Allein gegen Hitler – Wie der Königsbronner Georg Elser sich gegen

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Allein gegen Hitler – Wie der Königsbronner Georg Elser sich gegen
6 [WEISSE FLECKEN]
HITLER-ATTENTÄTER GEORG ELSER | AALEN
Allein gegen Hitler – Wie der Königsbronner
Georg Elser sich gegen den Krieg stemmte
Am 8. November 1939 versuchte der
Schreiner Georg Elser aus Königsbronn, Adolf Hitler durch ein Attentat im Münchener Bürgerbräukeller zu
töten. Doch das Attentat misslang. Der
36-jährige Widerständler wurde ins
Konzentrationslager Dachau gebracht
und dort kurz vor Kriegsende ermordet. Doch auch 60 Jahre nach seinem
Tod ist Elser nicht vergessen.
Niemand wusste, wer genau Georg Elser war. Die Königsbronner be-
schreiben ihn als sehr verschlossen.
Wilhelm Schwenk, ein früherer Arbeitskollege des Widerständlers, erzählt: „Als er mit mir im Steinbruch
gearbeitet hat, hat er nicht viel mit uns
geredet.“ Auch sonst zeigte Elser seine Ablehnung des Hitler-Regimes im
Stillen. Er verweigerte den Hitlergruß.
Liefen im Radio Reden des „Führers“,
verließ er den Raum.
Vom stillen Widerstand zum
mutigen Attentat –
Georg Elser wollte Hitler töten
Der Bürgerbräukeller in München am 10. 11. 1939. Polizisten begutachten den Tatort.
Foto: Ullsteinbild
Doch Elsers Widerstand sollte sich
nicht mehr lange auf eine stille Ablehnung des NS-Regimes beschränken.
Bereits während seiner Wanderzeit
als Schreiner wurde er politisch geprägt, bekam viel von dem mit, was im
Land geschah. Bald trat er dem „Roten
Frontkämpferbund“ bei, der Kampforganisation der Kommunistischen Partei Deutschlands. Elser war der Mei-
nung, dass Arbeiter im „Dritten Reich“
benachteiligt werden. Auch die Einschränkung des freien Denkens und
der Religionsfreiheit waren Gründe für
Elsers Wut auf das Regime.
Als Elser bei seiner Arbeit in einer
Armaturenfabrik eine „Sonderabteilung für Rüstungsfragen“ kennen lernte, erkannte er die drohende Kriegsgefahr und fasste den Entschluss zum Attentat auf Hitler.
Im November 1938 begann er die
Planung. Elser handelte nicht im Auftrag der Briten – auch wenn die Nationalsozialisten dies nach seiner Tat
glauben machen wollten und für ihre
Propaganda nutzen. Er fühlte sich imstande und hatte letztendlich auch die
Kraft, das Attentat alleine zu verüben.
Heutzutage sind sich die meisten
Menschen in Königsbronn einig: Georg
Elser ist ein Held, nicht nur ein sonderbarer Einzelgänger. Der kleine Schreiner versuchte, gegen eine unmenschliche Diktatur anzukämpfen. Ein Kampf
Davids gegen Goliath. Leider ging der
Kampf mit einem Sieg für Goliath zu
Ende.
„Das heuchlerische England als Mordhelfer“
Nazipresse stellte den Hitler-Attentäter Elser als Marionette des britischen Geheimdienstes dar
Heute steht fest: Georg Elser hat den
Anschlag im Bürgerbräukeller alleine verübt. Daran glaubte im „Dritten
Reich“ jedoch weder die Nazi-Presse
noch die englischsprachige Presse. Gegenseitige Beschuldigungen waren an
der Tagesordnung.
Geprägt durch die journalistische Propaganda der NS-Zeit, wollte
bis weit in die sechziger Jahre hinein
kaum jemand an die Einzeltäterschaft
Elsers glauben. Um das Volk zu verbünden, verbreitete die NS-Presse die
Theorie, der Attentäter sei eine Marionette des britischen Geheimdienstes.
So wurde bereits zwei Tage nach dem
Attentat in der Kocher- und Nationalzeitung, dem amtlichen NSDAP-Blatt
des Kreises Aalen, berichtet: „Einzelheiten deuten auf England hin.“ Weniger zurückhaltend sprach dieselbe
Zeitung schon am nächsten Tag vom
„heuchlerischen England als Mordhelfer“. 13 Tage später versicherte sie:
„England war der Auftraggeber“.
Auch nach der Verhaftung Georg
Elsers und langen Verhören durch die
Gestapo, in denen Elser hartnäckig auf
Der Völkische Beobachter vom 22. 11. 1939 macht Georg Elser zum „Werkzeug“ des
britischen Geheimdienstes. Gedenkstätte Deutscher Widerstand
Kommentar
Jeder kann Widerstand leisten
Widerstandskämpfer im „Dritten Reich“
sind einige bekannt. Ob Stauffenberg,
die Geschwister Scholl oder auch Dietrich Bonhoeffer. Aber kaum jemand
kennt Johann Georg Elser.
Dabei war der Schreiner aus dem
Schwäbischen einer der ersten, der
den Diktator – unter Einsatz seines eigenen Lebens – stoppen wollte. Zwar
wurde in den vergangenen zehn Jahren viel getan, um an den Menschen
Elser zu erinnern. So gibt es in Königsbronn die „Georg-Elser-Schule“ und
eine Gedenkstätte. Straßen wurden
nach ihm benannt und eine Briefmarke mit seinem Portrait gedruckt. Doch
dies alles geschah erst über ein halbes
Jahrhundert nach dem Attentat im November 1939.
Ein Grund dafür, dass Georg Elser
früher relativ wenig Beachtung geschenkt wurde, sind die Zweifel an seinen Motiven für den Anschlag. Viele
Menschen hielten es für ausgeschlossen, dass es für den einfachen „Provinzler“ ersichtlich war, in was für eine Katastrophe Hitler die ganze Welt
führen würde. Sie waren der Meinung,
dass das Attentat zwar richtig war, Elser jedoch selbst ganz andere, vermeintlich nichtige Gründe für seinen
Anschlag hatte.
Eine andere Sichtweise ist, dass Elser durch das „Raster der Geschichte“
fiel, weil sich nach dem Krieg kaum eine Gesellschaftsgruppe mit ihm identifizieren konnte. Er war Einzeltäter und
weder kirchlich, noch akademisch oder
politisch sonderlich engagiert. Zwar
war er Mitglied im „Roten Frontkämpferbund“, doch die Kommunisten feierten ihn nach dem Attentat nicht als Antifaschisten. Der „Attentäter aus dem
Volk“ ist beim Volk als Vorbild praktisch durchgefallen.
Vielleicht war es das schlechte Gewissen vieler Menschen, die selber keinen Widerstand leisteten, das eine
Würdigung Georg Elsers verhinderte.
Denn Elsers Tat ist ein Symbol dafür,
dass es für jeden Einzelnen möglich
gewesen wäre, Widerstand zu leisten.
Auch heute noch steht sein Attentat
dafür, dass auch der „kleine Mann“ im
Volk nicht einfach nur den Massen hinterher rennen muss.
deshalb die Vermutungen der englischsprachigen Presse, dass das Attentat
von den Nationalsozialisten selbst inszeniert worden sei, um die Stärke des
Führers zu demonstrieren.
Ein spät anerkannter Held
Team Schwäpo-Jure aus Aalen
Caroline Schaal (17),
Corinna Grabatin (18),
Evelyn Seidl (16),
Bianca Krauß (14),
Dorle Butz (20)
und Jonas Miller (20)
(hinten v. l.).
Larissa Hübener (16)
und Jonathan Brandt
(17) (vorne)
Unser [Weiße Flecken]-Team traf
bei einer unserer Redaktionssitzungen für die Jugendseite der Schwäbischen Post Aalen zusammen. Zum
Team gehören Jonas, Dorle, Caroline,
Corinna, Larissa, Jonathan, Evelyn
und Bianca. Wir haben uns entschieden, über Georg Elser zu schreiben,
weil er in der Nähe von Aalen aufgewachsen ist und selbst die Bewohner
seines Heimatortes Königsbronn bis
seiner Einzeltäterschaft beharrte, hielt
man an dieser Theorie fest. Die Befragungen dauerten ganze 14 Tage, dann
gab man schließlich auf.
Erst am 22. November 1939 wurde
die Öffentlichkeit darüber informiert,
dass der Täter gefasst wurde. Trotzdem wurde weiter behauptet, der britische Geheimdienst sei Urheber des
Attentats gewesen. So hieß es in einer Titelschlagzeile der Kocher- und
Nationalzeitung vom 24. November
1939: „London will es nicht zugeben.“
An dieser Theorie festzuhalten, brachte Hitler gleich mehrere Vorteile, denn
eine Einzeltat hätte möglicherweise
andere Gegner Hitlers ermutigt, selbst
tätig zu werden. So konnten die Nationalsozialisten den Anschlag nutzen,
um das Volk hinter seinem Führer zu
versammeln und England als Sündenbock darzustellen. Die nationalsozialistische Presse beteuerte zudem, dass
Italien, Japan und die USA das Attentat aufs Tiefste verurteilten.
Hitler konnte auf diesem Weg seinen Ruf als unbesiegbarer Diktator
stärken. Nicht weit her geholt waren
STEP 21
heute nicht die ganze Wahrheit über
den Widerständler kennen. Um so
viel wie möglich über Elser herauszufinden, teilten wir uns in Gruppen auf
und begannen mit den Recherchen.
So versuchten wir herauszubekommen, wer dieser Mann wirklich war,
was die NS-Presse über ihn schrieb,
wie bekannt Elser heute bei den Menschen ist und was die Bewohner seines Heimatortes über ihn wissen.
Inzwischen versucht Königsbronn, seinem bekanntesten Einwohner ein rühmendes Denkmal zu setzen. Doch nicht
jeder war von Anfang an hundertprozentig von der Tat Elsers überzeugt,
besonders die Bewohner der Gemeinde Königsbronn, die die Folgen des Attentats hautnah miterlebten, schwiegen oft zu diesem Thema.
„Für die Königsbronner war die Zeit direkt nach dem Attentat furchtbar. Die SS
hat alle befragt. Wenn
die Antworten den SSMännern nicht gefielen, gab es Schläge. Viele saßen
auch im Gefängnis“, erzählt Wilhelm
Schwenk (85), der damals mit Elser
zusammenarbeitete. „Trotzdem rede
ich inzwischen über die Tat und denke, es wäre uns viel erspart geblieben,
wenn das Attentat geklappt hätte.“
Marlene Weber (47)
aus Königsbronn: „Meine Großmutter hat mir
damals erzählt, dass
man nicht über Elser
reden soll. Ich finde
seine Tat heute aber
sehr gut. Ich bin begeistert, dass sein
Vorgehen inzwischen so anerkannt
ist.“ Auch die aufgeklärtere Jugend
beschäftigt sich inzwischen mit dem
Thema Elser.
„Es ist schade, dass
es damals nicht geklappt hat“, erzählt
Daniel Truppel (18).
„Für mich ist Elser ein
Held. Ich glaube nicht
an das Märchen von
Elser als Spion. Er war ein Einzelgänger. Leider wird in den Schulen viel zu
wenig von ihm erzählt. Elser hat ganz
alleine gegen Hitler gekämpft!“
Inzwischen wurde in Königsbronn
der Schulkomplex in „Georg-ElserSchule“ umbenannt. Auch eine Gedenkstätte wurde errichtet, in der man
sich über das Leben Elsers informieren
kann. Außerdem wird seit 2001 alle
zwei Jahre der „Georg-Elser-Preis“ an
Menschen mit Zivilcourage verliehen.
Georg Elser wird immer ein Held im
Kampf gegen den Nationalsozialismus
bleiben. Auch heute noch zeigt er den
Menschen, dass man nicht mit der Herde mitlaufen muss, sondern auch alleine gegen den Strom schwimmen kann.
Lebenslauf Georg Elser
4. Januar 1903:
Geboren in Hermaringen / Württemberg
5 Geschwister
1919 –1925:
Ausbildung und Anstellung als Schreiner (Königsbronn),
anschließend verschiedene Anstellungen und Arbeitslosigkeit,
verschiedene Wohnorte
1928/1929:
Eintritt in den „Roten Frontkämpferbund“ in Konstanz
September 1930: Geburt seines Sohnes Manfred
Ab 1938
Systematische Vorbereitung auf das Attentat
Elser beschafft sich Sprengstoff bei Arbeiten in einer Sonderabteilung für Rüstungsfragen und im Königsbronner Steinbruch
8. November 1939: Attentat im Münchener Bürgerbräukeller und Festnahme in
Konstanz
9. April 1945:
Ermordung nach 5-jähriger Haft im KZ Dachau