Balanceorientierte Arbeitszeitgestaltung als sozialer Arbeitsschutz
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Balanceorientierte Arbeitszeitgestaltung als sozialer Arbeitsschutz
Expertise Balanceorientierte Arbeitszeitgestaltung als sozialer Arbeitsschutz im Einzelhandel Erarbeitet im Rahmen des Projektes »Wertschätzung von Dienstleistungs(fach)arbeit für die Qualität der Dienstleistungen in der Metropolregion Berlin« BALANCEORIENTIERTE ARBEITSZEITGESTALTUNG ALS SOZIALER ARBEITSSCHUTZ IM EINZELHANDEL Erarbeitet im Rahmen des Projektes „Wertschätzung von Dienstleistungs(fach)arbeit für die Qualität der Dienstleistungen in der Metropolregion Berlin“ Stand: Dezember 2014 Das Projekt wird gefördert durch die Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen des Landes Berlin. In Kooperation: Erarbeitet von: Wert.Arbeit GmbH, Berlin Gesellschaft für Arbeit, Chancengleichheit und Innovation Albrechtstraße 11a 10117 Berlin www.dienstleistungsmetropole-berlin.de Inhaltsverzeichnis Zusammenfassung ..............................................................................................................1 1 Einleitung ....................................................................................................................3 2 Der Berliner Einzelhandel – ein Branchenprofil .......................................................5 2.1 2.2 2.3 2.4 3 Der Einzelhandel – eine Klassifikation.................................................................5 Der Einzelhandel – eine Übersicht über Segmente .............................................7 Der Einzelhandel in Berlin – ökonomische Bedingungen und strukturelle Merkmale ..........................................................................................................17 Zusammenfassung ............................................................................................22 Die Beschäftigungssituation im Berliner Einzelhandel..........................................24 3.1 3.2 3.3 3.4 3.5 Die Arbeitsverhältnisse im Berliner Einzelhandel...............................................24 3.1.1 Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte in Voll- und Teilzeit ........................... 24 3.1.2 Atypisch Beschäftigte .......................................................................................... 26 Altersstruktur der Beschäftigten im Berliner Einzelhandel .................................28 3.2.1 Alterskohorten im Berliner Einzelhandel ............................................................. 28 3.2.2 Altersstruktur und Betriebsgröße ........................................................................ 31 Ausbildungssituation im Berliner Einzelhandel ..................................................32 3.3.1 Ausbildungsverhältnisse in den Kernberufen des Einzelhandels ....................... 32 3.3.2 Ausbildungsbeteiligung in Berliner Betrieben nach Betriebsgröße ..................... 34 Qualifikation und Weiterbildung im Berliner Einzelhandel ..................................35 3.4.1 Qualifikationsniveaus der Beschäftigten ............................................................. 35 3.4.2 Weiterbildung/ Lebenslanges Lernen im Berliner Einzelhandel ......................... 37 Die Einkommenssituation im Berliner Einzelhandel ...........................................39 3.5.1 3.6 4 4.2 Spannungsfeld zwischen Arbeitszeit und zeitlichen Präferenzen der Kundinnen und Kunden im Einzelhandel ...........................................................44 Einschätzung und Sichtweise der Beschäftigten zu Arbeitszeitanforderungen im Einzelhandel ........................................................46 Stellenwert einer balanceorientierten Arbeitszeitgestaltung im Berliner Einzelhandel .............................................................................................................48 5.1 5.2 5.3 6 Arbeitsbedingungen im Berliner Einzelhandel ...................................................40 Arbeitszeit im Wandel ..............................................................................................44 4.1 5 Tariflicher Bruttodurchschnittsverdienst und Tätigkeit im Einzelhandel ............. 40 Balanceorientierte Arbeitszeitgestaltung – was bedeutet das? ..........................48 Balanceorientierte Arbeitszeitgestaltung als „sozialer Arbeitsschutz“ ................50 Handlungsempfehlungen ..................................................................................52 Literatur .....................................................................................................................56 Expertise »Balanceorientierte Arbeitszeitgestaltung als sozialer Arbeitsschutz im Einzelhandel« Zusammenfassung Der Einzelhandel in Berlin ist mit rund 9.300 Einzelhandelsbetrieben zweitstärkste Branche in der Bundeshauptstadt. Die über 100.000 Beschäftigten leisten mit ihrer Arbeit einen bedeutenden Beitrag für die Attraktivität Berlins als Dienstleistungsmetropole und „Tourismusmagnet“. Ein Großteil von ihnen arbeitet in prekären Arbeitsverhältnissen wie Teilzeit und geringfügiger Beschäftigung und unter erheblichen Arbeitsbelastungen. Grund hierfür ist der Strukturwandel im Einzelhandel, der sich u. a. durch Verdrängungswettbewerb, Preisdruck und stagnierende Umsätze kennzeichnet und sich letztlich auch in den Lohnund Arbeitsbedingungen manifestiert. Googelt man die Nachrichten zum Einzelhandel in 2014, spiegelt sich dieser Wandel auch in den Schlagzeilen wieder. Jüngst in Diskussion ist der Kampf für bessere Arbeits- und Lohnbedingungen bei dem Textildiscounter KiK, der Billigpreise zulasten existenzsichernder Arbeitsverhältnisse ermöglicht. Für vergleichbare Nachrichten in Berlin sorgte in der zweiten Jahreshälfte 2014 die Modekette Primark, die high Fashion zulasten der Arbeitsbedingungen in Produktion und Verkauf zu Tiefstpreisen anbietet. Die vorliegende Expertise betrachtet den Berliner Einzelhandel näher und beschreibt die Entwicklungen und Herausforderungen der Beschäftigungssituation. Dem Wandel von Arbeitszeiten und den Folgen insbesondere für die Arbeitszeitgestaltung wird in diesem Kontext besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Dabei zeigt sich, dass vor allem die Kluft zwischen den an den zeitlichen Präferenzen der Kundinnen und Kunden orientierten verlängerten Ladenöffnungszeiten und den Arbeitszeiten der Beschäftigten eine Herausforderung darstellen. Die Arbeitszeitbedingungen im Einzelhandel weichen zunehmend von der „Normal- oder Standardarbeitszeit“ ab, hin zu atypischen und sozial ungünstigen Arbeitszeiten (z. B. Wochenend- und Nachtarbeit). Für die Beschäftigten ergeben sich durch die erhöhten Anforderungen an das Matching von Beruf und Privatleben erhebliche Belastungen. Die mit Wettbewerb- und Preisdruck begründete Orientierung an den Nachfragezeiten bedingt zudem einen zunehmenden Flexibilisierungsprozess im Einzelhandel, der die Expansion atypischer Beschäftigungsverhältnisse fördert. Vollzeitstellen werden zugunsten prekärer und geringfügiger Beschäftigung abgebaut. Bei dieser reaktiven Anpassungsstrategie von Unternehmen wird den Anforderungen an Flexibilisierung mit der Erhöhung des quantitativen zulasten des qualitativen Beschäftigungsvolumens begegnet. Die Zunahme atypischer Beschäftigungsverhältnisse hat dabei wesentliche Folgen für die sozialen Sicherungssysteme und ist mit sozialen Risiken sowie hohen finanziellen und psychischen Belastungen für die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen verbunden. In der Möglichkeit des jederzeitigen „Abrufs“ sowie in dem unregelmäßigen und nicht planbaren Arbeitseinsatz finden sich weitere Stressfaktoren. Die durch knapp kalkulierte Personalressourcen oft verursachte Arbeitshetze in der Ausübung häufig monotoner Tätigkeiten und mangelnde Wertschätzung ergänzen das Bild von der Beschäftigungssituation im Einzelhandel. Das hohe Belastungsempfinden ist ursächlich für erhebliche negative Folgen sowohl für die Effizienz der Arbeit und die Dienstleistungsqualität als auch für die Lebensqualität und Gesundheit. Diese Entwicklung im Einzelhandel korrespondiert dabei mit der generellen Entwicklung der Erwerbsarbeit. Gemäß einer Aufstellung des Bundesarbeitsministeriums er- 1 Expertise »Balanceorientierte Arbeitszeitgestaltung als sozialer Arbeitsschutz im Einzelhandel« höhten sich zwischen 1997 und 2010 die Krankheitstage Beschäftigter, die auf psychische Störungen zurückgingen, um 80,0 Prozent. Vor diesem Hintergrund gilt es, veränderte betriebliche Strategien zur Abwendung von Gesundheitsschädigungen durch menschengerechte Gestaltung von Arbeitszeit, Arbeitsorganisation und Arbeitsinhalt im Sinne des sozialen Arbeitsschutzes zu fordern. Einen besonderen Stellenwert nehmen dabei Maßnahmen ein, die ein Gleichgewicht zwischen Leistungsfähigkeit und einer an den Lebensphasen orientierten Arbeitszeitgestaltung herstellen sowie das positive menschliche Miteinander im Arbeitsalltag berücksichtigen und fördern. Betriebliche Akteurinnen und Akteure sind dafür zu gewinnen, diese Maßnahmen auf Unternehmensebene zu implementieren. Um für diese Thematik zu sensibilisieren, aber auch um Hilfestellungen bei der Einleitung sowie praxisnahen und realisierbaren Umsetzung zu geben, bedarf es insbesondere dem Handeln der überbetrieblichen Akteurinnen und Akteure. 2 Expertise »Balanceorientierte Arbeitszeitgestaltung als sozialer Arbeitsschutz im Einzelhandel« 1 Einleitung Schenkt man den zahlreichen Fahrgästen der S- und U-Bahn, die einem tagtäglich begegnen, etwas Aufmerksamkeit, fällt einem Folgendes auf: Verhärtete, sorgenvolle Gesichtsausdrücke, ein schneller Gang, das Mobiltelefon am Ohr, Arbeitsunterlagen in der Hand, gesenkte Blicke. Ein Standbild zeigt die Koexistenz sich gegenseitig anonymer, erschöpfter und gestresster Subjekte. Ein Blick hinter das Bild verrät Geschichten über Probleme des heutigen Arbeitsablaufes, der nicht abgearbeiteten To-do-Liste, der Schwierigkeit, am Abend noch den Freunden oder der Familie gerecht zu werden, dem Bedürfnis einfach mal Feierabend, bzw. Zeit für sich zu haben und so weiter. Das individuelle Gefühl, allen und sich selbst unter optimaler Nutzung der vorhandenen Zeitressourcen gerecht werden zu müssen, ist längst gesellschaftliche Realität geworden und bestimmt das Tempo unseres Lebens in privater und beruflicher Hinsicht. Wie sich diese gesellschaftliche Realität auf den Einzelhandel in Berlin auswirkt und welche Konsequenzen diese im Besonderen auf die Arbeits- und Lebensrealität von Beschäftigten des Einzelhandels hat, ist Gegenstand dieser Expertise. Für eine alltagspraktische und lebensnahe Ausarbeitung ist die Beobachtung dessen, was wir im Einzelhandel sehen, relevant. Verschiedene Perspektiven auf die Dienstleistungsbranche zeigen zum einen Kundinnen und Kunden mit unterschiedlichsten Ansprüchen an Dienstleistungsqualität und Alltagsrealitäten. Es gibt solche, die eine gute Beratung wünschen und Zeit mitgebracht haben, jene, die es einfach nur eilig haben, vom Tag genervt sind und noch schnell ein Geburtstagsgeschenk kaufen müssen, oder andere, die gut gelaunt und kurz vor Ladenschluss um 23 Uhr noch den Einkauf erledigen möchten. Auf der anderen Seite sehen wir hin und wieder gestresstes und genervtes Verkaufspersonal, das gerade einfach keine Zeit für eine Auskunft hat. Überwiegend begegnen wir jedoch Dienstleistungsfacharbeiterinnen und Dienstleistungsfacharbeitern, die sehr kundenorientiert sind und einen hohen eigenen Anspruch an die Produkt- und Servicequalität haben. Es stellt sich die Frage, wie der Anspruch professioneller Freundlichkeit im Einzelhandel und der eigene Druck, Alltagszeit, Arbeitszeit und Lebenszeit tagtäglich zu verbinden, zusammen gehen. Die vorliegende Expertise versucht eine Antwort auf diese Frage zu finden. In einer einführenden Beschreibung in Kapitel 2 werden zunächst anhand der Einordnung nach der Wirtschaftsklassifikation und einer Übersicht über die unterschiedlichen Segmente und Vertriebsformen die branchenspezifischen Merkmale des Einzelhandels dargestellt. Überdies werden der ökonomische und strukturelle Status quo und die Entwicklungen sowohl in Berlin als auch bundesweit skizziert. Daran anknüpfend werden die Beschäftigungssituation und ihre gegenwärtigen Herausforderungen in Kapitel 3 erörtert. Dazu wird ein Blick auf verschiedene Faktoren wie Arbeitsverhältnisse, Einkommen, Altersstruktur etc. geworfen und die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten im Berliner Einzelhandel beleuchtet. Das vierte Kapitel untersucht das Spannungsfeld zwischen den zeitlichen Präferenzen der Kundinnen und Kunden und den Arbeitszeiten der Beschäftigten sowie deren Sichtweisen auf aktuelle Arbeitszeitanforderungen. Hier werden die Wechselwirkungen zwischen der Arbeitszeit, der Lebens-, aber auch der Dienstleistungsqualität sichtbar. Das Kapitel möchte 3 Expertise »Balanceorientierte Arbeitszeitgestaltung als sozialer Arbeitsschutz im Einzelhandel« insbesondere auf das aus der Beschäftigungssituation und den Arbeitsbedingungen resultierende hohe Belastungsempfinden für die Beschäftigten aufmerksam machen. In Kapitel 5 wird anschließend die balanceorientierte Arbeitszeitgestaltung als Bündel von relevanten und zu berücksichtigenden Aspekten bei der Gestaltung von Arbeitszeit, organisation und Arbeitsinhalt vorgestellt. Neben einer Einführung in das Thema wird erläutert, welche mentalen und juristischen Schritte, im Sinne eines sozialen Arbeitsschutzes, auf betrieblicher Ebene bei einer menschengerechten Arbeitsorganisation unterstützend wirken. Das Kapitel mündet in Handlungsempfehlungen sowohl für die Sensibilisierung für das Thema als auch für die Implementierung von praxisnahen Maßnahmen balanceorientierter Arbeitszeitgestaltung auf Unternehmensebene. 4 Expertise »Balanceorientierte Arbeitszeitgestaltung als sozialer Arbeitsschutz im Einzelhandel« 2 Der Berliner Einzelhandel – ein Branchenprofil Für viele Besucherinnen und Besucher der Metropole Berlin ist die Nutzung des kulturellen Angebotes, der Clubszene und des vielfältigen Einzelhandels bedeutsam - ganz gleich, ob als gezielte Suche nach etwas Bestimmten deklariert oder als Eintauchen in die verschiedenen Welten Berlins. Das kennzeichnet die Attraktivität der Metropole. Gäste und auch Hauptstädter finden eine Konsumwelt vor, die häufig nicht nur geographisch spannende Merkmale aufweist, sondern zudem insbesondere auch sozial sehr vielfältig ist. Auf der einen Seite das mondäne frühere West-Berlin mit dem Kurfürstendamm und seinen namhaften Warenhäusern, Modegeschäften mit Nobelmarken und zahlreichen Cafés. In Neukölln hingegen finden sich auf der Karl-Marx-Allee eine Vielzahl Einzelhandelsgeschäfte. Hier bekommen Verbraucherinnen und Verbraucher alles – vom gebrauchten Handy bis hin zum Gemüse, pompöse türkische Hochzeitskleider oder auch eine Vielzahl an Waren aus den sogenannten „1-Euro-Shops“. Friedrichshain-Kreuzberg und auch Mitte sind hingegen geprägt von hippen Boutiquen und Galerien, während der Einzelhandel im Prenzlauer Berg ganz auf die Bedürfnisse einer auf ihre Ganzheitlichkeit bedachten Klientel ausgerichtet ist. Speisen und Kleidung werden hier in hohem Maße unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit angeboten. Berlin bietet im Einzelhandel ein buntes und breites Angebot, das so verschieden ist wie die Ansprüche seiner Kunden und Kundinnen. Berlin ist eine Metropole und zeichnet sich durch sein multikulturelles Klientel und Warenangebot aus. Dieses wissen nicht nur Hauptstädter zu schätzen, sondern zieht Touristen aus dem In- und Ausland an. In 2012 waren ca. 10 Millionen Menschen zu Gast. Für die im Berliner Einzelhandel Beschäftigten bedeutet dies im Umkehrschluss: Sie müssen sich den zeitlichen Anforderungen eines multikulturellen Publikums stellen und diesem auch unter qualifikatorischen Gesichtspunkten Rechnung tragen. Der Berliner Einzelhandel unterscheidet sich in seinen Vertriebsformaten, ökonomischen Bedingungen und strukturellen Trends zwar wenig vom „bundesweiten“ Einzelhandel, in seinen Auswirkungen und Bedingungen weist er jedoch berlinspezifische Merkmale auf. Diesen soll nach einer ersten Standortbestimmung dessen, was Einzelhandel überhaupt ist, nachgegangen werden. 2.1 Der Einzelhandel – eine Klassifikation Entsprechend der Wirtschaftsklassifikation (WZ) der amtlichen Statistik gehören zum Handel alle Unternehmen, deren Wertschöpfung überwiegend oder ausschließlich aus dem Handel mit Waren resultiert. Der Binnenhandel umfasst die Wirtschaftsbereiche Einzelhandel, Großhandel und Handelsvermittlung sowie Kfz-Handel und Kfz-Instandhaltung. 5 Expertise »Balanceorientierte Arbeitszeitgestaltung als sozialer Arbeitsschutz im Einzelhandel« „Handel im funktionellen Sinne liegt vor, wenn Marktteilnehmer Güter, die sie in der Regel nicht selbst be- oder verarbeiten (Handelsware), von anderen Marktteilnehmern beschaffen und an Dritte absetzen.“1 Innerhalb des Handels wird der Einzelhandel als Handelsform noch einmal spezifiziert. Der Einzelhandel umfasst alle Handelsbetriebe, die an den/die nicht-gewerbliche/n Endverbraucher/Endverbraucherin (Konsument/Konsumentin) verkaufen. Die Waren erhalten die Unternehmen vom Hersteller oder durch den Großhandel.2 Der Einzelhandel umfasst in seinen unterschiedlichen Erscheinungsformen den „Wiederverkauf (Verkauf ohne Weiterverarbeitung) von Neu- und Gebrauchtwaren vor allem an private Haushalte [...], in Verkaufsräumen, einschließlich Warenhäusern, an Ständen, durch Versandhäuser, auch über das Internet, im Straßenhandel und durch Haustürverkauf, durch Verbrauchergenossenschaften, Auktionshäuser usw.“ 3 Daraus ergibt sich eine Unterteilung des Einzelhandels in der amtlichen Statistik in verschiedene Gruppen:4 47.1 Einzelhandel mit Waren verschiedener Art (in Verkaufsräumen) 47.2 Einzelhandel mit Nahrungs- und Genussmitteln, Getränken und Tabakwaren (in Verkaufsräumen) 47.3 Einzelhandel mit Motorenkraftstoffen (Tankstellen) 47.4 Einzelhandel mit Geräten der Informations- und Kommunikationstechnik (in Verkaufsräumen) 47.5 Einzelhandel mit sonstigen Haushaltsgeräten, Textilien, Heimwerker- und Einrichtungsbedarf (in Verkaufsräumen) 47.6 Einzelhandel mit Verlagsprodukten, Sportausrüstung und Spielwaren (in Verkaufsräumen) 47.7 Einzelhandel mit sonstigen Gütern (in Verkaufsräumen)5 47.8 Einzelhandel an Verkaufsständen und auf Märkten 47.9 Einzelhandel, nicht in Verkaufsräumen, an Verkaufsständen oder auf Märkten6 Der ersten Gruppe (47.1) sind folgende Erscheinungsformen bzw. Betriebstypen des Einzelhandels zuzurechnen, denen sich die Unternehmen der großen Einzelhandelskonzerne entsprechend zuordnen lassen: 1 2 3 4 5 6 Müller-Hagedorn/Toporowski (2006), S. 5. Vgl. Lexikon der Wirtschaft (2011), S. 353. Statistisches Bundesamt (2008), S. 361. Vgl. ebd., S. 114 bis S. 118. Diese Gruppe umfasst den Einzelhandel mit Bekleidung, Arzneimitteln, medizinischen und orthopädischen Artikeln, kosmetischen Erzeugnissen, Blumen/ Pflanzen, zoologischem Bedarf, Uhren und Schmuck etc. Diese Gruppe umfasst den Versand- und Internethandel, Direktverkauf vom Lager, Einzelhandel durch Handelsvertreter etc. 6 Expertise »Balanceorientierte Arbeitszeitgestaltung als sozialer Arbeitsschutz im Einzelhandel« Erscheinungsformen Ausgewählte Unternehmen / Vertriebsmarken Supermärkte und andere Lebensmittelmärkte (auch: Discounter) (mit über 400 qm) (Anteil an Lebensmitteln (47.2) mindestens 70 Prozent) (WZ 47.11.1) REWE (Minimal, Penny) EDEKA (Marktkauf, E-Center, E-Neukauf, Spar, Netto, Reichelt) Schwarz-Gruppe (Lidl, Kaufland, Kaufmarkt) Tengelmann (Kaisers, Plus) Aldi (Nord / Süd) METRO (EXTRA) Metro Group (REAL) Schwarz-Gruppe (Kaufland) Selbstbedienungs(SB)-Warenhäuser und Verbrauchermärkte (mit über 1000 qm) (Anteil an Lebensmitteln min. 35 Prozent - max. 70 Prozent) (WZ 47.11.2) Kaufhäuser und übrige Ladengeschäfte mit Waren verschiedener Art (mit über 1500 qm) (ohne Lebensmittel) (WZ 47.19.1) Woolworth H&M Warenhäuser (mit über 3000 qm) (Anteil an Lebensmitteln max. 35 Prozent) (WZ 47.19.2) Kaufhof Karstadt Die kleinen Fachgeschäfte im Lebensmitteleinzelhandel (mit unter 400 qm) sind alle der Gruppe 47.2 zuzurechnen. Die Drogeriemarkt-Ketten, wie Rossmann und DM, aber auch Apotheken werden der Gruppe 47.7 zugeordnet. 2.2 Der Einzelhandel – eine Übersicht über Segmente Der Einzelhandel gliedert sich in eine Vielfalt an Unternehmen und Betriebsformen. So lässt er sich unterscheiden nach dem Ort des Handelns (mit festem Standort in Verkaufsräumen oder beweglichen Standorten wie Messehandel und schließlich Versandhandel und OnlineHandel), nach Vertriebsformen (im Discounter, im Warenhaus, Fachmarkt oder Automaten), nach Sortiment (Food und Nonfood, Elektronik, Textilien etc.) oder schließlich nach Standort im stationären Handel (in der Innenstadt, im Wohngebiet, im Gewerbegebiet etc.).7 Lebensmitteleinzelhandel Der Einzelhandel mit Lebensmitteln (WZ 47.1 und 47.2) in Berlin gilt mit rund 38.200 Beschäftigten in 20128 als das mit Abstand größte und am stärksten umkämpfte Segment des Einzelhandels. Hier dominieren einige wenige Große das Geschäft: Edeka, Metro, REWE, Schwarz und Aldi, die mehr als drei Viertel des Umsatzes erwirtschaften. Im Wesentlichen gliedert sich der Lebensmitteleinzelhandel in Discounter, Großfläche sowie Supermärkte. 7 8 Vgl. Ver.di Bildung und Beratung gGmbH (2011), S. 4. Vgl. Bundesagentur für Arbeit: Beschäftigungsstatistik. 7 Expertise »Balanceorientierte Arbeitszeitgestaltung als sozialer Arbeitsschutz im Einzelhandel« Discounter (Aldi Nord, Aldi Süd, Lidl, Netto Marken-Discount etc.) sind gekennzeichnet durch ein eng begrenztes, flaches Sortiment für den Massenbedarf, einem geringen Aufwand für die Warenpräsentation oder die Ladeneinrichtung. Auf Dienstleistungen wird in der Regel verzichtet. Die Discounter charakterisiert eine aggressive Niedrigpreispolitik. Insofern können nur umsatzstarke Handelsbetriebe mit einer Filialkette das entsprechende Einkaufsvolumen erbringen, welches die Voraussetzung für eine langfristig angelegte Niedrigpreispolitik ist.9 Ihr Anteil am stationären Lebensmitteleinzelhandel wuchs in Deutschland seit den 60er-Jahren stetig an; inzwischen werden insgesamt 42 Prozent des gesamten Lebensmittelumsatzes durch die Discounter realisiert. Die konsequente „Billig-Orientierung“ erstreckt sich auch auf die Personalaufwendungen, entsprechend schlecht sind hier die Arbeitsbedingungen: Discounter gelten als jenes Segment im Einzelhandel mit der geringsten Personaldichte – damit einhergehend mit einer starken Arbeitsbelastung der Beschäftigten, den höchsten Anteilen geringfügiger Beschäftigung und einer sehr geringen Vollzeitquote. Hinzu kommen der Öffentlichkeit hinlänglich bekannte negative Praktiken der Personalführung: Synonym ist hier insbesondere der Lidl-Skandal der Mitarbeiterinnen- und Mitarbeiterüberwachung aus dem Frühjahr 2008. Berlin – Hauptstadt der Bio-Märkte In Berlin gibt es bundesweit die höchste Dichte an Anbietern im Biolebensmitteleinzelhandel. Daher trägt Berlin den Titel „Hauptstadt der Bio-Supermärkte“. Marktführer unter den Bio-Supermärkten ist in Berlin die BioCompany mit ca. 60 Filialen. In 2006 waren es noch 20.10 Neben der BioCompany ist die LPG ein weiterer regionaler Anbieter für Bioprodukte. Mit sechs Verkaufsstellen in Berlin ist die LPG zwar mengenmäßig der BioCompany unterlegen, zeichnet sich jedoch durch ihr Konzept der LPG-Mitgliedschaft aus. Ein monatlicher Mitgliedsbeitrag reduziert die Kosten bei dem Einkauf. Durch die Kundinnen- und Kundenbindung ist die LPG „weniger anfällig für konjunkturelle Schwankungen“.11 Neben den regionalen Anbietern finden sich auch überregionale wie Alnatura oder Denn’s. Letztere haben in jüngster Zeit durch die Expansion ihrer Verkaufsstellen auf sich aufmerksam gemacht. Insbesondere Denn’s hat in der Vergangenheit mit schlechten Arbeitsbedingungen medial für Aufsehen gesorgt. Und auch die Arbeitsbedingungen standen im Focus – hingewiesen wurde darauf, dass regelmäßig gegen das „Arbeitszeitgesetz verstoßen werde“.12 Die Expansion der überregionalen Anbieter hat einen maßgeblichen Anteil daran, dass Berlin den Titel „Hauptstadt der BioSupermärkte“ trägt. Neben den regionalen und überregionalen Bio-Supermärkten ist es vor allem der konventionelle Einzelhandel, bei dem Kundinnen und Kunden ihre Bio-Produkte erwerben. 9 10 11 12 Vgl. Handelslexikon, Online unter: www.handelslexikon.net/data/handelslexikon (21.01.2014). Vgl. Pöppl, M. (2013). http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=sp&dig=2013%2F10%2F19%2Fa0202&cHash=11214cbd 92ea73be04ed20ad8818176f (05.03.2014). Vgl. Gläser (2012). http://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/biosupermaerkte-gruene-welle-inberlin/7210958.html (13.1.2013). Vgl. Die Tageszeitung (2013). http://www.taz.de/Oeko-Discounter-im-Schlecker-Modus/!116816/ (13.1.2013). 8 Expertise »Balanceorientierte Arbeitszeitgestaltung als sozialer Arbeitsschutz im Einzelhandel« So findet sich mittlerweile in fast allen Discountern und Lebensmittelmärkten ein Vollsortiment in Bio-Qualität. Eine besondere Rolle spielen zudem Naturkostläden. In Berlin gibt es derzeit ca. 70 solcher Läden, die häufig fester Bestandteil einer Kiez-Struktur sind. Ohne diese spezielle Art der Bindung zwischen Inhaber und Kundinnen und Kunden wären viele inhabergeführte Naturkostläden einem noch stärkeren Verdrängungswettbewerb durch die Biosupermärkte ausgesetzt als sie es ohnehin bereits sind.13 Die Regionalität ihrer Produkte haben die Berliner Bio-Supermärkte und Naturkostläden insbesondere den Erzeugern des Nachbarlandes Brandenburg zu verdanken. Berlin zählt zu den bedeutendsten Abnehmern der brandenburgischen Bio-Produktion der 1043 ökologisch wirtschaftenden Betriebe. Im Jahr 1992 waren es etwa 63 regionale BioBetriebe.14 Der Umsatz an ökologischen Produkten lag im Jahr 2012 in Berlin bei ca. acht Prozent, was leicht über dem Bundesdurchschnitt liegt. Nach Schätzungen der Fördergemeinschaft Ökologischer Landbau Berlin-Brandenburg e.V. (FÖD) entspricht der Umsatz für Bio-Waren etwa 290 Millionen Euro. Die bundesweite Umsatzzahl lag in 2012 bei etwa sieben Milliarden Euro.15 Schätzungen zufolge ist die Nachfrage nach Bio-Produkten in der Hauptstadt größer als das vorhandene Angebot. Nicht zuletzt bestimmen die Kundinnen und Kunden wie das Warensortiment des Einzelhandels aussehen soll. Dies würde für eine Ausweitung und den Ausbau der Ökolandwirtschaft sprechen, der in seiner Wachstumsrate dem Umsatzwachstum „hinterherhinkt“, so Stefan Zwoll, Geschäftsführer des Bundes ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW).16 Um die Vertretung der Interessen der regionalen Erzeuger ist die FÖD sowie bundesweit der BÖLW bemüht. Was die Arbeitsbedingungen im Einzelhandel betrifft: Auch Märkte, die nachhaltigen und fairen Konsum propagieren, sind nicht frei von schlechten Arbeitsbedingungen. Im Gegenteil – häufig arbeiten Beschäftigte hier länger und in kürzeren Abständen als erlaubt und erhalten eine nicht existenzsichernde Bezahlung.17 13 14 15 16 17 Vgl. Pöppl, M. (2013). http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=sp&dig=2013%2F10%2F19%2Fa0202&cHash=11214cbd 92ea73be04ed20ad8818176f (05.03.2014). Vgl. Fördergemeinschaft ökologischer Landbau e.V. http://www.bio-berlin-brandenburg.de/wissenswert/bioin-der-region/regionale-marktdaten/ (13.1.2013). Vgl. Handelsverband Deutschland e.V. (2013), S. 16. http://www.einzelhandel.de/images/publikationen/Branchenreport_wirtschaftsfaktor.pdf (13.1.2013). Vgl. Pöppl, M. (2014). http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=sp&dig=2014%2F02%2F12%2Fa0125&cHash=fa57f3fad4 07d8a721b9f723ca39cdbb (05.03.2014). Vgl. Die Tageszeitung (2013). http://www.taz.de/Oeko-Discounter-im-Schlecker-Modus/!116816/ (22.01.2014). 9 Expertise »Balanceorientierte Arbeitszeitgestaltung als sozialer Arbeitsschutz im Einzelhandel« Verbrauchermärkte/SB-Warenhäuser (z. B. Real, Extra, Marktkauf, E-Center, Kaufland, Kaufmarkt, Toom, Minimal, Globus) Während Verbrauchermärkte im Kern Lebensmittel anbieten, umfasst das Sortiment der SB-Warenhäuser auch umfangreiche Non-Food-Artikel. Beide Betriebstypen zeichnen sich durch große Verkaufsflächen, das Selbstbedienungsprinzip und geringe Serviceleistung aus. Das Sortiment dieser Märkte ist erheblich größer als in Supermärkten und Discountern. Verglichen mit den Discountern war das Wachstum der SB-Warenhäuser bescheidener, obwohl auch diese Marktanteile zulasten anderer Betriebstypen hinzugewannen. Inzwischen ist von den „Dinosauriern der grünen Wiese“ die Rede.18 Vor allem die großflächigen Häuser müssen Umsatzeinbußen hinnehmen. Zurückgeführt wird dies auf die Tendenz zu immer kleineren Haushalten, den Wunsch nach Frische und den zunehmenden Anteil älterer Bevölkerungsgruppen.19 Bereits in der Vergangenheit fand hier ein massiver Personalabbau statt (von 2005 bis 2011 um -20,1 Prozent20); während jenen mit kleineren Verkaufsflächen weiterhin Wachstumschancen eingeräumt werden. Da auch hier der Preiswettbewerb im Vordergrund steht, sind die Arbeitsbedingungen in den Verbrauchermärkten und SB-Warenhäusern so gekennzeichnet: Wenig Personal auf immer größeren Flächen, hohe Anteile von geringfügiger Beschäftigung, Teilzeit mit einem niedrigen Stundenvolumen und geringen Anteilen von Vollzeitstellen sind wichtige Merkmale. Supermärkte Unter Supermärkten werden Einzelhandelsbetriebe verstanden, die auf einer Verkaufsfläche von mindestens 400 m² Nahrungs- und Genussmittel einschließlich Frischwaren und ergänzend Waren anderer Branchen vorwiegend in Selbstbedienung und in städtischer Lage anbieten. Supermärkte kamen in Deutschland in den 60er-Jahren auf und wuchsen in Fläche und Umsatz bis zum Jahre 1995. Seitdem sind die Zahlen rückläufig. Vor allem durch die Discountkonkurrenz wurden erhebliche Veränderungen bei den Supermärkten erzeugt: Sie profilierten sich durch Qualität, Sortimentsbreite, Frische und Service. Auch in den Supermärkten ist die Vollzeitquote gering. Mit Ausweitung der Ladenöffnungszeiten werden in den Randbereichen der Arbeitszeit zunehmend Leiharbeitskräfte eingesetzt. Drogeriemärkte Drogeriemärkte sind Einzelhandelsbetriebe, die nach dem Selbstbedienungsprinzip ein Sortiment aus den Bereichen Körperpflege, Kosmetik sowie Putz- und Reinigungsmittel bieten. Der Drogeriemarkt wird inzwischen nahezu ausschließlich durch Discounter bestimmt und ist hoch konzentriert. Marktbeherrschend sind die Unternehmen DM, Rossmann und Müller. Diese oligopole Struktur ist nach Einschätzung der KPMG21 wenig bedenklich, da einerseits der Wettbewerb zwischen den Drogeriekonzernen intakt sei und andererseits viele der Drogerieprodukte auch in anderen Einzelhandelsbetrieben angeboten werden. 18 19 20 21 Vgl. Stich (2011). Vgl. Glaubitz (2008), S. 20. Vgl. Warich (2011). Vgl. KPMG (2010), S. 63. 10 Expertise »Balanceorientierte Arbeitszeitgestaltung als sozialer Arbeitsschutz im Einzelhandel« Dennoch habe die starke Expansion der größten Anbieter zu einer Verringerung der Flächenproduktivität geführt. Drogeriekonzerne verfolgen eine aggressive Preispolitik und werden durch die Konkurrenz der Lebensmitteldiscounter, aber auch Versandapotheken, weiter unter Druck gesetzt. In Drogeriemärkten sind vor allem Frauen beschäftigt, die Teilzeitquote ist hoch. Geringfügige Beschäftigung ist verbreitet und auch unzureichende Sicherheit der oftmals mit nur einer Kraft besetzten Filialen zählt zu den negativen Arbeitsbedingungen. Kaufhäuser (z. B. C & A, H & M, SinnLeffers) und Warenhäuser (Karstadt, Kaufhof) Unter Kaufhäusern versteht man Betriebe mit großen Verkaufsflächen und einem breit gefächerten Sortiment (Motto: „Alles unter einem Dach“), die häufig Bedienung und Selbstbedienung miteinander kombinieren. Mit Standorten in der Innenstadt oder in Shoppingzentren sind Textil- und Bekleidungskaufhäuser am stärksten verbreitet. Eine inzwischen auslaufende Geschäftsform sind sogenannte Billigkaufhäuser wie Woolworth oder Bilka. Warenhäuser sind Großbetriebe in zentraler Lage, die ein tiefes und breites Warensortiment bieten. Auch hier werden Selbstbedienung und Bedienung miteinander kombiniert, allerdings hat die Beratung durch Fachpersonal weiterhin einen hohen Stellenwert. Verstärkt sind in den Warenhäusern weitere Dienstleistungen integriert, wie Reisebüros, Friseursalons oder Restaurants. Waren die Warenhäuser in den 60er-Jahren die „Crème de la Crème“ des deutschen Einzelhandels, so spielen sie inzwischen eher eine nachgeordnete Rolle, trotz Modernisierung und Diversifizierung: Dies auch, weil ihre Position zwischen Fachhandel und Discountsegmenten wenig Profilierungschancen bietet. Die künftigen Marktchancen der Warenhäuser werden eher skeptisch eingeschätzt. Es wird aber im Zuge einer Revitalisierung der Innenstädte durchaus eine Renaissance für möglich gehalten. Hinsichtlich der Beschäftigungsbedingungen gelten die Warenhäuser, aufgrund der starken Orientierung auf Service und Beratung, als Arbeitgeber, die weiterhin qualifiziertes Personal mit vergleichsweise hohen Vollzeitanteilen beschäftigen. Zugleich ist die Funktionsteilung in den Warenhäusern bereits weit fortgeschritten. Durch die Vergabe etwa der Kassiertätigkeiten an Dienstleister mit eigenem Personal findet eine zunehmende Differenzierung der Beschäftigtengruppen statt und immer mehr Tätigkeiten werden an Dritte ausgelagert. Shopping-Center Shopping-Center sind Konzentrationen von Einzelhändlern und Dienstleistern verschiedener Branchen und Größen, somit „Verbund- oder Kooperationssysteme des Einzelhandels“.22 Im Trend finden sich immer mehr Shopping-Center in der Innenstadt, ihre Zahl stieg in den vergangenen Jahren in Ost- wie Westdeutschland sprunghaft an.23 Allerdings verschärft sich der Wettbewerb unter anderem durch sinkende Kundenzahlen oder Probleme bei der Vermietung. Daher wird ein Schwerpunkt zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit in 22 23 Vgl. Institut für Gewerbezentren (2007), S. 3. Vgl. Institut für Gewerbezentren (2011). www.shoppingcenters.de/de/marktsituation/deutschland.html. 11 Expertise »Balanceorientierte Arbeitszeitgestaltung als sozialer Arbeitsschutz im Einzelhandel« der Anpassung vor allem älterer Center an ein geändertes Konsumentenverhalten und an neue Einzelhandelstrends gesehen. Marktführer im Bereich Shopping-Center-Management ist in Deutschland die ECE Projektmanagement GmbH, Hamburg, eine Tochter der OttoGruppe. Hinsichtlich der Arbeitsbedingungen in den Shopping-Centern kann keine einheitliche Aussage getroffen werden, sind die dort Beschäftigten doch bei einer Vielzahl von Arbeitgebern angestellt. Berlin – Hauptstadt der Shopping-Center Berlin hat deutschlandweit die meisten Shopping-Center; die IHK verzeichnet in 2014 etwa 63.24 Das älteste Einkaufzentrum Berlins ist das 1965 eröffnete „Europa-Center“ am Breitscheidplatz, welches 70 Läden und 34.000 Quadratmeter Verkaufsfläche hat. Das aktuellste Beispiel ist die Eröffnung des Centers „Mall of Berlin“ am Leipziger Platz im Frühjahr 2014. Hier stellen auf 76.000 Quadratmetern Verkaufsfläche 270 Geschäfte ihre Waren aus.25 Zum Vergleich: Hamburg verfügt über 41 Einkaufszentren, Köln über acht, Frankfurt am Main über sieben und München über drei. Eng verbunden mit der Frage, warum die 63 Center in Berlin eine friedliche Koexistenz führen, ist die Wahl des Standorts und damit des Einzugsgebiets. Wer kauft wo was ein und warum? Auffällig ist dabei die hohe Dichte an Einkaufszentren im ehemaligen OstTeil Berlins. Mengenmäßig unterscheidet sich die Anzahl an Centern zwar lediglich um sechs, aber ihre Kumulation in den Bezirken ist ein interessanter Aspekt.26 Wie kann es sein, dass in den Bezirken Lichtenberg (10) und Marzahn-Hellersdorf (9) 19 Center koexistieren, während hingegen Neukölln (4) und Friedrichshain-Kreuzberg (1) lediglich über fünf Center verfügen. Welche sind die Unterschiede in den Bezirken und der Center? An dieser Stelle kann und soll keine Studie über die Sozial- und Wirtschaftsstruktur der jeweiligen Bezirke erfolgen, auch wenn sich diese insbesondere für Berlin als „meltingpot“ anbietet. Es soll lediglich darauf hingewiesen werden, dass trotz der augenscheinlichen Ähnlichkeit von Einkaufszentren und des in ihnen verkörperten „all-inclusive“Gedankens große Unterschiede bestehen, die von den Sozial- und Wirtschaftsdaten nicht getrennt betrachtet werden können. Shopping-Center leben davon, dass das jeweilige besuchende Klientel seinesgleichen sucht und sich im Center über das Zugehörigkeitsgefühl geborgen fühlt. Einkaufszentren werden dadurch zu Schutzräumen, die weitgehend irritationsfrei bleiben und den Kundinnen und Kunden somit ein Gefühl von Sicherheit geben.27 24 25 26 27 Vgl. IHK Berlin. http://www.ihkberlin.de/linkableblob/bihk24/servicemarken/branchen/handel/1109978/.33./data/Shoppingcenter_Berlindata.pdf;jsessionid=5DBAEDE0CA3EEDF46C5093D6CF1BADE8.repl2 (14.1.2014). Vgl. HGHI LP 125 GmbH. http://www.leipzigerplatzquartier.de/zahlenundfakten.html (14.1.2014). Vgl. IHK Berlin. http://www.ihkberlin.de/linkableblob/bihk24/servicemarken/branchen/handel/1109978/.33./data/Shoppingcenter_Berlindata.pdf;jsessionid=5DBAEDE0CA3EEDF46C5093D6CF1BADE8.repl2 (14.1.2014). Vgl. Ehrmann (2013), S. 24 f. 12 Expertise »Balanceorientierte Arbeitszeitgestaltung als sozialer Arbeitsschutz im Einzelhandel« Textileinzelhandel (z. B. Otto-Gruppe, P & C) Hier werden seit Jahren stetig sinkende Umsätze verzeichnet. In seiner Jahresbilanz 2012 kommt der Handelsverband Berlin-Brandenburg (HBB) für den Einzelhandel mit Bekleidung und Schuhen zu dem Ergebnis, dass im Kalenderjahr 2012 viele Unternehmen nicht einmal die schwachen Ergebnisse aus 2011 erreicht haben.28 Innerhalb des Marktes waren in der Vergangenheit vor allem vertikale Anbieter wie H&M oder Zara erfolgreich, ebenso konnten Discountunternehmen wie KiK oder Zeeman Zuwachsraten erzielen. Zusammengefasst ist der Wandel in der Branche gekennzeichnet von einer „Polarisierung des Marktes in High-Fashion und Klassik auf der einen sowie sehr preisgünstiger Mode auf der anderen Seite“.29 Auch im Textileinzelhandel nimmt die Konzentration zu, ist allerdings weit weniger ausgeprägt als im Lebensmitteleinzelhandel. Aktuell erreichen im Textileinzelhandel die 20 umsatzstärksten Unternehmen gemeinsam einen Marktanteil von 51 Prozent (1994: 42 Prozent), mit steigender Tendenz. Zu den Arbeitsbedingungen stellt Glaubitz fest, dass Beschäftigte mit hoch flexiblen Arbeitszeiten konfrontiert sind.30 Darüber hinaus ist im Textileinzelhandel der Anteil geringfügig Beschäftigter, Praktikanten und kurzfristig Beschäftigter hoch. Online- und Versandhandel Der Online- und Versandhandel (z. B. Amazon, Otto, Neckermann) ist der Wachstumsmarkt schlechthin. Gemeint ist Handel auf Bestellung durch Internet, Telefon oder Bestellkarte, die Lieferung erfolgt nach Hause. Vor allem das Online-Geschäft boomt: Für Berlin verzeichnet der Handelsverband Berlin-Brandenburg (HBB) ein Umsatzplus von 2,8 Prozent in 2012. Damit hat der Internethandel mittlerweile einen Anteil von 10 Prozent an dem Gesamtumsatz des Einzelhandels in Berlin, der 13,2 Mrd. Euro beträgt.31 Deutschland liegt mit einem Umsatz im Online-Handel in Höhe von 39,2 Mrd. Euro in 2010 hinter Großbritannien auf dem zweiten Platz.32 Europaweit betrug das Umsatzplus 19,4 Prozent in 2010. Im Trend wird auch im Online-Handel eine zunehmende Konzentration festgestellt. Die zehn größten Online-Shops in Deutschland (Marktführer Amazon) hatten in 2010 einen Anteil von rund 30 Prozent am Gesamtumsatz (6,2 Mrd. Euro).33 Die Arbeitsbedingungen in der Lagerlogistik sind gekennzeichnet von langen und unregelmäßigen Arbeitszeiten, Schichtarbeit ist sehr verbreitet. Die Beschäftigten sind hohen körperlichen Belastungen ausgesetzt, welche sicher ein wesentlicher Grund für überdurchschnittlich hohe Krankenstände sind.34 Weiterhin ist der Anteil ungelernter Kräfte hoch und 28 29 30 31 32 33 34 Vgl. Handelsverband Berlin-Brandenburg e.V. (2013): S. 1. Vgl. KPMG (2010), S. 58. Vgl. Ver.di Bildung und Beratung gGmbH (2011), S. 35. Vgl. Handelsverband Berlin-Brandenburg e.V. (2013), S. 1. Vgl. Center for Retail Research (GB) (2010). www.retailresearch.org/onlineretailing.php. Vgl. EHI Retail Institute/Statista (2011). Vgl. Bundesamt für Güterverkehr (2011), S. 20. 13 Expertise »Balanceorientierte Arbeitszeitgestaltung als sozialer Arbeitsschutz im Einzelhandel« die Leiharbeit ist in der Lagerlogistik sehr verbreitet, insbesondere in saisonalen Spitzen.35 Eine Auswertung des Bundesamtes für Güterverkehr bezogen auf Warenaufmacher und Versandfertigmacher zeigt für 2010 eine Quote von 11,4 Prozent der Beschäftigten in Arbeitnehmerüberlassung.36 Die Arbeitsbedingungen in den Logistikzentren sind vor allem beim Marktführer Amazon jüngst stark in die Kritik geraten. Vorgeworfen wird Amazon, über vom Jobcenter finanzierte Praktika für Langzeitarbeitslose sich das Weihnachtsgeschäft subventioniert zu haben.37 Möbel (z. B. IKEA, Lutz-Gruppe, Krieger, Hübner) Laut Angaben des Branchenverbandes BVDM verzeichnete der deutsche Möbel- und Küchenfachhandel nach einem Umsatzeinbruch im Jahr 2009 einen Umsatzzuwachs in 2012, der in 2013 nicht weiter ausgebaut werden konnte, sondern um ca. 1,2 Prozent auf 16,1 Mrd. Euro sank.38 Wesentliches Kennzeichen des Möbeleinzelhandels in Deutschland ist ein anhaltender Konzentrationsprozess, der auch durch zahlreiche Fusionen und Übernahmen Dynamik entfaltet. Das Wachstum der größten Unternehmen der Branche erfolgt also in erster Linie durch Übernahmen bestehender Unternehmen oder Standorte und weniger durch Neueröffnungen. Inzwischen erwirtschaften die fünf größten Möbelhäuser rund 25 Prozent des Gesamtumsatzes der Branche.39 Auch in Deutschland ist der Weltmarktführer IKEA das umsatzstärkste Unternehmen. Weiterhin ist ein erhebliches Flächenwachstum im Möbeleinzelhandel zu beobachten. Diese Flächenausweitung geht einher mit einer Ausweitung des Sortiments. Möbelhäuser werden zunehmend zu Einrichtungshäusern, die auch Geschirr und Wohnaccessoires anbieten. Die Arbeitsbedingungen in der Branche sind je nach Betriebstyp sehr unterschiedlich: In klassischen Möbelhäusern spielt die persönliche Beratung weiterhin eine wichtige Rolle, entsprechend hoch ist hier der Anteil qualifizierter Kräfte. Im Möbeleinzelhandel sind weiterhin lange Öffnungszeiten sowie Sonntagsarbeit verbreitet. Einzelne Unternehmen wie die Lutz-Gruppe machen Negativschlagzeilen etwa wegen Lohndumpings.40 Consumer-Electronics (z. B. Media-Markt/Saturn, Red Zac, Amazon) Das Segment der Unterhaltungselektronik einschließlich Bild- und Tonträger gliedert sich in Fachmärkte, dem in Verbundgruppen und Kooperationen organisierten Fachhandel sowie zunehmend Online-Anbietern. Der deutsche CE-Markt wies in den vergangen Jahren posi- 35 36 37 38 39 40 Vgl. ebd., S. 23. Vgl. ebd., S. 12. Vgl. IDG Business Media GmbH, ChannelPartner (2012). www.channelpartner.de/handel/ecommerce/2574505 (11.02.2014). Vgl. Bundesverband des Deutschen Möbel-, Küchen und Einrichtungsfachhandels (2014). http://www.bwbonline.de/bwb/presse_news_bwb/index.html?NID=411 (22.01.2014). Vgl. Der Handel – Das Wirtschaftsmagazin für den Einzelhandel (2014). http://derhandel.de/news/unternehmen/pages/Moebelbranche-Moebelindustrie-beklagt-sinkende-Umsaetze10282.html (22.01.2014). Vgl. KPMG (2010), S. 72. Vgl. Ver.di Bildung und Beratung gGmbH (2011), S. 43. 14 Expertise »Balanceorientierte Arbeitszeitgestaltung als sozialer Arbeitsschutz im Einzelhandel« tive Wachstumsraten aus und erzielte in 2012 mehr als 28 Mrd. Euro Umsatz.41 Hierzu trugen Innovationen wie Tablet PC, Smartphones und das digitale Fernsehen bei, aber auch die zunehmende Nachfrage nach Geräten mit direktem oder indirektem Internetzugang.42 Die Branche ist gekennzeichnet von einem hohen Preisdruck und aggressiven Vermarktungskonzepten („Geiz ist geil“). Dennoch – vor allem wegen des wachsenden Trends zu mobilen Geräten in der Elektronik – wird für die Zukunft eine weiterhin positive Marktentwicklung erwartet.43 Baumärkte (Bauhaus, Hellweg, Hornbach) Deutschland hat die höchste Pro-Kopf-Fläche bei Bau- und Heimwerkermärkten. Als Bauund Heimwerkermarkt gelten nach Definition des Branchenverbandes BHB Einzelhandelsstandorte mit einer Verkaufsfläche von mindestens 1.000 qm und einem breiten Sortiment, das die Warengruppen Baustoffe, Holz, Eisenwaren, Werkzeuge und Malerbedarf enthalten muss. Der Umsatz stieg von 16,92 Mrd. Euro in 2000 auf 18,6 Mrd. Euro in 2012, und wuchs nach Angaben des BHB in dieser Branche relativ stärker als im Einzelhandel insgesamt.44 Die Zahl der bestehenden Bau- und Heimwerkermärkte ist leicht rückläufig, dennoch wachsen die Flächen.45 Auch hier kann also von einer sinkenden Flächenproduktivität gesprochen werden. Einher geht dies mit einer steigenden Konzentration – sieben Unternehmen der Spitzengruppe erwirtschaften 85 Prozent des Umsatzes.46 Die Discountierung und der Wettbewerb in der Branche wurde ausgelöst von Praktiker (mittlerweile insolvent) und Max Bahr „mit umsatztreibenden 20 Prozent-Rabattaktionen und Discoutstrategien […] zulasten der Marge.“47 Der Preiskampf in der Branche ist ungebrochen und dies zulasten des Services und der Personaldichte. Obwohl also auch in Bauund Heimwerkermärkten die Beschäftigtenanteile in geringfügiger Beschäftigung steigen, sind hier die Vollzeitanteile an den Stellen vergleichsweise hoch ebenso wie der Anteil männlicher Beschäftigter. Buchhandel (Thalia Holding, DBH Buch Handels GmbH, Amazon, Dussmann) Der stationäre Sortimentsbuchhandel ist der bedeutendste Vertriebsweg für Bücher: Hier wurden 48,3 Prozent des gesamten Buchumsatzes in 2012 (9,5 Mrd. Euro) erwirtschaftet. Allerdings haben sich die Marktstrukturen des vertreibenden Buchhandels massiv verändert. Vor allem durch das Aufkommen des Online-Handels gerät der stationäre Buchhandel erheblich unter Druck. Während die Umsätze hier rückläufig sind (in 2012 ein Minus von 0,8 41 42 43 44 45 46 47 Vgl. gfu/GfK (2012), S.5. http://www.gfu.de/srv/easyedit/_ts_1361800304000/page:home/marktzahlen/markt/sl_1361547008778/args.l ink01/de_CEMIX%20Q1-Q4%202012.pdf (17.12.2013). Vgl. ebd., S. 5 sowie BITKOM/Deloitte (2011), S. 5. Vgl. ebd., gfu/GfK (2010), S. 35. Vgl. BHB (2013). http://www.bhb.org/de/markt-statistik/diy-branchenzahlen.html (22.01.2014). Vgl. Gesellschaft für Markt- und Betriebsanalyse mbH (2011), S. 1, S. 29. Vgl. Büscher/Eggert (2009), S. 10. Vgl. ebd. 15 Expertise »Balanceorientierte Arbeitszeitgestaltung als sozialer Arbeitsschutz im Einzelhandel« Prozent gegenüber dem Vorjahr) steigen sie im Online-Buchhandel stetig an (in 2012 auf 16,5 Prozent).48 Laut Prognose wird der stationäre Handel mit Büchern weiter rückläufig sein. So werden bis 2017 „30 – 40 Prozent des heutigen stationären Buchumsatzes in Richtung Online-Handel beziehungsweise Digitalformate geschoben. Stationär wird deshalb der Buchanteil auf bis zu 60 Prozent heruntergedreht.“49 Die starke Konkurrenz des Online-Buchhandels ist die eine Seite des Wettbewerbs. Doch auch der Direktvertrieb der Verlage konnte Marktanteile ausbauen, und Marktverluste für die klassische Buchhandlung ergeben sich durch das E-Book, welches inzwischen eine breite Bevölkerungsschicht erreicht hat. Der stationäre Sortimentsbuchhandel ist nach wie vor von kleinen und mittelständischen Unternehmen geprägt. Konzentration kennzeichnet jedoch auch diesen Markt. So erwirtschafteten die 50 größten Buchhandlungen bereits in 2006 knapp die Hälfte des Umsatzes im deutschsprachigen Sortimentsbuchhandel.50 Doch inzwischen haben diese Filialisten zunehmend Schwierigkeiten, ihre Flächen profitabel zu bewirtschaften und reagieren daher mit einem Rückbau dieser. Auch geht es inzwischen um die Ausweitung des Sortiments. Zunehmend werden Spiele, Geschenkartikel und weitere Non-Book-Artikel in die Sortimente aufgenommen. Für diese Entwicklung steht vor allem Thalia, die für dieses Format den Begriff des „Inspirationshauses“ prägte. Ein wichtiger Faktor für die Behauptung der stationären Sortimentsbuchhändler wird im Ausbau des Multichanneling gesehen, also im Vertrieb über mehrere Kanäle.51 Durch Rückbau und Schließung bestehender Filialen der Ketten, Verdrängung kleiner Buchgeschäfte und nicht zuletzt durch die Zunahme des Online-Buchhandels ist die Beschäftigungssituation im stationären Buchhandel angespannt. Doch weil im stationären Sortimentsbuchhandel Fachwissen und Beratungskompetenz der Beschäftigten noch immer einen sehr hohen Stellenwert haben, ist der Anteil der Beschäftigten mit einschlägigen Berufsabschlüssen und sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen noch sehr hoch. Wenn der Konkurrenzkampf jedoch über die Ladenöffnungszeiten ausgetragen wird, wie etwa im Kulturkaufhaus Dussmann, finden sich in den Randbereichen der Arbeitszeit vielfach Leihbeschäftigte, die die Kassen besetzen. Auf Beratung wird in diesen Zeiten oftmals vollständig verzichtet. 48 49 50 51 Vgl. Börsenverein des Deutschen Buchhandels e.V. www.boersenverein.de/de/158446/Wirtschaftszahlen/158286 (22.01.2014). Vgl. Buchreport.de (2012). www.buchreport.de/analysen/jahresrueckblick_2011.htm. Vgl. Lohse (2009), S. 25. Vgl. Buchreport.de. http://www.buchreport.de/analysen/filialisten.htm (Stand: 22.01.2014). 16 Expertise »Balanceorientierte Arbeitszeitgestaltung als sozialer Arbeitsschutz im Einzelhandel« 2.3 Der Einzelhandel in Berlin – ökonomische Bedingungen und strukturelle Merkmale Mit knapp 100.000 Beschäftigten zählt der Einzelhandel in Berlin zu einem der größten beschäftigungspolitischen Wirtschaftssegmente. Gut 9.300 Einzelhandelsbetriebe wurden in 2012 gezählt. Diese erwirtschafteten einen Umsatz von etwa 13,2 Mrd. Euro.52 Der Handelsverband Berlin-Brandenburg e.V. (HBB) hat in seiner Jahresbilanz 2012 dem Berliner Einzelhandel das dritte Jahr in Folge leichte Umsatzsteigerungen bescheinigt. Bereits das zweite Jahr in Folge übertrifft Berlin bei den Umsatzzahlen den bundesweiten Durchschnitt.53 Ursächlich werden hierfür insbesondere die Rekordzahlen im Tourismus sowie die positive Konsumstimmung gemacht. Laut HBB-Schätzungen beträgt der Umsatzanteil von in- und ausländischen Touristen am Jahresumsatz 2012 etwa 25 Prozent.54 Den größten Anteil vom Gesamtumsatz hat neben dem Internethandel der Einzelhandel mit Nahrungsmitteln, Getränken und Tabakwaren erwirtschaftet. Insbesondere der hohe Anteil des Internethandels am Gesamtumsatz verdeutlicht, dass auch der Berliner Einzelhandel von den Strukturveränderungen hin zu E-Commerce und Multi-Channeling sowie den damit verbundenen Anforderungen an die Kundenkommunikation betroffen ist. Bundesweit bindet der Einzelhandel rund drei Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und hatte in 2012 einen Gesamtumsatz von 428 Mrd. Euro. Damit stellt er einen der wichtigsten deutschen Wirtschaftsbereiche. Den deutschen Einzelhandel kennzeichnet seit Jahren ein erheblicher Strukturwandel: Flächenexpansion bei gleichzeitig stagnierendem Umsatz, Preis- und Verdrängungswettbewerb sowie Konzentrationsprozesse sind hier die Stichworte. Weitere Schübe des strukturellen Wandels ergaben und ergeben sich durch die Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten, technologische Veränderungen und nicht zuletzt durch den demografischen Wandel, dessen Veränderungen in der Bevölkerungsstruktur unmittelbare Auswirkungen auf die Kaufkraft und das Kaufverhalten haben. Anzahl der Betriebe und Betriebsgröße Bei der Betrachtung der Betriebslandschaft in Berlin sei zuerst auf die hohe Bedeutung Berlins als Dienstleistungsmetropole und Bundeshauptstadt verwiesen. Berlin hatte im Jahr 2012 ca. 88.000 Betriebe. Gemessen an der Zahl aller Berliner Betriebe ist der Handel (17 Prozent) die zweitstärkste Branche.55 Der Einzelhandel kommt mit 9.378 Betrieben allein auf einen Wert von knapp elf Prozent.56 Den größten Anteil im Berliner Einzelhandel mit 41 Prozent (3.841 Betriebe) hat der Einzelhandel mit sonstigen Gütern (Bekleidung, Apothe52 53 54 55 56 Vgl. Handelsverband Berlin-Brandenburg (2013), S. 1. Vgl. Handelsverband Berlin-Brandenburg e.V. (2013): S. 1. Vgl. ebd. S. 3. Vgl. Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen (2013), S. 8. Aufgrund mangelnder Daten wird im Verlauf des Berichtes mehrfach auf das Betriebspanel 2012 zurückgegriffen werden, das zwar keine expliziten Daten für den Einzelhandel bereitstellt, dennoch Angaben zur Situation im Handel macht. Es ist bei der Interpretation der Daten und Informationen zu berücksichtigen, dass der Handel sowohl den Einzelhandel als auch den Großhandel sowie den Bereich Reparatur umfasst. Die Informationen können somit nicht direkt auf den Einzelhandel übertragen werden, sondern dienen als Tendenz und Orientierung. Vgl. Bundesagentur für Arbeit (2013). 17 Expertise »Balanceorientierte Arbeitszeitgestaltung als sozialer Arbeitsschutz im Einzelhandel« ken, Pflanzen etc.), der Einzelhandel mit Lebensmitteln zu 25 Prozent (2.367 Betriebe) sowie der Einzelhandel mit Haushaltsgeräten, Textilien, Heimwerker- und Einrichtungsbedarf zu 11 Prozent (1.005 Betriebe). Berliner Betriebe mit einer Beschäftigtenzahl unter zehn Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern machen etwa 74 Prozent der Berliner Betriebslandschaft aus. Betriebe mittlerer Größe mit einer Anzahl bis 50 Beschäftigte haben einen Anteil von 21 Prozent. Betriebe mit 50 Beschäftigten und mehr kommen insgesamt auf einen Wert von fünf Prozent. In Berlin gibt es demnach eine Dominanz von Klein- und Kleinstbetrieben. Betrachtet man dieses Bild jedoch hinsichtlich der Anzahl der Beschäftigten, so zeigt sich, dass Klein- und Kleinstbetriebe trotz ihrer hohen Anzahl nur ca. 20 Prozent aller Arbeitsplätze stellen. Knapp ein Viertel aller Beschäftigten des Einzelhandels sind in Unternehmen, die zwischen 10 und 50 Beschäftigte haben. Der weitaus höchste Anteil der Beschäftigten, 56 Prozent, ist in Unternehmen mit mehr als 50 Beschäftigten tätig. Dabei handelt es sich oftmals um Handelskonzerne, die ihrerseits aus verschiedenen Unternehmen bestehen. Sie agieren auf diversen Teilmärkten und treten bisweilen mit unterschiedlichen Vertriebsmarken auf. Beispiele sind die Otto Gruppe im Versandhandel mit unterschiedlichen Vertriebsmarken Otto, Schwab, Baur, Bonprix und Alba Moda oder die Tengelmann-Gruppe mit Kaiser`s, Tengelmann, OBI, KiK und Tedi.57 Flächenexpansion und Umsatz Seit Jahren werden die Verkaufsflächen im Einzelhandel ausgeweitet, ohne dass eine nennenswerte Umsatzsteigerung zu verzeichnen wäre. In Berlin wuchs die Verkaufsfläche in 2012 um 130.000 auf 5,14 Millionen Quadratmeter. Diese Ausweitung ist auf die Eröffnung des Centers „Boulevard Berlin“, des Einkaufszentrums am Köpenicker Elcknerplatz sowie durch neue Fach-, Verbraucher- und Lebensmittelmärkte zurückzuführen. Etwa ein Viertel der Verkaufsfläche Berlins befindet sich in Einkaufszentren.58 Die eingangs bereits erwähnten positiven Umsatzzahlen des Berliner Einzelhandels erfahren jedoch eine Relativierung: Laut des Berliner Einzelhandelsverbandes verfügt Berlin, aufgrund der geringen Kaufkraft, über eine halbe Million Quadratmeter zu viel Verkaufsfläche.59 Nur leichte Umsatzsteigerungen bei gleichzeitiger Ausweitung der Verkaufsfläche verringert also die Flächenproduktivität. Durch einen Beschäftigungsabbau im Verkauf beziehungsweise einer Reduzierung des Arbeitsvolumens zielen die Einzelhandelsunternehmen auf eine Steigerung der Flächenproduktivität und Rentabilität. Im Ergebnis sind immer weniger Beschäftigte für immer größere Verkaufsflächen zuständig. Diese Lage wird zusätzlich verschärft durch den wachsenden Anteil von Online-Handel, der zu weiteren Einbußen im stationären Handel führt. Generell werden Umsatzrückgänge prognostiziert durch die Schrumpfung der Bevölkerung. Preis- und Verdrängungswettbewerb 57 58 59 Vgl. Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen (2013), S. 9. Vgl. Dobberke, C (2013): Man muss unterschiedliche Akzente setzen. In: Der Tagesspiegel (7.12.2013), S. 25. Vgl. Dobberke, C. (2013): Center-Hauptstadt Berlin – Ein Überblick. In: Der Tagesspiegel (7.12.2013), S. 41 f. 18 Expertise »Balanceorientierte Arbeitszeitgestaltung als sozialer Arbeitsschutz im Einzelhandel« Langfristig betrachtet geht im deutschen Einzelhandel die Zahl der kleinen, inhabergeführten Betriebe stetig zurück. In der Vergangenheit gewannen vor allem Discounter große Marktanteile hinzu. Bei unwesentlich steigenden Umsätzen können Marktanteile nur auf Kosten der Mitbewerber gewonnen werden. Dies versuchen einzelne Unternehmen durch eine Vergrößerung der Verkaufsflächen und einen intensiven Preiswettbewerb. Vor allem Discounter verfolgen diese Strategie, die ihren Umsatzanteil von bundesweit 23,7 Prozent in 1990 auf 40,6 Prozent in 2005 ausbauen konnten.60 Niedrige Verkaufspreise sind ein entscheidendes Instrument im Verdrängungswettbewerb. Was die Handelsunternehmen bei den Niedrigpreisen einbüßen wird bei Herstellern und auch bei den Personalkosten wieder reingeholt. Es gibt – bezogen auf die Fläche – insgesamt weniger Personal, das mehr leisten muss, weniger Serviceleistungen, mehr Masse statt Klasse. Die Niedrigpreisorientierung hat zu einer „Discountierung“ des gesamten Sektors geführt und den deutschen Einzelhandelsmarkt nachhaltig verändert. „Die preisaggressiven Formate scheinen die einzigen Gewinner zu sein.“61 Konzentrationsprozesse Der Konzentrationsprozess im deutschen Einzelhandel gilt als weit fortgeschritten. So halten die vier größten Lebensmitteleinzelhändler inzwischen einen gemeinsamen Marktanteil von rund 85 Prozent.62 Demgegenüber erwirtschaften 80 Prozent der (Klein-)Unternehmen gemeinsam lediglich acht Prozent des gesamten Umsatzes.63 Entsprechend ungleich sind die Marktchancen der einzelnen Unternehmen: So verfügen die großen Konzerne über erhebliche Wettbewerbsvorteile durch niedrige Einkaufspreise, mithilfe derer sie niedrige Verkaufspreise realisieren können. Je stärker also der Konzentrationsprozess, desto schwieriger wird die Wettbewerbssituation für die kleinen und mittleren Handelsunternehmen. Entsprechend rückläufig ist die Zahl kleiner inhabergeführter (Fach)Geschäfte mit Flächen unter 400 qm. Um einer weiteren Konzentration entgegenzuwirken, gibt es in Berlin seit längerem die Überlegung, die vorhandenen Geschäftsstraßen zu sichern und weiterzuentwickeln, um Einzelhandels- und Dienstleistungsstrukturen zu stärken, die nicht von Ketten dominiert sind. „Business Improvement District“ (BID) heißt die neue Form kleiner und mittelständischer Standortgemeinschaften aus Immobilieneigentümerinnen und -eigentümern, Händlerinnen und Händlern sowie Anwohnerinnen und Anwohnern. Das Ziel eines BID ist die Stärkung der Selbstorganisation der Akteurinnen und Akteure hin zu einer verbindlichen Kooperation, damit diese ihre Wettbewerbsfähigkeit halten und ausbauen können. Im Jahr 2005 wurde ein Gesetzesentwurf in Berlin hierzu allerdings abgelehnt, 2013 gab es einen erneuten Anlauf, über den noch diskutiert wird. 60 61 62 63 Vgl. Bormann, S. 5. Vgl. KPMG (2010), S. 51. Vgl. Schlippenbach/Pavel (2011), S. 2. Vgl. Ver.di Bildung und Beratung gGmbH (2011), S. 11. 19 Expertise »Balanceorientierte Arbeitszeitgestaltung als sozialer Arbeitsschutz im Einzelhandel« Ohne Zweifel: Konzentrationsprozesse und Stadtentwicklung können nicht getrennt voneinander betrachtet werden, wenn ein inhabergeführter Einzelhandel weiterhin Bestand haben soll.64 Technologischer Wandel Die flächendeckende Einführung der Scannerkassen war die wohl bedeutsamste Entwicklung der letzten Jahre, die möglicherweise bald durch Selbstzahlerkassen überholt wird. In Berlin finden sich bereits Selbstzahlerkassen in einigen Möbelhäusern und Baumärkten. Die RFID-Technologie (Radio-Frequency-Identification) ermöglicht die berührungslose Datenübertragung auf der Basis elektromagnetischer Wechselfelder; zu befürchten ist, dass mit RFID künftig „ein Einzelhandelsgeschäft nahezu personalfrei betrieben wird“.65 Computergestützte Warenerfassungssysteme könnten schon bald zahlreiche Arbeitsplätze in der Logistik ersetzen. Hinzu kommen die Umstellung auf moderne Verkaufsmethoden wie Selbstbedienung sowie neue Organisationsformen von Geschäfts- und Betreibungskonzepten und Vertriebswegen (Integrierte Warenwirtschaftssysteme, Just-in-time-Belieferung, Factory-Outlets, Filialgeschäfte und Franchise). Insbesondere der Online-Handel (E-Commerce, Internetauktionen) und neue Formen des Versandhandels, wie z. B. Apothekenversender, verzeichneten in der Vergangenheit hohe Wachstumsraten. So sind bereits heute zwei Drittel der Händler mit eigenen Shops im Netz präsent.66 Perspektivisch sind weitere Zuwächse prognostiziert. So sehen die Befragten im Ernst & Young Handelsbarometer 201167 in der Vertriebsform Internethandel die mit Abstand besten Perspektiven. Sofern die Unternehmen bereits über Online-Shops verfügen, planen 82 Prozent der Befragten, hier ihre Aktivitäten auszuweiten. Verlängerte Ladenöffnungszeiten Seit 2006 sind die Ladenöffnungszeiten nahezu vollständig liberalisiert. Berlin zählt neben sechs weiteren Bundesländern zu jenen, in denen gewerbliche Anbieter von montags bis samstags von 00:00 Uhr bis 24:00 Uhr, laut Ladenöffnungsgesetz, geöffnet haben dürfen. Für die Sonn- und Feiertage gelten für bestimmte Verkaufsstellen Ausnahmen, die eine Ladenöffnung auch an diesen Tagen erlauben. 64 65 66 67 Informationen zum BID finden sich unter: Vgl. Dobberke, C. (2013): Gesetzesentwurf der Berliner Grünen. Pflichtbeiträge für schöne Geschäftsstraßen. In: Der Tagesspiegel (13.06.2013). http://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/gesetzentwurf-der-berlinergruenen-pflichtbeitraege-fuer-schoene-geschaeftsstrassen/8340982.html (23.01.2014). Vgl. Der Tagesspiegel (24.02.2013): BID-Projekte. Wie ein Business Improvement District funktioniert. http://www.tagesspiegel.de/berlin/bid-projekte-wie-ein-business-improvement-districtfunktioniert/7829464.html (08.12.2014). Vgl. Bündnis 90 Die Grünen (2013). http://www.gruene-fraktion-berlin.de/termin/vorstellung-desgesetzentwurfs-zur (23.01.2014). Vgl. IHK Berlin (2013). http://www.ihkberlin.de/standortpolitik/downloads/_verlinkungen/Stadtentwicklung/Laufende_Gesetzgebungsverfahren/81836 2/Die_Position_der_IHK_Berlin_zum_Thema_BID.html;jsessionid=58269C5D426F87F1BDBB4B29031B48 D7.repl2 (23.01.2014). Ver.di (2011), S. 27. Vgl. Ernst & Young (2011), S. 13. Vgl. ebd. Hier wurden 120 Handelsunternehmen und 1.100 Verbraucher befragt. 20 Expertise »Balanceorientierte Arbeitszeitgestaltung als sozialer Arbeitsschutz im Einzelhandel« Möglichkeiten langer Öffnungszeiten werden von den Subbranchen des Einzelhandels durchaus unterschiedlich wahrgenommen. Der filialisierte Einzelhandel gilt hier als jenes Segment, wo die Öffnungszeiten massiv ausgedehnt wurden. Insbesondere machen bei den Öffnungszeiten am Sonntag einige Supermärkte und Discounter an einschlägigen Verkehrsknotenpunkten Gebrauch (EDEKA im S- und U-Bahnhof in der Friedrichstraße oder Ullrich am S- und U-Bahnhof Zoologischer Garten). Ebenso haben viele Souvenirshops an den einschlägigen Touristenknotenpunkten an Sonntagen geöffnet (z. B. Checkpoint Charlie, Brandenburger Tor). Auch der Einzelhandel mit Verlagsprodukten an Bahnhöfen zählt zu jenen, die sonntags öffnen. Hinzu kommen Tankstellen und zum Teil auch Apotheken (z. B. S- und U-Bahnhof Alexanderplatz sowie Friedrichstraße). Von den Öffnungszeiten nach 24:00 Uhr machen zumeist die „Spätis“ in Berlin Gebrauch. Sie sind aus der Berliner Stadtkultur nicht mehr wegzudenken und haben ihren Reiz gerade darin, dass sie zumindest in der Innenstadt leicht zu finden sind und bei ihnen rund um die Uhr Alkohol, Schokolade oder Tabak erworben werden kann. Inwieweit dies jedoch zu Umsatzsteigerungen führt ist fraglich. Die KPMG kommt zu dem Schluss, dass „unbegrenzte Ladenöffnungszeiten nur vereinzelt zu einem spürbaren Mehrumsatz“ führen werden, dies vor allem in entsprechend frequentierten Gebieten. Insgesamt sei vielmehr eine Verlagerung der Umsätze zwischen den einzelnen Unternehmen festzustellen.68 Auch führen verlängerte Ladenöffnungszeiten nicht zu einem nennenswerten Beschäftigungsplus, wie bereits in 1998 die repräsentative Studie von Hilf und Jacobsen ergab.69 Im Gegenteil kann als Folge eine Verschlechterung der Arbeitsbedingungen für die im Einzelhandel Beschäftigten festgehalten werden, etwa durch eine Zunahme von geringfügiger Beschäftigung, Leiharbeit und Werkverträgen sowie dem Abbau von Vollzeitstellen. Demografischer Wandel und soziodemografische Besonderheiten für Berlin Laut der Bevölkerungsprognose für Berlin aus dem Jahr 2011 werden hier im Jahr 2030 3,7 Millionen Menschen leben. Im Jahr 2011 waren es noch 3,5 Millionen Menschen.70 Der leichte Bevölkerungszuwachs ist vor allem darauf zurückzuführen, dass Berlin ein attraktiver Lebens- und Arbeitsraum für Menschen aus dem In- und Ausland ist (Internationalisierung).71 Der Ausländeranteil beträgt in Berlin im Jahr 2012 an der Gesamtbevölkerung Berlins etwa 12,7 Prozent.72 Hinsichtlich des Rückgangs von Geburten und der steigenden Lebenserwartung unterscheidet sich Berlin jedoch wenig vom bundesweiten Trend. Im Jahr 2030 wird das Durchschnittsalter der Bevölkerung hier bei 44,2 Jahren liegen. Es kommt zu einer überproportionalen Zunahme der Bevölkerung in den höheren Altersgruppen: Bei den über 80-jährigen wird eine Verdoppelung der Anzahl auf 268.000 erwartet, die Anzahl der 68 69 70 71 72 Vgl. KPMG (2010), S. 6. Vgl. Hilf/Jacobsen (1998). Vgl. Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt (Hrsg.) (2012), S. 2. http://www.stadtentwicklung.berlin.de/planen/bevoelkerungsprognose/download/bevprog_2011_2030_kurzfa ssung.pdf (12.12.2014). Vgl. Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt (Hrsg.) (2014): Internationalisierung der Gesellschaft, Berlin. http://www.berlin.de/demografiekonzept/grundlagen/internationalisierung/index.html (22.01.2014). Vgl. Amt für Statistik Berlin und Brandenburg. https://www.statistik-berlin-brandenburg.de/statistiken/inhaltstatistiken.asp (22.01.2014). 21 Expertise »Balanceorientierte Arbeitszeitgestaltung als sozialer Arbeitsschutz im Einzelhandel« „jungen Alten“ (65 bis unter 80 Jahre) wird sich auf 590 Tausend und damit um 14,4 Prozent erhöhen.73 Mit der Alterung der Gesellschaft in Berlin erwachsen veränderte Anforderungen an den Einzelhandel. Dies trifft insbesondere auf die Nahversorgung und die Sortimentsausstattung zu.74 Nicht zu unterschätzen sind in diesem Zusammenhang auch die verminderten Konsumausgaben für Bekleidung und Lebensmittel. Neben den Kundinnen und Kunden sind die Beschäftigten des Einzelhandels zu berücksichtigen. Für Unternehmen wird es immer wichtiger, sich einer alternsgerechten Unternehmenskultur zu stellen und die Augen vor den Chancen, die diese birgt, nicht zu verschließen. 2.4 Zusammenfassung Bisher wurde aufgezeigt, wie vielfältig die personalpolitischen Herausforderungen in den einzelnen Segmenten des Einzelhandels sind und wie eng diese mit den strukturellen Veränderungsprozessen, wie dem Preis- und Verdrängungswettbewerb sowie der Flächenexpansion, verbunden sind. Das Abschmelzen der Kernbelegschaft zugunsten prekärer und geringfügiger Beschäftigung, d. h. nicht existenzsichernder Vollzeit- und Teilzeitstellen, stellt ein zentrales Moment dar. Darüber hinaus wurden die ökonomischen Bedingungen des Einzelhandels in Berlin sowie die Besonderheiten der Stadt dargelegt. Insbesondere aus den verlängerten Ladenöffnungszeiten und den damit verbunden Präferenzen der Kundinnen und Kunden erwachsen hohe Anforderungen an die Beschäftigten im Hinblick auf die Flexibilisierung der Arbeitszeit und der Beschäftigungsverhältnisse. Zukünftig werden die Veränderungsprozesse im Berliner Einzelhandel durch folgende Entwicklungen gekennzeichnet sein: die fortschreitenden Konzentrationsprozesse im Einzelhandel, die demografische Entwicklung sowie die Ausweitung des Online-Handels. Letzterem wird vor allem im Non-Food-Bereich des Einzelhandels ein überproportionales Wachstum vorausgesagt. Dabei stellt sich für Unternehmen nicht mehr die Frage, ob online oder stationär: „Wer auch zukünftig dabei sein will, muss auf vielen Kanälen verkaufen“.75 Das Wachstum des Internethandels geht zulasten des stationären Handels, denn die Umsatzentwicklung insgesamt steigt nur mäßig. Mit Blick auf die Beschäftigung ergeben sich hieraus enorme Umwälzungen: Verkaufstätigkeiten im stationären Einzelhandel entfallen, während Arbeitsplätze im Versand und in der Logistik entstehen. Der demografische Wandel bringt eine Alterung der Bevölkerung in Berlin mit sich. Verschiedene Prognosen zeigen die Gewinner und Verlierer des Einzelhandels dieser Entwick- 73 74 75 Vgl. Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt (Hrsg.) (2012), S. 2. http://www.stadtentwicklung.berlin.de/planen/bevoelkerungsprognose/download/bevprog_2011_2030_kurzfa ssung.pdf (12.12.2014). Vgl. Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt (Hrsg.) (2014): Älterwerden der Gesellschaft, Berlin. http://www.berlin.de/demografiekonzept/grundlagen/aelterwerden-der-gesellschaft/index.html (22.01.2014). Vgl. Galubitz (2011), S. 47. 22 Expertise »Balanceorientierte Arbeitszeitgestaltung als sozialer Arbeitsschutz im Einzelhandel« lung auf76: Grob zusammengefasst werden die Konsumausgaben für Gesundheit und Pflege, Freizeit und Unterhaltung steigen, für Nahrungsmittel und Bekleidung sinken. Offen bleibt, wie sich die Formate des Einzelhandels verändern werden, denn nachgewiesen ist, dass Ältere höhere und andere Ansprüche an Sortiment, Service, Beratung, Ladeneinrichtung und Standort stellen als Jüngere.77 Dies alles spricht eher für einen Wettbewerbsvorteil – etwa im Lebensmitteleinzelhandel – der Supermärkte gegenüber den Discountern und SB-Warenhäusern. Die sich verändernden Strukturen im Einzelhandel können dabei nicht unabhängig von den Arbeitsbedingungen für Dienstleistungsfacharbeiterinnen und Dienstleistungsfacharbeiter betrachtet werden: Sich wandelnde Ansprüche an Dienstleistungsqualität bedeuten auch sich wandelnde Anforderungen der Arbeitsqualität und damit sich wandelnde Bedürfnisse an eine Unternehmens- und Organisationskultur. 76 77 Vgl. Eitner (2008), S. 164. Vgl. ebd., S. 265. 23 Expertise »Balanceorientierte Arbeitszeitgestaltung als sozialer Arbeitsschutz im Einzelhandel« 3 Die Beschäftigungssituation im Berliner Einzelhandel In diesem Kapitel wird die Beschäftigungssituation im Berliner Einzelhandel beschrieben, wobei die Arbeitsverhältnisse, die Arbeitszeitregime, die Altersstruktur sowie die Ausbildungs- und Weiterbildungssituation im Fokus stehen. Zudem werden die Einkommenssituation und abschließend die Arbeitsbedingungen und ihre besonderen Merkmale dargestellt. 3.1 Die Arbeitsverhältnisse im Berliner Einzelhandel Die Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten hat in Berlin neben der Flexibilisierung der Arbeitszeiten auch erhebliche Auswirkungen auf die Beschäftigungsformen im Einzelhandel. Befristung der Arbeitsverträge, Leiharbeit und Werkverträge sind nur einige Schlaglichter, die die Arbeitsverhältnisse im Einzelhandel kennzeichnen. 3.1.1 Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte in Voll- und Teilzeit Im Berliner Einzelhandel sind im Jahr 2012, laut der Beschäftigungsstatistik der Bundesagentur für Arbeit, 99.697 Personen beschäftigt. Die Beschäftigten im Berliner Einzelhandel machen ca. 8,2 Prozent aller in Berlin sozialversicherungspflichtig Beschäftigten aus. Betrachtet man nun die einzelnen Segmente des Berliner Einzelhandels, so zeigt sich folgendes Bild. Jeweils ca. ein Drittel ist im Einzelhandel mit sonstigen Gütern und im Einzelhandel mit Waren verschiedener Art. Abbildung 1: Segmente des Berliner Einzelhandels nach seiner Beschäftigungsstärke, Stichtag 31.12.2012 47.9 Einzelhandel (nicht i.Verkaufsräum.u.Ä.) 6,789 47.8 Einzelhandel an Verkaufsständen und auf Märkten ,314 47.7 Einzelhandel mit sonstigen Gütern 31,813 47.6 Einzelhandel mit Verlagsprodukten, Sportausrüstungen und Spielwaren 5,624 47.5 Eh.m.sonst.Haush.gerät.usw 10,533 47.4 Einzelhandel mit Geräten der Informationsund Kommunikationstechnik 4,859 47.3 Einzelhandel mit Motorenkraftstoffen (Tankstellen) 1,738 47.2 Eh. m. Nahrungsm.usw. 8,611 47.1 Einzelhandel mit Waren verschiedener Art 29,719 ,00 5,00 10,00 15,00 20,00 25,00 30,00 35,00 Quelle: Beschäftigungsstatistik Bundesagentur für Arbeit (2012); eigene Berechnungen. 24 Expertise »Balanceorientierte Arbeitszeitgestaltung als sozialer Arbeitsschutz im Einzelhandel« 51.033 Personen arbeiten davon in Vollzeit und 48.646 in Teilzeit. Knapp die Hälfte (48,8 Prozent) aller im Berliner Einzelhandel Beschäftigten übt eine Teilzeitbeschäftigung aus, davon sind 22,7 Prozent in einer geringfügige Beschäftigung – in einem Minijob - ! Abbildung 2: Beschäftigungsformen im Berliner Einzelhandel, Stichtag 31.12.2012 Quelle: Beschäftigungsstatistik Bundesagentur für Arbeit (2012); eigene Berechnungen. Im Berliner Einzelhandel sind etwa zwei Drittel der Beschäftigten weiblich. Betrachtet man den geschlechterspezifischen Anteil an Voll- und Teilzeitbeschäftigten an der Gesamtzahl der Beschäftigten im Berliner Einzelhandel, so fällt auf, dass das Verhältnis vollzeitbeschäftigter Frauen und Männer nahezu gleich ist. Abbildung 3: Sozialversicherungspflichtige Beschäftigung nach Geschlecht, Stichtag 31.12.2012 Quelle: Beschäftigungsstatistik Bundesagentur für Arbeit (2012); eigene Berechnungen. 25 Expertise »Balanceorientierte Arbeitszeitgestaltung als sozialer Arbeitsschutz im Einzelhandel« Vor dem Hintergrund, dass Männer jedoch nur ein Drittel der Beschäftigten im Berliner Einzelhandel stellen, ist deren Vollzeitanteil mit knapp 70 Prozent sehr hoch. Die Quote der in Vollzeit beschäftigten Frauen beträgt von allen weiblichen Beschäftigten im Einzelhandel rund 42 Prozent, und 58 Prozent üben eine Teilzeitbeschäftigung aus. Damit zeigt sich: Der Einzelhandel in Berlin ist eine Frauendomäne und die weiblichen Beschäftigten üben überwiegend eine Teilzeitbeschäftigung aus. Abbildung 4: Geschlechterspezifischer Anteil an der Voll- und Teilzeitbeschäftigung, Stichtag 31.12.2012 Quelle: Beschäftigungsstatistik Bundesagentur für Arbeit (2012); eigene Berechnungen. 3.1.2 Atypisch Beschäftigte „Atypische Beschäftigungsverhältnisse“ zeichnen sich durch eine „negative Abgrenzung zum Normalarbeitsverhältnis“78 aus und bilden damit eine „Sammelkategorie heterogener Beschäftigungsformen“.79 Als Normalarbeitsverhältnis wird das unbefristete Vollzeitarbeitsverhältnis verstanden, das vollständig in die sozialen Sicherungssysteme integriert ist, eine Identität von Arbeits- und Beschäftigungsverhältnis aufweist (keine Leiharbeit) und bei dem eine Weisungsgebundenheit des Arbeitsnehmers vom Arbeitgeber besteht (keine Werkverträge).80 Abweichungen hiervon stellen die nicht existenzsichernde Teilzeitbeschäftigung, die geringfügige Beschäftigung, Midi-Jobs, Leiharbeit, Werkverträge, befristete Arbeitsverhältnisse sowie Selbstständige ohne Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen dar.81 Atypische Beschäftigungsverhältnisse zeigen im Berliner Einzelhandel folgendes Bild: Von den insgesamt 48.646 in Teilzeit Beschäftigten arbeitet knapp die Hälfte (22.652 Beschäftigte) auf geringfügiger Basis. Davon sind knapp 66 Prozent Frauen und 34 Prozent Männer. 78 79 80 81 Vgl. Henneberger/Keller. http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Archiv/576005891/atypische-beschaeftigungv2.html (31.01.2014). Vgl. Keller/Seifert (2009). http://www.bpb.de/apuz/31902/atypische-beschaeftigungsverhaeltnisse-formenverbreitung-soziale-folgen?p=all (31.01.2014). Vgl. Henneberger/Keller. Atypische Beschäftigung. Vgl. ebd. 26 Expertise »Balanceorientierte Arbeitszeitgestaltung als sozialer Arbeitsschutz im Einzelhandel« Abbildung 5: Anteil geringfügig Beschäftigter an Teilzeitbeschäftigten nach Geschlecht, Stichtag 31.12.2012 Quelle: Beschäftigungsstatistik Bundesagentur für Arbeit (2012); eigene Berechnungen. Leider gibt es kein verfügbares Datenmaterial, welches Auskunft geben könnte über die Ausmaße von befristeten Verträgen, von Leiharbeit oder die Anzahl der (Solo)Selbstständigen im Berliner Einzelhandel. An dieser Stelle kann somit nur ein allgemeiner Trend nachgezeichnet werden. Insbesondere die mediale Öffentlichkeit sowie Gewerkschaften berichten immer wieder von folgender Praxis: Leiharbeit wird durch den Abschluss von Werkverträgen ersetzt. Unternehmen übertragen hierbei zentrale Aufgaben, die sich nicht von den Tätigkeiten der Stammbelegschaft unterscheiden, an Subunternehmen, die je Werk bezahlt werden. Werkverträge sind nicht meldepflichtig und können nach Belieben häufig neu abgeschlossen werden.82 Darüber hinaus wird in aktuellen Medienberichten über die Beschäftigung von sogenannten Stundenlöhnern und Stundenlöhnerinnen berichtet. Diese Beschäftigten wissen weder zu Monatsbeginn, wie viele Stunden sie tatsächlich arbeiten müssen und wann sie diese zu absolvieren haben, noch mit welchem Lohn sie rechnen können. Vertraglich ist lediglich eine Mindestarbeitszeit von 10-15 Stunden vereinbart. Neben diesem Modell ist auch jenes der „befristeten Aushilfen“ beliebt. Hierbei erfolgt eine kurzfristige Kündigung, sofern die Beschäftigten für ein paar Tage nicht gebraucht werden, um sie dann anschließend direkt wieder befristet unter Vertrag zu nehmen.83 82 83 Vgl. Bognanni (2011). http://www.zeit.de/politik/deutschland/2011-08/lohndumping-leiharbeit (16.1.2014). Vgl. Völpel (2013), S. 4 f. 27 Expertise »Balanceorientierte Arbeitszeitgestaltung als sozialer Arbeitsschutz im Einzelhandel« 3.2 Altersstruktur der Beschäftigten im Berliner Einzelhandel Die demografische Entwicklung ist im Berliner Einzelhandel in zweifacher Hinsicht zu betrachten: Es geht zum einen um die veränderte Nachfrage der älter werdenden Bevölkerung und zum anderen um die Altersstruktur der Beschäftigten. 3.2.1 Alterskohorten im Berliner Einzelhandel Abbildung 6: Altersstruktur der Beschäftigten im Berliner Einzelhandel, Stichtag 31.12.2012 Quelle: Beschäftigungsstatistik Bundesagentur für Arbeit (2012); eigene Berechnungen. Die meisten der im Berliner Einzelhandel Beschäftigten sind zwischen 25 und 55 Jahre alt. Sie machen mit 75,6 Prozent den größten Anteil an den Beschäftigten aus. Den zweitgrößten Anteil mit 14,8 Prozent stellen die 15- bis 25-jährigen. Die 55- bis 65-jährigen machen ca. 9 Prozent aus. Ab einem Alter von 65 plus finden sich kaum Beschäftigte im Berliner Einzelhandel: Sie sind nur mit 0,4 Prozent vertreten. 62 Prozent (50.262 Personen) der 25bis 55-jährigen sind Frauen. Sie stellen den größten Anteil an dieser Altersgruppe. Männliche Kollegen kommen auf 37 Prozent. 28 Expertise »Balanceorientierte Arbeitszeitgestaltung als sozialer Arbeitsschutz im Einzelhandel« Abbildung 7: Altersstruktur nach Geschlecht im Berliner Einzelhandel, Stichtag 31.12.2012 Quelle: Beschäftigungsstatistik Bundesagentur für Arbeit (2012); eigene Berechnungen. Auffällig ist zudem, dass sowohl bei den Männern als auch bei den Frauen ab dem 55. Lebensjahr der Anteil an der Gesamtzahl der Beschäftigten erheblich geringer wird. Nur sieben Prozent aller weiblichen Beschäftigten sind älter als 55 Jahre und bei den Männern beträgt der Anteil nur 2,5 Prozent. Die Altersstruktur in den jeweiligen Segmenten des Einzelhandels zeigt: Die mit Abstand größte Beschäftigtengruppe in allen Segmenten ist zwischen 25 und 55 Jahre alt. Die Beschäftigtengruppe zwischen 55 und 65 Jahren ist prozentual zu einem viel geringen Anteil vertreten und weist je nach Einzelhandelssegment nochmal große Unterschiede auf. Am häufigsten sind Personen dieser Altersgruppe in folgenden Segmenten beschäftigt: „Einzelhandel mit sonstigen Haushaltsgeräten, Textilien, Heimwerker- und Einrichtungsbedarf“, „Einzelhandel mit Waren verschiedener Art“ sowie im „Einzelhandel mit sonstigen Gütern in Verkaufsräumen“. In allen Einzelhandelssegmenten überwiegt jedoch der Anteil der Beschäftigten zwischen 15 und 25 Jahren gegenüber der Beschäftigtengruppe, die zwischen 55 und 65 Jahren alt ist. Der Einzelhandel in Berlin tendiert damit eher zu einer jugend-, denn zu einer alterszentrierten Ausrichtung der Beschäftigten. 29 Expertise »Balanceorientierte Arbeitszeitgestaltung als sozialer Arbeitsschutz im Einzelhandel« Abbildung 8: Altersstruktur in den Segmenten des Einzelhandels in Berlin, Stichtag 31.12.2012. Quelle: Beschäftigungsstatistik Bundesagentur für Arbeit (2012); eigene Berechnungen. Illustrierend soll hierzu auf die Arbeitsberichterstattung aus Sicht der Beschäftigten hingewiesen werden: Etwa 42 Prozent der im Handel Beschäftigten werden ihre jetzige Tätigkeit unter den derzeitigen Anforderungen bis zum gesetzlichen Rentenalter ohne Einschränkungen „wahrscheinlich nicht“ ausüben können. 17 Prozent können ihre Arbeitsfähigkeit bis zum Renteneintrittsalter schlecht einschätzen.84 Diese Meinungen und Einschätzungen der Beschäftigten spiegeln die hohen Belastungen wider. 84 Vgl. DGB-Index Gute Arbeit, 2012, S. 8. 30 Expertise »Balanceorientierte Arbeitszeitgestaltung als sozialer Arbeitsschutz im Einzelhandel« 3.2.2 Altersstruktur und Betriebsgröße Hinsichtlich der Altersstruktur und den Betriebsgrößen kann nur Material für den Berliner Handel – nicht spezifiziert für den Einzelhandel – dargelegt werden. Tabelle 1: Beschäftigte im Handel in Berlin nach Betriebsgröße und Betriebsgrößenklasse, Stichtag 30.06.2011 Betriebsgrößenklasse/Land Betriebstyp Jugendzentriert Ausgeglichen Alterszentriert Prozent 1 bis 4 Beschäftigte 10 52 38 5 bis 9 Beschäftigte 21 58 21 10 bis 49 Beschäftigte 20 63 17 50 bis 249 Beschäftigte 17 58 25 ab 250 Beschäftigte 9 57 34 15 58 27 Berlin Quelle: IAB-Betriebspanel, Welle 2011, S. 26. Das Schaubild zeigt, dass eine dem Alter nach ausgeglichene Belegschaft in allen Betriebsgrößenklassen über 50 Prozent liegt. Interessant ist es somit, sich die Alters- und Jugendzentrierung genauer anzusehen. Hierbei fällt auf: Je kleiner (1 bis 4 Beschäftigte), bzw. je größer (ab 250 Beschäftigte) die Unternehmen sind, desto eher gibt es eine Neigung zur Alters- denn zur Jugendzentrierung. In Berlin gibt es den Panelergebnissen des IAB 2011 zufolge in 55 Prozent der Betriebe eine dem Alter nach ausgewogene Belegschaft. Das ist in etwa jeder zweite Betrieb. 45 Prozent haben demgegenüber unausgewogene Altersstrukturen, wobei es in Berlin etwa doppelt so viele alterszentrierte (29 Prozent) als jugendzentrierte (16 Prozent) Betriebe gibt.85 Diese Ergebnisse spiegeln sich auch hinsichtlich der Verteilung der Beschäftigten wider. Demnach sind 58 Prozent aller Beschäftigten im Berlin Handel in einem Betrieb mit einer dem Alter nach ausgewogenen Belegschaft beschäftigt. 15 Prozent der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer arbeiten in Betrieben mit jugendzentrierter Ausrichtung und etwa doppelt so viele (26 Prozent) sind einem alterszentrierten Unternehmen zugehörig. Im Berliner Handel liegt der Anteil der Betriebe mit Älteren, gemessen an allen Berliner Betrieben, bei 59 Prozent und der Anteil der Jüngeren an den Beschäftigten bei 31 Prozent. Im Vergleich zu den übrigen Berliner Dienstleistungsbranchen liegt der Anteil der Betriebe hiermit unter dem Durchschnitt (71 Prozent), der Anteil der Beschäftigten im Handel jedoch darüber (29 Prozent).86 Die Panelergebnisse besagen jedoch, dass die Zunahme des Anteils von Betrieben mit älteren Beschäftigten nicht auf bewusstes personalpolitisches Handeln zurückzuführen sei, 85 86 Vgl. Betriebspanel Berlin (2011), S. 24 f. Vgl. ebd., S. 23. 31 Expertise »Balanceorientierte Arbeitszeitgestaltung als sozialer Arbeitsschutz im Einzelhandel« sondern primär auf natürliche Alterungsprozesse der Belegschaften.87 In 2011 lag der Anteil der Betriebe, in denen ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beschäftigt waren und die Maßnahmen für Ältere durchführten, in Berlin bei lediglich 15 Prozent. Vor dem Hintergrund des wachsenden Anteils der Betriebe mit älteren Beschäftigten und im Sinne der Fachkräftebindung auch über das 55. Lebensjahr hinaus sind zukünftig betriebliche Maßnahmen des altersgerechten und alternsgerechten Arbeitens zu initiieren. Derzeit profitieren fast ausschließlich Beschäftigte in Berliner Großbetrieben von derartiger Unterstützung.88 3.3 Ausbildungssituation im Berliner Einzelhandel Eine qualifizierte Ausbildung ist ein bedeutender Grundstein für das Berufsleben vieler junger Menschen. Insofern ist es spannend, sich die Daten zur Ausbildungssituation im Einzelhandel anzuschauen und zu prüfen, ob der Einzelhandel in Berlin – im Vergleich zum bundesweiten Trend – eine attraktive Option für Schulabgänger und Schulabgängerinnen ist. Zu berücksichtigen sind unter dem Aspekt „Abschluss im Einzelhandel“ auch außerbetriebliche Ausbildungsverhältnisse. Es wird untersucht, welche die beliebtesten Ausbildungsberufe im Einzelhandel sind und ob es geschlechtsspezifische Unterschiede bei der Auswahl gibt. Darüber hinaus soll aufgezeigt werden, wie hoch die Anzahl auszubildender Betriebe im Berliner Einzelhandel ist und ob es Probleme bei der Besetzung der Ausbildungsplätze gibt. Des Weiteren werden Angaben zum Übergang von der Ausbildung in die Beschäftigung gemacht. 3.3.1 Ausbildungsverhältnisse in den Kernberufen des Einzelhandels Der Handelsverband Deutschland (HDE) und sein regionales Pendant in BerlinBrandenburg (Handelsverband Berlin-Brandenburg e.V.) zählen den Einzelhandelskaufmann/ die Einzelhandelskauffrau sowie den Verkäufer/ die Verkäuferin zu den Kernberufen des Einzelhandels. Somit erfolgt die Darlegung der Ausbildungssituation auch anhand dieser. In Berlin gab es im Jahr 2012 insgesamt 4.232 Ausbildungsplätze89, wovon 2.022 Neueintragungen aus dem Jahr 2012 waren. 74 Prozent waren betriebliche und 26 Prozent außerbetriebliche Ausbildungsplätze. Die Anzahl jener, die sich für eine Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann/ zur Einzelhandelskauffrau entschieden haben, überwiegt dabei deutlich mit 68 Prozent im Gegensatz zu jenen 32 Prozent, die eine Ausbildung zum Verkäufer/ zur Verkäuferin machen. Diese Zahlen unterstreichen auch den Trend: Die Neueintragungen für den Ausbildungsberuf zum Einzelhandelskaufmann/ zur Einzelhandelskauffrau sind seit Jahren zum ersten Mal wieder gestiegen, wohingegen die Neueintragungen zum Verkäufer/ zur Verkäuferin gesunken sind. 87 88 89 Vgl. ebd., S. 22. Vgl. ebd., S. 26 f. Die Zahl der Ausbildungsplätze ist von der der Bundesagentur für Arbeit leicht abweichend, da in jener keine Fokussierung auf den Kernberufen liegt. Die Zahl der Ausbildungsplätze beträgt hier 4.742. 32 Expertise »Balanceorientierte Arbeitszeitgestaltung als sozialer Arbeitsschutz im Einzelhandel« Tabelle 2: Ausbildungsverhältnisse im Berliner Einzelhandel Bestand Neueintragungen Beruf 2009 2010 2011 2012 2009 2010 2011 2012 Einzelhandelskauf- 3.679 3.361 2.991 2.843 1.425 1.331 1.189 1.299 davon betriebliche Ausbildungsplätze: 1.027 1.020 761 761 mann/-frau Verkäufer/ 1.371 1.376 1.421 1.389 737 1092 723 Verkäuferin davon betriebliche Ausbildungsplätze: Insgesamt 381 477 2.162 2.092 1.950 davon betriebliche Ausbildungsplätze: 1.408 1.467 5.050 4.737 4.412 4.232 414 2.022 1506 Quelle: Handelsverband Berlin Brandenburg e.V. (2013): Jahresbilanz 2012, S. 1. Eine Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann/ zur Einzelhandelskauffrau ist einer der am meisten nachgefragten Ausbildungsberufe in Berlin.90 Auch wenn in Berlin im Gegensatz zum Bundestrend (-6,5 Prozent) die Neueintragungen um 3,4 Prozent erhöht werden konnten, sei auf Folgendes hingewiesen: Seit vier Jahren ist die Zahl der Ausbildungsbewerber und Ausbildungsbewerberinnen insgesamt rückläufig.91 In der Bildungszielplanung der Bundesagentur für Arbeit Berlin für das Jahr 2014 sind zudem die berufsanschlussfähigen Teilqualifikationen im Bereich des Handels als förderfähig vermerkt. Berufsanschlussfähige Teilqualifikationen können über das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte Projekt „JobstarterConnect“ auch für die Berufe Verkäufer/Verkäuferin sowie Einzelhandelskaufmann/Einzelhandelskauffrau erworben werden. Das Projekt richtet sich an Altbewerberinnen und Altbewerber sowie an- und ungelernte junge Erwachsene, die über bundeseinheitliche und kompetenzbasierte Ausbildungsbausteine auf dem dualen Wege einen Ausbildungsberuf im Handel erlernen können.92 Geschlechterspezifische Aussagen für die Ausbildungsberufe können anhand der Datenlage leider nicht formuliert werden. Die Beschäftigungsstatistik der Bundesagentur für Arbeit zeigt ein fast ausgewogenes Bild weiblicher und männlicher Auszubildender, ordnet diese geschlechterspezifisch jedoch keinen Ausbildungsberufen zu. 90 91 92 Vgl. Handelsverband Berlin-Brandenburg e.V. (2013), S. 1. Vgl. ebd., S. 3. Vgl. Bundesagentur für Arbeit. http://www.arbeitsagentur.de/Dienststellen/RD-BB/Berlin-Mitte/AA/ZahlenDaten-Fakten/Qualifizierungsplanung/generische-Publikationen/Qualifizierungsplanung-2014-pdf.pdf (27.01.2014). Vgl. Bundesministerium für Bildung und Forschung. http://www.jobstarter.de/de/1208.php (27.01.2014). 33 Expertise »Balanceorientierte Arbeitszeitgestaltung als sozialer Arbeitsschutz im Einzelhandel« 3.3.2 Ausbildungsbeteiligung in Berliner Betrieben nach Betriebsgröße Für Betriebe stellt die eigene Ausbildung eine Möglichkeit der Sicherung von Fachkräften dar. Um als Ausbildungsbetrieb in Frage zu kommen, müssen verschiedene Voraussetzungen erfüllt sein, die im Berufsbildungsgesetz (BBiG) und in der Handwerksordnung (HwO) geregelt sind. Hierzu zählen das Vorhandensein eines persönlich und fachlich geeigneten Ausbilders/ einer Ausbilderin im Betrieb und die grundsätzliche Eignung des Betriebes als Ausbildungsstätte. Die Branche „Handel und Reparatur“ stellt in Berlin mit 19 Prozent den zweithöchsten Anteil an allen Auszubildenden.93 Eine Aussage über die Ausbildungsbeteiligung von Einzelhandelsbetrieben in Berlin nach Betriebsgrößenklasse kann an dieser Stelle auch nur in Anlehnung an einen allgemeinen Trend getroffen werden: Die Ausbildungsbeteiligung in Betrieben mit 50 und mehr Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ist um ein Vielfaches höher (82 Prozent) als in Klein- und Kleinstbetrieben (16 Prozent). Ab einer Anzahl von 10 Beschäftigten steigt die Beteiligung aber bereits exponentiell an (61 Prozent). Klein- und Kleinstbetriebe verfügen zumeist nicht über die formalen Voraussetzungen. Im Gegensatz zu den Betrieben mit 50 bis 250 Beschäftigten haben jene jedoch deutlich weniger Probleme bei der Besetzung der vakanten Ausbildungsstellen. In 2012 betrug die Nichtbesetzungsquote für den Handel in Berlin 15 Prozent und ist damit im Vergleich relativ gering.94 Abschließend soll die Übernahmesituation der Ausbildungsabsolventen im Handel dargestellt werden. Es zeigt sich, dass die Chance zur Übernahme von der Ausbildung in ein Beschäftigungsverhältnis im Berliner Dienstleistungssektor im Vergleich zu anderen Branchen deutlich geringer ist. Während Ausbildungsbetriebe hier lediglich 40 Prozent der Auszubildenden nach ihrem Abschluss übernehmen, sind es im produzierenden Gewerbe mehr als doppelt so viel. Die Chance im Dienstleistungssektor übernommen zu werden ist dabei für Frauen größer als für Männer.95 In der jüngst von ver.di vorgelegten Sonderauswertung des DGB-Ausbildungsreports für die Handelsbranche werden die Sichtweisen der Auszubildenden des Handels wiedergegeben. Es wurden insgesamt 3.700 Auszubildende befragt. Den Ergebnissen zufolge hat ein Drittel der jungen Menschen im Handel keine Grundlage für den betrieblichen Teil der Ausbildung, also keinen Ausbildungsplan. Mehr als 17 Prozent führen häufig ausbildungsfremde Tätigkeiten aus. Ein Fünftel kann sich nur manchmal oder selten von einem/einer Ausbilder/Ausbilderin Unterstützung holen. Besonders häufig klagen angehende Fachverkäuferinnen und Fachverkäufer im Lebensmittelhandwerk über die mangelnde Qualität ihrer Ausbildung. In den Handelsberufen müssen fast 20 Prozent der Auszubildenden regelmäßig Überstunden machen, bei den Fachverkäuferinnen und Fachverkäufern im Lebensmittelhandwerk ist die wöchentliche Arbeitszeit bei einem Drittel der Auszubildenden regelmäßig mehr als 40 Stunden.96 93 94 95 96 Vgl. Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen (2013), S. 46, S. 50. Vgl. ebd., S. 48 ff. Vgl. ebd., S. 52 ff. Vgl. Ver.di (2014): DGB-Ausbildungsreport 2013 – Sonderauswertung Handel. S. 5 ff. http://www.verdinews.de/download/DGB-Ausbildungsreport-Sonderauswertung-Handel_2013.pdf (05.12.2014). 34 Expertise »Balanceorientierte Arbeitszeitgestaltung als sozialer Arbeitsschutz im Einzelhandel« 3.4 Qualifikation und Weiterbildung im Berliner Einzelhandel In Folge der demografischen Entwicklung wird der künftige Arbeitsmarkt durch einen erheblichen Fachkräftemangel gekennzeichnet sein. Entsprechend wächst die Bedeutung der Aus- und Weiterbildung. Auch der Einzelhandel wird immer stärker auf gut ausgebildete und qualifizierte Beschäftigte angewiesen sein. Wie sich die gegenwärtige Situation im Berliner Einzelhandel darstellt, wird in den folgenden Abschnitten beschrieben. 3.4.1 Qualifikationsniveaus der Beschäftigten Von den 99.697 Beschäftigten des Berliner Einzelhandels verfügen knapp 54 Prozent über einen anerkannten Berufsabschluss und ca. 6 Prozent über einen akademischen Abschluss. 13 Prozent haben keinen Abschluss und bei 27 Prozent der Beschäftigten kann keine Angabe über den Abschluss gemacht werden.97 Zu letztgenannter Gruppe zählen auch Schülerinnen und Schüler sowie Studierende, die im Einzelhandel einer Nebenerwerbstätigkeit nachgehen. Abbildung 9: Qualifikationsniveaus im Berliner Einzelhandel, Stichtag 31.12.2012 Quelle: Beschäftigungsstatistik Bundesagentur für Arbeit (2012); eigene Berechnungen. Auffällig ist, dass, gemessen am je geschlechterspezifischen Anteil der Beschäftigten (Frauen 66.330 Beschäftigte, Männer 33.367 Beschäftigte), Männer deutlich häufiger im Einzelhandel arbeiten ohne einen Abschluss zu haben. Auch die Anzahl jener, bei denen die Ausbildung unbekannt ist, überwiegt bei den Männern. Über einen akademischen Abschluss verfügen sowohl Männer als auch Frauen in gleicher Höhe. Bei beiden Geschlechtern überwiegt die Anzahl derer, die einen anerkannten Berufsabschluss haben (Frauen: 56 Prozent; Männer: 47 Prozent).98 97 98 Vgl. Beschäftigungsstatistik der Bundesagentur für Arbeit. Vgl. ebd. 35 Expertise »Balanceorientierte Arbeitszeitgestaltung als sozialer Arbeitsschutz im Einzelhandel« Abbildung 10: Geschlechterspezifische Qualifikationsniveaus im Berliner Einzelhandel, Stichtag 31.12.2012 Quelle: Beschäftigungsstatistik Bundesagentur für Arbeit (2012); eigene Berechnungen. Betrachtet man nun das Qualifikationsniveau in den beschäftigungsstärksten Segmenten des Berliner Einzelhandels, in den über 60 Prozent aller Beschäftigten sind, so ergibt sich folgendes Bild: Abbildung 11: Qualifikationsniveau im Berliner Einzelhandel und in den beschäftigungsstärksten Segmenten im Vergleich, Stichtag 31.12.2012 Quelle: Beschäftigungsstatistik Bundesagentur für Arbeit (2012); eigene Berechnungen. 36 Expertise »Balanceorientierte Arbeitszeitgestaltung als sozialer Arbeitsschutz im Einzelhandel« Bereits auf den ersten Blick wird deutlich: Der Anteil Beschäftigter mit einem anerkannten Berufsabschluss liegt im „Einzelhandel mit Waren verschiedener Art“ (WZ 47.1) deutlich über dem Berliner Durchschnitt, im „Einzelhandel mit sonstigen Gütern“ (47.7) jedoch darunter. Der Anteil Beschäftigter mit akademischem Abschluss ist in letzterem Segment, sowohl im Vergleich zum Berliner Durchschnitt als auch zum „Einzelhandel mit Waren verschiedener Art“ um ein vielfaches höher. Des Weiteren fällt auf, dass in beiden Segmenten der Anteil Beschäftigter ohne anerkannten Berufsabschluss über dem Durchschnittswert für den Berliner Einzelhandel liegt. Dies zeigt, dass die beschäftigungsstärksten Segmente ein breites Spektrum sogenannter „einfacher Dienstleistungstätigkeiten“ umfasst. 3.4.2 Weiterbildung/ Lebenslanges Lernen im Berliner Einzelhandel Sowohl die Produkte, die zum Verkauf angeboten werden, als auch die Anforderungen der Kundinnen und Kunden sind stets im Wandel. Somit verändern sich oftmals auch die qualifikatorischen Anforderungen an die Beschäftigten und es bedarf einer Betrachtung der Weiterbildungssituation im Berliner Einzelhandel. Lebenslanges Lernen erhält in der gesellschaftlichen Wahrnehmung einen immer höheren Stellenwert und bietet sowohl für die Beschäftigten als auch für die Unternehmen einen deutlichen Mehrwert. Ob als betriebliche Weiterbildungsmaßnahme oder persönliches Engagement in die private und berufliche Zukunft deklariert – Weiterbildung ist aus dem Sprachgebrauch und dem Denken vieler Beschäftigter nicht mehr wegzudenken. Aber wird das lebenslange Lernen auch im Berliner Einzelhandel den Beschäftigten – auch den älteren Beschäftigten – ermöglicht? Betriebliche Weiterbildungsaktivitäten und Weiterbildungsbeteiligung von Beschäftigten Für den Einzelhandel liegen diesbezüglich leider keine spezifischen Daten vor, weshalb an dieser Stelle nur spezifische Auskünfte in Bezug auf den Handel in Berlin sowie allgemeingültige Aussagen für die Berliner Wirtschaft ausgeführt werden können. Im Handel in Berlin beträgt die Weiterbildungsquote 39 Prozent und liegt damit fünf Prozent über der allgemeinen Berliner Weiterbildungsquote von 34 Prozent. Im Handel beschäftigte Frauen (38 Prozent) nehmen im Vergleich zum Berliner Durchschnitt für Frauen (39 Prozent) leicht unterdurchschnittlich an Weiterbildungsmaßnahmen teil, Männer hingegen (40 Prozent) nehmen verglichen zum Durchschnitt (29 Prozent) häufig teil.99 Der hohe Anteil männlicher Beschäftigter an Weiterbildungsmaßnahmen im Handel ist insbesondere auf die gesetzlich vorgeschriebenen Weiterbildungsmaßnahmen zurückzuführen, wie zum Beispiel der Gabelstaplerführerschein, der in der Lagerlogistik zahlreichen Einsatz findet. 99 Vgl. ebd., S. 59 f. 37 Expertise »Balanceorientierte Arbeitszeitgestaltung als sozialer Arbeitsschutz im Einzelhandel« Tabelle 3: Weiterbildungsquote insgesamt, von Frauen, Männern, nach Branchen und in Betriebsgrößenklassen in Berlin, Stichtag 30.6.2012 Branche/Betriebsgrößenklasse Verarbeitendes Gewerbe Baugewerbe* Handel und Reparatur Verkehr, Information, Kommunikation* Finanz- und Versicherungsdienstleistungen* Unternehmensnahe Dienstleistungen Erziehung und Unterricht* Gesundheits- und Sozialwesen Übrige Dienstleistungen Organisationen ohne Erwerbszweck* Öffentliche Verwaltung* 1 bis 5 bis 10 bis 50 bis ab 4 Beschäftigte 9 Beschäftigte 49 Beschäftigte 249 Beschäftigte 250 Beschäftigte Insgesamt Frauen Männer 27 24 39 33 40 27 39 51 21 41 34 23 35 38 30 41 31 47 56 28 40 34 29 22 40 34 38 23 22 38 15 42 34 24 28 35 39 33 31 31 44 47 36 18 25 28 33 30 Berlin 34 39 29 Ostdeutschland 35 39 31 Westdeutschland 31 32 30 * Wegen geringer Besetzungszahlen in den gekennzeichneten Branchen sind die Werte mit einer großen statistischen Fehlertoleranz behaftet. Sie sind daher nur eingeschränkt interpretierbar. Quelle: IAB-Betriebspanel, Welle 2012, S. 59. Weiterbildung ist zudem für die weiblichen Beschäftigten, die überwiegend in Teilzeit arbeiten, auch aus diesem Grunde nur schwer möglich. Zwar bringen Frauen oftmals eine hohe Bereitschaft für die Weiterbildung mit, doch ihr geringes Arbeitszeitvolumen und auch ihre oftmals alleinige Zuständigkeit für Betreuungsaufgaben für Kinder oder zu pflegende Angehörige stellen Hemmnisse dar. An dieser Stelle muss jedoch noch einmal auf die mangelnde Datenlage hingewiesen werden. Es bedarf angesichts der strukturellen Entwicklungen im Einzelhandel und den damit einher gehenden wachsenden Qualifikationsanforderungen näherer Untersuchungen. Darin gilt es insbesondere die Zeitdimensionen zu beleuchten. Denn angesichts der hohen Flexibilität in der Arbeitszeit entsteht die Frage, wann lebenslanges Lernen zeitlich möglich ist und ob Weiterbildungsangebote entsprechend der zeitlichen Vorgaben und Restriktionen angeboten werden. Im Zuge des demografischen Wandels und der erhöhten Beteiligung älterer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer am Arbeitsmarkt, spielt eine alternsgerechte betriebliche Weiterbildung eine immer größere Rolle. Insbesondere im Einzelhandel wäre eine stärkere Berücksichtigung notwendig, wo die Anzahl Beschäftigter ab 50 Jahren drastisch zurückgeht.100 Auch die Umfrageergebnisse des DGB haben gezeigt, dass eine Vielzahl Beschäftigter im Einzelhandel einer eigenen Einschätzung zufolge nicht bis zur Rente arbeitsfähig sein wird.101 100 101 Vgl. Beschäftigungsstatistik der Bundesagentur für Arbeit. Vgl. DGB-Index Gute Arbeit (2013). 38 Expertise »Balanceorientierte Arbeitszeitgestaltung als sozialer Arbeitsschutz im Einzelhandel« Die begünstigenden Faktoren für spezifische Maßnahmen für ältere Beschäftigte unterscheiden sich im Wesentlichen nicht von denen, die bei allgemeinen betrieblichen Maßnahmen greifen. Entscheidend ist auch hier die Betriebsgröße. Mit der Größe des Betriebes steigt das Engagement. 80 Prozent aller Großbetriebe, in denen Ältere beschäftigt waren, haben in 2011 Maßnahmen für diese durchgeführt. Betriebe mittlerer Betriebsgrößenklasse realisierten zu 47 Prozent derartige Maßnahmen. Bei den Klein- und Kleinstbetrieben zeigten 19 Prozent ein Engagement.102 Trotz der Zunahme des Beschäftigtenanteils Älterer in den letzten Jahren bietet nur ein kleiner Teil der Betriebe mit älteren Beschäftigten gesonderte Maßnahmen für jene an. Für den Erhalt der Beschäftigungsfähigkeit dieser Beschäftigtengruppe ist ein stärkeres betriebliches Engagement jedoch notwendig, wie die Zahlen im Einzelhandel belegen.103 3.5 Die Einkommenssituation im Berliner Einzelhandel Laut den Ergebnissen der durch die Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen beauftragten Studie „Betriebspanel Berlin 2013“ lag der durchschnittliche Bruttomonatsverdienst im Handel für abhängig Beschäftigte bei 1.790 Euro, unter Einbezug der Vollzeitäquivalente bei 2.190 Euro in 2013. Der Bruttomonatsverdienst lag bis dato deutlich unter dem Durchschnitt für die gesamte Berliner Wirtschaft. Pro abhängig Beschäftigtem betrug dieser für Berlin 2.200 Euro und unter Einbezug der Vollzeitäquivalente 2.620 Euro. Tabelle 4: Bruttodurchschnittslöhne/-gehälter nach ausgewählten Branchen in Berlin 2013 (Stand: 30. Juni, ohne Arbeitgeberanteile und ohne Urlaubsgeld) Branche Bruttodurchschnittsverdienst je abhängig Beschäftigten Bruttodurchschnittsverdienst je Vollzeitäquivalent Euro Verarbeitendes Gewerbe Baugewerbe* Handel und Reparatur Verkehr, Information, Kommunikation* Finanz- und Versicherungsdienstleistungen* Unternehmensnahe Dienstleistungen Gesundheits- und Sozialwesen Übrige Dienstleistungen Öffentliche Verwaltung* Insgesamt 2.550 . 1.790 2.500 2.600 2.120 1.930 1.780 2.600 2.200 2.780 . 2.190 2.770 2.970 2.520 2.630 2.320 2.950 2.620 * Wegen geringer Besetzungszahlen in den gekennzeichneten Branchen sind die Werte mit einer großen statistischen Fehlertoleranz behaftet. Sie sind daher nur eingeschränkt interpretierbar. Quelle: IAB-Betriebspanel, Welle 2013. 102 103 Vgl. Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen (2012), S. 26 ff. Vgl. ebd., S. 27. 39 Expertise »Balanceorientierte Arbeitszeitgestaltung als sozialer Arbeitsschutz im Einzelhandel« 3.5.1 Tariflicher Bruttodurchschnittsverdienst und Tätigkeit im Einzelhandel Mit den Ergebnissen der Tarifverhandlungen im Einzelhandel im Januar 2014 hat ver.di Berlin-Brandenburg eine Entgelterhöhung von insgesamt 5,1 Prozent ab dem 1. Juli 2014 umgesetzt.104 Für kaufmännische Angestellte gelten seither folgende tarifvertraglich geregelte Entgelte: Angestellte im Berliner Einzelhandel, die einfache Tätigkeiten erfüllen, für die keine Berufsausbildung notwendig ist - zum Beispiel Verkaufshilfen oder Hilfskräfte im Lager - verdienen je nach Tätigkeitsjahren zwischen 1.598 und 1.998 Euro. Beschäftigte, die eine 2- oder 3-jährige Ausbildung abgeschlossen haben, verdienen zwischen 1.863 und 2.328 Euro. Zu jenen zählen zum Beispiel Einzelhandelskaufmänner und Einzelhandelskauffrauen sowie Verkäufer und Verkäuferinnen. Verkäuferinnen und Verkäufer, die qualifizierte Arbeiten selbstständig erledigen und über besondere Fachkenntnisse verfügen oder eine kleine Filiale leiten, kommen je nach Berufsjahren auf ein monatliches Bruttoentgelt zwischen 2.133 und 2.799 Euro. Leiterinnen und Leiter größerer Filialen oder Hauptkassierer und Hauptkassiererinnen, sprich: Beschäftigte, die eine hohe Verantwortung tragen, verdienen je nach Tätigkeitsjahren und Anzahl der Unterstellten im Durchschnitt zwischen 2.323 und 3.513 Euro pro Monat. Angestellte in leitender Stellung mit voller Verantwortung erhalten ein Bruttoverdienst zwischen 2.810 und 4.342 Euro.105 3.6 Arbeitsbedingungen im Berliner Einzelhandel Im Folgenden werden die Auswirkungen der strukturellen Merkmale und der ökonomischen Bedingungen des Einzelhandels für die Beschäftigungssituation und die Konsequenzen dieser für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer des Berliner Einzelhandels dargestellt und pointiert. Die wirtschaftlichen Entwicklungen und Marktstrategien sowie die sich daraus ergebenden Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten sind gekennzeichnet durch einen zunehmenden Kostendruck aufgrund stagnierender Umsätze und durch erhöhte Flexibilisierungsanforderungen. Ausdehnung und Flexibilisierung der Ladenöffnungszeiten Als zentrales Merkmal muss an dieser Stelle erneut auf die Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten verwiesen werden: Im verschärften Wettbewerb um Kundinnen und Kunden haben die Ladenöffnungszeiten im Einzelhandel eine wichtige Bedeutung gewonnen. Die Perspektive der Nachfragenden steht oftmals im Mittelpunkt bei der Beurteilung von Dienstleistungsqualität, was gravierende Auswirkungen auf die Gestaltung der Betriebs- und Arbeitszeiten der Beschäftigten hat. Flexibilität der Arbeitszeitgestaltung, als Reaktion auf die Veränderung der zeitlichen Interessen der Kundinnen und Kunden, ist damit zu einem entscheidenden Wettbewerbsfaktor von Einzelhandelsunternehmen geworden. Gängige Stra- 104 105 Vgl. Ver.di (2014): Pressemitteilung Tarifergebnis Einzelhandel Berlin und Brandenburg. https://handelbb.verdi.de/einzelhandel/tarifrunde (04.12.2014). Vgl. Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen; Ministerium für Arbeit, Soziales, Frauen und Familie (2014). http://www.berlin.de/imperia/md/content/senarbeit/tarifregister/kurzuebersichten_berlin.pdf?start&ts=1389107928&file=kurzuebersichten_berlin.pdf (04.12.2014). 40 Expertise »Balanceorientierte Arbeitszeitgestaltung als sozialer Arbeitsschutz im Einzelhandel« tegien im Umgang mit den gestiegenen Flexibilitätsanforderungen im Einzelhandel sind die Mobilisierung von Aushilfen, Überstunden und der Verzicht auf freie Tage und Urlaubsansprüche sowie Arbeit auf Abruf. Gerade in Kleinbetrieben gibt es oft informelle Regelungen in Bezug auf die flexible Gestaltung von Arbeitszeiten, die häufig mit Intransparenz und Ungleichbehandlung der verschiedenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einhergehen.106 Idealtypisch können zwei Strategien benannt werden, wie Einzelhandelsunternehmen mit den erhöhten Flexibilitätsanforderungen umgehen können, die in der Realität natürlich in unterschiedlichen Kombinationen zu finden sind107: • Durch aktive Personalflexibilität: Die Flexibilitätsanforderungen des Unternehmens wer- den durch das vorhandene, breit qualifizierte Personal in eigenverantwortlicher Form gemeistert. Entsprechend existieren flexible Arbeitszeitmodelle, die den Beschäftigten ein hohes Maß an Selbst- bzw. Mitbestimmung ermöglichen. • Durch passive Personalflexibilität: Hier werden die Unternehmen den Flexibilitätsanfor- derungen durch numerische Flexibilität gerecht, d. h. durch möglichst viele Beschäftigte mit geringem Arbeitszeitvolumen, die für ausgewählte Arbeitsaufgaben (z. B. Kassieren, Warenverräumung) bei Bedarf eingesetzt werden können. Im Zentrum steht hier die (jederzeitige) Verfügbarkeit der Beschäftigten; eine Orientierung an den Arbeitszeitinteressen der Beschäftigten besteht eher nicht. Die Arbeitszeiten im Einzelhandel werden noch stärker als bisher von der „Normal- oder Standardarbeitszeit“ abweichen und der Anteil flexibler Arbeitszeitregelungen wird zunehmen. Veränderungen sind zu erwarten in Bezug auf: • die Dauer der Arbeitszeiten (Ausdehnung der täglichen Arbeitszeiten, Ausweitung der Schichtzeiten, Ausweitung geteilter Dienste), • die Lage der Arbeitszeiten (Verschiebung in Abend- und Nachtzeiten und in das Wo- chenende und damit verbunden eine Zunahme von Schichtarbeit), • die Verteilung der Arbeitszeiten (entweder eine Verteilung der Arbeitszeit auf längere Zeiträume, sog. „ausgedehnte Arbeitswoche“, oder Komprimierung der Arbeitszeit in kurzen Arbeitswochen mit überlangen Schichten), • den Rhythmus von Arbeit und Freizeit (weitere Desynchronisation von biologischen und sozialen Rhythmen) und • den Einfluss der Beschäftigten auf die Gestaltbarkeit der Arbeitszeiten (reduzierte Überschaubarkeit und Zuverlässigkeit von Arbeits- und Ruhezeiten, Verfügbarkeit entsprechend der Kundennachfrage). Es wird auch davon ausgegangen, dass im Zuge dieser weiteren Flexibilisierung der Arbeitszeiten der Anteil von Teilzeit- und geringfügiger Beschäftigung weiter zunehmen wird.108 106 107 108 Vgl. Möll/Hilf (2004). Vgl. Voss-Dahm/Lehndorf (2003). Vgl. Nachreiner (2006). 41 Expertise »Balanceorientierte Arbeitszeitgestaltung als sozialer Arbeitsschutz im Einzelhandel« Flexibilisierung und Ausdifferenzierung der Beschäftigungsverhältnisse Die Flexibilisierung der Arbeitszeiten ist somit nicht unabhängig von der Flexibilisierung der Arbeitsverhältnisse. Der Bedeutungsverlust des Normalarbeitsverhältnisses ist deshalb so problematisch weil Teilzeitbeschäftigung, Leiharbeit, Werkverträge und SoloSelbstständigkeit häufig nicht existenzsichernd sind und für die Beschäftigten hohe finanzielle, emotionale und psychische Belastungen zur Folge haben. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass, auch wenn alle Bereiche des Berliner Einzelhandels von den Flexibilisierungstendenzen geprägt sind, nicht alle in gleichem Maße davon Gebrauch machen. Sie sind insbesondere in den Vertriebsformen des Einzelhandels eine attraktive Beschäftigungsform für die Unternehmen, in denen die Beratungs- und Bedienungsintensität aufgrund des Selbstbedienungsprinzips vergleichsweise gering ist und sich die Arbeitsprozesse in kleine und kleinste Beschäftigungseinheiten z. T. mit geringen Qualifikationsanforderungen unterteilen lassen (wie z. B. in Supermärkten und SB-Warenhäusern). In anderen Bereichen des Einzelhandels, wie beispielsweise in Warenhäusern oder Fachmärkten, in denen es stärker auf die Beratung durch qualifiziertes Fachpersonal ankommt, haben atypische Beschäftigungsverhältnisse hingegen eine deutlich geringere Bedeutung.109 Gestiegene Qualifikationsanforderungen an die Beschäftigten Verstärkt wird der allgemeine Trend der Ausweitung atypischer Beschäftigungsverhältnisse noch durch die Flächenexpansion im Einzelhandel. Problematisch ist jedoch, dass eine Ausweitung der Verkaufsfläche nicht zwangsläufig mit einer Personalexpansion einhergeht. Die Flächenexpansion im Einzelhandel ist nicht mit einer nennenswerten Umsatzsteigerung verbunden, was zu einer Verringerung der Flächenproduktivität führt. Eine Kompensation von Umsatzverlusten erfolgt durch Personaleinsparungen. Die Personalsituation im Einzelhandel und die damit verbundenen Mehrbelastungen für die Beschäftigten werden sich weiter verschärfen. Wie bereits in Kapitel zwei skizziert, äußert sich diese Mehrbelastung für Beschäftigte vor allem in Form von Arbeitsverdichtung und Arbeitshetze. Aufgrund von Personaleinsparungen und der zunehmenden Beschäftigung von atypisch Beschäftigten steigt die Bedeutung der erfahrenden und qualifizierten Kräfte in ihrer Funktion als „Anker“ für die Koordination des betrieblichen Ablaufes. Doch auch für diese Aufgabe bedarf es ausreichender Ressourcen, sowohl zeitlicher als auch qualifikatorischer. Die Ausdifferenzierung der Qualifikationsanforderungen und die zunehmende geringfügige Beschäftigung im Einzelhandel wird eine geschlechtsspezifische Polarisierung der Qualifikations- und Beschäftigungsprofile in diesem Sektor verstärken: „Die Restrukturierung des Einzelhandelssektors erfolgt daher nicht geschlechtsneutral, sondern eröffnet dem männlich dominierten Management und technischem Fachpersonal neue Qualifizierungs- und Aufstiegschancen, während die vorwiegend im Verkauf arbeitenden weiblichen Beschäftigten eine Einschränkung ihres Tätigkeitsspektrums, verschlechterte Arbeitsbedingungen und zunehmend prekäre Arbeitsverhältnisse hinnehmen müssen.“110 109 110 Vgl. Voss-Dahm/Lehndorf (2003). Bahn (2004), S. 2. www.labournet.de/branchen/dienstleistung/eh/chbahn.html (05.02.2007). 42 Expertise »Balanceorientierte Arbeitszeitgestaltung als sozialer Arbeitsschutz im Einzelhandel« Weiterbildung und lebenslanges Lernen nehmen somit eine immer bedeutendere Rolle für die Betriebe und die Beschäftigten ein. Qualifikatorische Ansprüche an die Beschäftigten ergeben sich auf drei Ebenen: Zunächst bedingt die Produkt- und Servicequalität im Einzelhandel einen umfassenden Kenntnisstand und kundenorientiertes Auftreten seitens der Beschäftigten. Für Berlin als Dienstleistungsmetropole ergibt sich die Besonderheit für die Beschäftigten, dass sie den Anforderungen des multikulturellen Hintergrundes der Bürgerinnen und Bürger sowie der zahlreichen Touristen gerecht werden müssen. Darüber hinaus wird seitens des Unternehmens ein gesteigerter Qualifikationsanspruch an die Beschäftigten hinsichtlich der Arbeitsorganisation gestellt. Oftmals regeln die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen die Einteilung der Arbeitszeiten selbst, was bei einer Zunahme flexibler Arbeitskräfte zu einem erhöhten Organisationsaufwand führt. Schließlich sei noch auf die Bedeutung alternsgerechter Arbeitsplätze hingewiesen. Der Anteil Älterer an den Beschäftigten im Berliner Einzelhandel sinkt mit zunehmendem Alter. Da aufgrund des demografischen Wandels in Berlin mit einer erhöhten Anzahl älterer Beschäftigter gerechnet wird, ist auch für den Berliner Einzelhandel die Attraktivität als Arbeitgeber ein wichtiger Faktor. Neben den bisher aufgeführten Arbeitsbedingungen der Beschäftigten des Berliner Einzelhandels darf nicht in Vergessenheit geraten, dass dieser nach wie vor eine Frauenbranche ist. Weibliche Beschäftigte besetzen besonders stark die prekären Arbeitsverhältnisse, wie Teilzeit und geringfügige Beschäftigung. Frauen übernehmen zudem sehr viel eher familiäre Betreuungsaufgaben und sind daher jenseits ihrer Erwerbstätigkeit abhängig von Öffnungs- und Taktzeiten. Dass hier ein wachsendes Spannungsverhältnis entsteht, ist daher offensichtlich. 43 Expertise »Balanceorientierte Arbeitszeitgestaltung als sozialer Arbeitsschutz im Einzelhandel« 4 Arbeitszeit im Wandel Die zunehmende zeitliche und räumliche Entgrenzung von Arbeit und Freizeit bedingt durch die technologischen Möglichkeiten im digitalen Zeitalter führt zu einer Entstandardisierung und Vervielfältigung von Lebensentwürfen und Lebensstilen. Mit ihnen vermehren sich auch die zeitlichen Interessen in der Nachfrage von Dienstleistungen und Produkten. Auf Anbieterseite steigt mit der Intensivierung des Wettbewerbs der Druck, der Vielfalt in der Nachfrage, die sich in saisonalen, monatlichen, wöchentlichen und täglichen Schwankungen spiegeln kann, durch Flexibilisierung Rechnung zu tragen. Dieser Prozess wird zunehmend durch eine Deregulierung von Arbeitsverhältnissen eingeleitet, die sich sowohl auf die Gestaltung des Beschäftigungsverhältnisses als auch auf die Gestaltung von Dauer, Lage und Einteilung der Arbeitszeit bezieht. Ein Beispiel aus dem Textileinzelhandel beschreibt diesen Flexibilisierungsprozess in der Praxis: 58 Prozent der Beschäftigten eines bekannten Modelabels in Deutschland arbeiten in Teilzeit, wobei die Hälfte dieser hoch flexible Arbeitskräfte sind, in deren Arbeitsverträgen weder eine festgeschriebene Wochenstundenzahl noch ein vereinbarter Lohn festgelegt sind. Sie werden stundenweise entlohnt und auf Abruf geholt.111 Nachfolgend wird ein Blick in die Nachfrage- und Angebotsseite geworfen. Es werden die Entwicklungen beleuchtet, die sich aus der Vermehrung der zeitlichen Interessen in der Nachfrage sowie dem Flexibilisierungsprozess für Arbeitsbedingungen und Beschäftigungssituation im Einzelhandel ergeben. Zudem werden die darin begründeten Arbeitszeitanforderungen und Belastungen für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dargestellt. 4.1 Spannungsfeld zwischen Arbeitszeit und zeitlichen Präferenzen der Kundinnen und Kunden im Einzelhandel Kundinnen und Kunden haben vor allem das Interesse, bezahlbare Dienstleistungen in guter Qualität zu bekommen – und zwar genau dann, wenn Bedarf besteht. Somit spielt der Aspekt der zeitlichen Verfügbarkeit im Dienstleistungssektor eine besondere Rolle. Durch die Tatsache, dass viele Dienstleistungen, vom Einzelhandel bis zum Friseur, von der Kinderbetreuung bis zur Pflege, von der Unternehmensberatung, dem Handwerk oder ITFachleuten bis zur bürgernahen Verwaltung, nur im direkten Kontakt zwischen der Dienstleisterin oder dem Dienstleister und den Kundinnen und Kunden ausgeführt werden können, kommt der (Arbeits-)Zeit eine zentrale Bedeutung sowohl für das wirtschaftliche Geschehen in den Dienstleistungssektoren als auch für die Beschäftigten in dieser Branche zu. Sichtbar ist bereits heute eine zunehmende Flexibilisierung und Erweiterung der Verfügungs- und Öffnungszeiten, die häufig als Verbesserung der Lebensqualität wahrgenommen oder zumindest so beschrieben werden. Schon fast Normalität geworden ist der Wochenendeinkauf am Freitagabend gegen 22 Uhr, das Shopping am Samstag sowie an Advents- und verkaufsoffenen Sonntagen sowie die ausgeweiteten Öffnungszeiten von Biblio- 111 Vgl. Köhnen (2006), S. 11 f. 44 Expertise »Balanceorientierte Arbeitszeitgestaltung als sozialer Arbeitsschutz im Einzelhandel« theken, welche die Ausleihe der Abendlektüre auch noch nach Feierabend ermöglichen. Auch Ärzte und Apotheken haben ihre Öffnungszeiten den Arbeitszeiten vieler Beschäftigter angepasst, sodass eine Behandlung z. B. an festen Wochentagen auch bis 20 Uhr möglich ist. Die Nachfrage der Kundinnen und Kunden wirkt sich somit unmittelbar auf die Öffnungszeiten und damit auch auf die Arbeitszeiten der Beschäftigten aus. Wochenend-, Feiertags-, Früh- und Spätdienste sowie Nachtarbeit sind die Folge. Von den Beschäftigten wird ein Höchstmaß an zeitlicher Flexibilität erwartet. Das bedeutet nicht nur, dass Abendschichten im Supermarkt bis 22 Uhr oder länger übernommen werden müssen. Vielfach werden die Regale in Drogerien, Kaufhäusern oder Supermärkten nachts von Beschäftigten mit Werkverträgen eingeräumt. Wo auf der einen Seite die zeitliche Flexibilität ihre kurzfristig gedachten und gefühlten Vorteile zeigt, wie zum Beispiel bei der Kinderbetreuung, führt sie auf der anderen Seite immer häufiger zur Arbeitszeit auf Abruf. Eine Entgrenzung von Arbeitszeit und Freizeit ist die Folge des Höchstmaßes an Flexibilität. Eine ausgewogene Balance zwischen den zeitlichen Anforderungen des Unternehmens und den Interessen der Beschäftigten ist oftmals nicht gegeben. Zu den zeitlichen Belastungen für die Beschäftigten im Einzelhandel kommen hohe fachliche Anforderungen sowie empathische Qualifikationsanforderungen, die unmittelbar und jederzeit erbracht werden müssen. Die Beschäftigten sollen stets freundlich und hilfsbereit sein und auf die Kunden und Kundinnen eingehen – egal, ob diese freundlich oder auch verärgert, in Hektik oder auch gelassen sind. Das variiert von Kunde zu Kundin, von Tag zu Tag und nicht selten erfolgen zeitgleich oder unmittelbar hintereinander unterschiedliche, mitunter auch widersprüchliche Erwartungen und Ansprüche. Anbieter und Anbieterinnen orientieren sich unter wachsenden Wettbewerbsdruck und mit dem Argument der Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens an den Nachfragezeiten, dies wird in Beschreibungen wie „Peak Time“ deutlich. Spitzenzeiten ergeben sich vor allem in der Weihnachtszeit. Viele Einzelhandelsunternehmen reagieren mit einem Anstieg kurzfristiger Beschäftigungsverhältnisse auf die Weihnachtskonjunktur. So stellte beispielsweise der Online-Händler Amazon, der am Standort Deutschland in 2013 rund 9.000 feste Arbeitsplätze verzeichnete, für das Weihnachtsgeschäft im selben Jahr 14.000 Saisonkräfte vorübergehend ein.112 Die (zeitlichen) Interessen und Bedarfe der Beschäftigten bleiben dabei allzu oft unberücksichtigt. Doch gerade bei der Erbringung von Dienstleistungen kommt es nicht nur auf das „Was“ der Dienstleistung (Produkt), sondern vor allem auf das „Wie“ der Leistungserbringung an. Für Kundinnen und Kunden sind neben dem zeitlichen Aspekt der Öffnungszeit insbesondere die professionelle Freundlichkeit und die fachliche Expertise der Beschäftigten entscheidend. Diese geforderte Qualität im Dienstleistungsbereich ist kein absoluter, sondern ein relativer Begriff, der sich entlang der gesamten Prozesskette aus verschiedenen Betrachtungsperspektiven immer anders äußert. 112 Vgl. Die Welt (2013): Amazon stellt 1300 Saisonkräfte dauerhaft an. http://www.welt.de/wirtschaft/article123354584/Amazon-stellt-1300-Saisonkraefte-dauerhaft-an.html (03.12.2014). 45 Expertise »Balanceorientierte Arbeitszeitgestaltung als sozialer Arbeitsschutz im Einzelhandel« 4.2 Einschätzung und Sichtweise der Beschäftigten zu Arbeitszeitanforderungen im Einzelhandel Was des einen Freud ist, kann des anderen Leid sein. Die Arbeitszeitbedingungen im Einzelhandel gehen oftmals mit Belastungen einher und so manche gesellschaftliche Entwicklung ist unter dem Stichwort „Flexibilität“ zur Normalität geworden. Was dies jedoch für die Beschäftigten im Einzelhandel bedeutet, wie sie diese Belastungen einschätzen, wird nun nachfolgend skizziert. Damit werden zugleich Gestaltungskorridore und –notwendigkeiten aufgezeigt. Stressfaktor Wochenendarbeit Wie oben bereits dargestellt, ist die Arbeitszeit ein wichtiger Parameter zur Bestimmung von Arbeitsqualität und damit von Arbeitsbedingungen im Einzelhandel. Der „Stressreport Deutschland 2012“113, 114 weist darauf hin, dass sich ein Belastungsempfinden besonders dann bemerkbar macht, wenn Anforderungen aus dem Arbeitsinhalt und der Arbeitsorganisation zu psychischen Belastungen werden. In seiner Untersuchung für den Wirtschaftszweig „Handel“ zeigt der Report folgende Ergebnisse: Beschäftigte sind überdurchschnittlich häufig von Monotonie, Arbeitsunterbrechungen und dem Druck, sehr schnell arbeiten zu müssen, betroffen. Einen Spitzenplatz unter den Stressfaktoren nimmt die Samstagsarbeit ein. Hinsichtlich der Arbeitszeit am Wochenende unterstreichen die Umfrageergebnisse des DGB aus dem Jahr 2011 zum Thema „Stressfaktor Wochenend-Arbeit“ die Resultate des Stressreportes. Von Wochenend-Arbeit sind primär Personen in Verkaufsberufen betroffen (73 Prozent), dabei nimmt der Wirtschaftszweig „Handel“ den zweiten Platz (54 Prozent) nach dem Gastgewerbe (80 Prozent) ein. Darüber hinaus arbeiten überwiegend in Teilzeit beschäftigte Frauen (41 Prozent) am Wochenende, unabhängig davon, ob sie Familienpflichten nachkommen müssen. Haushalte mit Kindern sind ebenso wie Haushalte ohne Kinder zu 36 Prozent von Wochenend-Arbeit betroffen. Zudem ist die Einkommensgruppe mit einem Verdienst von 801 bis 1.500 Euro am häufigsten vertreten.115 Zeitdruck, Arbeitshetze und geringe Gestaltungsspielräume Eine Betrachtung der Ressourcen der Beschäftigten ist ebenfalls aufschlussreich. Hier kommt der Stressreport zu folgendem Ergebnis: Beschäftigte im Handel können unterdurchschnittlich häufig ihre „eigene Arbeit selbst planen und einteilen“, weder haben sie „Einfluss auf die Arbeitsmenge“ noch können sie „selbst entscheiden, wann Pause gemacht wird“.116 In aktuellen Untersuchungen zeigt sich Folgendes: Die Anzahl jener Arbeitnehme- 113 114 115 116 Lohmann-Haislah (2012), S. 164 ff. Das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) und die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) führen regelmäßig Erwerbstätigenbefragungen durch, um die sich kontinuierlich verändernde Arbeitswelt in ihren Auswirkungen beschreiben zu können. Im Fokus stehen damit Fragen zu Beanspruchung und gesundheitlichen Beschwerden. Veröffentlicht werden die Ergebnisse im „Stressreport Deutschland“. Vgl. DGB-Index Gute Arbeit GmbH (DGB) (2012): Stressfaktor Wochenend-Arbeit. So beurteilen die Beschäftigten die Lage. Ergebnisse der Repräsentativumfrage 2011, Berlin, S. 4 ff. Vgl. Lohmann-Haislah (2012), S. 170. 46 Expertise »Balanceorientierte Arbeitszeitgestaltung als sozialer Arbeitsschutz im Einzelhandel« rinnen und Arbeitnehmer, die sich von Arbeitshetze und Arbeitsintensivierung betroffen fühlen, wächst.117 Das Gefühl, unter Zeitdruck zu stehen, wird allerdings nicht nur während der realen Arbeitszeit im Unternehmen erzeugt, sondern resultiert vor allem durch den Anspruch an die Beschäftigten, auch während ihrer Freizeit und insbesondere an Wochenenden für betriebliche Belange zur Verfügung zu stehen. Auch die generelle Bereitschaft, kurzfristig auf der Arbeit erscheinen zu können, erzeugt Druck und führt zu Problemen mit dem Abschalten in der Freizeit. Somit bringt die Arbeit am Wochenende nicht nur das oft diskutierte Problem der Vereinbarkeit von Beruf und Familie mit sich. Vielmehr wird eine Problematik der Entgrenzung von Arbeit und Freizeit dadurch offensichtlich. Fazit Das Fazit von Beschäftigten zu den Arbeitszeitanforderungen lautet: Nicht nur die Dauer, auch die Lage der Arbeitszeit sowie die Auswirkungen unsteter Arbeitszeitgestaltung und – planung bedingen ein hohes Belastungsempfinden und mangelnde Arbeitszufriedenheit. In den hohen zeitlichen Anforderungen begründen sich jedoch nicht nur negative Folgen für das Belastungsempfinden und folglich für die Lebensqualität und Gesundheit. Denn auch die Effizienz und Qualität der Dienstleistung korrelieren mit der Qualität der Beschäftigungssituation. Die Arbeitszeit ist dabei von zentraler Bedeutung, da „sie sowohl eine Beziehung zur Bezahlung wie auch zur Arbeitsbelastung sowie zur Möglichkeit des Ausgleichs beruflicher und privater Belange hat.“118 Folglich führt eine Regulierung der zeitlichen Anforderungen durch eine balanceorientierte Arbeitszeitgestaltung sowohl zur Erhaltung bzw. Erhöhung von Gesundheit und Lebensqualität als auch von guter Arbeit und professioneller Dienstleistung. 117 Vgl. DGB-Index Gute Arbeit GmbH (Hrsg.) (2012): Arbeitshetze – Arbeitsintensivierung – Ent- grenzung. So beurteilen die Beschäftigten die Lage. Ergebnisse der Repräsentativumfrage 2011, Berlin, S. 8. 118 Statistisches Bundesamt (2012), S. 24. https://www.destatis.de/DE/Publikationen/Thematisch/Arbeitsmarkt/Erwerbstaetige/BroschuereQualitaetArbe it0010015129001.pdf?__blob=publicationFile (03.12.2014). 47 Expertise »Balanceorientierte Arbeitszeitgestaltung als sozialer Arbeitsschutz im Einzelhandel« 5 Stellenwert einer balanceorientierten Arbeitszeitgestaltung im Berliner Einzelhandel In den vorangegangenen Kapiteln wurden sowohl die Branche und die Beschäftigungssituation im Berliner Einzelhandel als auch die veränderten zeitlichen Herausforderungen und Arbeitsbedingungen sowie deren Folgen für Gesundheit, Lebens- und Arbeitsqualität ausführlich dargestellt. Anknüpfend an diesen Ausführungen werden folgend Maßnahmen erörtert, die ein Gleichgewicht zwischen den steigenden zeitlichen Arbeitsanforderungen bei gleichzeitigem Erhalt einer professionellen Dienstleistung und einem die Gesundheit und Lebensqualität erhaltenden Privatleben herstellen. Diese unter dem Begriff der balanceorientierten Arbeitszeitgestaltung zusammengeführten Maßnahmen sind im Sinne des sozialen Arbeitsschutzes sowohl auf die Gestaltung von Arbeitszeit, als auch von Arbeitsorganisation und Arbeitsinhalt ausgerichtet und berücksichtigen auch das positive menschliche Miteinander im Arbeitsalltag. Nach einer Einführung in das Thema der „balanceorientierte Arbeitszeitgestaltung“ und der Benennung balancehemmender und balancefördernder Aspekte wird näher auf den Zusammenhang zum sozialen Arbeitsschutz eingegangen. Das Kapitel endet mit Handlungsempfehlungen für betriebliche und überbetriebliche Akteurinnen und Akteure, die einerseits zur Sensibilisierung der Thematik beitragen und andererseits als Hilfestellung für eine erfolgreiche Implementierung einer sozialverträglichen Arbeitszeitgestaltung dienen. 5.1 Balanceorientierte Arbeitszeitgestaltung – was bedeutet das? Sind Beschäftigte durch ihre Erwerbsarbeit stark belastet (gestresst, körperlich angestrengt, ermattet durch Monotonie o. ä.), hat dies deutlich negative Auswirkungen auf ihre privaten Aktivitäten und damit auf ihre Zufriedenheit. Kommt dann noch eine überproportionale zeitliche Belastung (Mehrarbeit, Nacht- und Wochenendarbeit usw.) hinzu, sinkt die Arbeitszufriedenheit individuell ausgeprägt weiter ab. Im Extremfall kann eine solche Gemengelage zum Arbeitsplatzwechsel oder auch zu Erkrankungen führen: Gemäß einer Aufstellung des Bundesarbeitsministeriums erhöhten sich zwischen 1997 und 2010 die Krankheitstage Beschäftigter, die auf psychische Störungen zurückgingen, um 80,0 Prozent. Laut DGB haben sich die Fälle von Arbeitsunfähigkeit wegen „Burnout“ in den letzten sieben Jahren verneunfacht, inzwischen sind fast 40,0 Prozent aller Neuzugänge bei der Erwerbsminderungsrente psychisch begründet – ohne Suchtkrankheiten und Psychosen.119 Kurz zusammengefasst heißt das: „Wenn das Verhältnis von Anforderungen und Ressourcen in der Arbeit nicht stimmt, dann stimmt auch das Verhältnis von Arbeit und Leben nicht.“120 Maßnahmen der balanceorientierten Arbeitszeitgestaltung sollen dazu beitragen das Verhältnis von Arbeit und Leben unter Berücksichtigung der an den Lebensphasen orientierten Zeiterfordernissen der Beschäftigten ins Gleichgewicht zu bringen. Hierbei sind für die Ba- 119 120 Vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung (2012), S. 12. Kratzer et al. (2011), S. 5. 48 Expertise »Balanceorientierte Arbeitszeitgestaltung als sozialer Arbeitsschutz im Einzelhandel« lanceorientierung mehrere Faktoren von Bedeutung, die nicht nur die häufig diskutierte „Vereinbarkeitsfrage“ von Beruf und Familie betreffen: Nicht nur die Möglichkeiten zur Kindererziehung oder Betreuung pflegebedürftiger Angehöriger sind zu verbessern, sondern allgemein die gelungene Balance zwischen beruflicher Erwerbsarbeit und privaten Interessen bzw. Verpflichtungen. „Work-Life-Balance heißt: den Menschen ganzheitlich zu betrachten (als Rollen- und Funktionsträger) im beruflichen und privaten Bereich (der Lebens und Arbeitswelt) und ihm dadurch die Möglichkeit zu geben, lebensphasenspezifisch und individuell für beide Bereiche die anfallenden Verpflichtungen und Interessen erfüllen zu können, um so dauerhaft gesund, leistungsfähig, motiviert und ausgeglichen zu sein. [...]“121 Es erfordert daher einer ganzheitlichen Betrachtung der Gestaltung von Arbeitszeit und Arbeit im Einzelhandel. Diese umfasst sowohl den Faktor Arbeitszeit (z. B. Lage, Dauer), als auch die Arbeitszeit betreffende Arbeitsorganisation (z. B. Arbeitsabläufe, Pausenzeiten) und den Inhalt (Abwechslungsreichtum, Gestaltungsspielräume). Hierbei können folgende fördernde und hemmende Aspekte für eine ausgewogene Arbeitszeitgestaltung benannt werden. Balancehemmende Aspekte der Arbeitszeitgestaltung Geringe Planbarkeit der Arbeit Schwankungen beim Arbeitsaufkommen Häufige Unterbrechungen der Tätigkeit 121 Balancefördernde Aspekte der Arbeitszeitgestaltung Angemessener Planungshorizont zur Ausübung der Tätigkeit Beteiligung an der Aufgabenverteilung und Arbeitsgestaltung Handlungsspielräume bei der Ausübung Ganzheitliche Aufgabenstellung Erreichbare Zielsetzungen Kommunikationserfordernisse und Teamförderlichkeit Funktionierende Informations- und Rückmeldesysteme Zeitliche Ressourcen beim Umgang mit Störungen Projekt „BALANCE“. http://balanceonline.org/enzyklopaedie/Work-Life-Balance (20.12.2013). 49 Expertise »Balanceorientierte Arbeitszeitgestaltung als sozialer Arbeitsschutz im Einzelhandel« 5.2 Balanceorientierte Arbeitszeitgestaltung als „sozialer Arbeitsschutz“ Die eingangs erwähnten Zahlen zum Krankheitsstand und dem rapide angestiegenem Anteil der wegen „Burnout“ verzeichneten Fälle von Arbeitsunfähigkeit sind ein Beleg für die steigende Belastung der Beschäftigten. Spätestens an dieser Stelle wird die Forderung nach veränderten betrieblichen Erfordernissen laut, für deren Sensibilisierung auch überbetriebliche Akteurinnen und Akteure in die Verantwortung genommen werden müssen. Abhängig Beschäftigte müssen vor Belastungen und Gesundheitsschädigungen durch eine nicht menschengerechte Organisation geschützt werden. Das geht weit über den technischen Arbeitsschutz hinaus, der die Sicherheit am Arbeitsplatz in den Vordergrund stellt. Diese Notwendigkeit ist nicht das Resultat einer massenhaft gut funktionierenden und beteiligungsorientierten Arbeitspolitik in Unternehmen und damit einer Betriebskultur, die sich eine obligatorische Wertschätzung von Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern gegenüber ihren Beschäftigten zum Ziel gesetzt hat. Diese Notwendigkeit ist primär das Resultat des Strukturwandels von Erwerbsarbeit und seiner ambivalenten Folgen für die Beschäftigten. Die Forderung des Zusammenspiels im Sinne einer positiven Arbeitszeitgestaltung und einer nachhaltigen Unternehmenskultur ist nicht neu – aber noch längst keine betriebliche Praxis. Doch wo werden betriebliche und überbetriebliche Akteurinnen und Akteure fündig, wenn sie eine erste Orientierung bei der Definition dessen benötigen, was „sozialer Arbeitsschutz“ meint? Aus den Hinweisen des Arbeitsschutzgesetzes (ArbSchG) lässt sich eine moderne Beschreibung des „sozialen Arbeitsschutzes" herleiten, wie sie bereits – ganz oder in Teilen – vielfach in den zuständigen Ämtern, Organisationen und Unternehmen als Grundlage, z. B. bei Organisation und Struktur von Zuständigkeiten und Maßnahmen, verwendet wird. Als klassische Bereiche gelten hier die Regelungen der Arbeitszeit sowie der Schutz besonderer Personen- und Berufsgruppen wie Kinder, Jugendliche, Schwangere oder Menschen mit Handicap. Auch die Gemeinsame Deutsche Arbeitsschutzstrategie (GDA), eine Aktion von Bund, Ländern und Unfallversicherungen, hat sich des „sozialen Arbeitsschutzes“ angenommen, wenn in ihrem Arbeitsprogramm (2013-2018) von der Verbesserung der Organisation des betrieblichen Arbeitsschutzes, der Verringerung von arbeitsbedingten Gesundheitsgefährdungen und Erkrankungen im Muskel-Skelett-Bereich sowie dem Schutz und der Stärkung der Gesundheit bei arbeitsbedingten psychischen Belastungen die Rede ist.122 Letztgenanntes spielt vor allem für den „sozialen Arbeitsschutz“ im Einzelhandel eine herausragende Rolle. Nicht nur die Umfrageergebnisse des Stressreportes 2012 und des DGB weisen auf ein „multifaktorielles Ursachengeschehen“ bei der Beurteilung der Arbeitsqualität hin – auch die der GDA zugrundeliegende Untersuchung123 zeigt: Arbeitsbedingte psychische Belastungen sind die Folge des Zusammenspiels mehrerer Faktoren des Wandels 122 123 Vgl. Gemeinsame Deutsche Arbeitsstrategie (GDA). http://www.gda-portal.de/de/Startseite.html (20.12.2013). Vgl. Hall (2006). 50 Expertise »Balanceorientierte Arbeitszeitgestaltung als sozialer Arbeitsschutz im Einzelhandel« der Arbeitswelt, wie beispielsweise der fortlaufenden Beschleunigung von Fertigungs-, Dienstleistungs- und Kommunikationsprozessen, erhöhter Eigenverantwortung der Beschäftigten und diskontinuierlicher Beschäftigungsverhältnisse. Arbeitsbedingter Stress als Gesundheitsproblem hat damit mehrere Ursachen, deren Maßnahmen zur Verminderung oder Vermeidung sich jedes Unternehmen stellen muss. Das Adjektiv „sozial“ weist in diesem Kontext auf die grundlegende Bedeutung menschlichen Miteinanders hin, welches die sozialen Beziehungen im Arbeitsalltag als Basis aller Betrachtungen und Maßnahmen im „sozialen Arbeitsschutz" definiert. Oder anders: Es ist nicht nur relevant, wann gearbeitet wird, sondern wie sich die beruflichen Beziehungen innerhalb der Arbeitszeit gestalten. Ein Blick in das Arbeitsschutzgesetz Der Begriff „sozialer Arbeitsschutz“ wird im Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) nicht explizit genannt. Und dennoch ist die zentrale Rechtsvorschrift sichtbar von der Idee und dem Gedanken des menschlichen Miteinanders geprägt. Aus den Folgerungen diverser Vorgaben lassen sich gleichfalls verbindliche Anforderungen an die sozialen Beziehungen im Arbeitsalltag stellen – und damit die Spur des Begriffs „sozialer Arbeitsschutz“ aufnehmen: • § 2 Abs. 1 (ArbSchG): Hier ist festgeschrieben, dass auch die menschengerechte Gestaltung der Arbeit ein zentrales Ziel von Arbeitsschutzmaßnahmen ist. Damit ist aber nicht nur die Ergonomie gemeint, sondern auch die Pflege der sozialen Beziehungen im Arbeitsumfeld, die Integration schutzbedürftiger Menschen, die Verantwortung für eine gesunde Psyche, die Organisation der Arbeit, die nach den Menschen, ihren Fähigkeiten und ihren Bedürfnissen ausgerichtet werden muss. • § 3 Abs. 1 (ArbSchG): Die hier formulierte Verpflichtung des Arbeitgebers, Arbeitsschutzmaßnahmen auch im Hinblick auf die Gesundheit der Beschäftigten zu treffen, bedingt auch die Förderung der Persönlichkeit und des Wohlbefindens am Arbeitsplatz. o o o o • § 3 Abs. 2 (ArbSchG): Hier werden Organisation, betriebliche Führungsstrukturen und Mitwirkungspflichten thematisiert – und damit auch Hierarchien und soziale Beziehungen in einem Unternehmen. • § 4 (ArbSchG) befasst sich in den „Allgemeinen Grundsätzen“ direkt mit einigen Prinzipien des „sozialen Arbeitsschutzes“, u. a.: werden im vierten Grundsatz die sozialen Beziehungen in das Gesamtkonzept Arbeitsschutz eingebunden, o führt der sechste Grundsatz die speziellen Gefahren für besonders schutzbedürftige Beschäftigungsgruppen an, o untermauert der achte Grundsatz die Gleichberechtigung von Mann und Frau. • § 5 Abs. 3 (ArbSchG) schließlich legt das Hauptaugenmerk auf die Beurteilung der Arbeitsbedingungen. Von der Qualifikation der Beschäftigten bis hin zur Gestaltung von Arbeitsstätte und Arbeitsabläufen – immer wieder stellt sich die Frage, wie das Miteinander und damit der „soziale Arbeitsschutz“ zu regeln sind. o 51 Expertise »Balanceorientierte Arbeitszeitgestaltung als sozialer Arbeitsschutz im Einzelhandel« Ohne Zweifel: Ein Unternehmen, das den „sozialen Arbeitsschutz“ ernst nimmt, verfügt mittel- und langfristig über • Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sich als Team verstehen und danach handeln; • ein hohes Niveau hinsichtlich Wohlbefinden, Zufriedenheit, Leistungsfähigkeit und Motivation der Belegschaft; • höhere Produktivität und damit über einen wichtigen Vorsprung im Wettbewerb. Deutlich unzufriedene und unmotivierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter inklusive hoher Fluktuation, häufige Streitereien in der Belegschaft, Fälle von Mobbing, zu viele krankheitsbedingte Fehltage, sichtbar verbesserungswürdige Produktivität und Qualität der Arbeit – dies und mehr sind unmissverständliche Hinweise darauf, dass in einem Unternehmen das Thema „sozialer Arbeitsschutz“ stärker in den Fokus gerückt werden sollte.124 5.3 Handlungsempfehlungen Die Betrachtung der ökonomischen Bedingungen und strukturellen Merkmale in Kapitel 2 zeigte, dass sich auch im Berliner Einzelhandel die allgemeinen Branchentrends widerspiegeln: • Ausdehnung und Flexibilisierung der Ladenöffnungszeiten. • Aggressive Preispolitik. • Expansion der Verkaufsflächen. Die daraus resultierenden Flexibilisierungsstrategien der Unternehmen setzen auf vermehrte Teilzeit- bzw. geringfügige Beschäftigung und einen breiten Niedriglohnsektor. Die Zunahme prekärer Beschäftigungsverhältnisse ist dabei mit wesentlichen Folgen für die sozialen Sicherungssysteme und die individuelle Existenzsicherung verbunden. Aus den neuen Ladenöffnungszeiten resultieren zudem erhöhte Arbeitszeitanforderungen, oft verbunden mit einer Arbeitsverdichtung für den Einzelnen. Das Belastungsempfinden der Beschäftigten steigt und das Matching zwischen Arbeits- und Privatleben ist erschwert. Nachfolgend sind erste Handlungsempfehlungen genannt, welche den Anspruch haben, praxisnah und realisierbar zu sein. Forderungen nach einer höheren Tarifbindung, höheren Entgelten, fairen Arbeitsverträgen, gut qualifizierten Führungskräften u. v. m. sind selbstverständlich auch von erheblicher Bedeutung – dafür will die Studie hier jedoch nur einen Impuls geben. Weiter diskutiert und verändert werden muss dies auf der landespolitischen und gewerkschaftspolitischen Ebene. 124 Wichtige Gesetze im „sozialen Arbeitsschutz“: Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG), Arbeitszeitgesetz (ArbZG), Jugendarbeitsschutzgesetz (JArbSchG), Mutterschutzgesetz (MuSchG), Heimarbeitsgesetz (HAG), Fahrpersonalgesetz (FPersG), Sozialgesetzbuch IX (SGB IX). 52 Expertise »Balanceorientierte Arbeitszeitgestaltung als sozialer Arbeitsschutz im Einzelhandel« Allgemeine Handlungsempfehlungen auf betrieblicher Ebene Handlungsempfehlung: Betriebliche Bedarfserhebungen verstärken Die Berücksichtigung der zeitlichen Interessen und Restriktionen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist zentral für eine anforderungs- sowie menschengerechte Arbeitszeitgestaltung. Jedoch gibt es bislang kaum betriebliche Ansätze der Erhebung dieser. Die Unterstützung bei der regelmäßigen Bedarfserfassung (z. B. durch Qualifizierung von Zeitbeauftragten oder durch Beratung) und die Förderung des innerbetrieblichen Austauschs sowohl zu den Bedarfen der Beschäftigten als auch zu den zeitlichen Ansprüchen der Kunden und Kundinnen und dem Unternehmensinteresse ist somit von erheblicher Bedeutung für eine balanceorientierte Arbeitszeitgestaltung und kann zudem positiv zur innerbetrieblichen Verstetigung der Thematik beitragen. Als Impulsgeber könnten vor allem Gewerkschaften gemeinsam mit anderen Akteurinnen und Akteuren Unterstützung für die Betriebe (z. B. über EU-Mittel) organisieren. Handlungsempfehlung: Hindernisse für die Umsetzung vorhandener Regelungen beseitigen Die vorhandenen betrieblichen Regelungen zur Arbeitszeit (z. B. Ausnahmen für Eltern oder Beschäftigte mit pflegebedürftigen Angehörigen bezüglich der Arbeitszeit am Wochenende und unter der Woche nach 18:30 Uhr) werden bislang in der Praxis vielfach nicht genutzt und sollten daher verstärkt eingefordert oder neu überdacht werden. Hindernisse sind hier bisher einzelne Führungskräfte, Personalmangel oder die ungenügende Information der Beschäftigten. Die hemmenden Faktoren sollten beteiligungsorientiert ermittelt sowie betriebsöffentlich benannt und aufgehoben werden. Tarifpolitisch wäre zu überlegen, ob eine finanzielle Beteiligung der Betriebe an die durch flexible Einsatzerfordernisse bedingten zusätzlichen Betreuungsleistungen für Beschäftige mit Kindern oder pflegebedürftige Angehörige möglich ist. Handlungsempfehlung: Leistungen der Betriebsräte sichtbarmachen und Betriebsratsarbeit unterstützen Betriebsräte haben einen signifikant positiven Einfluss auf die Beschäftigungssituation und das Betriebsklima. Unter dem Motto „Mitbestimmt funktioniert besser“ vertreten sie die Interessen der Arbeitnehmerschaft gegenüber den Arbeitgeberinteressen und tragen erheblich zum Erhalt und zur Förderung guter Arbeitsbedingungen bei. Der Bereich „Arbeitszeit“ ist ein zentrales Tätigkeitsfeld eines Betriebsrats. Er kann durch Mitbestimmung die Bedarfe der Beschäftigten zur Geltung bringen. In der Sichtbarmachung der Leistungen der Betriebsräte in den Einzelhandelsbetrieben sowie in der Unterstützung der Betriebsratsarbeit durch Vermittlung der in diesem Bereich benötigten fachlichen Kompetenzen (z. B. Wissen zu Arbeitszeitmodellen und Gestaltungsspielräumen) liegt somit großes Potential, das einen erheblichen Beitrag zur Verbesserung der Balance zwischen Arbeit und Leben leisten kann. 53 Expertise »Balanceorientierte Arbeitszeitgestaltung als sozialer Arbeitsschutz im Einzelhandel« Arbeitszeitorientierte Handlungsempfehlungen auf betrieblicher Ebene Handlungsempfehlung: Einsatzplanung gemeinsam regeln Wie in Kapitel 2 dargestellt gliedert sich der Einzelhandel in eine Vielfalt an Segmenten (z. B. Lebensmitteleinzelhandel, Textileinzelhandel) und Betriebsformen (z. B. OnlineHandel, stationärer Handel, Discounter), die unterschiedliche Anforderungen an die Arbeitszeitgestaltung bedingen. Auch der jeweilige Standort beeinflusst die Kundinnen- und Kundenströme und somit den benötigten Personaleinsatz. Betriebe stehen daher vor der Herausforderung, betriebsindividuelle Arbeitszeitmodelle zu entwickeln. Um hierbei stabile Arbeitszeiten für Beschäftigte bei gleichzeitiger Bereitstellung einer optimalen Personaldecke zu Kundenfrequenzzeiten zu schaffen, müssen sowohl die Vorgaben seitens des Unternehmens (Jahresarbeitszeiten, Kundenfrequenzen etc.) als auch die Bedarfe der Beschäftigten berücksichtigt werden. Zeitbeauftragte im Unternehmen oder Betriebsräte können hier die Interessen erheben und vermitteln. Handlungsempfehlung: Den „sozialen Arbeitsschutz“ stärken Das Handlungsfeld des „sozialen Arbeitsschutzes“ hat sich in der Expertise als Antwort auf die Vereinbarkeitsfrage von Beruf und Privatleben erwiesen. Dem Verständnis von Arbeitsqualität liegt ein „multifaktorielles Ursachengeschehen“ zugrunde, welches sich auf betrieblicher Ebene im Zusammenspiel jeweils anders äußert. Bestimmte Ursachen sollten jedoch bedacht werden, wenn es um die Sensibilisierung und Umsetzung einer menschengerechten Arbeits(-zeit)organisation geht. Eine körperliche und psychische Gesundheit und Unversehrtheit ist zwar auch vom technischen Arbeitsschutz und der Frage, wann gearbeitet wird, abhängig, spielt sich aber auch in den beruflichen Beziehungen innerhalb der Arbeitszeit ab. Hier sind nicht nur die Betriebe, sondern auch die Gewerkschaften aufgefordert, verbindliche Anforderungen an die sozialen Beziehungen im Arbeitsalltag zu formulieren, damit Beschäftigte eine Unterstützungsmöglichkeit erfahren können. Handlungsempfehlung: Qualifizierung fördern Um den erhöhten Anforderungen an Flexibilität Rechnung zu tragen, bedarf es mehr als einen flexiblen Personaleinsatz. Die Verteilung von Arbeitszeiten auf die vorhandenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist immer auch an deren Kompetenzen gebunden. Die Verknüpfung zwischen den Prozessen der Arbeitszeitgestaltung und einem Personalentwicklungsprozess, z. B. durch Qualifizierung, kann demnach zu mehr Handlungsmöglichkeiten in der Personaleinsatzplanung führen und zu einer Entlastung bei Beschäftigten und Unternehmen beitragen. Überdies kann ein durch Kompetenzstärkung erweitertes Einsatzgebiet motivationsfördernd bei den oft durch Monotonie geprägten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wirken. Hierbei gilt es auch Beschäftigte in Elternzeit für die Teilhabe an Qualifizierung zu berücksichtigen. Hier müssen vorhandene Betriebsvereinbarungen stärker eingefordert oder neue Betriebsvereinbarungen zur Elternzeit verhandelt werden. 54 Expertise »Balanceorientierte Arbeitszeitgestaltung als sozialer Arbeitsschutz im Einzelhandel« Übergreifende Handlungsempfehlungen zu dem Aspekt „Arbeitszeit“ Handlungsempfehlung: Verbundlösungen suchen Einzelhandelsunternehmen könnten mit umliegenden Betrieben (auch wenn diese nicht im Einzelhandel tätig sind) Verbundlösungen suchen, wenn es Bedarfe bei den Beschäftigten gibt. Ein Beispiel wäre ein bezirklich orientiertes Servicebüro für Beschäftigte, bei welchem sie Unterstützung für ihre Anliegen (u. a. zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben) erhalten. Dies sollte in Kooperation der regionalen Wirtschaftsförderung mit den Gewerkschaften und dem Einzelhandelsverband entwickelt werden. Handlungsempfehlung: „Beispiele guter Praxis“ verbreiten und positive Zugeffekte erzeugen Über die Identifizierung guter Unternehmenspraktiken und Modelle der Arbeitszeitgestaltung sowie deren Verbreitung und zugänglichen Bereitstellung können bewährte Lösungsstrategien nachvollziehbar dargestellt und positive Zugeffekte bei den Betrieben im Sinne der „Nachahmung“ erzeugt werden. Für die Erschließung der „Beispiele guter Praxis“ und deren Bekanntmachung ist insbesondere die Unterstützung der überbetrieblichen Akteurinnen und Akteure gefordert. 55 Expertise »Balanceorientierte Arbeitszeitgestaltung als sozialer Arbeitsschutz im Einzelhandel« 6 Literatur Amt für Statistik Berlin und Brandenburg. https://www.statistik-berlinbrandenburg.de/statistiken/inhalt-statistiken.asp (22.01.2014). Bahn, Chr. (2004): Frauen und der Einzelhandel – eine schwierige Beziehung. www.labournet.de/branchen/dienstleistung/eh/chbahn.html (05.02.2007). BITKOM/Deloitte (2011): Die Zukunft der Consumer Electronics 2011, Berlin. Bognanni, M. (2011): Die neue Leiharbeit. In: Zeit online. http://www.zeit.de/politik/deutschland/2011-08/lohndumping-leiharbeit (16.1.2014). Bormann, S./Siegel, G.: Konzentrationsprozesse im Einzelhandel. Auswirkungen auf den Handel, Verbraucher, Beschäftigte und Zulieferindustrie. Berlin. 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