Autoimmunthyreoiditis Hashimoto
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Autoimmunthyreoiditis Hashimoto
b 6 w w w. b i o s c i e n t i a . d e Labor bericht Autoimmunthyreoiditis Hashimoto Epidemiologie, Symptome, Diagnostik Stand: J a n u a r 2 013 Allgemeines Ursachen Bei der Hashimoto-Thyreoiditis handelt es sich um eine Autoimmunerkrankung, die zu einer chronischen Entzündung der Schilddrüse führt. Bei dieser Erkrankung kommt es infolge eines fehlgeleiteten Immunprozesses zur Zerstörung des Schilddrüsengewebes durch TLymphozyten. Diese Krankheit wurde nach dem japanischen Arzt Hakaru Hashimoto (1881 – 1934) benannt, der sie 1912 als erster beschrieb. Die genauen Wirkfaktoren, die zu einem Ausbruch einer Hashimoto-Thyreoiditis führen können, sind noch nicht hinreichend geklärt. Zur Debatte stehen neben einer familiären (genetischen) Vorbelastung (z. B. XChromosome Inactivation) auch Stress, schwer verlaufende Viruserkrankungen (wie Pfeiffer-Drüsenfieber, Gürtelrose), Dysfunktionen der Nebennierenrinde, Mikrochimerismus und Umwelteinwirkungen. Heftig debattiert wird zurzeit über die Bedeutung einer übermäßigen Jodzufuhr für den Ausbruch der Krankheit. Während als relativ sicher gelten kann, dass sie, genau wie der Morbus Basedow, durch hohe Joddosen (Jodexzess) ausgelöst werden kann. Es sind zwei verschiedene Verlaufsformen bekannt: Die Hashimoto-Thyreoiditis i. e. S. (Typ 1A und 2A), mit einer Vergrößerung der Schilddrüse („Kropf“ oder „Struma“). Die Ord-Thyreoiditis mit einer Verkleinerung (Atrophie) der Schilddrüse. Da sich die Symptome, Diagnostik, Therapie und Prognose der beiden Formen nicht wesentlich unterscheiden und beide Formen jeweils ineinander übergehen können, werden sie heute in der Regel unter dem Begriff der Hashimoto-Thyreoiditis zusammengefasst. Bei beiden Verlaufsformen (atrophe und hypertrophe Form) kommt es auf Dauer zu einer Schilddrüsenunterfunktion, wobei sich am Beginn der Erkrankung – bedingt durch die Zerstörung des Schilddrüsen-Gewebes – auch Phasen der Überfunktion zeigen können (sog. „Leck-Hyperthyreose“, im Extremfall Hashitoxikose). Die Krankheit gilt als nicht heilbar. Epidemiologie Die Hashimoto-Thyreoiditis ist eine der häufigsten Autoimmunerkrankungen des Menschen und die häufigste Ursache der primären Schilddrüsenunterfunktion. Die Erkrankungshäufigkeit für eine klinische und subklinische Hypothyreose liegt bei ca. 10 %; ca. 6 – 8 % davon sind subklinische Verläufe. Frauen erkranken deutlich öfter als Männer (Verhältnis ca. 2:1 bis 5:1). Die Veranlagung für Hashimoto wird vererbt (d. h. es finden sich familiäre Häufungen), es kommt jedoch nicht zwangsläufig in jedem Fall zum Ausbruch der Krankheit. Beobachtungen zeigen, dass die Hashimoto-Thyreoiditis häufig im Zusammenhang mit hormonellen Umstellungen (Pubertät, Entbindung, Wechseljahre), aber auch infolge von Belastungssituationen ausbrechen kann. Symptome und Krankheitsverlauf Aufgrund der möglichen anfänglichen Schilddrüsenüberfunktion können für eine gewisse Zeit deren Symptome im Vordergrund stehen: Nervosität, Reizbarkeit, Rastlosigkeit, Zittern der Hände, Schlafstörungen, Schwitzen, Herzklopfen und Herzrasen, Herzrhythmusstörungen, feuchtwarme Haut, Heißhunger und Durst, Gewichtsverlust trotz guten Appetits und Störungen im Menstruationszyklus (unregelmäßige oder verstärkte Blutungen, Ausbleiben der Regelblutung). Langfristig werden diese dann von Symptomen der Schilddrüsenunterfunktion abgelöst: niedrige Körpertemperatur erhöhte Kälteempfindlichkeit Ödeme (Schwellungen durch Wassereinlagerungen, besonders an Lidern, Gesicht, Extremitäten) Kloß im Hals, Druckgefühl am oder im Hals Strangulationsgefühl (auch nur phasenweise) häufiges Räuspern und Hüsteln heisere oder belegte Stimme (Stimmbandödem) depressive Verstimmung Motivationslosigkeit, Antriebslosigkeit Muskelschwäche, Muskelverhärtung trockene, rissige Haut und damit verbundener Juckreiz 1 Diagnose trockene Schleimhäute brüchige Haare und Fingernägel, Haarausfall schnelle und starke (fast unkontrollierbare) Gewichtszunahme Übelkeit, Verdauungsstörungen Wachstumsstörungen Herzvergrößerung, verlangsamter Herzschlag verringerte Libido, veränderter Zyklus (bei Frauen) Gelenkschmerzen Konzentrations- und Gedächtnisstörungen Müdigkeit in einzelnen Fällen werden Augenveränderungen im Sinne einer endokrinen Orbitopathie wie bei Morbus Basedow beobachtet, hier ist eine kompetente ophthalmologische Abklärung erforderlich. Nach einem Morbus Basedow kommt es im weiteren Verlauf häufig zur Ausbildung einer Autoimmunthyreoiditis i. d. R. mit Erhöhung der TPO-Ak, Rezidive sind aber möglich. Der immer wieder beobachtete Wechsel zwischen hyperthyreoten Phasen im Rahmen einer BasedowErkrankung und TRAK-negativen und Anti-TPO-Akpositiven Intervallen zeigt fließende Übergänge zwischen den Autoimmunerkrankungen der Schilddrüse. Der Krankheitsverlauf ist bei einem Großteil der Erkrankten leicht, doch sind auch mittlere und schwere Verläufe bekannt. Die Symptome sind vielfältig und – gerade am Beginn der Erkrankung – schwer zu fassen. Dazu kommt, dass die Vielzahl und Variabilität der Symptome und der schleichende Verlauf es sowohl für den Patienten wie auch den behandelnden Arzt schwierig machen, sie zuzuordnen. Die Diagnose ist oftmals nur ein Zufallsbefund bei einer umfangreicheren Routineuntersuchung. Manchmal wird sie aber auch erst nach einem jahrelangen Leidensweg mit unzähligen Fehldiagnosen entdeckt. 2 Im Labor sind diagnostisch relevant: Thyreoperoxidase-Antikörper (TPO-Ak) Antikörper gegen Thyreoglobulin (TG-Ak) Im weit überwiegenden Teil der Fälle sind die AntiTPO erhöht (mit oder ohne Erhöhung der Anti-TG). In einem weitaus geringeren Teil der Fälle sind nur die Anti-TG (stärker) erhöht. Es existieren darüber hinaus – wenn auch seltener – Fälle, in denen eine Hashimoto-Thyreoiditis vorliegt, ohne dass die genannten Antikörper erhöht sind. Für die Stoffwechsellage der Schilddrüse sind folgende Werte relevant: TSH (Thyroidea-stimulierendes Hormon) FT3 (freies Trijodthyronin) FT4 (freies Thyroxin) Im Routinelabor erfolgt die rationelle Diagnostik einer Hypothyreose durch die Bestimmung des TSH-Spiegels. Bei klinischer Euthyreose und normalem TSH ist eine zusätzliche Bestimmung der Schilddrüsenhormone nicht nötig. Bei erhöhtem TSH-Wert kann entweder eine subklinische Hypothyreose, gekennzeichnet durch normale FT3 und FT4-Werte vorliegen oder eine manifeste Hypothyreose mit gleichzeitig erniedrigten Werten der freien Schilddrüsenhormone. Ist eine Hypothyreose im Labor nachgewiesen, sollte neben einer Sonographie der Schilddrüse eine Schilddrüsen-Antikörperbestimmung erfolgen, speziell der TPO-Antikörper. Bei Vorliegen einer chronischen Autoimmunthyreoiditis Hashimoto (AIT) findet sich in etwa 90 % eine Erhöhung der TPO-Antikörper. Bei Nachweis einer Hypothyreose mit oder ohne Antikörpererhöhung sollte immer eine ergänzende Schilddrüsensonographie erfolgen. Diese erlaubt zum einen eine Differenzierung zwischen der hyperthrophen und athrophen Verlaufsform. Ferner sind bei einer Autoimmunthyreoiditis häufig Knoten zu finden, die dann auch nuklearmedizinisch abzuklären sind. Antikörper gegen Thyreoglobulin (TG-Ak) Eine besondere Form ist das sog. Marine-LenhartSyndrom, bei dem im Rahmen der Autoimmunthyreoiditis gleichzeitig ein autonomes Adenom (mit oder ohne Stoffwechselrelevanz) vorliegt. CAVE Eine Schilddrüsendiagnostik, die sich ausschließlich auf den TSH stützt, ist zur Erkennung einer Hashimoto-Thyreoiditis meist nicht aussagefähig genug. Denn auch normwertiges TSH und normwertige freie Schilddrüsenhormon-Werte sind keine Ausschlusskriterien für das Vorhandensein einer Hashimoto-Thyreoiditis. Eine Erhöhung der Schilddrüsenantikörper (TPO-Ak und TG-Ak) gilt in diesen Fällen als Beweis für das Vorliegen einer Hashimoto-Thyreoiditis. Indikation Verdacht auf chronisch lymphozytäre Thyreoiditis, wenn TPO-Ak negativ sind. In Zusammenhang mit der Bestimmung von Thyreoglobulin. Beurteilung Bei etwa 60 – 70 % der Patienten mit Hashimotooder atrophischer Thyreoiditis nachweisbar. Bei etwa 20 – 40 % der Patienten mit Morbus Basedow nachweisbar. Häufigkeit der Schilddrüsenantikörper bei unterschiedlichen Diagnosen: Antikörper gegen Schilddrüsenperoxidase (TPO-Ak) TPO-Ak TG-Ak Autoimmune Thyreoiditis 90 % 60 – 70 % Morbus Basedow 70 % 20 – 40 % nicht-autoimmune SD-Erkrankungen bis zu 20 % bis zu 20 % Indikation Verdacht auf chronisch lymphozytäre Thyreoiditis. Bei echoarmer Binnenstruktur im Sonogramm, insbesondere vor Einleitung einer Therapie mit Iodid. Bei latenter oder manifester Hypothyreose. Abgrenzung einer immunogenen von einer nicht-immunogenen Hyperthyreose. Sehr wichtig zur Diagnosestellung ist zudem das Bild der Schilddrüse im Ultraschallbild (Sonogramm), das typischerweise inhomogen echoarm ist und damit auf den laufenden Zerstörungsprozess hinweist. Beurteilung Zudem kann die im Doppler-Sonogramm erkennbare verstärkte Durchblutung des Schilddrüsengewebes ein Hinweis auf das Vorhandensein eines Entzündungsherdes sein. Bei Hashimoto-Thyreoiditis oder atrophischer Thyreoiditis in etwa 90 % der Fälle erhöht. Inzidenz bei Morbus Basedow geringer. Mäßig erhöhte Titer auch bei nicht-immunogenen Schilddrüsenerkrankungen. Leicht erhöhte Titer gelegentlich unspezifisch nicht nur bei älteren Menschen, ohne dass eine Schilddrüsenerkrankung vorliegt. Insbesondere in der Anfangsphase der Erkrankung kann die Unterscheidung zwischen einer HashimotoThyreoiditis und Morbus Basedow (eine Autoimmunerkrankung, die zur Überproduktion von Schilddrüsenhormonen führt) schwierig sein, da auch bei Hashi- 3 moto anfängliche Überfunktionsschübe auftreten können. In der Regel kann dann eine Szintigraphie die korrekte Diagnose ermöglichen. Dies ist von großer Bedeutung, da bei der initialen Hyperthyreose einer Hashimoto-Erkrankung eine thyreostatische Therapie kontraindiziert ist und im Verlauf eine Hypothyreosemanifestierung forciert. Endgültige Sicherheit bringt die histologische Untersuchung des Schilddrüsengewebes; man erkennt bei der Hashimoto-Thyreoiditis im Gegensatz zur gesunden Schilddrüse neben anderen Kriterien vor allem ein dichtes Infiltrat von Lymphozyten und auch Lymphfollikel, die ein Ausdruck der entzündlichen Vorgänge sind. Zusammenfassung Die Hashimoto-Thyreoiditis ist keine Befindlichkeitsstörung, die man vernachlässigen kann, sondern eine chronische Erkrankung, die einer konsequenten und individuell angepassten Behandlung bedarf. Durch diese Schilddrüsenerkrankung vielleicht sogar dauerhaft in der Lebensqualität beeinträchtigt zu sein, ist weder Ausdruck einer übertriebenen Wehleidigkeit, noch Zeichen für eine Willensschwäche. Die Hashimoto-Thyreoiditis ist keine psychosomatische Erkran- 4 kung im engeren Sinne, wenngleich zahlreiche psychische Auffälligkeiten und Symptome bei HashimotoPatienten zu beobachten sind, ohne dass eine eindeutige Entität benannt werden kann. In etlichen Fällen ist die viel zu spät einsetzende Behandlung die Hauptursache dafür, dass nicht mehr alle Symptome voll reversibel sind. Es existieren zahlreiche Hinweise dafür, dass die Gabe von Selen zu einer Reduktion der Antikörpertiter und möglicherweise zur Verhinderung einer Hypothyreose-Entstehung beitragen kann. Hierbei ist zu beachten, dass Selen leicht überdosiert werden kann und dann sehr schnell toxische Erscheinungen auftreten können. Hier empfiehlt sich unter SelenTherapie eine Überprüfung des Selen-Spiegels im Serum. Aufgrund der hohen Prävalenz der chronischen Autoimmunthyreoiditis Hashimoto (AIT) - auch bei jungen Menschen - ist ein TSH-Screening und ggf. eine weiterführende Diagnostik empfehlenswert. Zu beachten ist, dass insbesondere auch bei Schwangeren die Entwicklung einer Hypothyreose zu gefährlichen Komplikationen führen kann. Es wird daher bei Schwangeren mit erhöhten Antikörpern (mit und ohne Hypothyreose) empfohlen, regelmäßige engmaschige Verlaufskontrollen in 4–6-wöchigen Abständen durchzuführen. Außerdem ist hier zu beachten, dass im Rahmen einer Schwangerschaft mit Hypothyreose der Thyroxinbedarf häufig deutlich ansteigt und rechtzeitig eine Dosiserhöhung der Substitution erforderlich ist. Bioscientia Institut für Medizinische Diagnostik GmbH Regionallabors: Labor Berlin Lützowstraße 89 / 90 10785 Berlin Tel. 030 48526100 Fax 030 48526275 labor-berlin@bioscientia.de Labor Karlsfeld Liebigstraße 14 85757 Karlsfeld Tel. 08131 5940 Fax 08131 594109 labor-karlsfeld@bioscientia.de Labor Freiburg Mülhauser Straße 9 79110 Freiburg Tel. 0761 4000650 Fax 0761 40006510 labor-freiburg@bioscientia.de Labor Mainz Wallstraße 3–5 55122 Mainz Tel. 06131 576080 Fax 06131 5760844 labor-mainz@bioscientia.de Labor Ingelheim Konrad-Adenauer-Straße 17 55218 Ingelheim Tel. 06132 7810 Fax 06132 781214 labor-ingelheim@bioscientia.de Labor Moers Zum Schürmannsgraben 30 47441 Moers Tel. 02841 1060 Fax 02841 10618/35 labor-moers@bioscientia.de Labor Jena Orlaweg 2 07743 Jena Tel. 03641 40130 Fax 03641 401338 labor-jena@bioscientia.de Bioscientia MVZ Saarbrücken GmbH Winterberg 1 66119 Saarbrücken Tel. 0681 88379133 Fax 0681 88379142 labor-saarbruecken@bioscientia.de Herausgeber Bioscientia Institut für Medizinische Diagnostik GmbH Konrad-Adenauer-Straße 17 55218 Ingelheim Verantwortlich PD Dr. med. Markus Nauck Autor Peter J. Kuhl Redaktion Bibiane Swain Bildnachweis © Fotosearch.de www.bioscientia.de