform an geänderte Marktbedingungen. Eins möchte ich
dabei noch betonen: Den Kern
dieser Unternehmungen bilden
immer Genossenschaften.
„Small is beautiful“ gilt nicht für
Genossenschaften? Ebenso wenig wie die Vorstellung eines dritten Weges, der sich den marktwirtschaftlichen Gesetzmäßigkeiten zumindest ein Stück weit entziehen kann?
Nüssel: Wir haben im agrarischen Bereich Genossenschaften
mit 3 Mio. € Jahresumsatz und mit
3 Mrd. € Umsatz. Größe allein ist
keine Erfolgsgarantie. In vielen
Märkten ist Wachstum aber unverzichtbar, um im Wettbewerb mithalten zu können. Das bringt mich
gleich zum zweiten Teil Ihrer Frage: Die Genossenschaft kann
sich weder den Gesetzmäßigkeiten des Marktes entziehen, noch
gelten für sie eigene Regeln. Die
Rechtsform hat aber tausendfach
bewiesen, dass sie unter marktwirtschaftlichen Bedingungen
höchst wettbewerbsfähig ist.
Inwieweit haben Genossenschaften als „Hort der Stabilität“
von den Unsicherheiten im Zusammenhang mit der Finanzkrise profitiert?
Nüssel: Genossenschaftliche
Banken sind ohne Zweifel die
großen Gewinner der letzten
Jahre. Was ihnen früher hin und
wieder den Vorwurf einbrachte,
sie seien hausbacken, wird mittlerweile als Beweis von Solidität
und Verlässlichkeit geschätzt.
Dies hat die Wahrnehmung der
genossenschaftlichen Rechtsform verändert und strahlt zweifellos auch auf andere Bereiche
aus.
Gilt die ursprüngliche Idee der
Hilfe zur Selbsthilfe noch?
Nüssel: Uneingeschränkt ja.
Die genossenschaftliche Idee
lebt. Sie ist zeitlos und unverändert attraktiv. Unmittelbar deutlich wird das im sozialen Bereich, in dem neben der Energieerzeugung zuletzt die meisten Aktivitäten entwickelt wurden. Hier gibt es mittlerweile
eine Vielzahl von Initiativen, die
Dienstleistungen auch unter sich
ändernden Rahmenbedingungen
mit einer rückläufigen und alternden Bevölkerung aufrechterhalten und wirtschaftlich anbieten.
Ich nenne den Aufbau von
Pflegediensten oder auch die
Gründung von Ärztegenossenschaften. Gerade der Pflegebereich bietet gute Beispiele,
wie Menschen mit geringem
Kapitaleinsatz des Einzelnen
sinnvolle gemeinsame Lösungen entwickeln.
Welchen Beitrag können Genossenschaften bei der Bewältigung des demografischen
Wandels leisten?
Nüssel: Nach meiner festen
Überzeugung wird die Bedeutung von Genossenschaften für
die Sicherung der Daseinsvorsorge in ländlichen Regionen
weiter zunehmen. Genossenschaften können künftig noch
stärker als in der Vergangenheit
eine wichtige Rolle bei der Übernahme von sozialen und kommunalen Aufgaben spielen. Zu
Recht ist auch in diesem Bereich
von einer Renaissance der Genossenschaften die Rede, die an
deren Ursprünge als „Kinder der
Not“ anknüpft und ihren Mitgliedern bei der Lösung grundlegender Probleme hilft. Dies gilt für
die kleine Dorfgenossenschaft
zum Betreiben eines Lebensmittelladens ebenso wie für einen
genossenschaftlich organisierten
Pflegedienst. Es gibt Genossenschaftsgründungen in vielen anderen Bereichen, etwa im Tourismus, im Wohnungswesen und
im Bildungsbereich, um nur einige zu nennen.
In den Papieren der Bundesregierung zur Zukunft ländlicher
Räume liest man nichts von den
Chancen, die die Genossenschaft bietet. Ein Versäumnis?
Nüssel: Nein. Es ist nicht die
Aufgabe der Bundesregierung,
eine bestimmte Rechtsform zu
propagieren. Das liegt allein in
der Entscheidung der Akteure
vor Ort. Ich bin mir aber ziemlich
sicher, dass die vielen Positivbeispiele ausstrahlen und Nachahmer finden werden. Erfolg regt
auch hier zum Mitmachen an.
Und das ist gut so. Im Übrigen
wird das Internationale Jahr der
Genossenschaften 2012 das Bewusstsein für die Vorzüge dieser
Rechtsform weiter stärken. Das
strahlt auch auf Entwicklungsländer aus, in denen Genossenschaften bereits heute wesentliche Beiträge zur Überwindung
von Hunger und Armut leisten.
Wir sind gerne bereit, unsere guten Erfahrungen weiterzugeben.
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39
Genossenschaften
Rezension:
Erfolgsmodell Genossenschaften
Möglichkeiten für eine werteorientierte Marktwirtschaft
Berthold Eichwald, Klaus Josef Lutz, Deutscher Genossenschafts-Verlag eG, Wiesbaden, 2011, 428 Seiten, ISBN 978-3-87151145-5, 49,90 €.
Prof. Dr. Berthold Eichwald, Honorarprofessor an der TU München, und Klaus Josef
Lutz, Vorstandsvorsitzender der BayWa AG,
gehen in „Erfolgsmodell Genossenschaften“
auf die Herkunft des Genossenschaftsgedankens sowie die Werte, Prinzipien und die
Entwicklung von Genossenschaften ein und
erläutern deren Einflussnahme auf Wirtschaft, Gesellschaft und Politik. Genossenschaften stellen einen wesentlichen Teil unserer Wirtschaftsstruktur dar, sind aber mit
ihrem Selbstverständnis wenig präsent in
der öffentlichen Wahrnehmung. Seit Beginn
der Wirtschaftskrise werden allerdings vermehrt neue Wege aufgezeigt, die teils
stark genossenschaftlichen Charakter haben. Das Buch gibt einen Überblick über
gegenwärtige Genossenschaftsmodelle,
ihre Aufgaben und Herausforderungen.
Es beleuchtet Stärken und Schwächen
des Sektors und zeigt auf, für welche wirtschaftlichen Fragestellungen Genossenschaften Lösungsansätze bieten. Eine Verbindung zwischen Theorie und Praxis wird
durch eine Vielzahl konkreter Beispiele
und durch Experteninterviews erreicht. Mit
einem Überblick über genossenschaftliche
Modelle weltweit soll ein Einblick in internationale Herausforderungen und Lösungen gegeben und die Wahrnehmung von
Genossenschaften gefördert werden. ka
Genossenschaftsbanken heute
Die Vereinten Nationen schreiben in ihrer Begründung zum Internationalen Jahr der Genossenschaften, dass Wirtschaftlichkeit und soziale Verantwortung in Genossenschaften miteinander
verbunden werden können. Wir haben zwei Vertretern von Genossenschaftsbanken – Dr. Gerd
Wesselmann, WGZ BANK, und Christof Lützel, GLS Bank – Fragen zu ihren Grundsätzen, dem
Einfluss der Genossenschaftsmitglieder und zu ihrem sozialen Engagement gestellt.
Dr. Gerd Wesselmann: Genossenschaftsbanken – engagiert nach vorn!
Raiffeisen als Gründer der Genossenschaften
kümmerte sich unermüdlich um die wirtschaftliche
Existenzsicherung landwirtschaftlicher Betriebe und
Familien in schwierigster Zeit und organisierte deren
soziale Einbindung in die Entwicklung ländlicher
Räume – beides gemäß den zentralen genossenschaftlichen Prinzipien der Selbsthilfe, Selbstverwaltung und Selbstverantwortung. Aktuell engagieren sich im Bankenbereich Deutschlands rund 1 100
Kreditgenossenschaften in etwa 13 000 Bankstellen
mit annähernd 150 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Interesse von gut 16 Mio. Mitgliedern für
mehr als 30 Mio. Kunden. Im Wettbewerb der Agrarbanken repräsentieren die Genossenschaftsbanken
den führenden Marktanteil am „reinen“ Agrarkredit
(an landwirtschaftliche Unternehmen) mit ca. 50 %.
Dessen Anteil am Gesamtkreditgeschäft der Genossenschaftsbanken liegt durchschnittlich bei rund
| ASG | Ländlicher Raum | 01/2012 |
4 %, inklusive des Agribusiness aber im zweistelligen Prozentbereich. Darin kommt auch zum Ausdruck, dass Genossenschaftsbanken zusätzlich sehr
stark im Mittelstand – besonders auch in ländlichen
Regionen – engagiert sind.
Die WGZ BANK ist eine von zwei genossenschaftlichen Zentralbanken in Deutschland. Ihr Geschäftsgebiet liegt in Westfalen und im Rheinland. Dort
verfolgt sie vorrangig drei Ziele. Sie berät, betreut
und fördert ihre Mitgliedsbanken, die regionalen Genossenschaftsbanken, damit diese wiederum ihre
Geschäftsbeziehungen zu ihren Kunden in allen wesentlichen Bereichen (Agrarkredit, Kapitalanlage,
Zahlungsverkehr etc.) optimieren können. Insbesondere tätigt sie mit „ihren“ gut 200 Mitgliedsbanken
direkte Anlage- und Kreditgeschäfte. Und schließlich
betreibt sie – abgestimmt mit den Genossenschaftsbanken vor Ort – eigene Aktiv- und Passivgeschäfte
mit mittelständischen Firmenkunden, vor allem
auch des Agribusiness.
40
Genossenschaften
Foto: WGZ BANK
2. Zielorientiert und strategisch operieren
Dr. Gerd Wesselmann, WGZ BANK AG Westdeutsche Genossenschafts-Zentralbank, Bereich
Mitgliedsbanken – Land-/Agrarwirtschaft,
gerd.wesselmann@wgzbank.de
Im Agrarbereich steht die WGZ BANK Landwirten
in der Regel nicht unmittelbar als Geschäftspartner
zur Verfügung. Der wichtigste Grund hierfür ist relativ einfach: Im Rahmen der Abwicklung ihrer Bankgeschäfte erwarten Landwirte vorab eine möglichst
direkte und qualifizierte Beratung und Betreuung,
besonders auch seitens „ihrer“ regionalen Genossenschaftsbanken. Demgemäß engagiert sich die
WGZ BANK hier nur mittelbar: in der agrarspezifischen Beratung ihrer Mitgliedsbanken und gegebenenfalls deren Agrarkunden, zur Durchführung sog.
Meta- oder Gemeinschaftsgeschäfte sowie besonders bei Investitionsförderungen. Dabei orientieren
sich die WGZ BANK und die jeweilige regionale
Genossenschaftsbank bei ihrer – oft gemeinschaftlichen – Beratung und Betreuung der Landwirte und
ihrer Familien vorrangig an drei Prinzipien:
1. Persönlich und wirtschaftlich
differenzieren
Landwirte und Banker unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Persönlichkeiten und Charaktere, ihre Unternehmen differieren bezüglich der wirtschaftlichen
Verhältnisse und Ergebnisse. Wesentliche Aspekte
hierfür sind die zunehmend bessere Aus- und Weiterbildung der jeweils handelnden Personen und
deren wachsende Bereitschaft zu immer intensiverer und qualifizierterer Zusammenarbeit. Diese sich
verändernden Zusammenhänge und Tendenzen
sind möglichst angemessen und vorurteilsfrei zu
berücksichtigen, zu nutzen und weiterzuentwickeln.
Landwirte und Banker verfolgen unterschiedliche
Ziele und Strategien, und zwar vor allem hinsichtlich
der Führung ihrer spezifischen Unternehmen. Dabei
gilt es zugleich, eine möglichst breite gemeinsame
Informations-, Diskussions- und Operationsbasis zu
finden und auszubauen. Dies gelingt umso besser,
je intensiver beide miteinander kommunizieren und
sich vertrauen. Damit entwickelt sich eine möglichst
offene Kommunikation zu einem der wichtigsten
gemeinsamen Erfolgsfaktoren.
3. Nachhaltig und wertorientiert
positionieren
Landwirte und Banker orientieren sich bei der zukünftigen Entwicklung ihrer Unternehmen immer
nachdrücklicher am Prinzip der Nachhaltigkeit, und
zwar sowohl bei der Erzeugung bzw. Erstellung als
auch beim Absatz bzw. Vertrieb ihrer jeweiligen Produkte und Dienstleistungen. Dabei legen sie besonderen Wert auf eine immer stärker wertorientierte,
oft gar visionäre Führung: möglichst klar und nachvollziehbar, zugleich flexibel, kreativ, innovativ etc.
Diese zukunftsorientierten Geschäftsprinzipien gilt
es aktiv zu gestalten, modern darzustellen und kooperativ weiterzuentwickeln.
Zusammenfassend wird deutlich: Landwirte und
Genossenschaftsbanker verstehen und erweisen
sich in Vergangenheit und Gegenwart als aktive und
erfolgreiche Unternehmer sowie erfahrene und motivierte Persönlichkeiten. Zugleich liegen genügend
gute Anlässe und Gründe vor, diese Partnerschaft
auch zukünftig sowohl unter geschäftlichen Aspekten beider als auch im wirtschaftlichen, sozialen und
gesellschaftlichen Interesse unseres Gemeinwesens
zusammen zu gestalten und zu prägen – eben engagiert nach vorn.
Christof Lützel:
Im Mittelpunkt stehen die Menschen
Nach welchen Grundsätzen arbeitet die GLS Bank?
Lützel: Seit ihrer Gründung vor knapp 40 Jahren
zeichnet sich die GLS Bank durch einen bewussten
Umgang mit Geld aus. Wir betrachten Geld als Instrument zur Gestaltung unserer Gesellschaft und
verstehen Nachhaltigkeit als eine Verbindung sozialer, ökologischer und ökonomischer Ziele. Im Fokus
unserer Arbeit stehen stets die Menschen und ihre
Bedürfnisse. So investieren wir gezielt in die Erhal-
| ASG | Ländlicher Raum | 01/2012 |
41
Genossenschaften
tung und Entwicklung ihrer natürlichen Lebensgrundlage. Ökonomischer Gewinn ist eine wichtige
Folge unseres Handelns, nicht jedoch das primäre
Ziel.
Lützel: Unsere Mitglieder bilden das Fundament
unserer Arbeit: Sie sind die Eigentümer der GLS
Bank. Durch ihre Genossenschaftsanteile werden
sie Teil der GLS Gemeinschaft und ermöglichen die
Kreditvergabe an sozial-ökologische Projekte und
Unternehmen. Jedes Mitglied verfügt über ein Mitsprache- und Auskunftsrecht. Auf unserer jährlichen
Generalversammlung erhalten unsere Mitglieder die
Möglichkeit, gemeinsam mit uns die Weichen für
die zukünftige Ausrichtung der GLS Bank zu stellen.
Dabei erhält jedes Mitglied eine Stimme, unabhängig von der Höhe der Mitgliedschaftsanteile.
Foto: GLS Bank
Welchen Einfluss haben Ihre Mitglieder auf die
Ausrichtung der GLS Bank?
Christof Lützel ist Pressesprecher und Prokurist der
GLS Gemeinschaftsbank eG. Seit 2005 ist er zudem
als Mitarbeitervertreter im Aufsichtsrat der GLS Bank
tätig. www.gls.de
Welche Art von Bankgeschäften betreibt die GLS
Bank? In welchen Bereichen finanziert sie Vorhaben, Projekte und Unternehmen?
Lützel: Die GLS Bank ist die erste sozial-ökologische Universalbank der Welt. Ihr Angebotsspektrum
reicht vom Girokonto und Sparangeboten über Finanzierungen bis hin zu Beteiligungen. Über unsere
Schwestereinrichtung, die GLS Treuhand e.V., bieten wir zudem die Möglichkeit zum Stiften und
Schenken. Wir finanzieren ausschließlich zukunftsweisende und sinnstiftende Projekte und Unternehmen, z. B. regenerative Energien, ökologische
Landwirtschaft oder freie Schulen und Kindergärten.
Unternehmen, die unsere Ausschlusskriterien tangieren, erhalten keine Kredite von der GLS Bank.
Strikt ausgeschlossen werden unter anderem Finanzierungen, die Verbindungen zur Rüstungsindustrie
aufweisen, Atomkraft fördern, Kinderarbeit tolerieren
oder die Menschenrechte verletzen.
Engagiert sich die GLS Bank in der Energiewende?
Lützel: Bereits Ende der 80er Jahre finanzierte
die GLS Bank eine der ersten Windkraftanlagen im
Norden Deutschlands. Viele weitere Projekte folgten. Diese frühen Investitionen tragen inzwischen
greifbare Früchte: Aktuell werden 20 % des deutschen Strombedarfs durch erneuerbare Energien
gedeckt. Vor diesem Hintergrund ist es besonders
traurig, dass die Energiewende erst jetzt entscheidende Unterstützung von der Bundesregierung erhält.
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Auch heute investiert die GLS Bank gezielt in die
weitere Entwicklung regenerativer Energien. Wir bieten
beispielsweise Beteiligungen an Fotovoltaik- oder Windkraftanlagen oder festverzinste Geldanlagen wie den
GLS Energiewende-Sparbrief.
Engagiert sich die GLS Bank in der Armutsbekämpfung
der Länder des Südens oder der Welternährung?
Lützel: Gemeinsam mit der internationalen Genossenschaft Oikocredit engagieren wir uns für eine gerechtere
Welt. Um Menschen in Entwicklungsländern auf ihrem
Weg aus der Armut zu helfen, haben wir ein einzigartiges Angebot entwickelt, das Oikocredit Sparkonto: In
Höhe der über diese Sparkonten angelegten Gelder vergibt die GLS Bank Darlehen an Oikocredit, die wiederum
stellt das Kapital Mikrofinanzorganisationen, Genossenschaften oder Fairhandelsinitiativen in Entwicklungs- und
Schwellenländern zur Verfügung.
Gemeinsam mit der KD-Bank und Union Investment
legte die GLS Bank den FairWorldFonds auf. Er berücksichtigt nachhaltige sowie entwicklungspolitische Anlagekriterien, die „Brot für die Welt“ festlegte. Durch faires
Investment und fairen Handel verhalf der FairWorldFonds schon vielen Menschen in Afrika, Asien und Lateinamerika zu einem Leben in Würde. Ebenfalls ist die
GLS Treuhand e.V. seit über zehn Jahren auf diesem
Gebiet aktiv und unterhält sehr erfolgreich die Zukunftsstiftung Entwicklungshilfe. Sie unterstützt Projekte in
Süd- und Mittelamerika, aber auch in Asien und Afrika.
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Genossenschaften
bolando eG:
Foto: bolando eG
Genossenschaftlich
geführtes
Dorfgasthaus
Sich wandelnde Lebens- und Arbeitsbedingungen sowie eine gestiegene Mobilität haben in ländlichen Räumen Veränderungen der dörflichen Gemeinschaften zur Folge. Dorfgaststätten wird dadurch vielerorts die ökonomische Grundlage entzogen. In Bollschweil, am Rande des Südschwarzwaldes, in einem Dorf mit 2 000 Einwohnern, führte diese Entwicklung zur Gründung einer Genossenschaft zwecks Betriebs eines Dorfgasthauses, in dem auch kulturelle Veranstaltungen ausgerichtet werden.
Die ehemalige Dorfgastronomie
im Ort war aufgegeben worden,
es gab noch ein China-Restaurant, eine Straußenwirtschaft mit
zwei kurzen saisonalen Öffnungszeiten und Vereinsheime im Außenbereich des Ortes. Den Bollschweilern fehlte ein Dorfgasthaus
mit regionaltypischer Speisekarte
als zentral gelegene Begegnungsstätte für alle Einwohner.
Immer häufiger wurde der Wunsch,
das Dorfzentrum neu zu gestalten
und u. a. mit einer Dorfwirtschaft
zu beleben, von der Bevölkerung,
den Vereinen und der lokalen
Agenda-Gruppe an die Gemeinde
herangetragen. So entwickelte
diese 2005 ein Leitbild, das die
Gestaltung der Ortsmitte und die
Schaffung einer Begegnungsstätte vorsah. Hierfür erwarb sie das
ehemalige Ratsschreiberhaus,
das saniert oder abgerissen und
durch einen Neubau ersetzt werden sollte.
Genossenschaftsmitglieder
sanieren altes Haus
2006 wurde auf Initiative einiger
Einwohner Bollschweils die Genossenschaft bolando (Wohnen
in Bollschweil, Leben auf dem
Land, Begegnen im Dorf) gegründet. Hiermit verfolgten die
Anteilszeichner das Ziel, einen
Gastronomiebetrieb durch Sanierung des ehemaligen Ratsschreiberhauses aufzubauen, um die
Lebensqualität im Dorf und in der
Region zu stärken, den Ortskern
mit seiner historischen Bausubstanz zu erhalten und die Grundversorgung der Gemeinde zu
verbessern. Die genossenschaftliche Organisationsform bot die
Möglichkeit, viele Bürger und
Bürgerinnen als Miteigentümer
einzubeziehen.
Das ehemalige Ratsschreiberhaus im Dorfkern von Bollschweil
war in der Vergangenheit als
Wohnhaus und zu landwirtschaftlichen Zwecken genutzt worden,
bevor es von der Gemeinde gekauft wurde. Als mögliche Abrisspläne bekannt wurden, brachte
dies der Genossenschaft neuen
Zulauf. Den Gründungsmitgliedern gelang es durch Informationsveranstaltungen im Dorf und
Kommunikation der Genossenschaftsidee, mehr als 230 Mitglieder zu gewinnen, die Anteile zu
1 000 € zeichneten. Dadurch
konnte ein Großteil der für die
Sanierung benötigten Gelder aufgebracht werden. Für die zusätzliche finanzielle Unterstützung
wurde ein Förderverein gegründet, der aufgrund eines deutlich
geringeren Mitgliedsbeitrags auch
Mitstreitern mit weniger finanziellen Mitteln ermöglichte, das Projekt zu unterstützen. Mit Hilfe der
Mitgliedsbeiträge zeichnete der
Förderverein selber Genossen-
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Genossenschaften
schaftsanteile und brachte als gemeinnütziger Verein Sach- und
Eigenleistungen in das Projekt ein.
2007 wurde durch den Rat der
Gemeinde beschlossen, dass die
Genossenschaft auf Basis eines
Erbrechtsvertrages das ehemalige Ratsschreiberhaus sanieren
und als Gaststätte betreiben darf,
woraufhin mit der Sanierung und
dem Umbau des Gebäudes begonnen wurde. Die Planung der
Restaurierung des zukünftigen
Dorfgasthauses erfolgte mit viel
ehrenamtlichem Engagement der
Genossenschaftsmitglieder, ein
ehrenamtlicher Bauausschuss
koordinierte die Umbauarbeiten,
die zu einem Großteil in Eigenleistung durchgeführt wurden.
Nach Abbrucharbeiten im Inneren
des Hauses wurden umfangreiche Um- und Ausbaumaßnahmen
durchgeführt. Neben den Genossenschaftsanteilen erfolgte die
Finanzierung durch Städtebaufördermittel aus dem Landessanierungsprogramm, über Sponsorengelder und durch einen Kredit.
Das Gasthaus wurde Anfang
2010 eröffnet. Neben einer Betriebsleiterin werden ein Koch
und mehrere Servicekräfte beschäftigt. Im Konzept des Gasthauses ist eine regionale und saisonale Küche verankert, sodass
das Dorfgasthaus durch seine
Lieferbeziehungen die Wirtschaft
in der Region stärkt. Neben einem Treffpunkt für die Dorfbewohner bietet es auch einen Anlaufpunkt für Wanderer und Touristen. Der Förderverein unterstützt die Genossenschaft durch
die Organisation eines Kultur-
programms, welches das Dorf
neben dem Gasthausbetrieb auch
kulturell stärken soll.
Mit dem Dorfgasthaus wurden
mehrere Voll- und Teilzeitarbeitsplätze geschaffen und der Ort
wird nachhaltig belebt. Das gastronomische und kulturelle Konzept trägt zu einer aktiven und
attraktiven Ortsmitte bei. Durch
den Genossenschaftsgedanken
ermöglicht die bolando eG einen
erfolgreichen Betrieb des Gasthauses, der für privatwirtschaftliche Betreiber nicht möglich
wäre. ka
Link zur Genossenschaft:
genossenschaft.bolando.de
und zum Dorfgasthaus:
www.bolando.de
fairPla.net eG:
Genossenschaft für Klimagerechtigkeit
Die fairPla.net eG mit Sitz in Münster ist eine internationale Genossenschaft für Klima, Energie und
Entwicklung. Als Herzstück ihrer Arbeit bezeichnet sie Klimagerechtigkeit, die sie dadurch erreicht,
dass sie parallel in reichen Industrienationen und in armen Ländern des Südens in nachhaltige
Energieprojekte investiert. Dabei werden drei Ziele verfolgt: gemeinsamer globaler Klimaschutz,
Förderung von Wirtschaft und Beschäftigung durch umweltfreundliche Energieerzeugung in Industrieländern und Armutsbekämpfung durch nachhaltige Entwicklung in Ländern des Südens.
2006 wurde fairPla.net eG von 31 Personen gegründet, die sich schon länger mit erneuerbaren Energien,
Umweltschutz und Klimawandel beschäftigten. Innerhalb eines Jahres schlossen sich im Rahmen einer
MitbegründerInnen-Kampagne weitere 500 Mitglieder
und Initiativen an, inzwischen hat fairPla.net mehr als
790 Mitglieder aus elf Ländern. Menschen und Organisationen in allen Teilen der Erde können durch
Zeichnen von Genossenschaftsanteilen in Höhe von
250 € Mitglied werden. Die Unternehmensform der
Genossenschaft passt zur Unternehmensphilosophie:
Jedes Mitglied hat die gleichen Rechte, unabhängig
von der Anzahl der gezeichneten Anteile, und als
Gemeinschaftsunternehmen verdeutlicht die Genossenschaft den Ansatz der gemeinschaftlichen Verantwortung für das Klima.
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Weltweit werden von fairPla.net Projekte zur
Energieeffizienz und zur Erzeugung erneuerbarer
Energien finanziert, gebaut und betrieben. Der
duale Ansatz ist mit einem Investitionsvolumen
von maximal 75 % der Genossenschaftsanteile in
Industrieländern und mindestens 15 % in den Ländern des Südens in der Investitionsstrategie festgeschrieben, 10 % werden als Rücklage (Liquiditätsreserve) angelegt. Die Umsetzung von Fotovoltaik- und Energieeffizienzprojekten in Deutschland erfolgt durch die aktive Suche des Vorstands
und durch Vorschläge von Genossenschaftsmitgliedern. Zu den bereits finanzierten Projekten
gehören u. a. Fotovoltaikanlagen auf Dächern
des Studentenwerks und der Fachhochschule in
Münster.
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Genossenschaften
1-2-3-Klimaformel
Mit ihrer 1-2-3-Klimaformel will die Genossenschaft zeigen, wie Klimagerechtigkeit funktionieren kann: Wenn alle Menschen, Unternehmen und Nationen 1 % ihres Anteils am
Bruttoinlandsprodukt (so auch die Forderung
der Klimawissenschaft) in Klimaschutz-Projekte investieren und dies in 2 Regionen der
Erde tun, entsteht ein 3-facher Nutzen durch
Klimaschutz, Arbeitsplätze und gerechte Entwicklung.
1 %-Idee
Foto: FH Münster
Genossenschaftsmitglieder, die freiwillig
einen kontinuierlichen Beitrag zur Verringerung des Klimawandels leisten möchten,
investieren jährlich 1 % ihres Nettolohns in
fairPla.net-Klimaschutzprojekte. So leistet
jeder entsprechend seiner finanziellen Situation einen persönlichen Beitrag zur Verringerung des Klimawandels.
Einweihung der Fotovoltaikanlage an der Fachhochschule Münster
Beispielsweise engagiert sich fairPla.net
auf den Philippinen zusammen mit weiteren Organisationen für ein Solarprojekt,
welches Familien über Mikrokredite Zugang
zu solarstrombetriebenen Lampen ermöglicht. In Indien sind in Zusammenarbeit mit
der Organisation DESI Power zwei Biomassekraftwerke entstanden, die auf Basis landwirtschaftlicher Abfälle und anderer Biomasse
die Stromversorgung lokaler Kleinbetriebe
sichern.
Energie für Schwellen- und
Entwicklungsländer
Für Projekte aus Schwellen- und Entwicklungsländern setzt fairPla.net auf anerkannte
Kooperationspartner in den Ländern des Südens. Einige Projekte werden außerdem
aufgrund einer Registrierung bei der UNO
von unabhängigen Prüfern kontrolliert.
Foto: Solar Foundation Philippines
Projekt „Kirche schützt Klima –
Solidarisch. Vor Ort. Weltweit“
Seit Herbst 2011 wird in einem Projekt mit
dem evangelischen Kirchenkreis Münster ein
Energieeffizienz-Check von Gebäuden mit
Klimaschutzbildung in den beteiligten Gemeinden und einer Beteiligungs-Kampagne nach
dem fairPla.net-Konzept verbunden. Gemeindemitglieder können parallel in energetische
Sanierungen in ihren Gemeinden investieren
sowie in ein Klimaschutzprojekt im Süden, voraussichtlich im philippinischen Partnerkirchenkreis. ka
Philippinen: Verteilung von Solarlampen im Dorf
Weitere Informationen und Kontakt zu
fairPla.net eG über http://fairpla.net/
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Genossenschaften
(Bio)EnergieDörfer eG:
Gemeinsam zu regionaler Energieerzeugung
Am 21. Februar 2012 fand in Güstrow die Gründungsversammlung der Genossenschaft „(Bio)Energie-Dörfer eG“ mit Sitz in Bollewick statt. Zu den Gründungsmitgliedern zählen Bürgermeister und
Netzwerkpartner aus 19 Gemeinden Mecklenburg-Vorpommerns.
Die Service- und Dienstleistungsgenossenschaft für (Bio)Energiedörfer im Norden Deutschlands
hat sich zum Ziel gesetzt, die Unterstützung für den Aufbau, die
Weiterentwicklung und den laufenden Betrieb der (Bio)Energiedörfer in Mecklenburg-Vorpommern und darüber hinaus anzubieten. Dadurch kann einzelnen
Gemeinden der Weg zum (Bio)Energiedorf erleichtert werden.
Durch die Gründung der Genossenschaft werden Klimaschutz,
regionale Wertschöpfung und
Teilhabe der lokalen Bevölkerung
miteinander verbunden. Der lokale Ausbau erneuerbarer Energien
soll in den ländlichen Gebieten
Handlungsspielräume in der Frage der Energieversorgung für die
Kommunen und regionale Akteure schaffen.
Seit Initiierung des „Kooperationsnetzwerkes (Bio)Energiedörfer Mecklenburg-Vorpommern“
Anfang 2009 haben bereits über
70 Gemeinden per Ratsbeschluss
eine Entwicklung zum (Bio)Energiedorf in die Wege geleitet.
Durch den Anschluss von weiteren Behörden, Organisationen,
Unternehmen, Instituten und Experten wird der Umweltschutz in
der Region weiter gestärkt. Das
ehrgeizige Ziel des Netzwerkes ist es,
innerhalb der nächsten zehn Jahre bis
zu 500 (Bio)Energiedörfer zu errichten. 2011 wurde das Kooperationsnetzwerk (Bio)Energiedörfer Mecklenburg-Vorpommern im Rahmen des
Wettbewerbs Kommunaler Klimaschutz mit dem Preis für „Innovative
und vorbildliche Strategien zur Umsetzung des kommunalen Klimaschutzes“ ausgezeichnet. ka
Weitere Informationen unter
www.nachhaltigkeitsforum.de
Nächste Veranstaltung:
(Bio)EnergieDörfer eG:
Energiewende mit Akzeptanz
13./14.04.2012
Foto: B. Meyer
Schweriner Schloss & Gemeinde Grambow
Fotovoltaikanlage mit 100 kW-Peak im (Bio)Energiedorf Bollewick
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Genossenschaften
Energiegenossenschaft Odenwald eG:
Energiegewinnung, -einsparung und -effizienz
Die Energiegenossenschaft Odenwald eG (EGO) wurde im Februar 2009 auf Bestreben von Bürgern,
die sich einen Ausbau der erneuerbaren Energien in der Region wünschten, gegründet. Sie ist eine
Initiative von Städten, Gemeinden und Unternehmen aus der Region Odenwald. Zweck ist neben
dem Ausbau der Energiegewinnung durch erneuerbare Energien auch die Steigerung der Energieeffizienz und die Energieeinsparung.
Die mittlerweile 60 am Netz angeschlossenen Anlagen verfügen über
eine installierte Leistung von 5,34 Megawatt. Durch die jährliche Energiegewinnung von über 5 Mio. kWh können 2 800 t CO2 pro Jahr eingespart werden. Unter dem Motto „Odenwälder investieren in den
Odenwald“ sind neben Städten und Gemeinden mehr als 850 Privatpersonen an der Genossenschaft beteiligt. Durch Einlagen ab 100 €
haben auch Personen mit geringem Einkommen und Ersparnissen die
Möglichkeit beizutreten. Die Genossenschaft verfolgt das Ziel, die
Wünsche ihrer Mitglieder bzgl. erneuerbarer Energien, die einzelne
sich nicht leisten können, gemeinsam zu verfolgen.
Foto: Energiegenossenschaft Odenwald eG
Bei den Investitionen in Fotovoltaik, Wasser- und Windenergie wird
auf eine Einbeziehung aller Bürger in den Planungsprozess Wert gelegt, um die Akzeptanz in der Bevölkerung für Projekte zur Energiewende zu steigern. Besonders die Investition in ein Wasserkraftwerk
schließt eine Lücke in der lokalen Energieversorgung: tagsüber erzeugte Solarenergie kann gespeichert und zu Verbrauchszeiten freigesetzt werden. Bei der Umsetzung der Projekte erfolgt die Zusammenarbeit ausschließlich mit Unternehmen aus der Region, womit die Genossenschaft zu einer Stärkung der lokalen Wirtschaft beiträgt und die
Wertschöpfung in der Region bleibt. Durch Kooperation mit Schulen
und Beratung von Unternehmen wird eine breite Öffentlichkeit für
Energieeffizienz und Energieeinsparung sensibilisiert. ka
Montage der ersten reinen Bürger-Windkraftanlage
der EGO mit einer Nennleistung von zwei MW
Weitere Informationen:
www.energiegenossenschaft-odenwald.de
Veranstaltungen zum Internationalen Jahr der Genossenschaften
Internationale Konferenz
„Die Raiffeisenidee – ein Zukunftsmodell“
am 3. und 4. Mai 2012 in Bonn
Tagung „Wertschöpfung mit Bürgerbeteiligung –
Genossenschaften als Ökonomiemodell der Zukunft?“
vom 11. Mai bis 13. Mai 2012 in Bad Herrenalb
Die Internationale Raiffeisen-Union (IRU) veranstaltet die Konferenz mit prominenten Rednern aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft
für IRU-Mitgliedsorganisationen, Politiker und
internationale Organisationen. Nähere Informationen zu Programm und Anmeldung unter
iru@raiffeisen.de.
Weltweit werden die ökonomischen Schwächen und die oft soziale und
regionale Blindheit zentral gesteuerter globaler Unternehmen sichtbar. Genossenschaften dagegen leisten in vielen Ländern einen wichtigen Beitrag
für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung und stabilisieren regionale
Wirtschaftskreisläufe. Können Genossenschaften ein Modell für eine
nachhaltige, menschenfreundliche und zukunftsfähige Ökonomie sein?
Veranstalter: Evangelische Akademie Baden. Weitere Informationen
unter www.ev-akademie-baden.de
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Genossenschaften
Seminar „UNO-Jahr der Genossenschaften – Lernen von Friedrich
Wilhelm Raiffeisen und Hermann Schulze-Delitzsch“ vom 11. Mai
bis 13. Mai 2012 in Königswinter
Gerade unter den Bedingungen des ökonomischen Wettbewerbs und
der Profitgier im Zeitalter der Globalisierung kann ein Satz von Friedrich
Wilhelm Raiffeisen auch heute noch eine grundlegende sozialethische
Orientierung vermitteln: „Was dem Einzelnen nicht möglich ist, das vermögen viele.“ Die Stiftung Christlich-Soziale Politik e.V. will Raiffeisens
Ideen auf den Grund gehen und fragen, was uns diese heute noch nutzen
können. Informationen unter www.azk-csp.de.
2. Genossenschaftstag in Rheinland und
Westfalen am 1. September 2012 in Bonn
Auf dem Rathausplatz in Bonn findet mit dem
Genossenschaftstag des RWGVs der Höhepunkt
des Internationalen Jahrs der Genossenschaften
in Rheinland und Westfalen statt. Informationen
für Standbetreiber: Presseabteilung des RWGVs,
Tel. (0251) 7186-1021, presse@rwgv.de
Genossenschaftstag
am 7. Juli 2012 in Rottweil
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Präsentation der Vielfalt von
Genossenschaften durch den
Baden-Württembergischen
Genossenschaftsverband e.V.
(BWGV). Weitere Informationen unter http://www.bwgvinfo.de/
XVII. Internationale Genossenschaftswissenschaftliche
Tagung (IGT) „Genossenschaften im Fokus einer neuen
Wirtschaftspolitik“ vom 18. bis 20. September 2012 in Wien
Als Resultat der Finanzkrise zeichnen sich in Europa und weltweit neue wirtschaftspolitische und rechtliche Rahmenbedingungen ab, die Rolle des Staates wandelt sich. Vor diesem
Hintergrund bedarf es auch für die Genossenschaften einer
Standortbestimmung. Informationen und Anmeldung auf
igt.2012.univie.ac.at
Am 7. Juli 2012 ist der Internationale Tag der Genossenschaften (International Cooperative Day). Dieser wird seit 1923
durch die International Co-operative Alliance gefeiert und findet alljährlich am ersten Samstag im Juli statt. Er soll das Bewusstsein für Genossenschaften schärfen und internationale Solidarität, ökonomische Effizienz, Gleichheit und Weltfrieden
als Erfolge und Ideale der Genossenschaftsbewegung feiern und fördern.
Weitere Veranstaltungen zum Genossenschaftsjahr sind unter
www.genossenschaften.de/veranstaltungen zu finden.
Termin
6. Bundestreffen der Regionalbewegung
vom 15. bis 16. Juni 2012 in Jülich-Barmen
Schwerpunkte der Veranstaltung, zu der der Bundesverband der Regionalbewegung e.V. und das Aktionsbündnis
Tag der Regionen in Kooperation mit der DORV-Zentrum GmbH einlädt, werden Mogelpackungen im Lebensmitteleinzelhandel und die Entwicklung eines bundesweiten Regionalsiegels sein. Aber auch die Vernetzung von Dorfläden,
eine Exkursion zum DORV-Zentrum in Barmen, die Gestaltung der Energiewende mithilfe bürgerschaftlicher Beteiligungsmodelle und weitere Themen stehen im Mittelpunkt des Treffens. Kontakt: Bundesverband der Regionalbewegung e.V. (Zweigstelle), Kathrin Hunstig-Bockholt, Tel. (05643) 949271, hunstig-bockholt@regionalbewegung.de,
www.regionalbewegung.de
Personalie
Dr. Monika Michael neue Geschäftsführerin des dlv
Dr. Monika Michael hat zum 1. März 2012 die Hauptgeschäftsführung des Deutschen LandFrauenverbandes e.V.
(dlv) in Berlin übernommen und tritt damit die Nachfolge von Ingrid Apel an. Sie ist seit fast 14 Jahren in verschiedenen Positionen beim dlv tätig. Die ASG gratuliert der studierten Betriebswirtschaftlerin zu ihrer neuen Position,
wünscht ihr viel Erfolg bei ihren Aufgaben und freut sich auf eine gute Zusammenarbeit.
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Für Sie gelesen
Landwirtschaft. Ein Thema der Kirche
Clemens Dirscherl, Kirchliches Jahrbuch für
die Evangelische Kirche in Deutschland,
Band 2, 2011, Gütersloher Verlagshaus, 152
S., ISBN 978-3-579-01639-9, 19,99 €.
Die Wahrnehmung der Landwirtschaft in
der Öffentlichkeit pendelt zwischen zwei
Extremen, auch das Verhältnis der Kirche
zur Landwirtschaft ist einerseits durch Sympathie zu den traditionell kirchennahen
Menschen, andererseits durch eine kritische
Sicht auf die landwirtschaftliche Produktion
geprägt. Dr. Clemens Dirscherl, Beauftragter für agrarsoziale Fragen des Rates der
Evangelischen Kirche in Deutschland und
Geschäftsführer des Evangelischen Bauernwerks in Württemberg, beschäftigt sich mit
der Positionierung der Kirche zur Landwirtschaft aus christlich-ethischer Sicht. Dabei
widmet er sich auch der Situation und den
Problemen der in der Landwirtschaft arbeitenden Menschen. Darüber hinaus thematisiert er aktuelle Diskussionen wie die energetische Nutzung von Biomasse sowie Fragen der Ernährungssouveränität und des
Tierschutzes und geht auf künftige Aufgaben
der Kirche in der Landwirtschaft und im ländlichen Raum ein. ka
Der kritische Agrarbericht 2012
Schwerpunkt: Zusammen arbeiten – für eine andere Landwirtschaft
Agrarbündnis e.V. (Hrsg.). AbL Verlag,
Hamm, 304 S., ISBN 978-3-930 413-52-2,
22,00 €.
Mit der Ausgabe 2012 feiert der kritische
Agrarbericht sein 20. Jubiläum. Seit 1993
dokumentiert er die aktuellen Agrardebatten und liefert kontinuierlich Informationen
für eine kritische Diskussion. Jedes der elf
Kapitel beginnt mit einem Rückblick auf die
Diskussionen des letzten Jahres, in weiteren Artikeln zeigen die Autorinnen und Autoren zahlreiche neue Perspektiven agrarund ernährungspolitischer Problemstellungen auf. 2012 stehen neben den Vorschlä-
gen zur Reform der gemeinsamen Agrarpolitik Kooperationen mit und in der Landwirtschaft im Fokus. Unter dem diesjährigen Schwerpunkt „Zusammen arbeiten –
für eine andere Landwirtschaft“ zeigt der
kritische Agrarbericht wegweisende
Kooperationsformen innerhalb der Landwirtschaft sowie zwischen Landwirtschaft,
Verarbeitung, Handel, Banken, Naturschutz und Verbrauchern. Er verdeutlicht,
dass die soziale Frage im Streben nach
nachhaltiger Entwicklung eine Schlüsselfrage darstellt und „zusammen arbeiten“
das Motto für Debatten in den nächsten
Monaten sein wird. ka
Die Könnensgesellschaft
Mit guter Arbeit aus der Krise
Christine Ax, Rhombos-Verlag, Berlin,
2009, 276 S., ISBN 978-3-938807-96-5,
29,80 €.
Mit ihrem Buch stellt die Autorin der Euphorie der Wissensgesellschaft die Idee
einer Gesellschaft der Fähigkeiten und
Befähigungen entgegen, die auf Arbeit unter den Bedingungen der Freiheit, auf praktischem Wissen und Erfahrung beruht.
Dabei kritisiert sie das auf Wissen fixierte
Bildungssystem und eine industrielle, sinnentleerte Produktionsweise.
In „Die Könnensgesellschaft“ sucht Christine Ax nach Lösungen für Probleme der
Arbeitsgesellschaft. Im ersten Teil des Buches beschäftigt sie sich mit der Bedeutung
der Arbeit für den Menschen und damit, welchen Wert Arbeit hat und haben könnte. Im
zweiten Teil analysiert sie Ursachen der sozialen und ökologischen Krise in unserer
Gesellschaft und geht darauf ein, unter welchen Bedingungen „gute Arbeit“ möglich ist
und die Zukunft sichern kann. Den Ausweg
beschreibt Ax durch eine „Ökonomie der
Nähe“, „ganzheitliche Arbeit“ und eine
„nachhaltige Wirtschaft von unten“. Um
die Arbeitsgesellschaft in eine soziale und
ökologische Balance zu bringen, sieht sie
grundlegende Veränderungen der Rahmenbedingungen als notwendig an. ka
| ASG | Ländlicher Raum | 01/2012 |
Zu den bearbeiteten Themenfeldern gehören Agrar-, Sozial- und Umweltpolitik, Dorf- und Regionalentwicklung, Nachhaltigkeit
und Ökologie, Strukturwandel in Landwirtschaft und ländlichen Räumen sowie Mensch, Gesellschaft und Umwelt.
In ihrer Arbeit verknüpft die ASG wissenschaftliche Forschung, Gutachtertätigkeit, Bildung, Politik und Öffentlichkeitsarbeit.
Die Agrarsoziale Gesellschaft e.V. (ASG) ist ein gemeinnütziger Verein, der sich für die Verbesserung der
Lebensverhältnisse in der Landwirtschaft und in den ländlichen Räumen einsetzt.
IMPRESSUM
ISSN 0179-7603
Herausgeber
Agrarsoziale Gesellschaft e.V. (ASG)
Postfach 1144
37001 Göttingen
Tel. (0551) 4 97 09-0
Fax (0551) 4 97 09-16
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Nachdruck und sonstige Verbreitung
(auch auszugsweise) nur mit Genehmigung
der Agrarsozialen Gesellschaft e.V.
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erscheint viermal im Jahr (jeweils zum Ende eines Quartals).
Bei der dritten Ausgabe handelt es sich um ein themenorientiertes
Schwerpunktheft mit doppeltem Umfang.
Die Online-Ausgaben sind jeweils zehn Monate nach Drucklegung
auf der ASG-Website als pdf-Datei verfügbar.
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