Schwangere mit Schilddrüsen-Autoanti- körpern: Was
Transcription
Schwangere mit Schilddrüsen-Autoanti- körpern: Was
FORTBILDUNG + KONGRESS PRÄNATALMEDIZIN Schwangere mit Schilddrüsen-Autoantikörpern: Was muss beachtet werden? Adolf E. Schindler Die Autoimmunerkrankung der Schilddrüse ist eine mögliche Ursache für das Auftreten von Fehlgeburten bzw. Frühgeburten. Eine neue Studie weist auf die prognostische Bedeutung von Schilddrüsen-Autoantikörpern auch bei euthyreoten Schwangeren und einer Prophylaxe mit L-Thyroxin hin. Die Beziehung zwischen Autoimmunerkrankungen der Schilddrüse und Fehlgeburten ist in vielen Studien bestätigt worden, und zwar nicht nur bei hypothyreoten oder hyperthyreoten, sondern auch bei euthyreoten Frauen (1–3). Sie ist folgendermaßen erklärbar: n Schilddrüsen-Autoantikörper sind Marker einer generellen Immunimbalance und können damit ein erhöhtes Fehlgeburtsrisiko bewirken. n Auch wenn Frauen nach den Laborwerten euthyreot sind, entwickeln die, die vor der Schwangerschaft positiv auf Schilddrüsen-Autoantikörper getestet wurden, eine subklinische oder manifeste Hypothyreose (vor allem im ersten Trimenon). n Schilddrüsen-Autoantikörper stellen einen Faktor für Fertilitätsstörungen dar, indem Frauen mit Autoantikörpern vermehrt Fertilitätsstörungen aufweisen. Da diese Frauen im Durchschnitt älter sind, kann dadurch zusätzlich eine höhere Abortrate zustande kommen. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage nach der Beziehung zwischen Schilddrüsenfunktion, SchilddrüsenAutoantikörpern (Schilddrüsenperoxidase-Autoantikörper = TPOAK) und Schwangerschaftskomplikationen. Es ist hinreichend bekannt, dass eine manifeste Hypothyreose der Schwangeren negative Auswirkungen auf die Schwangerschaft und den Fötus hat. Aber auch bei subklinischer Hypothyreose oder Euthyreose bei Frauen mit Schilddrüsen-Autoantikörpern kön- 1012 FRAUENARZT n 47 (2006) n Nr. 11 nen Schwangere und Fötus negativ betroffen sein (4–8). Ergebnisse einer aktuellen Studie In einer kürzlich veröffentlichten Studie (9) wurde der Verlauf der Schwangerschaft bei drei Gruppen von euthyreoten Frauen analysiert: n Gruppe 1: Euthyreote, schwangere Frauen, die TPOAK-positiv waren und mit L-Thyroxin behandelt wurden. n Gruppe 2: Euthyreote, schwangere Frauen mit TPOAK-positivem Befund ohne L-Thyroxin-Behandlung. n Gruppe 3: Euthyreote, aber Schilddrüsen-Autoantikörper-negative Schwangere. Die Frauen wurden im gesamten Schwangerschaftsverlauf im Hinblick auf Komplikationen untersucht. Der Anteil der Autoantikörper-positiven Frauen betrug insgesamt 11,7%, ähnlich wie in anderen Studien beschrieben (1, 8, 10). Die Frauen, die Autoantikörper hatten, waren geringfügig, aber signifikant älter. Zu Beginn der Schwangerschaft wiesen die TPOAK-positiven Frauen höhere TSH-Spiegel auf, jedoch lagen diese Werte im normalen Streubereich. Die beobachteten Komplikationen sind in Tabelle 1 wiedergegeben. Daraus ergibt sich ein deutliches Überwiegen der Schwangerschaftskomplikationen bei schwangeren Frauen mit Schilddrüsen-Autoantikörpern. Jedoch hatten mit L-Thyroxin substituierte TPOAKpositive Schwangere die gleiche Komplikationsrate wie nicht mit LThyroxin behandelte TPOAK-negative Schwangere. Schlussfolgerungen für die Praxis Aus den genannten Beobachtungen ergeben sich für die Praxis folgende Schlussfolgerungen: n Euthyreote Frauen mit Schilddrüsen-Autoantikörpern haben zu Beginn der Schwangerschaft höhere TSH- Häufigkeit von Schwangerschaftskomplikationen bei drei Gruppen von euthyreoten Frauen Schwangerschaftskomplikation Hochdruck Gestose Plazentalösung Fehlgeburt Frühgeburt Gruppe I TPOAK-positiv L-ThyroxinBehandlung (n=57) n % 5 8,8 2 3,5 0 0 2 3,5 4 7,0 Gruppe II TPOAK-positiv (n=58) n % 7 12,1 3 5,2 1 1,7 8 13,8 13 22,4 Gruppe III TPOAK-negativ (n=869) n % 63 7,2 32 3,7 4 0,5 21 2,4 71 8,2 Tab. 1: Schwangerschaftskomplikationen bei euthyreoten TPOAK-positiven und TPOAK-negativen Frauen mit und ohne L-Thyroxin-Prävention. Spiegel verglichen mit TPOAK-negativen Frauen. n Diese Frauen entwickeln im hohen Maß während der Schwangerschaft eine subklinische oder manifeste Hypothyreose. n Während der Schwangerschaft steigt bei TPOAK-positiven Frauen der TSH-Spiegel signifikant stärker an (p<0,05). Diese Gruppe von Schwangeren weist auch geringere FT4-Werte auf. n Die Fehlgeburtsrate bei TPOAK-positiven Frauen ohne L-Thyroxin-Prophylaxe liegt signifikant höher als bei TPOAK-negativen (p<0,01) und höher als bei mit L-Thyroxin behandelten TPOAK-positiven Frauen (p<0,05). n Die Frühgeburtlichkeit ist bei TPOAK-positiven Patientinnen signifikant höher als bei TPOAK-negativen Frauen (p<0,05) und TPOAK-positiven Frauen mit L-Thyroxin-Prophylaxe. n Durch L-Thyroxin-Behandlung zu Beginn der Schwangerschaft wird bei euthyreoten TPOAK-positiven Frauen die erhöhte Rate an Schwangerschaftskomplikationen gesenkt. Literatur 1. Iijima T, Tada H, Hidaka K et al.: Effects of autoantibodies on the course of pregnancy and fetal growth. Obstet Gynecol 90 (1997) 364–369. 2. Dendrinos S, Papasteriades C, Tarassi K et al.: Thyroid autoimmunity in patients with recurrent spontaneous miscarriages. Gynecol Endocrinol 14 (2000) 270–274. 3. Bagis T, Gokcel A, Saygili ES: Autoimmune thyroid disease in pregnancy and the postpartum period: relationship to spontaneous abortion. Thyroid 11 (2001) 1049– 1053. 4. Davis LE, Leveno KJ, Cunningham FG: Hypothyroidism complicating pregnancy. Obstet Gynecol 72 (1988) 108–112. 5. Mizgala L, Lao TT, Hannah ME: Hypothyroidism presenting as hypothermia following pre-eclampsia at 23 weeks gestation. Case report and review of the literature. Br J Obstet Gynecol 98 (1991) 221–224. 6. Leung AS, Millar LK, Koonings PP et al.: Perinatal outcome in hypothyroid pregnancies. Obstet Gynecol 81 (1993) 349– 353. 7. Abalovich M, Gutierrez S, Alcaraz G et al.: Overt and subclinical hypothyroidism complicating pregnancy. Thyroid 12 (2002) 63–68. 8. Glinoer D, Rihi M, Grün JP et al.: Risk of subclinical hypothyroidism in pregnant women with asymptomatic autoimmune thyroid disorders. J Clin Endocrinol Metab 79 (1994) 197–204. 9. Negro R, Formoso G, Mangieri T et al.: Levothyroxine treatment in euthyroid pregnant women with autoimmune thyroid disease: effects on obstetrical complications. J Clin Endocrinol Metab 91 (2006) 2587–2591. 10. Pratt DE, Kaberlein G, Dudkiewicz A et al.: The association of thyroid antibodies in euthyroid nonpregnant women with recurrent first trimester abortions in the next pregnancy. Fertil Steril 60 (1993) 1001– 1005. Autor Prof. Dr. Adolf E. Schindler Institut für Medizinische Forschung und Fortbildung Universitätsklinikum Hufelandstraße 55 45147 Essen adolf.schindler@uni-due.de