Kompetenzzentrum für Altersmedizin in der Ostschweiz Bürgerspital
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Kompetenzzentrum für Altersmedizin in der Ostschweiz Bürgerspital
/Pflegeheim /Altersheim Die Geriatrische Klinik (88 Betten) nimmt betagte Menschen mit akuten Krankheiten zur Rehabilitation oder zur palliativen Betreuung auf. Die Hauptaufgabe ist die Rehabilitation. Durch interdisziplinäre Zusammenarbeit von Ärzten, Pflegenden, Therapeuten und weiteren Rehabilitationsspezialisten werden die Patienten in ihrer Selbstständigkeit gefördert, dass sie nicht mehr auf fremde Hilfe angewiesen bleiben. Die Geriatrische Tagesklinik und die Memory Clinic runden das Angebot ab. Eine enge Zusammenarbeit mit Angehörigen, Hausärzten und Spitex-Betreuern ist unerlässlich. Das Pflegeheim (80 Betten) hat die Aufgabe, Betagte aufzunehmen, bei denen die Massnahmen zur Wiederherstellung der Gesundheit ohne abschliessenden Erfolg bleiben und deren Krankheit einen chronischen Verlauf nahm, und solche, die zu Hause nicht oder nur ungenügend gepflegt werden können. Das Heim soll den Bewohnern und Bewohnerinnen ein Zuhause bieten, in dem sie ihren letzten Lebensabschnitt mit einer guten Lebensqualität verbringen können. Seit 2001 steht zur tageweisen Entlastung der betreuenden Angehörigen auch ein Tagesheim für pflegebedürftige Patienten mit körperlichen und psychischen Störungen zur Verfügung. Das Altersheim Bürgerspital bietet betagten Menschen eine freundliche und geborgene Wohngelegenheit. Die Selbstständigkeit der Bewohner und Bewohnerinnen zu erhalten und wenn nötig zu fördern, ist eine wichtige Zielsetzung. Der Aktivierung der Pensionäre und Pensionärinnen wird die nötige Aufmerksamkeit geschenkt und dabei sollen, wenn immer möglich, auch Angehörige miteinbezogen werden. Die Betreuung und Pflege der Bewohner und Bewohnerinnen ist durch freundliches und aufmerksames Personal sichergestellt. Es stehen 51 Zimmer und 4 Wohnungen zur Verfügung. Das Bürgerspital St.Gallen, Kompetenzzentrum für Altersmedizin in der Ostschweiz Inhalt /Geriatrische Klinik Vorwort 3 Editorial 4 Kompetenzzentrum für Altersmedizin, was heisst das? 5 Zur Geschichte des Bürgerspitals 7 Leistungsaufträge 8 Kompetenzzentrum Bürgerspital Biopsychosoziales Konzept 9 Geriatrische Klinik: Zentrum des Kompetenzzentrums – – – – Akutgeriatrie Interdisziplinäre Rehabilitation Palliation Integriertes Therapieangebot • Pflege • Logopädie • Ergotherapie • Physiotherapie – Übergangspflege und Sozialberatung – Geriatrische Tagesklinik mit Memory Clinic – A-Klinik für Geriatrie in der Region Ostschweiz Tagesheim am Bürgerspital Wechselwirkungen innerhalb des Kompetenzzentrums Ausbildung Ärzte Therapiepersonal Pflegepersonal Sozialarbeit 25 Qualitätsmanagement 27 Wirtschaftliche Überlegungen 28 Kulturzentrum von und für alte Menschen: «Das andere Museum» 29 Zukunft 30 Dank 30 Redaktion C. Hürny mit Beiträgen von A. Bachmann, B. Brack, B. Cerkl, J. Dörig, D. Inglin, M. Keiser, W. Keller, C. Rapin, T. Scheitlin, A. Schibli, B. Schwenk, P. Steiger, R. Strübi, E. Zürrer Kompetenzzentrum für Altersmedizin in der Ostschweiz St.Gallen, im Mai 2004 Geriatrische Klinik mit Tagesklinik und Memory Clinic, Pflegeheim mit Tagesheim, Altersheim Institutionen der Ortsbürgergemeinde St.Gallen Rorschacher Strasse 94, 9000 St.Gallen Tel. 071 243 81 11, Fax 071 243 81 12, www.buergerspital.ch Bürgerspital St.Gallen Bürgerspital St.Gallen / Vorwort Der Bereich Altersmedizin hat in den vergangenen Jahren Eindrückliches hervorgebracht. Die Beiträge in dieser Dokumentation zeigen dies mit aller Deutlichkeit auf. Als Folge der demografischen Entwicklung wird dieses Gebiet in Zukunft weiter an Bedeutung gewinnen. Die Wechselwirkungen im Dreieck Rehabilitation – Pflege – Betreuung werden in den Mittelpunkt rücken. Gerade bei der zunehmenden Geschwindigkeit des Wandels und der Komplexität ist aber eine Bündelung des Wissens erforderlich. Die Gleichzeitigkeit, die Neuartigkeit und auch die Geschwindigkeit verschiedener Krankheitsverläufe lassen sich nur noch durch das interdisziplinäre Zusammenwirken verschiedener Wissensträger lösen. Die integrale Sicht und Begleitung des betagten Menschen erhält zentrale Bedeutung. Die räumliche Nachbarschaft von Altersheim, Pflegeheim und Geriatrischer Klinik, wie sie die Ortsbürgergemeinde St.Gallen aufgebaut hat, gewährleistet die ganzheitliche Sicht bei der Betreuung des betagten Menschen. Die schweizweit wahrscheinlich einmalige Konstellation eines Kompetenzzentrums dieser Art bietet grosse Chancen und Möglichkeiten in der Ausbildung sowie in der Forschung und Entwicklung von Produkten und Dienstleistungen für die Altersmedizin. Die Ortsbürgergemeinde St.Gallen sieht den Bereich der Altersversorgung als eine ihrer Kernkompetenzen an. • Mit der Ausscheidung 1832 zwischen der politischen Gemeinde und der Ortsbürgergemeinde St.Gallen fiel das Spitalwesen in den Verantwortungsbereich der Ortsbürgergemeinde. Damit wurde sie zur Trägerin der Entwicklung des heutigen Kompetenzzentrums für Altersmedizin in St.Gallen. Den eigentlichen Grundstein legte die Bürgerschaft am 5. November 1837 mit der Zustimmung zum Neubau einer «bürgerlichen Armen-, Kranken- und Versorgungsanstalt» auf der Linsebühlbleiche, dem heutigen Bürgerspitalareal. Bis zu diesem Zeitpunkt wurden in der Stadt verschiedene Institutionen an diversen Standorten betrieben. Die Erkenntnis war zwischenzeitlich gereift, dass die Zusammenführung die beste Basis für die Bewältigung der zukünftigen Aufgaben darstellte. Rund 100 Jahre später, im Sommer 1963, setzte sich der Bürgerrat intensiv mit der Weiterentwicklung des Bürgerspitals auseinander. Anhand von Beispielen und Studien in Schweden, Dänemark und Holland wurden sorgfältige Analysen über zukünftige Trends vorgenommen. Basierend auf diesen Erkenntnissen, entwarf die Ortsbürgergemeinde zusammen mit dem Kanton St.Gallen den Neubau einer medizinisch-geriatrischen Klinik. Der damalige Regierungsrat und Vorsteher des Sanitätsdepartementes, Dr. Gottfried Hoby, bemerkte öffentlich, dass am Bürgerspital ein Geriatrisches Spitalzentrum geschaffen werden sollte. Das Kantonsspital werde sich in diesem Fachbereich nicht spezialisieren. Die Einweihung der Geriatrischen Klinik im Jahr 1980 war ein wesentlicher Baustein zum heutigen Kompetenzzentrum. Damit wurde insbesondere das Gebiet der Altersmedizin deutlich verstärkt. Ein weiterer Schritt im Auf- und Ausbau des Zentrums auf dem Areal des Bürgerspitals war die Errichtung von Alterswohnungen im Jahr 1999. • Das Kompetenzzentrum verfügt somit über alle derzeit bekannten Formen der stationären und teilstationären Versorgung von betagten Menschen. Innerhalb Gehdistanz können Dienstleistungen wie Betreuung, Pflege und Rehabilitation in Alterswohnungen, Altersheimen, Pflegeheim und Geriatrischer Klinik angeboten werden. Die konsequente Nutzung dieses ganzheitlichen Ansatzes ist eine einmalige Chance für die Ausbildung, aber auch für die Forschung und Entwicklung im Bereich der Altersmedizin. So bildet das Kompetenzzentrum für Altersmedizin die unverzichtbare Basis, um Wissen aufzubauen und nutzbringend zu Gunsten des betagten Menschen einzusetzen. Thomas Scheitlin, Bürgerratspräsident 3 / Editorial «Das Ganze ist mehr als die Summe der Teile» Christoph von Ehrenfels In diesem Heft stellen wir das Bürgerspital als Kompetenzzentrum für Altersmedizin in der Ostschweiz vor. Kompetenz heisst allgemein fachliches Wissen und Können. Altersmedizin umfasst Behandlung, Betreuung und Pflege von alten Menschen. Zentrum heisst Mittelpunkt, wo Kräfte gebündelt werden, aber auch in die Umgebung ausstrahlen. Ein Kompetenzzentrum für Geriatrie ist somit ein Ort, der sich durch hohe Fachkenntnisse in der Behandlung und Betreuung von alten Menschen auszeichnet und in seiner Region eine führende Rolle einnimmt. Ein Kompetenzzentrum entsteht nicht aus dem Nichts, es hat seine persönliche Geschichte. Die Geschichte des Bürgerspitals reicht als HeiliggeistSpital bis ins 13. Jahrhundert zurück. Die Trägerschaft der Ortsbürgergemeinde gewährleistet durch sorgfältige Pflege dieser charismatischen Tradition ein gutes Fundament. Als Kompetenzzentrum erarbeiten wir jedoch aus dieser Tradition heraus immer wieder neue Entwicklungen. Die wissenschaftstheoretische Grundlage für unsere Arbeit ist das biopsychosoziale Konzept der Medizin. Dieses beruht unter anderem auf der Erkenntnis des Systemtheoretikers von Ehrenfels zu Beginn des letzten Jahrhunderts, dass «das Ganze mehr ist als die Summe seiner Teile». In keiner anderen medizinischen Disziplin ist das Zusammenspiel von körperlichen, psychischen und sozialen Faktoren so augenfällig wie in der Altersmedizin. Eine Beschränkung auf körperliche Krankheitszeichen würde ohne Beachtung der psychischen und geistigen Verfassung des Patienten und seines sozialen Umfeldes in der Rehabilitation kaum je zum Ziel führen. Integration und Gewichtung all dieser Faktoren im interdisziplinären Team sind die Voraussetzung unserer Behandlungserfolge. Aber auch bei Ermessensentscheiden, wenn es um die Frage geht, wie weit wir bei alten Menschen in Diagnostik und Therapie gehen sollen oder bei der Begleitung von schwer Kranken und Sterbenden gilt es, gemeinsam mit den Angehörigen die verschiedenen Faktoren abzuwägen und die Situation als Ganzes einzuschätzen. Was für den Patienten und seine Behandlung gilt, kann auf der übergeordneten Stufe der Institution auch angewendet werden. Ihre Teile, das heisst die Geriatrische Klinik, die Geriatrische Tagesklinik, die Memory Clinic, das Pflegeheim und das Altersheim, sind als Ganzes mehr als die Einzelteile. Das Ganze ist Kompetenzzentrum für Altersmedizin. Die einzelnen Institutionen können dies nicht für sich beanspruchen. Das Ganze muss immer wieder neu erarbeitet werden. Dieses Heft soll Spiegel sein für diesen Prozess. Verschiedene Mitarbeiter haben als Stellvertreter für Teile unseres Kompetenzzentrums Beiträge verfasst und wir hoffen, dass sie sich für den Leser zu einem Ganzen fügen, das mehr ist als die Teile. Die Spitalleitung: Prof. Dr. Christoph Hürny, Chefarzt Willi Keller, Verwaltungsdirektor Martina Merz-Staerkle, Leiterin Pflegedienst Die vorliegende Schrift gibt einen Überblick über unsere Institution. Für genaue statistische Angaben verweisen wir auf unseren Jahresbericht, und weitere Informationen finden Sie auf unserer Homepage: www.buergerspital.ch. 4 / Kompetenzzentrum für Altersmedizin, was heisst das? Interview mit Professor Charles Henri Rapin, Past-Präsident der Schweizerischen Fachgesellschaft für Geriatrie (SFGG) Herr Professor Rapin, was verstehen Sie als erfahrener Geriater und Past-Präsident der SFGG unter einem Kompetenzzentrum für Geriatrie? Kompetenz heisst fachliches Wissen und Können, und zwar auf allen Stufen vom Chefarzt bis zur Pflegeassistentin und für alle Professionellen des interdisziplinären Behandlungs-Teams. Geriatrie heisst Altersmedizin. Ein Kompetenzzentrum für Geriatrie zeichnet sich somit durch hohe Fachkenntnisse für die Behandlung und Betreuung alter Menschen aus. • Die Schweizerische Ärztegesellschaft FMH hat im Rahmen der Weiterbildungsverordnung für den Schwerpunkt Geriatrie zusammen mit der Schweizerischen Fachgesellschaft für Geriatrie (SFGG) Kriterien für ein Kompetenzzentrum für Geriatrie definiert: Die Institution muss Zentrumsfunktion für eine Region ausüben. Es muss eine organisatorisch definierte Abteilung mit Hauptzielsetzung Geriatrie sein. Das Behandlungsteam muss interdisziplinär sein und aus Pflegenden, Physiotherapeuten, Ergotherapeuten, Logopäden, Sozialarbeitern, Ärzten u.a. bestehen. Personell muss das geriatrische Team von den übrigen Abteilungen des Krankenhauses getrennt sein. Der Chef oder Leitende Arzt muss eine universitäre geriatrische Lehrverpflichtung haben. Dies sind einige von den wesentlichen Punkten. Was sind die Ziele und Aufgaben eines Kompetenzzentrums für Geriatrie? Die wichtigste Aufgabe und das wichtigste Ziel ist natürlich die optimale Behandlung und Betreuung von alten, kranken Menschen. Dazu gehört auf der einen Seite die notfallmässige Behandlung, auf der anderen Seite die Rehabilitation von alten Menschen, aber auch Kompetenz in der Begleitung und Betreuung von Patienten, deren Krankheit schlussendlich zum Tode führt. • Ein ganz wesentliches Ziel ist, durch Ausbildung von Ärzten, Pflegenden und Therapeuten zur Verbesserung der stationären, teilstationären und ambulanten Betreuung von betagten Menschen beizutragen. Für universitäre Zentren ist Forschung im Bereich der Altersmedizin obligatorisch, für nicht universitäre Zentren sehr erwünscht. Wie viele solche Kompetenzzentren gibt es in der Schweiz? Im Moment gibt es in der Schweiz sieben sogenannte A-Kliniken, Zentren mit dem höchsten Kompetenzgrad. Sie sind zum Teil universitär und zum Teil nicht universitär und decken 5 Regionen ab: Ostschweiz (St.Gallen), Bern, Basel, Zürich und Westschweiz (Lausanne, Genf). Im Tessin gibt es im Moment noch keine A-Klinik. Die Kompetenzzentren sollen bezüglich Altersmedizin eine Leadership-Rolle in ihrer Region einnehmen und ausbauen. Wie sind die Organisationsstrukturen dieser Zentren? Zwei Zentren sind Universitätskliniken (Basel und Genf), drei Zentren sind Stadtspitäler mit kantonaler Beteiligung (Zürich, Bern, St.Gallen) und das zweite Geriatrische Zentrum in Basel ist kantonal organisiert. Gibt es auch privat organisierte Kompetenzzentren? Nein. Im Pflegeheimbereich gibt es sehr viele private Institutionen, aber von der FMH zertifizierte A-Kliniken gibt es nicht. 5 Gehört die Langzeitbetreuung geriatrischer Patienten in ein Kompetenzzentrum? Auf jeden Fall. Die Betreuung von Langzeitpatienten im Pflegeheim unterscheidet sich ganz wesentlich von der Spitalbetreuung oder der ambulanten Betreuung. Die Schwergewichte liegen ganz anders und es geht primär um die Förderung und Erhaltung der Lebensqualität. Das müssen die jungen Ärzte unbedingt lernen. Sollte eine sogenannte Memory Clinic, d.h. eine Einrichtung zur Abklärung von Hirnleistungsstörungen, in ein Kompetenzzentrum integriert sein? Da die Demenz eine häufige Erkrankung im Alter ist, muss sich ein Kompetenzzentrum bezüglich dieser Krankheit sehr gut auskennen. Eine Memory Clinic ist nicht ausdrücklich vorgeschrieben, aber sehr erwünscht. Als Kriterium obligatorisch ist aber eine Einrichtung für die halbstationäre Betreuung, eine sogenannte Tagesklinik. Als wie wichtig erachten Sie die Möglichkeit des direkten Zugangs eines Geriatrischen Kompetenzzentrums zur hochtechnisierten Medizin? Die Möglichkeit, auch neueste technische Errungenschaften in der Medizin für alte Menschen in Anspruch zu nehmen, sollte unbedingt bestehen. Es gibt auch bei alten Patienten Situationen, bei denen die hochtechnisierte Medizin Leiden wesentlich lindern oder sogar definitiv beheben kann. Unser Kompetenzzentrum für Altersmedizin in St.Gallen besteht aus einer Geriatrischen Klinik mit Geriatrischer Tagesklinik und Memory Clinic, dem Pflegeheim, dem Altersheim und im Areal sind zusätzlich Alterswohnungen vorhanden. Finden Sie diese organisatorische und geografische Einheit für die Ausübung unserer Zentrumsfunktion günstig? Mit der Nähe und Verbindung zum Kantonsspital mit all seinen Einrichtungen ist das aus meiner Sicht ideal. Herr Prof. Rapin, ich danke Ihnen für das Gespräch. 6 / Zur Geschichte des Bürgerspitals Die Gründung des Bürgerspitals durch den Truchsess Ulrich von Singenberg und den Bürger Ulrich Blarer geht auf das Jahr 1228 zurück. Das damalige Heilig-Geist-Spital befand sich bis 1845 an der Marktgasse. Im Jahr 1845 erfolgte der Umzug an die Rorschacher Strasse. Im neu erbauten Bürgerspital wurden unter einem Dach ein Pfrund- und Krankenhaus sowie ein Armen- und Arbeitshaus betrieben. Rückständigkeit gegenüber den medizinischen Fortschritten und der bauliche Zustand führten im Jahr 1975 zum Entschluss, das Bürgerspital in eine Geriatrische Klinik und in ein Pflegeheim aufzugliedern, was den Neubau der Geriatrischen Klinik nötig machte. Seit 1980 umfasst die Institution Bürgerspital die Geriatrische Klinik, das Pflegeheim und ein Altersheim. • Die Geriatrische Klinik mit 88 Betten erfüllt im Rahmen des kantonalen Spitalkonzepts eine Spezialaufgabe und ist rechtlich den Gemeindespitälern gleichgestellt. Im Jahr 1995 konnte eine Geriatrische Tagesklinik mit Memory Clinic angegliedert werden. Dafür stehen täglich Plätze für 10 bis 12 Patienten zur Verfügung. • Das Pflegeheim bietet Platz für 80 Bewohner. Im Jahr 2001 ist ein Tagesheim mit vorerst 3 Plätzen eröffnet worden. • Das Altersheim verfügt über 51 Zimmer und 4 Wohnungen. • Im Jahr 1998 wurde durch eine separate Trägerschaft – unter Mitbeteiligung der Ortsbürgergemeinde St.Gallen – die Alterssiedlung «Logiscasa» mit 35 Alterswohnungen im Areal Bürgerspital realisiert. • Das Bürgerspital St.Gallen verfügt somit über ein vollständiges Angebot im stationären und teilstationären Bereich für die medizinische und pflegerische Versorgung sowie Betreuung betagter Menschen. Bürgerspital-Areal, aufgenommen vom Kirchturm der Linsebühlkirche, vor 1920. KBSG. 7 / Leistungsaufträge Geriatrische Klinik Seit dem Jahr 2000 – im Zusammenhang mit der Einführung des Globalkreditsystems – sind der Geriatrischen Klinik durch den Kanton St.Gallen folgende Hauptaufgaben/-aufträge erteilt: Die Geriatrische Klinik erfüllt nach den neuesten Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft und nach anerkannten ethischen Grundsätzen Aufgaben der akutmedizinischen und palliativen Versorgung älterer Menschen sowie der geriatrischen und nichtgeriatrischen Rehabilitation für Bewohner des Kantons St.Gallen und angrenzender Gebiete. • Sie übernimmt Ausbildungsfunktionen für Ärzte sowie für Angehörige verschiedener Pflege- und nicht-ärztlicher Berufe. • Sie kann angewandte medizinische und pflegerische Forschung im Bereich der Rehabilitation betreiben. Zu diesem Zweck führt die Geriatrische Klinik – eine Akut- und Rehabilitationsklinik für Betagte – eine Geriatrische Tagesklinik und eine Memory Clinic Dienstleistungsauftrag und Aufgaben als Aus-, Weiter- und Fortbildungsspital sind gleichwertig in der Bedeutung. • Die Qualität der Dienstleistungen hat nach den Qualitätskriterien, die das medizin-technische, das psychosoziale und das ökonomische Element umfassen, zu erfolgen. Die betriebliche Sicherheit richtet sich nach den geltenden Vorschriften. Das Bürgerspital St.Gallen, Kompetenzzentrum für Altersmedizin in der Ostschweiz: / Geriatrische Klinik Geriatrische Grundversorgung und Zentrumsfunktion: Akutgeriatrie: Diagnostik, mehrdimensionale Evaluation (Geriatrisches Assessment) und medizinischtherapeutische Massnahmen bei älteren Patientinnen und Patienten mit akuten, vor allem internistischen Problemen oder psychosozialer Hospitalisationsindikation. Rehabilitation: Betreuung vorwiegend älterer Menschen mit vor allem neurologischen und orthopädisch-rheumatologischen Erkrankungen gemäss einem biopsychosozialen Konzept (Berücksichtigung, Gewichtung und Integration körperlicher, psychischer und sozialer Faktoren) in interdisziplinärer Teamarbeit (entsprechend den ICIDH-2-Richtlinien). Palliation: Betreuung und Begleitung von vorwiegend älteren Patientinnen und Patienten mit weit fortgeschrittenen, unheilbaren Leiden mit begrenzter Lebenserwartung durch ein multiprofessionelles Team mit dem Ziel einer hohen Lebensqualität für den Patienten und seine Angehörigen (nach WHO). 8 / Geriatrische Tagesklinik und Memory Clinic Teilstationäre Rehabilitation vorwiegend älterer Menschen (umfasst ärztliche, pflegerische, therapeutische und psychosoziale Dienstleistungen, Tagesstrukturangebot und ambulante Abklärung von Patienten mit Hirnleistungsstörungen). / Pflegeheim Im Pflegeheim werden betagte Mitmenschen aus den Vertragsgemeinden Stadt St.Gallen, Wittenbach, Häggenschwil, Muolen, Berg und Mörschwil gepflegt und begleitet, die dauernd auf fremde Hilfe angewiesen sind und nicht zu Hause betreut werden können. • Das Tagesheim im Pflegeheim steht für pflegebedürftige Patienten, die zu Hause wohnen, zur Verfügung, besonders auch für Patientinnen und Patienten mit psychischen Störungen (beispielsweise Hirnleistungsschwäche). / Altersheim Gemäss Heimreglement der Ortsbürgergemeinde St.Gallen hat das Altersheim den Auftrag, betagten Menschen freundliche Wohngelegenheit und gute Verpflegung zu bieten. Die Pensionäre sollen sich im Heim wohl fühlen und Geborgenheit spüren und, soweit sie es wünschen, durch soziale Angebote aktiviert werden. / Kompetenzzentrum Bürgerspital / Biopsychosoziales Konzept Die wissenschaftstheoretische Grundlage unserer Betreuung ist in allen Teilen unseres Zentrums in der Geriatrischen Klinik und Tagesklinik wie auch im Pflege- und Altersheim ein biopsychosoziales Verständnis von Gesundheit und Krankheit. In keiner anderen medizinischen Disziplin ist die Notwendigkeit der Berücksichtigung von körperlichen, psychischen und sozialen Faktoren so augenfällig wie in der Altersmedizin. Die übliche Betrachtungsweise der Krankheit als reparaturbedürftiger Defekt und des Kranken als defekte, ersatzteilbedürftige Maschine scheitert schon nur an der Polymorbidität alter Menschen. Polymorbidität meint, dass in verschiedenen Organen und auf verschiedenen Funktionsebenen gleichzeitig Störungen auftreten. • Eine Beschränkung auf körperliche Krankheitszeichen würde ohne Beachtung der psychischen und geistigen Verfassung des Patienten und seines sozialen Umfeldes in der Rehabilitation kaum je zum Ziel führen. • Aber auch bei Ermessensentscheiden, wenn es um die Frage geht, wie weit wir bei älteren Menschen in Diagnostik und Therapie gehen sollen oder bei der Frage des Übertritts ins Pflegeheim oder bei der Begleitung von Schwerkranken und Sterbenden gilt es, gemeinsam mit den Angehörigen die verschiedenen Faktoren abzuwägen und die Situation als Ganzes einzuschätzen. Ein ganz wesentlicher Aspekt des biopsychosozialen Konzeptes ist Beziehung. Behandlung, Pflege und Betreuung hat zwischenmenschliche Beziehung als Grundlage. Beziehungen von professionellen Helfern werden durch Krankheit, Abhängigkeit und Verluste belastet und müssen reflektiert werden zur Entlastung der Betreuer und zum besseren Verständnis der PatientInnen. In Team- und fallorientierten Supervisionen nimmt der bei uns tätige Psychologe diese Bedürfnisse auf. In den Patientenbesprechungen im Behandlungsteam zu Beginn jeder Chefvisite in der Geriatrischen Klinik und im Pflegeheim werden körperliche, psychische und soziale Aspekte erörtert, gewichtet und zu einem für das Team gangbaren Vorgehen integriert. 9 / Geriatrische Klinik: Zentrum des Kompetenzzentrums Die Geriatrische Klinik ist das Zugpferd des Kompetenzzentrums und hat zugleich Leadershipfunktion für die Region Ostschweiz. Durch vielfältige lokale, regionale, kantonale, nationale und internationale Kontakte auf verschiedenen Ebenen, im ärztlichen, pflegerischen, therapeutischen und ökonomischen Bereich, können neue Entwicklungen aufgenommen, weiterentwickelt, integriert und Impulse innerhalb und ausserhalb des Zentrums weitergegeben werden. Wie aus dem Leistungsauftrag des Kantons ersichtlich, arbeiten wir im stationären Bereich akutgeriatrisch (30%), rehabilitativ (60%) und palliativ (10%). Vom medizinischen Notfall über die Wiederherstellung bis zur Sterbebegleitung ist ein weites Feld, zum Teil mit völlig unterschiedlichen Zielsetzungen, was von unseren Mitarbeitern ein hohes Mass an Flexibilität verlangt. Akutgeriatrie Entsprechend unserem biopsychosozialen Krankheitsverständnis nehmen wir Akutkranke mit körperlichen, vorwiegend internistischen Problemen, aber auch mit psychosozialer Hospitalisationsindikation auf, zum Beispiel Dekompensation des ambulanten Betreuersystems. Insgesamt treten 15% der Patientinnen und Patienten als Notfälle ein, 85% regulär. Hauptzuweiser sind die praktizierenden Ärzte der Stadt St.Gallen und Umgebung, das Kantonsspital St.Gallen und die umliegenden Spitäler. Die Hospitalisationsdauer hat in den letzten Jahren stark abgenommen (1990: 54,1 Tage; 2000: 38,3 Tage; 2003: 36,2 Tage), entsprechend hat die Zahl der Patienteneintritte zugenommen (1990: 510; 2000: 652; 2003: 767). Jahr/Patienteneintritte 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 510 459 499 595 655 710 695 722 665 1999 2000 2001 2002 2003 691 652 673 742 767 Diese Entwicklung ist wesentlich durch den Rückgang der Wartezeiten für Pflegeheime und durch kontinuierliche Verbesserung unserer Rehabilitationsleistungen bedingt. Während früher rund ein Drittel der Patienten im Spital auf einen Pflegeheimplatz warteten, haben wir im Moment praktisch keine Langzeitpatienten mehr in der Geriatrischen Klinik. • Wie jede andere medizinische Disziplin basiert auch die Geriatrie auf «evidence based medicine». Im Gegensatz zu anderen Disziplinen ist aber der Ermessensspielraum in der Altersmedizin sehr gross. Wir sind häufig mit der Frage konfrontiert, wie weit wir in einer bestimmten Situation diagnostisch und therapeutisch gehen sollen. Auch bei alten polymorbiden Patienten gibt es Situationen, wo der Einsatz der hochtechnisierten Medizin sinnvoll und notwendig ist. Durch einen unterirdischen Gang sind wir mit dem Kantonsspital St.Gallen verbunden. Somit haben unsere Patienten direkten Zugang zu allen Einrichtungen des Zentrumspitals. Sämtliche Spezialeinrichtungen und Spezialisten stehen uns auf Anfrage zur Verfügung. Auf der anderen Seite stehen wir als Spezialisten für Altersmedizin den verschiedenen Abteilungen des Kantonsspitals zur Seite. • Eine unserer Hauptaufgaben ist die Übernahme und weitere Rehabilitation von Alterspatienten nach Verletzungen im Bereich des Bewegungsapparates. Sturz und Sturzfolgen, Demenz und Depression, Hirnschlag und Parkinson sowie Herzkreislaufkrankheiten sind unsere hauptsächlichen Diagnosegruppen. 10 Interdisziplinäre Rehabilitation Seit der grundlegenden Änderung des Betreuungskonzeptes von alten, pflegebedürftigen Menschen vor rund 25 Jahren von der passiven Versorgung zur aktivierenden Pflege ist Rehabilitation ein wesentlicher Teil der Altersmedizin. Das Behandlungsziel ist durch rehabilitative Massnahmen auf Erhaltung und Wiederherstellung der Selbstständigkeit ausgerichtet, und zwar unabhängig davon, ob eine Rückkehr nach Hause noch im Bereich des Möglichen liegt oder ob eine Pflegeheimplatzierung als unumgänglich erscheint. Die Rehabilitation ist interdisziplinär, d.h. sie wird von einem Team von Spezialisten, Ärzten, Pflegenden, Physio- und Ergotherapeuten, Logopäden, Übergangspflege und Sozialarbeitern durchgeführt. Interdisziplinäre Arbeit ist nicht ganz einfach, da jeder Beteiligte nicht nur auf Patienten und Angehörige, sondern auf die anderen Teammitglieder eingehen muss. Wegen verschiedener Einschränkungen alter Menschen ist die Kommunikation mit ihnen oft erschwert und braucht besondere Beachtung. Die Kommunikation im interdisziplinären Team muss ebenso gepflegt werden. • In den ersten Tagen des Spitalaufenthalts erfasst jedes Teammitglied den Patienten und seine Situation aus der Sicht des jeweiligen Spezialisten. Jeder Spezialist führt also ein Assessment (Bestandesaufnahme) durch. Die verschiedenen Befunde werden in der interdisziplinären Eintrittsbesprechung, die vom Assistenzarzt geleitet wird, zusammengetragen. Darauf basierend, werden integrative Behandlungsziele formuliert und den verschiedenen Teammitgliedern verschiedene Aufgaben zugewiesen. Im wöchentlichen Rehabilitationsrapport werden die Rehabilitationsziele überprüft und allenfalls angepasst. Durch diese interdisziplinären Rehabilitationsinstrumente wird der Rehabilitationsprozess vom Spitaleintritt bis zum Spitalaustritt optimal strukturiert. Jeder beteiligte Spezialist kennt das Behandlungsziel und seine Aufgaben, so dass alle am gleichen Strick in die gleiche Richtung ziehen können. Palliation Die Betreuung und Begleitung von vorwiegend älteren Patientinnen und Patienten mit weit fortgeschrittenen, unheilbaren Leiden mit begrenzter Lebenserwartung ist dem Ziel der Rehabilitation oft entgegengesetzt. Es geht nicht mehr darum, die Selbstständigkeit des Patienten wieder herzustellen, sondern ihn auf seinem letzten Stück Lebensweg zu betreuen und zu begleiten. Das Ziel ist eine möglichst hohe Lebensqualität für den Patienten und seine Angehörigen. Auch hier ist das multiprofessionelle Team gefordert. In dieser besonders schwierigen Situation ist eine offene Kommunikation aller Beteiligten eine grundlegende Bedingung. • Kommunikative Fähigkeiten sind sowohl für die Akutgeriatrie wie die Rehabilitation und die Palliation sehr wichtig. Wir führen deshalb mit unseren Assistenzärztinnen und Assistenzärzten ein Gesprächsführungstraining durch. Es ist vorgesehen, auch alle anderen Professionellen in diese Ausbildung miteinzubeziehen. Integriertes Therapieangebot In der Geriatrischen Klinik sind wir spezialisiert auf die Rehabilitation älterer Menschen. Es werden stationäre und ambulante Patienten sowie Patienten der Geriatrischen Tagesklinik behandelt. • Da das Kranksein im Alter sehr komplex ist, ist die berufsübergreifende Zusammenarbeit von grosser Notwendigkeit. Nur so kann der alte Mensch mit seinen Lebensstrategien ganzheitlich erfasst, verstanden und entsprechend behandelt werden. • Generell ist zu sagen, dass es den «geriatrischen» Patienten nicht gibt. So individuell wie seine Lebensgeschichte, so unterschiedlich sind auch seine Fähigkeiten und Schwierigkeiten. Dennoch gibt es typische Probleme im Alter, die in der Rehabilitation zu beachten sind: 11 Einschränkungen der höheren Hirnfunktionen • Verlangsamung des Sprechens, Denkens, Handelns und der Bewegungsabläufe • Kurzzeitgedächtnisstörungen • Überlastung bei parallel ablaufenden Prozessen Psychische und soziale Einschränkungen • Verlust von Selbstwert durch Einschränkungen des Alters • Verlust von Angehörigen • Verlust bzw. Einschränkung von Sozialkontakten • Sinnverlust und daraus entstehende seelische Krisen Physische Einschränkungen • gleichzeitiges Bestehen von mehreren Krankheiten (Polymorbidität) • verlangsamte und/oder unvollständige Heilungsprozesse • Reduktion der Sinne (sehen, hören) Zum normalen Altern, mit seinen Veränderungen und Einschränkungen, kommen bei unseren Patienten zusätzliche Störungen, die aufgrund von Unfall, Sturz, Hirnschlag, Tumor und neurologischen Erkrankungen hervorgerufen werden. Bei einer gezielten therapeutischen Intervention bei älteren Menschen wird die Alterssituation grundsätzlich berücksichtigt. Grundsätzliches Vorgehen in der geriatrischen Rehabilitation • die physische, psychische und soziale Situation sowie die kognitiven Fähigkeiten des älteren Menschen in der Therapie berücksichtigen • enge Zusammenarbeit mit den Angehörigen, um die erreichten Therapieeffekte zu erhalten (unter Berücksichtigung der Tatsache, dass der betreuende Ehepartner auch schon älter ist und vielleicht Einschränkungen hat!) / Pflege Im interdisziplinär gestalteten Rehabilitationsprozess leistet das Pflegepersonal seinen spezifischen Beitrag. Das pflegerische Angebot orientiert sich am biopsychosozialen Konzept. Hauptaufgabe ist die optimale Unterstützung und Förderung des Patienten in den Aktivitäten des täglichen Lebens wie Waschen und Kleiden, Essen und Trinken, sich Bewegen, Ausscheiden usw. Die Pflegefachfrauen und -männer erfassen die Ressourcen und den Pflegebedarf der betagten Menschen, setzen – wenn möglich in Zusammenarbeit mit den Betroffenen – Ziele, planen Pflegemassnahmen, führen diese durch und überprüfen die Ergebnisse. Die Beziehung zwischen Patienten, Angehörigen und Pflegenden, welche geprägt ist von Achtung, Zuwendung, Aufmerksamkeit, Einfühlungsvermögen und Anteilnahme, bildet die Grundlage. • Das Ganze geschieht in enger Zusammenarbeit mit dem ärztlichen Dienst, der Ergotherapie, Physiotherapie und Logopädie, der Übergangspflege und Sozialberatung sowie allenfalls unter Einbezug des Psychologen und/oder Seelsorgers. Bei der Hilfe zur Selbsthilfe in den Aktivitäten des täglichen Lebens, beispielsweise beim Sprechen, Essen, bei der Körperpflege, bei der Mobilisation stellen die verschiedenen Therapeutinnen und Therapeuten spezifische Stärken und Defizite fest und versuchen diese in einer Einzel- und/oder Gruppentherapie zu fördern bzw. zu verbessern. Aufgabe der Pflege ist, das Training der verschiedenen Funktionen im Klinikalltag aufzunehmen, im Tagesablauf zu integrieren sowie die dabei gemachten Beobachtungen, bezogen auf das physische wie psychische Befinden, an den interdisziplinären Besprechungen 12 wieder einzubringen. • Daraus wird ersichtlich, dass den Pflegenden im Rahmen des interdisziplinär gestalteten Rehabilitationsprozesses eine wichtige Funktion zufällt, sind sie doch jene Personen, die am meisten Zeit mit dem Patienten verbringen und am häufigsten die ersten Ansprechpersonen für die Angehörigen sind. Eine zentrale Aufgabe des Pflegepersonals ist es demnach, die verschiedenen Beobachtungen und Informationen aufzunehmen sowie im Rahmen ihrer Kompetenzen Massnahmen einzuleiten und/oder sie an die entsprechenden Fachpersonen anderer Dienste weiterzuleiten. • Eine rehabilitative Pflege setzt voraus, dass der Patient über Ressourcen verfügt, die gefördert werden können mit dem Ziel, wenn immer möglich ihn – mit oder ohne Unterstützung Dritter – in seine gewohnte Umgebung entlassen zu können. Dieses Ziel kann leider nicht immer erreicht werden. So ist es denn auch Aufgabe der Pflegenden, bei diesen Patienten bis zum Eintritt in eine Institution die vorhandenen Ressourcen weiterhin zu fördern bzw. zu erhalten, wo erforderlich aber auch stellvertretend Aufgaben in den Aktivitäten des täglichen Lebens zu übernehmen und sie sowie ihre Angehörigen im Prozess der Neuorientierung zu unterstützen, d.h. ganz im Sinn der palliativen Betreuung die bestmögliche Lebensqualität für den Betroffenen zu erzielen. In der Begleitung Sterbender und ihrer Angehörigen haben die Pflegenden innerhalb des interdisziplinären Teams eine zentrale Rolle. • Insgesamt geht es darum, dass die Pflege ihren Kompetenzen entsprechend ihren Beitrag zur Förderung und Erhaltung der Gesundheit, der Selbstständigkeit sowie zur Vorbeugung gesundheitlicher Schäden leistet. Sie unterstützt zusammen mit den anderen Fachbereichen die betagten Menschen in der Behandlung und im Umgang mit Auswirkungen von Krankheiten und deren Therapien mit dem Ziel, die bestmöglichen Behandlungs- und Betreuungsergebnisse sowie die bestmögliche Lebensqualität bis zum Tod zu erreichen. / Logopädie Sprach-, Sprech-, Stimm- und Schluckstörungen bei Erwachsenen sind häufig die Folge von Hirnverletzungen durch einen Unfall, einen Hirnschlag, einen Tumor oder durch andere neurologische Erkrankungen. Unsere Rehabilitationsziele • Gezielte logopädische Abklärung • Planen/Aufstellen eines Therapiekonzeptes aufgrund des logopädischen Befundes im Rahmen der Rehabilitationsplanung des interdisziplinären Teams • Wiedererlangen der Kommunikationsfähigkeit und der daraus folgenden aktiven Teilnahme am sozialen Leben oder • Verbessern der Verständigungsfähigkeit, der kommunikativen Möglichkeiten, des Umgangs mit der Störung • Vorschlagen individuell geeigneter Massnahmen für die Betroffenen und Angehörigen Logopädisches Angebot In der Geriatrischen Klinik bieten wir eine individuelle – und damit insbesondere auch dem älteren Menschen angepasste – logopädische Diagnostik, Therapie und/oder Beratung und Anleitung der Patienten und ihres Umfeldes für folgende Störungen: • Aphasie (Störung der Sprachverarbeitung: sprechen, verstehen, lesen und schreiben): Verbessern der verschiedenen Sprachkompetenzen, Beraten und Anleiten der Patienten und ihres Umfeldes • Sprechapraxie (Störung der Sprechplanung): Verbessern der Sprechbewegungsplanung, der Verständlichkeit, des Sprechflusses 13 • Dysarthrie (Störung des Sprechens: Artikulation, Stimme, Sprechtempo): Verbessern der Verständlichkeit, der Koordination des Sprechens und der beteiligten Organe • Dysphonie (Stimmstörung): Verbessern der Stimmqualität, Stimmgebung, Atmung, Sprechtechnik; Beraten zur Stimmhygiene im Alltag • Dysphagie (Schluckstörung): Verbessern des Schluckaktes, individuelles Anpassen der Kost an die Schluckstörung; Beraten und Anleiten für den Alltag / Ergotherapie Leistungsangebot Selbsthilfe und Training der Alltagsaktivitäten (ADL[Activities of Daily Living]-Training) Typische Probleme zeigen sich beim Ankleiden, Waschen, selbstständig Essen. Alte Menschen haben oft Mühe, neue Handlungsabläufe zu erlernen. Es ist nötig, wann immer möglich, sich an Vertrautem zu orientieren. Funktionelle Einzelbehandlung Hier ist vor allem die stark schwankende Belastbarkeit zu erwähnen. Diese verlangt bei der Organisation der Therapeuten-Einsatzpläne grosse Flexibilität. Gruppentherapien Die Teilnahme an einer therapeutischen Gruppe hat den Vorteil, dass die Konfrontation mit ähnlichen Krankheitsverläufen anderer das eigene Schicksal relativiert und Lösungsansätze bietet. Zu beachten ist, dass alte Patienten oft schon seit Jahrzehnten relativ isoliert gelebt haben und sich deshalb oft nicht problemlos in eine Gruppe integrieren. Vermittlung von Hilfsmitteln Zu beachten ist, dass die Betroffenen fähig sein müssen, neue Hilfsmittel im Alltag einzusetzen. Ausserdem «gönnen» sich geriatrische Patienten aus finanziellen Gründen herzlich wenig. Hilfsmittel sollen daher immer erprobt werden. Die Ergotherapie verfügt über ein vielseitiges Angebot. Ein Besuch der Wohnung Vor der endgültigen Entlassung muss abgeklärt werden, ob allfällige bauliche Veränderungen /Anpassungen nötig sind. • Da vollständige Wiederherstellung oft nicht möglich ist, kommt der Hilfe durch Angehörige grosse Bedeutung zu. Sie werden bereits während des stationären Aufenthaltes in die Betreuung mit einbezogen. Probeaufenthalte übers Wochenende im eigenen Zuhause haben sich sehr bewährt. 14 / Physiotherapie Die Arbeit mit geriatrischen Patienten beinhaltet Chancen und Grenzen. • Das gleichzeitige Vorkommen von verschiedenen Krankheiten beim gleichen Patienten bedeutet für die Therapie zum Beispiel, dass ein Schlaganfallpatient durch seine Herzproblematik weniger belastbar oder das Gehen durch seine Arthrose zusätzlich beeinträchtigt ist. • Rehabilitation beim alten Menschen bedeutet oft eine Defektheilung. Es kann trotzdem eine Normalisierung und Erhaltung von Funktionen angestrebt werden ohne vollständige Wiederherstellung. So kann ein alter Mensch nach einem Beinbruch mit einem Hilfsmittel wieder gehfähig werden. • Kleine Ursachen können grosse Folgen haben. Ein alter Mensch mit einem Armbruch nach einem Sturz kann sich unter Umständen trotz Abheilung der Fraktur nicht mehr alleine versorgen. • Da das Kranksein im Alter sehr komplex ist, ist die berufsübergreifende Zusammenarbeit von grosser Notwendigkeit. Nur so kann der alte Mensch ganzheitlich erfasst, verstanden und behandelt werden. Leistungsangebot • Gangsicherheitstraining • Bobath-Therapie • allgemeine Bewegungstherapie • Manualtherapie • Wassertherapie • Rückenschule • Entspannungstherapie • • • • • • • klassische Massage Triggerpunktbehandlung manuelle Lymphdrainage Fango und diverse Wickel Elektrotherapie Medizinalbäder Shiatsu Beispiel einer geriatrischen Rehabilitation: Oft werden uns Patienten nach einem Sturz zugewiesen. Die physiotherapeutische Behandlung sieht folgendermassen aus: • Durch einen Test wird ermittelt, wie stark die Gangunsicherheit ist und worin das Problem besteht (z.B. Gleichgewicht, Beinschwäche, Unbeweglichkeit, Schmerzen, neurologische Erkrankung) • Spezifische physiotherapeutische Behandlung: – Beinkräftigung – Verbesserung der Beweglichkeit – Behandlung der Schmerzen (Wärme, Kälte, Massage) – Gleichgewichtstraining im Stand, im Gehen, auf verschiedenen Bodenunterlagen, – draussen • Abklären eines Gehhilfsmittels • Ausdauertraining im Gehen • Treppensteigen • Lernen, vom Boden aufzustehen • Hausabklärung: Besuch mit dem Patienten zu Hause, um Sturzfallen auszumerzen und allfällige Handläufe oder Griffe anzubringen Ausblick: Das Spannungsfeld zwischen effizienter, zeitlich begrenzter Rehabilitation und dem durch das Alter bedingten, langsameren Takt wird bestehen bleiben. Dennoch oder gerade des- 15 halb ist die Arbeit mit Menschen, die einen grossen Teil ihres Lebensweges schon hinter sich und daraus ihre individuellen Bewältigungsstrategien entwickelt haben, spannend und befriedigend. / Übergangspflege (ÜP) und Sozialberatung Den alten Menschen zu pflegen und zu begleiten verlangt besondere Geduld und Sorgfalt. Der grösste Teil unserer rehabilitierten Patienten kehrt nach Spitalaustritt in die eigene Wohnung zurück. Aber wir können nicht davon ausgehen, dass dies ohne weiteres möglich ist. Es braucht oft stützende Hilfestellungen in seiner Lebenswelt, um dies zu ermöglichen, wie z.B. Hilfsmittel-Vermittlung oder Verstärkung des sozialen Netzes. Wenn ein Eintritt ins Pflegeheim unumgänglich ist, erfahren alte Menschen dies als drastischen Lebensseinschnitt. Die Begleitung bewegt sich hier auf dem Grat zwischen Führen und Bevormunden und verlangt grosses Einfühlungsvermögen. • In Anbetracht des grossen Erfahrungsschatzes alter Menschen pendeln wir immer wieder zwischen lehren und lernen, zwischen führen und geführt werden. Unser Ziel ist es, den alten Menschen in der Bewältigung seiner aktuellen Lebenssituation zu unterstützen und ihm zur gewünschten und auch realisierbaren Wohnform zu verhelfen. Deshalb gilt es, folgenden Fragen besondere Aufmerksamkeit zu schenken: • Wie hat der alte Mensch bisher gelebt, welche Gewohnheiten prägen ihn, wie ist sein Umfeld? • Welche Biographie steht hinter dem alten Menschen, was freut ihn besonders, was schmerzt ihn? Wie hat er seine bisherigen Lebenskrisen gemeistert? • Wie stark ist sein soziales Netz? Welches sind seine Vertrauenspersonen? Gibt es soziale Konflikte? • Wie kann der alte Mensch unterstützt werden, damit er möglichst selbstständig seine Möglichkeiten und Grenzen ausloten kann? • Wie kann Wissen und Erfahrung verschiedener Dienste wie Pflege, Medizin, Therapie, Logopädie, Seelsorge und Sozialarbeit miteinander verknüpft werden für eine optimale Patientenbegleitung? • Wie soll die Hilfestellung zuhause aussehen und welche Punkte gilt es aus präventiver Sicht besonders zu beachten? Mit der Übergangspflege haben wir ein differenziertes Modell erarbeitet, das diese Aspekte berücksichtigt und die Qualität der Leistungen nachvollziehbar und überprüfbar macht. • Die Planung eines Hilfeprozesses hat zwei Hauptdimensionen: Einerseits ist es wichtig, Ziele zu setzen und die Kräfte koordiniert darauf hin auszurichten, andererseits müssen wir offen sein für Veränderungen, Ziele neu definieren oder loslassen. Das Ganze ist als Prozess zu verstehen. In der folgenden Figur fassen wir diesen Prozess zusammen. Nebst der Begleitung im Rahmen der Übergangspflege bieten wir Sozialberatung an für Patienten, die beispielsweise einen Heimplatz suchen, bei Finanzierungsfragen, bei psychosozialen Problemen, bei der Einrichtung von Beistandschaften usw. • Damit der alte Mensch möglichst autonom bleiben kann, fördern wir seine Selbstständigkeit in allen Bereichen, körperlich, seelisch-geistig, sozial, und wir leisten ergänzende Hilfe dort, wo er darauf angewiesen ist. Zu diesem Zweck arbeiten wir zusammen mit einer Vielzahl von anderen im gerontologischen Bereich tätigen Institutionen (Spitäler, Heime, Beratungsstellen, Ämter, Schulen usw.). 16 17 9. Vorinformation/schriftlicher Spitex-Rapport (PfB) Nachfrage zuhause (SBÜP) 11. Zielsetzung und Handeln anpassen 7. Abklärung zuhause interdisziplinäre Standortbestimmung (RT) Koordination Spitin/Spitex (SBÜP/PfB) 8. 10. Erfahrung vor Ort machen instruieren, vernetzen; Betreuung zu Hause sicherstellen Informationen verbindlich weitergeben PatientenAustritt Evaluation 1. 5. vorläufiges integratives Behandlungsziel festlegen Differenzierung – Sozialanamnese, Ziele und Werte des Patienten erfassen PfB = Pflegebezugsperson SBÜP = Sozialberater/ÜP RT = Rehabilitations-Team (Arzt, Pflege, Therapien, Sozialberatung/ÜP) Th = Therapeuten pflegerisch-soziale Vereinbarungen treffen 4. 3. kompetent handeln 6. Kompetenz fördernde Pflege und soziale Massnahmen (PfB/SBÜP) ÜP-Status (PfB/SBÜP) interdisziplinäre Eintrittsbesprechung (RT) 1. Kontakt mit SBÜP 2. Grund-Informationen einholen und Vertrauensbildung Informationen übernehmen Anamnese (Arzt, PfB) Einweisungszeugnis/Information Angehörige/Spitex (PfB/SBÜP) PatientenEintritt DIE 11 SCHRITTE DER PROZESSHAFTEN PFLEGERISCH-SOZIALEN REHABILITATION IM INTERDISZIPLINÄREN TEAM / Geriatrische Tagesklinik und Memory Clinic Bereits bei der Planung der Geriatrischen Klinik des Bürgerspitals St.Gallen waren sich Fachleute einig, dass neben der stationären Betreuung auch eine Tagesklinik zu verwirklichen sei. Während im Mutterland der Geriatrie, in Grossbritannien, bereits in den 50erJahren die Notwendigkeit der Angliederung von Tageskliniken an Geriatrische Kliniken erkannt wurde, folgte die Eröffnung einer solchen Institution in der Schweiz erstmals 1968 in Basel. Aus baulichen und personellen Gründen musste dann die Verwirklichung dieser Idee bei uns immer wieder verschoben werden. Nicht zuletzt aufgrund eines Berichtes des Regierungsrates betreffend Rehabilitationskonzept für den Kanton St.Gallen von 1994, in dem unter anderem in Bezug auf die teilstationäre geriatrische Rehabilitation der Schaffung einer Geriatrischen Tagesklinik am Bürgerspital St.Gallen erste Priorität eingeräumt wurde, konnte das Projekt verwirklicht werden. Die feierliche Einweihung in Anwesenheit von Landammann und Bürgerratspräsident erfolgte am 31.8.1995. • Durch eine ganzheitliche Rehabilitation streben wir die Wiederherstellung und Erhaltung einer grösstmöglichen Selbstständigkeit an. Die teilstationäre Form der Rehabilitation trägt zu einer besseren Lebensqualität in der Umgebung zuhause bei, sie vermeidet oder verkürzt stationäre Spitalaufenthalte. Durch medizinische Betreuung, aktivierende und reaktivierende Pflege sowie durch gezielte therapeutische Massnahmen wie Physiotherapie, Ergotherapie, Aktivierungstherapie und Logopädie können die Patienten in den Aktivitäten des täglichen Lebens gefördert werden. Zusätzlich bieten wir ihnen Tagesstruktur und Beratung an. Die Geriatrische Tagesklinik steht vorwiegend älteren Patientinnen und Patienten tagsüber am Montag, Mittwoch, Donnerstag und Freitag offen, der Besuch ist ein- bis dreimal pro Woche möglich, die Behandlungsdauer ist zeitlich beschränkt. Die Mehrheit unserer Patienten leidet an den Folgen eines Schlaganfalls, daneben betreuen wir zahlreiche Kranke mit Parkinsonkrankheit, multipler Sklerose, rheumatologischen und weiteren Erkrankungen, für die unser medizinisches und therapeutisches Angebot sinnvoll ist. Auch psychisch Kranke, beispielweise mit Depressionen, profitieren von unsern Therapien und der Tagesstrukturierung. • Seit Anbeginn unserer Tätigkeit hatten wir im Angebot der Geriatrischen Tagesklinik auch medizinische Abklärung und konsiliarische Beratung für Hausärztinnen und Hausärzte. Rasch zeigte sich, dass eine grosse Nachfrage nach Abklärung von Patienten mit Hirnleistungsschwächen (Demenzen) bestand. Nach entsprechender Weiterbildung aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Tagesklinik führen wir jetzt seit 1996 regelmässig Demenzabklärungen durch. Die Umbenennung in Geriatrische Tagesklinik und Memory Clinic drängte sich auf, da letzterer Name sich in Fachkreisen für entsprechende Abklärungsstellen durchgesetzt hatte. Häufigste Diagnose ist die Alzheimerkrankheit. Die Nachfrage nach dieser Dienstleistung ist ungebrochen gross. Ganz besonders geschätzt werden die ausführlichen Beratungsgespräche mit den Betreuern und Patienten zum Abschluss der Untersuchungen. Jährliche Treffen mit Mitarbeitern anderer Memory-Kliniken der Schweiz, Deutschlands und Österreichs erlauben uns, unsere Fachkompetenz stetig zu steigern. • Geriatrische Tagesklinik und Memory Clinic als Ergänzung und Bindeglied zwischen stationärem und ambulantem Rehabilitationsangebot entspricht offensichtlich einem grossen Bedürfnis. 18 / A-Klinik für Geriatrie in der Region Ostschweiz Neben lokalen, regionalen und kantonalen Aufgaben hat unser Kompetenzzentrum Bedeutung für die ganze Ostschweiz. Auf den 1. Januar 2000 hat der Zentralvorstand der Verbindung der Schweizer Ärztinnen und Ärzte das Weiterbildungsprogramm für den Erwerb des Schwerpunktes Geriatrie in Kraft gesetzt. Der «Schwerpunkt Geriatrie» kann zum Facharzttitel FMH für Innere Medizin wie auch zum Facharzttitel FMH für Allgemeine Medizin erworben werden. Dauer, Gliederung und Inhalt des Weiterbildungsprogrammes sind in der Schweizerischen Ärztezeitung (2000; 81: Suppl 4a) publiziert worden, ebenfalls die Kriterien für die Einteilung der Weiterbildungsstätten in Geriatrie. Mindestens ein Jahr der geriatriespezifischen Weiterbildung muss in einer Institution der Kategorie A erfolgen. • Das Kompetenzzentrum Bürgerspital St.Gallen erfüllt mit seiner einleitend erwähnten Arbeitsweise und seinen oben dargestellten Angeboten alle Kriterien einer Geriatrischen Klinik der Kategorie A. Im Herbst 2000 haben wir als einzige Geriatrische Klinik der Ostschweiz und als eine von sieben geriatrischen Institutionen der Schweiz die entsprechende Anerkennung erhalten, worauf wir sehr stolz sind. • Die Funktion als Kompetenzzentrum für Geriatrie und Rehabilitation zeigt sich auch in der engen Zusammenarbeit mit verwandten Institutionen wie Pro Senectute, weiteren Spitexpartnern und der Alzheimervereinigung, an der Beteiligung von unseren Mitarbeitern als Dozenten, an verschiedenen Fachschulen sowie an nationalen und internationalen fachlichen und wissenschaftlichen Kontakten (Jahresberichte Bürgerspital). Der Chefarzt hat einen Lehrauftrag für biopsychosoziale Medizin an der Universität Bern, das Bürgerspital ist Lehrkrankenhaus in Innerer Medizin, Geriatrie, physikalischer Medizin und Rehabilitation. Der Leitende Arzt ist Präsident der Schweizerischen Gesellschaft für Gerontologie, Mitglied zweier Kommissionen in der Schweizerischen Fachgesellschaft für Geriatrie und an Aufbau und Durchführung des nationalen Weiterbildungsprogramms in Geriatrie und Rehabilitation für praktizierende Ärzte wesentlich beteiligt. • Das ärztliche Kader hat eine rege Vortragstätigkeit im In- und Ausland zu geriatrischen und biopsychosozialen Themen. Neben dem bisherigen Forschungsschwerpunkt des Chefarztes «Lebensqualität bei Krebskranken» sind Forschungsprojekte auf den Gebieten Schlafstörungen bei alten Menschen und Patientenzufriedenheit in der Geriatrie im Gange. • Die Eröffnung des Tagesheimes im Frühjahr 2001 ist ein weiterer Meilenstein in unserer Entwicklung. Die Förderung der Qualität unserer Arbeit wird eine Daueraufgabe bleiben. Auf gesamtschweizerischer Ebene werden wir gefordert sein durch ein noch grösseres Engagement in verschiedenen Fachkommissionen wie auch durch eine vermehrte Zusammenarbeit mit andern geriatrischen Zentren, vor allem im Bereiche der Fort- und Weiterbildung wie auch im Bereiche der Forschung. 19 Aus dem zeichnerischen Nachlass von Karl Hauser (1917–2003); «Das andere Museum», Bürgerspital 20 21 Aus dem zeichnerischen Nachlass von Karl Hauser (1917–2003); «Das andere Museum», Bürgerspital 22 23 / Tagesheim am Bürgerspital Im Pflegeheim Bürgerspital St.Gallen wird auf einer Station seit 2001 ein Tagesheim für drei Betagte geführt. Einleitung Die Idee eines Tagesheimes in der Stadt St.Gallen ist schon seit längerer Zeit vorhanden. Gemäss Abklärungen (siehe schriftliche Befragung 1996 Altersleitbild Kanton, Bericht Betreuungs- und Wohnformen für Betagte, St.Gallen) liegt ein Bedarf von 30 bis 40 Tagesheimplätzen zur Entlastung der Angehörigen vor. Grundsätzlich können pflegebedürftige Betagte mit der Inanspruchnahme eines Tagesheimes länger zu Hause betreut werden. Für das betreuende Umfeld werden so ein bis zwei Freitage pro Woche möglich und planbar. Dies ist eine grosse Entlastung und ein Pflegeheimeintritt kann hinausgezögert werden. Personen, die das Tagesheim in Anspruch nehmen, erhalten einen Einblick in den Heimalltag. Deshalb fällt ihnen längerfristig ein Eintritt ins Pflegeheim weniger schwer. Das Tagesheim wird von einer diplomierten Krankenschwester geleitet. Das Hauptgewicht liegt bei pflegerischen Massnahmen, Betreuung und Aktivierung. Bewohner Alle pflegebedürftigen Personen sowie Betagte mit Demenz können die Dienste des Tagesheimes beanspruchen. Personen, die eine vom Arzt verordnete Rehabilitation benötigen, werden der Tagesklinik Geriatrie zugewiesen. In der Regel sollten die Benützer des Tagesheimes über 62 Jahre alt sein. Jüngere Patienten, z.B. mit einer Demenz, werden nach genauerer Abklärung auch aufgenommen. Aus der Stadt St.Gallen und den Vertragsgemeinden können alle Betagten das Tagesheim in Anspruch nehmen. Benützer aus übrigen Gemeinden werden gegen einen kleinen Aufpreis ebenfalls aufgenommen. Tagesstruktur In einer ersten Phase führen wir das Tagesheim an drei Tagen pro Woche: Dienstag, Mittwoch und Freitag. Unsere Gäste betreuen wir von 8.30 bis 17.30 Uhr. Die Angehörigen planen und organisieren den Transport ins Tagesheim selbst. Wir legen besonderen Wert auf die individuelle Pflege und Betreuung, damit sich die Tagesheim-Gäste bei uns wohl fühlen. Bei der Gruppenzusammensetzung berücksichtigen wir die Wünsche und Bedürfnisse der Gäste und Angehörigen. Um diese Anliegen besser erfassen zu können, machen wir vor dem Eintritt einen Hausbesuch. Die medizinische Betreuung bleibt in den Händen des Hausarztes. In Notfällen kann der Dienstarzt der Geriatrischen Klinik beigezogen werden. Leistungsangebot Tagesheim Wir bieten pflegerische Massnahmen an. Dies sind z.B. Baden oder Duschen, Verbandswechsel und Verabreichen von Medikamenten. Coiffeur und spezielle Pediküre werden gegen Verrechung im Hause angeboten. Selbstverständlich bekommen unsere Gäste einen Znüni, Mittagessen und Zvieri. Diät- und Spezialmenüs werden nach Bedarf angeboten. Jedem Gast steht ein Liegeplatz zur Verfügung, damit er sich nach seinen Gewohnheiten ausruhen kann. Bei der Tagesgestaltung nimmt die Aktivierungstherapie einen hohen Stellenwert ein. Dabei werden Wünsche der Gäste erfasst und berücksichtigt, z.B. Spielen, Spazieren im Park, Basteln, kleinere Ausflüge usw. Auch ein Besuch in unserer Cafeteria ist jederzeit möglich. Im Gespräch beim Hausbesuch können wir Wünsche und Anliegen der Angehörigen erfassen und bei der Planung mitberücksichtigen. Die Mitarbeiter vom Tagesheim und der Sozialdienst stehen für Einzelgespräche zur Verfügung. 24 Angehörigen-Gedankenaustausch Die Verantwortlichen des Tagesheims treffen sich zwei- bis dreimal pro Jahr für einen Gedankenaustausch mit den Angehörigen. Dieser Gedankenaustausch hilft, schwierige Situationen besser zu verstehen oder Tipps im Umgang mit den Betroffenen auszutauschen. / Wechselwirkungen innerhalb des Kompetenzzentrums Das Bürgerspital St.Gallen war immer eine Mehrzweckinstitution, d.h. unter «einem Dach» sind verschieden ausgerichtete Betriebe, vornehmlich für Betagte, geführt worden. Dies ist auch heute noch der Fall. Aus der Sicht unserer Kunden, Patienten, Bewohner des Pflegeheimes, Pensionäre und Mieter der Alterswohnungen ergeben sich dadurch wesentliche Vorteile. In Notfällen kann für Pensionäre rasch kompetente ärztliche Hilfe durch unsere Geriater geleistet werden. Bewohner des Pflegeheimes werden durch die Ärzte der Geriatrischen Klinik betreut. Für Patienten, die aus verschiedensten Gründen nicht mehr nach Hause zurückkehren können oder wollen, wird auf Wunsch für eine Wohngelegenheit im eigenen Alters- oder Pflegeheim gesorgt. Unsere Kunden profitieren nicht nur von der Fachkompetenz der Ärzte, das Pflegepersonal ist auf geriatrische rehabilitative Pflege spezialisiert. Regelmässig angebotene zentrale Fort- und Weiterbildungen unter Beizug der Spezialisten der Geriatrischen Klinik gewährleisten einen hohen Ausbildungsstand in der Alterspflege. Unser Psychologe der Geriatrischen Klinik steht bei Bedarf für Bewohner und Mitarbeiter des Pflege- und des Altersheimes zur Verfügung. Hilfe bei persönlichen, finanziellen oder anderen Problemen leisten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Sozialdienstes. Unsere katholischen und evangelischen Seelsorger betreuen unsere Kunden auch bei einem Wechsel von einer Institution in die andere. • Im kulturellen Bereich stehen die durch die einzelnen Betriebe organisierten Anlässe allen Kunden des Bürgerspitals offen. Die beiden Cafeterias mit Terrassen im Neu- und im Altbau ermöglichen wertvolle soziale Kontakte unserer Kunden mit Angehörigen, Besuchern und Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Das Schwimmbad in der Geriatrischen Klinik steht auch den Pensionären und Mietern der Alterswohnungen zur Verfügung. Um die grosszügig gestalteten Parkanlagen werden wir beneidet, sie stehen allen Kunden zur Verfügung und werden als Erholungszone ausserordentlich geschätzt. • Es darf festgehalten werden, dass durch die gemeinsame Führung unserer Altersinstitutionen unseren Kunden einzigartige Möglichkeiten angeboten werden können. / Ausbildung Die Ausbildung junger Menschen in verschiedenen Berufen stellt eine grosse fachliche und zeitliche Herausforderung an uns dar, ist gleichzeitig aber auch eine echte Bereicherung und trägt nicht unwesentlich zur Qualitätsförderung bei. / Ärzte Auf die neue Möglichkeit der Ausbildung von Assistenzärztinnen und Assistenzärzten an unserer Geriatrischen Klinik zu Fachärzten mit dem Schwerpunkt Geriatrie ist bereits hingewiesen worden. Die bisherige Anerkennung eines Ausbildungsjahres bei uns zur Erlangung anderer Facharzttitel besteht weiterhin. Zusätzlich sind wir auch Ausbildungsstätte für Unterassistentinnen und Unterassistenten aller medizinischen Fakultäten der schweizerischen Universitäten und einiger deutscher Universitäten. 25 / Therapiepersonal Seit Eröffnung der Geriatrischen Klinik 1980 sind wir Praktikumsort und seit kurzem auch Prüfungsort der Physiotherapieschule Schaffhausen. Die Schülerinnen und Schüler dieser Schule bringen bereits ein sehr gutes Rüstzeug ins Praktikum mit und nicht wenige sind später als Diplomierte an unsere Klinik zurückgekehrt. • Seit gut 10 Jahren betreuen wir auch Schülerinnen und Schüler der beiden Ergotherapieschulen der Schweiz sowie angehende Logopädinnen und Logopäden der interkantonalen Hochschule für Heilpädagogik Zürich (HfH), wobei für sie das unter Physiotherapie Gesagte (S. 15) ebenfalls gilt. / Pflegepersonal Das Zentrum für Geriatrie und Rehabilitation ist Ausbildungsort der Schulen für Gesundheits- und Krankenpflege am Kantonsspital St.Gallen sowie des Berufs- und Weiterbildungszentrums für Gesundheitsberufe St.Gallen. Im Zentrum der Ausbildung steht der alte Mensch in verschiedenen Lebenssituationen. • Jährlich bilden wir durchschnittlich 12 bis 14 Schülerinnen und Schüler in den Bereichen Geriatrie und Pflegeheim zur Pflegefachfrau, zum Pflegefachmann im Diplom Niveau I und II aus. Die Ausbildung in Gesundheits- und Krankenpflege Diplom Niveau I befähigt, Pflegesituationen mit voraussehbarem Verlauf menschlich und fachlich kompetent zu bewältigen. Im Mittelpunkt steht der betroffene Mensch mit seinem Umfeld. Die erworbenen Kompetenzen sind direkt anwendbar und übertragbar. Das Diplom Niveau II gewährleistet die Pflege in Pflegesituationen mit raschen Veränderungen und in Pflegesituationen, in denen verschiedene Einflussfaktoren so aufeinander wirken, dass die Entwicklung neuer Lösungswege erforderlich wird. • Mit der Inkraftsetzung des neuen Berufsbildungsgesetzes im Januar 2004 stehen auch die Ausbildungen im Gesundheitswesen vor einem grossen Umbruch. Die Ausbildungen in Gesundheits-und Krankenpflege Diplom Niveau I werden im Herbst 2003 und diejenigen, die zum Diplomniveau II führen, im Frühjahr 2005 zum letzten Mal im Kanton St.Gallen angeboten. Ersetzt werden diese Ausbildungen durch die Lehre «Fachangestellte Gesundheit» ab Sommer 2003, die Höhere Fachschule ab Herbst 2004 und dem noch zu planenden Lehrgang auf Ebene Fachhochschule. • Ab Sommer 2003 bieten wir jährlich ca. 4 Lehrstellen für die 3-jährige Ausbildung zur Fachangestellten Gesundheit (FAG) an. • Ebenso engagieren wir uns in der Ausbildung von Absolventinnen der Höheren Fachschule. • Inwieweit wir die Ausbildung von Fachhochschulabsolventinnen unterstützen können, muss noch geklärt werden. / Sozialarbeit Im Rahmen der erfolgreichen Umsetzung des Konzeptes Übergangspflege Bürgerspital haben viele Hospitier-Kontakte mit Vertretern anderer Spitäler und Heime stattgefunden, in denen unsere Klinik Modell stand für ähnliche Projekte. • In den letzten Jahren sind wir zu einem begehrten Praktikums-Ort geworden für Absolventinnen und Absolventen der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Soziale Arbeit, Bereich Soziale Arbeit in Rorschach. Unsere diesbezüglichen besonderen Stärken liegen in folgenden Bereichen: Es liegt ein differenziertes Arbeitskonzept vor (Handbuch Übergangspflege/Sozialberatung, analog Case Management). Schwerpunkt ist die Beratungs- und Vernetzungstätigkeit, interdisziplinäre Kooperation wird umgesetzt. Lernende haben ein klar definiertes Arbeitsfeld mit vielen Anwendungsmöglichkeiten und können dabei eine relativ hohe Kompetenz in Beratung, Gesprächsführung und selbstständiger Arbeitsgestaltung erwerben. Der Betrieb seinerseits gewinnt ebenso: Im Rahmen des Anleitungs- und Lernprozesses wird unsere Arbeit immer wieder reflektiert und hinterfragt – ein kräftiger Anstoss zur Qualitätssicherung und -entwicklung. Auch haben unsere Praktikanten und Praktikantinnen schon mehrere Projekte realisiert, die ohne diese nicht möglich gewesen wären. 26 / Qualitätsmanagement Qualitätsmanagement heisst, systematisch die Unterschiede zwischen angestrebtem (Soll) und tatsächlich erreichten Standards und Leistungsresultaten (Ist) aufzuzeigen, die Ursachen dafür zu analysieren und Verbesserungen einzuleiten. Qualitätsmanagement ist aus drei Hauptgründen in den Spitälern und Heimen ins Blickfeld gerückt: • Die Professionalität in den Gesundheitsberufen setzt eine Qualitätssteigerung durch Selbstreflexion, Bildung und Konzeptarbeit voraus (Eigeninteresse an der Qualität des Spitals). • Die Wirtschaftslage und der Spardruck bewirken, dass in den Spitälern vermehrte Auseinandersetzung mit den Themen Wirtschaftlichkeit und Konkurrenz stattfinden muss. • Das Krankenversicherungsgesetz schreibt Spitälern und Pflegeinstitutionen vor, dass Qualität dokumentiert und nachgewiesen werden muss. Aus den oben genannten Gründen formierte sich Anfang 1997 auf Antrag der Spitalleitung eine Qualitätskommission. Für die Entscheidung, welche Themen zu Beginn in grösseren Qualitätsprojekten bearbeitet werden sollen, wurden Patienten- und Mitarbeiterumfragen durchgeführt. Aus den verschiedenen Befragungen heraus sind Arbeitsgruppen zu bestimmten Themen entstanden, so z.B. die «Arbeitsgruppe Rehabilitation», die den Rehabilitationsverlauf unter die Lupe nahm und unter anderem den interdisziplinären Rehabilitationsrapport deutlich verbessert hat. Im weiteren Verlauf der Qualitätsarbeit wurde die sogenannte Prozessqualität optimiert: zunächst durch Abbilden von verschiedenen Prozessen (z.B. Personalprozess, Hotellerie, Managementprozess) mit nachfolgender Bearbeitung von Schwachstellen oder Problemzonen durch die jeweiligen Prozessteams. Das anschliessend durchgeführte Controlling garantiert das Beibehalten der geschaffenen Standards. • Im Jahr 2003 erfolgte der Beschluss der Spitalleitung, dass das Bürgerspital eine SanaCERT-Suisse-Zertifizierung anstrebt. Damit stellen wir uns der Herausforderung, durch Arbeiten mit verschiedenen Standards (z.B. Spitalhygiene, Erhebung von Patientenurteilen usw.) dem Vergleich mit anderen Spitälern standhalten zu können. Zertifizierung bedeutet, dass eine externe Instanz überprüft, ob die qualitätssichernden Massnahmen eines Spitals mit den zuvor vereinbarten Standards übereinstimmen. Der gesamte Prozess bis zur eigentlichen Zertifizierung wird ca. 5 Jahre dauern. • Zum einen werden im Bürgerspital St.Gallen im Rahmen des Qualitätsmanagements allgemeine Themen wie Prozessnetzwerk, Organisationsentwicklung und Standards bearbeitet und zum anderen befassen wir uns mit Themen, die speziell die Altersmedizin und -pflege betreffen. Ein solches Thema ist die Diskussion um die Sterbehilfe und Beihilfe zum Suizid in Pflege- und Altersheimen. Wird der Ruf nach «Leidensverkürzung im Alter» zunehmend laut, gilt es Richtlinien im Umgang mit diesem Thema zu erarbeiten. Die Voraussetzung für einen lebenswerten Lebensabend ist unter anderem eine kompetente Betreuung des Patienten und Heimbewohners. Gerade die Begleitung «auf dem letzten Weg» ist ein Teil der Geriatrie und bedarf besonderer Beachtung. • Das Bürgerspital St.Gallen ist Mitglied des Qualitätsmanagement-Rahmenvertrages «H+ Die Spitäler der Schweiz» und als Vertragspartner verpflichtet, eine verbindliche Messung der Patientenzufriedenheit mittels standardisierten Erhebungsinstrumenten durchzuführen. Die Patienten der Geriatrie sind keinesfalls mit denen eines Akutspitals vergleichbar. Es müssen spezielle Erhebungsinstrumente für die geriatrischen Patienten vor Beginn der Befragung zur Verfügung stehen. Es gilt unter anderem zu beachten, dass die Patienten in der Geriatrie zum Teil schlecht sehen, beim Schreiben zittern, häufig an Gedächtnisstörungen leiden und vieles 27 mehr. Eine Expertengruppe erarbeitete mit unserer Beteiligung ein geeignetes Instrument zur Patientenbefragung in der Geriatrie. Diese geriatriespezifische Patientenbefragung läuft seit 2003 als Pilot unter anderem auch im Bürgerspital St.Gallen. • Nicht einfach gestaltet sich oft die Gratwanderung zwischen dem Zeitaufwand für die Projekt- und Qualitätsarbeit und der Patientenbetreuung, dem eigentlichen Kerngeschäft. Ziel muss es sein, die in den verschiedenen Projektgruppen definierten Vorgehensweisen in die tägliche Arbeit einzubauen. Der auf diese Weise induzierte Feedback-Mechanismus ermöglicht eine ständige Verbesserung und kontinuierliche Annäherung an die gesteckten Qualitätsziele. / Wirtschaftliche Überlegungen Nach Art. 6 Abs. 1 lit a der Gemeindeordnung führt die Ortsbürgergemeinde als Betrieb das Bürgerspital mit Geriatrischer Klinik, Pflegeheim und Altersheim. Die Zusammenfassung dieser drei im Altersbereich tätigen Institutionen ist nicht nur auf historische Gründe zurückzuführen, sondern bezweckt eindeutig auch Synergien d.h. Kostenersparnisse. Der Bürgerrat hat letztmals 1993 den Auftrag an das Bürgerspital formuliert. Er lautet: «Das Bürgerspital der Ortsbürgergemeinde St.Gallen • erbringt im Rahmen seiner Kapazitäten Leistungen auf geriatrisch-medizinischem und pflegerischem Gebiet sowie in der Altersbetreuung zugunsten der Bevölkerung in Stadt, Region und Kanton St.Gallen; • beachtet bei allen Bestrebungen das Primat des Wohls von Patienten, Bewohnern des Pflegeheimes und Pensionären; • arbeitet selbstständig nach Massgabe der behördlich geschaffenen Rahmenbedingungen und nach unternehmerischen Grundsätzen, sofern diese dem Wohle von Patienten, Bewohnern des Pflegeheimes und Pensionären nicht zuwiderlaufen; • plant und realisiert den optimalen Einsatz von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Rahmen der kantonalen Vorschriften sowie deren Weiterbildung und entwickelt innovative Bestrebungen im Sinn einer Optimierung der Leistungen.» Die Zusammenfassung von Geriatrischer Klinik, Pflegeheim und Altersheim ermöglicht vielfache Synergien mit entsprechenden Kosteneinsparungen. Im Vordergrund stehen dabei: • zentrale Verwaltung (Buchhaltung, Patientenadministration, Versicherungen, Personalwesen, Auskunft und Telefonzentrale) • Technischer Dienst (Hauswerker inkl. Gärtner für die Betreuung und Pflege der Anlagen und Geräte) • zentrale Informatiklösung • zentraler Einkauf • Wäscherei • Cafeterias im Neu- und im Altbau • Schwimmbad Weitere Stichworte für Synergien sind Qualitätsmanagement, zentrale Fort- und Weiterbildung, Hygiene, aber auch die Inanspruchnahme der Fachspezialisten der Geriatrischen Klinik für Bewohner des Pflege- und des Altersheimes. • Dank der unterirdischen Verbindung zum Kantonsspital können medizinische und medizintechnische Leistungen kostengünstig eingekauft und auf teure Infrastrukturanlagen verzichtet werden (z.B. spezialisierte Radiologieuntersuchungen, aufwändige Labortests, Konsilien). Eine eigene Notfallaufnahmestelle im 24-Stunden-Betrieb ist nicht erforderlich. • Diese Synergien gilt es im Sinn einer Optimierung der Kosten weiterhin zu nutzen. Zu prüfen ist, ob das nahe 28 gelegene, im Besitz der Ortsbürgergemeinde stehende Altersheim Singenberg in Zukunft auch von den Synergien des Bürgerspitals profitieren solle. Zu diesem Zweck wäre es vorteilhaft, wenn dieser Betrieb dem Bürgerspital unterstellt würde, wobei der Charakter des Hauses belassen und der Heimleitung entsprechende Kompetenzen weiterhin zugestanden würden. • Sorge bereitet die finanzielle Entwicklung der Geriatrischen Klinik aufgrund der Vorgaben von Bund (Krankenversicherungsgesetz) und Kanton. Der Globalkreditanteil der Ortsbürgergemeinde steigt zunehmend. Aus diesem Grund sind seitens des Bürgerrates St.Gallen mit dem Gesundheitsdepartement Verhandlungen aufgenommen worden mit dem Ziel einer finanziellen Entlastung der Gemeinde. / Kulturzentrum von und für alte Menschen: «Das andere Museum» Die schöpferische Auseinandersetzung mit dem Leben findet tagtäglich statt. Alte Menschen haben sich während ihrer grossen Lebensspanne viele Erfahrungsschätze angeeignet. Sie haben sich gestaltend, malend oder schreibend mit dem Leben auseinandergesetzt. Das Kulturzentrum schafft Raum für die Kreativität alter Menschen. Wir stellen ihre Kunstgegenstände aus, wir organisieren Lesungen aus ihren unveröffentlichten Manuskripten, wir schaffen Begegnungen für ihre Geschichten und Erzählungen. Die Kunstgegenstände sammeln wir und vereinen sie zu einer Wanderausstellung, die Geschichten verweben wir zu einem Geschichtenteppich, der die Vielfalt menschlicher Erfahrungen aufzeigt. Es ist uns ein Anliegen, dass der alte Mensch auch von seiner schöpferischen Seite her wahrgenommen wird. Einige Beispiele: Eine alte Frau betreute in den Jahren 1933 –1935 deutsche Emigranten. Sie verliebte sich in einen antifaschistischen Künstler und flüchtete mit ihm nach Argentinien. Ihre Liebesbriefe aus jener Zeit, welche die hohe Schreibkultur von damals dokumentieren, stellten wir im Foyer der Geriatrischen Klinik aus. • Ein alter Mann steht jeden Morgen um fünf Uhr auf, malt die Farben des Morgens, bis ein Gedicht ihn inspiriert. Seine Malgedichte haben wir schon an verschiedenen Orten ausgestellt, auch in unserer Cafeteria. • Eine alte Frau hatte ihre Mutter gepflegt, dann ihre Stiefschwester. Weil sie nur selten in die Ferien fahren konnte, leistete sie sich dafür immer wieder einen neuen Hut. Es ist eine stolze Sammlung von 144 Hüten entstanden. Einige davon stellten wir im Schaufenster der Ersparnisanstalt der Stadt St.Gallen aus. Das Kulturzentrum von und für alte Menschen ist kein bestimmter Ort, kein bestimmtes Programm, sondern es greift die schöpferischen Fähigkeiten alter Menschen auf, gibt Impulse und belebt die Alltagsräume mit Kunstgegenständen aus der Tiefe menschlicher Erfahrungen. Es ist eben ein anderes Museum! Paul Hoppe, geboren 1925 Paul Hoppe arbeitete in einem Büro. Seit seiner Pensionierung steht er frühmorgens auf und lässt sich von Farben und Worten inspirieren. So entstehen seine Malgedichte. Ausstellung im «anderen Museum». 29 / Zukunft Dass der Anteil an alten und sehr alten Menschen in der Bevölkerung in den nächsten Jahrzehnten zunehmen wird, ist unbestritten. Der Bericht der Konferenz für Alters- und Betagtenfragen in der Stadt St.Gallen, Planung 2005, geht von einer Zunahme der mindestens 80-Jährigen um 12,3% bis zum Jahr 2010 aus. Das Durchschnittsalter der Patientinnen und Patienten der Geriatrischen Klinik ist 85 Jahre. Wir sind also genau in diesem Bereich tätig. Die wesentlichen Symptomekomplexe dieses Alterssegmentes sind Instabilität (Sturzgefahr), Immobilität (Einschränkung des Bewegungsradius), Intelligenzabbau (Demenz, z.B. Alzheimerkrankheit) und Inkontinenz (unwillkürlicher Abgang von Urin und Stuhl). Das kann aber nicht heissen, dass unser Kompetenzzentrum linear mit der Zunahme der Alterspopulation mitwachsen soll. Alte und sehr alte Menschen werden in vielen verschiedenen medizinischen Einrichtungen versorgt. Unsere Hauptaufgabe als Kompetenzzentrum sehen wir darin, unser geriatrisches Know-how weiter zu entwickeln und nach innen wie nach aussen weiterzugeben; bezüglich der speziellen medizinischen Probleme im Alter; bezüglich der Integration und Gewichtung von körperlichen, psychischen und sozialen Faktoren für das geriatrische Assessment; bezüglich der Ermessensfragen in der Diagnose und Behandlung älterer Menschen; bezüglich spezieller Kommunikationsfähigkeiten und -fertigkeiten im Umgang mit alten Menschen; bezüglich Zusammenarbeit im interdisziplinären Rehabilitationsteam; bezüglich Begleitung und Betreuung in Palliativsituationen und schliesslich bezüglich dem schwierigen Umgang mit alten dementen Menschen. • Als Experten für Altersmedizin verstehen wir uns auch als Anwälte alter Menschen und werden uns weiterhin für den einzelnen alten Menschen und in der Gesellschaft für die Anliegen alter Menschen einsetzen. • Ein Bereich, in dem wir bisher nur wenig tätig waren, ist die geriatrische Prävention. In nationalen und internationalen stichhaltigen Untersuchungen wurde eindeutig festgestellt, dass ein geriatrisches Assessment, d.h. eine geriatrische Bestandesaufnahme im körperlichen, psychischen und sozialen Bereich, bei noch selbstständigen, sehr alten Menschen zu einer Verzögerung des Heimeintrittes von durchschnittlich einem Jahr und zur Vermeidung von Spitalaufenthalten führt. • Nach Krankenversicherungsgesetz werden neu auch präventive Leistungen von den Krankenkassen übernommen. Langfristig ist ein Engagement unseres Kompetenzzentrums für Altersmedizin in diesem Bereich notwendig und wahrscheinlich auch realisierbar. / Dank Unser ganz herzlicher Dank gilt allen unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die sich jahraus, jahrein für unsere alten Menschen einsetzen und kreativ an der Weiterentwicklung unseres Kompetenzzentrums beteiligt sind. Ganz speziell danken wir allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die neben ihrer Alltagsarbeit zur Entstehung dieses Heftes beigetragen haben. Schliesslich danken wir der Ortsbürgergemeinde und dem Kanton St.Gallen, die unser Kompetenzzentrum finanziell und ideell unterstützen. 30