weil wir sind - Kindernothilfe
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weil wir sind - Kindernothilfe
Kindernothilfe Österreich 6. Ausgabe 4/ 2008 Magazin www.kindernothilfe.at Zurück ins Leben finden Projekt für Straßenkinder in St. Petersburg Interview: TV-Journalist Ruprecht Eser Peru: Nelidas neues Leben Der ehemalige heute-journal-Moderator engagiert sich als neues Mitglied im Kindernothilfe-Stiftungsrat Das Schicksal von 550 arbeitenden Kindern hat sich verbessert – auch dank der Kindernothilfe-Spender Inhalt 4/2008 14 „Ich bin, weil wir sind“ Foto: Dietmar Roller Titelgeschichte 6 Sraßenkinder in St. Petersburg Von der Straße ins Grand Hotel Viele Kinder aus zerrütteten St. Petersburger Familien landen auf der Straße. Und dann ist es schwer, sie wieder in einen geregelten Alltag zu integrieren. Vor allem Jungen finden sich schnell mit ihrer Situation ab. Vier Mädchen haben den Absprung geschafft. Das Straßenkinder-Projekt Ostrov vermittelte ihnen einen Job im Grand Hotel Europe, einem der besten Hotels der Welt. Foto: Ralf Krämer Kindernothilfe weltweit 14 Äthiopien: „Ich bin, weil wir sind“ 4 Nachrichten 22 Interview: Ruprecht Eser 12 Transparent 26 Peru: Schule statt Arbeit 13 Mitarbeiterin im Profil 29 Gemeinsam für die Schwächsten 18 Engagement Selbsthilfegruppen stärken und befähigen Frauen Neues Mitglied im Kindernothilfe-Stiftungsrat Spender schenken Nelida und ihren Freunden Hoffnung Jahressammlung Gemeinde Wien-Liesing 2 Aktiv für Kinder Kindernothilfe Magazin 4/2008 Aktuelles aus der Arbeit der Kindernothilfe Fragen und Antworten rund um die Organisation Johanna Gammer, Paten- und Spenderbetreuerin Aktionen und Ideen für Kinder in aller Welt Liebe Leserin, lieber Leser! Kinder brauchen Vorbilder. Oft sind das die Eltern, Lehrer und andere Menschen, die für Kinder wichtig sind. Sie prägen die Werte der Kinder und geben ihnen Orientierung. Gute Vorbilder sind Wegweiser für den eigenen Lebensweg, den Kinder finden müssen und auf dem sie Schritt für Schritt Verantwortung für ihr Leben übernehmen. So ist es in vielen Familien, auch wenn sie keine heile Welt sind oder sein können. Aber durch Vorbilder entsteht Vertrauen und Sicherheit. 26 Peru: Schule statt Arbeit Foto: Jürgen Schübelin Doch was ist, wenn solche Vorbilder fehlen? Wie leben Kinder, die sich als Straßenkinder durchs Leben schlagen? Auch sie suchen nach Menschen, denen sie vertrauen können und hoffen auf Orientierung. Sozialarbeiter können diese Aufgabe übernehmen. Damit sich aber das Leben von Straßenkindern ändert, brauchen sie mehr. Die besten Vorbilder sind oft Gleichaltrige, die den Schritt von der Straße in ein anderes Leben geschafft haben. In St. Petersburg leben Hunderte von Kindern und Jugendlichen auf der Straße, hausen in Abbruchhäusern und verkriechen sich nachts in Kanalschächten. Dieses Leben hat tiefe Spuren in ihre Gesichter gegraben. Doch hinter der rauen Schale sind sie Kinder geblieben mit ihren Hoffnungen und Träumen. Einige von ihnen – wie Natascha und Jana – haben den Absprung vom Leben auf der Straße geschafft. Sie haben Hilfe bekommen und damit ihre eigene positive Kraft entdeckt. Jetzt halten sie Kontakt zu ihren alten Freunden. Sie wissen, wie es auf der Straße war und wie man aus diesem Sog heraus kommen kann. Sie sind zu Vorbildern geworden und werden von den Straßenkindern respektiert. Auf diese Art können Kinder Kindern helfen. Eine tolle Idee hatten Mädchen aus einem Projekt in Bangalore. Sie stellten einen Kalender her, dessen Erlös Mädchen in einer Schule Nairobi zu Gute kommt. Endlich konnten dort zwei dringend benötigte Klassenzimmer gebaut werden. Indische Mädchen helfen afrikanischen Schülerinnen. 29 Gemeinsam für die Schwächsten Unter dem Motto „Hilfe bewegt“ fand unser erstes Patentreffen in Wien statt. Über 100 Gäste lauschten den Reisberichten und nutzten die Gelegenheit zum Erfahrungsaustausch. Foto: Ralf Krämer Service 19 Termine 21 Rufnummern / Konten 24 Pinnwand 30 Rückblick Patentreffen Von Herzen Ihre Titelbild: Ralf Krämer Luzia Wibiral Geschäfstführerin Kindernothilfe Österreich Kindernothilfe Magazin 4/2008 Foto: Franz Pflügl 32 Impressum Mein herzlicher Dank gilt allen, die uns die Förderung Not leidender Kinder ermöglichen. Für diese Mädchen und Buben sind eine tägliche Mahlzeit und der Schulbesuch ganz besondere Geschenke. Zum bevorstehenden Weihnachtsfest wünsche ich Ihnen für Sie besonders wertvolle Geschenke und ebenso einen guten Start ins Jahr 2009! 3 Nachrichten Aktuelle Meldungen finden Sie unter www.kindernothilfe.at Paten werben Paten Ehepaar Hansely engagiert für Kinder in Südindien Foto: privat 28 Patenkinder und schon sieben Besuche bei den Patenkindern: Gertraud und Hans-Jörg Hansely aus Wien besuchen nahezu jährlich „ihre beiden Projekte“ der Kindernothilfe Österreich im Tamil Nadu in Südindien. Gemeinsam mit Freunden fördert das Wiener Ehepaar Kinder in Porayar im Gnanapoo Illam TELC Home for Children (Mädchenheim) und in Tarangambadi/Tranquebar im TELC Shalom Day Care Centre (Kindertagesstätte für Buben und Mädchen). Nach jeder ihrer Reisen suchte das Ehepaar in ihrem Freundeskreis und Bekanntenkreis Unterstützung für Kinder, die bis dahin noch keine Paten gefunden hatten. Zu den vier eigenen Patenkindern hat das Ehepaar mittlerweile Paten für 24 Kinder gefunden. „Die Idee im Freundeskreis um Paten zu werben, entstand ganz spontan nach unserem ersten Besuch in Südindien. Es freut uns besonders, dass so viele unserer Bitte gefolgt sind. Die Unterstützung der Kinder liegt uns sehr am Herzen. Der schönste Dank ist für uns ist es , wenn wie bei unserem Besuch die strahlenden Kinderaugen sehen,“ berichtet das Ehepaar Hansely. Patenehrung: Blumen für Hans-Jörg und Gertraud Hansely Kunst für Kinder in Not Foto: Luzia Wibiral Die Kindernothilfe Österreich freut sich über Spenden aus der Aktion „Kunst für Menschen in Not“, die der Künstler Don Ferguson 2007 gestartet hat. Der Käufer jedes Kunstwerkes wählt dabei jene Organisation, die er mit dem Kauf unterstützen möchte. Wolfgang Schindlecker und seine Frau Marianne haben ihren Betrag der Kindernothilfe Österreich gewidmet: „Wir haben selbst drei Kinder und sind sehr glücklich, dass sie in einem sicheren Zuhause aufwachsen konnten und eine gute Ausbildung erhalten haben. Aus diesem Grund haben wir sehr gerne bei der Aktion mitgetan. Die wahren Spender sind die Künstler, die ihre Werke kostenlos zur Verfügung stellen. Wir wollten das Geld der Kindernothilfe Österreich spenden, weil uns Kinder am Herzen liegen.“ Unter www.kfmin.at können die Exponate derzeit rund um die Uhr ersteigert werden. Das Ehepaar Schindlecker neben ihrer neu erworbenen Stahlplastik von Werner Köhler 4 Kindernothilfe Magazin 4/2008 Gemeinsam Patinnen sein Caro, Stephanie, Elisabeth, Stephanie, Johanna, Lotti, Hanni, Ludi, Nanni, Ily, Clara, Theresa, Christine und Olivia sind die Patinnen der fünfjährigen Sindhu aus Indien. Zwei Mal im Jahr machen die Pfadfinderinnen Gruppe Wien 2 eine Aktion, bei der sie Geld für die Finanzierung der Patenschaft sammeln. Bei einem Länderabend haben sie ihren Gästen Speisen aus verschiedenen Ländern angeboten und ihr Pfadfinderheim dekoriert. Im Juni haben sie einen Filmabend veranstaltet. Die Mädchen im Alter zwischen 10 und 13 Jahren organisierten Popcorn und Knabbereien, suchten die Filme aus und luden Freunde, ihre Familien und Bekannte zum gemeinsamen Filmschauen ein. „So können auch wir uns eine Patenschaft leisten. Es freut uns, wenn es Sindhu dadurch besser geht,“ bekräftigen die Mädchen. Bei einem Workshop in der Kindernothilfe-Geschäftsstelle haben Teilnehmer aus Mitgliedsorganisationen des Verbands Entwicklungspolitik deutscher Nicht-Regierungsorganisationen (VENRO) zum Thema „Schutz von Kindern in der Entwicklung szusammenarbeit“ gearbeitet. Dabei stellten VENROExperten einen neuen Kodex vor, der Kinder in Projekten der Entwicklungszusammenarbeit noch besser vor Missbrauch und Gewalt schützen soll. Er gibt Mitarbeitern und Partnern vor Ort eine Richtschnur an die Hand und zeigt, wie Missbrauch wirksam verhindert werden kann. „Wir setzen damit Qualitätsstandards und legen die Messlatte für unsere Partner und uns selbst ein Stück höher. Dieser Aufwand lohnt sich, wenn wir Kindern damit ein sichereres Umfeld schaffen“, so Dr. Jürgen Thiesbonenkamp, Vorstandsvorsitzender der Kindernothilfe. Das Dokument soll auf der VENRO-Mitgliederversammlung im Dezember verabschiedet werden. Die Kindernothilfe beteiligt sich wieder an Aktionen zum Red Hand Day, dem internationalen Tag gegen den Einsatz von Kindersoldaten am 12. Febraur 2009. Rund 100 Staaten haben das UN-Fakultativprotokoll gegen die zwangsweise Rekrutierung und den Einsatz von Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren unterzeichnet. Trotzdem werden 250 000 Mädchen und Jungen in bewaffneten Konflikten eingesetzt. Deshalb sollen bis zum 12. Februar eine Million rote Handabdrücke gesammelt und in New York an Vertreter der Vereinten Nationen übergeben werden. Die Kindernothilfe nimmt rote Hände entgegen und leitet sie weiter: Barbara Dünnweller, Düsseldorfer Landstraße 180, 47249 Duisburg. Foto: privat Schutz vor Missbrauch Rote Hände sammeln Klassik Radio hilft Aidswaisen in Südafrika Der Sender Klassik Radio ruft seine Hörer noch bis Januar zu Spenden für ein Aidswaisen-Projekt der Kindernothilfe in Südafrika auf. In Spots und Beiträgen schildern Moderatoren und prominente Kindernothilfe-Botschafter die Arbeit in der Provinz KwaZulu Natal. Pro Jahr werden 216 Mädchen und Jungen, deren Eltern an Aids gestorben sind, von geschulten Mit- arbeitern des Kindernothilfe-Partners RSBSC betreut. Die Zweibis Zwölfjährigen erhalten so die Chance, den Verlust von Vater oder Mutter zu verarbeiten. Unter dem Motto „Klassik Radio hilft“ ruft der Sender regelmäßig zu Spendenaktionen auf. Er sendet via Kabel und Satellit in ganz Deutschland (www.klassikradio.de). Das Bundesjazzorchester (BuJazzO) und der Jazzpianist Abdullah Ibrahim haben bei einem Benefizkonzert in der Duisburger Mercatorhalle 5 850 Euro für Kinder in Südafrika erspielt. Vor rund 700 Besuchern traten die 33 jungen Musiker unter der Leitung von Ed Partyka zugunsten des Kindernothilfe-Projektes auf. Der Erlös aus dem Konzert fließt in die Aids-Präventionsarbeit mit Jugendlichen in der südafrikanischen Provinz Eastern Cape. Das BujazzO unterstützt die Kindernothilfe anlässlich seines 20-jährigen Jubiläums. Auch im kommenden Jahr geht die Kooperation weiter: Das BujazzO veranstaltet mit ausgewählten Schüler-Bigbands weitere Benefizkonzerte. Foto: privat Junge Musiker erspielen 5 850 Euro Das Bundesjazzorchester musizierte zugunsten südafrikanischer Kinder. Kindernothilfe Magazin 4/2008 5 Straßenkinder Von der Straße ins Grand Hotel Russland Viele Kinder aus zerrütteten St. Petersburger Familien landen auf der Straße. Und dann ist es schwer, sie wieder in einen geregelten Alltag zu integrieren. Vor allem Jungen finden sich schnell mit ihrer Situation ab. Vier Mädchen haben den Absprung geschafft. Das Straßenkinder-Projekt Ostrov vermittelte ihnen einen Job in einem der besten Hotels der Welt. Fotos: Ralf Krämer 6 Kindernothilfe Magazin 4/2008 Das schmiedeeiserne Tor zu dem großen Innenhof öffnet sich geräuschlos. Mikhail* gibt uns ein Zeichen. Leise flitzen wir im Schutz der Dunkelheit zur nur angelehnten Kellertür. Wenn uns jemand aus den umliegenden Häusern entdeckt, fliegt auf, dass zurzeit fünf Straßenjungen hier wohnen. Dann müssten sie sich schon wieder einen neuen Unterschlupf suchen. Lautlos steigen wir die Stufen zu dem Luftschutzkeller aus dem Zweiten Weltkrieg hinunter. Mikhail geht mit der Kerze voran, wir anderen tappen blindlings hinterher. Spinnweben bleiben an den Haaren hängen, die Füße stolpern über Schutt, Holz, etwas Weiches. Alexej* verschließt eine schwere Stahltür hinter uns. Nach endlos scheinenden Minuten gelangen wir in ein kleines Gewölbe: ins Wohn- und Schlafzimmer der Jungen und ihrem Schäferhund. Das Kerzenlicht beleuchtet einen alten Sessel, ein zerschlissenes Sofa, Pappdeckel auf dem Boden, ein kleines Tischchen, an der Wand ein Heizungsrohr. Erst später auf den Fotos wird man dank Blitzlicht mehr erkennen – Schüsseln, einen Eimer, Decken, Plastiktüten. Es ist Kindernothilfe Magazin 4/2008 7 Straßenkinder warm, trocken und absolut still hier drin. Stolz präsentieren die Jungen in einem mit Geröll übersäten Nachbargewölbe ein ramponiertes, aber funktionierendes Waschbecken und eine halb verfallene Toilette. Im Gegensatz zu vielen anderen Straßenkindern, die nicht so komfortabel wohnen, haben sie es hier gut getroffen. Nach offiziellen Angaben leben rund 3 000 Straßenkinder in St. Petersburg – die Dunkelziffer ist wesentlich höher. Früher traf man sie, wie in anderen Großstädten der Welt auch, vor allem ihre Wäsche waschen, duschen, spielen, lernen. Es ist immer jemand da zum Reden, eine Krankenschwester hilft bei Stichwunden und Erkältungen. Und wer will, den unterstützen die Sozialarbeiter auch bei der Suche nach einem Job. „Aber wenn Jungen erst einmal sechs Monate auf der Straße leben, ist es sehr schwer, sie wieder in ein normales Leben zurück-zuführen“, meint Ostrov-Projektleiterin Vera Klimowa. „Sie sind nicht mehr bereit, regelmäßig früh aufzustehen und zur Arbeit zu gehen.“ Sasha*, 17, lebt seit zehn Jahren auf der Straße. Seine Eltern sind Jungen finden sich eher mit ihrer Situation ab – Mädchen dagegen haben noch Träume. im Stadtzentrum. Vor einem großen Gipfeltreffen im Juli 2006 sorgten die Behörden dafür, dass sie aus der Innenstadt vertrieben wurden. Doch Mikhail und seine Freunde sind geblieben. Dank Ostrov, einem der wenigen Straßenkinder-Projekte in der Stadt, können sie hier überleben. Ostrov heißt auf Deutsch „Insel“. Und das Zentrum ist wahrhaftig eine Rettungsinsel für diese heimatlosen, ausgestoßenen, orientierungslosen Jugendlichen. Hier bekommen sie eine warme Mahlzeit, können tot, sagt er. Die Eltern der anderen Jungen ebenfalls. Die fünf Jungen haben sich mit ihrem Leben auf der Straße arrangiert, sie wollen nichts mehr ändern. „Mädchen sind anders“, weiß Vera Klimowa. „Die haben noch Träume.“ Die Jungen nehmen uns mit zu Ostrov. Das Zentrum ist eine Anlaufstelle für rund 30 Straßenkinder von sieben bis 18 Jahren. Die Kindernothilfe unterstützt das Projekt seit 1998. Buntbemalte Wände, Schließfächer, in denen die Kinder ihre Habe Im Straßenkinderzentrum Ostrov werden aus „harten Jungs“ begeisterte Hobbyköche, die sich die Schürze umbinden und den Mixer schwingen. 8 Kindernothilfe Magazin 4/2008 Projekt: 45001/AA/12 Ostrov-Team regelte den Schulbesuch. Ihre gesamte Freizeit verbrachte Jana im Projekt, nahm alle Mahlzeiten dort ein, nutzte jede Möglichkeit zu lernen, zu spielen, sich weiterzuentwickeln. Die psychisch kranken Eltern von Nastja und ihren zwei Geschwistern verschwanden eines Tages und ließen die Kinder allein zurück. Ohne Ostrov wären die Geschwister völlig verwahrlost. Die jungen Frauen hatten einen schlechten Start ins Leben. Doch heute haben sie eine feste Anstellung in einem der 50 besten Hotels der Welt, in dem eine Nacht im preiswertesten Zimmer rund 620 Euro kostet. Stolz führen sie uns durch prunkvolle Hallen und Gänge mit blitzenden Kristall-Leuchtern, Gold und Marmor in die Katakomben des Hotels zu ihren Arbeitsplätzen. Hier sorgen hunderte von Angestellten dafür, dass der Betrieb reibungslos läuft. Jana und Natascha arbeiten in der Konditorei. Auf unzähligen Blechen liegen Baisers, kleine Brötchen, Kuchen und Kekse zum Abkühlen und verströmen einen leckeren Duft. „Am Anfang fand ich es hier ziemlich beängstigend, weil ich keinen kannte und auch von der Arbeit hier keine Ahnung hatte“, erzählt Jana, die als erstes Ostrov-Mädchen im Hotel anfing „Aber ich habe alles schnell gelernt, und jetzt fühle ich mich großartig hier!“ Jana kam schon als Achtjährige zu Ostrov, wie die Fotos dokumentieren. Nataschas Wunsch ist es, eine perfekte Konditorin zu werden. einschließen können. Ein Bad mit Dusche und Toilette, eine Tischtennisplatte, Fotos von Ausflügen an den Wänden. Eine Gruppe bemalt gerade selbst gebastelte Gipsfiguren. Einige Jugendliche üben am Computer, was sie im PC-Kurs gelernt haben. „Bitte gebt uns zwei Tassen Suppe am Tag“, steht auf der Wandzeitung unter der Rubrik „Wünsche der Kinder“. Ein anderer fordert „Wir brauchen eine neue Waschmaschine“. Die alte hat gerade den Geist aufgegeben und es ist kein Geld für eine neue da. Heute ist Kochen angesagt. Die harten Jungs aus dem Bunker binden sich Plastikschürzen um und mixen Pfannkuchenteig, schnippeln Zwiebeln und Pilze. Eine Gruppe Kinder schart sich um Jana, die zu Besuch gekommen ist. Die 18-Jährige hat den Absprung vom Projekt in ein eigenständiges Leben geschafft. Gemeinsam mit Nastja (18), Natascha (18) und Nadja (20) hat sie eine feste Anstellung im Fünf-Sterne-Hotel „Grand Hotel Europe“. Ein Märchen im 21. Jahrhundert. Ostrov ist für die jungen Frauen zur Familie geworden, deshalb kommen sie immer wieder her. Für die jüngeren Kinder sind sie ein Vorbild. „Ostrov ist sehr stolz auf sie“, sagt Projektkoordinatorin Vera Klimowa. „Wir haben Fotos aufgehängt aus der Zeit, als sie als kleine Mädchen zu uns kamen. Und heute können die anderen Kinder sehen, was aus ihnen geworden ist. Die vier rufen mich sehr oft an, und wir treffen uns häufig. Wir sind heute mehr wie Freundinnen, nicht wie Lehrerin und Schülerinnen.“ Alle vier kommen aus zerrütteten Familienverhältnissen. Ohne Ostrov wären sie auf der Straße gelandet. Jana zum Beispiel kam mit acht Jahren hierher und war bis dahin noch nie zur Schule gegangen. Ihre Mutter war alkoholabhängig und hatte sich nicht um die erforderlichen Papiere gekümmert. Das Kindernothilfe Magazin 4/2008 9 Natascha kam nach Jana hierher und hatte dadurch direkt schon eine Freundin vor Ort. Nadja geht mit uns in die Wäscherei – Frauen stehen vor riesigen Mangelmaschinen und lassen Bettwäsche durch die Walzen laufen. Es riecht nach Waschpulver und Stärke. Das Hotel hat 602 Betten, deren Bezüge nach Bedarf zweimal täglich gewechselt werden, ebenso wie die acht Handtücher pro Zimmer. „Hier gefällt’s mir gut“, sagt die 20-Jährige, „nur dass ich die ganze Zeit stehen muss, ist anstrengend.“ Zimmermädchen Nastja bringt täglich mindestens 27 Zimmer auf Vordermann: Betten beziehen, Handtücher austeilen, putzen, saugen. Stolz demonstriert sie in einem zurzeit unbewohnten Zimmer, wie ihre tägliche Arbeit aussieht. „Ich mache sehr gern sauber – nur nicht bei mir zu Hause…“, gibt sie kichernd zu und schüttelt ein Kopfkissen auf. Bis auf Nadja benehmen sich die vier wie junge Frauen überall auf der Welt – sie Das Grand Hotel Europe. Nastja bringt täglich mindestens 27 Zimmer auf Vordermann. sind voller Lebensfreude, kichern, werfen sich beim Fotoshooting in Positur, kommentieren jedes Foto auf dem Display der Kamera mit lautem Kreischen. Nur Nadja ist anders, introvertiert, redet leise und blickt verlegen auf den Boden. „Als die anderen drei 2006 hierherkamen, waren sie genauso“, sagt Hotel-Personalchefin Astrid Wenkel. „Und schaut, wie sie aufgeblüht sind! Nadja arbeitet erst seit Mai 2007 hier.“ Derjenige, der dieses moderne Märchen Kunden des Hotels erhalten eine spezielle Karte – wenn sie im Hotel damit bezahlen, fließen zehn Prozent in den Fonds. Die vier jungen Frauen haben es geschafft. Hotel-Pressesprecherin Ekaterina Vasilyeva erklärt, dass sie alle Chancen bekommen, hier Karriere zu machen. „Sie sind fest angestellt, sozial- und krankenversichert. „Our Ladies“, wie sie sie nennt, „haben die gleichen Rechte und Privilegien wie alle anderen Angestellten auch. Es gibt keinen Unterschied zwischen ihnen Die vier ‚Ladies‘ haben die gleichen Rechte und Privilegien wie alle anderen. Foto: Kindernothilfe-Partner möglich gemacht hat, ist Hoteldirektor Thomas Noll. Der gebürtige Schwabe wollte sich für Kinder in St. Petersburg engagieren – Astrid Wenkel, die damals für drei Jahre beim KindernothilfePartner Innovationen arbeitete, stellte den Kontakt zu Ostrov her. Außerdem gründete Noll einen Charity-Fonds, mit dem er Ostrov und weitere soziale Projekte vor Ort unterstützt: Die besten 10 Kindernothilfe Magazin 4/2008 und dem restlichen Personal. Nur das Management kennt die harte Lebensgeschichte der vier und ist glücklich, dass es ihnen etwas Gutes tun kann.“ Gunhild Aiyub, Redakteurin Gunhild.Aiyub@knh.de * Name von der Redaktion geändert Straßenkinder UN-Kinderrechtskonvention, Artikel 20: „Ein Kind, das (…) aus seiner familiären Umgebung herausgelöst wird oder dem der Verbleib in dieser Umgebung im eigenen Interesse nicht gestattet werden kann, hat Anspruch auf den besonderen Schutz und Beistand des Staates.“ Nachgefragt bei Jörg Denker Foto: Petra Liedtke Referatsleiter Asien und Osteuropa Jörg Denker Russland hat die UN-Kinderrechtskonvention im Jahr 1990 ratifiziert. Warum gibt es immer noch so viele Kinder, die unzureichend durch gesellschaftliche Strukturen versorgt werden? Die russische Gesellschaft ist immer noch in einem Transformationsprozess. Während alte Strukturen aus kommunistischen Zeiten nicht mehr funktionieren, steht die Entwicklung der Zivilgesellschaft noch immer am Anfang. Neue Institutionen sind nur unzureichend vorhanden, um sich beispielsweise um Straßenkinder oder HIV-positive Kinder zu kümmern. Daher betreut die Kindernothilfe gerade diese Gruppen. Welche Maßnahmen ergreift der Staat, wenn Eltern ihrer Verantwortung ihren Kindern gegenüber nicht nachkommen? Der Staat steckt die Kinder in Institutionen. Das sind zumeist Heime, in denen die Kinder nach unserem Verständnis unzureichend versorgt und gefördert werden. Daher laufen viele Kinder aus diesen Heimen davon. Welche staatlichen Hilfen gibt es speziell für Straßenkinder? Der Staat hat in letzter Zeit angefangen, Projekte von unabhängigen Organisationen mit zufördern. Das sieht dann so aus, dass ein Teil des Budgets staatlich verwaltet wird, was meistens in Kürzungen endet. Danach geht es vielen Projekten finanziell schlechter. Auch das Projekt Ostrov kooperiert mit dem Staat. Momentan können finanzielle Defizite durch unsere Spenden kompensiert werden. Dies zeigt, wie wichtig unsere Hilfe immer noch ist. Foto: Kindernothilfe-Partner Natascha, Nastja, Jana und Nadja (v.l.) haben es geschafft: Sie sind vollwertige und respektierte Mitarbeiterinnen im Grand Hotel Europe. Kindernothilfe Magazin 4/2008 11 Transparent Fragen und Antworten rund um die Arbeit der Kindernothilfe Eine Frage, Herr Heidchen... Die meisten Kinder sind es nicht gewohnt, persönliche Erlebnisse und Gedanken zu Papier zu bringen oder auf Fragen ihrer Paten einzugehen. In den Ländern der Patenkinder ist die schriftliche Kommunikation, gerade unter den ärmeren Bevölkerungsschichten, nur sehr wenig verbreitet. Die meisten Informationen werden mündlich weitergegeben. Hinzu kommen oft sprachliche Schwierigkeiten. Deshalb verwenden die Kinder gerne feststehende Floskeln, bei denen sie sich sicher fühlen und die sich in jedem Brief wiederholen. Hinzu kommt, dass das Leben vieler Kinder ganz anders ist, als wir es kennen: Ausflüge, Freizeitaktivitäten, Urlaube – das erleben sie nicht. In ihren Briefen geht es daher häufig um dieselben Dinge, also das Familienleben, die Schule, die Noten. Oft ergibt sich ein intensiverer Austausch nach einer Reihe von Jahren. Patenschaft bedeutet eben auch, die Entwicklung eines Kindes in einer anderen Kultur in Geduld zu begleiten. Foto: Petra Liedtke Warum sind die Briefe meines Patenkindes oft unpersönlich und gar nicht kindlich? Gerd Heidchen, Referat Spenderservice Foto: Frank Rothe Eine Patenschaft als Weihnachtsgeschenk Norbert Blüm hat seiner Enkelin Lilian die Patenschaft für Tamil geschenkt. 12 Kindernothilfe Magazin 4/2008 Eine Patenschaft ist ein ganz besonderes Geschenk, gerade zu Weihnachten. Gott selbst kommt zu uns in einem schutzlosen Kind, für dessen Geburt kein Platz in der Herberge ist. Diese Weihnachtsbotschaft wird zum Grund der christlichen Hoffnung – auch für die benachteiligten Kinder dieser Welt. Und in jedem Kind wiederum begegnet uns ein Stück der Zuwendung Gottes. Verschenken Sie daher eine Kinderpatenschaft oder Projektpatenschaft. Es ist ganz einfach: Lassen Sie sich zunächst unsere unverbindlichen Informationen an Ihre Anschrift zusenden. Treffen Sie in Ruhe Ihre Entscheidung. Überlegen Sie dabei auch, für welche Dauer Sie den Patenschaftsbeitrag übernehmen möchten. Wir senden Ihnen dann die Unterlagen zu, die Sie auf den Gabentisch legen können: einen Informationsbogen mit einem Foto des Patenkindes oder die Projekturkunde. Gern senden wir an die Adresse des neuen Paten später auch die kontinuierlichen Rückmeldungen zur Patenschaft. Fotos: Kindernothilfe Brücken bauen Foto: Kindernothilfe unterstützen. Im September 2007 hat sich mein Wunsch erfüllt: Die Paten- und Spenderbetreuung macht mir sehr viel Freude. Name: Johanna Gammer Alter: 46 Position: Paten- und Spenderbetreuerin Kindernothilfe Österreich Wie sind Sie zur Kindernothilfe Österreich gekommen? Als Kundenberaterin in der Marktforschung hat sich in mir in den vergangenen zwölf Jahren der Wunsch gefestigt, für eine Non-Profit-Organisation zu arbeiten. Die Kindernothilfe Österreich ist mir schon vor längerer Zeit positiv aufgefallen. Mich beeindrucken die Projekte, die Kinder und ihre Familien in den ärmsten Ländern durch Hilfe zur Selbsthilfe Was ist Ihre Aufgabe bei der Kindernothilfe? Ich beantworte allgemeine Fragen zur Patenschaft und informiere Interessenten über unsere Projekte und die Hilfe, die ein Pate dem Kind geben kann. In der Folge stelle ich den Kontakt zwischen Pate und Patenkind her. Ein Schwerpunkt meiner Arbeit ist es auch, alle Fragen, die während der Patenschaft auftreten, zu beantworten. Vor allem Informationen zum Briefkontakt oder zur Möglichkeit, dem Patenkind kleine Aufmerksamkeiten zu senden oder es zu besuchen, werden häufig benötigt. Dazu habe ich engen Kontakt zur Kindernothilfe Deutschland, da die Projekte von dort betreut werden. Was mögen Sie in Ihrem Job besonders? Mir gefällt die Vielfältigkeit meines Bereiches. Ich habe mit vielen Menschen Kontakt, die durch ihre Unterstützung einen wertvollen Beitrag leisten, um die Situation von Kindern in Afrika, Asien und Lateinamerika zu verbessern. Ich lerne auch die Ziele und Arbeitsweisen in den verschiedenen Projekten, die von der Kindernothilfe Österreich unterstützt werden, genau kennen. Außerdem kann ich meine bisherigen beruflichen Erfahrungen gut in meine jetzige Tätigkeit einbringen. Was möchten Sie mit Ihrer Arbeit erreichen? Mir ist wichtig, dass möglichst viele Kinder durch Paten unterstützt werden und sie, ihre Familien und Gemeinschaften so eine nachhaltige Chance auf ein besseres Leben erhalten. Dazu ist es notwendig, dass die Beziehung zwischen Paten und Kindern auf einer guten Basis steht und dass auf beiden Seiten Verständnis für die unterschiedlichen Lebensweisen entsteht. Dadurch werden Brücken zwischen Menschen gebaut. Wie verbringen Sie Ihre Freizeit? In meiner Freizeit lese ich gerne, höre viel Musik (Jazz, Blues, Rock), besuche Ausstellungen und reise gern. Radfahren und leichtes Krafttraining für die Gesundheit sind mir wichtig. Kindernothilfe Magazin 4/2008 13 Selbsthilfegruppen „Ich bin, weil wir sind“ Äthiopien Selbsthilfegruppen in Afrika haben eine lange Tradition. Die Kindernothilfe und ihre Partner bauen auf die Strukturen dieser erfolgreichen Gruppen, ermutigen Frauen zur Gründung neuer Kreise und erreichen damit, dass sich die Lebensverhältnisse von Foto: Jens Großmann tausenden von Kindern verbessern. Und nicht nur das: Die Gruppen sollen ganze Dörfer so verändern, dass künftig nur noch wenige Kinder in Armut aufwachsen müssen. 14 Kindernothilfe Magazin 4/2008 Foto: Dietmar Roller Thema Hunger In der geräumigen Hütte ist es dunkel, meine Augen müssen sich erst an diese Dunkelheit gewöhnen. Etwa dreißig Frauen sitzen oder stehen im Raum und genießen die Kaffeezeremonie; so ist es üblich, wenn man in Äthiopien zusammenkommt. Wir sind in einem Gehöft in der Region Birmadu Folle, rund 80 Kilometer von der Hauptstadt Addis Abeba entfernt. Die Gegend ist arm. Frauen und Mädchen brauchen bis zu sechs Stunden täglich, um genug Wasser für die Familie heranzuschaffen. Frauen, Männer und Kinder müssen hart arbeiten, um das Überleben zu sichern. Das Land ist trocken, bringt kaum Ertrag, nur wenn Regen fällt, gibt es genug zu essen. Schule war bisher Luxus, den sich die meisten Familien nicht leisten konnten. Kinder wurden hier zum Arbeiten gebraucht, denn zum Überleben mussten alle ihren Teil beitragen. Etwas zu verändern, daran haben die Menschen lange Zeit nicht gedacht, man hat die Traditionen und Arbeitsweisen hingenommen und nie hinterfragt. Die Region ist von der Außenwelt relativ abgeschnitten, und so nahm man Freud und Leid seit Generationen einfach hin. Eine der schlimmsten Erfahrungen, die arme Menschen machen, sind Machtlosigkeit und Unwissenheit. Daran scheitern Kindernothilfe Magazin 4/2008 15 Foto: Karl Pfahler Selbsthilfegruppen Die Frauen entwickeln gemeinsam Ideen, wie sie die Lebensbedingungen in ihren Familien und im ganzen Dorf verbessern können. oft einfache Veränderungsversuche. Zu lange hat Entwicklungshilfe nur auf die schnelle Hilfe von außen gebaut, anstatt die Zielgruppe so zu fördern, dass die Menschen selbständig Verbesserungen anstoßen können. Dort setzen die Selbsthilfegruppen an. Sie bringen nachhaltige Veränderungen, weil die Arbeit mit den Menschen gestaltet wird und sie die Veränderungen als ihre eigenen Erfolge erleben. Der Selbsthilfegruppen-Ansatz lässt daran und lebt das auch. Aber wir haben gelernt, dass wir als Gruppe enormes Potenzial haben und zusammen die Kraft besitzen, Probleme gemeinsam anzugehen und positive Veränderung zu bringen. Es ist wie ein Motor, den wir angeworfen haben, der unser Leben – angepasst an die holprigen Straßen bei uns – voranbringt.“ Die Gruppen sparen gemeinsam, vergeben reihum Kredite. Die Frauen nutzen zum Unterricht. Sie müssen nicht mehr arbeiten, weil die Familien genug verdienen. Zum Beispiel hat eine Frau einen Laden für Dinge des täglichen Bedarf eröffnet. Er läuft sehr gut, weil er im Dorf ist und die Frauen nun nicht mehr bis in die nächste Kleinstadt laufen müssen. Die medizinische Versorgung ist viel besser. Wenn jemand in Not ist und Geld für Arzt und Medikamente braucht, nimmt er es nicht mehr vom Geldverleiher zu „Als Gruppe haben wir enormes Potenzial, können Probleme gemeinsam angehen und positive Veränderung bringen.“ die Bedürftigen ihre Möglichkeiten erkennen. Die Frauen beginnen zu erzählen, von einem Prozess, der im letzten Jahr ihr Leben und das ihrer Familien nachhaltig verändert hat. Geglaubt haben viele von ihnen nicht daran, als sie zum ersten Mal als Frauengruppe zusammenkamen. „Als Einzelne bist du ohne Stimme, machtlos und verletzbar“, sagt eine der Frauen. „Mir wurde schon als Kind gesagt, ich sei zu nichts zu gebrauchen und könnte nichts. Wenn man das ständig hört, glaubt man 16 Kindernothilfe Magazin 4/2008 sie, um sich mit kleinen Dienstleistungen selbständig zu machen. Mitarbeiter der Kindernothilfe-Partner begleiten sie dabei. Ihren Gewinn investieren die Frauen in neue Projekte und in die Zukunft ihrer Kinder: Bessere Nahrung, Kleidung und Erziehung sind die wichtigsten Ziele. Armut nach unserem Verständnis ist noch immer zu sehen – das Wasserproblem ist noch nicht gelöst, die neuen Ansätze greifen erst langsam –, und doch reden die Frauen von nachhaltiger Veränderung. So gehen alle Kinder im Schulalter Wucherzinsen; die Gruppen geben Kleinkredite zu günstigen Konditionen, und der Gewinn bleibt bei den Frauen. Besonders stolz sind die Frauen darauf, dass in ihrer überschaubaren Region die schädlichen traditionellen Praktiken so gut wie ausgerottet sind. „Wir haben die Genitalverstümmlung bei uns abgeschafft“, erzählt eine alte Frau stolz, „und auch Kinderheirat gibt es bei uns fast nicht mehr.“ Die Frauen haben Aufklärungsund Überzeugungsarbeit geleistet, sich gegen die Praktiken eingesetzt. In man- Projekte: 60953/AA/12 chen Regionen verheiraten arme Familie ihre Töchter schon mit neun, ihre Söhne mit zwölf Jahren, um zu Hause einen Esser weniger zu haben. „Aber Kinder können nicht leben wie Erwachsene. Wir wollen nicht, dass Mädchen aus lauter Verzweiflung nach der Heirat in die nächste große Stadt verschwinden, um ihrem Los zu entkommen“, sagen die Frauen. Wie ich später erfahre, kommen etwa 45 Prozent der Barmädchen in Addis Abeba aus gescheiterten Kinderehen. Eine weitere Frau steht auf, erzählt vom qualvollen Tod ihres dreijährigen Sohnes. „Kindern wurden ohne Betäubung die Mandeln herausgeschnitten, wenn sie häufig erkältet waren. Mein Sohn ist dabei an einer Infektion gestorben. So etwas gibt es bei uns jetzt nicht mehr.“ Die Frauen berichten, dass es in der Region jetzt schon 44 Selbsthilfegruppen gibt. Immer zehn Gruppen bilden eine Dachorganisation, einen „Cluster“. Jede Gruppe wählt zwei Frauen in die Clustergruppe. „Wir sind bereits ein richtiges Netzwerk in Birmadu Folle, dem man Respekt entgegenbringt, sogar die Lokalpolitiker kommen und reden mit uns“, berichtet eine aus der Gruppe, und man merkt, wie stolz sie darauf ist. „Viel hat sich verändert in den letzten Jahren, ganz langsam, aber stetig, unsere Kinder haben keinen Hunger mehr, das ist das Wichtigste. Natürlich ist noch viel zu tun, aber wir schaffen das gemeinsam mit der Kindernothilfe.“ „Ich bin, weil wir sind“, lautet ein afrikanisches Sprichwort. Die Frauen verstehen das als Zukunftskonzept, nicht mehr allein am Rande der Gesellschaft, machtlos zu sein, sondern gemeinsam ihre Zukunft und die ihrer Kinder zu gestalten. Das gibt jeder Einzelnen von ihnen ihre Würde und ihren Wert. Der Prozess verändert nachhaltig und er bleibt, auch wenn die Kindernothilfe in ein paar Jahren das Projekt nicht mehr unterstützt. Starke Frauen gestalten die Zukunft für starke Kinder selbst. Projektsplitter Afrika Uganda: Straßenkinderprojekt in Lira (Projekt 66161/AC/13) In Lira leben etwa 300 Kinder auf der Straße – geflohen vor alkoholisierten Eltern, vor Prügeln und Missbrauch. Manche wurden traumatisiert durch den Aidstod von Vater und Mutter, fühlten sich überfordert, wenn sie für plötzlich für ihre kleinen Geschwister sorgen mussten. In Pflegefamilien wurden sie schlecht behandelt oder sogar missbraucht. Der Kindernothilfe-Partner Child Restoration Outreach Uganda will bis 2011 245 Kinder wieder nach Hause zurückbringen. Damit sie nicht wieder weglaufen, müssen sich die Verhältnisse dort natürlich ändern, was der Partner durch die gezielte Arbeit mit den Familien versucht. Fachleute helfen den Mädchen und Jungen, ihre Traumata zu überwinden. Alle ehemaligen Straßenkinder sollen zur Schule gehen oder eine Ausbildung machen. Durch Präventionsarbeit in den Armenvierteln soll auch verhindert werden, dass Kinder überhaupt auf der Straße landen. Kenia: Oberschule für besonders begabte Mädchen (Projekt 6533/AA/12) Die Schülerinnen des Starehe Girls’ Centre, einer Oberschule mit Internat in Nairobi, kommen aus sehr armen Familien im ganzen Land. Auch Kinder aus Flüchtlingsfamilien, die in Kenia leben, werden bei der Auswahl besonders berücksichtigt. Ohne finanzielle Unterstützung könnten sie keine weiterführende Schule besuchen. Die Kindernothilfe unterstützt 100 von ihnen durch Patenschaften. Das Besondere an diesem Projekt ist, dass die Mädchen die Schule praktisch selbst managen – die Schulleitung unterstützt sie lediglich dabei. So lernen sie schon früh, Verantwortung zu übernehmen. Die Schulleitung wird von einem Komitee aus zwölf namhaften Persönlichkeiten aus Politik, Kirche und Gesellschaft unterstützt. Dank der Hilfe von Mädchen aus dem indischen Projekt Bhandavi (s. S. 18) wurden in diesem Jahr zwei zusätzliche Klassenzimmer gebaut und eingerichtet, so dass das Starehe Girls‘ Centre weitere Schülerinnen aufnehmen kann. Dietmar Roller, Auslandsvorstand Dietmar.Roller@knh.de Seit es die Selbsthilfegruppen gibt, gehen alle Kinder zur Schule. Foto: Karl Pfahler Sambia: Selbsthilfegruppen (Projekt 61590/AA/12) 83 Prozent der Landbevölkerung Sambias leben in absoluter Armut. Selbsthilfegruppen ermöglichen den Ärmsten der Armen, ihre wirtschaftliche Situation zu verbessern. In wöchentlichen Treffen tauschen sie Informationen aus, besprechen Probleme, suchen gemeinsam Lösungen und bauen weiterführende Organisationsstrukturen auf. Die Gruppenmitglieder sparen kleine Summen, die sie dann reihum als Kleinkredite vergeben. Das Geld können die Gruppenmitglieder in neue Einkommensquellen – wie eine Hühnerzucht oder den Gemüseanbau – investieren. Durch die zusätzlichen Einnahmen haben die Familien genug zu essen, können sich Medikamente leisten, wenn sie krank sind, und die Kinder zur Schule schicken. Auch Kinder und Jugendlichen gründen Gruppen, in denen sie ihre Rechte erfahren und lernen, sie auch einzufordern. Kindernothilfe Magazin 4/2008 17 Engagement Ideen und Aktionen Foto: Ralf Krämer Mädchen in Indien helfen Mädchen in Kenia Die indischen Mädchen sind stolz auf ihre Hilfe. Mädchen in Bangalore unterstützen Mädchen in Nairobi. Diese Hilfe von einem Entwicklungsland zum anderen ist in der fast 50-jährigen Geschichte der Kindernothilfe einzigartig. Kindernothilfe-Auslandsvorstand Dietmar Roller besuchte im August 2006 das Projekt Bandhavi (Projekt 21620/AA/12) im indischen Bangalore (Bundesstaat Karnataka). Dort werden 70 Töchter von Tempelprostituierten davor bewahrt, in die Fußstapfen ihrer Mütter treten zu müssen. Die Acht- bis Vierzehnjährigen gehen zur Schule, lernen Theaterspielen und Tanz 18 Kindernothilfe Magazin 4/2008 und können eine Ausbildung machen. Vor allem erfahren sie, dass sie Rechte haben – zum Beispiel das Recht, in Würde zu leben und eigene Entscheidungen zu treffen. Dietmar Roller erzählte den Mädchen von Projekten in Afrika, die er gerade besucht hatte. Sie löcherten ihn mit Fragen, wie afrikanische Kinder leben. Und David Selvaraj vom Projektpartner Vishtar hatte eine Idee: „Wir produzieren einen Kalender, mit dem wir Kinder in einem afrikanischen Projekt unterstützen.“ Die Mädchen waren Feuer und Flamme: Jetzt konnten sie zeigen, dass sie nicht nur Hilfsempfängerinnen waren. Sie produzierten einen wunderschönen Kalender aus handgeschöpftem Papier, das sie ebenfalls selbst herstellten. Für die Illustration hatten sie extra die 3000 Jahre alte Kunst der Warli-Ureinwohner einstudiert. Als Themen wählten sie zwölf Rechte aus der Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen aus. Die Mädchen stellten ihre Ideen und ihre Arbeitskraft zur Verfügung, die Kindernothilfe bezahlte die Produktionskosten und den Transport. Da sie als gemeinnütziger Verein nichts verkaufen darf, machte sie bei verschiedenen Veranstaltungen auf den Kalender aufmerksam und bat um Spenden. Bewunderung für das schöne Produkt und das Engagement der Mädchen war die einhellige Reaktion. 2 012 Euro Reinerlös schlugen am Ende zu Buche. Mit diesem Geld konnte das Starehe Girls’ Centre in Nairobi/Kenia (Projekt 65331/AA/12 – s. S. 17) zwei dringend benötigte Klassenzimmer bauen lassen. Rund 230 Mädchen aus sehr armen Familien besuchen diese Oberschule mit Internat. Ohne finanzielle Unterstützung hätten sie absolut keine Chance auf eine weitere Schulbildung. Die Begeisterung bei den kenianischen Mädchen über die Hilfe aus Indien war groß. Gunhild Aiyub, Redakteurin Gunhild.Aiyub@knh.de 26 Häuser für „Unberührbare“ Architekt fördert Baumaßnahmen in Indien Mit dem Geld unterstützt Joachim Sedlaczek Baumaßnahmen, die ihm als Architekten besonders am Herzen liegen: Gemeinsam mit der Organisation SASY baut die Kindernothilfe in zwei Dörfern im Cuddalore-Distrikt Häuser für Familien, die von den Hilfsmaßnahmen der indischen Regierung völlig ausgeschlossen sind. Der Rotarier hat sich ein großes Ziel gesetzt: Er möchte 26 Häuser finanzieren. Elf sind bereits bezahlt, Gelder für weitere Häuser wurden ihm in Aussicht gestellt. Foto: privat Foto: privat Joachim Sedlaczek aus Gevelsberg unterstützt seit 16 Jahren über die Kindernothilfe indische Patenkinder. 2001 besuchte der 43-Jährige als Vorstandsmitglied des Rotary Clubs Gevelsberg Projekte in Südindien. „Die Reise war voller Eindrücke, die ich nicht missen möchte“, so sein Fazit nach der Rückkehr. „Sie hat uns geholfen, unserem Wohlstand das Selbstverständnis abzuerkennen.“ Joachim Sedlaczek hat die Arbeit vor Ort überzeugt. Er beschloss, im „Rotary Distrikt 1900“ Vorträge über ein Projekt, das die Kindernothilfe nach dem Tsunami gestartet hatte, zu halten und dabei um Spenden zu bitten. Bis jetzt ist bei Veranstaltungen in fünf Rotary- und einem Golfclub die unglaubliche Summe von 25 296 Euro zusammengekommen. „Misheni Moyo“ zeigt Herz für Kinder Schüler-AG des Cusanus Gymnasiums spendet 1 500 Euro Foto: privat „Wir wollten etwas machen, mit dem wir die ganze Welt retten können“, meint Angelika Müller schmunzelnd, „aber das war schwierig...“ Angelika gehört zur Arbeitsgemeinschaft „Misheni Moyo“ (Mission Herz) am Cusanus Gymnasium in St. Wendel/Saarland. Im Herbst 2006 haben Schüler diese AG gegründet, die inzwischen 15 Mitglieder hat. Sie opfern Pausen und Wochenenden, sind auf Märkten, Sommerfesten und Faschingsveranstaltungen aktiv und sammeln Geld für Projekte in Entwicklungsländern. Zuletzt spendeten sie 1 500 Euro für die Kindernothilfe-Aktion „1 + 3 = 4“ – dabei erhöhte die Europäische Kommmission die Spende auf 6 000 Euro. Außerdem beteiligten sie sich an der Aktion „Rote Hand“, die dazu aufruft, den Einsatz von Kindersoldaten zu verbieten. Von den eine Million roten Handabdrücken, die an die UN geschickt wurden, kamen rund 900 aus St. Wendel. Wegen des Engagements von Misheni Moyo zeichnete das Deutsche Rote Kreuz das Gymnasium 2008 als „Humanitäre Schule“ aus – eine Ehrung für Schulen, die sich in besonderer Weise für soziale Projekte engagieren. Einige Mitglieder der Schüler-AG bei der Scheckübergabe. Termine von Oktober bis Januar Frankfurt/Oder Fr 21. – So 23.11. Der Freundeskreis Fürstenwalde auf der 4. Deutsch-Polnischen Weihnachtsmesse. Saarbrücken Sa 22.11., 24-18 Uhr/So 23.11., 10-18 Uhr Der Freundeskreis Saarbrücken beim Solidari- Siehe auch www.kindernothilfe.de/Rubriken/Service/Termine tätsbasar. Aula des Ludwiggymnasiums, Roonstraße. München Fr 28.11. – Di 23.12. 11-20 Uhr Der Arbeitskreis München beim Christkindlmarkt. Rotkreuzplatz, Stand „Wir für Neuhausen“. Fr 28. 11., 10-18 Uhr/Sa 29. 11., 10-18 Uhr Weihnachtsmarkt des Arbeitskreises München. Gemeindesaal der Auferstehungskirche, Gollierstr. 55, München-Westend. Strausberg SA 6.12. Der Freundeskreis Fürstenwalde beim Nikolausmarkt vor der Marienkirche. Kindernothilfe Magazin 4/2008 19 www.kindernothilfe.de/aktionsbeispiele Engagement Jabel hat mehr als 20 Paten Wiesbadener Realschulklasse fördert Jungen aus Uganda Foto: privat Die 9 d der Gerhart-Hauptmann-Realschule in Wiesbaden hat im Biologie-Unterricht das Thema Gesundheit durchgenommen. Die Jugendlichen haben gelernt, dass viele Kinder auf der Welt gesünder leben könnten, wenn sie dabei unterstützt würden. Ihre Lehrerin Frau Özcan hatte die Idee, dass alle Schüler gemeinsam eine Patenschaft übernehmen. „Sie hat uns verschiedene Vorschläge und Informationen von Hilfsorganisationen mitgebracht“, schrieben die Neuntklässler. „Letztendlich hat sich die Klasse für Ihre Organisation entschieden, um dem kleinen Jabel und seiner Familie zu helfen. Wir hoffen, dass wir dem Jungen mit unserer Unterstützung eine bessere Zukunft ermöglichen.“ Die Schüler der 9 d sind jetzt Paten. 4 662 Euro aus Wien-Liesing Jahressammlung für Kinder im Keyo-Camp Foto: Isabelle Menning/KNH Ö Einer 24-jährigen Tradition zufolge unterstützt die Evangelische Gemeinde WienLiesing jedes Jahr ein Projekt zugunsten Bedürftiger in Entwicklungsländern. Diesmal fiel die Wahl auf das Kindernothilfe-Projekt für Kindersoldaten und Waisen in Norduganda. Im Rahmen eines gemeinsamen Gottesdienstes am 28. September wurden Land und Leute noch einmal in den Blickpunkt gerückt. Luzia Wibiral, Geschäftsführerin der Kindernothilfe Österreich: „Die Kinder wurden mit brutaler Gewalt konfrontiert. Ein friedliches Miteinander können sich die meisten überhaupt nicht vorstellen. Psychologische Betreuung und Ausbildung bilden die Grundlagen der Hilfe. Betreuer bemühen sich um den Kontakt zu Verwandten und schaffen damit eine Brücke zu den Familien. Allen Mitwirkenden und Spendern danke ich herzlich für ihren wertvollen Beitrag.“ Gemeindemitglieder Christian Kikuta und Ulrike Hampel (v.r.) bei der Scheckübergabe. Benefizkonzert in Dresden „Jubilate“ ertönte es am Abend des 25. Juni in der Lukaskirche in Dresden. Mit diesem Song eröffnete der St. Lukas Gospelchor einen fröhlichen Konzertabend zugunsten des Kindernothilfe-Projektes „Grundbildung für Straßenkinder in Kenia“. Schon seit längerer Zeit planten die insgesamt 23 Mitglieder des Chors zusammen mit dem Arbeitskreis Dresden, ein gemeinsames Projekt für bedürftige Kinder zu initiieren. Jetzt war es endlich so weit. Rund 100 Musikbegeisterte ließen sich von den 20 Gospelsongs mitreißen. In einer kurzen Pause berichtete Arbeitskreismitglied Cornelie Haag anschaulich über die Inhalte, Aktivitäten und Ziele der Kindernothilfe sowie das Spenden-Projekt in Kenia. Viele Gäste nutzten nach dem Konzert die Gelegenheit, sich am Kindernothilfe-Stand ausführlich zu informieren. 200 Euro überwiesen die Dresdener nach diesem gelungenen Abend. Die sieben Arbeitskreismitglieder und der Chor planen bereits die nächsten gemeinsamen Auftritte. Der St. Lukas Gospelchor sang zugunsten von Straßenkindern in Kenia. 20 Kindernothilfe Magazin 4/2008 Foto: privat Singen für Straßenkinder-Projekt in Kenia Weihnachtsaktion Spenden statt Geschenke Seit 2004 unterstützt die Firma Hasenkamp Sanitär-HeizungKlima die Weihnachtsaktion der Kindernothilfe „Spenden statt Geschenke“. So hat das Unternehmen mit seinen Weihnachtsspenden unter anderem ein Projekt zur Verbesserung der Trinkwasserversorgung von Massai-Familien in Kenia gefördert. Im VIP-Bereich des Fußball-Bundesligisten VfL Bochum organisierte die Firma in diesem Jahr eine besondere Hilfsaktion: Die Gäste wurden gebeten, auf Gewinnspielkarten verschiedene Euro-Beträge freizurubbeln. Den Gesamterlös von 2 750 Euro spendete Hasenkamp einem Kindernothilfe-Projekt. Das Familienunternehmen gehört heute zu den „Top 100“ der innovativsten Unternehmen in Deutschland. Experten der Wirtschaftsuniversität Wien lobten Geschäftsführer Heinz Hasenkamp für seine ständige Suche nach neuen Produkten und Dienstleistungen. Aber auch Werte wie Tradition und soziale Verantwortung gehören zum Unternehmensleitbild, was durch die Unterstützung der Kindernothilfe-Projekte dokumentiert wird. Service Unsere Rufnummern im Überblick Allgemeine Informationen Info-Service: Tel. 0180. 33 33 300 (9 Cent/Min.) www.kindernothilfe.de Kampagnen Barbara Dünnweller: Tel. 0203. 77 89-180 www.kindernothilfe.de/kampagnen Schule Imke Häusler: Tel. 0203. 77 89-132 www.kindernothilfe.de/schüler und lehrer Aktiv mitmachen Regionaldienst: Tel. 0203. 77 89-129, -133, -160, -181 www.kindernothilfe.de/ehrenamt Testamentsspende Jörg Schaper: Tel. 0203. 77 89-254 www.kindernothilfe.de/testamentsspende Unternehmen Susanne Kehr: Tel. 0203. 77 89-155 www.kindernothilfe.de/unternehmen Stiftung Christine Taylor: Tel. 0203. 7789-167 www.kindernothilfe.de/stifter Foto: Firma Hasenkamp Kindernothilfe Österreich Benefizaktion der Firma Hasenkamp beim VfL-Bochum. Commerzbank-Spende 4 500 Euro aus dem Bonustopf 4 500 Euro spendeten Mitarbeiter der Abteilung Firmenkunden Mittelstand sowie der zugehörigen Spezialistenbereiche der Commerzbank AG Gebietsfiliale München. Dafür verzichteten sie auf einen Teil ihrer Prämie aus einem Bonustopf, den sie für ihre erfolgreiche Arbeit 2006 erhalten hatten. Das Geld sollte an eine von elf Organisationen gehen, die die Mitarbeiter vorgeschlagen hatten. Den Zuschlag erhielt die Kindernothilfe. Marc Steinkat, Leiter der Abteilung Firmenkunden Mittelstand, überreichte den Scheck für arbeitende Kinder in Haiti an Ursula Pilipp vom Kindernothilfe-Arbeitskreis München. Luzia Wibiral: Tel. 01. 513 93 30 www.kindernothilfe.at Kindernothilfe Schweiz Frank S. Boshold: Tel. 062. 823 38-61 www.kindernothilfe.ch Sie haben sich für die Kindernothilfe engagiert und möchten uns das mitteilen? Schicken Sie uns Ihre Aktionen! Redaktion Kindernothilfe-Magazin Düsseldorfer Landstraße 180 47249 Duisburg Kontonummern KD Bank Duisburg Konto: 45 45 40 BLZ: 350 601 90 2007 Transparenzpreis 2007 Kindernothilfe mit dem 1. Platz ausgezeichnet ERSTE Bank der Österreichischen Sparkassen AG Konto: 310 028-03031 BLZ: 20111 PostFinance Konto: 60-644779-1, Aarau Berner Kantonalbank IBAN CH 75 0079 0016 5327 0003 5, Clearing No. 790. Kindernothilfe Magazin 4/2008 21 Foto: Kindernothilfe-Partner Interview Ruprecht Eser berichtete vier Jahre für das ZDF aus London. Hier steht er vor dem Sitz des britischen Premierministers, 10 Downing Street. Kinder brauchen Stifter Interview mit Ruprecht Eser, dem neuen Stiftungsrat der Kindernothilfe, über sein Engagement für die Kindernothilfe-Stiftung und die Kultur des Stiftens in Deutschland. Herr Eser, Sie sind seit drei Monaten Mitglied des Stiftungsrates der Kindernothilfe-Stiftung. Warum haben Sie sich für die Kindernothilfe entschieden? Ganz ehrlich, es war auch eine Idee von Christina Rau, die bei Ihnen schon seit vielen Jahren im Stiftungsrat aktiv ist. Ich habe mit meiner Frau oft darüber geredet, bevor ich mit meinem Job in London aufgehört habe, dass ich mit meiner Zeit in Zukunft anders umgehen möchte. Dass ich mehr Zeit für die Mitarbeit in sozialen Projekten haben möchte. Da ich selbst Kinder habe – zwei erwachsene und zwei Teenager – habe ich mich für die Kindernothilfe entschieden. 22 Kindernothilfe Magazin 4/2008 Als Journalist sind Sie viel gereist. Haben Sie auch Entwicklungsländer oder andere Krisenregionen besucht? Ich werde nie vergessen, wie ich im Bosnienkrieg mit Maria von Welser in Sarajewo war. Während wir Journalisten uns entscheiden mussten, ob wir Helm und Splitterweste tragen, liefen die Kinder nur mit einem Hemdchen auf der Straße herum. Wir haben eine große Fernsehsendung gemacht, um Geld für den Wiederaufbau des Krankenhauses im eingeschlossenen Bihac zu sammeln. Und weil keiner von uns aus der Stadt raus kam, haben wir ein kleines Mädchen gebeten, ein Tagebuch zu schreiben. Wir haben in einer Zeit, in der die Spendenbereitschaft schon stark zurückging, sehr viel Geld sammeln können, weil wir gesagt haben, unser Projekt muss einen Namen und ein Gesicht haben. privilegiert sie sind. Aber doch auch immer in Kenntnis und in Erkenntnis der Situation anderer Menschen. Sie haben sich für die Mitarbeit in der Kindernothilfe-Stiftung entschieden. Bei Stiftungen denken viele unwillkürlich an reiche Leute. Was verbinden Sie mit dem Wort? Sie sind in Leipzig geboren und mit Ihrer Familie noch vor dem Mauerbau nach West-Berlin geflohen. Wie hat diese Flucht Ihr Leben verändert? Ich denke zunächst einmal an nachbarschaftliches, bürgerschaftliches Engagement. Wir machen es uns in Deutschland manchmal ein bisschen schwer. Ich habe viele Jahre meines Lebens in einer angelsächsischen Kultur gelebt, dort hat das Engagement für das Gemeinwohl eine lange Tradition. Natürlich sind Stifter oft vermögende Leute. Aber deshalb muss man ihnen nicht absprechen, dass sie mit dem erarbeiteten oder ererbten Geld Gutes tun wollen. Ich wünschte, es gäbe mehr vermögende Menschen, die so dächten. Also ich finde es schön, dass der Stiftungsgedanke in Deutschland jetzt auch stärker Fuß fasst und dass immer mehr Stiftungen gegründet werden. Dazu möchte ich Ihnen eine Geschichte erzählen: Ich war 13, und in meiner Schule gab es eine FDJ-Wandzeitung. Die hatte ich mit einem Kumpel zusammen „verunstaltet“, so hieß es damals, das heißt, wir haben einen Text draufgeklebt, der politisch nicht ganz opportun war. Deshalb sollte ich in der Aula vor der Schulversammlung Selbstkritik üben. Ich musste hoch auf die Bühne und mich entscheiden, ob ich Selbstkritik übe oder ob ich es lasse, und ich habe es nicht getan. Nicht, dass ich ein besonderer Held gewesen wäre, aber ich habe mich dagegen entschieden. Dieses Erlebnis hat später dazu geführt, dass ich immer ein Problem hatte, „mainstream“ zu sein, auch da, wo vielleicht gute Argumente dafür da waren, dass ich vielleicht manchmal etwas starrköpfiger war, als es hätte sein müssen. Ich hoffe, dass meine Starrköpfigkeit auch ein bisschen zu dem berühmten „aufrechten Gang“ beigetragen hat und ich mit beiden Beinen am Boden geblieben bin. Sie möchten sich dafür einsetzen, die Kindernothilfe-Stiftung bekannter zu machen. Wie nützlich ist Ihre Prominenz als Journalist für dieses Amt? „Prominenz“ – das klingt ein bisschen kokett. Ich habe immer versucht, mich als Journalist zu engagieren – für das Thema, mit dem ich mich beschäftigt habe, für den Menschen, dem ich gegenüber saß, und so möchte ich mich jetzt auch für die Kindernothilfe engagieren. Wenn dieses Engagement ein Stück befördert wird, weil ein paar Leute meinen Namen kennen, dann soll mir das sehr recht sein. Die Kindernothilfe feiert nächstes Jahr ihr 50-jähriges Jubiläum. Was wünschen Sie ihr? Was sagen Ihre Kinder zu Ihrem Engagement? Das Gespräch führte Christine Taylor, Die öffentliche Anerkennung, die die Kindernothilfe verdient. Die Anerkennung, die dann auch zu der Spendenbereitschaft im eigenen Lande führt, die die Kindernothilfe braucht – für 50 oder weitere erfolgreiche Jahre. Referat Kommunikation und Marketing, christine.taylor@knh.de Natürlich habe ich meinen Kindern erzählt, dass ich mich für die Kindernothilfe engagiere. Aber vor allem bei den Zwillingen, die sind jetzt 16, will ich das gar nicht besonders betonen. Ich glaube, meine Kinder erwarten fast von mir, dass ich mich engagiere. Vor kurzem war ich mit meiner Familie in Marokko. Mein Sohn hat dort einen Jungen kennengelernt, der auf der Straße lebte. Mein Sohn sagte zu mir: „Ich glaube, der Junge mag mich, und ich mag ihn.“ Sie begrüßten sich jeden Tag. Ich sah, dass der Junge arm war und habe zu meinen Kindern gesagt: „Meint ihr, ich sollte dem Jungen etwas geben, aber ich will nicht einfach ein Almosen zuwerfen.“ Ich habe dann Leute gefragt, die in Marokko lebten: „Kann ich ihm etwas geben oder beleidige ich ihn?“ Sie haben gesagt: „Du kannst das machen.“ Ich hatte natürlich Sorge, ich behandle ihn von oben herab, mit einem Almosen. Das ist ja immer leicht getan und man geht dann wieder weg. Ich erzähle das deshalb, weil es fast wichtiger ist, wie man mit der Armut und dem Geben umgeht, damit die eigenen Kinder, die erwachsen werden, für sich einen Maßstab finden, wie sie sich konkret verhalten in einer solchen Situation. Und dass sie mit offenen Augen durch die Welt gehen, ohne dass sie das immer nur mit schlechtem Gewissen tun, wie Kindernothilfe-Stiftung Zukunft stiften – unter diesem Leitgedanken steht die Kindernothilfe-Stiftung. Die 1999 gegründete Stiftung hilft, die Arbeit des Kindernothilfe e.V. für Not leidende Kinder dauerhaft zu sichern. Eine Stiftung hilft langfristig und über das eigene Leben hinaus. Denn sie wirtschaftet nur mit den Zinserträgen des Vermögens und ist so „auf ewig“ angelegt. Zahlreiche Stifter helfen, die vielfältige Arbeit der Kindernothilfe kontinuierlich zu unterstützen – durch Zustiftungen in das Stiftungskapital, durch die Gründung von Stiftungsfonds und treuhänderischen Stiftungen unter dem Dach der Kindernothilfe-Stiftung. Im Stiftungsrat der Kindernothilfe ist neben Christina Rau und Dr. Norbert Blüm auch der Journalist Ruprecht Eser aktiv. Ruprecht Eser moderierte von 1985 bis 1992 die Nachrichtensendung „heute-journal“. Darüber hinaus war er von 1995 bis 1997 Chefreporter des ZDF. Von 2004 bis August 2008 leitete er das ZDF-Studio in London. Kindernothilfe Magazin 4/2008 23 Pinnwand Erstes Kindernothilfe-Hörbuch Robinsons Zauberreisen Der Schauspieler Dietrich Mattausch hat vier Robinson-Geschichten für das Hörbuch gelesen, an dem nicht nur Grundschüler, sondern auch Kindergarten-Kinder große Freude haben. Dietrich Mattausch wird oft als „der Mann mit den vielen Gesichtern“ bezeichnet: Er war der Fabrikant Sattmann in der „Piefke-Saga“, Hauptkommissar Rick in der „Der Fahnder“, Ludwig der Fürchterliche in dem Kinderfilm „Der kleine Vampir“ oder er verwandelte sich auf der Bühne in Othello. Jetzt schlüpfte der Kindernothilfe-Botschafter in die Rolle des Erzählers. Für das erste Hörbuch der Kindernothilfe las er vier Geschichten aus Kinder, Kinder-Heften. Reinhard Horn vom KONTAKTE Musikverlag mischte noch das von ihm komponierte und getextete Robinson-Lied hinzu und fertig ist ein hörenswertes Geschenk für Kinder von fünf bis zehn Jahren. Folgende Geschichten sind auf der CD zu hören: Bolivien: Abenteuer im Bergwerk Philippinen: Das gestohlene Rentier Kenia: Ein abenteuerlicher Schulweg Brasilien: Bei den Straßenkindern von Rio Länge: 60 Minuten Preis: 9,90 Euro zzgl. Porto/Verpackung Bezug: über den Buchhandel oder über www.kontakte-musikverlag.de/ Neue CD von Martin Buchholz Wenn ein Moment vom Himmel fällt Die 21 Lieder und Geschichten kommen mitten aus dem Leben. Martin Buchholz, Filmemacher und Grimme-Preisträger, erzählt heiter und hintersinnig, skurril und nachdenklich von unseren Stolpersteinen im Alltagstrott und den unverhofften Begegnungen mit dem Glück. Unter anderem singt er von Josephine – er traf die junge Filipina bei Dreharbeiten für ein Kindernothilfe-Video auf einer riesigen Müllhalde in Manila, wo sie die Abfälle nach Recycling-Material durchwühlte (s. S. 25). 67 Minuten Preis: 17,95 Euro / ISBN: 978-3-7831-3154-3, Kreuz Verlag, Bezug: www.martin-buchholz.com 24 Kindernothilfe Magazin 4/2008 Sammelband Kinder und Aids Das Aktionsbündnis gegen Aids gibt in diesem Buch eine Übersicht über die Probleme der Kinder und Jugendlichen, die von HIV und Aids betroffen sind. Gleichzeitig werden Perspektiven zur Verbesserung ihrer Situation entwickelt. 96 Seiten Neu erschienen im Don Bosco-Verlag. Für interessierte Paten und Spender kostenlos in der Geschäftsstelle zu beziehen. Kalender Kinderfotos aus aller Welt Den Kindernothilfe-Kalender gibt es wieder in zwei Formaten: als Wandkalender und im handlichen Taschenformat. Das Bildmaterial haben unsere Fotografen von ihren Reisen mitgebracht. Ein Teil des Erlöses fließt in Projekte der Kindernothilfe. Preise und Bezug: siehe beiliegende Bestellkarte Bestellungen aus Österreich: Telefon 01.513 93 30* Bestellungen aus der Schweiz: Telefon 062.823 38 61* Der Kalender wird von Deutschland aus verschickt. Roman nach einer wahren Geschichte Seidenkinder Doppelpostkarten Fröhliche Weihnachten Grafikerin Susanne Wallemann hat aus Kinderzeichnungen, die sie aus dem St. Moses Projekt in Uganda mitgebracht hat, eine Weihnachtskarte gestaltet. Im Innenteil finden Sie den Wunsch „Frohe Weihnachten und ein gesegnetes Neues Jahr“ auch auf Englisch, Spanisch und Portugiesisch. DVD für Gemeinde und Schule „Josephines Traum – ein Müllkind in Manila“ „Ich bin ein Aasgeier!“, sagte Josephine vor zehn Jahren. Die 13-Jährige schuftete auf einer der größten Müllhalden von Manila/Philippinen. Eine gefährliche Arbeit. Doch ihre Familie brauchte das Geld. Josephine hatte einen großen Traum: „Ich möchte einmal Lehrerin werden und meine Familie fortbringen von hier!“, erzählte sie Reporter Martin Buchholz. Jetzt kehrte Buchholz nach Manila zurück: Was ist aus Josephine geworden? Konnte sie ihren großen Traum verwirklichen? Mitten auf der Müllhalde beginnt eine beeindruckende Spurensuche. 30 Minuten Eine Inderin und eine Amerikanerin geben sich ein Versprechen: Sie wollen ihre Söhne zu „Seidenkindern“ erziehen – voller Glanz, fein und doch stark. Jaya, der Junge aus den Slums von Chennai, wird in einem Kindernothilfe-Projekt gefördert und leitet heute ein Heim für Straßenkinder. Matt ist ein angesehener Anwalt in Kalifornien. Das Versprechen ihrer Mütter führt die beiden Männer nach vielen Jahren zusammen. Eine berührende Geschichte von Christina Brudereck. Paperback, 368 Seiten, Brendow Verlag 2006. Preis: 14,90 Euro, sFr 27,40 Euro (CH), 15,40 Euro (A) Bezug: über den Buchhandel oder unter www.brendow-verlag.de Material bestellen Kindernothilfe Tel.: 01 8 0.33 33 300 Fax: 0203.7789-118 www.kindernothilfe.de info@kindernothilfe.de/material Kindernothilfe Österreich Johanna Gammer Telefon 01.513 93 30-30 info@kindernothilfe.at www.kindernothilfe.at Stiftung Kindernothilfe Schweiz Frank Boshold, Telefon 062.823 38-61 info@kindernothilfe.ch www.kindernothilfe.ch Bezug, falls nicht anders angegeben, über Kindernothilfe Kindernothilfe Magazin 4/2008 25 Kinderarbeit Schule statt Arbeit: ein besseres Leben für Nelida Vor zwei Jahren baten wir die Leser des Kindernothilfe-Magazins in der Beilage „Konkret helfen“ um Spenden für arbeitende Kinder in Peru. Heute Peru zeigt sich: Die Hilfe zahlt sich aus. Dank der Unterstützung hat sich die Situation von 550 Kindern in Cajamarca verbessert. Foto: Jürgen Schübelin Regelmäßig zur Schule zu gehen ist für viele Kinder in Peru keine Selbstverständlichkeit. 26 Kindernothilfe Magazin 4/2008 „Am Abend fällt Nelida erschöpft ins Bett. Oft träumt sie von einem besseren Leben.“ So endete eine Geschichte in der Beilage des Kindernothilfe-Magazins Nr. 2 im Jahr 2006. Nelida, damals acht Jahre alt, musste jeden Tag in der peruanischen Stadt Cajamarca Bananen und Orangen verkaufen. Nur so konnte ihre Familie überleben. Wir baten die Leser des KindernothilfeMagazins um Spenden für ein Projekt für arbeitende Kinder in der Region Cajamarca. Die Partnerorganisation IINCAP unterstützt arbeitende Mädchen und Jungen, darunter auch Nelida. Das Ziel: die Arbeitsbedingungen so zu verbessern, dass die Kinder zur Schule gehen können und dennoch Geld für die Familie verdienen. Mehr als 81 500 Euro spendeten Kindernothilfe-Förderer als Reaktion auf den Artikel, 13 Leser übernahmen eine Patenschaft für ein Kind. Auch die Kindernothilfe Österreich rief ihre Förderer zu Spenden für Nelida und ihre Freunde auf – dabei kamen 24 000 Euro zusammen. Dank der großen Hilfsbereitschaft hat sich einiges getan in Cajamarca – und in Nelidas Leben. Die Elfjährige geht jeden Tag zur Schule. „Ich muss nur noch an Wochenenden und Feiertagen auf den Markt“, erzählt sie. Stolz berichtet Marcela Rabanal, eine Mitarbeiterin von IINCAP, von Nelidas Fortschritten: „Sie ist eine sehr gute Schülerin, in Mathe und Sprachen bekommt sie bei uns Nachhilfe und bringt nur Einsen mit.“ In ihrer Schule leitet Nelida ein Komitee, dass sich für die Rechte der Kinder einsetzt. Ein ganzes Netz solcher Gruppen hat IINCAP in der Region Cajamarca ins Leben gerufen. Sie vertreten die Interessen arbeitender Kinder, machen auf ihre Situation öffentlich aufmerksam. Ein Grund für Nelidas positive Entwicklung: Ihre Mutter hat einen kleinen Kredit von IINCAP bekommen. Damit konnte sie sich zunächst einen und später einen zweiten Marktstand zulegen. Sie ist unabhängig von Händlern, die sie zuvor als Verkäuferin ausgebeutet haben. An den zwei Ständen verkaufen die Mutter und außerhalb der Schulzeit auch die Kinder Fisch und Obst. Mit dem gestiegenen Einkommen haben sie ihre Hütte renoviert, nun hat Nelida ein eigenes Zimmer und endlich Licht zum Lernen. Nelidas Geschichte ist zum Glück kein Einzelfall. Die Kinder- Foto: privat Projekt: 88003/AA/12 Nelida in ihrem Klassenzimmer in Cajamarca. nissen, Gewalt und Alkoholmissbrauch prägen viele Familien. Deshalb ist es wichtig, auch die Eltern in das Projekt mit einzubeziehen, sie zu beraten und Probleme gemeinsam anzugehen. Kinder und Eltern lernen zudem, wie sie ihre Geschäfte effizient führen, mehr Waren verkaufen, Preise kalkulieren können. So bessert sich das Einkommen der Familien, die Kinder müssen weniger arbeiten und haben Zeit für die Schule. Die Mädchen und Jungen erfahren bei IINCAP: Ich muss mich nicht ausbeuten lassen, ich habe ein Recht darauf, zur Schule zu gehen, ein Recht darauf, angemessen entlohnt zu werden. So Eine Auszeit vom Arbeitsalltag, ein Platz zum Kindsein nothilfe-Partnerorganisation IINCAP fördert in der Region Cajamarca zwei Projekte für rund 550 Kinder und Jugendliche. Die Sechs- bis 19-Jährigen müssen arbeiten, weil ihre Familien in großer Armut leben. IINCAP bietet ihnen eine Anlaufstelle. Hier bekommen sie Unterstützung bei den Hausaufgaben, Sozialarbeiter tanzen, singen, malen, basteln mit den Kindern. Eine Auszeit vom Arbeitsalltag, ein Stück Kindheit finden sie hier. In Seminaren und Workshops erfahren Kinder und Eltern Grundlegendes über Ernährung, Hygiene und den Umgang miteinander. Oft stammen die Kinder aus schwierigen Verhält- selbstverständlich das in Deutschland ist, so wenig normal ist diese Einsicht für viele arme Familien in Cajamarca. Kinderarbeit ist hier die Regel. Kinder stehen schon mit sieben Jahre an der Straße, verkaufen Popcorn, gebrannte Mandeln, Wackelpudding, Blumen oder Zeitungen. Oft verkaufen sie im Auftrag anderer Händler. Nur zehn bis zwanzig Prozent der Einnahmen bleiben den Mädchen und Jungen als Lohn für Stunden harter Arbeit. Viele schuften auch in privaten Haushalten, in Steinbrüchen, Werkstätten oder als Schuhputzer. Arbeitgeber und Behörden haben das Problem lange ignoriert. Kindernothilfe Magazin 4/2008 27 Kinderarbeit Doch auch hier tut sich dank IINCAP und der Unterstützung der Spender etwas. „2007 hat die Provinzregierung ein von uns gegründetes Komitee zur Abschaffung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit anerkannt“, berichtet Marcela Rabanal. IINCAP hat ein Netzwerk ins Leben gerufen. Darin treffen sich Vertreter der arbeitenden Kinder, diskutieren über ihre Probleme und wie sie zu lösen sind. Regelmäßig gibt es Veranstaltungen, um auf die Situation dieser Kinder aufmerksam zu machen. IINCAP hat seit 2006 noch einiges mehr bewegt. Pro Jahr stattet die Organisation 300 Kinder mit Heften, Stiften und Büchern für die Schule aus, hat die Schulgebühren für diese und zehn weitere Mädchen und Jungen übernommen. Mit einem eigens angeschafften Ofen können 50 Kinder und Jugendliche ihr Einkommen aufbessern: Sie backen Brot, Kekse und Kuchen und verkaufen die Backwaren. 15 Jugendliche machen eine Ausbildung als Bäcker. Die Menschen in Cajamarca kämpfen jedoch wie so viele in Lateinamerika mit steigenden Priesen für Lebensmittel und Energie. „Allein im April ist Fisch zehn Prozent teurer geworden, Projekt: XXXX/XX/XX Gemüse sogar um ein Fünftel“, berichtete Marcela Rabanal. Nicht nur das eigene Essen kostet mehr, die kleinen Geschäfte der Menschen laufen wegen der höheren Preis auch schlechter. Sie trifft die Krise doppelt. „In Peru öffnet sich die Schere zwischen Armen und Reichen. Von dem wirtschaftlichen Aufschwung des Landes bekommen die Ärmsten nichts ab“, sagt die Projektleiterin. Für sie gibt es keine Jobs, Ausbildungsprogramme für Jugendliche aus armen Familien fehlen. IINCAP springt ein – auch mit den Kleinkrediten für arme Familien. Das erfolgreiche Modell soll ausgeweitet werden, damit noch mehr Kinder und Eltern sich selbständig machen können und besser verdienen. So wie Nelidas Familie. Ihre Geschichte zeigt: Mit ein wenig Unterstützung können Träume von einem besseren Leben wahr werden. Katja Korf, Redakteurin Katja.Korf@knh.de Jedes Kind hat das Recht, vor wirtschaftlicher Ausbeutung geschützt zu werden. (UN-Kinderrechtskonvention, Art. 32) Weitere Informationen, Projekte und Material zum Thema Kinderarbeit finden Sie unter www.kindernothilfe.de/Rubriken/Themen/ Kinderarbeit.html. 28 Kindernothilfe Magazin 4/2008 Foto: Maren Cruz Wallens Weltweit schuften 126 Millionen Fünf- bis 17Jährige unter unzumutbaren Bedingungen. Armut treibt viele Familien dazu, ihre Kinder zur Arbeit zu schicken. Viele Kinder werden Opfer von Sklaverei, Kinderhandel oder Prostitution. Die Kindernothilfe unterstützt Projekte, in denen Mädchen und Jungen vor Ausbeutung und Missbrauch geschützt werden. Sie sorgt dafür, dass Kinder eine gute Schulund Berufsausbildung bekommen, schafft alternative Einkommensmöglichkeiten für Familien und klärt über Gefahren der Kinderarbeit auf. Als Mitglied im Deutschen Forum Kinderarbeit setzt sich die Kindernothilfe gemeinsam mit anderen Organisationen für eine differenzierte Auseinandersetzung mit dem Thema Kinderarbeit und für die Durchsetzung der Rechte arbeitender Kinder ein. Kinder auf der Flucht Gemeinsam für die Schwächsten Die Gemeinde Wien-Liesing hat ein besonderes Credo, das sie sich auch bei den aktuellen Umbauarbeiten nicht nehmen ließ: Jahr für Jahr vergibt sie 30 Prozent ihrer Eigenkollekte für Hilfsmaßnahmen, die Familien in Entwicklungsländern neue Wege für eine bessere Zukunft schaffen. Diesmal hat sich der eigens dafür ins Leben gerufene EZA-Kreis der Gemeinde für ein Projekt der Kindernothilfe Österreich entschieden. Insgesamt 4.662 Euro ermöglichen ehemaligen Kindersoldaten und Waisenkindern im Norden Ugandas den Weg in eine friedliche Zukunft. Pfarrer Andreas Fasching, Leo Warzecha, Ulli Hampel und Lore Brandl-Berger vom EZA-Kreis der Pfarrgemeinde Wien-Liesing sind sich einig: „Möglich wurde der Beitrag vor allem durch die großartige Mitwirkung der Gottesdienstbesucher. Wir haben von Beginn an über das Projekt berichtet und sind sicher, dass den meisten das Schicksal der Mädchen und Buben ebenso nahe geht wie uns. Unser gemeinsamer Beitrag soll den Kindern eine friedliche Zukunft ermöglichen. Wenn das gelingt, freuen wir uns ganz besonders.“ Im Norden Ugandas tobte zwischen 1987 und 2006 ein Bürgerkrieg zwischen Regierungstruppen und der „Lord‘s Resistance Army“ (LRA). Die Rebellen rekrutierten rund 25.000 Kinder als Soldaten. Dörfer wurden dem Erdboden gleich gemacht, 1,6 Millionen Menschen flohen und leben zum Teil heute noch in Flüchtlingslagern. Im Keyo Camp nahe der Stadt Gulu leben rund 6.000 Kinder. Ziel ist es, die Mädchen und Buben auf die Rückkehr in ihre Dörfer vorzubereiten. Die Projektmitarbeiter des Kindernothilfe Partners „Feed the children Foto: Ralf Krämer Afrika/Norduganda – die Spuren des Bürgerkriegs Die Kinder lernen praktische Berufe, in denen sie später in ihren Dörfern arbeiten können. Uganda“ organisieren Kampagnen und Veranstaltungen. Darin geht es um Friedensarbeit, Versöhnung und die Lösung von Konflikten. Praxisorientierte Berufsausbildung schafft eine neue Lebensperspektive. Brutale Gewalt prägte die Kindheit der Mädchen und Buben. Zurück blieben seelische und oft auch körperliche Wunden, die nur sehr langsam heilen. Gemeinsames Musizieren und der Austausch in Selbsthilfegruppen helfen das Erlebte zu verarbeiten. Luzia Wibiral, Geschäftsführung Details unter www.kindernothilfe.at und www.evang-liesing.at Kindernothilfe Magazin 4/2008 29 Patentreffen 2008 Hilfe bewegt Zu einer Reise in ferne Länder haben sich am 23. September 2008 über 100 Gäste im Albert Schweitzer Haus eingefunden. Gestärkt durch kulinarische Köstlichkeiten konnte der Flug pünktlich um 19 Uhr starten. Die Reise führte über Äthiopien nach Indien, Peru und Malawi. Gespannt lauschten die Anwesenden den Reiseerlebnissen der Paten und Spender. Die Besuche vor Ort zeigten die Vielfalt der Kindernothilfe Österreich Projekte. Die Berichte handelten von der Hilfe für Kinder in Tagesstätten und Gemeinwesenprojekten sowie der Arbeit in Selbsthilfegruppen. Patenkind Poonam ist 18 Jahre und lebt in einer Tagesstätte in Delhi/Indien Ihre Patin Iris Planckh unterstützt sie seit vielen Jahren. Die 14-jährige Hanna und ihre Schwester haben nur einen einzigen kleinen Raum in einer Blechhütte in Addis Abeba/Äthiopien. Pate Helmut Schindler sorgt mit seinem Beitrag für die Waisenkinder. Die unterschiedlichen Lebensweisen haben eines gemeinsam: mit Hilfe ihrer Paten aus Österreich werden die Mädchen beschützt, gehen zur Schule und erhalten einen gute Basis für ihre Zukunft. Die Zusendung über Kinderarbeiter in Peru war für Alena Sirka der Grund, im Zuge ihrer geplanten Reise auch nach Peru zu fahren und zu klären, warum Kinderarbeit von der Kindernothilfe Österreich nicht kategorisch abgelehnt wird. Sie hat eine gut organisierte Kindergruppe vorgefunden, die am Markt, als Schuhputzer oder Autowäscher arbeiten. Ohne den Zuverdienst der Kinder könnten die Familien nicht überleben. Würde die Arbeit verboten, müssten die Kinder hungern und betteln. Mit Hilfe des Projektes haben sich einzelne Kinder in Gruppen zusammengeschlossen, arbeiten gemeinsam und sind offiziell registriert. Das schafft Erleichterungen im Arbeitsalltag und 30 Kindernothilfe Magazin 4/2008 ermöglicht den Schulbesuch. Das Zusammensein mit den Jugendlichen hat Alena Sirka davon überzeugt, dass die Unterstützung der richtige Weg für eine bessere Zukunft der Buben ist. „Es war besonders berührend zu sehen, wie wichtig die Hilfe aus Österreich für die Kinder ist. Sie wissen jetzt, dass es da jemanden gibt, dem sie nicht gleichgültig sind. Das hilft den Kindern sehr,“ erzählt Alena Sirka. Abschließend führte die Reise zu einem Projekt für Aids-Waisen in Malawi. Der Tod der Eltern lässt zahlreiche Kinder unversorgt zurück und erfordert neue Zugänge in der Projektarbeit. Schwerpunkt der Kindernothilfe Österreich ist die Versorgung der Waisen in ihrem vertrauten Umfeld. Die Stärkung der Dorfgemeinschaft schafft Sicherheit und Versorgung für die allein lebenden Kinder. Der faire Handel hilft den Kleinbauern, Farmarbeitern und Handwerkern in den Ländern des Südens, ein sicheres Einkommen zu erwirtschaften und macht ihre Zukunft planbarer. Ein Verkaufsstand des St. Leonharter Vereins „Fair Point“ und die von „First Class Blumen“ zur Verfügung gestellten Sträuße unterstützen den Fairen Handel und ergänzten das Treffen in wertvoller Weise. Mit Blumen bedankt wurden Michaela Spielbüchler anlässlich ihres 20-jährigen Patenjubiläums, das PatenEhepaar Hansely für ihre aktive Patenwerbung und der Pate Miklos Boros, der extra aus Linz anreiste und das Patentreffen in Bildern festhielt. dagaskar sorgte für musikalische Leckerbissen. „Es war ein besonders nettes und nahezu familiäres Treffen. Mein besonderer Dank gilt der Agentur Bluetango und Donau Forum Druck für die Einladungen, den vielen ehrenamtlichen Helfern und allen Mitwirkenden am Gelingen des Abends. Wir haben uns große Mühe gegeben und freuen uns über die vielen herzlichen Rückmeldungen,“ so Luzia Wibiral. Fotos: Kindernothilfe/Miklos Boros, Hannes Wibiral Rückschau Patentreffen im Detail unter www.kindernothilfe.at/paten.html Fotos linke Seite: Vorstandsvorsitzender Robert Fenz und Geschäftsführerin Luzia Wibiral (r.o.), Patin Iris Planckh und Luzia Wibiral, Spenderin Alena Sirka, Patenehepaar Haider mit Johanna Gammer (r.), Patin Klara Lechner beim Verkauf fair gehandelter Produkte mit Helga Müller (r.); Fotos rechte Seite: Patin Michaela Spielbüchler (l.u.), Pate und Fotograf Miklos Boros mit Luzia Wibiral, Ehrenamtl. Helfer Josef Wastell, Paten Thomas Pollak und Jutta Waidhofer Der Abend zeigte einmal mehr die Vielfalt der Kindernothilfe Projekte und ermöglichte den Interessierten einen guten Einblick in die unterschiedlichen Hilfsmaßnahmen. Die Besucher nutzten die Gelegenheit, das Team der Kindernothilfe Österreich persönlich kennen zu lernen. Der vielseitige Musiker Haja Ma- Kindernothilfe Magazin 4/2008 31 Weihnachtsbräuche aus aller Welt Klingender Adventskalender Der Kalender enthält 24 Geschichten, Lieder, Bastelanleitungen, Backrezepte sowie Spiel- und Aktionsideen. Robinson, Hauptfigur der Kinder, Kinder-Hefte, reist per Zauberbuch durch die Welt und lernt verschiedene Weihnachtsbräuche kennen. Zum Kalender gibt’s eine CD, auf der Norbert Blüm und Vera Int-Veen (RTL) je 6 der Geschichten lesen. Verschiedene Interpreten singen die Lieder, deren Noten im Kalender abgedruckt sind. Kalender und CD sind eine Koproduktion der Kindernothilfe mit dem KONTAKTE Musikverlag, Lippstadt. Preise: Kalender: 7,50 Euro + Porto/Verpackung, ISBN: 3-89617-166-6 CD: 13,50 Euro + Porto/Verpackung, ISBN: 3-89617-167-4 beides zusammen: 19,90 Euro + Porto/Verpackung, ISBN: 3-89617-168-2 Bezug: Kindernothilfe Österreich, Johanna Gammer unter Tel. 01/513 93 30 oder per E-Mail info@kindernothilfe.at Impressum Das vierteljährliche Magazin wird herausgegeben von den Vorständen und Geschäftsführungen der Kindernothilfe Deutschland, Österreich und der Kindernothilfe Stiftung Schweiz. Es berichtet seinen Spendern über die Arbeit der Kindernothilfe. Auflage: 150.000, ISSN 0946-3992 Herausgeberkreis: Kindernothilfe, Düsseldorfer Landstraße 180, 47249 Duisburg, Tel. 0203.7789-0, Fax: 0203.7789-118, Info-Service-Telefon: 0180.33 33 300, info@kindernothilfe.de; Dr. Jürgen Thiesbonenkamp, Vorstandsvorsitzender, Rolf-Robert Heringer, stellv. Vorstandsvorsitzender, Dietmar Roller, Vorstandsmitglied; Luzia Wibiral, Geschäftsführerin Kindernothilfe Österreich, Frank Boshold, Geschäftsführer Kindernothilfe Schweiz Redaktion S. 5-28: Katja Korf (v.i.S.d.P.), Gunhild Aiyub, Christine Klar (Einhefter) Redaktion S. 1-4/ 29-32: Luzia Wibiral (v.i.S.d.P.) Gestaltung: Ralf Krämer Druck/ Versand: Schaffrath, Geldern Hinweise: Für unverlangt eingesandte Manuskripte keine Gewähr. Mit Verfassernamen gekennzeichnete Beiträge geben nicht zwingend die Meinung des Herausgebers wider. Nachdruck nur mit Genehmigung. Im Sinne einer leichteren Lesbarkeit wird bei Substantiven auf die Unterscheidung in weibliche und männliche Form verzichtet. Gemeint sind in allen Fällen immer sowohl Frauen als auch Männer. Kindernothilfe Österreich: Dorotheergasse 18, 1010 Wien, Telefon 01.513 93 30, Telefax: 01.513 93 30-90, info@kindernothilfe.at, www.kindernothilfe.at