brennpunkt arznei - Kassenärztliche Vereinigung Hamburg
Transcription
brennpunkt arznei - Kassenärztliche Vereinigung Hamburg
BRENNPUNKT ARZNEI Jhrg. 13, Nr. 4 – Dezember 2008 Pharmakotherapie Rationale und rationelle Pharmakotherapie in der Praxis Womit hemme ich am besten die Thrombozyten meiner Patienten? Wie wichtig es ist, die Thrombozytenaggregation bei gefährdeten Patienten zu hemmen, muss hier nicht mehr erklärt werden. Aber womit erreicht man dieses Ziel am besten und sichersten? Dazu gibt es auf der einen Seite immer wieder neue Erkenntnisse und auf der anderen Seite immer neue Versuche der Industrie, die Ärzte mit fadenscheinigen Argumenten zur Verordnung teurer Produkte zu bewegen – wie beispielsweise beim Clopidogrel. Wir haben das Thema in diesem Heft in mehreren Beiträgen aus unterschiedlichen Blickwinkeln beleuchtet und analysiert, ob und wann teuere Präparate sinnvoll sind und wann das gute, alte, preiswerte und hochwirksame ASS völlig ausreicht: PRoFESS-Studie: Das Aus für Aggrenox®? Seite 11 Clopidogrel-Generika ebenso gut wie Originale Seite 13 Thrombozytenhemmung nach Infarkt und Insult Seite 16 92 Studien beweisen es: Alle ACE-Hemmer wirken gleich gut! In der Werbung und beim Arztbesuch behaupten Pharmavertreter oft, dass gerade ihr (teurer) ACE-Hemmer der beste von allen ist. Ein neuer CochraneReview straft solche Marketing-Strategien Lügen: Alle ACE-Hemmer senken den Blutdruck gleich gut. Trotzdem kann man die Unterschiede zwischen den Substanzen zur therapeutischen Entscheidung heranziehen, meint unser Autor: Er verordnet einen möglichst preiswerten ACE-Hemmer, den der Patient nur einmal am Tag einnehmen muss. Genauso kann man auch bei den AT1-Antagonisten vorgehen, denn sie senken den Blutdruck ebenfalls alle gleich gut. Seite 21 Tabakentwöhnung bei COPD Rauchen steigert nicht nur das Risiko für Herzinfarkt und Bronchialkarzinom, es steht auch außer Zweifel, dass es der wichtigste Risikofaktor für die COPD ist – auch das Passivrauchen! Wer einen Raucher von seiner Sucht befreit, vollbringt damit gleich zwei gute Taten: Eine für den Raucher, eine für seine Umgebung. Doch das ist fast immer ein sinnloses Unterfangen, werden viele Kollegen einwenden. Keineswegs: Wer seine Raucher strukturiert motiviert und das Thema immer wieder anspricht, kann am Ende noch so manchen Erfolg verbuchen. Seite 4 Von Abdominalkolik bis Zoster So werden Schmerzen heute behandelt Den zweiten Teil der hausärztlichen Schmerzleitlinie finden Sie ab Herausgeber: Kassenärztliche Vereinigung Hessen Seite 29 Seite 2 KVH • aktuell Nr. 4 / 2008 Ein Blockbuster wird generikafähig Editorial Von Dr. med. Wolfgang LangHeinrich Eine neue Möglichkeit, wirtschaftlich zu verordnen, ist der Einsatz der neu verfügbaren Clopidogrelgenerika anstelle der Originalpräparate Plavix® und Iscover®. Gleichzeitig ist dies ein Beispiel dafür, wie die Hersteller von Originalpräparaten immer wieder versuchen, den Einsatz von Generika zu behindern. Seit August 2008 sind Clopidogrelgenerika im Handel. Sie enthalten Clopidogrel in einer anderen Salzform als die Originalpräparate. Daher hatten die Originalhersteller die Rechtmäßigkeit der Zulassung bestritten, das Verwaltungsgericht Köln hat am 29.07.2008 aber den sofortigen Vollzug der Zulassung angeordnet. Darüber hinaus verneinen die Originalpräparatehersteller, dass es sich bei den neuen Clopidogrelpräparaten um Generika handeln würde. Die pharmakologische Wirkung von Clopidogrel ist unabhängig von der Salzform. Clopidogrel ist ein Pro Drug. Der aktive Metabolit wird nach Salzabspaltung gebildet. Nur der aktive Metabolit ist für die Thrombozytenaggregationshemmung verantwortlich. Die Salze spielen für die Wirksamkeit keine Rolle. Pharmakologisch ist die Vergleichbarkeit der Nachfolgepräparate gegenüber den Originalen gegeben. Unabhängig von der Zulassung der Nachfolgepräparate handelt es sich um wirkstoffgleiche Generika gegenüber den Originalpräparaten Plavix® und Iscover®. Sie ermöglichen in deckungsgleichen Indikationen eine wirkstoffgleiche, äquivalenzgleiche und preiswertere Verordnung gegenüber den teuren Originalpräparaten. Der Rahmenvertrag über die Arzneimittelversorgung zwischen Kassen und Apotheker, der unter anderem den Ersatz eines unter seinem Produktnamen verordneten Arzneimittels (in diesem Fall Plavix®/Iscover®) durch ein wirkstoffgleiches Arzneimittel durch die Apotheke regelt, beinhaltet, dass verschiedene Salzformen eines Wirkstoffes als ein und derselbe Wirkstoff gelten. Clopidogrelgenerika sind die wirtschaftliche Therapie bei der Clopidogrelmonotherapie, sowie in Kombination mit ASS nach einer Stentimplantation ohne ein vorausgegangenes Ereignis, wobei dies für unbeschichtete und beschichtete Stents gilt. Für diese Indikation haben weder die Originalhersteller, noch die Generikapräparate eine Zulassung, es handelt sich um einen routinemäßig durchgeführten Off-LabelUse, der aber medizinischer Standard ist. Bezüglich dieser Off-label-use-Therapie sind keine Regressanträge oder Prüfanträge bekannt. Für die Kombinationstherapie mit ASS bei akutem Koronarsyndrom ohne ST-Streckenhebung, einschließlich Patienten, bei denen akut ein Stent implantiert wurde, sowie Myokardinfarkt mit ST-Streckenhebung, liegt für die Generikapräparate zurzeit keine Zulassung vor. Bei allem Ärgernis über Politik und Krankenkassen – wie immer viel Spaß beim Lesen von KVH aktuell wünscht Ihnen Ihr Nr. 4 / 2008 KVH • aktuell Seite 3 Editorial 2 Tabakentwöhnung bei COPD S3 Leitlinie, herausgegeben von der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin 4 Die PRoFESS-Studie: Das Aus für Aggrenox®? Dr. med. Günther Egidi 11 Clopidogrel-Generika – ebenso gut wie das Original? 13 Inhaltsverzeichnis Therapie und Prophylaxe von kardiovaskulären Ereignissen und Schlaganfällen 16 Dr. med. Klaus Ehrenthal PPI und Clopidogrel: Eine riskante Kombination für Ihre Patienten! 20 Blutdruck mit ACE-Hemmern und AT1-Blockern senken Alle ACE-Hemmer wirken gleich gut, auch keine Unterschiede bei AT1-Blockern 21 Dr. med. Joachim Feßler Herz-Kreislauf-Risiko durch Blutdrucksenker reduzieren Gibt es für ältere Patienten besonders geeignete Medikamente? Dr. med. Klaus Ehrenthal Blutzucker-Selbstkontrolle beim Typ-2-Diabetiker Dr. med. Klaus Ehrenthal 22 24 Rezept des Monats Gewisse Besserung, aber dennoch ein schwerer Fehler 27 Sicherer verordnen Dr. med. Günter Hopf Betäubungsmittel bei Auslandsreisen 28 Hausärztliche Leitlinie Schmerz Diffuse Schmerzen bei Fieber Schmerzen bei unkomplizierten Traumata Schmerzen bei muskuloskeletalen Erkrankungen Abdominale / viszerale Schmerzen Kopfschmerzen Neuropathische Schmerzen 29 30 30 30 36 36 43 Hausärztliche Leitlinie Palliativmedizin – die Tischversion zum Ausschneiden 47 Impressum Verlag: info.doc Dr. Bernhard Wiedemann und Anne Haschke-Wiedemann GbR, Pfingstbornstr. 38, 65207 Wiesbaden Herausgeber: Kassenärztliche Vereinigung Hessen, Georg-Voigt-Straße 15, 60325 Frankfurt Redaktionsstab: Dr. med. Joachim Feßler (verantw.), Dr. med. Klaus Ehrenthal, Dr. med. Margareta Frank-Doss, Dr. med. Jan Geldmacher, Dr. med. Harald Herholz, Klaus Hollmann, Dr. med. Günter Hopf, Dr. med. Wolfgang LangHeinrich, Dr. med. Alexander Liesenfeld, Renata Naumann , Karl Matthias Roth, Dr. med. Michael Viapiano, Cornelia Wachsen, Dr. med. Jutta Witzke-Groß Fax Redaktion: 069 / 79502 8467 Wissenschaftlicher Beirat: Prof. Dr. med. Ferdinand Gerlach, Institut für Allgemeinmedizin der Universität Frankfurt; Prof. Dr. med. Sebastian Harder, Institut für klinische Pharmakologie der Universität Frankfurt Die von Mitgliedern der Redaktion oder des Beirats gekennzeichneten Berichte und Kommentare sind redaktionseigene Beiträge; darin zum Ausdruck gebrachte Meinungen entsprechen der Auffassung des Herausgebers. Mit anderen als redaktionseignen Signa oder mit Verfassernamen gekennzeichnete Beiträge geben die Auffassung der Verfasser wieder und decken sich nicht zwangsläufig mit der Auffassung des Herausgebers. Sie dienen der umfassenden Meinungsbildung. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in dieser Veröffentlichung berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- oder Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Wie alle anderen Wissenschaften sind Medizin und Pharmazie ständigen Entwicklungen unterworfen. Forschung und klinische Erfahrung erweitern unsere Erkenntnisse, insbesondere, was Behandlung und medikamentöse Therapie anbelangt. Soweit in dieser Broschüre eine Dosierung oder eine Applikation erwähnt wird, darf der Leser zwar darauf vertrauen, dass Autor und Herausgeber große Sorgfalt darauf verwandt haben, dass diese Angaben dem Wissensstand bei Fertigstellung der Broschüre entsprechen. Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vom Herausgeber jedoch keine Gewähr übernommen werden. Jede Dosierung oder Applikation erfolgt auf eigene Gefahr des Benutzers. Seite 4 Für Sie gelesen KVH • aktuell Nr. 4 / 2008 Tabakentwöhnung bei COPD S3 Leitlinie, herausgegeben von der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin Erstellungsprozess Die Leitlinie wurde nach definierten Kriterien auf dem S3 Niveau (dem methodisch anspruchsvollsten und aufwendigsten) erstellt. Die Datenbewertung erfolgte in Anlehnung an das Oxford Centre for Evidence-based Medicine [1] von 1 (Metaanalyse randomisierter Studien oder randomisierte Studie) bis 4 (Fallserien). Die Überleitung in Empfehlungsgrade erfolgt u.a. unter Bezugnahme auf die Einteilung nach dem aktuellen NVL Methoden-Report [2] ( bedeutet starke Empfehlung). In zwei zweitägigen Konsensuskonferenzen wurden die Aussagen und der Text unter Bezug auf die zugrunde liegende Evidenz modifiziert. Zusätzlich wurde das Dokument im Delphi-Verfahren mit allen Autoren kommuniziert und überarbeitet. Epidemiologie des Zigarettenrauchens Schon eine einzige Probezigarette des Kindes verdoppelt die Suchtgefahr Nach den in Deutschland durchgeführten Mikrozensus-Umfragen raucht etwa ein Drittel der Bevölkerung, wobei ca. 50 Prozent der rauchenden Männer und ca. ein Drittel der rauchenden Frauen angaben, mehr als 20 Zigaretten täglich zu rauchen. Das Durchschnittsalter, in dem zum ersten Mal regelmäßig geraucht wurde, wird unverändert zwischen dem 13. und 14. Lebensjahr angegeben. In der Europäischen Union ist Deutschland unter den Ländern mit dem höchsten Tabakkonsum. Die überwältigende Mehrheit der Raucher (80-90 Prozent) will prinzipiell mit dem Rauchen aufhören [3, 4]. Aber lediglich etwa 30 Prozent unternehmen innerhalb eines Zwölfmonatszeitraumes mindestens einen ernsthaften Rauchstopp. Hierbei weisen spontane Aufhörversuche eine höhere Erfolgsquote auf als geplante Rauchstopps [5]. Bei Individuen, die über längere Zeit Nikotin verabreicht bekommen haben, führt ein Entzug von Nikotin zu Entzugssymptomen wie Dysphorie, Schlafstörungen, Depressivität, innere und motorische Unruhe, Angstzustände, Appetitsteigerung, Konzentrationsstörungen u.a. Physiologisch sind Nikotinentzugssymptome assoziiert mit Veränderungen im EEG, den Schlafstadien sowie der Katecholamin- und Cortisolausschüttung. Bereits das Rauchen einer einzigen Zigarette Wenn Raucher ihre Sucht befriedigen, schädigen sie auch andere. Dass Passivrauchen zu einer COPD führen kann, ist inzwischen hochevident. Foto: AOK Nr. 4 / 2008 KVH • aktuell Seite 5 im Alter von 11 Jahren führt auch noch nach drei Jahren zu einer Verdopplung des adjustierten relativen Risikos, einen regelmäßigen Tabakkonsum zu beginnen [6]. Über Tabakrauch aufgenommenes Nikotin besitzt die Eigenschaften einer Droge mit hohem Abhängigkeitspotenzial. (Evidenzgrad 1) Tabakrauchen verursacht eine Vielzahl von Lungenerkrankungen Durch Tabakrauchen wesentlich verursachte oder ungünstig beeinflusste Erkrankungen der Atemwege und der Lunge • COPD: chronische obstruktive Bronchitis, Lungenemphysem • Lungenkarzinom Weitere Erkrankungen der Atemwege und der Lunge Chronisch-entzündliche Erkrankungen der Bronchien • Asthma bronchiale • Alpha-1-Antitrypsin-Mangel Emphysem • Chronische (nicht-obstruktive) Bronchitis Bösartige Neubildungen • Karzinome der Nasennebenhöhlen • Karzinome der Mundhöhle • Kehlkopfkarzinom Infektiöse Erkrankungen • Rhinitis, Sinusitis, Laryngitis • Pneumonie • Influenza Interstitielle Lungenerkrankungen • Pneumokoniosen • Idiopathische Lungenfibrose • Desquamative interstitielle Pneumonie • Respiratorische Bronchiolitis–assoziierte interstitielle Lungenerkrankung Tabakrauchen als Ursache der COPD Die COPD ist augenblicklich weltweit die fünft-häufigste Todesursache mit stark steigender Tendenz. In der EU ist die COPD-Mortalität bei Männern etwa 2 bis 3 mal höher als bei Frauen [7]. Etwa 8 bis13 Prozent der erwachsenen Bevölkerung in Europa und Nordamerika leiden aktuellen Studien mit spirometrischen Messungen zufolge an einer COPD [8, 9]. Über 80 Prozent der COPD-Patienten sind einer aktuellen englischen Untersuchung zufolge nicht diagnostiziert und sind sich ihrer Erkrankung nicht bewusst [9]. Tabakrauch ist mit einem relativen Risiko von 13 der wesentliche Risikofaktor für die COPD [8, 10]. Bis zu 50 Prozent der älteren Raucher entwickeln eine COPD [11]. 80 bis 90 Prozent der COPD-Morbidität werden durch das Tabakrauchen verursacht. Die COPD führt nicht nur zu Veränderungen der Lunge, sondern auch zu kardialen, muskulären, ossären und sozialen Krankheitsfolgen. Diese Zusammenhänge werden wahrscheinlich durch die bei der COPD ausgeprägte systemische Inflammation und neurohumorale Aktivierung vermittelt [12]. In einer Vielzahl von großen epidemiologischen Querschnitt- und Längsschnittuntersuchungen konnte eindeutig nachgewiesen werden, dass Rauchen zu einer Verschlechterung der Lungenfunktion führt [13]. Rauchen in der Jugend reduziert die Zunahme der Lungenfunktion während des körperlichen Wachstums und somit Die meisten COPD-Patienten wissen nichts von ihrer Krankheit KVH • aktuell Seite 6 Nr. 4 / 2008 die forcierte Einsekundenkapazität (FEV1 ) während des späteren Lebens [14]. Tabakrauchen ist der wesentliche Risikofaktor für die COPD. (Evidenzgrad 1) Passivrauchen als Ursache der COPD In Deutschland sind 27 Prozent der nichtrauchenden Bevölkerung regelmäßig Passivrauch ausgesetzt [15]. Verschiedene Arbeitsgruppen kamen übereinstimmend zu dem Ergebnis, dass in Deutschland jährlich 3.000 bis 4.000 Nichtraucher an den Folgen einer Passivrauchexposition versterben [16]. Davon sterben allein über 900 Patienten an einer durch Passivrauchen verursachten COPD [16]. Passivrauchexposition ist ein Risikofaktor für die COPD. (Evidenzgrad 1) Tabakrauchen bei Patienten mit COPD Acht von zehn COPD-Patienten waren langjährige Raucher. Von diesen gelingt es nur einem Teil, den Tabakkonsum aufzugeben. So findet sich unter COPD-Patienten immer noch ein höherer Anteil aktiver Raucher als in der Allgemeinbevölkerung. [9]. Das Vorliegen einer chronischen Atemwegserkrankung erhöht das Risiko einer Depression [17]. Rauchen kann bei latent depressiven Patienten den Charakter einer Selbstmedikation annehmen. Diese Zusammenhänge erklären, dass es Patienten mit COPD besonders schwer fällt, den Tabakkonsum zu beenden. Rauchende Patienten mit COPD weisen eine besonders hohe Nikotin-Abhängigkeit auf. (Evidenzgrad 2) Anamnese Voraussetzung für die Unterstützung und die Motivation bei der Tabakentwöhnung von COPD-Patienten ist die vollständige Tabakanamnese. Die Erfassung der Anamnese führt bereits zu einer Erhöhung der Anzahl der erfolgreich entwöhnten Patienten [18]. Der Tabakkonsum sollte regelmäßig erfragt und dokumentiert werden. Empfehlungsstärke: Diagnostik / Fragebogen Zur Bestimmung des Ausmaßes der Abhängigkeit hat sich international der Fagerström-Test for Nicotine Dependence – FTND, der sechs Items umfasst [19], durchgesetzt. Der FTND korreliert mit wichtigen biochemischen Werten (CO-Gehalt der Ausatemluft, Cotininspiegel) und stellt einen aussagekräftigen Prädiktor zur Vorhersage der kurz- und langfristigen Abstinenz nach einem Rauchstopp dar [20]. Die strukturierte Erfassung einer eventuellen depressiven Stimmungslage/Disposition z. B. mit dem HADS-D-Fragebogen ist sinnvoll. Motivierende Beratung COPD Patienten sind einer ärztlichen Empfehlung zum Rauchstopp gegenüber Nr. 4 / 2008 KVH • aktuell Seite 7 aufgeschlossen. Diese Empfehlung ist insbesondere wirksam, wenn Symptome der COPD oder pathologische medizinische Befunde im Zusammenhang mit dem Tabakkonsum thematisiert werden. Hilfreich ist hier insbesondere die Erläuterung der Lungenfunktion. Inhaltliche Strukturierung des Ablaufs der Beratung nach den 5 A [21] • Abfragen des Rauchstatus (Ask) • Anraten des Rauchverzichts (Advise) • Abfragen der Aufhörmotivation (Assess) • Assistieren beim Rauchverzicht (Assist) • Arrangieren der Nachbetreuung (Arrange) Insbesondere wenn der Raucher nicht bereit ist, einen Rauchstopp zu vereinbaren, soll eine motivierende Intervention zum Einsatz kommen. Das motivierende Interview ist eine Technik zur Änderung von abhängigem Verhalten, die initial erfolgreich bei der Alkoholentwöhnung eingesetzt wurde [22]. In einer kürzlich mit spanischen Hausärzten durchgeführten Studie war das Konzept des motivierenden Interviews 5,2 mal so wirksam wie eine herkömmliche Aufforderung das Rauchen zu beenden [22]. Allerdings beanspruchte das motivierende Interview auch mehr Zeit. COPD Patienten, die noch rauchen, sollten unabhängig vom Alter klar, deutlich und mit persönlichem Bezug dazu motiviert werden, den Tabakkonsum zu beenden. Empfehlungsstärke: Effekte der Tabakentwöhnung Die Aufgabe des Rauchens führte in prospektiven randomisierten Studien zu einer Halbierung des jährlichen FEV1-Verlustes [23]. Im ersten Jahr nach der Beendigung des Tabak-Konsums wurde sogar eine Zunahme des FEV1-Werts um ca. zwei Prozent verzeichnet [23]. Selbst nach elf Jahren lag die jährliche FEV1-Abnahme in der Gruppe der erfolgreich entwöhnten Raucher deutlich unter derjenigen in der Gruppe der kontinuierlichen Raucher [24]. Anders ausgedrückt: Bei einem von drei Rauchern mit leichter bis mittelgradiger COPD kann in den drei folgenden Jahren eine schwere oder sehr schwere COPD durch die Aufgabe des Rauchens verhindert werden [9]. Auch lässt sich durch die Tabakentwöhnung die Sterblichkeit und die Krankenhaus-Einweisungen durch die Tabakentwöhnung signifikant senken. Die Tabakentwöhnung hat einen positiven Effekt auf: • Lungenfunktion, insbesondere FEV1 • Diffusionskapazität • Luftnot • Husten • Sputumproduktion • Giemen (Wheezing) • Bronchiale Hyperreagibilität • Entzündung / Infekte der Atemwege • Exazerbationsrate • Mortalität Die Tabakentwöhnung zeigt positive Effekte auf die Symptomatik, den Verlauf der Lungenfunktion und die Mortalität bei Patienten mit COPD. (Evidenzgrad 1) Immer wieder ansprechen, denn: Steter Tropfen höhlt den Stein! Seite 8 KVH • aktuell Nr. 4 / 2008 Rauchreduktion ist keine Alternative zum Rauchstopp Zahlreiche Studien haben gezeigt, dass eine Rauchreduktion in Hinblick auf die Progression der COPD (jährlicher FEV1-Abfall) keine effektive Strategie darstellt [23, 25, 26]. Für den fehlenden positiven Effekt der Rauchreduktion werden insbesondere Kompensationsmechanismen verantwortlich gemacht, bei denen ein verändertes Rauchverhalten (tiefere und längere Inhalation) den Effekt der geringeren Anzahl an inhalierten Zigaretten aufwiegen [23, 26]. Die Verbesserung der Lungenfunktion und die Minderung der Beschwerden sind nicht zu erwarten, wenn der Tabakkonsum lediglich reduziert wird. (Evidenzgrad 2) Integrierter Ansatz, Tabakentwöhnungsprogramm Rauchende COPD-Patienten weisen einen besonders hohen Grad der NikotinAbhängigkeit auf. Die Vielzahl der Einflussfaktoren auf die langfristige Abstinenz erfordern strukturierte Tabakentwöhnungsprogramme [27], die sowohl medikamentöse als auch nichtmedikamentöse Intervention umfassen, da keine ausreichenden Daten zur Effektivität unimodaler Konzepte vorliegen [28, 29]. Da symptomatische Raucher insbesondere dann eine höhere Motivation zum Rauchstopp aufweisen, wenn sie ihre Symptome in erster Linie auf das Rauchen selbst zurückführen [Bednarek, Thorax 2006 61: 869-73], sollten in einem multimodalen Entwöhnungskonzept neben kognitiven und Sucht-Aspekten auch die subjektiven respiratorischen Beschwerden des Patienten berücksichtigt werden. Im Jahre 2004 wurde ein Cochrane-Review zur Tabakentwöhnung von COPDPatienten publiziert [van der Meer, Cochrane Database Syst Rev 2003:CD002999], aus dem sich die folgenden Aussagen ableiten lassen: Ein Entwöhnungskonzept, das sowohl medikamentöse Unterstützung als auch psychosoziale Unterstützung umfasst, hat sich für COPD-Patienten als effektiv erwiesen. (Evidenzgrad 1) Ausreichende Studien zur Wirksamkeit der alleinigen psychosozialen Unterstützung bei COPD-Patienten liegen nicht vor. Für alle COPD-Patienten, die ihren Tabakkonsum beenden wollen, muss eine Tabakentwöhnung mit medikamentöser und psychosozialer Unterstützung gewährleistet sein. Empfehlungsstärke: Medikamentöse Behandlung Die Ergänzung psychosozialer Behandlungsformen durch eine medikamentöse Unterstützung erhöht die Abstinenzaussichten bei Patienten mit einer COPD (siehe oben; zusammenfassende Darstellung siehe Tabelle auf der gegenüberliegenden Seite). Nikotinersatztherapie Die Nikotinersatztherapie zielt auf eine Milderung der Entzugssymptomatik und des Rauchverlangens durch eine vorübergehende, gesteuerte Nikotingabe über ein schadstofffreies Trägermedium. Die verfügbaren Nikotinersatzprodukte sind apothekenpflichtig, jedoch nicht verschreibungspflichtig (Ausnahme: Nikotinnasenspray ist in Deutschland verschreibungspflichtig und nur über die internationale Apotheke zu beziehen). Die Nikotinersatztherapie führt in etwa zu einer Verdopplung der Erfolgsrate in der Tabakentwöhnung [30]. KVH • aktuell Nr. 4 / 2008 Seite 9 Bupropion Zu Patienten mit COPD gibt es zwei Studien mit dem Nachweis einer Wirksamkeit nach sechs Monaten [32]. Die Wirksamkeit von Bupropion im Vergleich zu Placebo in einem allgemeinen Raucherkollektiv wird mittlerweile auf der Basis von 19 Studien beurteilt (OR 2,06; 95 Prozent CI: 1,77 – 2,40). Während einer Behandlung mit Bupropion treten Nebenwirkungen wie Schlafstörungen, Schwindel und Mundtrockenheit auf. Das Risiko für epileptische Anfälle ist erhöht. Vareniclin Bisher gibt es zu Vareniclin keine Daten zu Patienten mit COPD. Eine entsprechende Studie wird allerdings augenblicklich durchgeführt. Vareniclin wurde 2007 in Deutschland für die Behandlung der Tabakabhängigkeit zugelassen. Vareniclin ist ein partieller Nikotin-Agonist am α4α2-Nikotin-Rezeptor. Vareniclin ist apothekenpflichtig und verschreibungspflichtig, aber nicht erstattungsfähig. Vareniclin ist wirksamer als Bupropion mit einer OR von 1,7 (95 Prozent CI: 1,3 – 2,2) [33]. Als Nebenwirkungen werden Schwindel, Übelkeit, lebhafte Träume, Kopfschmerzen, Erbrechen, Schlaflosigkeit und Flatulenz genannt. Prävention und gesundheitsökonomische Aspekte Unter Berücksichtigung bereits publizierter Erfahrungen und eigener Daten [10, 34] errechnen sich für die Tabakentwöhnung Kosten von etwa 300 bis 1200 € pro gewonnenem Lebensjahr. Die Kosten pro gewonnenem Lebensjahr betragen z.B. für die Hämodialyse bei chronischer Niereninsuffizienz etwa 60.000 €, für die operative Myokardrevaskularisation 20.000 € und für die medikamentöse Therapie des Tabelle: Pharmakotherapie bei Tabakentwöhnung Wirkstoff Applikationsform Dosierungen Besonderheiten Nikotin Pflaster 3 Stärken (unterschiedlich je nach Hersteller) über 16 oder 24 Stunden anwendbar Kombinationstherapie mit anderen Nikotinersatzpräparaten möglich UAW: Hautreaktion Kaugummi 2mg, 4 mg maximal 25 Stück (2 mg), bzw. 15 Stück (4 mg) / Tag problematisch bei Zahnprothesen-Trägern 4 mg: insbesondere zur Verhinderung einer Gewichtszunahme und bei starken Rauchern (>20 / Tag). UAW: Sodbrennen, Mundreizung Sublingualtablette 2 mg maximal 30 Stück / Tag rascher Wirkeintritt UAW: Mundreizung Lutschtablette 1 mg, 2 mg, 4 mg maximal 30 Stück / Tag (2 mg Tbl.) rascher Wirkeintritt UAW: Mundreizung Nasenspray 0,5 mg pro Hub; je Nasenloch 1 Hub, maximal zweimal / Stunde verschreibungspflichtig; in Deutschland nur über internationale Apotheke beziehbar UAW: Schleimhautreizung, Abhängigkeits potential Vareniclin Tablette 0,5 mg 1xtgl. für 3 Tage 0,5 mg 2xtgl. für 4 Tage danach Rauchstopp danach 1 mg 2x tgl. für mindestens 11 Wochen bislang keine abgeschlossene Studie bei COPD UAW: Übelkeit, lebhafte Träume Bupropion Tablette 150 mg 1xtgl. für 7 Tage, danach Rauch- UAW: cerebrale Krampfanfälle (Häufigkeit stop, danach 150 mg 2x tgl. Gesamt1:1000), Übelkeit, Schlafstörungen Behandlungsdauer: 8 Wochen UAW: unerwünschte Arzneimittelwirkung KVH • aktuell Seite 10 Nr. 4 / 2008 arteriellen Hypertonus 50.000 €. Insgesamt ist die Tabakentwöhnung unzweifelhaft eine der effektivsten medizinischen Interventionen. Trotzdem ist der Stellenwert der Tabakentwöhnung im Deutschen Gesundheitssystem unzureichend berücksichtigt. Die Einordnung medikamentöser Entwöhnungshilfen als nicht erstattungsfähige Lifestyle-Präparate in § 34 Sozialgesetzbuch V und der Arzneimittelrichtlinie wird den Notwendigkeiten der evidenzbasierten Behandlung nicht gerecht. Zusammengefasst wird in Deutschland im Widerspruch zur internationalen Datenlage und Erfahrung die Tabakentwöhnung marginalisiert. Die Tabakentwöhnung ist die wirksamste und kosteneffektivste Einzelmaßnahme, um das Risiko der COPD-Entstehung herabzusetzen und das Voranschreiten der Erkrankung zu stoppen. (Evidenzgrad 1) Daher muss die Tabakentwöhnung nachhaltig auf allen Versorgungsebenen gefördert werden. Empfehlungsstärke: S. Andreas, A. Batra, J. Behr, H. Berck, J-F. Chenot, A. Gillissen, T. Hering, F. Herth, R. Meierjürgen, S. Mühlig, D. Nowak, M. Pfeifer, T. Raupach, K. Schultz, H. Sitter, H. Worth Federführender Autor: Prof. Dr. Stefan Andreas Lungenfachklinik Immenhausen / Kassel Pneumologische Lehrklinik der Universität Göttingen sandreas@lungenfachklinik-immenhausen.de Interessenkonflikte: keine Vollversion in Pneumologie 2008; 62:255-272 Die vollständige Leitlinie finden Sie im Internet unter www.uni-duesseldorf.de/AWMF/ll/020-005l.htm Literatur: 1 Phillips B, C Ball D Sackett, Levels of evidence, http://www.cebm.net/index.aspx?o=1025. 2001, Oxford Centre for Evidence-based Medicine. 2 Bundesärztekammer (BÄK), Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF), Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV): Nationales Programm für Versorgungs-Leitlinien. Methoden-Report. 2004. 3 Nelson CB HU Wittchen, Smoking and nicotine dependence. Results from a sample of 14- to 24-year-olds in Germany. Eur Addict Res 1998; 4: 42-9. 4 Cigarette smoking among adults – United States, 1995. MMWR Morb Mortal Wkly Rep 1997; 46: 1217-20. 5 West R T Sohal, „Catastrophic“ pathways to smoking cessation: findings from national survey. Bmj 2006; 332: 458-60. 6 Fidler JA, J Wardle, NH Brodersen, MJ Jarvis, et al., Vulnerability to smoking after trying a single cigarette can lie dormant for three years or more. Tob Control 2006; 15: 205-9. 7 Tonnesen P, L Carrozzi, KO Fagerstrom, C Gratziou, et al., Smoking cessation in patients with respiratory diseases: a high priority, integral component of therapy. Eur Respir J 2007; 29: 390-417. 8 Tobacco or health in the European Union. ASPECT Consortium. 2004, European Commission. p. 1 -295. 9 Shahab L, MJ Jarvis, J Britton R West, Prevalence, diagnosis and relation to tobacco dependence of chronic obstructive pulmonary disease in a nationally representative population sample. Thorax 2006; 61: 1043-7. 10 Doll R, R Peto, J Boreham I Sutherland, Mortality in relation to smoking: 50 years‘ observations on male British doctors. Bmj 2004; 328: 1519. 11 Lokke A, P Lange, H Scharling, P Fabricius, et al., Developing COPD: a 25 year follow up study of the general population. Thorax 2006; 61: 935-9. 12 Andreas S, SD Anker, PD Scanlon VK Somers, Neurohumoral activation as a link to systemic manifestation of chronic lung disease. Chest 2005; 128: 3618-3624. 13 Fletcher C R Peto, The natural history of chronic airflow obstruction. Br Med J 1977; 1: 1645-8. 14 Gold DR, X Wang, D Wypij, FE Speizer, et al., Effects of cigarette smoking on lung function in adolescent boys and girls. N Engl J Med 1996; 335: 931-7. 15 Janson C, N Kunzli, R de Marco, S Chinn, et al., Changes in active and passive smoking in the European Community Respiratory Health Survey. Eur Respir J 2006; 27: 517-24. 16 Lifting the smoke screen - 10 reasons for a smoke free Europe. 2006, European Respiratory Society: Brussels. p. 28 ff. 17 Wagena EJ, RM van der Meer, RJ Ostelo, JE Jacobs, et al., The efficacy of smoking cessation strategies in people with chronic obstructive pulmonary disease: results from a systematic review. Respir Med 2004; 98: 805-15. 18 Batra A, P Lindinger C Schütz, Tabakbedingte Störungen „Leitlinie Tabakentwöhnung“. 2004, Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften 19 Heatherton TF, LT Kozlowski, RC Frecker KO Fagerstrom, The Fagerstrom Test for Nicotine Dependence: a revision of the Fagerstrom Tolerance Questionnaire. Br J Addict 1991; 86: 1119-27. 20 Fiore MC, Treating tobacco use and dependence: an introduction to the US Public Health Service Clinical Practice Nr. 4 / 2008 KVH • aktuell Seite 11 Guideline. Respir Care 2000; 45: 1196-9. 21 A clinical practice guideline for treating tobacco use and dependence: A US Public Health Service report. The Tobacco Use and Dependence Clinical Practice Guideline Panel, Staff, and Consortium Representatives. Jama 2000; 283: 3244-54. 22 Soria R, A Legido, C Escolano, A Lopez Yeste, et al., A randomised controlled trial of motivational interviewing for smoking cessation. Br J Gen Pract 2006; 56: 768-74. 23 Scanlon PD, JE Connett, LA Waller, MD Altose, et al., Smoking cessation and lung function in mild-to-moderate chronic obstructive pulmonary disease. The Lung Health Study. Am J Respir Crit Care Med 2000; 161: 381-90. 24 Anthonisen NR, JE Connett RP Murray, Smoking and lung function of Lung Health Study participants after 11 years. Am J Respir Crit Care Med 2002; 166: 675-9. 25 Godtfredsen NS, J Vestbo, M Osler E Prescott, Risk of hospital admission for COPD following smoking cessation and reduction: a Danish population study. Thorax 2002; 57: 967-72. 26 Simmons MS, JE Connett, MA Nides, PG Lindgren, et al., Smoking reduction and the rate of decline in FEV(1): results from the Lung Health Study. Eur Respir J 2005; 25: 1011-7. 27 Raupach T, L Shahab, K Neubert, D Felten, et al., Implementing a hospital-based smoking cessation programme: Evidence for a learning effect. Patient Educ Couns 2007. 28 Wagena EJ, MP Zeegers, CP van Schayck EF Wouters, Benefits and risks of pharmacological smoking cessation therapies in chronic obstructive pulmonary disease. Drug Saf 2003; 26: 381-403. 29 van der Meer RM, EJ Wagena, RW Ostelo, JE Jacobs, et al., Smoking cessation for chronic obstructive pulmonary disease. Cochrane Database Syst Rev 2003: CD002999. 30 Silagy C, T Lancaster, L Stead, D Mant, et al., Nicotine replacement therapy for smoking cessation. Cochrane Database Syst Rev 2004: CD000146. 31 Organization WH, Regulation of Nicotine Replacement Therapies: An Expert Consensus. 2001, Copenhagen: Regional Office for Europe. 32 Wagena EJ, PG Knipschild, MJH Huibers, EFM Wouters, et al., Efficacy of Bupropion and Nortriptyline for Smoking Cessation Among People at Risk for or With Chronic Obstructive Pulmonary Disease. Arch Intern Med 2005; 165: 2286-2292. 33 Cahill K, LF Stead T Lancaster, Nicotine receptor partial agonists for smoking cessation. Cochrane Database Syst Rev 2007: CD006103. 34 Felten D, T Raupach, C Sessler, L Luthje, et al., Efficacy of a cognitive-behavioral program with pharmacological support to achieve smoking cessation. Dtsch Med Wochenschr 2006; 131: 197-202. Raucherentwöhnung: Auch mal bei der Kasse nachfragen! Vorschlag der Redaktion: Veranlassen Sie den Patienten auch einmal, bei seiner Krankenkasse nachzufragen, ob sie Raucherentwöhnungskurse fördert oder selbst anbietet. Solche Kurse sind keine Erfolgsgarantie, aber wer’s nicht versucht, wird auch nichts erreichen. Die PRoFESS-Studie Das Aus für Aggrenox ? ® Für Sie gelesen Dr. med. Günther Egidi Die schon etwas in die Jahre gekommenen KollegInnen werden sich noch an die Präparate Persantin® und Asasantin® erinnern – Dipyridamol-haltige Medikamente, die vorübergehend zum Einsatz bei KHK-Patienten vermarktet wurden. Beide verschwanden, als Studienergebnisse ergaben, dass darunter durch einen so genannten „Steel-effect“ pektanginöse Beschwerden eher zunahmen. Dipyridamol führte zu einer Dilatation der nicht stenosierten Koronargefäße mit der Folge, dass die stenosierten Arterien eher noch schlechter durchblutet wurden. Im Jahr 2000 titelte das arznei-telegramm: „Endlich - Dipyridamol (PERSANTIN® u.a.) soll vom Markt“ [1]. Kurz darauf war die Substanz als Aggrenox® wieder da – diesmal mit der Indikation, zerebrale (Re-) Insulte zu verhindern. Kritiker [2] monierten, dass die Erfolge der 1995 veröffentlichten ESPS-2-Studie [3] auf einem unfairen Vergleich basierten: Der in Aggrenox® enthaltenen Kombination aus ASS + Dipyridamol stand in der Vergleichsgruppe ASS in einer Dosierung von nur 50 mg gegenüber – große Untersuchungen [4] hatten zuvor belegt, dass die Wirkung von ASS unterhalb einer Schwelle von 75 mg deutlich nachlässt. Mit ESPRIT [5] kam 2006 erneut Unterstützung für Aggrenox®: 2739 Patienten nach TIA oder kleinerem Insult erhielten entweder ASS in einer Dosierung von Studie mit sinnloser Vergleichsgruppe Seite 12 Jeder dritte Aggrenox®-Patient brach die Studie ab KVH • aktuell Nr. 4 / 2008 30 bis 325 mg/d (im Schnitt 75 mg/d) allein oder in Kombination mit Dipyridamol. Untersucht wurde das Eintreten eines Sammelendpunktes aus Tod durch kardiovaskuläre Ursache, Schlaganfall, Infarkt oder größerer Blutung. Nach 3,5 Jahren hatten absolut drei Prozent weniger Patienten diesen Endpunkt erreicht (13 vs 16 Prozent). Wiederum wurde kritisiert [6], dass bei durchschnittlicher ASS-Dosierung 75 mg die Hälfte der Patienten in der Kontrollgruppe unterdosiert worden war. Zudem wurde methodisch bemängelt, dass die Studie offen durchgeführt wurde – die Studienärzte konnten die ASS-Dosis nach Gusto festlegen. 34 Prozent der Aggrenox®-Patienten hatten die Studie abgebrochen – dagegen nur 13 Prozent in der Kontrollgruppe – und es bleibt unklar, wie das Studienergebnis angesichts dieser Tatsache interpretiert werden sollte. Trotz dieser Kritikpunkte schaffte es Aggrenox® in die Leitlinienempfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Neurologie [7], aber auch des renommierten britischen NICE-Institutes [8]. Seither macht das Medikament mit jährlichen VerordnungsSteigerungen um 40 Prozent auf sich aufmerksam [9]. In den Entlassungs-Empfehlungen vieler neurologischer Kliniken löste Aggrenox® inzwischen Clopidogrel ab – obwohl ASS meist völlig ausreichend wäre. Die hartnäckig immer wieder vorgebrachte Kritik, das Ergebnis der CAPRIE-Studie [10] rechtfertige nicht den Einsatz dieser auch als Generikum immer noch fast 70-mal so viel wie ASS kostenden Substanz, hatte schließlich Erfolg: dass sich unter fast 20.000 Patienten in dieser Studie die Schlaganfall-Häufigkeit nur um 37 Fälle unterschied (509 unter Clopidogrel, 546 unter ASS), veranlasste schließlich den Gemeinsamen Bundesausschuss 2004 zur Aussage [11]: „Das Umsetzen von ASS auf Clopidogrel aufgrund eines vaskulären Ereignisses („Versagertherapie“) ist … nicht durch Studiendaten begründbar.“ Im Jahr 2008 wurde diese Aussage durch ein Rundschreiben der KBV [12] noch verschärft: die Verordnung von Clopidogrel als Monotherapie gilt außer bei symptomatischer pAVK und ASS-Unverträglichkeit seither als unwirtschaftlich. Ende August 2008 wurde nun im New England Journal of Medicine mit PRoFESS [13] eine Studie veröffentlicht, die möglicherweise in der Lage ist, den Neurologen-Empfehlungen zu Gunsten von Dipyridamol einen empfindlichen Stoß zu versetzen. Diese mit 20.332 Patienten große Multicenter-Studie untersuchte, ob die 2x tägliche Gabe der in Aggrenox® enthaltenen Kombination von 25 mg ASS + 200 mg Dipyridamol der Einnahme von 75 mg Clopidogrel überlegen war. Eingeschlossen wurden über 55-jährige Patienten mit Schlaganfall im letzten Vierteljahr (nach 6000 eingeschlossenen Patienten erweiterte man den Kreis der Untersuchten auf über 50-Jährige mit Schlaganfall in den letzten 4 Monaten). Der primäre Endpunkt bestand im Auftreten eines erneuten Schlaganfalls, der sekundäre war ein Sammelendpunkt aus Schlaganfall, Herzinfarkt oder kardiovaskulärem Tod. Die Untersuchung lief 2,5 Jahre. Unter Aggrenox® signifikant mehr Hirnblutungen Ergebnis: Unter Aggrenox® erlitten 916 Patienten (9,0 Prozent) einen Reinsult, unter Clopidogrel waren es 898 (8,8 Prozent). Bezüglich des sekundären Endpunktes unterschieden sich die beiden Substanzen überhaupt nicht. Unter Aggrenox® traten tendenziell mehr größere Blutungs-Komplikationen auf: 4,1 vs 3,6 Prozent (95-Prozent-Vertrauensbereich 1,00-1,32). Hirnblutungen waren unter der Kombination sogar signifikant häufiger (HR 1,42 – 95-Prozent-Vertrauensbereich 1,11-1,83). Parallel zu dieser Untersuchung wurde bei denselben Patienten eine Behandlung mit 80 mg Telmisartan gegen Placebo verglichen [14]. Einschlusskriterien und Endpunkte waren dieselben wie im Studien-Arm zur Plättchenhemmung. Der mittlere Blutdruck bei Randomisierung betrug 144,1/ 83,8 mm Hg. 47 Nr. 4 / 2008 KVH • aktuell Seite 13 Prozent der Patienten erhielten ein Statin, 37 Prozent einen ACE-Hemmer, 21 Prozent ein Diuretikum, 24,5 Prozent einen Calciumantagonisten und 21 Prozent einen Betablocker. Unter Telmisartan erlitten 8,7 Prozent einen Reinsult, unter Placebo waren es 9,2 Prozent. Der Unterschied ist nicht signifikant. Auch der sekundäre Endpunkt „kardiovaskuläre Ereignisse“ trat nicht signifikant unterschiedlich auf (13,5 vs 14,3 Prozent – HR 0,94 – 95 Prozent-Vertrauensbereich 0,87-1,01). Die Kombination aus 25 mg Ass + 200 mg Dipyridamol (Aggrenox ) nützt nicht mehr gegen einen erneuten Schlaganfall als Clopidogrel. Der Einsatz von Clopidogrel unterscheidet sich hinsichtlich eines Rezidiv-Insultes nicht signifikant von dem von ASS. Eine entsprechende Verordnung ist unwirtschaftlich. Unter dem Eindruck der PRoFESS-Studie ist auch die Verordnung von Aggrenox® als unwirtschaftlich anzusehen. Sartane nützen bei nur leicht erhöhtem Blutdruck nach Schlaganfall nicht. ASS bleibt in den allermeisten Fällen Mittel der Wahl! ® Bedeutung für unsere Praxis Interessenkonflikte: keine Literatur: 1 arznei-telegramm 2000;7:31 2 Donner-Banzhoff N, Lelgemann M: Ein neuer Maßstab – Aktuelle Studien verlangen veränderte Beurteilungskriterien ZaeFQ 2003;97:301–306 3 Diener HC, Cunha L, Forbes C, et al. 1995 European Stroke Prevention Study 2. Dipyridamole and acetylsalicylic acid in the secondary prevention of stroke. J Neurol Sci 143: 1–13 4 Antithrombotic Trialists’ Collaboration 2002 Collaborative meta-analysis of randomised trials of antiplatelet therapy for prevention of death, myocardial infarction and stroke in high risk patients. BMJ 324: 71–86 5 The ESPRIT Study Group: Aspirin plus dipyridamole versus aspirin alone after cerebral ischaemia of arterial origin (ESPRIT): randomised controlled trial Lancet 2006; 367: 1665–73 6 Arzneitelegramm 6/2006 S. 55-56 7 Primär- und Sekundärprävention der zerebralen Ischämie. Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie. 3. Überarbeitete Auflage 2005, ISBN 3-13-132413-9;Georg Thieme-Verlag Stuttgart 8 http://www.nice.org.uk/Guidance/TA90 9 Schwabe U, Paffrath D: Arzneiverordnungsreport 2006 S. 432, Arzneiverordnungsreport 2007 S. 394, Springer Verlag 10 CAPRIE Steering Committee: A randomised, blinded, trial of clopidogrel versus aspirin in patients at risk of ischaemic events (CAPRIE). Lancet 1996; 348: 1329–39 11 Beschluss einer Änderung der Anlage 4 der Richtlinien über die Verordnung von Arzneimitteln in der vertrags ärztlichen Versorgung (Arzneimittelrichtlinien/AMR) vom 15. Juni 2004 12 Beschluss einer Änderung der Anlage 10 der Richtlinien über die Verordnung von Arzneimitteln in der vertrags ärztlichen Versorgung (Arzneimittelrichtlinien/AMR) vom 4.6.2008 13 Sacco RL, Diener H-C, Yusuf S et al: Aspirin and Extended-Release Dipyridamole versus Clopidogrel for Recurrent Stroke N Engl J Med 2008;359 14 Yusuf MB, Diener H-C, Sacco RL et al: Telmisartan to Prevent Recurrent Stroke and Cardiovascular Events. N Engl J Med 2008;359. Clopidogrel-Generika ebenso gut wie Originale? Die Markteinführung von zwei neuen Clopidogrelpräparaten – CLOPIDOGREL HEXAL und CLOPIDOGREL-RATIOPHARM – hat für viel Wirbel gesorgt. Die Firma Sanofi-Aventis, Zulassungsinhaber des Originalpräparates PLAVIX, reagierte prompt mit einem Rundschreiben [1] an 100.000 Ärzte und Apotheker, in dem die Rechtmäßigkeit der Zulassung dieser Nachfolgepräparate in Zweifel gezogen wird. Auch Bristol-Myers Squibb (Anbieter von ISCOVER) versendet großflächig Schreiben mit anwaltlichen Hinweisen [2]. Dies hat zu großer Verunsicherung geführt. Wir stellen die wichtigsten Fakten zusammen und geben unsere Einschätzung: Die beiden neuen Clopidogrelpräparate unterscheiden sich von den Originalpräparaten lediglich durch das verwendete Salz (PLAVIX / ISCOVER: Clopidogrelhydrogensulfat; CLOPIDOGREL HEXAL/RATIOPHARM: Clopidogrelbesilat). Nach dem Der Gastbeitrag KVH • aktuell Seite 14 Pharmakologisch kein Unterschied zwischen den Clopidogrel-Salzen Nr. 4 / 2008 Arzneimittelrecht gelten verschiedene Salze eines Wirkstoffs als „ein und derselbe Wirkstoff, es sei denn, ihre Eigenschaften unterscheiden sich erheblich...”[3]. Pharmakologisch ist jedoch kein Wirkunterschied zwischen den beiden Clopidogrelverbindungen zu erwarten, da die Salze jeweils nach Aufnahme dissoziieren und die Wirksubstanz nicht mehr mit dem abgespaltenen Salzanteil interagiert. Ein Einfluss des Salzanteils auf die Pharmakodynamik ist daher unwahrscheinlich. Die Bioverfügbarkeit von täglich 75 mg Clopidogrel als Besilat entspricht der des Originals: Der Verlauf der Plasmakonzentrationen von Clopidogrel nach Einnahme der Mittel per os ist nahezu identisch [4]. Daher ist von Wirkstoffgleichheit auszugehen, auch wenn die beiden neuen Clopidogrelpräparate nicht, wie bei Generika üblich, mit bezugnehmender Zulassung, sondern wie neue Arzneimittel zugelassen worden sind [5]. Dies wird auch dadurch bestätigt, dass in den Fachinformationen [6,7] auf Daten des Originalpräparates (CAPRIE-Studie; a-t 1998; Nr. 8: 70-1) verwiesen wird. Die beiden neuen Clopidogrelpräparate sind zugelassen zur Prävention atherothrombotischer Ereignisse bei Patienten mit Herzinfarkt (wenige Tage bis 35 Tage zurückliegend), ischämischem Schlaganfall (sieben Tage bis sechs Monate zurückliegend) oder nachgewiesener peripherer arterieller Verschlusskrankheit [6,7]. Die Originalpräparate ISCOVER und PLAVIX haben neben diesen identisch formulierten Indikationen auch eine Zulassung für das akute Koronarsyndrom in Kombination mit Azetylsalizylsäure (ASS; ASPIRIN, Generika) [8,9]. Für Patienten mit chronischer koronarer Herzkrankheit, bei denen elektiv ein koronarer Stent gelegt wird, besteht für die Kombinationsbehandlung mit ASS weder für die Originalpräparate PLAVIX / ISCOVER noch für die von ratiopharm oder Hexal vertriebenen Clopidogrelprodukte eine Zulassung [6-9]. Umstellung auf Generikum in zugelassenen Indikationen unproblematisch Wirkstoff Clopidogrel Die Preisvorteile der beiden neuen Clopidogrelpräparate gegenüber den Originalen betragen nach zwischenzeitlicher Preisreduktion bezogen auf Packungen zu 100 Tabletten bei beiden Generika 33 Prozent. Sie sind damit immer noch 50-mal teurer als ein ASS-Generikum (siehe unten stehende Tabelle). Sanofi-Aventis führt in seinem Rundschreiben an die Fachkreise aus [1], dass die Rechtmäßigkeit der neuen Zulassung noch nicht endgültig geklärt sei. Tatsächlich ist sie für die beiden neuen Mittel bereits im Mai ergangen, wurde jedoch aufgrund eines Widerspruchs des Originalherstellers zwischenzeitlich ausgesetzt. Mit Entscheidung vom 29. Juli 2008 hat das Verwaltungsgericht Köln die sofortige Vollziehbarkeit der Zulassung erlaubt. Ungeachtet des noch schwebenden Verfahrens ist daher die Verordnungssicherheit gegeben. Die neuen Clopidogrelpräparate sind amtlich zugelassen, im Handel und dürfen somit auch verordnet werden. In den zugelassenen Indikationen erscheint uns die Umstellung von einem Clopidogrel-Original auf eines der beiden neuen Präparate sowohl unter medizinischen als auch unter rechtlichen Aspekten unproblematisch. Zu beachten ist jedoch, dass auch für die neuen Präparate die vom Gemeinsamen Bundesausschuss ursprünglich für das Original beschlossenen Beschränkungen in der Verordnungsfähigkeit zu Lasten der Gesetzlichen Krankenkassen gelten dürften, wonach Clopidogrel bei Handelsname CLOPIDOGREL HEXAL 75 mg CLOPIDOGREL-RATIOPH. 75 mg PLAVIX / ISCOVER 75 mg Azetylsalizylsäure ASS 100 HEXAL * Die Firma Hexal hat diesen Preis für den 15. Sept. 2008 angekündigt. Hersteller Hexal ratiopharm Sanofi-Av. / Bristol MS 100 Tbl. 100 Tbl. 100 Tbl. Hexal 100 Tbl. Euro 180,49* 180,49 268,12 3,58 Nr. 4 / 2008 KVH • aktuell Seite 15 chronischer Atherosklerose nur erstattet wird, wenn eine symptomatische periphere arterielle Verschlusskrankheit oder eine ASS-Unverträglichkeit vorliegt [10]. Aus medizinischer Sicht spricht unseres Erachtens aber auch nichts gegen den Ersatz des Originals durch eines der neuen Präparate in der Subakutphase nach akutem Koronarsyndrom oder elektiver Stenteinlage. Haftungsrechtlich bestehen jedoch beim Off-label-Gebrauch nach akutem Koronarsyndrom besondere Anforderungen an die umfassende Aufklärung der Patienten, weil hier mit Clopidogrelhydrogensulfat eine zugelassene Alternative verfügbar ist, die aus wirtschaftlichen Gründen ersetzt wird. Klagen hinsichtlich der Verordnungsfähigkeit von Clopidogrelbesilat zu Lasten der Gesetzlichen Krankenkassen in dieser Indikation dürften nicht zu erwarten sein. Nach elektiver Stenteinlage ist keines der Mittel zugelassen. Der Off-label-Gebrauch von Clopidogrel in dieser Indikation ist aber auch haftungsrechtlich medizinischer Standard (vgl. a-t 2004; 35: 25-6). In der Apotheke kann statt des Originals eines der beiden neuen Clopidogrelpräparate abgegeben werden, wenn auf dem Rezept nur der Wirkstoff Clopidogrel vermerkt ist. Bei Angabe des Handelsnamens auf dem Rezept ist eine Austauschbarkeit zwischen Original- und Nachfolgepräparaten nicht gegeben, da die Indikationen nicht vollständig übereinstimmen [11]. Ungeachtet der Diskussion um die neuen Clopidogrelpräparate hat sich an der Datenlage zum therapeutischen Stellenwert von Clopidogrel nichts geändert. Nach wie vor ist Azetylsalizylsäure bei chronischen atherosklerotischen Erkrankungen Mittel der ersten Wahl. Auch nach Eintreten eines akuten Ereignisses unter ASS sehen wir keine Indikation für Clopidogrel: Ein Vorteil gegenüber der fortgesetzten Therapie mit ASS ist bei diesen Patienten nicht belegt (zur differenzierten Bewertung siehe auch a-t 2006; 37: 101-2, 107-9). Die beiden neuen Clopidogrelpräparate der Firmen Hexal und ratiopharm sind trotz Verwendung eines anderen Salzes gegenüber den Originalpräparaten (PLAVIX, ISCOVER) als wirkstoffgleich anzusehen. Die Anwendung ist in den für die neuen Präparate zugelassenen Indikationen unproblematisch und nach ausführlicher Aufklärung auch in der Subakutphase nach akutem Koronarsyndrom oder elektiver Stenteinlage – off-label – möglich. Azetylsalizylsäure (ASS, ASPIRIN, Generika) bleibt auf Grund der guten Datenlage und des weiterhin deutlich niedrigeren Preises bei chronischen atherosklerotischen Erkrankungen Mittel der ersten Wahl. Literatur: 1 Sanofi-Aventis: Rundschreiben vom 1. Aug. 2008 2 Bristol-Myers Squibb: Schreiben vom 18. Aug. 2008 3 Arzneimittelgesetz § 24b, Absatz 2 4 Hexal AG: Zusätzliche Angaben zur Bioverfügbarkeit von CLOPIDOGREL HEXAL 75 mg Filmtabletten; http://www.hexal.de/subdomains/unternehmen/praep/fi/fi_75mg_fta_641813_beschnitten.pdf 5 Hexal AG: Telefonische Mitteilung vom 20. Aug. 2008 6 Hexal AG: Fachinformation CLOPIDOGREL HEXAL, Stand Juni 2008 7 ratiopharm GmbH: Fachinformation CLOPIDOGREL-RATIOPHARM, Stand Mai 2008 8 9 10 11 Sanofi-Aventis: Fachinformation PLAVIX 75 mg, Stand Juni 2008 Bristol-Myers Squibb: Fachinformation ISCOVER 75 mg, Stand Aug. 2008 Gemeinsamer Bundesausschuss: Pressemitteilung vom 19. Jan. 2007 http://www.g-ba.de/informationen/aktuell/pressemitteilungen/99/ GRÄFE, K.A.: Pharm. Ztg. 2008; 153: 314 Nachdruck aus a-t 2008; 39 (Nr. 9): 91-2 mit freundlicher Genehmigung der Redaktion und des Verlages des arznei-telegramm. Trotz ClopidogrelGenerikum: In den meisten Fällen ist ASS genauso gut! KVH • aktuell Seite 16 Für Sie gelesen Nr. 4 / 2008 Therapie und Prophylaxe von kardiovaskulären Ereignissen und Schlaganfällen Dr. med. Klaus Ehrenthal In KVH aktuell Pharmakotherapie Nr. 4/2007 (Dezember 2007) berichteten wir über die Oxforder EXPRESS-Studie und wiesen darauf hin, dass bei einer TIA oder einem leichten Schlaganfall angesichts der vielen nachfolgenden großen Apoplexien binnen drei Monaten unbedingt eilige Diagnostik und eine möglichst umgehende Behandlung erforderlich sind. In diesem Heft lesen Sie nun einiges über die therapeutischen Aspekte. Zur Behandlung und Prophylaxe solcher Fälle erschien kürzlich eine Übersichtsarbeit aus der Schweiz zur Effektivität von Thrombozytenhemmern [1], die hier referiert wird. ASS Als Grundpfeiler der Behandlung sowohl in der Akutphase bei kardiovaskulären Ereignissen als auch in der Langzeit-Sekundärprophylaxe ist Acetylsalicylsäure (ASS) anzusehen, während es zur Primärprophylaxe nur bei Patienten mit zusätzlichen Risikofaktoren, bei Vorhofflimmern und bei niedrigem Schlaganfallrisiko einzusetzen ist. Es wird weltweit am häufigsten als Thrombozyten-Aggregationshemmer eingesetzt, es ist nebenwirkungsarm und kostengünstig. ASS hemmt irreversibel die Cyclooxigenase (COX) der Thrombozyten und bremst dadurch die Produktion von Thromboxan A2 (TX A2). Dazu genügen schon Die Pathophysiologie der Gefäßverschlüsse Schon seit vielen Jahren ist die hohe Sterblichkeit durch Folgen arteriosklerotischer kardiovaskulärer Erkrankungen bekannt [2]. So starben daran in Deutschland 1997 immerhin etwas über 400.000 Menschen (Angaben des Statistischen Bundesamtes). Folgende Mechanismen der Atherogenese spielen sich dabei ab: In der Akutphase kommt es in erster Linie zu Plaque-Rupturen, daraufhin folgt eine Gerinnungsaktivierung und lokale Thrombusbildung. Diese, den Blutstrom verschließende Thrombusbildung gilt es zu beeinflussen. Das ist möglich durch Hemmung der Thromboxan-Synthese (mittels Acetylsalicylsäure), Hemmung des ADP-Rezeptors P2Y12 (mittels Thienopyridinen wie Clopidogrel oder früher Ticlopidin), Hemmung des GP-IIb/IIIa-Rezeptors (mittels Abciximab, Tirofiban, Integrilin), Hemmung der Adenosin-Wiederaufnahme (mittels Dipyridamol). Außerdem kommt eine Vielzahl anderer antithrombotisch wirkender Medikamente (wie Heparin, thrombolytische Substanzen) zur direkten oder indirekten Hemmung der Plättchenfunktion zum Einsatz, was hier nicht besprochen wird. Thrombozyten initiieren durch Kontakt an der Läsionsstelle mit dem subendothelialen Bindegewebe per Adhäsion, Aggregation, Sekretion und Interaktion mit Gerinnungsfaktoren die hämostatischen Vorgänge, die zu einem Gefäßverschluss führen. Durch das subendotheliale Bindegewebe werden die Thrombozyten massiv stimuliert, sie haften an Kollagenfasern an, sie sezernieren ADP und Thromboxan, was zur Kettenreaktion mit weiteren Thrombozyten führt. Diese aktivierten Thrombozyten binden über das reichlich vorhandene Glycoprotein IIa/IIIb (GP IIa/IIIb) Fibrinogen. Das so stimulierte Fibrinogen kann dadurch GP-IIa/IIIb-Rezeptoren zu einer Brücke zwischen zwei Thrombozyten verbinden. Im weiteren Verlauf vernetzt sich immer mehr Fibrinogen mit Thrombozyten, durch Quervernetzung und Rezeptor-Clustering wird das wachsende Plättchenaggregat stabilisiert. Nr. 4 / 2008 KVH • aktuell Seite 17 geringe Mengen ASS (75-100mg) durch Acetylierung eines Aminosäurerestes (Serin 529) in der Nähe des aktiven Zentrums der COX. Darüber hinaus reduziert ASS proinflammatorische Zytokine (z.B. Interleukin-6) und inflammatorische Marker (z.B. C-reaktives Protein). Beim akuten Koronarsyndrom (Myokardinfarkt) ist bei gesichertem therapeutischen Effekt das Kosten-Nutzen-Profil positiv: Bei 17.187 Patienten mit akutem Herzinfarkt wurde Placebo-kontrolliert nach fünf Wochen eine um 23 Prozent hochsignifikant reduzierte Mortalität gefunden, für Streptokinase allein um 25 Prozent und für beide Substanzen in der Kombination um 43 Prozent [3]. Weitere Untersuchungen belegten den positiven Effekt von ASS bei instabiler Angina pectortis und beim Myokardinfarkt ohne ST-Hebung. Deswegen empfehlen die US-amerikanischen Leitlinien (American College of Cardiology, American Heart Association) beim akuten Herzinfarkt die sofortige Initialdosis von 162,5 – 325 mg nicht retardiertes ASS, gefolgt von täglich 75-162,5 mg [4]. In Deutschland wäre dafür die Standarddosis 100 mg ASS. Beim ischämischen Schlaganfall (= cerebrovaskulären Insult, CVI) konnte der positive Effekt von ASS ebenfalls in zwei großen Studien belegt werden [5, 6]. Obwohl die Wirkung von ASS beim CVI etwas geringer ausfiel (Risikoreduktion in den Studienarmen 5,3 Prozent versus 5,9 Prozent und 11,3 Prozent versus 12,4 Prozent), reduzierte ASS beim akuten CVI Mortalität und Rezidivrate. Es sollte beim Schlaganfall so rasch wie möglich mit Ladedose und Folgetherapie (s.o. [4]) gegeben werden, sobald eine cerebrale Blutung ausgeschlossen ist. Clopidogrel Beim akuten Koronarsyndrom bietet Clopidogrel einen zusätzlichen Nutzen bei instabiler Angina pectoris besonders nach Stentimplantation (bei unbeschichteten Stents für drei Monate, bei beschichteten Stents für sechs Monate). Hierzu wurden verschiedene Studien publiziert, die alle einen Benefit für ASS plus Clopidogrel in der Reduktion von Reinfarkten und Mortalität zeigten. Die Blutungshäufigkeit stieg unterschiedlich an. In der CURE-Studie [7] wurden über 12.000 Patienten mit akutem Koronarsyndrom (instabile Angina pectoris, Myokardinfarkt ohne ST-Hebung) innerhalb 24 Stunden randomisiert mit ASS (300 mg Initialdosis, dann Fortsetzung mit 75 mg täglich) oder mit ASS plus Clopidogrel behandelt. Nach neun Monaten wurde der primäre Endpunkt hauptsächlich durch Verhinderung von Reinfarkten von 11,4 auf 9,3 Prozent reduziert gefunden. Allerdings stieg das Risiko für größere (nicht lebensbedrohliche) Blutungen signifikant von 2,7 auf 3,7 Prozent an. Wegen dieser erhöhten Blutungskomplikationsrate bei ungenügender Wirkungssteigerung wird eine Kombination von ASS mit Clopidogrel in der routinemäßigen Sekundärprophylaxe nicht empfohlen (CAPRIE-Studie [8]; dabei wurde ASS gegen Clopidogrel geprüft.). In der Sekundärprävention beim Schlaganfall zeigten Vergleiche von ASS und Clopidogrel [8] nur einen geringen Vorteil für Clopidogrel (NNT 200!). Bei dieser Indikation sollte die Kombination von ASS und Clopidogrel wegen eines erhöhten Blutungsrisikos (MATCH-Studie [9]) vermieden werden. Nach einem Apoplex unter ASS und bei Aspirin-Unverträglichkeit ist Clopidogrel das Mittel der Wahl. „Resistenzen“ oder Non-Responder auf ASS aber auch auf Clopidogrel wurden beschrieben. Die entsprechende Labordiagnostik ist derzeit noch unbefriedigend, und es wird gegenwärtig keine Empfehlung zu Laborkontrollen bei Verdacht auf ASS- oder Clopidogrel-Resistenz gegeben [13]. Kombination von ASS mit Clopidogrel ist nach Schlaganfall zu vermeiden Seite 18 KVH • aktuell Nr. 4 / 2008 Da das Prodrug Clopidogrel über das P-450-Isoenzym CYP 3A4 in die aktive Form umgewandelt wird, sind Interaktionen z.B. mit etlichen Statinen, die ebenfalls Substrat für CYP 3A4 darstellen, im Sinne einer Hemmung möglich, hier soll Pravastatin gegenüber Atorvastatin etwas günstiger abschneiden [8]. Andere Untersuchungen zeigen keine Unterschiede zwischen einzelnen Statinen [14]. Die Thienopyridine Clopidogrel und dessen Vorläuferpräparat Ticlopidin (das vor allem wegen der UAW Leukopenie durch Clopidogrel verdrängt wurde) blockieren irreversibel die Bindung von ADP an den plättchenspezifischen Rezeptor P2Y12 und bremsen so die Bildung der Plättchenaggregate. Bei Clopridogrel-Unverträglichkeit kann das ansonsten gut wirksame Ticlopidin angewendet werden. Wann ist eine Kombinationstherapie ASS plus Clopidogrel sinnvoll? Insbesondere nach Stentimplantation bei Patienten mit instabiler Angina pectoris ist die Kombination von ASS mit Clopidogrel unzweifelhaft nützlich. In der LangzeitSekundärprävention der übrigen kardiovaskulären Risikofälle ergibt sich nur ein geringer Vorteil durch Clopidogrel gegenüber ASS. Akzeptierte Indikationen für Clopidogrel sind ASS-Unverträglichkeit, Status nach gastrointestinaler Blutung und ein unter ASS erfolgtes kardiovaskuläres Ereignis. Die Kombination ASS und Clopidogrel als generelle Sekundärprophylaxe (besonders nach Schlaganfall und bei Vorhofflimmern) wird wegen vermehrter Blutungskomplikationen und fehlenden besseren Outcomes nicht empfohlen. „Resistenzen“ bei ASS und auch bei Clopidogrel sind beschrieben, entsprechende gesicherte Labornachweismethoden liegen derzeit nicht vor. Was darf der Kassenarzt in der GKV verordnen? Der Gemeinsame Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen hat am 22.02.08 die Verordnungsfähigkeit von Clopidogrel in der Monotherapie zu Lasten der GKV in der Sekundärprophylaxe auf Patienten mit pAVK bei Claudicatio intermittens oder Amputationen und bei ASS-Unverträglichkeit eingeschränkt [17]. Das BMG hat durch Änderung der Arzneimittelrichtlinie vom 29.07.08 [18] die Verordnungsfähigkeit von Clopidogrel zu Lasten der GKV anerkannt zur Prävention bei Patienten mit akutem Koronarsyndrom, bei denen Clopidogrel in Kombination mit ASS angewendet wird, bei Patienten mit akutem Koronarsyndrom ohne ST-Hebung (instabile Angina pectoris, Non-wave-Myocardinfarkt), einschließlich Patienten mit perkutaner Stentimplantation, bei Patienten mit Myocardinfarkt mit ST-Hebung und bei Notwendigkeit einer thrombolytischen Therapie. Abciximab u.a. (Glycoprotein-IIb/IIIa-Antagonisten) Hierbei handelt es sich um Präparate für den klinischen Bereich Bei akutem Koronarsyndrom (ACS) können GP-IIa/IIIb-Antagonisten sehr potent die Plättchenaggregation hemmen. Abciximab ist intravenös zu verabreichen (oral wirken diese Substanzen nicht). In den meisten Untersuchungen wurden GP-IIb/ IIIa-Inhibitoren kombiniert mit ASS und Heparin eingesetzt und zeigten hierbei für die kardiologischen Indikationen (ACS , PTCA mit/ohne Stent) gute bis sehr gute Ergebnisse. Patienten mit niedrigem Risikoprofil sollten wegen der Nebenwirkungen (vor allem Blutungen und Thrombozytopenie) besser nicht mit einem GP-IIb/ IIIa-Antagonisten behandelt werden. GP-IIb/IIIa-Inhibitoren wirken gut beim akuten Koronarsyndrom. Glycoprotein-IIb/IIIa-Antagonisten (Abciximab u.a.) werden beim akuten Ko- Nr. 4 / 2008 KVH • aktuell ronarsyndrom angewendet bei Hochrisikopatienten und vor perkutaner Koronarintervention. Als Nebenwirkungen werden Blutungskomplikationen und Thrombozytopenie genannt. Diese Präparate sind, da engmaschige regelmäßige intravenöse Gaben, Kontrollen auf Blutungen und zeitnahe Laborkontrollen erforderlich sind, eher stationär anzuwenden. Dipyridamol Bei einem akuten Apoplex scheint zusätzliches Dipyridamol einen geringen Nutzen zu haben. Der Wirkmechanismus ist noch unklar. Es wird vermutet, dass Dipyridamol die Aufnahme von Adenosin in den Thrombozyten hemmt, wodurch eine Kaskade mit Erhöhung der cAMP-Spiegel und dadurch die Mobilisierung von freiem Kalzium verhindert wird. Damit wird ein wichtiger Schritt in der Plättchenaktivierung gehemmt [10]. Da in einer Metaanalyse [11] die Zugabe von Dipyridamol zu ASS keine Reduktion bei vaskulären Ereignissen (Myocardinfarkt, Schlaganfall) und der kardiovaskulären Todesfällen zeigte, beschränkt sich der Einsatz in der Kardiologie auf die Ischämiediagnostik bei Stress-Echocardiografie und Stress-Szintigrafie. In der Sekundärprophylaxe nach Apoplex wurde in der ESPRIT-Studie [12] durch eine Kombination von ASS mit Dipyridamol der kombinierte Endpunkt (Tod durch vaskuläre Ursache, nicht tödlicher Schlaganfall, nicht tödlicher Myocardinfarkt, schwere Blutungskomplikationen) signifikant erniedrigt gesehen (13 Prozent versus 16 Prozent, ARR 1,0 Prozent pro Jahr). Die in der Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Neurologie deswegen ausgesprochene Therapieempfehlung war allerdings nicht in der entsprechenden Dosierung in der ESPRIT-Studie [12] überprüft worden. Der Wert der Aussagen aus der ESPRIT-Studie [12] muss wegen erheblicher Kritik an der Studie (verschiedene Mängel, unter anderem: offenes Design, hohe Abbruchraten von 34 Prozent in der Kombinationsbehandlung ASS plus Clopidogrel, suboptimale Dosierung von ASS) kritisch gesehen werden [15, 16]. Als Nebenwirkung der Kombination von ASS mit Dipyridamol waren Kopfschmerzen häufiger Grund für das Absetzen der Medikation. Da der Benefit der Kombination ASS mit Dipyridamol insgesamt nicht sehr groß ist, wird diese Therapie nicht überall breit angewandt. ASS bleibt die wichtigste Substanz ASS ist die wichtigste Substanz in der Behandlung atherosklerotischer kardiovaskulärer Erkrankungen. Sie wirkt sicher sowohl beim akuten Myokardinfarkt als auch beim Schlaganfall. Sie sollte nach Ausschluss einer Blutung sofort nach dem Ereignis gegeben werden (Empfehlung der US-amerikanischen Leitlinien: Initialdosis von etwa 165-325 mg, gefolgt von täglichen Dosen von etwa 75-165 mg). In der Langzeit-Sekundärprophylaxe hat ASS ebenfalls einen anerkannten Nutzen. In der Primärprophylaxe ist der Nutzen auf Patienten mit multiplen Risikofaktoren, sowie auf Patienten mit Vorhofflimmern und niedrigem Schlaganfallrisiko beschränkt. Zu beachten sind das erhöhte gastrointestinale Blutungsrisiko und Unverträglichkeiten. Interessenkonflikte: keine Literatur: 1 Neuhaus M, Steffel J, Beer, HJ. Thrombozytenhemmer Eine Übersicht. Schweiz Med Forum 2008;8:50-57 2 Hennekens CH, Dyken ML, Fuster V, Aspirin as a therapeutic agent in cardiovascular disease: a statement for health-care professionals from the American Heart Association. Circulation.1997;96(8):2751-3 Seite 19 Alter Wein in neuen Schläuchen? Siehe auch Seite 11. Bedeutung für unsere Praxis KVH • aktuell Seite 20 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 Nr. 4 / 2008 Randomised trial of intravenious streptokinase, oral aspirin, both, or neither among 17.187 cases of suspected acute myocardial infarction: ISIS-2. ISIS-2 (Second International Study of Infarct Survival) Collaborative Group. Lancet. 1988;2(8607):349-60 Antman EM, Anbe DT, Armstrong PW, Bates EH, Green LA, Hand M, et al. ACC/AHA guidelines for the management of patients with ST-elevation myocardial infarction: a report of the American Colle of Cardiology/American Heart Association Task Force on Practise Guidelines (Committee to Revise the 1999 Guidelines for the Management of Patients with Akute Myocardial Infarction). Circulation. 2004;110(9):e82-292 CAST: randomised placebo-controlled trial of early aspirin use in 20.000 patients with acute ischaemic stroke. CAST (Chinese Acute Stroke Trial) Collaborative Group. Lancet.1997;349(9066):1641-9 The International Stroke Trial(IST): a randomised trial of aspirin , subcutaneous heparin, both, or neither among 19.435 patients with acute ischaemic stroke. International Stroke Trial Collaborative Group. Lancet 1997;349(9065):1569-81 Yusuf S, Zhao F, Mehta SR, Chrolavicius S, Tognoni G, Fox KK. Effects of clopidogrel in Addition to aspirin in patients, with acute coronary syndromes without ST-segment elevation. N Engl J Med. 2001;345(7):494-502 A randomised, blindet, trial of clopidogrel versus aspirin in patients at risk of ischaemic events (CAPRIE). CAPRIE Steering Committee. Lancet 1996;348(9038):1329-39 Diener HC, Bogousslavsky J, Brass LM, Cimminiello C, Csiba L, Kaste M, et al. Aspirin and clopidogrel compared with clopidogrel alone after recent ischaemic stroke or transient ischiaemic attack in high-risk patients (MATCH): randomised, double-blind, placebo-controlled trial. Lancet. 2004;364(9431):331-7 Sudlow C. What is the role of dipyridamole in long-term secondary prevention after an ischaemic stroke or transient ischaemic attack? Cmaj. 2005;173(9):1024-6 Collaborative meta-analysis of randomised trials of antiplatelet therapy for prevention of death, myocardial infarction, and stroke in high risk patients. NMJ.2002;324(7329):71-86 Halkes PH, van Gijn J, Kappelle LJ, Koudstaal PJ, Algra A. Aspirin plus dipyramidamole versus aspirin alone after cerebral ischaemia of arterial origin (ESPRIT): randomised controlled trial. Lancet. 2006;367(9523):1665-73 DeMiguel et al. Resistance to Clopidogel. Thromb Haemost 2008;100:196 Saw J, et al. Lack of evidence of a clopidogrel-statin interaction in the CHARISMA trial. J Am Coll Cardiol. 2007 Jul 24;50(4):291-5 Aggrenox nach Schlaganfall? Leitlinien und Standard arznei-telegramm 2006;37:21-2 Aggrenox mit höchster Empfehlungsstärke? arznei-telegramm 2007;38:77 http://www.g-ba.de/informationen/beschluesse/zum-unterausschuss/2/. Das Bundesministerium für Gesundheit. Bekanntmachung einer Änderung der Richtlinien über die Verordnung von Arzneimitteln in der vertragsärztlichen Versorgung (Arzneimittel-Richtlinien/AMR). BAnz. 29.07.2008;112:2748 PPI und Clopidogrel: Eine riskante Kombination für Ihre Patienten! Bei vielen Patienen wird in der Entlassungs-Medikation des Krankenhauses ein Protonenpumpenhemmer (PPI) empfohlen. Die Weiterverordnung des Magensäureblockers ist aber oft nicht wirtschaftlich. Und sie ist auch aus medizinischen Gründen fragwürdig, wie eine bei der diesjährigen Jahrestagung der American Heart Association vorgestellte retrospektive Kohortenstudie* ergab. Bevor Clopidogrel antithrombozytär wirken kann, muss es in der Leber oxidiert und hydrolysiert werden. Das Leberenzym, das dies bewerkstelligt, wird durch Protonenpumpeninhibitoren gehemmt. Das hat ganz praktische Folgen, wie die genannte Studie mit 14 383 Patienten zeigte: Nimmt ein Patient neben Clopidogrel noch einen Protonenpumpenhemmer ein, steigt sein kardiovaskuläres Risiko beträchtlich an. Von den Studien-Patienten, die Clopidogrel zusammen mit einem PPI eingenommen hatten, erlitten 32,5 Prozent im folgenden Jahr ein größeres kardiovaskuläres Ereignis (Hospitalisierung wegen Schlaganfall, Herzinfarkt, Angina oder Bypassoperation). Ohne PPI waren es nur 21,2 Prozent. Daraus errechnet sich eine adjustierte Odds Ratio von 1,79 (95-Prozent-Konfidenzintervall 1,62-1,97). Fazit: Die Wechselwirkung zwischen PPI und Clopidogrel führt zu einem Wirkverlust von Clopidogrel. Die Gefahr eines Infaktes steigt. Es ist deshalb abzuwägen, wie Hol wichtig der Magensäureblocker für den Patienten wirklich ist. * Ronald E. Aubert: Proton Pump Inhibitors Effect on Clopidogrel Effectiveness: The Clopidogrel Medco Outcomes Study. Nr. 4 / 2008 KVH • aktuell Blutdruck mit ACE-Hemmern und AT1-Blockern senken Alle ACE-Hemmer wirken gleich gut, auch keine Unterschiede bei AT1-Blockern Seite 21 Für Sie gelesen Dr. med. Joachim Feßler Aktuell sind zwei Cochrane Reviews erschienen, die sich mit der Frage beschäftigen, ob es in der blutdrucksenkenden Wirksamkeit zwischen den einzelnen ACE-Hemmern [1] bzw. AT1-Blockern [2] Unterschiede gibt, oder ob der blutdrucksenkende Effekt jeweils gleich mit allen Vertretern der einzelnen Gruppen zu erzielen ist. So wurden in dem Review über die ACE-Hemmer 92 randomisierte kontrollierte Studien eingeschlossen, die eine Dosis-Wirkungsbeziehung bei 14 ACE-Hemmern untersuchten (Enalapril, Cilazapril, Trandolapril, Benazepril, Captopril, Perindopril, Ramipril, Fosinopril, Lisinopril, Spirapril, Moexipril, Quinapril, Imidapril, Temocapril). In den Review über die AT1-Blocker gingen 46 randomisierte kontrollierte Studien ein, die eine Dosis-Wirkungsbeziehung bei neun AT1-Blockern untersuchten (Lorsartan, Valsartan, Irbesartan, Telmirsartan, Candersartan, Eprosartan, Olmesartan, Tasosartan, KT3-671). Die Studiendauer betrug drei bis zwölf Wochen, sodass lediglich die erreichte RR-Senkung beurteilbar war, nicht jedoch Endpunkte wie Mortalität oder Lebensqualität. Auch lassen sich bei diesen kurzen Untersuchungsdauern keine sicheren Aussagen zu Nebenwirkungen machen. Ergebnis: Sowohl für die ACE-Hemmer-Gruppe wie für die AT1-BlockerGruppe gilt, dass in jeder Gruppe alle Substanzen gleich gut den Blutdruck senken, sodass bei der Verordnung wirtschaftliche Aspekte durchaus zur Auswahl der entsprechenden Wirksubstanz herangezogen werden können. Darüber hinaus gilt für beide Gruppen, dass jeweils mit einem Achtel oder einem Viertel der empfohlenen Maximaldosis 60 bis 70 Prozent der blutdrucksenkenden Wirkung erzielt werden können. Ich verordne eine wirtschaftliche Substanz mit Einmalgabe am Tag Bei der Auswahl der Substanzen lasse ich mich zum einen von wirtschaftlichen Aspekten leiten. Zum anderen wähle ich eine Substanz mit Einmalgabe pro Tag aus, um die Adhärenz bzw. die Compliance zu erhöhen. Darüber hinaus kann ich bei Auftreten von Nebenwirkungen neben einem Absetzen der Therpie auch eine Dosisreduktion in Erwägung ziehen. Es bleibt ein großer Teil der blutdrucksenkenden Wirkung erhalten und die Nebenwirkung verschwindet vielleicht. Hierbei ist jedoch zu bedenken, dass ich hiermit meistens auch den Dosierungsbereich verlasse, mit dem die Endpunktstudien zu den jeweiligen Substanzen durchgeführt wurden und für den eine Besserung der Morbidität und Mortalität in den einzelnen Indikationsgebieten (Hypertonie, Herzinsuffizienz) nachgewiesen wurde. Darüber hinaus gibt es nicht für alle Substanzen Endpunktstudien. Interessenkonflikte: keine Literatur 1 Heran BS, Wong MMY, Heran IK, Wright JM. Blood pressure lowering efficacy of angiotensin converting enzyme (ACE) inhibitors for primary hypertension. Cochrane Database of systematic Reviews 2008, Issue 4. Art. No.: SD003823. DOI: 10.1002/14651858.CD003823.pub2 2 Heran BS, Wong MMY, Heran IK, Wright JM. Blood pressure lowering efficacy of angiotensin receptor blockers for primary hypertension. Cochrane Database of systematic Reviews 2008, Issue 4. Art. No.: SD003822. DOI: 10.1002/14651858.CD003822.pub2 Bedeutung für unsere Praxis KVH • aktuell Seite 22 Für Sie gelesen Nr. 4 / 2008 Herz-Kreislauf-Risiko durch Blutdrucksenker reduzieren Gibt es für ältere Patienten besonders geeignete Medikamente? Dr. med. Klaus Ehrenthal Im Mai 2008 erschien im BMJ eine Metaanalyse von 31 Studien zur relativen Risikoreduktion größerer kardiovaskulärer Ereignisse durch unterschiedliche Blutdrucksenkungsmaßnahmen mit insgesamt 190.606 Patienten, unterteilt in Patienten unter 65 Jahren und darüber [1]. Es sollte dabei geprüft werden, ob und wie unterschiedliche Therapiemaßnahmen in den beiden Altersgruppen die Ergebnisse beeinflussten. Beobachtungsstudien hatten gezeigt, dass die Höhe des Blutdrucks eng mit dem relativen Risiko eines Schlaganfalls oder einer koronaren Herzerkrankung korrelierte [2] und dass die Korrelation mit zunehmendem Alter abnahm [3]. Aus einer großen vorherigen Analyse von insgesamt 61 Studien mit einer Million Patientendaten war hervorgegangen, dass bei 50- bis 59-Jährigen das Apoplexrisiko durch eine systolische Blutdrucksenkung von 20 mm Hg um 62 Prozent sank, während bei 80- bis 89-Jährigen die Senkung des systolischen Blutdrucks um 20 mm Hg nur mit einer Senkung der Schlaganfallhäufigkeit um 33 Prozent einherging [4]. In der vorliegenden Metaanalyse sollte nun herausgefunden werden, ob es besondere Medikationen zur Blutdrucksenkung für Ältere gibt, die bessere Resultate für kardiovaskuläre Mortalität und Morbidität ergeben [1]. In den untersuchten Studien wurde der Effekt verschiedener Medikamentenklassen auf die jeweiligen Altersgruppen untersucht. Dabei wurden nur Studien in die Analyse aufgenommen, die mindestens 1.000 Patientenjahre überprüften. Die Patienten wurden in zwei Gruppen aufgeteilt, je nachdem, ob sie bei Studieneintritt < 65 Jahre oder ≥ 65 Jahre alt waren. Als primärer Endpunkt wurden schwerwiegende kardiovaskuläre Ereignisse gewählt (nicht-fataler Schlaganfall oder Tod durch ein cerebrovaskuläres Ereignis) sowie Herzinfarkt (nicht tödlich oder tödlich einschließlich plötzlichem Herztod) und Herzerkrankung mit Krankenhauseinweisung. Sekundäre Endpunkte waren Schlaganfall, koronare Herzerkrankung, Herzinsuffizienz, kardiovaskulärer Tod und die Gesamtmortalität. Sieben Behandlungsregime wurden analysiert: a ACE-Hemmer versus Placebo b Calciumantagonisten versus Placebo c strengere Blutdrucksenkung versus milderen Maßnahmen zur Blutdrucksenkung d Angiotensinrezeptorblocker versus Kontrollregime e ACE-Hemmer versus Diuretika/Betablocker f Calciumantagonisten versus Diuretika/Betablocker und g ACE-Hemmer versus Calciumantagonisten Zusätzlich wurden Vergleiche der Wirkung von Diuretika und Betablockern in den verschiedenen Altersgruppen vorgenommen. Dabei handelte es sich um a ACE-Hemmer oder Calciumantagonisten versus Betablocker und b ACE-Hemmer oder Calciumantagonisten versus Diuretika. Ergebnisse Nach sorgfältiger statistischer Analyse der Ergebnisse aus 31 von 37 Studien (sechs Studien hatten keine ausreichend geführten Protokolle) fanden sich 96.466 Patienten unter 65 Jahren und 94.140 Patienten mit mindestens 65 Jahren, was Nr. 4 / 2008 KVH • aktuell einem mittleren Alter von a 57 Jahren bei den Jüngeren (58 Prozent Männer) und b 72 Jahren bei den Älteren (51 Prozent Männer) entsprach. Der Basisblutdruck war bei den Älteren höher als bei den Jüngeren. Die verschiedenen blutdrucksenkenden Medikamentenregime ergaben weder für die primären Endpunkte (alle großen kardiovaskulären Ereignisse) noch für die sekundären Endpunkte einen statistisch gesicherten Unterschied in der Senkung des relativen Risikos. Es fand sich auch kein Unterschied im relativen kardiovaskulären Risiko in den verschiedenen Altersgruppen. Seite 23 Alle BehandlungsVarianten waren gleichwertig Trotz der großen Zahl von 190.606 Patienten in den 31 Studien ist die statistische Aussagekraft zu gering gewesen, um durch eine Subgruppenanalyse möglicherweise vorhandene Wirkungsunterschiede als kleine Vorteile für das eine oder andere Therapieregime herauszuarbeiten bzw. statistisch zu sichern. Wegen des nachgewiesenen Ausmaßes der möglichen kardiovaskulären Risiko minderung durch eine generelle Blutdrucksenkung weisen die Autoren ausdrücklich darauf hin, dass nicht nur jüngere, sondern besonders auch ältere Patienten davon profitieren und deswegen auch behandelt werden sollten. Wirtschaftlichkeit und individuelle Besonderheiten entscheiden Da die Autoren ausdrücklich darlegten, dass sie bei der blutdrucksenkenden Therapie keine Vorteile für bestimmte Medikamentenregime nachweisen und insbesondere auch für bestimmte Altersgruppen keinen Vorteil einer bestimmten Medikamentenklasse erkennen konnten, ist es entscheidend, dass beim Hypertoniker überhaupt eine Blutdrucksenkung durchgeführt wird. Bei der Auswahl der Therapie für den Einzelfall sollte ärztlicherseits besonders auf folgende Kriterien geachtet werden: individuelle Besonderheiten der Patienten (z.B. Medikamentenunverträglichkeiten bzw. Wirkstoffkontraindikationen, Niereninsuffizienz, Diabetes, Asthma usw.) Probleme der Lebensführung (z. B. Bewegungsmangel, Übergewicht, Stoffwechselentgleisungen, Schlafmangel, Nikotinabusus usw.) Verbesserung der Compliance (z. B. sorgfältiges Erklären des Verschreibungsgrundes, möglichst kleine tägliche Tablettenzahl, lesbare Tablettenpläne schreiben, ggf. Dosett verwenden, ggf. Angehörige oder Pflegende hinzuziehen usw.) Neben den individuellen Auswahlkriterien steht angesichts der Vergleichbarkeit auch der wirtschaftliche Aspekt im Vordergrund. Interessenkonflikte: keine Literatur: 1 Turnball F et al., Blood Pressure Lowering Treatment Trialists’ Collaboration, George Institute for International Health, University of Sydney, Australia. BMJ 2008;336; 1121-1123, doi:10.1136/bmj.39548.737368.BE 2 MacMahon S, Peto R, Cutler J, Collins R, Sorlie P, Neaton J et al. Blood pressure, stroke, and coronary heart disease. Part 1. Prolonged differences in blood pressure: prospective observational studies corrected for the regression dilution bias. Lancet 1990;335:765-74 3 Prospective Studies Collaboration. Cholesterol, diastolic blood pressure, and stroke: 13.000 strokes in 450.000 people in 45 prospective cohorts. Lancet 1995;346:1647-53 4 Prospective Studies Collaboration. Age-specific relevance of usual blood pressure to vascular mortality: a metaanalysis of individual data for one million adults in 61 prospective studies. Lancet 2002;360:1903-13 Bedeutung für unsere Praxis Kriterien für die Auswahl der Blutdrucksenker Seite 24 Für Sie gelesen KVH • aktuell Nr. 4 / 2008 Blutzucker-Selbstkontrolle beim Typ-2-Diabetiker Dr. med. Klaus Ehrenthal Angesichts zunehmender Kosten für Blutzucker-Selbstmessungen insbesondere durch Typ-2-Diabetiker (siehe Kasten auf der gegenüberliegenden Seite) wurden jüngst zwei Studien im British Medical Journal veröffentlicht, die den Nutzen solcher Selbstuntersuchungen beim Typ-2-Diabetiker hinterfragten [1, 2]. In der von Farmer et al. [1] 2007 publizierten Studie (DiGEM) wurden 453 Patienten mit Typ-2-Diabetes, der bei ihnen seit durchschnittlich drei Jahren bekannt war, über vier Jahre untersucht und randomisiert in drei Gruppen aufgeteilt: 1. 151 Fälle mit intensivem BZ-Selbstmonitoring, 2. 150 Fälle mit wenig intensivem BZ-Selbstmonitoring, 3. 152 Kontrollfälle nur diätetische Behandlung ohne BZ-Selbstmessung. Schlechtere Lebensqualität durch Selbstkontrolle: Mehr Schaden als Nutzen? Es wurden BZ-Selbstkontrollen mit Training in der Interpretation der Werte und der daraus resultierenden Maßnahmen zur Anpassung der Therapie nach zwölf Monaten verglichen mit der Vergleichsgruppe ohne BZ-Selbstkontrolle. Ein signifikanter Unterschied für das HbA1c konnte dabei nicht gefunden werden. Eine Nachauswertung des Datenmaterials durch Simon et al. [3] zeigte, dass BZSelbstkontrollen mit dem entsprechenden Trainingsprogramm die Kosten erhöhen und die Lebensqualität einschränken. Dabei wurden vermehrte Ängstlichkeit und depressive Verstimmung der Probanden beobachtet. In der 2008 von O’Kane et al. [2] durchgeführten randomisierten kontrollierten Studie bei 184 Patienten unter 70 Jahren mit neu entdecktem Typ-2-Diabetes wurden die HbA1c-Werte alle drei Monate in den verschiedenen Kollektiven überprüft: 1. In der Interventionsgruppe wurde viermal pro Woche eine BZ-Selbstmessung nüchtern und postprandial durchgeführt, die Patienten wurden angewiesen, auf zu hohe oder zu niedrige Werte diätetisch und/oder mit körperlicher Belastung zu reagieren. 2. In der Vergleichsgruppe wurde keine BZ-Selbstmessung durchgeführt. Beide Gruppen wurden gleich geschult und bei erhöhten Blutzuckerwerten nach dem gleichen Regime diätetisch und medikamentös therapiert. Alle drei Monate wurden die HbA1c-Werte und mit Hilfe von Scores die Therapiezufriedenheit und das Wohlbefinden überprüft. Trotz Selbstmessung kein besserer HbA1c Die Auswertungen dieser Studie zeigten: In der Interventionsgruppe veränderte sich der Ausgangswert des HbA1c von 8,8 Prozent nach zwölf Monaten auf 6,9 Prozent. In der Vergleichsgruppe ohne BZ-Selbstmessung betrug der Ausgangswert des HbA1c 8,6 Prozent, er sank nach zwölf Monaten ebenfalls auf 6,9 Prozent. Kein Unterschied zwischen beiden Gruppen fand sich bei der Häufigkeit von Hypoglykämien, beim BMI und beim Gebrauch von oralen Antidiabetika. Depressive Verstimmungen wurden in der Interventionsgruppe signifikant häufiger gefunden (p = 0,011). Es wurde in der Interventionsgruppe ein Trend zu größerer Ängstlichkeit ermittelt (p = 0,07). KVH • aktuell Nr. 4 / 2008 Seite 25 Als Ergebnis dieser sorgfältig durchgeführten randomisierten kontrollierten Studien [1, 2, 3] ist festzuhalten: Die langfristigen Werte des HbA1c und des Blutzuckers wurden durch die Blutzucker-Selbstmessung gegenüber einer Vergleichsgruppe ohne Selbstmessung nicht verbessert. Die mit Blutzucker-Selbstmessung behandelten Patienten wiesen signifikant höhere Werte im Depressionsscore und tendenziell höhere Werte im Angstscore auf. Daraus folgerte Gulliford (4) in einem Editorial, dass die Vertretbarkeit der Kostenübernahme für eine BZ-Selbstmessung zu Recht [5] infrage zu stellen ist. Eine Blutzucker-Selbstkontrolle ist in folgenden Fällen sinnvoll: 1. bei Typ-1-Diabetikern (als GKV-Leistung), 2. bei Diabetikern, bei denen die Insulingabe von den Messwerten abhängt (als GKV-Leistung), 3. bei Neueinstellungen von Typ-2-Diabetikern (als GKV-Leistung in einigen KVen), Bedeutung für unsere Praxis Teststreifen beanspruchen bereits über ein Drittel der Verordnungkosten Auslöser für die beiden hier referierten Studien waren steigende Kosten für Blutzuckerteststreifen in Großbritannien (2001 ca. 137 Millionen €1, 2003 ca. 170 Millionen €2). Auch in Deutschland steigen die Kosten für BZ-Teststreifen. Die untenstehende Grafik zeigt beispielhaft die Daten aus Hessen: 2007 - Umsatz wurden BZ-Teststreifen für 58,8 Millionen € verordnet. Die Kosten für orale Antidiabetika und Insuline beliefen sich im gleichen Zeitraum insgesamt auf 106.662.164 €. Von den gesamten Verordnungskosten für Antidiabetika und BZ-Teststreifen verschlingen die Streifen bereits mehr als ein Drittel. Diabetes: Bluttests 20 2003 2004 54.550.390 30 51.903.450 40 48.135.661 50 47.025.603 Mio. Euro 60 2005 2006 58.819.438 70 10 2007 Blutzucker-Testreifen, Beispiel Hessen: Die Kosten steigen erheblich an, ihre Verordnung scheint allerdings längst nicht in allen Fällen sinnvoll (Datenquelle: Insight-Health). 1 Die Euroangabe entspricht der Angabe in Pfund Sterling, umgerechnet nach dem Durchschnittswert des Euro für das Jahr 2001, Quelle: Bundesbank 2 Die Euroangabe entspricht der Angabe in Pfund Sterling, umgerechnet nach dem Durchschnittswert des Euro für das Jahr 2003, Quelle: Bundesbank KVH • aktuell Seite 26 Nr. 4 / 2008 4. bei ausgewählten Patienten mit Diabetes Typ 2 als eine die Compliance fördernde Maßnahme (keine generelle Leistung der GKV). Dagegen haben die hier referierten Studien eine erneute Diskussion über den Stellenwert der kostenträchtigen Blutzucker-Selbstmessung beim oral behandelten Typ-2-Diabetes ausgelöst. Sicherlich gibt es Einzelfälle, bei denen aus den oben genannten Gründen die BZ-Selbstmessung für eine sichere Therapie erforderlich sein kann. Voraussetzungen sind jedoch: Dokumentation der Messwerte und direkte Konsequenzen aus den jeweiligen Werten (z.B. Umstellung der oralen Medikation, Diätänderung, vermehrte Bewegung etc). Anders als die Anpassung der Insulindosis sind diese Konsequenzen jedoch nur langfristig ändernd wirksam. Hieraus resultiert auch die Diskussion über den Nutzen. Zum Aufspüren einer postprandialen Hyperglykämie reichen Urin-Teststreifen Allen anderen nicht mit Insulin behandelten Typ-2-Diabetikern kann der Arzt aufgrund dieser Studienergebnisse durchaus guten Gewissens die regelmäßige Blutzucker-Selbstmessung erlassen. Die Diabetes-Schulungen sollten das in Zukunft berücksichtigen. Zum Aufspüren einer Hyperglykämie sind auch die kostengünstigen Urinzucker-Teststreifen postprandial geeignet Bitte beachten Sie: Blutzucker-Teststreifen gehen (entgegen den Beteuerungen mancher Hersteller) in das Arzneimittelbudget des verordnenden Arztes ein! Einzelne KVen setzen bei der BZ-Selbstmessung von Typ-2-Diabetikern unterschiedliche Wirtschaftlichkeitsgrenzen für Blut-Teststreifen für den verordnenden Arzt an, jenseits derer eventuell mit Regressanträgen der Krankenkassen zu rechnen ist. Hier folgen einzelne Beispiele derzeitiger Prüfungsentscheidungen und KVEmpfehlungen: KV Berlin: BZ-Teststreifen sind in der Regel beim Typ-2-Diabetes nicht erforderlich, Dokumentation der Werte ist erforderlich. KV Hessen: Bei oral behandelten Typ-2-Diabetikern (von Ausnahmen abgesehen) gilt die Verordnung von Blutzucker-Teststreifen als unwirtschaftlich. Die wichtigsten Ausnahmen sind die Neueinstellung und die Therapieänderung. KV Nordrhein: Verordnung von BZ-Teststreifen nur in Ausnahmefällen bei Folgeerkrankungen oder pathologischer Nierenschwelle, dann höchstens 50 pro Quartal. KV Rheinland-Pfalz: Als Anhaltszahlen gelten 50 BZ-Teststreifen pro Quartal. KV Sachsen-Anhalt: In der Regel ist keine BZ-Selbstmessung erforderlich, bei Neuund Ersteinstellung auf orale Medikation werden rund 250 Teststreifen für etwa sechs Wochen akzeptiert, in Sondersituationen wie akute Erkrankung, Kortisontherapie, Remissionsphase, Gewichtsveränderungen werden rund 50 BZ-Teststreifen pro Quartal akzeptiert. KV Westfalen-Lippe: Bis zu 50 BZ-Teststreifen pro Quartal bei begründeten Ausnahmefällen. Interessenkonflikte: keine Literatur: 1 Farmer A, Wade A, Goyder E, Yudkin P, French D, Craven R, Kinmonth AL, Neil A. Impact of self monitoring of blood glucose in the management of patients with non-insulin treated diabetes: open parallel group randomised trial. BMJ 2007;335:132-9, doi:10.1136/bmj.39247.447431.BE 2 O’Kane MJ, Bunting B, Copeland M, Coates VE on behalf of the ESMON study group. Efficacy of self monitoring of blood glucose in patients with newly diagnosed type 2 diabetes (ESMON study): randomised controlled trial. BMJ 2008;336:1174-7; doi:10.1136/bmj.39534.571644.BE 3 Simon J, Gray A, Clarke P, Wade A, Neil A, Farmer A: on behalf of the Diabetes Glycaemic Education and Monitoring Trial Group: BMJ 2008;336:1177-80 4 Gulliford M.: Editorial. BMJ 2008;336:1139-40, doi:10.1136/bmj.39538.469421 5 arznei-telegramm 2008;39, Nr.7:78 Nr. 4 / 2008 KVH • aktuell Gewisse Besserung, aber dennoch ein schwerer Fehler Die obige Entlassungs-Medikation empfahl das Krankenhaus für einen Patienten, der wegen eines Grand mal Anfalls stationär aufgenommen worden war. Die Dia gnosen: Symptomatische Epilepsie mit Grand mal bei Multiinfarkt-Syndrom residuale Hemiparese rechts und Aphasie Arterielle Hypertonie Diabetes mellitus Typ 2 M. Parkinson pAVK Die Entlassungs-Medikation der Krankenhäuser ärgert viele niedergelassene Kollegen: Oft werden nicht nur Unmengen von Medikamenten aufgelistet, sondern auch noch teure Originalpräparate, die jeden Niedergelassenen direkt in den Regress führen würden. Hier war das Krankenhaus immerhin so freundlich, auf die Austauschbarkeit der Markenpräparate hinzuweisen – das ist ein gewisser Fortschritt. Der Hausarzt des Patienten war angesichts der Liste dennoch erschrocken. Sein Kommentar: „Die empfohlene Behandlung stellt schlichtweg eine Patientengefährdung dar. Leider muss ich es so sehen, wenn gleich zwei AT1-Blocker (Votum 20, Blopress 16), zwei Betablocker (Nebilet, Metoprolol ret. 100 mg) sowie zwei Levodopa-Präparate (Madopar, Dopadura) in angegebener Dosierung zur selben Tageszeit verabreicht werden. Darüber hinaus ist es unwirtschaftlich und in der Praxis nicht praktikabel, über zwei Tage Gabapentin der Tablettendosis 200 mg zu empfehlen, um dann ab dem 3. Tag auf eine Tablettendosis von 300 mg zu steigern. Packungsgrößen von sechs Tabletten gibt es bekanntlich nicht. Da wäre die Empfehlung 300 mg für die ersten beiden Tage alltagstauglicher gewesen.“ Seite 27 Rezept des Monats Seite 28 Sicherer verordnen Dr. med. Günter Hopf KVH • aktuell Nr. 4 / 2008 Betäubungsmittel bei Auslandsreisen Patienten dürfen von einem Arzt verschriebene Betäubungsmittel in einer der Dauer der Reise angemessenen Menge als persönlichen Reisebedarf grenzüberschreitend mit sich führen. Dies gilt zumindest für Mitgliedstaaten des Schengener Abkommens (EU) bei Reisen bis zu 30 Tagen und mit einer vom verordnenden Arzt ausgefüllten und von der zuständigen Landesgesundheitsbehörde beglaubigten Bescheinigung (siehe Faksimile – Formular beim BfArM erhältlich). Leider bestehen keine international harmonisierten Bestimmungen bei Fernreisen (z.B. uneinheitliche Importgenehmigungen und Mengenbeschränkungen bis hin zum Mitnahmeverbot). Eine ärztliche Bescheinigung in englischer Sprache könnte hilfreich sein, eine Rückfrage bei der zuständigen diplomatischen Vertretung des Reiselandes in Deutschland vor Antritt einer Reise ist dringend zu empfehlen. Dies gilt auch für Sonderfälle wie eine Substitutionstherapie von opiatabhängigen Patienten (z.B. generelles Verbot der Einfuhr von Methadon und Buprenorphin in die USA). Auch Ärzte dürfen Betäubungsmittel als ärztlichen Praxisbedarf in angemessener Menge mit sich führen, z.B. zum Zweck der ärztlichen Berufsausübung im Rahmen karitativer Einsätze oder als Erste-Hilfe-Leistung. Da auch in diesen Fällen die Rechtsgrundlagen international nicht harmonisiert sind, empfiehlt sich eine Rückfrage bei der zuständigen diplomatischen Vertretung in Deutschland. Quelle: Dtsch.Apo.Ztg. 2008; 148: 2696 Dieses Formular brauchen Patienten, die Betäubungsmittel auf Reisen in die EU-Staaten mitnehmen müssen. Es kann von der Web-Seite www.bfarm.de heruntergeladen werden (mit Suchfunktion nach „Betäubungsmittel“ und „Schengen“ suchen, dann geht es über den Beitrag „Hinweise zur Mitnahme von Betäubungsmitteln“ weiter. Nr. 4 / 2008 KVH • aktuell Seite 29 Hausärztliche Leitlinie Schmerz Therapie von Schmerzen Konsentierung Version 3.00 17. Oktober 2007 Revision bis spätestens 2010 Version 3.03 vom 28.01.2008 Hausärztliche Leitlinie Anmerkung: Schmerz Die Leitlinie Schmerz umfasst insgesamt 70 Seiten. Wir Therapie von Schmerzen veröffentlichen angesichts des Umfangs nur die wichtigsten Aspekte. Details finden Sie im Internet. Im letzten Heft hatten wir einen Überblick über die Leitlinien-Inhalte, die hausärztlichen Schlüsselfragen und Konsentierung Version 3.00über die Behanddie Schmerzdiagnostik gegeben sowie lung schwerer Schmerzen informiert. In die17. chronischer Oktober 2007 sem Heft finden Sie Hinweise zur Behandlung leichterer Schmerzen, Schmerzen bei muskuloskelettalen ErkrankunRevision spätestens gen, abominaler und bis viszeraler Schmerzen, Kofschmerzen 2010 sowie neuropathischer Schmerzen . Die im Text erwähnten Anhänge und Literaturstellen (Ziffern in Klammern), die hier nicht abgedruckt sind, finden Sie in der vollständigen Leitlinie. Sie ist im Internet unter Version 3.03 vom 28.01.2008 www.pmvforschungsgruppe.de verfügbar. Auf dieser Webseite bitte den Cursor in der Menü-Leiste im oberen Teil der Seite auf Publikationen positionieren und im aufklappenden Untermenü auf Leitlinien klicken. Dann können sie die gesamte Leitlinie einsehen bzw. als PDFDatei auf Ihren Computer herunterladen. Eine weitere Bezugsquelle finden Sie unter www.leitlinien.de. Dort auf Leitlinienanbieter klicken, dann Leitlinien aus dem ambulanten Bereich/vertragsärztliche Qualitätszirkel auswählen, anschließend führt der Link unten auf der Seite zu den hausärztlichen Leitlinien. F. W. Bergert M. Braun K. Ehrenthal J. Feßler J. Gross K. Gundermann H. Hesse J. Hintze U. Hüttner B. Kluthe W. LangHeinrich A. Liesenfeld E. Luther R. Pchalek J. Seffrin T. Sitte A. Sterzing G. Vetter H.-J. Wolfring U. Zimmermann F. W. Bergert M. Braun K. Ehrenthal J. Feßler J. Gross K. Gundermann H. Hesse J. Hintze U. Hüttner B. Kluthe W. LangHeinrich A. Liesenfeld E. Luther R. Pchalek J. Seffrin T. Sitte A. Sterzing G. Vetter H.-J. Wolfring U. Zimmermann KVH • aktuell Seite 30 Nr. 4 / 2008 Diffuse Schmerzen bei Fieber Maßnahmen, die der Arzneitherapie vorangehen oder diese unterstützen Arzneitherapie nach [14] {eR}, [169] {eR}; Dosierung s. Anhang Kinder bis 12. Lebensjahr: Kühlen [149] {B, Ia}, (jedoch insgesamt nur wenige Studien) Flüssigkeit geben, beruhigen Kinder bis 12. Lebensjahr: Schwangere: Kühlen Flüssigkeit geben Ruhe Schwangere und Stillende: Paracetamol (strenge Indikationsstellung) Cave: ASS und NSAR kontraindiziert Paracetamol ASS, Ibuprofen [94] {A, Ib} Andere NSAR nicht erste Wahl Metamizol: Reservemedikation wegen Agranulozytoserisiko Paracetamol: alters-/gewichtsabhängig dosieren [13] {A, Ib} (Cave: kein ASS) Ibuprofen ab 6. Lebensmonat, alters-/gewichtsabhängig dosieren [13] {A, Ib} Beratungsursache 2: Schmerzen beiÄltere unkomplizierten Traumata Ältere ab 12. Lebensjahr, Erwachsene: ab 12. Lebensjahr, Erwachsene: Flüssigkeit geben Ruhe Schmerzen bei unkomplizierten Traumata Beratungsursache 3: Schmerzen bei muskuloskelettalen Erkrankungen Maßnahmen, die der Arzneitherapie vorangehen oder diese unterstützen Arzneitherapie nach Dosierung s. Anhang Kühlen [193] {A, Ib}, ruhig stellen, ggf. Kompression, ggf. Hochlagerung Paracetamol [156] {A, Ia} [47] {A, Ia} Ì Ibuprofen Arthrose nicht {A, Ia} Diclofenac [47] aktiviert ggf. zusätzlich Opioide Pause Eis Compression Hochlagern (PECH) Schmerzen bei muskuloskelettalen Erkrankungen Arthrose nicht aktiviert Maßnahmen, die der Arzneitherapie vorangehen oder diese unterstützen Arzneitherapie Arthrose nicht aktiviert [130] Arthrose nicht aktiviert Paracetamol ausreichend hoch dosiert (3-4 g/d!) [208] {A, Ia} Wenn unzureichende Wirkung: bedarfsweise NSAR [221] {A, Ia} Bei Notwendigkeit von ASS als Thrombozytenaggregationshemmer, sollteI ASS-Gabe Version 3.03 28. Januar 2008 mind. 2 Stunden vor NSAR erfolgen Ulkusprophylaxe mit PPI beachten [233] (Risikopatienten, z. B. Ulkusanamnese, Patienten über 60 Jahre, gleichzeitige Kortikoidgabe). Kombination von NSAR und Steroiden möglichst vermeiden [171] Wenn unzureichende Wirkung zusätzlich schwachwirksame Opioide (z. B. Tramadol, Übergewicht abbauen [77] {B, R}, [76] {III} »Bewegung ja - Belastung nein«, d. h. Bewegung ohne große Impulsbelastung; Bewegung ohne Extrembewegungen der Gelenke, insbesondere ohne Rotationen; Bewegung mit gleichHausärztliche »Therapie von Schmerzen« mäßig Leitlinie rhythmischen Bewegungen und geringen Bewegungsenergien [83, 84] Abwechseln zwischen Be- und Entlastung (zur Rehydrierung des Knorpels sind 4-6 Std. Pause nötig) Gehhilfen benutzen, unebene Wege meiden, Schuhe mit weichen Sohlen (Pufferabsätze) Kälte und Nässe meiden, Gelenke warm halten Kraul- und Rücken-Schwimmen in warmem 09 gung ohne große Impulsbelastung; Bewegung Wenn unzureichende Wirkung: bedarfsweise NSAR [221] {A, Ia} ohne Extrembewegungen der Gelenke, insbesondere ohne Rotationen; Bewegung mit gleich- Bei Notwendigkeit von ASS als ThromboNr. 4mäßig / 2008 Seite 31 KVH • aktuell zytenaggregationshemmer, sollte ASS-Gabe rhythmischen Bewegungen und geringen mind. 2 Stunden vor NSAR erfolgen Bewegungsenergien [83, 84] Abwechseln zwischen Be- und Entlastung (zur Ulkusprophylaxe mit PPI beachten [233] (Risikopatienten, z. B. Ulkusanamnese, Patienten über Maßnahmen, diedes derKnorpels Arzneitherapie Rehydrierung sind 4-6vorangehen Std. Pause Arzneitherapie 60 Jahre, gleichzeitige Kortikoidgabe). Kombioder diese unterstützen nötig) nation von NSAR und Steroiden möglichst Gehhilfen benutzen, Arthrose nicht aktiviertunebene [130] Wege meiden, Arthrose nicht aktiviert [171] Schuhe mitabbauen weichen Sohlen Paracetamol ausreichend hoch dosiert (3-4 g/d!) vermeiden Übergewicht [77] {B, (Pufferabsätze) R}, [76] {III} Wenn unzureichende Wirkung zusätzlich und Nässe meiden, Gelenke warm halten Kälte [208] {A, Ia} »Bewegung ja - Belastung nein«, d. h. BeweOpioide (z. B. Tramadol, und Rücken-Schwimmen in warmem KraulWenn unzureichende Wirkung: bedarfsweise gung ohne große Impulsbelastung; Bewegung schwachwirksame Tilidin [163] {A, Ib} Wasser (ungünstig Brustschwimmen) [159] {B, NSAR [221] {A, Ia} ohne Extrembewegungen der Gelenke, insbeBei schweren Dauerschmerzen starkwirksame Ib} (nur wenige, spezifische Studien) sondere ohne Rotationen; Bewegung mit gleich- Bei Notwendigkeit von ASS als ThromboOpioide Radfahren Aquajogging, zytenaggregationshemmer, sollte ASS-Gabe mäßig rhythmischen Bewegungen und geringen Intraartikuläre Injektionen von ChondroprotekKrankengymnastik [175] {A, Ia}: Trainieren und Bewegungsenergien [83, 84] mind. 2 Stunden vor NSAR erfolgen tiva, z. B. Hyaluronsäure, ergaben einer derzwischen Muskulatur. zu Eigenmit PPI beachten in [233] (RisikoAbwechseln Be-Anleitung und Entlastung (zur Ulkusprophylaxe Kräftigen Metaanalyse keine nennenswerten Verbesaktivität und Bewegungsübungen [160] {Ib} patienten, z. B. Ulkusanamnese, Patienten über Rehydrierung des Knorpels sind 4-6 Std. Pause serungen. Als Zielkriterium diente die VeränReizstrom, TENS [162] {A, Ia}, Elektrotherapie, 60 Jahre, gleichzeitige Kortikoidgabe). Kombinötig) derung der Schmerzintensität nach zwei bis drei Wärme, Kälte, Triggerpunkt-Anästhesie, u. U. nation von NSAR und Steroiden möglichst benutzen, unebene Wege meiden, Gehhilfen Monaten [109, 133, 155]. Wegen InfektionsAkupunktur [188] {B, Sohlen Ib} vermeiden [171] Schuhe mit weichen (Pufferabsätze) werden diese Injektionen von der LeitMassagen im Allgemeinen nicht sinnvoll, Kälte und Nässe meiden, Gelenke warm halten gefahr Wenn unzureichende Wirkung zusätzlich liniengruppe nicht empfohlen. erforderlich vor der Bewegungstheschwachwirksame Opioide (z. B. Tramadol, Kraul- und Rücken-Schwimmen in warmem manchmal rapie bei ausgeprägten Myogelosen [96] {A, Ib} Tilidin [163] {A, Ib} Wasser (ungünstig Brustschwimmen) [159] {B, Bei schweren Dauerschmerzen starkwirksame Ib} (nur wenige, spezifische Studien) Hinweis: NSAR (incl. Cox-2 Hemmer) können September vom Markt vom Markt 2004 genommen wurde genommen [6, 151, 152,wurde 157]. Hinweis: NSAR (incl. Cox-2 Hemmer) können zu Opioide Aquajogging, Radfahren kardiovaskulären zu Nebenwirkungen wie ischä[6, 151, 152, 157]. Die EMEA [69] benennt für Die EMEA [69] benennt für Coxibe KHK und kardiovaskulären Nebenwirkungen wie ischämiIntraartikuläre Injektionen von Chondroprotek[175] {A, Ia}: Trainieren und Krankengymnastik mischen Komplikationen, arterieller Hypertonie, Coxibe KHK und Schlaganfall als KontraindikaSchlaganfall als Kontraindikation, dieinArzneimittelschen Komplikationen, arterieller Hypertonie, Herztiva, z. B. Hyaluronsäure, ergaben einer Kräftigen der Muskulatur. Anleitung zu EigenÌ Arthrose aktiviert Herzinsuffizienz und Ödemen führen [7, 150, tion, die Arzneimittelkommission erweitert dies kommission erweitert dies noch auf Patienten mit insuffizienz und Ödemen führen [7, 150, 229]. Metaanalyse keine nennenswerten Verbesaktivität undsind Bewegungsübungen [160] {Ib} und noch auf Patienten mit kardiovaskulärem Risiko 229]. Coxibe ähnlich im Wirkungskardiovaskulärem Risiko [7].diente Naproxen scheint Coxibe sind ähnlich Reizstrom, im Wirkungsund[162] Nebenwirserungen. Als Zielkriterium die VeränTENS Ia}, Elektrotherapie, Nebenwirkungsspektrum wie NSAR [5,{A,189], [7]. Naproxen scheint unter den NSAR das geunter den NSAR das geringste kardiovaskuläre kungsspektrum wie NSAR [5, 189], wobei Rofederung der Schmerzintensität nach zwei bis drei Wärme, Kälte, höhere Triggerpunkt-Anästhesie, u. U. wobei Rofecoxib kardiovaskuäre Nebenringste kardiovaskuläre Risiko aufzuweisen [151, Risiko aufzuweisen [151, 152, 157]. Infektionscoxib höhere kardiovaskuäre Monaten [109, 133, 155]. Wegen Akupunktur [188] {B, Ib} Nebenwirkungsraten wirkungsraten als Celecoxib aufzeigte und im 152, 157]. als Celecoxib aufzeigte und im September 2004 gefahr werden diese Injektionen von der Leit Massagen im Allgemeinen nicht sinnvoll, liniengruppe nicht empfohlen. manchmal erforderlich vor der Bewegungsthe- Beratungsursache 3: Schmerzen bei muskuloskelettalen Erkrankungen rapie bei aktiviert ausgeprägten Myogelosen [96] {A, Ib} Arthrose Maßnahmen, derCox-2 Arzneitherapie Hinweis: NSARdie (incl. Hemmer) vorangehen können zu oder diese unterstützen kardiovaskulären Nebenwirkungen wie ischämiHausärztliche Leitlinie »Therapie von Schmerzen« schen Komplikationen, arterieller Hypertonie, HerzArthrose aktiviert insuffizienz und Ödemen (s. führen [7, nicht 150, 229]. Arthrose Allgemeinmaßnahmen Coxibe sind ähnlich im Wirkungs- und Nebenwiraktiviert) kungsspektrum 189], wobei akutem[5,Zustand [27] {A,RofeIa} KältetherapiewiebeiNSAR coxib(nur höhere kardiovaskuäre Nebenwirkungsraten wenige Studien) als und[107] im September 2004 Tapen desaufzeigte Kniegelenks {A, Ib} Celecoxib Zur physikalischen Therapie siehe Heilmittelkatalog Therapeutischer Ultraschall (bei kalzifizierender Tendinitis der Schulter [64] {A, Ib} u. U. Akupunktur, Ultraschall am Knie [74] {A}, Hausärztliche LeitlinieMagnetfeldtherapie »Therapie von Schmerzen« für gepulste und Extrakorporale Stoßwellentherapie (ESWT) findet sich kein Beleg für den Nutzen Schwere chronische destruierende Arthrose Schnittstelle: Überweisung zum Spezialisten Schwere chronische destruierende Arthrose Schnittstelle: Überweisung zum Spezialisten 11 Arzneitherapie vom Markt genommen wurde [6, 151, 152, 157]. Die EMEA [69] benennt für Coxibe KHK und Version 3.03 I 28. Januar 2008 Schlaganfall als Kontraindikation, die ArzneimittelArthrose aktiviert erweitertDiclofenac dies noch[114] auf {A, Patienten mit NSAR: Ibuprofen, Ib}, kommission kardiovaskulärem Risiko [7]. Naproxen scheint Naproxen, NSAR-Auswahlkriterien beachten, unter den NSAR das geringste kardiovaskuläre s. Anhang! Risiko aufzuweisen Opiate s. Anhang[151, 152, 157]. Medikamentenwahl s. oben 11 Version 3.03 I 28. Januar 2008 Seite 32 KVH • aktuell Nr. 4 / 2008 Einteilung der Rückenschmerzen, Yellow and red flags Für die Leitlinie erfolgt eine Einteilung der Rückenschmerzen nach folgender Systematik [7, 43] Unspezifische Rückenschmerzen 70-80Prozent [18] akut/chronisch. Diese Kreuzschmerzen sind nicht auf eine erkennbare spezifische Pathologie zurückzuführen. Hierauf liegt der Fokus der Leitlinie. Spezifische Rückenschmerzen 1. radikulär (z. B. Bandscheibenprolaps, Spinalkanalstenose, Spondylolisthesis) 2. Rückenschmerzen aufgrund anderer Erkrankungen (s. red flag; z. B. Osteoporose, Knochenmetastasen). Befunderhebung zum Ausschluss von Warnzeichen (red flags) und eines neurologischen Defizits sowie zur Erfassung der funktionellen Beeinträchtigung [43]. Unspezifische Rückenschmerzen erfordern keine bildgebenden Verfahren [43, 154], da sie die Ursache der Beschwerden meist nicht erklären und damit ohne therapeutische Konsequenz sind. Eine Überdiagnostik sollte auch wegen der Gefahr der Fixierung des Patienten auf das Krankheitsbild vermieden werden. Junge, symtomfreie Menschen (ohne Rückenschmerzen) zeigen bis zu 27% im bildgebenden Verfahren eine Protrusion, 14% einen Prolaps [112]. Ältere Patienten haben häufig deutliche Veränderungen an der Wirbelsäule, ohne dass diese zu Schmerzen führen. Hinweise für drohenden chronischen Verlauf (Yellow flags) [3, 7] Höheres Alter Degenerative Prozesse Psychosoziale Überforderung/Traumatisierung Emotionale Beeinträchtigungen (Depression, Angst) Schwerarbeit (Tragen, Heben schwerer Lasten) Monotone Körperhaltung Geringe berufliche Qualifikation Berufliche Unzufriedenheit (Mikro-)Traumen Passive Grundeinstellung Inadäquate Krankheitsvorstellungen Rauchen, Übergewicht Geringe körperliche Kondition Hinweise auf komplizierte Rückenschmerzen (Red flags) [7, 18] Alter < 20 Jahre oder > 50 Jahre Mehrere Nervenwurzeln betroffen oder das Kauda-Equina-Syndrom (Reithosenanästhesie, Blasen- und Mastdarmstörung) Ausgeprägte neurologische Ausfälle z. B. Reflexauffälligkeiten, motorische und sensible Ausfälle im Bereich eines Dermatoms Zunehmender, nicht bewegungsabhängiger Schmerz oder Persistenz der Beschwerden trotz Therapie Schlechter Allgemeinzustand Fieber (z.B. Hinweis auf paraspinalen Abszess) Bekannte Tumorerkrankung Adäquates Trauma, das eine Fraktur wahrscheinlich macht Intravenöser Drogenmißbrauch Fortgeschrittene HIV-Infektion, Immunsuppr. Systemische Steroidmedikation oder bekannte Osteoporose (WS-Sinterungsfraktur) Hinweise auf entzündlich rheumatische Erkrankungen Rückenschmerz: Therapieziele und Schnittstellen Der Rückenschmerz ist ein häufiger Besuchsanlass in der Allgemeinarztpraxis [170]. Therapieziele Der Patientenführung, den Vorbeugemaßnahmen und der adäquaten Behandlung beim Rückenschmerz kommen eine große sozioökonomische Bedeutung zu [1, 2]. Die Leitliniengruppe empfiehlt, Therapieziele so genau wie möglich zu benennen und mit dem Patienten unbedingt realistische Ziele zu vereinbaren (»mit Schmerzen leben lernen« vor »garantierte Schmerzfreiheit«). Bei chronischem Verlauf ist auf die Bedeutung der körperlichen Aktivität als Therapiegrundlage hinzuweisen. Therapieziele sind: Schmerzreduktion (VAS) Verbesserung der Beweglichkeit und Mobilität Reduktion des Analgetikabedarfs Berufliche (Re-)Integration, d. h. Arbeits- und Erwerbsfähigkeit wiederherstellen und erhalten Verbesserung der Lebensqualität in Alltag Nr. 4 / 2008 KVH • aktuell und Beruf (Sozialkontakte, Selbständigkeit, Freizeitaktivität) Reduktion der Inanspruchnahme medizinischer Leistungen (Arztbesuche, operative Leistungen, Physiotherapie, Psychotherapie) Besondere Herausforderung: Chronifizierung vermeiden. Definition [nach 7]: Wenn das Schmerzgeschehen mehr als drei Monate anhält, seine Alarmfunktion verloren hat und zunehmend psychologische Begleiterscheinungen mit veränderter Schmerzwahrnehmung und Schmerzverarbeitung aufweist. Es ist schließlich von einem eigenständigen Krankheitsbild »chronische Schmerzkrankheit« auszugehen. Es ist geprägt durch körperliche Symptome (Schmerzen, zusätzliche sekundäre Symptome), psychische Beeinträchtigungen (Angst, Depressivität), Veränderungen im Verhalten (Schon- und Vermeidungsverhalten) und zeigt soziale Auswirkungen (Arbeitsplatzverlust, soziale Isolation). Subjektive Bewertungen der Patienten (Krankheits-, Selbsterklärungen, Erleben schmerzbedingter Beeinträchtigungen) sind für den weiteren Seite 33 Krankheitsverlauf von großer Bedeutung. Daneben darf nicht übersehen werden, dass chronische Verläufe auch durch den sekundären Krankheitsgewinn ausgelöst und verstärkt werden können (Arbeitsunfähigkeit, Rehamaßnahmen bis hin zur Frühverrentung). Diese Patienten werden nach erfolgter Verrentung im Allgemeinen nicht mehr durch Kreuzschmerzen auffällig. Unterstützende Maßnahmen gegen Chronifizierung: Ergonomie am Arbeitsplatz Rückenschule Sportliche Betätigung Auswahl der Matratze, Bürostuhl, Autositz Geeignetes Schuhwerk Schnittstellen Rechtzeitiges Erkennen einer drohenden Chronifizierung. Bei therapieresistentem Verlauf nach ca. 2 Wochen Re-evaluation. Weitere Diagnostik (z. B. Röntgen- oder Laboruntersuchungen, wie BSG) können sinnvoll sein [18]. Ggf. Überweisung zum Spezialisten. Nichtradikuläres Schmerzsyndrom: Unspezifische Kreuzschmerzen und Lumbago Alter 20-50 Jahre Lumbosakrale Schmerzen, evtl. mit dermatomübergreifender Ausstrahlung in das Gesäß oder die Oberschenkel Bewegungsabhängige Schmerzen: Positionsänderungen können zu einer Besserung oder Verschlechterung führen Guter Allgemeinzustand Lumbago Der Hexenschuss (Lumbago) stellt eine akute Form des lokalen Lumbalsyndroms dar [124]. Hinweis Die Prognose des nicht radikulären Rückenschmerzes ist gut [164] {A}. Radiologische Untersuchungen werden zu häufig angefordert [43, 112]. Nur bei akuten radikulären oder therapieresistenten Schmerzen ist eine weitergehende bildgebende Diagnostik erforderlich [7]. Behandlung des akuten unspezifischen Kreuzschmerzes Nichmedikamentöse Maßnahmen Frühzeitige Mobilisierung Stufenbett Wärme Aufklärung über Ursache und zu erwartenden Verlauf der Beschwerden Medikamentöse Maßnahmen Nichtopioid-Analgetika (z. B. Paracetamol [45]) NSAR [120] {A, Ia} Vorsicht: Nicht i. m. injizieren, großes Potenzial multipler Nebenwir- kungen! Zulassungsvorschriften beachten (s. Anhang). Triggerpunktanalgesie oder Quaddeln mit Lokalanästhetikum [179] {B, III} Opioide (strenge Indikationsstellung), wenn andere Analgetika nicht wirken: kurzfristig 1 bis 3 Tage [7]; ggf. in Kombination mit NSAR Steroide (i.m.) helfen nicht bei Lumbago [85] {A} Muskelrelaxantien [184] {A, Ib}, [216] {Ia}: Cave: kritisch wegen Sedierungs- und Abhängigkeitsrisiko Seite 34 Nr. 4bergen / 2008 KVH • aktuell Hinweise Fortgesetzte Arbeitsunfähigkeitsatteste Gefahr der Chronifizierung. Zurückhaltender Einsatz der Schmerzmittel; nichtmedikamentöse Maßnahmen stehen im Behandlung Vordergrund! unspezifischer chronischer Kreuzschmerzen Maßnahmen, die der Arzneitherapie vorangehen oder diese unterstützen Ausführliche psychosoziale Anamnese und Gespräche zum Krankheitsverständnis [20] {BI} Patienteninformation/-schulung [31] {A} [127] z. B. Patientenflyer der DEGAM [www.degam/leitlinien/patinfo_kreuz.pdf] Physikalische Therapie (manuelle Therapie [9, 10, 12, 213, 214]. Bewegungstherapie [101, 102, 103, 138, 187, 195, 202] Empfehlenswerte Sportarten: Rad fahren, Schwimmen [4] (Brustschwimmen vermeiden), Jogging, Walking, Rückentraining Neue, anatomisch angepasste Matratzen können die Schmerzen bei Patienten mit chronischen Rückenschmerzen reduzieren [123] TENS Akupunktur (auch »Schein«-Akupunktur) scheint wirksam zu sein [26, 67, 137, 206] Gezieltes Training von Arbeits- und Gebrauchsbewegungen Arbeitsplatzsanierung Evtl. auch weiterführende psychologische Interventionen [211] Hinweise Operationen Zurückhaltender Einsatz der Schmerzmittel; Operationen bei chronischen Rückenschmerzen nichtmedikamentöse Maßnahmen stehenzur im zeigen keine Verbesserungen im Vergleich Vordergrund! Fortgesetzte Arbeitsunfähigkeitsatteste bergen Gefahr der Chronifizierung. Arzneitherapie Nichtopioide Analgetika (Paracetamol [7, 45], Metamizol) NSAR (in niedrigst wirksamer Dosierung und möglichst kurzer Dauer wg. Nebenwirkungen [7], ggf. Magenschutz mit PPI [7]) Trizyklische Antidepressiva (z. B. Amitriptylin) [183] {A, Ia} Opioide, strenge Indikationsstellung, wenn andere Analgetika nicht wirken: 2-3 Wochen [7]; Effektivität bei chronischem Schmerz begrenzt [51, 140] Cave: Analgetikamissbrauch: Dauertherapie vermeiden! Operationen Rehabilitation mit intensiver Übungsbehandlung Operationen bei chronischen Rückenschmerzen und Verhaltenstherapie sowie psychologischer zeigen keine Verbesserungen im Vergleich zur Betreuung [75] {B}. Rehabilitation mit intensiver Übungsbehandlung und Verhaltenstherapie sowie psychologischer Betreuung [75] {B}. Radikuläre Rückenschmerzen Bandscheibenprotrusion/Bandscheibenvorfall/ Spondylolisthesis: Man unterscheidet [zitiert nach 124]: Bandscheibenprotrusion: Der Anulus fibrosus ist nochLeitlinie intakt. »Therapie Eine Möglichkeit zur RückverlaHausärztliche von Schmerzen« gerung des dislozierten Bandscheibenmaterials ist gegeben. Die Protrusion ist keine Ursache für Schmerzen! Bandscheibenvorfall (Prolaps): Das verlagerte Bandscheibengewebe ist durch eine Perforation des Anulus fibrosus hindurchgetreten, eine Rückverlagerung ist nicht möglich. Eine Rückbildung ist jedoch möglich. Spondylolisthesis: Das Wirbelgleiten führt unter dem Gleitwirbel zu einer Gelenk- und Nervenirritation mit meist doppelseitiger Ischialgie. 16 Pseudoradikuläre Phänomene imitieren eine Wurzelläsion ohne dass eineVersion solche3.03 vorliegt unkom2008 I 28.(s.Januar plizierter Rückenschmerz) [113]. Radikuläres Lumbalsyndrom Häufigste Ursache des radikulären Lumbalsyndroms ist der Bandscheibenprolaps: Nicht jeder Bandscheibenvorfall muss (sofort) operiert werden! [43, 224]: Eine neuere Untersuchung zeigt, dass bei Bandscheibenvorfall mit frühzeitiger Operation es zwar zu einer schnelleren Schmerzlin- Nr. 4 / 2008 KVH • aktuell derung im Vergleich zur konservativen Behandlung kommt, jedoch sind die Ergebnisse nach einem Jahr identisch [168]. Der Vergleich von chirurgischer und nicht-operativer Behandlung mit lumbalem Bandscheibenvorfall ohne neurologische Ausfälle ergab in der randomisiert durchgeführten SPORTStudie nach 2 Jahren keinen Unterschied [80, 223, 224]. Patienten mit lumbalem Bandscheibenvorfall ohne neurologische Ausfälle, die der Randomisierung nicht zustimmten und sich freiwillig operieren ließen, waren in den ersten Monaten nach der Operation deutlich beschwerdeärmer (SPORT-Studie) [80]. Epidurale Injektion von Steroiden bringt bei Nervenkompressionssyndrom keine längerfristige Besserung [228] [A]. Bei der Spondylolisthesis mit Spinalkanalstenose und radikulärer Ausstrahlung scheint die operative Behandlung der konservativen überlegen zu sein [222]. Seite 35 Die Leitliniengruppe empfiehlt: Bei Bandscheibenvorfall mit motorischen Ausfällen ist im allgemeinen eine Operation notwendig. Bei Bandscheibenvorfall ohne motorische Ausfälle ist die Operation nur bei therapieresistenter Schmerzsymptomatik zu erwägen. Nach Ausschluss einer OP-Indikation: medikamentöse Schmerzbehandlung, Mobilisierung, ggf. Stufenbettlagerung. Das Vorgehen gilt auch für zervikales radikuläres Schmerzsyndrom, wobei hier auch sensible Ausfälle eine Operationsindikation darstellen können. Schnittstelle: Radikuläres Schmerzsyndrom Abklärung der OP-Indikation und Dringlichkeit durch Spezialisten (Neurochirurg/Neurologe) Fibromyalgie Trias: chronisch ausgedehnte Schmerzen an oberer und unterer Körperhälfte, zu beiden Seiten der Symmetrieebene; mit oft wechselnder Lokalisation und wechselnder Intensität Multiple vegetative Begleiterscheinung Depressive Symptomatik Nichtmedikamentöse Maßnahmen Aufklärung Physikalische Maßnahmen: Wärme, Bäder, Ganzkörpertraining (aktive Bewegung) [32] Autogenes Training, Verhaltenstherapie, Psychotherapie Keine Kälte, keine Krankengymnastik Medikamentöse Therapie Antidepressiva (Amitriptylin) Inadäquat: Steroide und NSAR Nichtviszerale Thoraxschmerzen Thoraxschmerzen (kurze, scharfe, stechende Schmerzen, die atemabhängig sind und weniger als 30 s dauern) werden vom Patienten häufig mit Herzkrankheit assoziiert und sind daher meist angstbesetzt. Bewegungsabhängige Myalgien vertebragene Schmerzen der BWS (Interkostalneuralgie), Torsionsskoliose der BWS Tietze-Syndrom Therapie: möglichst ursachenorientiert. Als häufige Ursachen kommen unter anderem in Betracht: Definierte chronisch entzündliche Erkrankungen Beispiele: rheumatoide Arthritis, Spondylitis ankylosans, Diszitis, Osteomylitis. Schnittstelle: Diagnostik, allgemeine Maßnahmen und Therapie in enger Zusammenarbeit mit dem Rheumatologen/Orthopäden. Seite 36 KVH • aktuell Nr. 4 / 2008 Schmerzen Kontrovers diskutiert wird, ob Schmerzmittel vor Abdominale/viszerale Psychosomatische (Mit-)Ursachen (z. B. Abschluss der Diagnostik bei akuten Bauch- Ängste) abklären. schmerzen gegeben werden sollen. von Entzugsschmerzen. Abdominale Schmerzen ohne lebensbedrohliche AusschlussNotfälle Maßnahmen, die der Arzneitherapie vorangehen oder diese unterstützen Beruhigen! Ruhe Entspannung Ggf. Nahrungskarenz, Flüssigkeit parenteral, Eis/Wärme je nach Indikation Ggf. abführende Maßnahmen Kontrovers diskutiert wird, ob SchmerzmitAchtung: tel vor der Diagnostik bei akuten ASSAbschluss wegen Blutungsgefahr verabreichen Kein Bauchschmerzen gegeben werden Spastik), Bei Koliken kein Morphin (verstärkt diesollen. ggf. Psychosomatische (Mit-)Ursachen (z. B. ÄngsPethidin (Dolantin®) [106] {A, Ib} verabreite) abklären. chen Ausschluss von Entzugsschmerzen. Achtung: Kein ASS wegen Blutungsgefahr verabreichen Arzneitherapie nach [88] {R} Paracetamol Butylscopolaminiumbromid (z. B. Buscopan®) Metamizol, zusätzlich spasmolytisch wirksam (Reservemedikation wegen Agranulozytoserisiko, Hypotoniegefahr bei zu schneller i.v.Gabe) Opioide in regelrechter Dosierung nur im akuten Notfall und bei strenger Indikationsstellung [115] Bei Koliken kein Morphin (verstärkt die SpasSchnittstelle: ggf.abdominellen Pethidin (Dolantin®) {A, Ib} Beitik), akuten anhaltenden[106] Schmerzen: verabreichen Überweisung zu Pädiatern, Internist/Chirurg/Gynäkologen; ggf. Klinikeinweisung. Schnittstelle: Bei akuten abdominellen anhaltenden Schmerzen: Überweisung zu Pädiatern, Internist/Chirurg/Gynäkologen; ggf. Klinikeinweisung. Kopfschmerzen Klassifikation Kopfschmerzen vom Spannungstyp ebenso wie Migräne mit und ohne Aura sind sehr häufig auftretende Erkrankungen. Die Betroffenen behandeln sich überwiegend mit rezeptfreien Schmerzmitteln: Mehr als 80% der Patienten mit Kopfschmerzen vom Spannungstyp und etwa 2/3 der Migränepatienten konsultierte noch nie einen Arzt wegen ihrer Beschwerden [62]. Erhebungen in niedergelassenen Praxen und Klinikambulanzen zeigen, dass Migräne und Spannungskopfschmerzen etwa 70% bis 80% aller primären Kopfschmerzsyndrome ausmachen [142]. Im ersten Leitlinie Schritt sind durch den Hausarzt Hausärztliche »Therapie von Schmerzen« Diagnose und Ursachen abzuklären, das bedeutet zu erkennen, ob es sich um primäre oder sekundäre Kopfschmerzen handelt. Die Leitliniengruppe empfiehlt hierbei die Nutzung der internationalen Klassifikation von Kopfschmerzerkrankungen [70, 121, 205]. Die IHS-Klassifikation teilt die Kopfschmerzen in 14 Gruppen ein und unterscheidet zwischen primären und sekundären Kopfschmerzen [70]. IHS-Klassifikation [70] Primäre Kopfschmerzerkrankungen 1. Migräne 2. Kopfschmerz vom Spannungstyp 3. Clusterkopfschmerz und andere trigeminoautonome Kopfschmerzerkrankungen 4. Andere primäre Kopfschmerzen (z. B. bei Husten, körperlicher Anstrengung, bei sexueller Aktivität, schlafgebundener Kopfschmerz) 19 Sekundäre Kopfschmerzerkrankungen (Kopfschmerz zurückzuführen Versionauf 3.03...)I 28. Januar 2008 5. Ein Kopf- und/oder HWS-Trauma 6. Gefäßstörungen im Bereich des Kopfes oder des Halses 7. Nichtvaskuläre intrakranielle Störungen (z. B. Tumore; Anm. Leitliniengruppe) 8. Eine Substanz oder deren Entzug 9. Eine Infektion Nr. 4 / 2008 KVH • aktuell 10.Eine Störung der Homöostase, z. B. bei Hypoxie, Schlafapnoe, hypertensive Krise 11.Erkrankungen des Schädels sowie von Hals, Augen, Ohren, Nase, Nebenhöhlen, Zähnen, Mund oder anderen Gesichts- oder Schädelstrukturen 12.Psychiatrische Störungen Seite 37 Neuralgien und sonstige Kopfschmerzen 13.Kraniale Neuralgien und zentrale Ursachen von Gesichtsschmerzen 14.Andere Kopfschmerzen, kraniale Neuralgien, zentrale oder primäre Gesichtsschmerzen Erstdiagnose Die sorgfältige Anamnese ist Voraussetzung für die richtige Diagnose. Die neurologische und internistische Untersuchung und die apparativen Zusatzuntersuchungen dienen im Einzelfall nur zum Ausschluss beziehungsweise zum Nachweis von sekundären Kopfschmerzen. Der behandelnde Arzt sollte unbedingt bei der Erstdiagnose von Kopfschmerzen eine körperliche Untersuchung vornehmen. Die körperliche Untersuchung kann die im Folgenden aufgeführten Elemente beinhalten [71], die auch in der Hausarztpraxis in kurzer Zeit durchzuführen sind: Neurologische Untersuchung unter besonderer Berücksichtigung des Hirnnervenstatus, Reflexstatus, Sensibilität in den Grundqualitäten, Koordination und Motorik, neuropsychologische Grundtestung. Untersuchung der HWS (Beweglichkeit der oberen HWS-Segmente, Druckschmerzhaftigkeit der perikranialen Muskulatur) und Inspektion der gesamten Wirbelsäule. Untersuchung der Kieferfunktionen und des Zahnstatus inklusive der Schleimhäute. Messung des Blutdrucks. Erhebung eines Gefäßstatus (A. temporalis, Auskultation der A. carotis). Auskultation von Herz und Lunge. Tastbefund des Abdomens (besonders bei Kindern). Inspektion der Haut. Merke: Für alle Kopfschmerzarten gilt: Sekundäre Ursachen ausschließen (z. B. Augen, Nasennebenhöhlen, Halswirbelsäule, Kauapparat, Tumor, Hochdruck, Schlaganfall, TIA, SAB usw.) bzw. gezielt behandeln. Bei folgenden Situationen können die Kopfschmerzen auf einen gefährlichen Verlauf hinweisen [97, 98], wenn Kopfschmerzen: Wenn sie täglich oder fast täglich auftreten, mit weiteren Symptomen wie Lähmungen, Gefühls-, Seh-, Gleichgewichtsstörungen, Augentränen oder starkem Schwindel einhergehen, mit psychischen Veränderungen wie Störungen des Kurzzeitgedächtnisses oder Störungen der Orientierung zu Zeit, Ort und Person einhergehen, erstmals im Alter von über 40 Jahren auftreten, in ihrer Intensität, Dauer und/oder Lokalisation unüblich sind, erstmals während oder nach körperlicher Anstrengung auftreten, sehr stark sind und in den Nacken ausstrahlen, von hohem Fieber begleitet sind, nach einer Kopfverletzung, z. B. einem Sturz auftreten, trotz Behandlung an Häufigkeit, Stärke und Dauer zunehmen, zusammen mit einem epileptischen Anfall und Bewusstlosigkeit auftreten, nicht mehr auf die bisher wirksamen Medikamente ansprechen. Die einzelnen Kopfschmerztypen Spannungskopfschmerz Spannungskopfschmerz ist der häufigste Kopfschmerz. Die bevölkerungsbezogene Lebenszeitprävalenz beträgt beim episodischen Kopfschmerz vom Spannungstyp 66% [71, 200]. sodische Spannungskopfschmerzen. Jeden 13. Betroffenen quälen sogenannte chronische Spannungskopfschmerzen. Diese Menschen leiden im Durchschnitt ca. alle 2 Tage unter Schmerzen. Meistens treten die Beschwerden nur an wenigen Tagen im Monat auf, deshalb nennt man sie epi- Kriterien für Spannungskopfschmerz [71] Ein Spannungskopfschmerz liegt vor, wenn Seite 38 KVH • aktuell die Kopfschmerzdauer zwischen 30 Minuten und 7 Tagen liegt, der Kopfschmerz mindestens zwei der folgenden Charakteristika aufweist: 1. beidseitige Lokalisation 2. Schmerzqualität drückend oder beengend, nicht pulsierend 3. leichte bis mittlere Schmerzintensität 4. keine Verstärkung durch körperliche Routineaktivitäten wie Gehen oder Treppensteigen, die beiden folgenden Punkte erfüllt sind: 1. keine Übelkeit oder Erbrechen (Appetitlosigkeit kann vorkommen, bei der chronischen Verlaufsform auch Übelkeit) Der Hausarzt sollte die Selbstmedikation des 2. Photophobie oder Phonophobie, nicht jePatienten kennen und wissen, welche Informadoch beides, kann vorhanden sein. tionen der Patient über die Kopfschmerzen hat. Nr. 4 / 2008 Beratungsursache 5: Kopfschmerzen Der Kopfschmerz nicht auf eine andere Erkrankung zurückzuführen ist. Die Intensität des Spannungskopfschmerzes ist in der Regel leicht bis mittelschwer. Der normale Tagesablauf wird dadurch zwar nicht Ì Spannungskopfschmerz (Fortsetzung) verhindert, aber in vielen Fällen erheblich behindert. Der Schmerz ist im Hintergrund fühlbar und wird als ständiger unangenehmer Begleiter wahrgenommen [63]. Auslöser oder verstärkende Faktoren können Stress, fieberhafte Infekte, aber auch muskuläre Fehlbelastung sein [200]. Beim unterscheidet man Der Spannungskopfschmerz Hausarzt sollte auch den psychosozialen drei verschiedene Verlaufsformen: Hintergrund für häufige Kopfschmerzen erfragen. weniger als 12 Tage pro Jahr: sporadisch auftretender episodischer Kopfschmerz vom Maßnahmen, die der Arzneitherapie vorangehen oder diese unterstützen Arzneitherapie Eine nichtmedikamentöse Therapie reicht häufig aus. Sie sollte in jedem Fall, auch bei eingeleiteter medikamentöser Zusatztherapie fortgesetzt werden [217] {A, Ia}. Schmerztagebuch (chronischer Kopfschmerz) [54] Information über auslösende Faktoren (z. B. Schlafstörung, Alkohol, Koffein) [52] Psychotherapie (z. B. Stressbewältigungstraining), Schlafstörungen erfragen [165] {A, eR}, [166] {Ia} Entspannungstraining (Jacobson), autogenes Training [199] {A, Ia}, biofeedbackgesteuertes Entspannungstraining [33] {A, Ib} Sporttherapie (Ausdauersport: Joggen, Radfahren, Schwimmen) Akupunktur [136] {B, R}, [134, 218], Akupressur TENS [191] {A, Ib} Chirotherapie [23] {A, Ib} Physikalische Therapie [139] {B, IIb} Ätherische Öle (z. B. Pfefferminz) auf die Schläfen/die Stirn [91] {A, Ib} Bei akutem Auftreten Paracetamol [174] {A, Ib}, Einzeldosis 5001000 mg, maximal 4.000 mg/d Ibuprofen [60] {A}, Einzeldosis 400-800 mg, maximal 2.400 mg/d ASS [197] {A, Ib}, Einzeldosis 500-1000 mg, maximal 3.000 mg/d Metamizol [141] {A, Ib} (Reservemedikation wegen Agranulozytoserisiko), oral 1-4 mal tgl. 500-1000 mg Neuraltherapie Triptane und Ergotamine wirken hier nicht! Prophylaxe bei chronischem Kopfschmerz vom Spannungstyp Antidepressiva: z. B. Amitriptylin [207] {A, Ia}; 1. Woche: abends 25 mg; 2. Woche: abends 50 mg; Ab 5. Woche: Dosierung nach Nebenwirkungen und Therapieerfolg, mittlere Dosis 50100 mg; Höchstdosis 150 mg [235]. Anhebung der Schmerzschwelle; Wirkung setzt frühestens nach ca. 14 Tagen ein, der Erfolg kann frühestens nach ca. 6 Wochen bei ausreichender Dosierung beurteilt werden; erst dann ist das Umsetzen auf ein anderes Medikament sinnvoll. Selektive Serotoninwiederaufnahmehemmer wirken nicht. Bezüglich der Therapie bei Kindern lässt die Datenlage eine Empfehlung nicht zu [200]. Cave: Analgetikaabusus! Aufklären und Analgetika absetzen! (s. Analgetikakopfschmerz) 23 Nr. 4 / 2008 KVH • aktuell Spannungstyp 12 bis 180 Tage pro Jahr: häufig auftretender episodischer Kopfschmerz vom Spannungstyp mehr als 15 Tage pro Monat: chronischer Kopfschmerz vom Spannungstyp. Seite 39 Der Hausarzt sollte die Selbstmedikation des Patienten kennen und wissen, welche Informationen der Patient über die Kopfschmerzen hat. Der Hausarzt sollte auch den psychosozialen Hintergrund für häufige Kopfschmerzen erfragen. Migräne Die Prävalenz der Migräne beträgt in der Bevölkerung 6% bis 8% für Männer und 12% bis 14% für Frauen [142]. Migräne ist eine der häufigsten Kopfschmerzformen. Die Migräne ohne Aura (»einfache« Migräne) ist am häufigsten. Rund 10% bis 15% der Patienten leiden unter einer Migräne mit Aura (»klassische« Migräne). Andere Migräneformen sind sehr selten (Basilarismigräne, retinale Migräne, Migräne mit prolongierter Aura, familiär hemiplegische Migräne [142]. Wichtige differenzialdiagnostische Fragen, die für die Diagnose einer Migräne sprechen, sind eine familiäre Häufung, die Beeinflussung der Kopfschmerzen durch hormonelle Veränderungen (Menstruation, Ovulation, Schwangerschaft, Stillzeit) und Stress sowie vor allem Zunahme der Kopfschmerzen unter körperlicher Belastung, wie Treppenlaufen und Lasten heben. Vorliegen von Triggerfaktoren wie Nahrungsmittel, Schlafmangel u. a. Ein sehr sensitives Symptom für eine Migräne ist die Osmophobie, sie tritt allerdings nur bei bis zu 30% der Migränepatienten auf. Wichtiger als ein einzelnes Symptom (wie Halbseitigkeit der Kopfschmerzen) sind die Kombination der Schmerzen mit vegetativen Symptomen und die für Migränekopfschmerzen typische Zeiteinheit (zur Klinik s. nebenstehende Auflistung). Sensitivstes Symptom für die Unterscheidung einer Migräneaura von einem Schlaganfall ist die schrittweise Ausbreitung der Symptome bei der Aura (z. B. der visuellen Phänomene oder der Parese), während neurologische Ausfallssymptome im Rahmen eines zerebralen Insults schlagartig auftreten [142]. Klinik der Migräne [mod. nach 142] Prodromi Gähnen, Befindlichkeitsstörung, Heißhunger Symptome beginnen Stunden bis maximal einen Tag vor der eigentlichen Attacke Aura Remittierende, neurologische Reiz- oder Ausfallssymptome, üblicherweise vor dem Kopfschmerz auftretend, Dauer ca. 20-40 Min. Art des Schmerzes attackenförmig Frequenz 1-8/Monat, in selteneren Fällen auch häufiger Dauer 4 bis 72 h Lokalisation bei etwa zwei Drittel der Patienten einseitig, kann zwischen oder innerhalb der Attacken die Seiten wechseln meist im Nacken beginnend, dann nach vorne ausstrahlend; daher oft mit HWS-Beschwerden verwechselt Charakter pulsierender, pochender Schmerz Schmerzintensität, Quantifizierung durch Visuelle Analog Skala (VAS) mittelschwer bis schwer vegetativ Appetitlosigkeit (> 80%) Nausea,Vomitus (40-50%) Triggerung individuell verschiedene Faktoren (Hormone, Stress, Alkohol, Flickerlicht, Gerüche, tryptophanhaltige Lebensmittel etc.) zusätzlich durch körperliche Anstrengung verstärkt durch andere Begleitsymptome Phono-(50%), Photo-(90%), Osmophobie (30%) Mnestische Störungen Seite 40 KVH • aktuell Nr. 4 / 2008 Migräne bei Kindern Migräne bei Kindern [62]: Bis zum neunten Lebensjahr leiden etwa 2,5% der Kinder unter Migräne, bis zum zwölften Lebensjahr sind es sogar 5% der Kinder. Neuere Studien lassen erkennen, dass die Neuerkrankungen bei Kindern in den vergangenen 20 Jahren deutlich zugenommen haben. Die kindliche Migräne ist der Migräne bei Erwachsenen sehr ähnlich, zeigt aber Besonderheiten: Die Attacken sind eher kürzer (1-6 h maximal). Attacken sind oft verbunden mit vegetativen Beschwerden (Bauchschmerzen, Übelkeit und Erbrechen). Im Kindesalter werden verschiedene Varianten der Migräne beobachtet. Es können kopfschmerzfreie Schwindelattacken mit Übelkeit und Erbrechen auftreten. Ebenfalls ohne Kopfschmerzen bleibt die abdominelle Migräne, bei der die Kinder plötzlich in der Frühe über Übelkeit klagen und danach Erbrechen. Die hemiplegische Migräne ist charakterisiert durch reversible neurologische Störungen. Therapieempfehlung bei Kindern Attacken: Paracetamol 15 mg/kg KG, ASS (> 12 Jahre) 10-15 mg/kg KG, Ibuprofen 10 mg/kg KG [72] Antiemetika: Domperidon, 1 Tropfen/kg, maximal 33 Tropfen/Dosis (für Kinder nicht zugelassen) (MCP: > 14 Jahre) Beratungsursache 5: Kopfschmerzen Prophylaxe: Nichtmedikamentös: Verhaltenstherapie, AusÌ Migräne: Therapieübersicht dauersport, regelmäßige Mahlzeiten, ausreichend Schlaf Medikamentös: Betablocker (Propranolol oder Metoprolol 1-2 mg/kg/Tag in 1-2 Dosen) [21] Migräne: Therapieübersicht Maßnahmen, die der Arzneitherapie vorangehen oder diese unterstützen Arzneitherapie Schmerztagebuch, Schmerzkalender [53, 54] Im Anfall (ausreichend hoch dosieren): ASS [128] {A} 1.000 mg oral oder i.v. Paracetamol [132] {A, Ib} 1.000 mg NSAR (z. B. Naproxen [209] {A, Ib} 5001.000 mg, Ibuprofen), 200-600 mg [61] Metamizol (zweite Wahl) [142] Zusätzlich: 15 Minuten vor Analgetikumgabe MCP oder Domperidon Ergotamine [143] {B} [204] {B, eR} Sumatriptan [143] {A} oder andere Triptane [78] {A, Ia} (bei besonders schweren Attacken, wenn die klassischen Migränemittel nicht ausreichen) Im Anfall: Ruhe Abschirmung gegen Noxen (Licht, Lärm, Gerüche, Kälte usw.) Achtung: Kontraindikationen und maximale Tagesdosis beachten; keine Kombination Ergotamin/Triptan! Hinweis zu Triptanen (s. auch Anhang) Hinweis zu Triptanen (s.Vasospastische auch Anhang) und arteKontraindikationen: Kontraindikationen: Vasospastische und arterioriosklerotische Gefäßkrankheiten (einschl. KHK), sklerotische Gefäßkrankheiten (einschl. KHK), Schwangerschaft, Stillzeit, schlecht eingestellte Schwangerschaft, Stillzeit, schlecht eingestellte Hypertonie, schwere Niereninsuffizienz. Hypertonie, schwere Niereninsuffizienz. Hinweis zu MCP: Hinweis zu MCP: Die i.v. Gabe von MCP (z. B. 10 mg langsam) Die i.v. Gabe von und MCPSchmerzen (z. B. 10 mg langsam) verbessert Übelkeit bei Migräne. verbessert [48, 105]. Übelkeit und Schmerzen bei Migräne. [48, 105]. Nr. 4 / 2008 KVH • aktuell Migräneprophylaxe Migräneprophylaxe Bei häufigen Migräneattacken (3 und mehr Anfälle/ Bei häufigen (3 und mehr AnMonat) und Migräneattacken sehr langanhaltenden Attacken fälle/ Monat) und sehr langanhaltenden Attacken (> 72 h) sollte eine Migräneprophylaxe begonnen (> 72 h) sollte eine Migräneprophylaxe begonnen werden [61, 142] {A}. Ausreichend lange (3-9 werden [61, 142] {A}. Ausreichend lange (3-9 MoMonate) durchführen, ausschleichend beenden: Seite 41 Allerdings gibt es keine allgemein akzeptierte Indikation für den Start einer Migräneprophylaxe. Allerdings gibt es mit keine Sie sollte sorgfältig demallgemein Patienten akzeptierte abgestimmt Indikation für den Start einer Migräneprophylaxe. werden [73]. Sie sollte sorgfältig mit dem Patienten abgestimmt werden [73]. nate) durchführen, ausschleichend beenden: Maßnahmen, die der Arzneitherapie vorangehen oder diese unterstützen Arzneitherapie Auf Auslöser achten: Vermeidung tryptophanhaltiger Lebensmittel (Schimmelkäse, Schokolade [89] {A, Ib}), oder anderer Triggerstoffe wie Alkohol (schwefelhaltige Weine) oder Natriumglutamat (auch in Konserven) Schlafrhythmus normalisieren [29] {A, Ib} Genussgifte meiden [153] {B, eR} Migräneprophylaktika der ersten Wahl sind [61] die Betablocker {A} Metoprolol (50-200 mg) und Propranolol (40-240 mg) der Calciumantagonist Flunarizin {A} 5-10 mg, und die Antikonvulsiva Valproinsäure {A} 500600 mg und Topiramat {A} 25-100 mg. Limitierend für die Behandlung mit Topiramat sind zentrale Nebenwirkungen [61]. Akupunktur reduziert die Häufigkeit von Migräneattacken. Scheinakupunktur hat dabei die selbe Wirksamkeit wie klassische Akupunktur [61, 68]. Verhaltenstherapie {A} (besonders bei häufigen Migräneanfällen) und Ausdauersport {B} wie Schwimmen, Joggen oder Fahrradfahren sollte medikamentöse Therapie ergänzen [61, 122]. Migräneprophylaktika der zweiten Wahl sind [61] Bisoprolol {B} 5-10 mg, Amitriptylin {B} 50-150 mg Als Prophylaxe kann Magnesium in einer Dosierung von 2 x 300 mg/d zum Einsatz kommen {C}. Die Wirksamkeit ist jedoch umstritten [61]. Die Wirksamkeit anderer nichtmedikamentöser Verfahren wurde in kontrollierten Studien kaum untersucht [61] {C}. Clusterkopfschmerz Clusterkopfschmerz [90] {R}, [143]: Die Prävalenz liegt bei 0,1% bis 0,9% [55]. Bei der überwiegend vorkommenden episodischen Form des Clusterkompfschmerzes (80%) werden symptomatische Perioden (meist vier bis zwölf Wochen), von symptomfreien Zeitspannen unterschiedlicher Länge (mindestens 2 Wochen, meist wenige Monate) unterbrochen. Es sind Attacken eines sehr schweren (VAS bis 10), streng einseitigen, seitenkonstanten SchmerHausärztliche Leitlinie »Therapie von Schmerzen« zes orbital, supraorbital, temporal oder in einer Kombination dieser Lokalisationen mit 15-180 Minuten Dauer und einer Häufigkeit von einer bis zu mehreren Attacken pro Tag. Begleitsymptome: Ipsilaterale konjunktivale Injektion, Lakrimation, nasale Kongestion, Rhinorrhoe, vermehrtes Schwitzen im Bereich von Stirn und Gesicht, Miosis, Ptosis, Lidödem. Während der Attacken sind die meisten Patienten unruhig oder agitiert. 27 Aufgrund der relativen Kürze der Attacken ist eine Version 3.03 Januarnicht 2008 Medikation in Tablettenform in der Regel I 28. geeignet (zur Attackenkupierung s. rechte Spalte). Das Hauptaugenmerk der Therapie liegt auf der Prophylaxe. Attackenkupierung [55]: Inhalation von Sauerstoff mittels Gesichtsmaske (7-15 l/min über 15-20 min) [81] {A} Seite 42 KVH • aktuell 6 mg Sumatriptan s.c. (Mittel der Wahl) bei langen Attacken 20 mg Sumatriptan nasal intranasale Applikation von Lidocain 4%. Prophylaxe [55] Mittel der ersten Wahl bei episodischem und chronischem Cluster-Kopfschmerz: Verapamil: 3-4 x 80 mg täglich. Stationäre Aufnahme erforderlich: Zur Ersteinstellung auf Sauerstofftherapie Nr. 4 / 2008 Zur Erstdiagnose eines atypischen Falles Nach Versagen von zwei prophylaktischen Substanzen Die Leitliniengruppe empfiehlt bei unsicherer Diagnose die stationäre Einweisung zur Abklärung einer Aneurysmablutung. Da die Erkrankung in der hausärztlichen Praxis eher selten ist, wird neurologisches Konsil empfohlen, ebenso bei Versagen der Prophylaxe. Arteriitis temporalis (cranialis) Horton Granulomatöse Riesenzellarteriitis mit bevorzugtem Befall der Temporalarterien – aber auch Befall anderer supraaortaler (Takayasu) Arterien möglich (Vaskulitiden der großen Gefäße), führt zu Wandverdickung und Gefäßverschluss. Genese unklar. Meist über 50-Jährige betroffen (Inzidenz: 2,5 bis 4,6/100.000 [185], Frauen erkranken doppelt so häufig wie Männer [186]. Möglicherweise besteht eine hohe Dunkelziffer. Differenzialdiagnostik ist insbesondere bei multimorbiden älteren Patienten schwierig, da die Symptomatik uneinheitlich ist und im Verlauf variieren kann [185]. Leitsymptom Ein-, beidseitiger oder diffuser Kopfschmerz, verdickte und druckschmerzhafte Temporalarterie(n), Fieber, Abgeschlagenheit, Schlaflosigkeit, Sehstörung bis zur Erblindung. Labor: BSG-Erhöhung (1. Stunde meist >50mm/h) Mindestens drei der folgenden Kriterien müssen erfüllt sein [185]: Alter des Patienten ab 50 Jahre Neu auftretender Kopfschmerz Auffällige Arteria temporalis Erhöhte BSG, in der ersten Stunde mindestens 50 mm/h) Histologische Zeichen einer Vaskulitis in der Temporalarterienbiopsie Diagnosesicherung: Temporalisbiopsie Bei dringendem Verdacht, Sehstörung bzw. zerebralen Ausfällen auch ohne histologischen Befund behandeln, um drohende Erblindung bzw. irreversible kraniale Ischämien zu vermeiden. Erkrankung heilt innerhalb weniger Jahre aus [185]. Therapie 1. Wahl: Glucocorticoide: 1 mg Prednisolon/kg KG, je nach Verlauf und BSG langsam reduzieren. ASS (mit Ulkusschutz) 100 mg zur Thrombozytenaggregationshemmung (zit. nach [185]). Bei hohem Dauerbedarf an Glucocorticoid zusätzlich Methotrexat 10-20 mg 1 x pro Woche oral oder parenteral (plus Folsäure), evtl. Azathioprin oder Cyclophosphamid (Achtung: widersprüchliche Datenlage [185]). Schnittstelle Zur Mitbehandlung: Augenarzt; bei Sehstörung oder zentralnervösen Ausfällen sofortige stationäre Einweisung. Analgetikakopfschmerz Der sog. Analgetikakopfschmerz [201] {R}, [92], meist über Tage anhaltender dumpf drückender Kopfschmerz im Bereich von Stirn, Schläfe und Hinterkopf, wird in der aktuellen IHS-Klassifikation als Kopfschmerz umschrieben, der auf den Übergebrauch von Schmerzmitteln bei primären Kopfschmerzen zurückzuführen ist. Typisch ist die Entstehung eines Dauerkopfschmerzes durch den und während des Analgetikaübergebrauchs. Potentiell können alle Analgetika bei Überge- brauch Dauerkopfschmerzen auslösen [234]. Auch wenn Studien mit einer fixen Dreifachkombination eine 50%ige Schmerzfreiheit einige Minuten früher erreichen als Monopräparate [19, 196, 203], muss die Problematik eines analgetikainduzierten Kopfschmerzes bei Empfehlung einer solchen Kombination berücksichtigt werden. Mit Ausnahme der Monopräparate (mind. 15 Tage) gilt nach Expertenmeinung für alle Substanzen eine Grenze von mindestens 10 zurückzuführen ist. Typisch ist die Entstehung eines Dauerkopfschmerzes durch den und während des Analgetikaübergebrauchs. eine Grenze von mindestens 10 Tagen Einnahme pro Monat über wenigstens 3 Monate, um diesen Kopfschmerz auslösen zu können [70, 121]. Potentiell können alle Analgetika bei Übergebrauch auslösen [234]. Auch3 Tagen Dauerkopfschmerzen Einnahme pro Monat über wenigstens wenn Studien mit einer fixen Dreifachkombination Monate, um diesen Kopfschmerz auslösen zu eine 50%ige einige Minuten früher können [70,Schmerzfreiheit 121]. Schnittstelle Kooperation mit Psychiater/Psychotherapeuten, Schnittstelle stationärer Entzug. Kooperation mit Psychiater/Psychotherapeuten, Nr. 4 / 2008 KVH • aktuell Maßnahmen, die der Arzneitherapie vorangehen oder diese unterstützen Wichtig: Medikamentenanamnese (OTCPräparate)! Zunächst Führen eines Kopfschmerz-Tagebuches, Protokollieren der Medikamenteneinnahme Ausführliche Aufklärung Koffeinmissbrauch beenden [236] {C} Patienten aktivieren (z. B. Sport) Psychische Führung durch den Arzt mit Rückmeldungen und nachgehenden Kontrollen [219] und klarer Therapievereinbarung Ein ambulanter Medikamentenentzug kann unter Ein ambulanter Medikamentenentzug kann unter folgenden Voraussetzungen versucht werden folgenden Voraussetzungen versucht werden [99]: [99]: wenn Patient motiviert ist, ist, wenn Patienthoch hoch motiviert bei kurzfristigem Verlauf (< 5 Jahre), Seite 43 stationärer Entzug. Arzneitherapie Antiemetika bei Bedarf (MCP, Domperidon) Bei Migräne als Ursache des Kopfschmerzes: Schmerzmittel abrupt absetzen, Tranquilizer oder Antidepressiva in Abhängigkeit von der Ausgangsdosis über 2-6 Wochen langsam ausschleichen. Nach dem Entzug eine medikamentöse Prophylaxe beginnen (wie oben angegeben) [63]. Bei Spannungskopfschmerz als Ursache des Kopfschmerzes: Schmerzmittelentzug und Gabe von Amitriptylin (25-50 mg) oder Amitriptylinoxid (30-60 mg) in einer Einzeldosis vor dem Schlafengehen [63]. bei kurzfristigem Verlauf (< 5 Jahre), wenn vorher keine Einnahme von Mischpräwenn vorher keine Einnahme von Mischpräpaparaten mitCodein Codeinoder oderTranquilizern Tranquilizern bestand, raten mit bestand, Mithilfe durch die Familie Freunde. Mithilfe durch die Familieoder oder Freunde. Neuropathische Schmerzen Allgemeines, medikamentöse Therapie Der neuropathische Schmerz [42] entsteht durch Schädigung peripherer oder zentraler Nerven (chemische, toxisch-metabolische, traumatische Noxen). Leitlinie »Therapie von Schmerzen« Hausärztliche Schmerzcharakter: brennend kribbelnd Schraubstockgefühl kurz einschießend, stechend inadäquate Schmerzempfindung (z. B. Hyperästhesie, Hyperalgesie) Typische neuropathische Schmerzsyndrome sind: Zosterneuralgie Trigeminusneuralgie Polyneuropathie Neuroborreliose Medikamentöse Therapie neuropathischer Schmerzen Die einfachen Analgetika wirken bei neuropathischen Schmerzen deutlich schwächer als bei nozizeptiven Schmerzen. Es hat sich bewährt, Ko-Analgetika zu verordnen: bei neuropathischen, brennenden Schmerzen: Antidepressiva bei neuralgiformen,Version einschießenden Schmer3.03 I 28. Januar 2008 zen: Antikonvulsiva 30 Antidepressiva [182] Es gibt eine Reihe von Antidepressiva, die als Komedikation für die Behandlung von neuropathischen Schmerzen eingesetzt werden. Die beste Evidenz besteht für Amitriptylin. Eine begrenzte Evidenz besteht für die Serotoninwiederaufnahmehemmer (SSRIs). Hier fehlen noch mehr Studien. Der Effekt auf den Schmerz ist unabhängig von einer bestehenden Depression. Antikonvulsiva [225, 226, 227] Carbamazepin ist wirksam beim neuropathischen Schmerz, der Zosterneuralgie, Trigeminusneuralgie und diabetischen Polyneuropathie. Die Studien sind nicht umfangreich. Die Nebenwirkungen zwingen nicht selten zum Therapieabbruch. Die Substanz ist unwirksam beim akuten Schmerz. Seite 44 KVH • aktuell Gabapentin ist ebenfalls wirksam beim neuropathischen Schmerz. Es ist unwirksam beim akuten Schmerz. Eine bessere Wirkung als Carbamazepin ist nicht belegt [226]. Lidocaine und Analoga (Mexiletin, Tocainid) [39] Die intravenöse Gabe von Lidocain oder die orale Gabe von Lidocain-Analoga ist effektiver als Placebo, eine Überlegenheit gegenüber den vorgenannten Substanzen besteht nicht. Nr. 4 / 2008 Opioiden beim neuropathischen Schmerz widersprüchlich. Die länger durchgeführten Studien zeigen eindeutige Überlegenheit gegenüber Placebo. Auch hier sind noch randomisierte Studien erforderlich, um zu beweisen, dass der Effekt die Lebensqualität verbessert. Beratungsursache 6: Neuropathische Schmerzen Ì Zosterschmerz Tramadol in Dosierungen von 100-400 mg ist ein gut belegtes Medikament für den neuropatischen Schmerz [108]. Opioide [65] Kurzzeitstudien belegen die Wirksamkeit von Zosterschmerz Zosterschmerz Der Herpeszoster ist eine Reaktivierung einer laDer Herpeszoster ist eine Reaktivierung einer tenten Varizelleninfektion in Spinalganglien oder latenten Varizelleninfektion in Spinalganglien Ganglien von befallenen Hirnnerven – meistoder sind Ganglien von befallenen Hirnnerven – meist sind ältere Patienten betroffen. ältere Patientenz.betroffen. Risikofaktor: B. geschwächtes Immunsystem, Risikofaktor: z. B. geschwächtes Immunsystem, Stress, Malignom. Auch ohne Hauterscheinungen Stress, Malignom. Auch ohne Hauterscheinungen auftretend oder diesen öfter vorangehend, dann auftretend oder diesen öfter vorangehend, schwierige Diagnosefindung. Schmerz kanndann der schwierige Diagnosefindung. Schmerz Effloreszenz einige Tage vorausgehen. kann der Effloreszenz einige Tage vorausgehen. Maßnahmen, die der Arzneitherapie vorangehen oder diese unterstützen Arzneitherapie Akuter Zosterschmerz Akuttherapie Systemische virustatische Therapie nach Symptombeginn spätestens nach 48-72 Stunden [95] Starke Schmerzen müssen immer rechtzeitig und ausreichend therapiert werden, um Chronifizierung vorzubeugen NSAR (z. B. Ibuprofen), Metamizol und/oder Opioide (Tramadol [108], ggf. retardiertes Morphin) Topische Therapie mit Lidocainsalben Beachte: Lokale virustatische Therapie unwirksam Körperliche Schonung Lokale Polsterung zum Hautschutz Prophylaxe von Lokalinfektionen An Begleitenzephalitis denken! Zosterkranke/Windpocken-Erkrankte müssen Kontakt zu Schwangeren vermeiden. Chronischer Zosterschmerz Eine Standardschmerztherapie gibt es nicht. Schmerzmittel wie bei Akuttherapie (s. o.) Antikonvulsiva (z. B. Carbamazepin, Gabapentin [225]) Versuch mit trizyklischen Antidepressiva (z. B. Amitriptylin) [182] Schnittstelle Schnittstelle Bei Zoster ophthalmicus unverzügliche Vorstellung Bei Zoster ophthalmicus unverzügliche Vorstellung beim Augenarzt, bzw. bei Zoster oticus beim beim Augenarzt, bzw. bei Zoster oticus beim HNO- HNO-Arzt, bzw. Neurologen, ggf. Einweisung. Bei Arzt, bzw. Neurologen, ggf. Einweisung. Bei Schmerzpersistenz Überweisung zum SchmerzSchmerzpersistenz Überweisung zum Schmerztherapeuten. therapeuten. Nr. 4 / 2008 KVH • aktuell Seite 45 Trigeminusneuralgie [79] (eR) Trigeminusneuralgie Attackenweise stärkste einseitig einschießende Schmerzen. Evtl. durch Trigger auslösbar, z. B. Trigeminusneuralgie [79] (eR): Attackenweise stärkste einseitig einschießende Schmerzen. Evtl. durch Kauen, Trigger Berührung. auslösbar, z. B. Kauen, Berührung. Beratungsursache6: 6: Beratungsursache Neuropathische Schmerzen Maßnahmen, die der Arzneitherapie vorangehen Neuropathische Arzneitherapie Schmerzen oder diese unterstützen Auslöser – soweit vorhanden – vermeiden Für Akupunktur gibt es keinen evidenzbasierten Wirksamkeitsnachweis, das Gleiche gilt für Kälte- oder Wärmetherapie Antikonvulsiva (primär Carbamazepin, bei Polyneuropathie Ì Polyneuropathie Ì Gabapentin, Lamotrigin), Ì Unverträglichkeit Nervenkompressionssyndrom Ì Nervenkompressionssyndrom Dosisanpassung bis Wirkeintritt [225] Evtl. therapeutische Nervenblockade durch Spezialisten [110] {B, IIb} Schnittstelle Schnittstelle Bei nichtbeherrschbarem Schmerz: stationäre Einweisung, Neurologe bei Therapieresistenz, ggf. OpeBei nichtbeherrschbarem Schmerz: stationäre ration. Zahnarzt für Differentialdiagnose. Einweisung, Neurologe bei Therapieresistenz, Polyneuropathie (z. B. alkoholische P., diabePolyneuropathie (z. B. alkoholische P., diabeggf. Operation. Zahnarzt für Differentialdiagnose. tische P., idiopathische P.) [11] (eR) tische P., idiopathische P.) [11] (eR) Polyneuropathie Initial strumpfförmige distal symmetrische SensibiliInitial strumpfförmige distal symmetrische Sensibilitätsstörung, später motorische Störungen möglich. Z. B. alkoholische diabetische P., idiopathische tätsstörung, später P., motorische Störungen möglich. P.) [11] (eR): Initial strumpfförmige distal symmetrische Sensibilitätsstörung, später motorische Störungen möglich. Maßnahmen, die der Arzneitherapie vorangehen Arzneitherapie Maßnahmen, die der Arzneitherapie vorangehen Arzneitherapie oder diese unterstützen oder diese unterstützen Nach Diagnostik Therapie der Grundkrankheit Nach Diagnostik Therapie der Grundkrankheit Diagnostik Therapie der Grundkrankheit Diagnostik Therapie der Grundkrankheit Nach Nach optimieren (bei Diabetes) [59] {A, Ib} optimieren optimieren (bei Diabetes) [59] {A, Ib} optimieren Noxen vermeiden Außer der Behandlung der Grundkrankheit ist Noxen vermeiden der Behandlung der Grundkrankheit ist Verletzungs-, Mykoseprophylaxe, Außer keine kausale Therapie bekannt Mykoseprophylaxe, keine kausale Therapie bekannt Verletzungs-, Kontrolle der Füße und des Schuhwerks Versuch mit trizyklischen Antidepressiva (z. B. Kontrolle der Füße und des Schuhwerks mit trizyklischen Antidepressiva (z. B. Anleitung zur Fußpflege [16] {A, Ib} [30, 131] Versuch Amitriptylin, Desipramin [182] Amitriptylin, Desipramin [182] Anleitung zur Fußpflege [16] {A, Ib} [30, 131] Antikonvulsiva (z. B. Carbamazepin, Gabapentin (z. B. Carbamazepin, Gabapentin Antikonvulsiva [225] [225] abends Ibuprofen [46] {A, Ib}, Tramadol [108], Ibuprofen [46] {A, Ib}, Tramadol [108], abends Metamizol Metamizol Alpha-Liponsäure (auch als Infusion) unwirksam (auch als Infusion) unwirksam Alpha-Liponsäure [237] {A, Ib} [237] {A, Ib} Nervenkompressionssyndrome Nervenkompressionssyndrome Schmerzen durch mechanische Irritation peripheNervenkompressionssyndrom Schmerzen durch mechanische Irritation peripherer Nerven: z. B. Karpaltunnelsyndrom, Ulnarisrinrer Nerven: z. B. Karpaltunnelsyndrom, UlnarisrinSchmerzen mechanische Irritation peripherer Nerven: z. B. Karpaltunnelsyndrom, Ulnarisrinnennensyndrom,durch Lagerungs-, Gipsschaden. nensyndrom, Lagerungs-, Gipsschaden. syndrom, Lagerungs-, Gipsschaden. 33 Maßnahmen, die der Arzneitherapie vorangehen Arzneitherapie Maßnahmen, die der Arzneitherapie vorangehen Arzneitherapie oder diese unterstützen oder diese unterstützen Hausärztliche Leitlinie »Therapie von Schmerzen« Version 3.03 I 28. Januar 2008 Nach neurologischer Diagnostik stadiengerechte Ggf. abschwellende antiphlogistische Therapie neurologischer Diagnostik stadiengerechte Ggf. abschwellende antiphlogistische Therapie Nach Therapie: ggf. Versuch der Druckentlastung mit Diclofenac, Ibuprofen Therapie: ggf. Versuch der Druckentlastung mit Diclofenac, Ibuprofen durch Lagerung (nächtliche Lagerungsschiene), durch Lagerung (nächtliche Lagerungsschiene), Reizstrom, Vermeiden von Auslösern, ggf. OP Reizstrom, Vermeiden von Auslösern, ggf. OP [87] {A, Ib} [87] {A, Ib} Schnittstelle Schnittstelle Neurologe (Diagnostik EMG), operative Fächer. Schnittstelle Neurologe (Diagnostik EMG), operative Fächer. Neurologe (Diagnostik EMG), operative Fächer. Seite 46 KVH • aktuell Nr. 4 / 2008 Neuroborreliose Neuroborreliose [180]: In vielen Industrieländern führt eine zunehmende Zahl von Patienten Allgemeinsymptome wie Schmerzen, Abgeschlagenheit oder auch kognitive Störungen auf eine frühere Infektion mit Borrelia burgdorferi zurück. Ein Nachweis von IgG-Antikörpern im Serum wird als Beweis für eine aktive Erkrankung gesehen, obwohl er in Wirklichkeit nur anzeigt, dass das Immunsystem Kontakt zum Erreger hatte, aber nicht, wie diese »Auseinandersetzung« ausging. Stadien der Borreliose 1. Erythema migrans (max. 80-90%) 2. akute Neuroborreliose (betroffen: überwiegend das Nervensystem, auch Gelenke, seltener Herz) 3. nach Jahren chronische Manifestation (Haut, Nervensystem, Gelenke) Häufigkeit der Krankheitsbilder 1 Jahresstudie in Würzburg: Inzidenz 111 Borreliosefälle/100.000 Einwohner Frühmanifestation Erythema migrans 89% Neuroborreliose 3% Borrelien-Lymphozytom 2% Chronische Manifestation Lyme Arthritis 5% Acrodermatitis 1% chron. Neuroborreliose (Stadium 3) wurde nicht gefunden Untersuchungen Vor diesem Hintergrund wird empfohlen, die Borrelienserologie nur bei begründetem Verdacht auf eine Borrelienätiologie durchzuführen. Unspezifische Symptome sind dagegen keine Indikation für eine Borrelienserologie, da der prädiktive Wert eines positiven serologischen Befundes hier sehr gering ist. Positive serologische Nachweise finden sich in Endemiegebieten in Deutschland und Österreich bei 5% bis 25% gesunder Probanden. Neuropathische Symptome/Krankheitsbild Radikulitis > 80% nächtlich betont Augenmuskelparesen > 80% Weitere ohne % Angabe Meningitis Neuritis (periphär) Enzephalitis Myelitis Acrodermatitis Die Symptome treten wenige Wochen bis Monate nach dem Zeckenbiss auf. Verlauf der Neuroborreliose Akut: Symptomdauer < 6 Monate (90-95%) Chronisch: Symptomdauer > 6 Monate (510%) Die Diagnosesicherung erfolgt durch eine Liquorpunktion. Therapie (zit. nach [180]) Akute Neuroborreliose Cefotriaxon 1 x 2 g/d i.v. 14 Tage oder Cefotaxim 3 x 2 g/d i.v. 14 Tage oder Penicillin G 18-24 E/d i.v. 14 Tage Doxycyclin 2-3 x 100 mg/d p.o. 14-21 Tage (optimale Tagesdosis und Therapiedauer unklar) Chronische Neuroborreliose Cefotriaxon 1 x 2 g/d i.v. 14 Tage oder Cefotaxim 2 x 3 g/d i.v. 14 Tage oder Doxycyclin 2-3 x 100 mg/d p.o. 14-21 Tage Bei allen Therapiearten ist die optimale Tagesdosis und Therapiedauer unklar. Schnittstelle Einweisung in Neurologische Klinik. Tischversion KVH • aktuell Dyspnoe Häufiges und sowohl für die Patienten als auch für ihre Angehörigen sehr belastendes Symptom, das mit Fortschreiten der Erkrankung deutlich zunehmen kann. Neben onkologischen Patienten sind auch Patienten mit einer weit fortgeschrittenen therapie-refraktären KHK, Herzinsuffizienz, COPD, Niereninsuffizienz und neurodegenerativen Erkrankungen betroffen. Häufigste Ursache für Luftnot: erhöhte Atemarbeit, Angst und Hyperkapnie, seltener eine Hypoxie. Therapie: Vorrangig sind Maßnahmen, die eine Abnahme der Atemarbeit, der Atemfrequenz und des Sauerstoffbedarfs bewirken: Nichtmedikamentöse Maßnahmen: Patienten beruhigen! Das Öffnen von Fenstern und Türen oder der Einsatz eines Ventilators, Vermeidung von enger Kleidung und aufrechte sitzende Position sind häufig effektive Maßnahmen. Medikamentöse Therapie: Symptomorientierte Therapie: Opioide und Benzodiazepine. Sie bewirken im Atemzentrum eine Erhöhung der Toleranz des Kohlendioxidpartialdrucks (pCO2), wirken anxiolytisch und senken die Atemfrequenz. Seltener werden Nicht-Opioide wie z. B. Bronchodilatatoren, Glukokortikoide, Sekretolytika, Antibiotika oder Anticholinergika eingesetzt. Es besteht in der Regel keine Indikation zur Sauerstoffgabe. Gastrointestinale Symptome Mundtrockenheit ist ein häufig auftretendes Symptom und wird von den Betroffenen als starke Beeinträchtigung ihrer Lebensqualität empfunden. Ursache: Dehydratation, Nebenwirkung vieler Medikamente wie z. B. trizyklische Antidepressiva, Antiemetika, Opioide, Spasmolytika, Anticholinergika, Antihistaminika, Neuroleptika, Diuretika. Therapie: Notwendigkeit der Verordnung überprüfen, ggf. Dosis reduzieren oder Gabe beenden. Vorsorge und Behandlung erfolgt durch „gewissenhafte“ aber auch „einfühlsame“ Mundpflege. Schluckstörungen (Dysphagie) kommen bei Tumorpatienten und bei Patienten mit neurologischen Erkrankungen wie z. B. Schlaganfall, amyotropher Lateralsklerose, Multipler Sklerose, Parkinson und Demenz häufig vor. Primäres Behandlungsziel ist es, die orale Nahrungsaufnahme für die Lebensqualität und den Genuss im Alltag der Patienten zu erhalten. Seite 3 Palliativversorgung Wird der Schluckakt zu belastend, kann je nach Fortschritt der Erkrankung in Abstimmung mit dem Patienten eine enterale Sondenernährung indiziert sein. Bei weit fortgeschrittener Erkrankung kann die Ernährung auch eingestellt werden. In den Richtlinien der Bundesärztekammer wird ausdrücklich festgehalten, dass zur Basisbetreuung nicht immer Nahrungsund Flüssigkeitszufuhr gehören müssen, da sie für Sterbende eine schwere Belastung darstellen können. Hunger und Durst als subjektive Empfindungen hingegen müssen gestillt werden. Übelkeit und Erbrechen Ursachen unterschiedlicher Genese: Gastrointestinal: Soor (Mund oder Speiseröhre), Gastritis, Ulzera, NSAR, Blut im Magen, gastrale Stase (z. B. Opioide, Anticholinergika, Aszites) Brechzentrum: Hyperkalzämie, Urämie Medikamente: Opioide, Antikonvulsiva, Glykoside, Antibiotika, NSAR, Zytostatika zerebral: Hirndruck (z. B. durch Raumforderungen oder Meningeosis) psychisch: Angst, Schmerz, Aufregung, Depression Nichtmedikamentöse Ansätze: Unterstützend sind das Anbieten kleiner, appetitlicher Speisen und die Vermeidung unangenehmer Gerüche. Medikamentöse Therapie: Unabhängig von der Klärung der Ursache sollte unverzüglich eine medikamentöse, symptomatische Therapie mit einem Antiemetikum begonnen werden, die nach einem festen Zeitschema entsprechend der Wirkdauer verordnet wird. Bei unzureichender Wirkung sollten Antiemetika unterschiedlicher Wirkorte und Wirkmechanismen kombiniert werden. Beipiele für Antiemetika Metoclopramid: Gastrostase, medikamenteninduzierte Übelkeit, nicht bei Obstruktion. Dimenhydrinat: Obstruktion, medikamentös induzierte oder zentral bedingte Übelkeit. Levomepromazin, Haloperidol: Obstruktion, medikamentös induzierte oder zentral bedingte Übelkeit. Dexamethason: zentral bedingte Übelkeit. Ondansetron (Reservemedikation): medikamentös induzierte oder zentral bedingte Übelkeit. Cave: NW Obstipation Korrespondenzadresse Ausführliche Leitlinie im Internet Hausärztliche Leitlinie PMV forschungsgruppe Fax: 0221-478-6766 Email: pmv@uk-koeln.de http:\\www.pmvforschungsgruppe.de www.pmvforschungsgruppe.de > publikationen > leitlinien www.leitlinien.de/leitlinienanbieter/deutsch/pdf/ hessenpalliativ »Palliativversorgung« Tischversion: Teil 1 1.00 Sept. 2008 info.doc Verlag GbR, Pfingstbornstr. 38, 65207 Wiesbaden PVSt Deutsche Post AG, Entgelt bezahlt, 68689 Tischversion Tischversion Epidemiologische Studien zeigen einen Zusammenhang zwischen dem Auftreten von Herz-Kreislauferkrankungen und hohen Serumcholesterinwerten. Diese bzw. die Höhe Definition der Palliativmedizin Palliativmedizin ist die aktive ganzheitliche Behandmehreren Risikofaktoren dar. Deshalb empfiehlt sich für lung von Patienten mit einer nicht heilbaren, progreden Hausarzt bei Vorliegen einer Dyslipidämie die Einteilung dienten und weit fortgeschrittenen Erkrankung mit bein eine Risikogruppe anhand von systematischen Algogrenzter Lebenserwartung. Sie strebt die Besserung rythmen oder Scores (NCEP, PROCAM). Somit erfolgt eine körperlicher Krankheitsbeschwerden an und berückAbschätzung des Risikos für kardiovaskuläre Ereignisse sichtigt psychische, soziale und spirituelle Probleme (10-Jahresrisiko) und darauf die Festlegung der Behand(Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin (DGP)). der HDL- und LDL-Werte stellen jedoch nur einen von lungsstrategie mit dem Patienten. Für die Risikoeinstufung orientiert sich durch die Leitliniengruppe Hessen an der folgenden Begleitung den Hausarzt Einteilung der NCEP (National Cholesterol Education Wenn Patienten zu Hause sterben möchten, ist der Program Heart, Lung, and Blood Hausarztdes einNational wichtiger Ansprechpartner für Institute, ihn und http://www.nhlbi.nih.gov/guidelines/cholesterol/index.htm): seine Angehörigen. An die Hausärzte wird die hohe Anforderung gestellt, dem Patienten in der letzten 1. Hohes Risiko (10-Jahresrisiko über 20%): a) Bestehende Lebensphase eine bestmögliche Lebensqualität und koronare Herzkrankheit (KHK), b) KHK-Äquivalente, c) ein Sterben möglichst ohne Schmerzen und Angst in Diabetes mellitus, d) 2 oder mehr Risikofaktoren**: vertrauter Umgebung in Würde zu ermöglichen. Dabei 2. Mäßig hohes Risiko (10-Jahresrisiko 10-20%): ≥2 Risikoerleben bei viele Ärzte gerade das „Aushalten müssen“ an faktoren* errechnetem Risiko**. der Grenze des ärztlichen Handelns belastend. Bei 3. Moderates Risiko (10-Jahresrisiko <als 10%): ≥2 Risikoschwer bei lösbaren medizinischen aktoren* errechnetem Risiko**. Problemen sind eine ambulante (Mit-)Behandlung durch spezialisierte Pal4. Niedriges Risiko: 0-1 Risikofaktor* liativmediziner Zigaretten oder eine rauchen, kurze stationäre Behandlung *Risikofaktoren: Hypertonie, niedriges HDL-Cholesterin unter 40mg/dl, auf einer Palliativstation sinnvoll.familiäre Belastung mit vorzeitiger KHK, Alter (Männer über 45 Jahre, Frauen über Die in der Region vorhandenen Versorgungsstrukturen 55 Jahre); **errechnetes Risiko: Bsp. mit PROCAM Score können in den kontinuierlich aktualisierten Wegweisern (s. Rückseite) oder elektronischem NCEP-Risikokalkulator zur Hospizund Palliativmedizin in Deutschland eingeAnmerkung: Diabetiker ohne KHK oder KHK-Äquivalente sehen werden. und ohne zusätzliche Risikofaktoren profitieren bei einem http://www.hospizbewegung.de/adressen/hospizLDL<115 mg/dL - laut der jetzigen Studienlage - nicht von palliativfuehrer.html einer Therapie mit einem CSE-Hemmer. Therapieschritte Diagnostik nach “International Task Force for Prevention Coronary Heart Disease”: Vor jeder ofBehandlung sollte eine genaue Anamnese und Untersuchung durchgeführt werden, um Basis sind nichtmedikamentöse Maßnahmen, diereversible auf eine Veränderung Lebensstils Ursachen zudes erkennen und zielen: zu therapieren. Nicht ver- Erhalten des normalen Körpergewichtes oder werden sollte dabei die Inspektion gessen der Gewichtsreduktion Übergewicht Mundhöhle und des bei Rachens (z. B. Soor oder MuSteigerung körperlichen Aktivität kositis), die der Auskultation der Thoraxorgane (z. B. Lungenödem, Pneumonie, Pneumothorax, Herzrhyth- Fettstoffwechselstörung Dyslipidämie Palliativversorgung Empfehlungen für eine Einhaltung von diätetischen „Herzgesunde Ernährung“ Nur mäßiger Konsum von Alkohol und Vermeidung von musstörungen), Palpation und Perkussion des AbdoNikotin mens (z. B. Harnverhalt, Subileus, Aszites, Hepato- Indikationsstellung für eine medikamentöse Therapie megalie, intraabdominelle Raumforderungen). Umfassende, unmittelbare medikamentöse Behandlung Invasive und belastende therapeualler Patienten mit hohemdiagnostische Risiko (Gruppe oder 1: 10-Jahrestische Maßnahmen sollten nur dann durchgeführt risiko >20%) und Anstreben eines LDL von 100 mg/dl. werden, wenn diese diebei Symptome und damit Medikamentöse Therapie Patienten der Gruppe 2 die Lebensqualität des Patienten verbessern. und 3 nach individueller Entscheidung unter Berücksichtigung der Lipidwerte und nach Erprobung lebensstilSymptome ändernder Maßnahmen. Palliativmedizin wird oftmals mit Schmerztherapie Für Patienten der Risikogruppe 4 (0-1 Risikofaktor) sind gleichgesetzt. Diese hat zwar einen sehr hohen lebensstilmodifizierende Maßnahmen im Allgemeinen Stellenwert, dennoch umfasst die palliative Versorgung ausreichend. weit mehr, z. B. die Behandlung gastrointestinaler, re- Je nach Risikogruppe wird ein LDL von 100 mg/dL (Gruppe spiratorischer, neurologischer/psychiatrischer Sympto1), 130 mg/dL (Gruppe 2+3) bzw. 160 mg/dL (Gruppe 4) me, von Wunden. Diese Tischversion behandelt Dysangestrebt. pnoe und gastrointestinale Probleme. Zum Thema Arzneimittelauswahl: Es sollten Wirkstoffe eingesetzt „Schmerz“ wird eine eigene Tischversion erstellt. werden, für die Endpunktstudien mit günstiger NNT und NNH Symptomkontrolle In der Palliativversorgung steht im Regelfall die Sympund 40 mg) und Pravastatin (40 mg) ist eine Senkung sowohl tomkontrolle im Vordergrund, obwohl es auch beim der Gesamtmortalität als auch der kardiovaskulären MortaPalliativpatienten einen Notfall, z. B. eine akute Blindlität belegt. Bei Multimorbidität und Multimedikation sollte die darmentzündung, geben kann. Die Symptomkontrolle Indikation für eine medikamentöse lipidsenkende Therapie hat ein Ziel: die Lebensqualität in der verbleibenden besonders streng gestellt werden. Zeit so weit wie möglich zu bewahren, zu verbessern Merke: oder wieder herzustellen. vorliegen (Simvastatin, Pravastatin). Für Simvastatin (20 mg Bei medikamentöser Therapie: CK kontrollieren! (Rhabdomyolyse möglich!) Nichtmedikamentöse Maßnahmen VorKeine allenKombinationstherapie medikamentösen CSE-Hemmer und invasiven+ Fibrate/ Strategien Makrolide/Azol-Antimykotika. steht die Begleitung der Patienten und auch ihrer AnWechselwirkungen auch mit anderen Medikamenten gehörigen. Oft reicht es, den Patienten zu beruhigen möglich! und für ihn da zu sein. Der Patient und die AngehöBei Makrolidtherapie CSE-Hemmer pausieren! rigen müssen sich sicher sein, rasch den Arzt erStatine vor chirurgischen Eingriffen und bei akut auftrereichen zu können. Viele unerledigte Angelegenheiten tenden schweren Erkrankungen vorübergehend aberschweren Sterben.achten, Sorgen setzen! Aufdas Compliance aufverstärken abendlichehäufig Einnah-die Beschwerden. Wichtig ist vor allem die Vermittlung der me des CSE-Hemmers hinweisen. Gewissheit, dass Symptome ausreichend gelindert Evidenzbasierte Patienteninformationen sind unter werden können. www.gesundheitsinformation.de abrufbar.