Die Bekleidungsindustrie in Bangladesch
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Die Bekleidungsindustrie in Bangladesch
Pädagogische Hochschule Freiburg Institut für Geographie und ihre Didaktik Die Bekleidungsindustrie in Bangladesch - ein Mystery für die 4. - 6. Klasse - Sandra Zelter 2012 Inhalt Inhalt........................................................................................................................................... 2 Abbildungsverzeichnis ............................................................................................................... 3 Einleitung ................................................................................................................................... 4 1. Die Bekleidungsindustrie in Bangladesch.............................................................................. 6 1.1 Die historische Entwicklung der Bekleidungsindustrie in Bangladesch .......................... 6 1.2 Anteil der weiblichen Beschäftigten in der Bekleidungsindustrie in Bangladesch ......... 9 1.3 Probleme......................................................................................................................... 10 1.3.1 Arbeitsbedingungen und Sozialstandards ............................................................... 11 1.3.2 Kinderarbeit ............................................................................................................. 15 1.3.3 Handelsbeziehungen zu Großkonzernen ................................................................. 17 2 Gliederung der Unterrichtseinheit ......................................................................................... 18 2.1 Mystery - Konfektionierung in Bangladesch ................................................................. 19 Literaturverzeichnis .................................................................................................................. 23 2 Abbildungsverzeichnis Abb. 1: Textilexporte im Vergleich zum Gesamtexportvolumen von 1983-2011 S. 8 Quelle: Bangladesh Garments Manufacturers and Exporters Association, 2011 Abb. 2: Anteil der chronisch unterernährten Bevölkerung in Bangladesch Quelle: Bangladesh Planning Comission and WTF. S. 14 Abb. 3: Junger Mitarbeiter einer Textilfabrik in Bangladesch Quelle: Akash, 2009 (www.gmb-akash.com) S. 16 Abb. 4: Preiszusammensetzung eines T-Shirts Quelle: Kampagne für Saubere Kleidung, 2008 S. 18 Abb. 5: Detektiv - Arbeitsauftrag Mystery Quelle: Eigene Zeichnung, 2012 S. 20 Abb. 6: ʹ′Iffatʹ′ Quelle: Eigene Fotographie, 2011 S. 21 Abb. 7: ʹ′Nazia und Geschwisterʹ′ Quelle: Eigene Fotographie, 2011 S. 21 Abb. 8: ʹ′Mithunʹ′ Quelle: Akash, 2009 (www.gmb-akash.com) S. 21 Abb. 9: ʹ′Mamoonʹ′ Quelle: Szarek, J., 2011 S. 21 Abb. 10: T-Shirt Quelle: Social Fashion Company GmbH (www.armedangels.de) S. 22 Abb. 11: Karte Bangladesch Quelle: Bildungshaus Schulbuchverlage Westermann (www.westermann.de) S. 22 Abb. 12: ʹ′Herr Müllerʹ′ Quelle: Eigene Zeichnung, 2012-11-28 S. 23 Many thanks to GMB Akash, Social Fashion Company GmbH, Bildungshaus Schulbuchverlage Westermann and Julia Szarek for the rights of the images fig. 3/8, fig. 9, fig. 10 and fig. 11. 3 Einleitung Kleidung ist unsere zweite Haut. Alltäglich begleitet sie uns, unterstützt fast selbstverständlich das tägliche Bestreiten des Alltags, schützt und wärmt uns, schmückt uns bei einem romantischen candlelight-dinner oder verhilft uns durch Unterstützung der natürlichen Reize zu neuen Bekanntschaften. Kleidung gibt unserem Körper ein gutes Gefühl und verhilft an manchen grauen Tagen zu einem guten Selbstvertrauen. Selbstverständlich dient sie uns in den verschiedensten Lebenslagen. Ist das Geheimnis der Kleidung die Mode? Eine Leidenschaft, eine Kunst oder vielleicht doch nur ein zweckbedingtes Alltagsutensil? Fest steht, sie begleitet uns tagtäglich in allen Situationen. Sie ist zu jeder Zeit gegenwärtig, begegnet uns in unserem Spiegelbild, bei unserem Gegenüber, im Schaufenster oder in Ladenregalen. Im Vorbeigehen können wir sie unser Eigen nennen und den Inhalt des Kleiderschrankes weiter anschwellen lassen – eine Leichtigkeit bei den stets neuen und wechselnden Kollektionen zahlreicher Anbieter und dazu auch noch häufig mit etwas Kleingeld bezahlbar. Doch was verbirgt sich hinter unserer Kleidung, die gehortet und teilweise vergessen damit droht, unsere Kleiderschränke zu sprengen? In einer Zeit, in der der, in Industrieländern wohnende, Mensch zu egoistischen Zügen tendiert, dem der alltägliche Luxus zu einer Selbstverständlichkeit geworden ist und welcher sich scheut, über den Tellerrand zu schauen. Viel zu groß scheint die Gefahr, sich mit weiterer Information die Leichtigkeit des Seins betrüben zu lassen und auch die Horizonterweiterung scheint teilweise eine viel zu große Anstrengung zu sein. Dabei kann die Frage, woher unsere Kleidung überhaupt kommt, wie aus einem kleinen Baumwollknäuel ein Kleidungsstück produziert wird oder wer überhaupt dafür verantwortlich ist, dass wir Kleidung in verschiedensten Formen und Farben unser Eigentum nennen können, äußerst interessant sein. Die Produktion von Kleidung bezeichnet man heute in wissenschaftlichen Kreisen als „Pionier der wirtschaftlichen Globalisierung“ (Feuchte, 2007). Globalisierung betrifft jeden. Selten wird ein weiteres Thema so umfangreich und dennoch kontrovers diskutiert. Globalisierung verbindet Kulturen und Welten, bringt Wirtschaftswachstum sowie Chancen mit sich. Die andere Seite birgt Sorgen um eine Ausdehnung der Kluft zwischen der armen und reichen Gesellschaft oder einer Dominanz innerhalb des Wirtschaftswesens. (vgl. Bundeszentrale für politische Bildung, 2012) 4 Innerhalb des Industriezweigs der Bekleidungsindustrie „wird das der neuen Arbeitsteilung zugrundeliegende global sourcing schon vergleichsweise lange und konsequent umgesetzt“ und Entwicklungsländer, wie beispielsweise Bangladesch, sind gegenwärtig die bedeutendsten „Produktionsstandorte der weltmarktorientierten Bekleidungsindustrie“ (Feuchte, 2007:1). Doch die Konkurrenz der produzierenden Länder bringt einen enormen Druck mit sich, um wettbewerbsfähig zu bleiben und weitere Aufträge zu bekommen. Häufig werden die Auftragnehmer gezwungen mit Hilfe niedrigster Lohnkosten an Attraktivität zu gewinnen. Inakzeptable Arbeitsbedingungen und Sozialstandards, sogar Menschenrechtsverletzungen können zum Teil Folgen sein. Diese wiederum können weitere Nachteile für die Textilarbeiterinnen und -arbeiter, wie zum Beispiel gesundheitliche Beeinträchtigungen, mit sich ziehen. In den letzten Jahren wurden Bekleidungsunternehmen immer häufiger kritisiert. Nichtregierungsorganisationen veröffentlichten Studien über die aktuellen Arbeitsbedingungen und Sozialstandards in den produzierenden Ländern, wie beispielsweise Indien oder Bangladesch, um den Druck auf Unternehmen, durch den damit verbundenen Imageabbau zu erhöhen und regelmäßige und vorschriftsgenaue Kontrollen und gegebenenfalls Änderungen innerhalb der Produktionsbedingungen einzufordern. Doch was nützt dieser Einsatz, wenn dieses Engagement nur von einem Teil der Bevölkerung wahrgenommen wird? Nicht nur in den Medien, sondern auch in den Lehr- und Bildungsplänen ist die Bildung zur nachhaltigen Entwicklung fest verankert. Schülerinnen und Schüler sollen die Fähigkeit entwickeln, ihr eigenes Verhalten zu reflektieren und gegebenenfalls zu verändern. Warum sollte nicht auch Schülerinnen und Schülern - bereits schon in jungen Jahren - die Möglichkeit gegeben werden, einen Einblick in die Textile Wertschöpfungskette und deren Problematik zu erlangen? Auf einer Exkursion nach Bangladesch, die im Frühjahr 2011 vom Institut für Geographie und ihre Didaktik der Pädagogischen Hochschule Freiburg veranstaltet wurde, habe ich mich im Rahmen des Begleitseminars mit der Thematik der Textilindustrie in Bangladesch beschäftigt und während der Exkursion die Armut Bangladeschs selbst erlebt. In dieser Arbeit wird eine Unterrichtseinheit zum Thema Bekleidungsindustrie in Bangladesch konzipiert werden. 5 1. Die Bekleidungsindustrie in Bangladesch In Bangladesch gibt es 4.500 – 5.000 Textilfabriken, besonders in der Umgebung von Dhaka und Chittagong. In der Textilindustrie arbeiten offiziell etwa 3,5 Millionen Menschen (etwa 85-90% Frauen). Der aktuellen wirtschaftlichen Lage nach zu urteilen, kann vermutet werden, dass weit mehr als die offizielle Anzahl der Arbeiter in der Textilindustrie einen Arbeitsplatz finden und in informellen Fabriken arbeiten. (vgl. Houscht, 2012) Nicht nur wegen der Sicherung zahlreicher Arbeitsplätze, ist die Textil- und Bekleidungsindustrie für Bangladesch so bedeutend. Sie sichert durch die Textilproduktion einen Großteil der Exporteinnahmen. Gerade für die Menschen, die aufgrund mangelnder Bildungsmöglichkeiten auf körperliche Arbeit angewiesen sind, ist die Textilindustrie eine wichtige Chance, um einen Teil zum Lebensunterhalt beizusteuern.1 1.1 Die historische Entwicklung der Bekleidungsindustrie in Bangladesch Die Etablierung der Bekleidungsindustrie kann als eine Erfolgsgeschichte angesehen werden. (vgl. Herzog, 2000) Der Ursprung dieser liegt in den 1970er Jahren: Die Tigerstaaten, dazu gehören zum einen Südkorea und zum anderen Hongkong, Taiwan, und Singapur, werden in den 1970er Jahren in den Weltmarkt integriert. Dies hat zur Folge, dass die USA sowie die europäischen Industrienationen einen drastischen Abbau der Textil- und Bekleidungsindustrie erleiden. Die Tigerstaaten können sich in der Textilindustrie rasch etablieren, da sie infolge von niedrigen Arbeits- und Produktionskosten günstiger produzieren als die Europäische Union und die USA und dadurch eine starke Konkurrenz darstellen. Um sich einer Rezession zu entziehen, reagieren die westlichen Industrienationen mit einer Gegenmaßnahme, dem Multifaserabkommen im Jahre 1974. Dieses reguliert Bekleidungsund Textilimporte in die USA sowie in die Europäische Union und legt Mengenbeschränkungen bestimmter textiler Produkte fest. Ziel des Abkommens, welches auch in die „General Agreements on Tarifs and Trade (GATT) und später in die Welthandelsorganisation (WTO)“ (Zurmeyer, 2010:28) eingebettet wird, ist, den geschwächten Industrienationen innerhalb eines begrenzten Zeitraums eine Restrukturierung zu ermöglichen. Das Multifaserabkommen regelt jedoch ausschließlich die Handelsbeziehungen zwischen den Industriestaaten und den Tigerstaaten. Um die Quotenregelung zu 1 Alphabetisierungsrate (2005): 56% (UNICEF, 2005) 6 umgehen, verlagern diese ihre Betriebe in asiatische Entwicklungsländer, wie beispielsweise Bangladesch, Kambodscha oder Nepal. Das Land der Bengalen, das zu dieser Zeit als „international hoffnungsloser Fall“ (Sachs, 2005:23) gilt, bekommt fortan die Möglichkeit, sich aus der miserablen Situation zu befreien und sein Handelsbilanzdefizit zu verringern. Bangladesch nutzt diese Chance und baut zahlreiche Textil- und Bekleidungsfabriken, die die Weiterverarbeitung textiler Vorprodukte übernehmen. Die Ready Made Garments Industrie etabliert sich rasch und kann sich schnell ausbreiten. Während es im Jahre 1983 etwa 100 Textilfabriken gibt, werden binnen der nächsten zwei Jahre 600 weitere Fabrikgebäude errichtet (vgl. Mengelkamp, 1998). Mit der Niederlassung der Textil- und Bekleidungsindustrie verändert sich die politische und wirtschaftliche Struktur Bangladeschs zu einer exportorientierten Wirtschaftsstrategie. Dieser wirtschaftliche Aufschwung veranlasst das Land, unterstützt von der Weltbank und den Internationalen Währungsfonds, Reformmaßnahmen zu treffen, um an internationaler Attraktivität zu gewinnen. Es werden Strukturanpassungsprogramme geschaffen, die „ Importe liberalisier[en], Exportsubventionen seitens der Regierung eleminier[en] und Zollabgaben reduzier[en]“ (Zurmeyer, 2010:30). Ein weiterer Vorteil, den Bangladesch genießt, ist das Generalized System of Preverences. Dies besagt, dass Bangladesch, da es zu den Least Developed Countries zählt, steuerfrei in die Europäische Union exportieren darf (etwa 14% des Warenwertes), solange 30% der Vorprodukte in Bangladesch produziert werden. Dies stellt allerdings ein Problem dar, was häufig durch Fälschen der Unterlagen geregelt wird. (vgl. Mengelkamp, 1998) Eine weitere bedeutende Veränderung stellt die Einrichtung von Exportproduktionszonen2 dar, die von der Bangladesh Export Processing Zone Authority gegründet wird. Exportproduktionszonen sind „Standorte der weltmarktorientierten industriellen Produktionsstätten, die einen besonderen Anreiz für die Auslagerung von Produktionen in die Entwicklungsländer bieten“ (Feuchte, 2007:23). Ausländische Investoren werden unter anderem durch die Befreiung von Zöllen, Einkommenssteuern sowie Abgaben für einen bestimmten Zeitraum, Entwicklung neuer Infrastruktur und vergünstigte Kredite geworben. (vgl. Nuscheler, 2004) So entstehen in den Jahren 1983/83 und 1993/94 die ersten beiden Exportproduktionszonen in Chittagong und Dhaka. (vgl. Mondal, 2003) Daraufhin werden sechs weitere Exportproduktionszonen in Bangladesch gegründet (Mongla, Ishwarde, Comilla, Adamjee, Karnaphuli, Uttara). (vgl. Bangladesh Export Processing Zone Authority, 2009) 2 „An export processing zone (EPZ) is defined as a territorial or economic enclave in which goods may be imported and manufactured and reshipped with a reduction in duties / and/or minimal intervention by custom officials“ (Bangladesh Export Processing Zone Authority, 1999). 7 Mit Hilfe der Exportproduktionszonen entsteht die Hoffnung, ausländische Direktinvestitionen zu erhalten, die vergleichsweise jedoch sehr viel geringer ausfallen, als beispielsweise in China oder Singapur. Die Abwendung vom Protektionismus führt dazu, dass im Jahre 1990 alle Güter frei gehandelt werden können und es keine Importschranken mehr gibt. Die exportorientierte Wirtschaft der Textil- und Bekleidungsindustrie kann sich etablieren und das Exportvolumen steigern (s. Abb. 1). Abb.1: Textilexporte im Vergleich zum Gesamtexportvolumen von 1983-2011 Quelle: Bangladesh Garments Manufacturers and Exporters Association, 2011 Im Jahre 2004 lief das Welttextilabkommen3 aus, das seit 1974 den internationalen Textilhandel innerhalb der World Trade Organization regelte, Bangladesch zu einem quotenfreien Export in die Europäische Union befähigte und zu einem „wichtige[n] Entwicklungspotenzial“ verhalf (Zurmeyer, 2010:37). Seitdem unterliegt Bangladesch im Konkurrenzkampf mit beispielsweise Hongkong oder Indien, die zu den großen Textilexporteuren zählen. Prognosen vermuteten, dass sich das Exportvolumen der Textil- und Bekleidungsindustrie stark verringern würde, was zahlreiche Schließungen von Textilfabriken und Entlassungen von Arbeitern 3 Das Multifaserabkommen wurde 1995 vom Multitextilabkommen abgelöst, um den Textil- und Bekleidungshandel zu liberalisieren und den Regeln der World Trade Organization zu unterwerfen. (vgl. Kampagne für Saubere Kleidung, 2012) 8 zur Folge hätte. Es wurde angenommen, dass Industriekonzerne in die Länder abwandern, die die gesamte textile Wertschöpfungskette durchlaufen und aufgrund dessen kostengünstiger produzieren können.4 Entgegen jeder Befürchtung konnte sich Bangladesch nach Ablaufen des Welttextilabkommens im Folgejahr auf dem Weltmarkt behaupten und das Exportvolumen weiterhin ausbauen. Ursachen liegen zum einen in einer neuen Quotenregelung zwischen China und der Europäischen Union (bis 2008) sowie den USA (bis 2009), da die Importe in die Europäische Union bereits Anfang des Jahres 2005 einen Wachstum von 200% verzeichnen. (vgl. Spies et al, 2007 / Saam, 2008) Zum anderen kann sich Bangladesch innerhalb des Lohngefüges behaupten, da es im Vergleich zu anderen textil- und bekleidungsproduzierenden Ländern die niedrigsten Lohnkosten verzeichnet. Auch in den darauffolgenden Jahren ist in Bangladesch ein Exportwachstum innerhalb der Textil- und Bekleidungsindustrie festzustellen. Mittlerweile nimmt der Export von Textilien etwa 75% der gesamten Exporteinnahmen ein, obwohl Bangladesch über einige Wettbewerbsnachteile verfügt (Infrastruktur, Import von textilen Vorprodukten). Innerhalb der letzten Jahre ist ein Sinken der Weltmarktpreise für Bekleidung deutlich zu erkennen. Bangladesch kann sich vor allem auf dem Weltmarkt als „Standort für Massenproduktion“ behaupten, da der Mindestlohn noch immer niedrig gehalten wird und das Produktionspensum äußerst hoch ist. (vgl. Feuchte, 2007 / Zurmeyer, 2010 / Saam, 2008 / Mengelkamp, 1998) 1.2 Anteil der weiblichen Beschäftigten in der Bekleidungsindustrie in Bangladesch Der Frauenanteil innerhalb der Bekleidungsindustrie liegt nach Schätzungen bei etwa 8590%. Gründe für die überwiegende Einstellung von Frauen sind zum einen die handwerklichen Fähigkeiten, zum anderen erdulden Frauen eher die prekären Arbeitsbedingungen und Sozialstandards als Männer und können geringfügiger entlohnt werden. Ursachen für die niedrigere Entlohnung liegen unter anderem an der bengalischen Tradition, die das Tätigkeitsfeld von Frauen im Haushalt und in der Kinderbetreuung vorsieht (vgl. Kabeer, 2004). Den- 4 Die Süddeutsche Zeitung berichtete im März 2004: „Ungeschützt werden sich die bangladeschischen Hemden- und Hosenmacher auf dem Weltmarkt nämlich kaum behaupten können. Dazu hat die Industrie zu viele Schwächen. Das Land baut keine Baumwolle an, Stoffe müssen über einen Hafen, nämlich Chittagong, der für seine Ineffizienz bekannt ist. Und da ist China. Die können sie auffressen.“ (Süddeutsche Zeitung, 2004) 9 noch bietet die Arbeit in den Textilfabriken ein Einkommen und damit verbunden eine gewisse Eigenständigkeit, vor allem auch aufgrund dessen, da sie häufig alleine in Städte migrieren und ohne Obhut der Familie in atypischen Bauten leben (vgl. ebd.). Die Näherinnen sind im Vergleich zu anderen arbeitenden Frauen verhältnismäßig „jung, unverheiratet und haben als Verheiratete wenige Kinder“ (ebd.). Frauen haben unter den Arbeitsbedingungen, psychischen wie auch somatischen Belastungen deutlich mehr zu leiden als Männer. Wenn es ihnen möglich ist, ihre Existenz anderweitig aufrecht zu erhalten, führen sie ihre Tätigkeit als Näherin nur einen gewissen Zeitraum aus. Während Paul-Majumder et al (2000) von einer durchschnittlichen Beschäftigungsdauer von vier Jahren am Stück ausgeht und lediglich 5% über zehn Jahre die Arbeit als Näherin ausführen, geht Feuchte (2007) davon aus, dass Frauen 5,25 Jahre (Durschnitt zwischen drei Monaten und 21 Jahren) in der Bekleidungsindustrie beschäftigt sind. Im Gegensatz dazu arbeiten Männer etwas länger in der Bekleidungsindustrie - etwa sechs Jahre im Durchschnitt. (vgl. Feuchte, 2007) Aufgrund der Arbeitslosenquote und dem vergleichsweise sicheren Arbeitsplatz und dem damit verbundenen Beitrag zur Existenzsicherung kann man davon ausgehen, dass gegenwärtig die Arbeiterinnen dazu gezwungen sind, ihre Tätigkeit solange wie möglich auszuüben. 1.3 Probleme5 Das Wirtschaftswachstum in Bangladesch, welches vor allem durch die Bekleidungsindustrie gestützt wird, ist von großer Bedeutung für das Land. Es bringt jedoch auch Probleme mit sich. Die große Beliebtheit der Bekleidungshersteller am Produktionsstandort Bangladesch liegt vor allem an den niedrigen Produktionskosten, die, auch wenn der Mindestlohn angehoben werden würde, weltweit immer noch die niedrigsten wären. Laut des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (2009) leisten „Multinationale Unternehmen (...) einen wertvollen Beitrag zur Verbesserung der lokalen Lebens- und Arbeitsbedingungen [sowie] zu Wachstum und Wohlstand in den Ländern, in denen sie präsent sind“ (Bundesverband der Deutschen Industrie, 2009). Doch werden Arbeitsbedingungen, Sozialstandards sowie die niedrigen Löhne immer deutlicher von Nichtregierungsorganisationen wie auch Kampagnen stark kritisiert. 5 Anzumerken ist, dass diese Probleme nicht in allen Fabriken auftreten. Aufgrund von Interviews und Berichten von Nichtregierungsorganisationen und der Presse kann davon ausgegangen werden, dass diese Probleme allerdings in zahlreichen Fabriken an der Tagesordnung liegen. 10 Folgend sollen Probleme innerhalb der Arbeitsbedingungen, Sozialstandards und des festgelegten Mindestlohns erläutert werden. Die folgenden Kapitel stützen sich unter weiteren fachwissenschaftlichen Artikeln auf eine empirische Forschung von Feuchte, die im Zeitraum von September 2003 bis Februar 2004 in „Dhaka, Savar, Narayanganj und einem Dorf im Distrikt Barisal“ die Lebens- und Arbeitssituationen von 69 Textilarbeiterinnen und -arbeiter untersuchte. 1.3.1 Arbeitsbedingungen und Sozialstandards Die Aufträge der Konzerne, die nicht selten eine große Stückzahl umfassen, müssen pünktlich an die Auftraggeber geliefert werden, damit die Kollektionen zu Beginn der nächstfolgenden Saison in den Verkaufsländern zur Verfügung stehen und der Trend nicht in Verzug gerät. In vielen Fabriken kommt es häufig zu der Annahme mehrerer Aufträge, obwohl keine ausreichenden Produktionskapazitäten zur Verfügung stehen. Nicht nur aus diesen Gründen sind in zahlreichen Textilfabriken prekäre Arbeitsbedingungen und mangelnde Sozialstandards die Folge. Weitere Ursachen liegen in der Instabilität der Regierung und Gesetzgebung oder auch in den schnell wechselnden Handelsbeziehungen zwischen den Konzernen und den Textilfabriken. Am meisten betroffen davon sind die kleinen und informellen Zulieferungsbetriebe. Auch wenn Transnationale Unternehmen immer mehr darum bemüht sind, Sozialstandards durchzusetzen und zu kontrollieren, gibt es Schwierigkeiten dabei, den gesamten Zulieferungsbetrieben wirksame Kontrollen zu unterziehen. Die Hauptprobleme hinter den Mauern der Textilfabriken sind häufig dieselben. Dazu gehören die „zu niedrige Bezahlung, eine hohe Arbeitsbelastung und das schlechte Verhalten der [Aufseherinnen und] Aufseher“ (Feuchte, 2007:61). Diese sollen in folgenden Kapiteln kurz erläutert werden. 1.3.1.1 Arbeitsbelastung Die Arbeitszeiten in Textilfabriken der zugrunde liegenden Quellen unterscheiden sich, sodass eine allgemein gültige Aussage über die Arbeitszeit nichtgegeben werden kann. Es lässt sich allerdings bestätigen, dass die Arbeiterinnen und Arbeiter weitaus mehr als acht Stunden am Tag arbeiten müssen. Den Berichten von Strohscheidt (2005) und Feuchte (2007) zu Folge kann es vorkommen, dass Arbeiterinnen und Arbeiter bis zu 90 Stunden in der Woche arbeiten. 11 Shahida Sarker, eine ehemalige Arbeiterin und Vorsitzende der National Garments Workers Federation, berichtet in einem Interview mit Kappestein, dass es in der Fabrik, in der sie gearbeitet hat „viele Kolleginnen [gab], die von acht Uhr morgens bis um drei Uhr nachts arbeiteten“ (Kappestein, 2008:4). Zu diesem Schluss kommt auch Feuchte: Auch wenn die Nachtarbeit für Frauen zwischen 20 Uhr und 7 Uhr laut des nationalen Arbeitsgesetzes verboten sei, müssten viele Arbeiterinnen Überstunden in der Nacht leisten. (vgl. Feuchte, 2007) Die Ursache hierfür liegt an den mangelnden Produktionskapazitäten und der Fülle an angenommenen Aufträgen. Häufig werden Arbeiterinnen entlassen, sollten sie sich nicht bereit erklären, Überstunden oder Nachtschichten zu leisten. Feuchte berichtet, dass nach einer Nachtschicht, die auch bis 6 Uhr morgens gehen kann, die folgende Tagesschicht wie üblich angetreten werden muss. Außerdem wird den Textilarbeiterinnen und -arbeitern nicht in jeder Fabrik ein freier Wochentag gewährt, auch wenn dieser in der nationalen Arbeitsgesetzgebung verankert ist. (vgl. Feuchte, 2007 / Heidegger, 2008 / Kappestein, 2008) Viele Näherinnen und Näher berichten von schlechten Belüftungssystemen, die die Arbeit zusätzlich erschweren. Eine weitere Arbeitserschwernis besteht in einigen Fabriken in der „Möglichkeit zum Toilettenbesuch und Zugang zu Trinkwasser“, die enorme gesundheitliche Schwierigkeiten mit sich ziehen können (Feuchte, 2007:61). Häufig werden die Toilettenbesuche genau protokolliert, damit das Arbeitspensum eingehalten werden kann. (vgl. Heidegger, 2008 / Barkat et al, 2003) Der menschliche Organismus kann diesen Anforderungen nicht immer standhalten. Rückenschmerzen und Sehschwäche sind häufige gesundheitliche Folgen für die Textilarbeiterinnen und -arbeiter, die neben zahlreichen anderen Erkrankungen auftreten können. In manchen Fabriken bekommen die Arbeiterinnen und Arbeiter nicht die Möglichkeit, ihre Krankheit auszukurieren, selbst wenn es sich um Krankheiten wie „Tuberkulose und Gelbsucht“ handelt (Feuchte, 2007:66). In einem Interview mit Feuchte erzählt eine Näherin, sie hätte Gelbsucht bekommen und dennoch weiterarbeiten müssen. „Reka sagt, sie wird noch ein bis anderthalb Jahre in der Bekleidungsindustrie arbeiten, dann reicht ihre Gesundheit nicht mehr dafür aus“ (Feuchte, 2007:83). 12 1.3.1.2 Behandlung durch Vorgesetzte Innerhalb der Textilfabrik kontrollieren Aufseherinnen und Aufseher das Produktionsgeschehen und die verrichtete Arbeit. „Vom höheren Management wird (...) empfohlen“ die Textilarbeiterinnen und -arbeiter zu bestrafen, um diesen „höchstmögliche Leistungen abzufordern“ (Feuchte, 2007:75). Kommt es also zu unerwünschten Verhalten oder wird die erwartete Produktionsleistung nicht erfüllt, kann es in einigen Fabriken zur Bestrafung der Textilarbeiterinnen und -arbeiter kommen, die sich in Form von Schlägen, sexuellen Übergriffen oder auch dem Verlust des Monatsgehaltes äußern können. Ursachen für die Bestrafungen können „Fehler bei der Arbeit, (...), Reden bei der Arbeit, (...) [oder ein] Toilettenbesuch“ sein (ebd. :75). In einem Interview zwischen Feuchte und der Näherin Rebeka (2007) berichtet diese, sie habe einen ganzen Tag auf einem Stuhl stehen müssen, weil sie ohne Erlaubnis auf die Toilette gegangen sei. (vgl. ebd.) Zu sexuellen Belästigungen kann es in manchen Fabriken, besonders in Nachtschichten kommen. Feuchte (2007) berichtet, dass sich Frauen häufig nicht zu diesen Übergriffen äußern möchten, da sie durch den Missbrauch ihr Ansehen in der bengalischen Gesellschaft verlieren. Die Informationen innerhalb ihres Forschungsberichtes erlangt sie durch Berichte von Kolleginnen und Kollegen. Diesen zufolge reichen die sexuellen Belästigungen „von verbaler Belästigung bis hin zur Vergewaltigung“ (ebd. :77). 1.3.1.3 Entlohnung Seit 2007 ist ein Preisanstieg für Nahrungsmittel und Konsumgüter in Bangladesch zu verzeichnen. Um die Existenz einer Familie erhalten zu können, werden etwa 5.000 Taka benötigt.6 Vor dem 01. November 2010 lag der Mindestlohn bei 1.650 Taka pro Monat, was nach dem aktuellen Wechselkurs (Stand: 11.08.2012) 16,17 Euro entspricht. Neben der Tatsache, dass dieser Lohn das Überleben einer Familie nicht sicher kann, kommt das beschwerliche Faktum hinzu, dass in einigen Fabriken nicht der gesamte Lohn ausbezahlt wird. 6 Ein Kilo Reis schlechter Qualität kostet etwa 37 Cent. 13 Es kann auch vorkommen, dass weder die Überstunden noch der Monatslohn ausbezahlt werden, da es häufig keine schriftlichen Arbeitsverträge gibt. Munir schildert in einem Interview mit Feuchte: „Wird das Pensum nicht geschafft, wird eine bestimmte Zeit nicht bezahlt und es müssen zusätzliche Überstunden geleistet werden“ (Feuchte, 2007:75) Er sagt, die Aufseher würden die Arbeiterinnen und Arbeiter wie Maschinen behandeln und zur Arbeit zwingen. (vgl. ebd.) Die unregelmäßigen Lohnzahlungen oder der Wegfall des monatlichen Einkommens in manchen Fabriken verschärft die Lebenssituation der Familien um einiges. K. 2: Anteil der chronisch unterernährten Bevölkerung in Bangladesch Quelle: Bangladesh Planning Comission and WTF. Hunger ist das Resultat. Infolge der miserablen Lage der Textilarbeiterinnen und -arbeiter kam es zu Protesten innerhalb Bangladesch, in denen Tausende Demonstranten die Anhebung des Mindestlohns auf 5.000 Taka (∼ 49,02 Euro) pro Monat forderten. Innerhalb der Proteste kam es zu zahlreichen Festnahmen, Verletzten und sogar Toten, da die Polizei „exzessive Gewalt“ einsetzen sollte (Amnesty International, 2010: 1). Am 01. November 2010 wurde schließlich der Mindestlohn auf 3.000 Taka (∼ 29,41 Euro) pro Monat hochgesetzt, was zwar eine Verbesserung darstellte, aber nicht die Forderungen von 5.000 Taka pro Monat erreichte. Viele der Arbeiterinnen und Arbeiter konnten aus der Erhöhung des Mindestlohns teilweise keinen Nutzen ziehen, da er zum einen nicht immer ausgezahlt wurde und zum anderen „sofort auch die Preise für das tägliche Leben stiegen“ und sich „beispielsweise der Preis für Reis seitdem fast verdreifacht“ hat (Business Social Compliance Initiative, 2011:2). Die Kampagne für Saubere Kleidung (2012) berichtet, dass sich die aktuelle Situation immer weiter verschlechtere. Über 300 Textilfabriken wurden geschlossen, anstatt den seit 2010 angehobenen Mindestlohn auszuzahlen und den Erhalt vieler Familien zu sichern. 14 Im Juni 2012 finden wiederum zahlreiche Proteste statt, in denen eine weitere Erhöhung des Mindestlohns gefordert wird. (vgl. Kampagne für saubere Kleidung, 2012 / Business Social Compliance Initiative, 2011) 1.3.1.4 Sicherheitsvorkehrungen Angemessene Sicherheitsvorkehrungen gibt es nicht in allen Fabriken. Die Ursache kann darin liegen, dass die Überprüfung der Schutzvorrichtungen stets angemeldet wird. So werden nicht in allen Fabriken Atemmasken und Arbeitskleidung den Arbeiterinnen und Arbeitern zur Verfügung gestellt. Es kann aber auch vorkommen, dass die Textilarbeiterinnen und -arbeiter die Atemmaske nicht benutzen, obwohl diese vor dem Einatmen von winzigen textilen Fasern schützen würde. In der Vormonsunzeit sind die Temperaturen so hoch, dass die Verwendung einer Atemschutzmaske zu Atemnot führen kann. Des Weiteren kann es auch zu Arbeitsunfällen kommen. Beispiele sind unter anderem Verletzung durch die Nadel, Elektroschläge oder Verbrennungen. (vgl. ebd.) Innerhalb der letzten Jahre sind mehrere Hunderte Menschen bei Bränden in Textilfabriken ums Leben gekommen. Jüngst berichtet die bangladeschische Zeitung The Daily Star: „A devastating fire gutted a huge quantity of garment accessories at a textile mills in Fatulla of Narayanganj“ (The Daily Star, 30.07.2012). Bei diesem Brand wurden keine Textilarbeiterinnen oder -arbeiter verletzt, doch wurden 75 Webstühle, zahlreiche Kleidungsstücke und Chemikalien durch das Feuer zerstört. Gründe für Feuerausbrüche können elektrische Kurzschlüsse sein. Burckhardt berichtet, dass häufig Elektrokabel frei im Raum hängen. Außerdem kann es in manchen Fabriken vorkommen, dass keine Feuerlöscher vorhanden sind oder die Fluchtwege mit Materialien oder Kartons gefertigter Wahre versperrt sind. (vgl. Burckhardt, 2012) 1.3.2 Kinderarbeit Laut der International Labour Organization (2012) müssen weltweit 215 Millionen Kinder arbeiten. Im Jahre 2006 geht man davon aus, dass etwa zwei Drittel dieser Kinder aus Asien stammen. In Bangladesch schätzt man die Zahl der Kinder (unter 14 Jahren), die in Steinbrüchen, Ziegeleien, Textilfabriken oder auf der Straße arbeiten, auf über sechs Millionen, obwohl die UN-Kinderrechtskonventionen seit dem 03. August 1990 ratifiziert sind, allgemeine Schulpflicht herrscht und der Besuch von Schulen unentgeltlich ist. 15 Ursachen liegen in der großen Armut der bengalischen Bevölkerung, sodass es für einige Familien die einzige Möglichkeit ist, mit dem geringfügigen, zusätzlichen Einkommen ausreichend Nahrungsmittel erwerben zu können. Nicht wenige Fabrikbesitzer bezeichnen die Beschäftigung von Kindern als „Akt der Wohltätigkeit“ (Akash et al, 2007:28). Die Beliebtheit, Kinder einzustellen, liegt zum einen in den niedrigen Löhnen für Kinder, die „im Ermessen des Vorarbeiters“ liegen und zum anderen in der Fingerfertigkeit sowie Fügsamkeit jüngster Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (Internationaler Bund Freier Gewerkschaften, 1995). Abb.3: Junger Mitarbeiter einer Textilfabrik in Bangladesch Quelle: Akash, 2009 1.3.2.1 Exkurs: UN-Kinderrechtskonvention Im November 1989 hat die Generalversammlung der Vereinten Nationen das Übereinkommen über die Rechte des Kindes verabschiedet. Folgend sollen die Grundsätze der Rechtsbestimmung zusammenfassend umrissen werden, die aufgrund der Beschäftigung eines Kindes in einer Textilfabrik nicht eingehalten werden können. Während der Arbeit in Textilfabriken kann es zu gewalttätigen Übergriffen auch gegenüber Kindern kommen, um ihr Gehorsam einzufordern (vgl. Akash, 2007). Diese Vorkommnisse verstoßen gegen Artikel 19 Schutz vor Gewaltanwendung, Misshandlung und Verwahrlosung. Aufgrund der Arbeit in textilen Gewerben, die laut einer Studie in „Zusammenarbeit mit der Bangladesh Garment Workers´Federation“ häufig von 8.00 Uhr bis 16.45 Uhr ausgeübt wird, kann das Recht auf Bildung; Schule; Berufsausbildung (Artikel 28) nicht nachgekommen werden (Internationaler Bund Freier Gewerkschaften, 1995:11). Für die Kinder in Bangladesch stellt diese Tatsache eine besonderer Problematik dar: Ohne Bildung ist eine gute Zukunft nicht immer möglich. Die langen Arbeitszeiten hindern diese Kinder zusätzlich, sich an Freizeit, kulturellen und künstlerischem Leben zu beteiligen (Artikel 31). Die Korruption und fehlende Stabilität innerhalb der Regierung, sowie der Druck der Armut und der niedrigen Löhne lässt mutmaßen, dass weitere Kinderrechtsverletzungen vorliegen könnten. Diese können aber im Rahmen dieser Arbeit nicht verifiziert oder belegt werden. (vgl. Deutsches Komitee für UNICEF e. V., 1989) 16 1.3.3 Handelsbeziehungen zu Großkonzernen Deutschland und die USA, die Hauptimporteure von Kleidung made in Bangladsh, möchten einen großen Gewinn verzeichnen oder ein T-Shirt für einen geringen Preis anbieten können, sodass eine große Nachfrage erreicht wird und aufgrund dessen ein großer Gewinn verzeichnet werden kann. Indem die Lohnkosten so niedrig wie möglich gehalten werden (etwa 1%), kann dies ermöglicht werden. Die Materialkosten, Transport und Steuern müssen als Fixkosten in die Preiskalkulation eines T-Shirts eingeplant werden. Außerdem wird ein großer Teil der Kosten für die Vermarktung eines T-Shirts verwendet (s. Abb. 4). Um die Gewinnspanne des textilen Produkts erhalten zu können, bleibt eine Möglichkeit, an den Lohnkosten der Textilarbeiterinnen und -arbeiter einzusparen. Da fast ausschließlich in Entwicklungs- und Schwellenländern produziert wird und die meisten dieser Länder auf die Aufträge angewiesen sind, können Modekonzerne einen extremen Druck auf die textilproduzierenden Länder wie Bangladesch ausüben. Würden die örtlichen Textilproduzenten eine leistungsgerechte Bezahlung einfordern, so würde die Abwendung der Konzerne in ein Land drohen, welches sich bereit erklärt, kostengünstiger zu produzieren. Nachdem zahlreiche Nichtregierungsorganisationen und die Kampagne für Saubere Kleidung auf diese Missstände hingewiesen haben, wurde versucht, durch verschärfte Kontrollen Abhilfe zu schaffen. Diese führen jedoch noch nicht zu wesentlichen Veränderungen der Arbeitssituation. Zum einen gibt es viele informelle Fabriken und Subunternehmen, die offiziell nicht bekannt sind und somit keiner Kontrolle unterliegen. Zum anderen gibt es zu wenige Kontrolleure. Im Arbeitsministerium gibt es eine Abteilung, die für die Überprüfung von Betrieben zuständig ist. Dieser stehen lediglich 120 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zur Verfügung, um alle Betriebe des Landes einer Kontrolle zu unterziehen, was nahezu unmöglich ist. (vgl. Business Social Compliance Initiative, 2011) Des Weiteren muss der Aspekt der Korruption und der instabilen Regierung beachtet werden. Es wird vermutet, dass es nach Kontrollen zu verschönten Berichten kommen kann. (vgl. ebd. / Burckhardt, 2008) 17 Abb. 4: Preiszusammensetzung eines T-Shirts Quelle: Kampagne für Saubere Kleidung, 2008 2 Gliederung der Unterrichtseinheit 1. Einstieg in die Thematik / Einblicke in das Land Bangldesch (45 Minuten) 2. Ein T-Shirt reist um die Welt - Die Textile Wertschöpfungskette (90 Minuten) 3. Mystery - Konfektionierung in Bangladesch (90 Minuten) - Ausführliche Analyse - Leitfrage des Mysterys: Warum muss ein Kind in Bangladesch an Hunger leiden, hat keine Freizeit und kann nicht zur Schule gehen, wenn ich mir ein T-Shirt in einem normalen Bekleidungsgeschäft kaufe? 4. Abschluss – Reflexion des Lernzuwachs und des eigenen Konsumverhaltens (90 Minuten) 18 2.1 Mystery - Konfektionierung in Bangladesch Mystery Arbeitsauftrag: Warum muss ein Kind in Bangladesch an Hunger leiden, hat keine Freizeit und kann nicht zur Schule gehen, wenn ich mir ein T-‐ Shirt in einem normalen Bekleidungsge-‐ schäft kaufe? Beantworte die Frage „Warum muss ein Kind in Bangladesch an Hunger leiden, hat keine Freizeit und kann nicht zur Schule gehen, wenn ich mir ein T-‐Shirt in einem normalen Bekleidungsgeschäft kaufe?“ mit Hilfe des Mysterys, indem du die Kärtchen in eine für dich sinnvolle Ordnung bringst. Klebe die Kärtchen in deiner Ordnung auf ein DIN-‐A3 Blatt. 19 Hier siehst du Nazia. Sie ist 8 Jahre alt und die Schwester von Mithun. Da weder Mithun noch ihre Mama Iffat Das ist Iffat. Sie ist Näherin in einer tagsüber zu Hause sind, muss sie auf Textilfabrik. ihre drei kleineren Geschwister auf-‐ passen. Das war Mamoon, der Vater von Iffat, Mithun und den kleinen Geschwistern. Er hat auch in der Textilfabrik gearbei-‐ Das ist Iffats Sohn. Er heißt Mithun tet, doch er ist bei einem Unglück ums Leben gekommen. und ist 10 Jahre alt. Obwohl die Arbeiter in der Textilfabrik so viel arbeiten, bekommen sie nur so wenig Geld (etwa 30 € im Monat), dass es nicht einmal für genügend Es-‐ sen ausreicht. Die Arbeiter in der Textilfabrik müssen von 7.00 Uhr bis 22.00 Uhr arbeiten. Oft müssen sie dann noch Überstun-‐ den machen und arbeiten bis spät in die Nacht. Sie haben nur an einem Tag in der Woche frei. 20 Wenn die Arbeiter nicht schnell genug arbeiten und die vorgegebene Anzahl an T-‐Shirts nicht fertig genäht be-‐ kommen, werden sie bestraft. Iffat geht es gesundheitlich nicht gut. Außerdem ist sie sehr traurig, weil sie ihren Mann verloren hat und sich nun alleine um die fünf Kinder kümmern muss. Allerdings reicht das Geld, was sie verdient nicht aus. Mithun und Nazia können nicht in die Vor einem Monat gab es ein großes Schule gehen und lesen, rechnen oder Feuer in der Textilfabrik. schreiben lernen. Über 100 Menschen sind bei dem Brand in der Textilfabrik ums Leben gekommen. Mithun muss jetzt auch in der Textil-‐ fabrik arbeiten, damit seine Mama und seine Geschwister etwas mehr zu Essen bekommen. In Deutschland kannst du dein T-‐Shirt in einem Einkaufsladen kaufen. Oft bekommst du ein T-‐Shirt schon ab 2 €. Die Feuerfluchtwege wurden in der Textilfabrik von den Aufsehern abge-‐ schlossen, sodass sich nur wenige vor dem Feuer retten konnten. Mithun bekommt noch weniger Geld, als seine Mutter, weil er noch ein Kind ist. Kinder werden noch schlechter bezahlt als erwachsene Textilarbeiter. Herr Müller vergibt die Arbeitsaufträ-‐ ge an die Textilfabriken rund um den Globus herum. Er verdient an einem T-‐ Shirt etwa die Hälfte des Preises. Das ist dein neues T-‐Shirt! In Bangladesch wird dein T-‐Shirt zu-‐ sammengenäht. 21 Damit Herr Müller viel Geld an einem T-‐Shirt verdient, bezahlt er nur wenig Geld an die Textilarbeiter. Die Arbeiter bekommen nicht einmal 1 Prozent des Kaufpreises für ein ge-‐ nähtes T-‐Shirt. Das ist Herr Müller. Er ist Chef von ei-‐ nem großen Modekonzern. Ihm geht es sehr gut – er ist sehr reich, hat eine große Villa und einen Sportwagen und fährt oft in Urlaub. Weitere Unterrichtsmaterialien sowie Kapitel der Arbeit können bei der Autorin per E-Mail (Sandra.Zelter@gmx.de) angefordert werden. Diese dürfen weder an Dritte weitergegeben noch vervielfältigt werden. 22 Literaturverzeichnis Akash, G. M. B. et al (2007): Geraubte Kindheit. In: Kontinente (2007): Kinderarbeiter. Fügsam und stolz. Köln: kontinente-Missionsverlag GmbH. Heft 4/2007). Amnesty International (2010): Arbeitskampf in Textilfabriken. Zugriff am 06.06.2012 unter www.amnesty.de. Bangladesh Export Processing Zones Authority (2009): About BEPZA. Zugriff am 13.06.2012 unter www.epzbangladesh.org. Bangaldesh Garments Manifacturers and Exporting Association (2009): BGMEA´s activities. Zugriff am 10.08.2012 unter www.bgmea.com.bd. Bangladesh Planning Comission and WTF (2005): Anteil der chronisch unterernährten Bevölkerung in Bangladesch. Zugriff am 12.08.2012 unter www.bangladesch.org. Barkat, A. et al (2003): Globalierung und Frauen. 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