des Magazins - Metropolregion Mitteldeutschland

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des Magazins - Metropolregion Mitteldeutschland
median
Das Info-Magazin für Mitteldeutschland
r
Somme
2016
metropolregion
mitte deutschland
WIRTSCHAFT, WISSENSCHAFT & KULTUR IM ZENTRUM
Editorial
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03
3
Integration braucht den
Dialog auf Augenhöhe
Seit Herbst vergangenen Jahres steht Deutschland vor einer der größten Herausforderungen seit der Wiedervereinigung. Hunderttausende Menschen aus
den Krisengebieten der Welt fliehen vor Krieg und Armut in unser Land. In den
ersten Wochen und Monaten dieser Entwicklung standen vor allem die akute
Hilfe für die Flüchtlinge, deren Unterbringung und Versorgung im Vordergrund.
Mittlerweile rücken andere Fragen in den Fokus: Die Menschen, die zu uns
gekommen sind und bleiben werden, brauchen eine Perspektive. Integration
beginnt bei der Sprache, bei der Vermittlung unserer gesellschaftlichen Werte
– aber ganz entscheidend wird sein, die Menschen in Arbeit zu bringen, sie in
den Unternehmen zu integrieren.
Burkhard Jung
Vorstandsvorsitzender der
Europäischen Metropolregion Mitteldeutschland
und Oberbürgermeister der
Stadt Leipzig
Viele Menschen in Mitteldeutschland gehen mit gutem Beispiel voran. Neben
den Unternehmen, die sich bei der beruflichen Integration engagieren, gehören dazu ebenso der interkulturelle Dialog zwischen deutschen und syrischen
Musikern in Jena oder der Erfurter Verein „Spirit of Football”, der seit über
zehn Jahren auf die verständigende Kraft des Sports setzt.
Dieser Integrationsprozess wird auch uns, unsere Gesellschaft und die Art
unseres Zusammenlebens verändern. Es liegt nun an uns, offen zu sein für
Neues und gleichzeitig klar unsere Werte zu vertreten, damit – trotz aller
Schwierigkeiten – eine Integration im Miteinander und auf Augenhöhe gelingen kann.
Jede Menge Denkanstöße wünschen Ihnen
Der Metropolmarathon Mitteldeutschland zwischen Leipzig und Halle (Saale)
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Händellauf Halbmarathon
Salzwirkerlauf (3,6 km)
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Reinhard Kroll
2. Vorsitzender der Europäischen Metropolregion
Mitteldeutschland
Burkhard Jung
Reinhard Kroll
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Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
median
Inhalt
05
14
10
22
28
34
50
54
Flucht ins
Ungewisse
03 Editorial
06 Aktuelles
aus der Region.
10 Nicht in Grenzen denken
Interview mit Dr. Robert Nadler
vom Leibniz-Institut für Länderkunde in Leipzig.
14 Flucht ins Ungewisse
Der Leipziger Fotograf Michael
Bader porträtiert Menschen
entlang der Balkanroute.
22 Nicht über Nacht
Interview mit Prof. Dr. Oliver
Holtemöller vom Leibniz-Institut
für Wirtschaftsforschung Halle.
26 Fit für die Ausbildung
Im BMW-Werk Leipzig absolvieren Flüchtlinge ein Praktikum.
27 Zuzug als Chance
Die GP Günter Papenburg AG
sucht Azubis unter Migranten.
28 Ankommen und arbeiten
Eine Bestandsaufnahme regionaler Projekte zur Arbeitsmarktintegration von Flüchtlingen.
32 Neue Wege ans Ziel
In Leipzig entwickeln Führungskräfte neue Lösungen für die
Jobintegration.
34 Gelebte Integration
Der syrische Student Abdulaziz
Bachouri engagiert sich ehrenamtlich für Geflüchtete.
37 Kulturwandel
Die Ausländerbehörde der Stadt
Chemnitz wurde zu einer
Willkommensbehörde.
38 Willkommen in der Kindheit
Kitas in Sachsen und SachsenAnhalt stellen sich auf Bedürfnisse geflüchteter Kinder ein.
39 Stimme der Hofnung
Studierende und Mitarbeiter der
HHL entwickeln Hilfsangebote
für Migranten.
40 Sprache ist der Schlüssel
für die Bildungsperspektive von
geflüchteten Schülern, Studenten und Akademikern.
42 Gute Menschen
Eine Hindu-Familie flieht vor den
Taliban und wagt den schweren
Neuanfang in Erfurt.
46 Die Chance nutzen
Der Burgenlandkreis setzt auf
Zuwanderung.
48 Kolumne
Die Mainstream-Medien sind
tatsächlich in der Krise.
49 Fakten gegen Fake
Der Blog „Asylfakten” sammelt
Argumente gegen den Hass in
den sozialen Netzwerken.
50 Mit Kloppo für Integration
Der Verein „Spirit of Football”
setzt auf die verständigende
Kraft des Fußballs.
53 Teamarbeit
Im Altenburger Land vernetzt
ein Migrationsbeirat die Akteure
und berät die Politik.
54 Vom Zauber der Musik
Bach trifft Weltmusik: In Jena
spielen Musiker aus Syrien und
Thüringen gemeinsam.
60 Kulturtipps
Ausgewählte Höhepunkte aus
Kunst und Kultur der Region.
62 Terminkalender
Messen, Tagungen, Workshops
und Events in Mitteldeutschland.
63 Partner der Wirtschaft
Die Wirtschaftsförderer in
Mitteldeutschland.
63 Impressum
Unter diesem Leitmotiv nähert sich
der Leipziger Fotograf Michael Bader
Menschen auf der Flucht, gibt ihnen
ein Gesicht und eine Stimme. Die Aufnahmen und Interviews entstanden
während zweier Reisen entlang der
Balkanroute von Passau bis Griechenland im Dezember 2015 und im März
2016 auf die Inseln Lesbos und Chios
sowie nach Athen. In dieser Ausgabe
des median präsentieren wir Ihnen
eine erste Auswahl der Porträts und
Geschichten, die im Rahmen des noch
laufenden Projektes entstanden sind.
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News
News
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Aktuelles aus der Region
Vom Braunkohlestandort zur Innovationsregion
Wegweiser für ausländische Fachkräfte
Das Mitteldeutsche Braunkohlerevier
soll in den kommenden Jahren zu einer
„Region des Umstiegs” werden. „Angesichts der globalen Bemühungen um
den Klimaschutz wird die thermische
Verwertung der Braunkohle schrittweise zurückgehen. Um negative Auswirkungen für die wirtschaftliche Entwicklung des Südens Sachsen-Anhalts
zu vermeiden, bedarf es eines aktiven
Strukturwandels hin zu einer Innovationsregion, aus der neue Ideen und
Technologien für die Energiewende
kommen”, skizziert Götz Ulrich, Landrat des Burgenlandkreises und Aufsichtsratsmitglied der Europäischen
Metropolregion
Mitteldeutschland
(EMMD) das Vorhaben.
Im Rahmen des Transformationsprozesses soll die mitteldeutsche Energie- und Chemieindustrie zusammen
mit der neuausgerichteten Hochschule
Merseburg (FH) zum Zentrum einer
mitteldeutschen
Innovationsregion werden. Nach dem Vorbild des
erfolgreichen
Innovationsprojektes
HYPOS sollen neue Technologien für
die Energiewende entwickelt und
Angesichts des anhaltenden Fachkräfte- und Lehrlingsmangels auf der
einen sowie dem Anstieg der Flüchtlings- und Asylbewerberzahlen auf der
anderen Seite will die Staatskanzlei
Sachsen-Anhalt nun aktiv Migranten
und Unternehmen zusammenbringen.
Die Broschüre „Wegweiser nach Sachsen-Anhalt” in deutscher, englischer,
spanischer, französischer und arabischer Sprache gibt hierfür einen Überblick zu den wesentlichen Informa-
tions- und Unterstützungsangeboten
und benennt konkrete Ansprechpartner im Land. Für ansässige Unternehmer hält der Wegweiser ebenfalls
wichtige Informationen sowie Kontaktadressen und Ansprechpartner
bereit. Den Wegweiser können Interessierte im Integrationsportal des
Landes abrufen oder als Broschüre
bestellen.
www.integriert-in-sachsen-anhalt.de
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hochwertige Arbeitsplätze in der
Region gesichert werden. Dazu ist die
Gründung einer Projektgruppe „Transformation des Braunkohlestandortes
Mitteldeutschland” unter dem Dach
der Europäischen Metropolregion
Mitteldeutschland geplant, in der die
Mitteldeutsche
Braunkohlengesellschaft mbH (MIBRAG), der Burgenlandkreis, der Saalekreis und der Landkreis
Leipzig zusammen mit weiteren
Partnern den Strukturwandel aktiv
gestalten werden. Mitte Mai trafen
sich Landrat Götz Ulrich, Metropolregions-Geschäftsführer Jörn-Heinrich
Tobaben, Geschäftsführer und Professor Dr. Andreas Berkner, Leiter der
Planungsstelle des Regionalen Planungsverbandes Leipzig-Westsachsen
mit Bundeswirtschaftsminister Sigmar
Gabriel, der seine Unterstützung für
das Projekt zusagte.
www.mitteldeutschland.com
XX
VW feiert Rekord und Jubiläum in Zwickau
Mit über 300.000 neuen Golf und
Passat am Fertigungsstandort Zwickau erzielte der Automobilhersteller
Volkswagen 2015 sein bislang bestes
Produktionsergebnis. Die Fertigung
steigerte sich dabei um ganze 20 Prozent gegenüber dem Vorjahr.
Gegenüber 1991, als der erste VW
Golf in Zwickau vom Band lief, hat
sich die maximale Tagesproduktion
nach Unternehmensangaben sogar
verzehnfacht. Mehr als 2,7 Millionen
Golf wurden seitdem in Sachsen produziert. Für Geschäftsführer Technik
und Logistik der Volkswagen Sachsen
GmbH belegt das 25-jährige Produktionsjubiläum „das Vertrauen in unseren Standort.” Gleichsam sei es „das
Resultat einer starken Mannschaftsleistung.” Für den Automobilkonzern
arbeiten heute im Freistaat Sachsen
10.250 Personen.
www.volkswagen-sachsen.de
XX
Fotos: Rainer Weißflog, Volkswagen Sachsen GmbH, Katja Trumpler, BMWi / Michael Reitz, FSU/Kasper
Digitales Kompetenzzentrum für Chemnitz
Im Rahmen der Förderinitiative „Mittelstand 4.0 – Digitale Produktionsund Arbeitsprozesse” entsteht bis Jahresmitte eines von bundesweit zehn
Kompetenzzentren zur Digitalisierung
des Mittelstandes in Chemnitz.
Unter Leitung der TU Chemnitz haben
die Unternehmen die Möglichkeit, sich
über neue digitale Anwendungen und
Fragen zu Kosten sowie zur Sicherheit bei der Einführung von Industrie
4.0-Technologien beraten zu lassen.
Zudem können eigene technische Entwicklungen, Schnittstellen zu Produkten oder Kunden hier unter professioneller Anleitung ausgetestet werden.
Sachsens Wirtschaftsminister Martin
Dulig erklärte: „Von dieser Entscheidung wird die gesamte sächsische
Wirtschaft, die besonders stark durch
kleine und mittlere Unternehmen
geprägt ist, profitieren.”
www.mittelstand-digital.de
XX
Forschungszentrum in Jena eingeweiht
An der Friedrich-Schiller-Universität
Jena hat ein deutschlandweit einzigartiges Institut seine Arbeit aufgenommen. Das neue Forschungszentrum für Energie- und Umweltchemie
soll mit der Erforschung innovativer
Batteriekonzepte zum Vorreiter bei
den erneuerbaren Energien avancieren und der global immer dringlicher
werdenden Frage nach klimafreundlichen, nachhaltigen und risikoarmen
Energiespeichern begegnen. Ein
besonderer Fokus liegt auf der Untersuchung von Kunststoffen, Keramiken und organischen Solarzellen,
die haltbarer und leistungsfähiger
sind als herkömmliche Batterien und
Akkus. Das 14,4 Millionen Euro teure
Forschungszentrum ist eine gemeinsame Investition der Ernst-AbbeStiftung, der Carl-Zeiss-Stiftung und
des Landes Thüringen.
www.uni-jena.de
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News
News
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Aktuelles aus der Region
IQ-Preis 2016 für Wasserstoftechnologie
Die Kumatec Sondermaschinenbau
& Kunststoffverarbeitung GmbH ist
Gesamtsieger des 12. IQ Innovationspreises Mitteldeutschland. Das Unternehmen erhielt die Auszeichnung für
seinen neuartigen Hochdruckelektrolyseur zur Wasserstoffproduktion.
Das Gerät realisiert erstmals Drücke
von 100 bar und verfügt über einen
Wirkungsgrad von über 80 Prozent. Die
Kombination von eigenentwickelten
Systembestandteilen mit günstigen
Vorzeigestadt für Energie- und Klimaschutz
Großserien-Komponenten ermöglicht
die Skalierbarkeit des Systems und
reduziert die Herstellungskosten. Noch
2016 soll im Rahmen des HYPOSProjektes eine Wasserstofftankstelle
mit der Technologie ausgerüstet
werden. Mit dem Wettbewerb fördert
die Europäische Metropolregion Mitteldeutschland die Innovations- und
Wettbewerbsfähigkeit in der Region.
Als erste Kommune in SachsenAnhalt ist die Stadt Dessau-Roßlau
im Januar mit dem European Energy
Award (eea) ausgezeichnet worden.
Oberbürgermeister Peter Kuras, der
den Award entgegennahm, würdigte
das Klimaschutzkonzept der Stadt,
das die Grundlage zur erfolgreichen
Teilnahme am eea darstellte, und
schloss: „Dieser Prozess wird weitergeführt. Gestalten wir die Zukunft,
bevor sie uns gestaltet.”
www.iq-mitteldeutschland.de
XX
Logistikunternehmen investieren in Star Park
neues Verteilzentrum bauen, an dem
zukünftig bis zu 80 neue Arbeitsplätze
entstehen sollen. Außerdem lässt das
Unternehmen Fiege im Star Park ein
neues Logistikzentrum mit rund 100
Arbeitsplätzen errichten. Darüber hinaus sind bereits IT Solar aus Norwegen,
der Tetrapack-Hersteller GA Pack aus
China und der Spinndüsenhersteller
Enka Technica im Star Park ansässig.
www.starpark-halle.de
XX
Millionen-Förderung für neue Industrieläche
Um Unternehmen mit großem Flächenbedarf auch in Zukunft in Gera
zu halten, fördert das Thüringer Wirtschaftsministerium die Erschließung
eines neuen Industriegebiets in der
Stadt mit knapp 12 Millionen Euro. Im
ersten Schritt sollen im kommenden
Jahr ca. 42 Hektar im Gebiet „Cretzschwitz” erschlossen werden, die zukünftig an Unternehmen mit einem Flächenbedarf von bis zu acht Hektar
vermarktet werden. Die bisher vorhan-
denen Gewerbeflächen im Stadtgebiet
sind bereits jetzt zu über 90 Prozent
ausgelastet. „Von der Großfläche
versprechen wir uns einen neuen
industriellen Schub für die gesamte
Region”, teile Geras Oberbürgermeisterin Dr. Viola Hahn zufrieden mit, die
den Förderbescheid von Thüringens
Wirtschafts- und Wissenschaftsminister Wolfgang Tiefensee im Dezember
entgegennahm.
www.gera.de
XX
www.dessau.de
XX
Milliarden-Chance im Kampf gegen Alzheimer
Fotos: Tom Schulze, Additiv PR, Monique Pucher, Lutz Sebastian, Ann Larie Valentine , Dorit Gaetjen, Anne Günther / FSU, Gert Mothes
In den Gewerbepark bei Halle (Saale)
kommt neuer Schwung. Den Auftakt
bildete die große Eröffnung des neuen
E-Commerce-Logistikzentrums von
Ebay Enterprise im November vergangenen Jahres, von dem aus Waren für
andere europaweite Online-Händler
versandt werden. Nun ziehen weitere
Logistiker nach.
Für rund 12,5 Millionen Euro will
auch der Logistikdienstleister Hellmann Worldwide Logistics hier ein
Das Konzept eea ist zugleich Auszeichnung sowie Qualitätsmanagementsystem und Zertifizierungsverfahren,
mit dem die energie- und klimapolitischen Bemühungen einer Gemeinde
erfasst, geprüft und gesteuert werden.
Erst wenn mindestens die Hälfte der
im strikten eea-Maßnahmenkatalog
geforderten Punkte verwirklicht wird,
ist eine Auszeichnung möglich.
Neue Hoffnungen in der Alzheimer-Forschung weckt derzeit das
Pharmaunternehmen Probiodrug aus
Halle (Saale) mit einem neuartigen
Therapieverfahren und der vielversprechenden Substanz „PQ912”. Der
Hemmstoff konnte das Fortschreiten
der Erkrankung in bisherigen Tests
unterbinden und befindet sich nun in
der mittleren klinischen Phase. Schon
in der zweiten Jahreshälfte sollen
erste Ergebnisse zur Verabreichung an
Patienten vorliegen. Die realistische
Aussicht auf einen echten Durchbruch
in der Alzheimer-Forschung wird
durch die Tatsache untermauert, dass
der Aktionärskreis von Probiodrug
überwiegend aus renommierten Biotechnologieinvestoren besteht. Angesichts der steigenden Patientenzahlen könnte sich für das Unternehmen
bei Erfolg ein Milliarden-Markt öffnen.
www.probiodrug.de
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Mitteldeutsche Köpfe
Der Leiter des Rostocker Volkstheaters
Stefan Rosinski wird
zu Beginn der neuen
Spielzeit im Sommer
den Posten als neuer
Geschäftsführer der Bühnen Halle
antreten. Rosinski war zuvor als
Generaldirektor der Stiftung Oper in
Berlin sowie Chefdramaturg und stellvertretender Intendant an der Berliner
Volksbühne tätig.
Dr. Kristina Meyer
von der FriedrichSchiller-Universität
Jena wurde mit dem
Willy-Brandt-Preis für
Zeitgeschichte ausgezeichnet. Die Historikerin erhielt die
seltene Ehrung für ihre Dissertation
„Die SPD und die NS-Vergangenheit
1945-1974”, in der sie sich kritisch mit
der Partei und der jungen Bundesrepublik auseinandersetzt.
Dr. Alexander Steinhilber hat die Nachfolge
als
Geschäftsführer
im Bach-Archiv Leipzig angetreten und
löst damit Dr. Dettloff
Schwerdtfeger ab. Der Musikwissenschaftler und Kulturmanager plant die
wissenschaftliche Arbeit des BachArchivs sichtbarer zu gestalten und
verstärkt jüngere Menschen für das
Bachfest zu begeistern.
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Interview
Interview
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Menschen denken nicht in Grenzen
Dr. Robert Nadler vom Leibniz-Institut für Länderkunde in Leipzig im Gespräch über die
Ursachen von Migration und die Frage, warum sich Zuwanderung nur schwer regulieren lässt.
Interview: Kai Bieler / Fotos: Michael Bader
Derzeit sind nach Angaben des UNHCR
weltweit rund 60 Millionen Menschen auf
der Flucht, so viele wie noch nie seit dem
Zweiten Weltkrieg. Wo liegen die Ursachen dafür?
Bei den Gründen ist man ganz schnell
bei den „klassischen” Ursachen von
Flucht und Vertreibung: kriegerische
Konflikte, politische Verfolgung und
die Verletzung von Menschenrechten.
Fluchtgründe können aber auch Armut,
Hungersnöte oder die fehlenden wirtschaftlichen Perspektiven sein.
In der Praxis ist das oft schwer voneinander zu trennen. Denn im Zuge
von Konflikten brechen zumeist auch
die regionalen Wirtschaftskreisläufe
einen großen Teil der syrischen Flüchtlinge auf. Im Fall der ostafrikanischen
Flüchtlingswanderung nimmt beispielsweise Äthiopien sehr viele Menschen auf. Darüber hinaus muss man
beachten, dass zu diesen 60 Millionen
auch Menschen gehören, die innerhalb
ihres Landes wandern. Das ist sogar
der weitaus größere Teil gegenüber
den Flüchtlingen, die in andere Länder
fliehen.
Zwischen welchen Regionen inden die
größten Wanderungsbewegungen statt?
Wenn man sich die globalen Wanderungsbewegungen insgesamt ansieht,
zeigt sich, dass die größten Ströme
zwischen Südasien und den Golfstaa-
In Deutschland wird die Diskussion um
Migration stark von der aktuellen Flüchtlingssituation bestimmt. Gerät dabei die
„normale“ Zuwanderung aus dem Blick ?
Diesen Eindruck kann man gewinnen.
Dabei machen Flüchtlinge weiterhin
nur einen kleinen Teil der Zuwanderung
nach Deutschland aus. Laut Schätzungen des Statistischen Bundesamtes
sind 2015 rund zwei Millionen Ausländer nach Deutschland eingewandert.
Demgegenüber wurden im selben
Zeitraum 476.649 Asylanträge gestellt
– darunter gerade einmal 162.510
Anträge durch syrische Flüchtlinge.
Aus welchen Gründen kommen Zuwanderer nach Deutschland?
»Die größten Wanderungsbewegungen innerhalb der Europäischen
Union finden zwischen Deutschland und Polen statt.«
Dr. Robert Nadler
zusammen. Die Versorgung mit Waren
des täglichen Bedarfs verschlechtert
sich, die Preise steigen inflationär an,
die Menschen können nicht mehr zur
Arbeit gehen oder werden dafür nicht
mehr bezahlt. Das heißt, neben der
Gefahr für Leib und Leben ist auch das
wirtschaftliche Überleben nicht mehr
gesichert.
Welche Länder nehmen die meisten
Flüchtlinge auf?
Das sind die Länder in unmittelbarer
Nachbarschaft von Konfliktregionen.
So nehmen die Türkei und der Libanon
ten zu finden sind. Das sind zumeist
Gastarbeiter. Es gibt außerdem eine
sehr starke Binnenwanderung innerhalb des afrikanischen Kontinents
sowie von Latein- nach Nordamerika.
Und wir haben auch ein sehr großes
Migrationsvolumen innerhalb des
postsowjetischen Raums. Die größten
Wanderungsbewegungen
innerhalb
der Europäischen Union finden übrigens zwischen Deutschland und Polen
statt. Deren Geschichte reicht sogar bis
ins 19. Jahrhundert zurück und begann
mit der Zuwanderung oberschlesicher
Arbeiter ins Ruhrgebiet.
Das können wir nur für Menschen aus
Drittstaaten sagen, denn Zuwanderer
aus EU-Staaten genießen die freie
Wohnortwahl und müssen nicht angeben, warum sie kommen. Ein Großteil
der Drittstaatenangehörigen erklärte,
hier Studium oder Ausbildung aufnehmen zu wollen. An zweiter und dritter
Stelle stehen der Familiennachzug und
die Aufnahme einer Arbeitstätigkeit.
Nur 23 Prozent sind über eine Duldung
im Rahmen eines laufenden Asylantragsverfahrens im Land, weitere
neun Prozent leben in Deutschland
auf Basis bereits bewilligten Asyls.
Seit 2007 forscht Dr. Robert Nadler zu Wanderungsbewegungen und Migration, der Entwicklung der Kultur- und
Kreativwirtschaft in Metropolregionen und zur Integration grenzüberschreitender Arbeitsmarktregionen in der EU.
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Interview
Unterscheidet sich die Zuwanderung
nach Ost- und Westdeutschland?
Ja, hier zeigen sich auch über
25 Jahre nach der Wiedervereinigung
einige Unterschiede, die aus der
unterschiedlichen Zuwanderungsgeschichte von West- und Ostdeutschland resultieren. Auch in der DDR gab
es ja mit den „Vertragsarbeitern” eine
Art Gastarbeitermodell. Die Menschen
Sowjetunion – hier insbesondere
Russland und die Ukraine – sowie
Vietnam bedeutende Herkunftsregionen. Der größte Unterschied aber
liegt im Umfang der Zuwanderung.
Während der Anteil ausländischer
Staatsbürger an der Gesamtbevölkerung bundesweit bei rund elf Prozent
liegt, beträgt er im Osten zwischen 3,5
und vier Prozent.
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Interview
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Interesse,
Zuwanderungsprozesse
quantitativ oder qualitativ zu steuern.
Dazu existieren viele Instrumente, von
Aufenthaltsgesetzen und Regelungen
zur Visavergabe über sprachliche und
finanzielle Anforderungen an Einwanderer bis hin zu einem strikten
Grenzregime in Form von Mauern und
Zäunen, wie es zwischen den USA und
Mexiko existiert. Die Geschichte zeigt
»Die Geschichte zeigt, dass staatliche Kontrolle und Lenkung von
Migrationsbewegungen selten funktionieren.«
Dr. Robert Nadler
kamen aber aus anderen Ländern
als im Westen. Diese historischen
Unterschiede können wir heute noch
erkennen. Während Zuwanderer in
den alten Bundesländern oft aus
Polen, Italien, Spanien und der Türkei
stammen, sind in den neuen Bundesländern das Gebiet der ehemaligen
Ist es aus Ihrer Sicht sinnvoll und möglich,
Zuwanderung staatlich zu steuern?
Grundsätzlich ist die Zuwanderung
wichtig für demografische Stabilität in
Deutschland, denn die Außenwanderungsbilanz der Deutschen ist seit 2005
durchgehend negativ. Trotzdem gibt es
natürlich immer wieder das politische
aber, dass staatliche Kontrolle und
Lenkung von Migrationsbewegungen selten funktionieren. Denn wir
haben es mit Menschen zu tun, die
bestimmte Vorstellungen von ihrem
Leben und individuelle Motive für ihr
Handeln haben. Diese stimmen in den
wenigsten Fällen mit den Interessen
und Grenzziehungen von Nationalstaaten überein.
Auch Deutschland hat in der Nachkriegszeit diese Erfahrungen gemacht.
Die damalige Bundesregierung wollte
mit den Gastarbeitern billige Arbeitskräfte für das Wirtschaftswunder ins
Land holen. Gekommen sind aber
Menschen, die eigene Interessen hatten und nicht wieder gegangen sind,
als sie in den 1970er Jahren nicht mehr
gebraucht wurden.
Viele ostdeutsche Landkreise setzen große
Hoffnungen in die demograischen
Effekte der aktuellen Zuwanderung. Ist
diese Hoffnungen berechtigt?
2013 schloss Dr. Robert Nadler seine Promotion im Fach Urban and
Local European Studies an der Universität Mailand-Bicocca ab.
Ich bin eher skeptisch, ob die aktuelle
Flüchtlingszuwanderung wirklich größere Chancen für den ländlichen Raum
bereithält. Denn die Zuwanderung
nach Deutschland zielt seit Jahren sehr
stabil auf die Großstädte allgemein und
Zuletzt leitete er das EU-Forschungsprojekt „Re-Turn: Regions benefitting from returning
migrants”, welches sich mit Rückwanderung in ländliche Räume Mittelosteuropas beschäftigte.
insbesondere auf die wirtschaftsstarken Regionen in Westdeutschland ab.
Das ist auch nachvollziehbar, denn der
wichtigste Baustein für die Integration
ist die Teilnahme am Arbeitsmarkt.
Und dafür sind die Chancen in ländlichen Gebieten Ostdeutschlands nun
mal nicht so groß wie in westdeutschen Metropolen. An diesem Punkt
geht es Migranten nicht anders als der
deutschen Bevölkerung.
Der aktuelle Entwurf der Bundesregierung für ein Integrationsgesetz sieht eine
Wohnortzuweisung für Flüchtlinge vor.
Ist das eine sinnvolle Maßnahme?
Das halte ich für problematisch. Solch
eine Vorschrift gab es ja bereits in den
1990er Jahren für die deutsch-russischen Spätaussiedler – mit überschaubarem Erfolg. So konnten wir im Rahmen eines Forschungsprojektes am
Beispiel der Oberlausitz beobachten,
dass die erste Generation der Spätaussiedler zumeist noch in der Region
geblieben ist und sich sozial integriert
hat. Aber schon ihre Kinder folgten den
ganz normalen Wanderungsmustern.
Das heißt, sie verließen – wie ihre
deutschen Altersgenossen – nach der
Schule die Region, um in den Großstädten eine Ausbildung bzw. ein Studium
zu beginnen oder Arbeit zu suchen. An
diesem individuell nachvollziehbaren
Verhalten können auch Verwaltungsvorschriften wenig ändern.
Und als Mittel gegen die gefürchteten
Parallelgesellschaften?
Nein. Die Segregation, also die Entmischung der Bevölkerung entlang ethnischer oder religiöser Grenzen, ist ein
häufiges Phänomen im Rahmen von
Wanderungsbewegungen. Zuwanderer ziehen vor allem in Regionen, wo
bereits soziale Netzwerke ihrer eigenen Bezugsgruppe existieren, denn
diese erleichtern den Neustart in einem
fremden Land. Der oft beschworene
„Schmelztiegel” New York war lange
eher ein Nebeneinander von ethnisch
homogenen Quartieren, wie „Chinatown” oder „Little Italy”. Auch deutsche
Auswanderer haben historisch immer
wieder sehr geschlossene Gruppen
gebildet, mit eigener Sprache, deutschen Kirchgemeinden und Kulturvereinen. Dieses Verhalten wird immer
erst dann schwächer, wenn sich genügend Anknüpfungspunkte zur Integration bieten, die auch mit individuellen
sozialen Aufstiegschancen verbunden
sind. Solche Prozesse lassen sich nicht
per Wohnortzuweisung steuern, die für
mich auch dem europäischen Gedanken auf Freizügigkeit widerspricht.
Es gibt Untersuchungen, die darauf
hindeuten, dass in durch Zuwanderung
heterogener werdenden Gesellschaften die
gesellschaftliche Solidarität abnimmt.
Umso wichtiger ist es, einen kleinsten
gemeinsamen Nenner zu bestimmen,
der die Basis von gesellschaftlichem
Zusammenhalt darstellen kann. In
klassischen
Zuwanderungsländern
wie den USA ist es das Bekenntnis
zur Verfassung. Denn sie beschreibt
die grundlegenden Spielregeln des
Zusammenlebens in einer kulturell
und ethnisch pluralistischen Gesellschaft. In Deutschland spiegeln sich
verbindende Wertvorstellungen im
Grundgesetz. Ein Blick darauf könnte
helfen, die Herausforderungen durch
die Zuwanderung zu meistern, ohne
dabei auf die aus meiner Sicht peinlichen und überholten Versuche der
Definition einer „Leitkultur” zurückgreifen zu müssen.
Vielen Dank für das Gespräch.
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Titel
Titel
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Flucht ins
Ungewisse
Der Fotograf Michael Bader porträtiert
Menschen entlang der Balkanroute und macht
so ihre Geschichten sichtbar.
Als im Herbst 2015 die Flucht von hunderttausenden Menschen nach Europa begann, konnte sich auch der Leipziger
Fotograf Michael Bader nicht der Macht der omnipräsenten
Bilder in den Medien und dem Zugriff der endlosen Diskussionen in sozialen Netzwerken und im Bekanntenkreis entziehen. Ihm war schnell klar, diese Entwicklung wird uns und
unser Land verändern. Es entstand der Wunsch, sich mit
dem Thema künstlerisch auseinanderzusetzen.
Michael
Bader
lebt und arbeitet als Fotograf in Leipzig.
Seit 2005 ist er für seine Kunden aus
Werbung und Industrie in den Bereichen
Porträt, Lifestyle, Architektur und
Reportage unterwegs. Authentische
Bilder und feinfühlig inszenierte Porträts
sind sein Markenzeichen. Michael Bader
fotografiert seit 2015 auch regelmäßig die
Interview-Partner im median-Magazin.
Monatelang lebten tausende Flüchtlinge im Hafen von Piräus vor den Toren der
griechischen Hauptstadt Athen. Mitte April räumte die Polizei das illegale Lager.
Scannen Sie den QR-Code,
um weitere Bilder, Interviews und Informationen
zum Projekt ‚Flucht ins
Ungewisse’ abzurufen.
Im Dezember 2015 und März 2016 reiste er entlang der
Balkanroute von Passau bis in den Hafen von Athen sowie
auf die Inseln Lesbos und Chios, um den Menschen ein
Gesicht und eine Stimme zu geben, sie aus der anonymen
Masse herauszulösen. Es entstanden Porträts, welche die
Flüchtlinge scheinbar herauslösen aus dem Kontext der
Zeltlager, Parkplätze, Bahnhöfe und Hafenanlagen, aus dem
Übergangszustand zwischen der verlorenen Heimat und
dem ungewissen Morgen. Zusätzlich führte Michael Bader
Interviews mit den Porträtierten, um die Geschichte ihres
früheren Lebens und ihrer Flucht zu erfahren.
Einen ersten Zwischenstand des – durch die Stiftung Kulturwerk der VG Bild-Kunst unterstützten – Projektes präsentierte Michael Bader im Frühjahr im Rahmen des Galerierundgangs im Leipziger Tapetenwerk, wo sich auch sein
Atelier befindet. Im Laufe des Jahres sollen weitere Reisen in
die Türkei und nach Jordanien folgen – außerdem sind Porträts und Interviews mit angekommenen Syrern in Deutschland geplant. Auf den kommenden Seiten zeigen wir Ihnen
eine Auswahl der Fotos und (zum Teil gekürzten) Interviews.
www.mbader.com/tags/refugee
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Titel
Samer Arqaui (24) und Rafat Makhoush (20) im Hafen
von Athen (Piräus), Griechenland, März 2016.
Samer: Ich habe in Damaskus internationales Business studiert und beim
Roten Kreuz geholfen. Wir waren ein
paar Freunde, die alle in verschiedenen Organisationen gearbeitet haben,
um den Flüchtlingen innerhalb des
Landes zu helfen. Viele aus Homes
oder anderen zerstörten Städten
kamen nach Damaskus.
Letzten Sommer hatte ich mein letztes Examen an der Uni in Damaskus –
ich konnte die ganzen Wochen vorher
natürlich nicht im Geringsten daran
denken und war mit ganz anderen
Dingen beschäftigt. Doch ich ging hin
und bestand diese Prüfung. Ich hatte
irgendwie nichts zu verlieren.
Nach der Uni hätte ich direkt zur
Armee gemusst – so beschloss ich
zu fliehen. Meine Familie organisierte
Geld und einen Pass, damit ich über
den Libanon nach Istanbul fliegen
konnte. In Istanbul hatte ich einen
Freund, der half uns, eine Bleibe zu
finden und einen Job. Ich arbeitete
dort drei Monate. Ich habe mich mit
meinem Abschluss in Mannheim an
der international business school
beworben und wurde genommen. Ich
hatte alle Papiere dahin geschickt. Die
haben natürlich auch keine Möglichkeit mir zu helfen und rieten mir, über
die Flüchtlingsroute nach Deutschland zu kommen.
Titel
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Malek Rashi (25) aus Taldou (Syrien) mit Vater und Geschwistern
im Hafen von Athen (Piräus), Griechenland, März 2016.
Ich habe zu Beginn der Revolution
studiert. Das habe ich dann aber abgebrochen, um mich um meine Familie
zu kümmern. Am 25. Mai 2013 sind
in meinem Dorf Taldou 130 Menschen
getötet worden. Soldaten von Assads
Armee und Schiiten irgendeiner Splittergruppe sind nachts in unser Dorf
gekommen und haben den Sunniten
mit dem Messer die Kehle durchgeschnitten. Aus meiner Familie sind
dabei zwei Frauen ermordet worden.
Wir hatten kein Geld – alles im Haus
verkauften wir, um genug Geld für
die Reise zu haben. Wir kamen in ein
Gebiet 150 km östlich von Aleppo, das
von der ISIS kontrolliert wurde. Hier
fand ich Arbeit als Bauarbeiter. Dort
habe ich das andere Gesicht der ISIS
kennengelernt. Sie töten und köpfen
willkürlich. Dann eines Tages erwischten die ISIS-Leute meinen Vater beim
Rauchen und wollten mich zwingen,
dass ich mich ihnen anschließe. Wir
mussten nun schnell verschwinden.
Wir brachen in die Türkei auf – im
September 2015. Auch hier habe ich
wieder Arbeit als Bauarbeiter gefunden. Ich habe zusammen mit meinem
Vater Stahlarmierung gebaut und
Beton gegossen. Als wir genug Geld
hatten, reisten wir nach Istanbul und
haben zu Schleppern Kontakt aufgenommen. Unsere Überfahrt klappte
erst beim fünften Mal. In Deutschland
will ich wieder studieren.
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Titel
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Titel
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Khaled aus Ägypten arbeitet für die serbische NGO
„Praxis” in Idomeni, Griechenland, Dezember 2015.
Genna (57) und Sohn Sedat (28) aus Syrien im Hafen
von Athen (Piräus), Griechenland, Dezember 2015.
Kata Nujic in einem Camp in Slovanski
Brod, Kroatien, Dezember 2015.
Ameer Hamza (17) aus Pakistan im „no border
kitchen” – Camp auf Lesbos, Griechenland, März 2016.
Ich bin seit September hier und organisiere die Hilfe in Idomeni – direkt am Grenzübergang von Griechenland nach
Mazedonien. Wir kümmern uns um die Versorgung mit
Wasser und Essen, Kleidung und Medizin. Wir hatten in den
letzten Wochen bis zu 20.000 Flüchtlinge gleichzeitig hier.
Das staute sich schnell, als nur noch Syrer, Afghanen und Iraker hier über die Grenze gelassen wurden. Normal hatten wir
einen Durchlauf von 2.000-3.000 Menschen jeden Tag. Jetzt
wo die Grenze dicht ist, sind es nur noch 500-600 täglich.
Wir sind Syrer und haben seit 2011 im Irak gelebt. Wir
haben unseren Weg in die Türkei gesucht – und nun mit
dem Boot nach Griechenland. Jetzt sind wir am Ende und
haben nichts mehr. Im Irak hatten wir kein Leben. Meine
Mutter ist sehr krank – wir hatten kein Geld und keine Möglichkeit, zum Arzt zu gehen. Den Behörden dort ist das egal.
Wir haben beide jeden nur möglichen Job angenommen,
damit wir genug Essen hatten und eine Unterkunft bezahlen konnten. Wir haben einfach nur überlebt.
Mein Traum ist es, anderen Menschen zu helfen. Also
mache ich das auch. Ich arbeite hier und ich höre, dass diese
Menschen sehr lange Wege auf sich nehmen, um an ihre
Ziele zu gelangen. Und dass es sehr hart ist und dass sie
sehr gelitten haben. Ich wünsche mir, dass diese Menschen
ihr Ziel erreichen und dass ihre Träume in Erfüllung gehen.
Ich komme aus Mandi Bahauddin im Norden Pakistans.
Meinen Freund Kamran kenne ich schon immer – wir
haben in der gleichen Straße gewohnt und uns gemeinsam auf den Weg gemacht. Wir haben von vielen gehört,
die es gewagt haben. Wir konnten an nichts anderes mehr
denken.
Schlimm war es für die, die hier nicht mehr weiterkommen.
Es ist gerade eine sehr schwierige Zeit hier. Und wir tun alles,
was wir tun können. Diese Leute sind sehr liebe Menschen.
Das sind KEINE Terroristen. Sie haben nichts – sie haben
alles verloren. Es gibt kein Essen. Nichts. Ich weiß nicht, was
ich der deutschen Bevölkerung sagen kann, aber diese Leute
sind wirklich liebenswert.
Wie es weitergeht, wissen wir nicht. Wir wollen einfach
nur weiter – dorthin, wo wir würdevoll leben können – am
liebsten nach Deutschland. Wir danken den Deutschen, die
in Frieden leben und uns empfangen, für diese Chance. Sie
respektieren die Menschen.
In Kroatien kennen wir den Krieg und können nachempfinden, wie es diesen Menschen geht. Wir wissen, dass es sehr
hart für sie ist und wollen helfen. Vor 20 Jahren hatten wir
hier Krieg und unzählige bosnische, kroatische und serbische Familien mussten ihre Heimat verlassen. Wir haben
damals eine bosnische Familie bei uns aufgenommen und
mein Bruder hat sogar eine Frau aus dieser Familie geheiratet. Sie sind sehr, sehr glücklich und leben jetzt in Zagreb.
Wir haben die Vergangenheit hinter uns gelassen und
gelernt, damit umzugehen. Wir haben gelernt, zu vergeben.
Unsere Familien sammelten das Geld zusammen. Es
werden Dinge verkauft. Es wird alles in diese Hoffnung
investiert, dass einer aus der Familie durchkommt und
Geld schickt oder die anderen nachholt.
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Titel
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Titel
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Hannabal (Hani) aus Syrien im Auffanglager
Vial auf Chios, Griechenland, März 2016.
Katarina (75) aus Palios auf Lesbos,
Griechenland, März 2016.
Hussam (35) aus Homes (Syrien) im Hafen von
Athen (Piräus), Griechenland, März 2016.
Ahmad (45) aus Homes (Syrien) mit Frau und
Kindern auf Chios, Griechenland, März 2016.
Ich bin erst vor zwei Wochen aus Damaskus geflohen. Ich
habe bis zum Schluss versucht zu bleiben – aber dann
wurde mein Haus bei einem Bombenangriff zerstört. Da
habe ich es nicht mehr ausgehalten. Ich weiß nicht, ob das
richtig war. Jetzt bin ich in einem Auffanglager, das sich wie
ein Gefängnis anfühlt. Ich will ein ruhiges Leben – in Sicherheit. In Syrien habe ich viel Tod gesehen.
Die Flüchtlinge kommen schon sehr lange mit den Booten.
Ich habe in den 1990er Jahren schon welche gesehen. Wenn
sie hier in der Bucht ankamen, haben wir ihnen Decken
gegeben und Feuerholz. Dann sind sie weitergezogen.
Heute ist das alles richtig organisiert. Viele NGOs sind auf
der Insel.
Wir kommen aus dem Norden von Homes – aus einem
kleinen Dorf mit viel Landwirtschaft. Mein Bruder ist vom
Assad-Regime getötet worden. Alle meine Brüder und
ich waren schon einmal inhaftiert – wurden gefoltert und
kamen wieder frei. Mich haben sie an meinen Armen aufgehangen, bis ich ohnmächtig wurde. Vor sieben Monaten
bin ich aus meinem Dorf geflohen und habe die Flucht
für den Rest der Familie organisiert. Wir haben 5 Monate
gebraucht, bis wir die ganze Familie einzeln durch die
Checkpoints durchbekommen haben.
Wir sind schon seit zwei Wochen hier und werden auch noch
länger warten. Hier ist es besser als in Athen oder Idomeni.
Es ist gut hier. Keine Flieger. Meine Kinder wachen nachts
noch immer bei jedem Flugzeug auf und haben Angst.
Ich habe Menschen gesehen mit abgeschnittenen Köpfen
– die lagen einfach so am Straßenrand. Mein Bruder ist im
Gefängnis gestorben.
Ich verstehe nicht, warum es hier so viele unterschiedliche
Nationen gibt. Nicht überall ist Krieg! Wenn ich mein Land
liebe, bleibe ich in meiner Heimat. Viele dieser Menschen
lieben ihre Heimat nicht.
Mein Vater war in den 1980ern in Deutschland. Er hat in
Leipzig Ökonomie studiert. Das hier habe ich mir nicht ausgesucht – in diesen Tagen habe ich kein Glück. Eine komische Wendung des Schicksals.
Mein Sohn ist Fischer und lebt hier draußen mit mir.
Manchmal fahre ich noch mit ihm raus. Letzte Woche kam
ein Boot mit 160 Leuten – das Boot da draußen. Es ist
gekentert an den Felsen.
Sie haben mir gerade das Telefon geklaut. An der Aufladestation. Ich denke, es waren Afghanen oder Syrer. Mein
Sohn sollte aufpassen, weil ich auf die Toilette musste. Ich
bin sehr verärgert. Da sind alle Telefonnummern drin – alle
wichtigen Menschen, meine Familie. Mein Bruder und mein
Vater sind noch in Syrien.
Wir haben vor unserer Flucht in Homes alles verkauft,
was noch übrig war. Die Bomben haben viel zerstört.
Früher hat meine Frau Unterwäsche geschneidert und ich habe Schuhe gemacht – ich bin Schuster. Ich war sogar schon einmal in Wien zu einer
Leder- und Schuh-Messe. Das war vor zehn Jahren.
Mein Traum ist nach Norwegen zu gehen – vielleicht
Deutschland. Mein Bruder ist in Deutschland.
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Interview
Text: Kai Bieler / Fotos: Michael Bader
Professor Dr. Oliver Holtemöller ist Leiter der Abteilung Makroökonomik am Leibniz-Institut
für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) und dessen stellvertretender Präsident.
Integration kommt nicht über Nacht
Professor Dr. Oliver Holtemöller vom Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH)
über die Kosten und Effekte von Zuwanderung sowie die Jobchancen von Flüchtlingen.
Seit Monaten diskutieren Politik und
Ökonomen über die Kosten und Folgen der
aktuellen Flüchtlingsmigration für den
Arbeitsmarkt und die Sozialsysteme. Gibt
es dazu schon verlässliche Zahlen?
Wir können im Moment die Effekte
nicht exakt beziffern. Wir wissen ja
noch nicht einmal genau, wie viele
Menschen ins Land gekommen sind
und immer noch kommen. Und wir
wissen auch nicht genau, wie diese
qualifiziert sind und wie ihre Altersstruktur aussieht. Allerdings gibt es
eine umfangreiche wirtschaftswissenschaftliche Forschung zu den Effekten
von Migration auf den Arbeitsmarkt
und die Sozialsysteme. Basierend auf
diesen Erfahrungen der Vergangenheit
kann man natürlich Projektionen der zu
erwartenden Kosten vornehmen. Mehr
als eine ungefähre Größenordnung
kann dabei aber nicht herauskommen.
Trotzdem bestimmen immer neue Zahlen
im zwei- oder gar dreistelligen Milliardenbereich die öffentliche Diskussion.
Dass Zahlen den medialen Diskurs
bestimmen, ist kein Spezifikum des
Flüchtlingsthemas. Das ist regelmäßig
auch bei Konjunkturprognosen der Fall,
bei denen die Nachkommastelle des
Bruttoinlandsproduktes thematisiert
wird. Dabei liegt die Messungenauigkeit mindestens bei einem halben Prozentpunkt. Die Frage ist, wie geht man
mit einem solchen Indikator um? Das
ist eher ein Problem der Medien als der
Wissenschaft.
Natürlich bringt jeder Euro, der für
die Flüchtlinge ausgegeben wird, eine
kurzfristige Stimulation der Konjunktur
auf der Nachfrageseite. Davon können
die Baubranche, die Gesundheitswirtschaft, Sicherheitsdienste oder soziale
Träger profitieren. Allerdings reden wir
hier auch von Größenordnungen im
Nachkomma-Bereich des Bruttoinlandsproduktes. Voraussetzung dafür
ist außerdem, dass dieses Geld auch
zusätzlich ausgegeben und nicht an
anderer Stelle eingespart wird. Wirklich
nennenswerte, positive Effekte auf die
deutsche Wirtschaft sind aus meiner
Sicht erst zu erwarten, wenn diese
Menschen mittel- und langfristig in
den Arbeitsmarkt integriert sind.
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bessere Zukunft für sich und ihre Kinder. Das ist aus meiner Sicht ein klarer
Indikator dafür, dass sie motiviert sind,
ihre persönliche Situation zu ändern,
etwa durch mehr Bildung. Das ist aber
ein langfristiger Prozess und er wird
Geld kosten.
theoretischen Komponenten in der
Vergangenheit sehr gut gefahren. Die
Arbeitswelt ändert sich permanent
und Menschen müssen in jungen
Jahren vor allem befähigt werden, zu
lernen und sich an neue Rahmenbedingungen anzupassen.
Über welchen Zeitraum reden wir dabei?
Das gilt für Flüchtlinge genauso wie
für die über eine Million einheimischen
Langzeitarbeitslosen. In den meisten
Fällen ist ja das zu geringe Ausbildungsniveau nicht die Ursache, sondern die Folge von Defiziten bei den
sozialen Kompetenzen. Das beginnt
im Bereich der frühkindlichen Bildung,
etwa beim Erwerb von Sprache oder
der Ausbildung der Fähigkeiten zur
Aus Untersuchungen wissen wir,
dass die Erwerbsbeteiligung von
Flüchtlingen erst nach zehn bis zwölf
Jahren dem Niveau der einheimischen
Bevölkerung entspricht. Eine schnelle
Arbeitsmarktintegration von hunderttausenden Flüchtlingen über Nacht
wird es also nicht geben. Aber wenn
wir als deutsche Gesellschaft nicht
»Die Erwerbsbeteiligung von Flüchtlingen entspricht erst nach zehn bis
zwölf Jahren dem Niveau der einheimischen Bevölkerung. Eine schnelle
Arbeitsmarktintegration über Nacht wird es also nicht geben.«
Prof. Dr. Oliver Holtemöller
Das ifo-Institut geht von rund 19.000
Euro jährlich pro Flüchtling für Unterbringung, Verplegung, Deutschkurse,
Ausbildung, Verwaltung usw. aus. Ist das
eine realistische Größenordnung?
An den Erfolgsaussichten für diese Integration sind zumindest Zweifel angebracht,
wenn man sich die OECD-Bildungsindikatoren für die Herkunftsländer der
Flüchtlinge ansieht.
Bei den Kosten für Unterbringung, Verpflegung und medizinische Versorgung
gehen wir von einer Größenordnung
von rund 10.000 Euro pro Jahr und
Flüchtling aus. Die darüber hinaus
gehenden Integrationskosten, also für
Sprachkurse, Bildung und berufliche
Eingliederung, lassen sich dagegen aus
den genannten Gründen derzeit noch
nicht wirklich abschätzen.
Ja, diese Zahlen gibt es. Allerdings sind
die Menschen in Syrien und anderen
Ländern ja nicht per se weniger intelligent als Deutsche, sondern sie sind
in einem schlechteren Bildungssystem
aufgewachsen. Sobald sich diese Rahmenbedingungen ändern, sind sie also
prinzipiell zu den gleichen Bildungsleistungen in der Lage.
Einige Ökonomen sehen die Flüchtlingshilfe als schuldeninanziertes Konjunkturprogramm. Teilen Sie diese Ansicht?
median
Interview
Darüber hinaus muss man davon ausgehen, dass die meisten Menschen, die
sich auf den Weg zu uns machen, ein
starkes Motiv haben. Sie wollen eine
jetzt in ihre Qualifizierung investieren, werden sie mit Sicherheit keine
Chance auf dem Arbeitsmarkt haben.
Das käme uns langfristig noch teurer.
Selbst wenn ein Teil der Menschen
wieder in ihre Heimat zurückkehrt,
wird sich das für Deutschland rentieren, weil es die Krisenregionen stabilisiert und dabei hilft, die Gründe für
Flucht zu beseitigen.
Selbststeuerung. Das sind Prozesse,
die im Wesentlichen bis zum vierten
Lebensjahr abgeschlossen werden
und deren Ergebnisse sich später
kaum noch revidieren lassen. Deshalb
ist es auch bei Kindern von Flüchtlingen so wichtig, dass sie so früh
wie möglich unsere Sprache lernen,
in Kitas und Schulen sozial integriert
werden. Was wir in diesem Punkt jetzt
verpassen, wird uns in zehn bis fünfzehn Jahren auf die Füße fallen.
Müssen sich die Ausbildungsangebote in
Deutschland ändern, um gering qualifizierten Menschen einen besseren Zugang
zum Arbeitsmarkt zu ermöglichen?
Welche Voraussetzungen braucht es aus
Ihrer Sicht dafür?
Das kann höchstens eine Übergangslösung in einzelnen Bereichen sein.
Denn letztlich sind wir mit dem dualen
Ausbildungssystem inklusive seiner
Wir müssen – völlig unabhängig von
der Flüchtlingsproblematik – dafür
sorgen, dass sich die geringe soziale
Durchlässigkeit im deutschen Bil-
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Interview
Interview
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Prof. Dr. Oliver Holtemöller
forscht zu den Themen Empirische Wirtschaftsforschung,
Quantitative Makroökonomik und Konjunkturzyklen,
Geldtheorie und Geldpolitik sowie Wirtschaftspolitik. Der
Diplom-Volkswirt und Doktor der Wirtschaftswissenschaft hat
außerdem an mehreren Gutachten für die Bundesregierung
mitgewirkt und als Sachverständiger an Anhörungen im
Deutschen Bundestag teilgenommen.
dungssystem erhöht. In unserem Land
ist der Bildungserfolg von Kindern
immer noch in starkem Maße vom
sozioökonomischen Status ihrer Eltern
abhängig, also von deren Bildungsgrad,
Einkommen, kulturellem Konsum und
sozialem Status.
Es gibt Studien, auch aus unserem
Haus, die zeigen, dass zum Beispiel
Arbeitslosigkeit in Deutschland vererbt
wird. Insbesondere Söhne, deren Väter
arbeitslos waren, haben eine signifikant höhere Wahrscheinlichkeit, selbst
arbeitslos zu werden. Das gilt interessanterweise aber nicht für Migranten.
Das sagt viel über die Motivation der
Menschen aus. Wir sollten also nicht
davon ausgehen, dass die Menschen
zu uns kommen, um von Transferleistungen zu leben.
Aktuell werden verschiedene Förderinstrumente für die Jobintegration von
Flüchtlingen diskutiert, etwa Beschäftigungsgutscheine, ein betriebliches Integrationsjahr oder Ausnahmen beim Mindestlohn. Wie bewerten Sie diese?
Wir haben in Deutschland eine große
Tradition von staatlichen Maßnahmen,
die den Arbeitsmarkt beleben sollen.
Doch die empirische Forschung zeichnet in den meisten Fällen ein eher
ernüchterndes Bild, was den Erfolg
dieser Bemühungen betrifft.
Ich halte den Mindestlohn grundsätzlich für ein falsches Instrument
zur Schaffung einer größeren Einkommensgerechtigkeit. Aber es gibt
darüber nun mal einen breiten gesellschaftlichen Konsens, den es auch
als Wissenschaftler zu akzeptieren
gilt. Deswegen darf es aus meiner
Sicht auch keine Ausnahmen vom
Mindestlohn und damit eine soziale
Konkurrenz zwischen Flüchtlingen und
einheimischen Arbeitslosen geben.
Also sind die deutschen Unternehmen auch
ohne staatliche Unterstützung in der Lage,
hunderttausenden von Flüchtlingen eine
Perspektive auf dem Arbeitsmarkt zu
geben?
Natürlich. Die deutsche Wirtschaft
verfügt über große Erfahrungen mit
der Integration von ausländischen
Arbeitskräften aus den vergangenen
Jahrzehnten. Die Unternehmen werden dazu also sicher in der Lage sein,
wenn im Vorfeld die bereits genannten
Investitionen in die berufsvorbereitende Qualifikation der Flüchtlinge
getätigt werden. Das ist allerdings eine
gesamtgesellschaftliche Aufgabe.
Darüber hinaus sollten die Flüchtlinge
– nach dem positiven Abschluss ihres
Asylverfahrens – volle Freizügigkeit
innerhalb Europas genießen, um sich in
den Arbeitsmarkt und die Gesellschaft
integrieren zu können. Denn sie sollen
ja dorthin gehen können, wo Arbeitsplätze existieren und nicht dahin, wo
Wohnungen leer stehen.
Eine gezielte Steuerung der Flüchtlingszuwanderung zur Belebung strukturschwacher Regionen befürworten Sie also nicht?
Grundsätzlich wird die aktuelle
Flüchtlingsmigration
nicht
die
demografischen
Strukturprobleme
in Deutschland lösen. Ländliche
Regionen können und sollten eigene
Anstrengungen unternehmen, um
attraktiv für den Zuzug durch Migranten zu sein. So lassen sich im Einzelfall zum Beispiel Schulschließungen
verhindern. Aber das lässt sich nicht
zentral von oben verordnen, sondern
hängt vom Engagement der Akteure
vor Ort ab. Bund und Länder können
dabei nur Anreize schaffen, dass in
den Kommunen und Landkreisen
diese Chance ergriffen wird.
Wäre aus Ihrer Sicht – unabhängig von
der Aufnahme von Flüchtlingen – eine
stärker ökonomisch orientierte Regulierung der Zuwanderung sinnvoll?
Das muss man klar voneinander
trennen. Die Aufnahme von Flüchtlingen ist eine humanitäre Aufgabe,
die zu unserem Werte-Kanon gehört
und deshalb nicht in erster Linie
einem Kosten-Nutzen-Kalkül unterworfen werden darf. Bei der Organisation von Zuwanderung haben wir
in Deutschland in der Tat noch einige
Defizite. Diese sollte stärker nach den
ellen Erfolg am Arbeitsmarkt darüber
entscheidet, wer nach Deutschland
kommen darf und wer nicht.
Jeder Migrant, der zu uns kommt
und einen Job findet, hilft uns dabei,
unsere schrumpfende Bevölkerungszahl und die Finanzierung unseres
Sozialsystems zu stabilisieren. Wir
müssen uns anstrengen, dass wir
zum einen auf einer individuellen
Ebene. Es gibt Studien, die belegen,
dass ethnisch, kulturell und sozial
heterogen
zusammengesetzte
Teams innovativer und kreativer sind.
Ähnliche Effekte lassen sich auch für
Unternehmen als Ganzes empirisch
beobachten. Firmen, die auf ausländischen Märkten aktiv sind, werden
»Wir sollten nicht davon ausgehen, dass die Menschen zu uns
kommen, um von Transferleistungen zu leben.«
Prof. Dr. Oliver Holtemöller
wirtschaftlichen Interessen Deutschlands organisiert werden. Aber durch
die aktuelle Flüchtlingszuwanderung ist diese dringend notwendige
Debatte leider in den Hintergrund
gerückt.
Wie könnte das konkret geschehen?
Da gibt es verschiedene Modelle, etwa
Punktesysteme für den Qualifizierungsgrad potenzieller Einwanderer.
Allerdings halte ich nicht viel davon,
dass ein Beamter anhand von Unterlagen und Prognosen über den individu-
für Zuwanderung von qualifizierten Menschen attraktiv sind. Hier
braucht es den Abbau bürokratischer
Hürden, gekoppelt an klare Regeln
für den Fall einer nicht erfolgreichen
Arbeitsmarktintegration. Wer nach
einer gewissen Zeit keinen Job findet,
muss zurückgehen.
produktiver und wettbewerbsfähiger. Die Teilhabe am internationalen
Wettbewerb, die Begegnung mit
anderen Märkten, Kulturen und Menschen spiegelt auch positiv zurück in
die Unternehmen.
Was bringt Zuwanderung über die
Deckung des Fachkräftebedarfs hinaus
für deutsche Unternehmen?
Das zeigt, Integration ist keine Einbahnstraße. Wenn wir es richtig
anstellen, kann sich unsere Gesellschaft dadurch auch zum Positiven
verändern.
Internationalität bringt klare wirtschaftliche Vorteile mit sich. Das gilt
Vielen Dank für das Gespräch.
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Fit für die Ausbildung
Im BMW Group Werk Leipzig erhalten Flüchtlinge ein siebenmonatiges Praktikum. Ziel ist es,
die Grundlagen für eine Ausbildung bei dem Autobauer zu legen.
Text: Marcus Hengst / Fotos: BMW Group
„Als weltoffenes und tolerantes Unternehmen, das auf allen
Kontinenten agiert und produziert, wollen wir ein Zeichen im
Umgang mit Flüchtlingen setzen”, sagt Dirk Wottgen, Personalleiter des BMW Group Werks Leipzig. Der Automobilhersteller startete Anfang 2016 eine Ausbildungsinitiative, in
der Flüchtlingen die theoretischen und praktischen Grundlagen für metallverarbeitende Berufe vermittelt werden.
Acht Flüchtlinge aus Somalia, Eritrea und Albanien erhalten
erstmalig die Chance, ein Praktikum zu absolvieren. „Wir
Sprache mächtig sein. Damit das gelingt, nehmen die jungen
Männer an Deutschkursen und interkulturellen Trainings
teil. „Sprache öffnet Türen und eröffnet Chancen, um sich in
Deutschland leichter und schneller integrieren zu können.
Der Berufsbildungsstart bei BMW bildet einen idealen Ausgangspunkt dafür”, ist Dirk Wottgen überzeugt.
BMW kooperiert dabei eng mit der Bundesagentur für
Arbeit. Darüber hinaus haben sich engagierte BMW-Mitarbeiter gefunden, die den Flüchtlingen bei Alltagsaufgaben
Bundesweit arbeiten 3.500 Mitarbeiter für die GP Günter Papenburg AG, allein in Halle
(Saale) sind es 1.350. Zukünftig soll die Belegschaft noch internationaler werden.
Zuzug als Chance
Die Suche nach Auszubildenden im Baugewerbe ist kein leichtes Unterfangen. Deshalb setzt die
GP Günter Papenburg AG aus Halle auf die positiven Efekte von Zuwanderung.
Text: Marcus Hengst / Foto: Marco Warmuth
Acht Flüchtlinge aus Somalia, Eritrea und Albanien starteten Anfang 2016 ein
Praktikum im Leipziger BMW-Werk.
wollen sie für die Ausbildung bei BMW fit machen”, erklärt
der Personalleiter, der bis dato einen positiven Eindruck von
den Praktikanten gewonnen hat. „Die jungen Männer sind
zwischen 20 und 27 Jahren, allesamt hochmotiviert, zeichnen sich durch einen starken Willen aus und haben eine
hohe Lernbereitschaft.” Ob sie mit diesen Eigenschaften den
Sprung in die Ausbildung schaffen und welche Tätigkeit am
besten zu ihnen passen wird, entscheidet BMW nach sieben
Monaten. „Jeden Tag lernen wir sie und ihre Qualitäten besser kennen, sodass wir später bei entsprechender Eignung
sicherlich den richtigen Platz bei BMW finden werden.”
Nach Abschluss des Praktikums sollen die Flüchtlinge im
Herbst dieses Jahres mit einer Ausbildung inklusive Berufsschulunterricht beginnen – dafür müssen sie der deutschen
wie bürokratischen Behördengängen unter die Arme greifen. Im Werk selbst steht ein Ausbilder zur Verfügung, der
ausschließlich die Flüchtlinge betreut.
„Es ist für uns selbstverständlich, dass wir einen Beitrag
zur beruflichen und sozialen Integration leisten. Denn bei
uns arbeiten schon sehr lange die unterschiedlichsten
Nationalitäten zusammen”, betont der Personalleiter. Das
derzeitige Engagement für Diversity gilt übrigens bei BMW
bundesweit: Während in Leipzig die acht jungen Männer das
EQJ-Programm absolvieren, schult die BMW Group in ganz
Deutschland rund 500 Flüchtlinge im Rahmen eines neunwöchigen Praktikums.
www.bmw.de
XX
Experten gehen davon aus, dass der deutschen Wirtschaft
im Jahr 2030 mehr als sechs Millionen Arbeitskräfte fehlen werden. Einige Unternehmen merken den fehlenden
Nachwuchs bereits jetzt. Dazu gehört auch die Bauunternehmensgruppe GP Günter Papenburg AG an ihrem
Standort in Halle (Saale), wo vor allem Ausbildungsplätze
als Berufskraftfahrer, Betonwerker, Baumaschinist und
Bauhelfer schwer zu besetzen sind. „Mit Praktika und
Berufsqualifizierungsmaßnahmen möchten wir für unsere
Ausbildungsberufe werben und dabei die Qualitäten und
Fähigkeiten der Interessierten besser kennenlernen”,
erklärt Geschäftsführerin Angela Papenburg die Strategie.
„Den Zuzug an Menschen aus anderen Ländern sehen wir
dabei als eine Chance, um Nachwuchskräfte zu gewinnen.”
Deswegen lud das Unternehmen im Januar 2016 rund
60 Flüchtlinge zu einer Werksbesichtigung in Halle ein. Diese
waren entweder bereits in ihrer Heimat in Bauberufen tätig
oder hatten Interesse an einer Ausbildung signalisiert. Die
ersten Flüchtlinge, die bei GP Papenburg ihre Chance nutzen, sind zwischen 16 und 25 Jahre alt und stammen aus
Syrien und dem Iran. Sie absolvieren eine Kombination aus
Praktika, Sprachkursen und Bewerbungstrainings. Bis Ende
2017 will die GP Günter Papenburg AG gezielte Angebote für
Flüchtlinge unterbreiten, von der Einstiegsqualifizierung bis
zum Dualen Studium. „Wir versuchen Barrieren abzubauen,
Ängste zu nehmen und Deutschland so zu zeigen, wie es
ist: tolerant, aufgeschlossen und hilfsbereit”, betont Angela
Papenburg. Sie weiß um die gesellschaftliche Verantwortung des größten mittelständischen Bauunternehmens der
Region und erkennt zugleich das wirtschaftliche Potenzial
der jungen und motivierten Bewerber.
Die GP Günter Papenburg AG hat in den vergangenen zwei
Jahrzehnten bereits gute Erfahrungen mit der Integration von Ausländern gemacht und zahlreiche RusslandDeutsche und Südost-Europäer erfolgreich ausgebildet.
Für Firmen, die auf der internationalen Bühne agieren,
ein wichtiges Tool. „Wir haben durch unsere internationale Mannschaft die Möglichkeit erhalten, neue Kontakte
zu knüpfen und Kooperationen zu schließen. Zudem ist
unsere Mitarbeiterschaft vielfältiger geworden”, erkennt
die Geschäftsführerin die Vorteile, die in den kommenden
Jahren sukzessive ausgebaut werden sollen. Dann könnte
bei der GP Günter Papenburg AG perspektivisch das Thema
Fachkräftemangel der Vergangenheit angehören.
www.gp.ag
XX
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Ankommen und arbeiten
In der Flüchtlingskrise ist es eine heftig umstrittene Frage: Werden die Neuankömmlinge dem
deutschen Arbeitsmarkt nutzen oder ihn belasten? Eine Spurensuche in Mitteldeutschland.
Text: Dörthe Gromes / Foto: Christian Hüller
Patrick Ayosso aus Benin und Abdoulaye Ba aus GuineaBissau haben es geschafft: Seit Februar haben die jungen
Männer einen Arbeitsvertrag bei einer deutschen Firma.
Sie sind angestellt bei Innovate Wet Wipes in Naumburg,
einem Unternehmen mit 115 Mitarbeitern, das spezielle
Feuchttücher herstellt, die unter anderem im Klinikbereich Verwendung finden. Dort stapeln die zwei Afrikaner
nun acht Stunden lang am Tag Kisten mit den fertigen
Produkten. Eine einfache Tätigkeit, die jedoch mit Sorgfalt
und Geduld getan werden muss.
Alexander van Haren, der Geschäftsführer der Firma,
erzählt, dass er es trotz der Arbeitslosenquote von knapp
zehn Prozent in Naumburg schwer habe, für diese gering
qualifizierten Jobs Arbeiter vor Ort zu finden. Deshalb
hat das Unternehmen vor rund zwei Jahren in Polen um
Erfahrungen gemacht. Zum Beispiel mit Leuten, die keine
Weisungen von Frauen akzeptiert haben”, berichtet der
Geschäftsführer. Ein Grundverständnis hiesiger Normen
und Prinzipien sei für alle Integrationsbestrebungen
unabdingbar, so Alexander van Haren.
Doch wie kommen Flüchtlinge und Unternehmen überhaupt zusammen? Dafür gibt es bislang keinen standardisierten Weg. Katrin Nitsch, die Personalreferentin
von Innovate Wet Wipes, telefonierte am Anfang sehr
viel herum. Irgendwann sprach sie auch mit einer Mitarbeiterin des Wirtschaftsamtes vom Burgenlandkreis.
Seit Juli vergangenen Jahres gibt es dort ein auf vier
Jahre angesetztes Projekt mit dem etwas sperrigen Titel
„Berufliches Integrationszentrum für Ausbildung und
Arbeit für Asylbewerber/-innen und Flüchtlinge im Bur-
»Die meisten sind engagierte Leute, die hergekommen sind, um sich
hier etwas aufzubauen.«
Alexander van Haren
Mitarbeiter geworben. Es war für Innovate Wet Wipes ein
logischer Schritt, jetzt auch unter den Flüchtlingen nach
Personal zu suchen.
Bei Innovate Wet Wipes in Naumburg setzt man auf die
berufliche Integration von jungen Flüchtlingen.
Die zwei neueingestellten Mitarbeiter sprechen gut
deutsch. Sie sind seit acht Monaten beziehungsweise
knapp anderthalb Jahren im Land. Beide erzählen, dass
sie aufgrund von ernsten Problemen in ihren Heimatländern nach Deutschland gekommen seien. Sie möchten außerdem ihre Familien in der Heimat unterstützen
beziehungsweise nachholen. Alexander van Haren lobt
die Motivation und das Pflichtbewusstsein seiner neuen
Mitarbeiter: „Die meisten sind engagierte Leute, die
hergekommen sind, um sich hier etwas aufzubauen.” Er
bewertet den Begriff Wirtschaftsflüchtling deshalb auch
nicht negativ. Allerdings würde sich nicht jeder Flüchtling so gut integrieren. „Wir haben auch schon schlechte
genlandkreis”. Es wird durch das Bundesministerium für
Arbeit und Soziales und den Europäischen Sozialfonds
gefördert. Gemeinsam mit verschiedenen Bildungsträgern in Weißenfels, Zeitz und Naumburg wurden spezielle
Integrationszentren aufgebaut. Die Flüchtlinge bekommen dort Sprachunterricht, gleichzeitig wird festgestellt,
welche beruflichen Fähigkeiten sie mitbringen, und sie
werden für den deutschen Arbeitsmarkt geschult. Die
Kurse dauern zwischen drei und sechs Monaten. Entsprechend ihrem Sprach- und Bildungsniveau werden die
Flüchtlinge zum Ende des Kurses an Unternehmen für
Praktika vermittelt. Läuft das Praktikum gut, kann es wie
im Fall von Patrick Ayosso und Abdoulaye Ba bestenfalls
in einen festen Arbeitsvertrag münden.
Überall befinden sich die Strukturen, um die große Zahl
neuangekommener Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt zu
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ben darf, ist für Unternehmen eines der Haupthindernisse
bei der Frage, ob sie Flüchtlinge einstellen oder ausbilden
wollen. Das ergab eine Umfrage der IHK Sachsen unter
ihren Mitgliedsunternehmen. Danach sind 90 Prozent
der Firmen nur bereit, Flüchtlinge mit einer gesicherten
Aufenthaltserlaubnis zu beschäftigen. Für 59 Prozent
sind gute bis sehr gute Deutschkenntnisse eine Grundvoraussetzung. Danach folgt mit 45 Prozent eine nachweislich abgeschlossene Berufsausbildung. Weiterhin
werden die unsichere Rechtslage, Unsicherheit über das
Qualifikationsniveau der Flüchtlinge, die Sorge vor kulturellen Unterschieden sowie ein hoher organisatorischer
Aufwand als Hinderungsgründe für die Einstellung von
Flüchtlingen genannt.
»Das Handwerk hat eine hohe
Bereitschaft, Flüchtlinge
auszubilden.«
Im Bildungs- und Technologiezentrum der Handwerkskammer Halle (BTZ) erlernen junge Flüchtlinge
seit Herbst 2015 die Grundlagen in den Bereichen Bau, Metallverarbeitung, Schweißen und Lackieren.
Dr. Andrea Wolter
Ziel der Kurse ist es, sie für weitere
Ausbildungsangebote fit zu machen.
zu Leipzig. „In Leipzig trafen sich Anfang April die ersten
60 Flüchtlinge mit verschiedenen unserer Mitgliedsunternehmen. Wir hoffen, dass in Kürze ein erster Lehrgang
startet.” Bundesweit sollen durch eine gemeinsame
Initiative des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF), der Bundesagentur für Arbeit (BA) und
des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks bis zu
10.000 Flüchtlinge beruflich integriert werden. Für das
24-monatige Programm stellt das BMF 20 Millionen Euro
zur Verfügung.
Die Ergebnisse dieser Umfrage sind keine sächsische
Besonderheit, sondern decken sich in den wesentlichen
Einschätzungen mit Umfragen, die auch andere Kammern
Mitteldeutschlands unter ihren Mitgliedern durchgeführt
haben. André Kühne, Pressesprecher der Handwerkskammer Ostthüringen, formuliert folgende Forderungen der Unternehmen an die Politik: „Wir brauchen ein
beschleunigtes Asylverfahren, eine gesicherte Bleibeperspektive für mindestens fünf Jahre sowie eine stärkere
Unterstützung der Unternehmen durch einen Ausbau der
Integrations- und Sprachkurse.” Kühne merkt an, dass
60 Prozent der Handwerksunternehmen Ostthüringens
Interesse an einer Beschäftigung oder Ausbildung von
Flüchtlingen zeigen würden.
besetzt werden kann. Darüber hinaus sollen Asylbewerber, die in Deutschland eine qualifizierte Berufsausbildung
finden, während deren gesamter Dauer geduldet werden.
Die Duldung soll noch bis zu einem halben Jahr nach der
Ausbildung weiter gelten, um ihnen die Möglichkeit zu
geben, in Deutschland auch einen Job zu finden.
integrieren, noch im Aufbau. Oft sind es Kooperationen
zwischen den ortsansässigen Jobcentern, Verwaltungen,
Bildungsträgern und Kammern, die solche Integrationsprojekte tragen. Ein ähnliches Projekt wie im Burgenlandkreis hat zum Beispiel die Handwerkskammer Halle im
Herbst 2015 ins Leben gerufen. Es heißt „Förderung der
Ausbildung von jungen Flüchtlingen”. Im ersten Durchgang wurden bei zwölf Flüchtlingen aus Syrien, Eritrea und
Burkina Faso ihre beruflichen Kompetenzen festgestellt
und ihnen dann im Bildungs- und Technologiezentrum
der Handwerkskammer Halle (BTZ) Grundkenntnisse in
den Bereichen Bau, Schweißen, Metallbearbeitung sowie
Malen und Lackieren gelehrt. Ein zweiter Durchgang
begann im Frühjahr dieses Jahres. Ziel ist es, die Teilnehmer anschließend in weitere Maßnahmen, Ausbildungen
oder Praktika zu vermitteln.
„Das Handwerk hat eine hohe Bereitschaft, Flüchtlinge
auszubilden. Unsere Bildungszentren bieten gute Voraussetzungen, eine intensive fachliche Berufsorientierung
und Berufsvorbereitung verbunden mit der notwendigen
Sprachausbildung zu ermöglichen”, betont auch Dr. Andrea Wolter, Pressesprecherin der Handwerkskammer
Doch mitunter stehen diesem Anliegen auch gesetzliche Rahmenbedingungen entgegen. So richtet sich der
Zugang für Flüchtlinge zum deutschen Arbeitsmarkt nach
ihrem Asylstatus. Menschen, denen Asyl bewilligt wurde
und die in der Regel eine Aufenthaltserlaubnis von ein bis
drei Jahren haben, unterliegen keinen Beschränkungen.
Dagegen erhalten bislang diejenigen, deren Asylverfahren
noch nicht abgeschlossen ist, nur einen eingeschränkten
Zugang zum Arbeitsmarkt. Das trifft ebenfalls auf die
Menschen zu, deren Asylverfahren negativ ausgegangen
ist, deren Abschiebung jedoch ausgesetzt wurde. Die
Unsicherheit, wie lange ein Flüchtling in Deutschland blei-
Diese Forderungen der Unternehmen greift der Ende Mai
vorgestellte Entwurf der Bundesregierung für ein neues
Integrationsgesetz zumindest teilweise auf. So sollen
rechtliche Hürden abgebaut werden, um Asylbewerber in
den Arbeitsmarkt zu integrieren. Dazu zählt eine Lockerung der sogenannten Vorrangsprüfung, wonach bei
einem Jobangebot erst geprüft werden muss, ob die Stelle
auch mit einem deutschen Bewerber oder EU-Bürger
Die Firma Innovate Wet Wipes wird nach ihren bisherigen
Erfahrungen auch weiterhin unter den Flüchtlingen nach
Personal suchen. Geschäftsführer Alexander van Haren
bemerkt dazu: „Natürlich ist es für mich als Arbeitgeber
schwierig, wenn ich nicht weiß, wie lange die Leute im
Land bleiben dürfen. Allerdings habe ich auch bei deutschen Mitarbeitern keine Garantie, dass sie langfristig
bleiben werden.” Für sein Unternehmen sieht er in der
Flüchtlingskrise vor allem den Vorteil von verfügbaren
Arbeitskräften. Viele deutsche Firmen exportieren ihre
Produkte in die ganze Welt. Warum sollten nicht auch
die Belegschaften der Unternehmen aus vielen Ländern
stammen?
www.innovate-de.infoXXXwww.hwkhalle.de
www.hwk-leipzig.deXXXwww.hwk-gera.de
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Arbeitsmarkt
Arbeitsmarkt
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Neue Wege ans Ziel
Im Rahmen des Projektes „Mitarbeiter für Verantwortung“ entwickelten Leipziger Führungskräfte und Entscheidungsträger praxistaugliche Ideen für die Jobintegration von Flüchtlingen.
Text: Kai Bieler / Fotos: Franziska Werner
„Die öffentliche Diskussion um die Flüchtlingsmigration
wird oft von den damit verbundenen Problemen dominiert.
Wir wollten dagegen bewusst den Blick auf die Potenziale
der Zuwanderung für die gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung Leipzigs lenken und fragen, wie sich bestehende Hürden durch neue Denkansätze beseitigen lassen”,
erklärt Jörg Müller, Geschäftsführer der IdeenQuartier – CSR
und Kommunikation GmbH und Projektleiter von „Mitarbeiter für Verantwortung”.
Das Programm ist Teil der Verantwortungsinitiative V FAKTOR der Europäischen Metropolregion Mitteldeutschland
und bringt Führungskräfte und Entscheidungsträger aus
Politik, Verwaltung, Wirtschaft und Kultur zusammen, um
neue Lösungen für eine konkrete Fragestellung der Leipziger Stadtgesellschaft zu finden. Während es im ersten
Programmdurchlauf des Projektes „Mitarbeiter für Verantwortung” noch um die Senkung der Schulabbrecherquote in
Leipziger Schulen ging, widmeten sich die 20 Teilnehmer des
zweiten Durchgangs nun seit September 2015 dem Thema
Zuwanderung.
Eine von ihnen war Caroline Miosga, Projektmanagerin bei
der MADSACK Konzernlogistik mit Sitz in Leipzig. Sie betreut
auf strategischer Ebene das Recruiting von Zeitungszustel-
lern und Briefträgern in der MADSACK Mediengruppe, zu der
bundesweit neben der Leipziger Volkszeitung (LVZ) auch
14 weitere Tageszeitungen, mehr als 30 Anzeigenblätter
sowie Postdienstleister und Full-Service-Agenturen gehören. „Wir sind ständig auf der Suche nach neuen Mitarbeitern
in diesem Bereich und haben mit der Zuwanderung große
Hoffnungen verbunden. Allerdings stellen der beschränkte
Zugang zum Arbeitsmarkt für Flüchtlinge in den ersten
Monaten und die damit einhergehende Vorrangprüfung,
bei der geprüft wird, ob für den konkreten Arbeitsplatz
bevorrechtigte Deutsche oder EU-Ausländer zur Verfügung
stehen, uns vor große Probleme”, so die Projektmanagerin.
Derzeit sei auch noch nicht absehbar, ob und in welchem
Umfang es durch das geplante Integrationsgesetz hier zu
Erleichterungen komme, so Caroline Miosga weiter.
Neben der Präsenz auf zahlreichen Veranstaltungen wie der
Integrationsmesse Leipzig sollen nun in einem gemeinsamen Projekt mit der Arbeitsagentur Leipzig gezielt Flüchtlinge über Jobangebote innerhalb der Logistik von LVZ und
LVZ Post informiert werden. Die Mitarbeit am Programm
„Mitarbeiter für Verantwortung” hat für Caroline Miosga
neben jeder Menge neuer Impulse für die eigene Arbeit und
neuen Kontakten auch auf emotionaler Ebene Bedeutung.
„Die intensive Arbeit in der Gruppe und die persönliche
Vertreter der Leipziger Stadtgesellschaft im
Diskurs über die Potenziale der Zuwanderung.
Begegnung mit Flüchtlingen in Gemeinschaftsunterkünften
haben auch meinen Blick auf das Thema und die Menschen
verändert”, resümiert die MADSACK-Projektmanagerin.
Als konkretes Ergebnis von „Mitarbeiter für Verantwortung”
sind zwei umsetzungsfähige Vorhaben entstanden, die zwei
unterschiedliche Ansätze verfolgen. „Expedition Job” setzt
auf eine frühzeitige Berufsorientierung von Kindern und
Jugendlichen mit Migrationshintergrund. Im Rahmen eines
»Die Herausforderungen für unsere Städte verlangen aufgrund ihrer
zunehmenden Komplexität nach neuen Lösungsansätzen.«
Jörg Müller
viertägigen Orientierungsverfahrens sollen diese an Berufsbilder des Handwerks, wichtige Inhalte von Bewerbungsgesprächen und erste Berufseinblicke durch Kurzpraktika
herangeführt werden. Das Konzept wird federführend vom
soziokulturellen Zentrum Haus Steinstraße e. V. umgesetzt
werden.
In fünf Workshops und weiteren Vor-Ort-Terminen informierten sich die Projektteilnehmer über das Thema, trafen
beteiligte Akteure und suchten in zwei Arbeitsgruppen nach neuen Ansätzen für eine Integration von Flüchtlingen.
geschuldet vor allem der interkulturellen Unkenntnis. Hier
wollen wir durch den Transfer von Erfahrungen aus anderen
Unternehmen und den persönlichen Kontakt mit geflüchteten Menschen Sicherheit vermitteln und geeignete Methoden aufzeigen, wie das Verhältnis von Unternehmen und
Zuwanderern aufgebaut und gestaltet werden kann”, skizziert Toralf Wienholz, Filialdirektor bei der Deutsche Bank
Privat- und Geschäftskunden AG und ebenfalls Teilnehmer
von „Mitarbeiter für Verantwortung”, den Ansatz.
Das zweite Vorhaben will den Abbau von Vorurteilen und
die Verringerung von Hemmschwellen innerhalb von Unternehmen bei der Integration von Flüchtlingen fördern. Dabei
helfen sollen die Bausteine „Aktionstag Integration” und
„Basisworkshop Integration”, die nun in eigener Regie oder
mit Unterstützung von Trainern in Unternehmen durchgeführt werden können. „Beim Thema Integration von Flüchtlingen gibt es bei vielen Unternehmen noch Vorbehalte,
Als weiteres Ergebnis des vom Bundesministerium für
Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit geförderten Vorhabens „Mitarbeiter für Verantwortung” wird ein
Leitfaden für Politik, Verwaltung und Unternehmen entstehen, um die entwickelten Methoden und Ansätze einer
intersektoralen Zusammenarbeit zukünftig für die Lösung
komplexer Fragestellungen nutzen zu können. „Die sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Herausforderungen
für unsere Städte verlangen aufgrund ihrer zunehmenden
Komplexität nach neuen Lösungsansätzen. Durch das Vernetzen von Führungskräften und Entscheidungsträgern
aus einer Stadtgesellschaft können dabei neue Impulse entstehen”, betont Ideenquartier-Geschäftsführer Jörg Müller.
www.v-faktor-mitteldeutschland.com
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Porträt
Porträt
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Auklärung ist keine Einbahnstraße
Der syrische Student Abdulaziz Bachouri engagiert sich ehrenamtlich für Gelüchtete und
vermittelt den Eindruck, für manche hätte der Tag doch mehr als 24 Stunden.
Text: Katharina Kleinschmidt / Foto: Christian Hüller
Vom Beckenrand springen ist verboten! Eine Badehose ist
Pflicht! Lärmen und Rennen unterlassen! Zwei Männer
stehen im Schwimmbad in der Leipziger Tarostraße und
entwerfen Plakate, auf denen sie die Haus- und Baderegeln visualisieren und ins Arabische übersetzen. Die bundesweiten Medienberichte über sexuelle Belästigungen in
Schwimmbädern haben auch sie aufgeschreckt. Einer der
beiden ist der Syrer Abdulaziz Bachouri. Er will vermitteln,
ohne zu relativieren: „Ich sehe meine Aufgabe darin, Vorurteile abzubauen. Wenn die Vorwürfe aber stimmen, muss
das selbstverständlich geändert werden.” Die Plakate sollen
aufklären, genauso wie seine Vorträge in Erstaufnahmeeinrichtungen. Thema sind bei Weitem nicht nur Baderegeln.
Von den unterschiedlichen Geschlechterrollen bis zur Mülltrennung ist alles dabei.
Bachouri weiß, wovon er spricht: „Es ist ein Kulturschock,
nach Deutschland zu kommen. Es ist alles so ruhig hier.”
Irgendetwas fehlt: Der Trubel und das kleine bisschen Anarchie, über eine rote Fußgängerampel zu gehen. Auch einen
Schwimmbadbesuch kennt er von zu Hause als lautes und
unbändiges Freizeitvergnügen – undenkbar in Deutschland.
Seinen Kulturschock hat Bachouri, den seine Freunde
schlicht Aziz nennen, vor zehn Jahren, als er nach dem
Abitur zum Studieren nach Deutschland kommt. Nach
einem Jahr Sprachunterricht versucht er sich in Dresden
mit dem Medizinstudium, muss das aber wegen der nicht
ausreichenden Sprachkenntnisse aufgeben. Er wechselt
nach Leipzig und beginnt Arabistik und DaF – Deutsch als
Fremdsprache – zu studieren.
»Ich mache es einfach – das
gehört wie selbstverständlich
zu meinem Leben.«
Abdulaziz Bachouri
Seitdem hat Bachouri in der neuen Heimat viele Erfahrungen gesammelt. Um seinen Lebensunterhalt zu verdienen, verpackt er Bücher, telefoniert im Callcenter, serviert
Sandwiches und trägt Zeitungen aus. Der Vorteil: er lernt
schnell viele Menschen kennen – die Grundlage für eine
gute Vernetzung in der Gesellschaft. Neben Studium und
Jobs will Bachouri von Anfang an mehr: Er arbeitet im
‚Referat für ausländische Studierende’ mit, wird in den
Akademischen Senat gewählt, ruft das interkulturelle
Tandemkonzept ‚Be-Buddy!‘ ins Leben, das ausländischen Studenten beim Studienstart an der Universität
Leipzig hilft. Und vieles mehr. Stolz macht ihn der Preis
des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD)
für hervorragende Leistungen ausländischer Studierender im Jahr 2012. Warum er das alles tut? „Ich mache es
einfach – das gehört wie selbstverständlich zu meinem
Leben”, sagt der 29-Jährige.
Abdulaziz Bachouri unterstützt ausländische
Studierende bei ihrer Integration.
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Die prekäre finanzielle Situation von Abdulaziz Bachouri
wird erst besser, als er nach dem Bachelor ein Stipendium
von der Friedrich-Ebert-Stiftung und damit auch mehr Zeit
bekommt, sich ehrenamtlich zu engagieren. Als ab Sommer
2015 neue Erstaufnahmeeinrichtungen für Flüchtlinge fast
im Wochentakt eröffnet werden, ist er als Dolmetscher vor
Ort, bis die Betreiber die Sprachvermittlung selber organisiert haben. Er sammelt Spenden, zum Beispiel Turnschuhe
Porträt
siert Bachouri aber wissenschaftlich: In seiner Masterarbeit
beschäftigt er sich mit der Rezeption des Syrienkonfliktes in
den Medien.
Und was fühlt Bachouri, wenn er seine Landsleute hier
ankommen sieht? Zunächst denkt er an seine Familie, die
immer noch im syrischen Hama lebt. Mit vielen von denen,
die den weiten Weg geschafft haben, hat der junge Syrer
»Wenn ich dann Steuern bezahle, kann ich endlich ein „richtiger“
Deutscher werden.«
Abdulaziz Bachouri
für ein Basketballprojekt, begleitet Familien bei Behördengängen und veranstaltet ein „deutsches” Weihnachtsfest
für Geflüchtete. Aufklärung ist für Bachouri das A und O der
Integration – allerdings keine Einbahnstraße. Ihn stört der
Generalverdacht, unter den die Geflüchteten schnell geraten.
Daher wird er nicht müde, auch die Deutschen zu informieren, zum Beispiel bei einem „Falafel-Abend”, den er im
Rahmen der Interkulturellen Wochen organisiert. Die Kultur
steht dabei im Vordergrund, Politik eher weniger. Die interes-
Abdulaziz Bachouri erhielt 2012 den Preis des Deutschen
Akademischen Austauschdienstes (DAAD) .
gesprochen: „Die Menschen wollen sich integrieren, die Sprache lernen und hier arbeiten – so schnell wie möglich. Und sie
wollen etwas dafür tun.” Seine eigene Integration sieht der
Noch-Student auf der Zielgeraden. „Jetzt geht das Arbeitsleben los”, freut er sich. „Wenn ich dann Steuern bezahle, kann
ich endlich ein ‚richtiger’ Deutscher werden.” Ob er das denn
will? „Das will ich sehr gerne”, sagt er und lacht.
www.stura.uni-leipzig.de
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Verwaltung
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Kulturwandel
Die Ausländerbehörde der Stadt Chemnitz war Teil eines Modellprojekts, das aus ihr eine
Willkommensbehörde machen sollte. Eine Bestandsaufnahme.
Text: Marcus Hengst / Foto: Toni Söll
Als im Oktober 2013 das Bundesamt für Migration und
Flüchtlinge das Projekt „Ausländerbehörden – Willkommensbehörden” initiierte, ahnte von der aktuellen Größenordnung der Herausforderungen durch die Zuwanderung
hunderttausender Flüchtlinge niemand etwas. Aber was
damals auf den ersten Blick nur nach einem Wechsel des
Etiketts klang, war in Wahrheit ein handfester struktureller
Umbau, dem angesichts der derzeitigen Situation besondere Bedeutung beikommt.
„Aus heutiger Perspektive können wir mit Gewissheit sagen:
Ohne das Projekt hätten wir heute noch wesentlich größere
Probleme, die Situation in den Griff zu bekommen”, sagt
Astrid Gertig, Leiterin der Ausländer- und Staatsangehörigkeitsbehörde in Chemnitz. Die sächsische Stadt nahm als
eine von bundesweit zehn Kommunen an dem zweijährigen
Projekt teil. Dessen zentrales Ergebnis ist ein sogenannter
Werkzeugkoffer, der zahlreiche Instrumentarien für die
Transformation von der Ausländerbehörde zur Willkommensbehörde enthält. Die 200 Seiten starke Broschüre gibt
dabei keine starre Agenda an Maßnahmen vor, sondern formuliert Fragen für den internen Veränderungsprozess: Läuft
die Vernetzung zu anderen Ämtern reibungslos? Welche Mittel in der Kommunikation mit der Öffentlichkeit tragen zur
Imageverbesserung bei? Wie können mobile Arbeitsplätze
und Online-Termin-Systeme zu mehr Flexibilität und weniger Belastung der Mitarbeiter beitragen?
Auch in der Chemnitzer Ausländerbehörde wurde auf Basis
des Werkzeugkoffers eine Reihe an Veränderungen in den
Bereichen Strategie, Organisation, Personal und Vernetzung vor Ort realisiert. „Im Rahmen des Projektes haben wir
Prozesse neu gestaltet, unser Selbstverständnis reflektiert
und die Vernetzung verbessert”, so das Fazit von Behördenleiterin Astrid Gertig. So verbesserten der Einsatz von
Glaselementen und schalldämmenden Materialien, neue
Farbanstriche und ein mehrsprachiges Besucherleitsystem
die Orientierung im Gebäude ebenso wie die Atmosphäre
in den Wartebereichen und in den Beratungszimmern. Mit
der Einführung eines Terminvergabesystems inklusive fester Bestellzeiten gehörten stundenlange Wartezeiten der
Vergangenheit an. Englischkurse und andere Schulungen
In Chemnitz wagte man den Schritt vom
Ausländeramt zur Willkommensbehörde.
für die Behördenmitarbeiter verbesserten deren sprachliche und interkulturelle Kompetenzen. Zusätzlich verstärkt
eine Dolmetscherin für Deutsch, Französisch und Englisch
das Team. Nicht zuletzt wurde die Ausländer- und Staatsangehörigkeitsbehörde bereits Anfang 2015 aus dem Ordnungsamt ausgegliedert und dem Bürgeramt zugeordnet.
Auch hierdurch wird der Wandel von der reinen Ordnungsbehörde zu einer kundenorientierten Willkommensbehörde
zum Ausdruck gebracht.
„Mit dem Projekt ist das Thema aber für uns noch längst
nicht abgeschlossen”, so Chemnitz’ Rechtsbürgermeister Miko Runkel. „Wir wollen in unserer Arbeit auf den
Erfahrungen aufbauen und uns als Willkommensbehörde
weiterentwickeln.” So ist die weitere Intensivierung der
Zusammenarbeit mit anderen Akteuren vor Ort wie der
TU Chemnitz, der Bundesagentur für Arbeit und dem Migrationsbeirat der Stadt Chemnitz geplant. Termine sollen
zukünftig auch online beantragt sowie die Öffnungszeiten
und die telefonische Erreichbarkeit der Behörde weiter ausgebaut werden.
www.bamf.de/werkzeugkoffer
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Soziales
Bildung
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Stimme der Hofnung
Im Rahmen des Projektes „Voice of Hope“ entwickeln Studierende und Mitarbeiter der HHL
Leipzig Graduate School of Management konkrete Hilfsangebote für Migranten.
Text: Kai Bieler / Foto: HHL
Stabile Beziehungen, gewohnte Tagesabläufe und die eigene Sprache
sollen Flüchtlingskindern etwas Heimat in der Fremde ermöglichen.
Willkommen in der Kindheit
Jeder 7. Flüchtling ist jünger als sechs Jahre. Mit dem Modellprojekt „WillkommensKITAS“
wollen Sachsen und Sachsen-Anhalt auf die speziellen Bedürfnisse dieser Kinder reagieren.
„Als im vergangenen Herbst innerhalb weniger Tage in der
Ernst-Grube-Halle eine Erstaufnahmeeinrichtung für fast
500 Flüchtlinge quasi vor unserer Haustür entstand, war
schnell klar: Wir wollen helfen”, erinnert sich Maximilian
Schreiter. Der wissenschaftliche Mitarbeiter am Lehrstuhl
für Finanzmanagement und Banken an der HHL Leipzig
Graduate School of Management gründete zusammen mit
Kollegen und Studenten die Initiative „Voice of Hope”. In den
ersten Wochen dominierte vor allem die akute Soforthilfe.
Die internationalen Studenten der Hochschule halfen als
Dolmetscher für Arabisch oder Persisch, eröffneten eine
Sammelstelle für Sachspenden, stellten Räume für Sprachkurse zur Verfügung und unterstützten die ehrenamtlichen
Helfer bei Sportangeboten und bei der Kinderbetreuung.
Doch bald wuchs bei den HHL-Studenten und Mitarbeitern
Rund 35 Prozent der 650 Studenten an
der HHL kommen aus dem Ausland.
Text: Kathrin Sieber / Foto: Frank Grätze
Häufig stehen schutzsuchende Kinder mit ihren Eltern
in den Kindertagesstätten und sind einfach da. Sie haben
kein Zuhause mehr, betreten sprachliches und kulturelles
Neuland und haben eine anstrengende Flucht erlebt. Jeder
siebte Flüchtling in Deutschland ist jünger als sechs Jahre.
Was die Kinder erlebt haben, können die Erzieher nur ahnen
und es stellt sie vor neue Herausforderungen.
Bereits im Sommer 2014 startete deshalb in Sachsen das
bundesweite Modellprogramm der „WillkommensKITAs”.
In dessen Rahmen werden zehn Kitas und Horteinrichtungen mit Fortbildungen, Einrichtungscoachings vor Ort
oder Materialien bei der Aufnahme und Betreuung von
Flüchtlingskindern unterstützt. „Die Bedürfnisse sind ganz
unterschiedlich, wir lernen hier jeden Tag dazu. Wichtig
ist der Aufbau von lokalen Netzwerken. Dazu zählen zum
Beispiel das Jugendamt, das Gesundheitsamt, die Migrationsdienste, die ehrenamtlichen Flüchtlingshilfen oder auch
die Ansprechpartner in den Unterkünften”, erklärt Axel Möller, Leiter des Modellprogramms. Hinter dem dreijährigen
Programm steht die Deutsche Kinder- und Jugendstiftung
(DKJS). Die Kosten werden vom Landesprogramm „Weltoffenes Sachsen für Demokratie und Toleranz” und dem
Sächsischen Kultusministerium getragen.
Die Kinder kommen aus Syrien, Libyen, Tschetschenien oder
Mazedonien, fast alle sprechen kaum ein Wort Deutsch. Mit
Händen und Füßen lernen die Kinder voneinander, und oftmals schneller als ihre Eltern. „Wir achten darauf, dass sie
ihre eigene Herkunftssprache in der Kita wiederfinden. Sie
sollen sich willkommen fühlen”, so Sarah Tröbner, Leiterin
des Landesmodellprojektes der DKJS. „Die Kinder benötigen
vor allem Normalität und gleichbleibende Tagesabläufe.
Dafür müssen stabile Beziehungen und Vertrauen zu den
Erziehern aufgebaut werden. Mit den speziellen Bedürfnissen von Kindern aus asylsuchenden Familien umgehen zu
können, ist eine große Herausforderung für die Pädagogen”,
so Sarah Tröbner weiter.
Das notwendige Wissen und die Methodik erhalten die
Erzieher in Fortbildungen und Workshops. Davon profitieren auch andere Einrichtungen. „Wir geben die Erfahrungen
weiter, vermitteln Netzwerkpartner und Infomaterialien. Das
Interesse ist riesig, der Bedarf steigt”, sagt Axel Möller. Seit
November 2015 läuft auch in Sachsen-Anhalt ein Modellprojekt mit 26 „WillkommensKITAs”. Soziale Träger aus anderen
Regionen haben ebenfalls bereits Interesse bekundet.
www.dkjs.de/sachsen
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»Wir verfügen über große Erfahrungen bei der Beratung unserer
internationalen Studenten. Diese
geben wir nun weiter.«
Anke Plänitz
auch der Anspruch, mittel- und langfristige Projekte zu entwickeln, welche die Kernkompetenzen der renommierten
Business School widerspiegeln.
So finden seit März dieses Jahres einmal im Monat Bewerbertrainings für Migranten statt. „Wir verfügen über große
Erfahrungen bei der Beratung unserer internationalen Studenten im Umgang mit der Bürokratie des deutschen Arbeitsmarktes. Diese geben wir nun an Migranten aus Syrien,
Afghanistan, Eritrea oder Georgien weiter”, erklärt Anke Plänitz von der Abteilung Studienangelegenheiten der HHL. Die
Hochschule kooperiert dabei mit dem IQ Netzwerk Sachsen
und dem Projekt RESQUE 2.0, das gemeinsam von Aufbauwerk Region Leipzig GmbH, Caritasverband Leipzig e.V.,
Deutsche Angestellten Akademie GmbH und Stadt Leipzig,
Referat Migration und Integration umgesetzt wird. Die
Workshops beinhalten unter anderem ein individuelles Coaching zur Erstellung des Lebenslaufs und des Motivationsschreibens sowie ein kostenloses Shooting von Bewerberfotos durch Leipziger Fotografen, die das Projekt ehrenamtlich
unterstützen. Im Anschluss betreuen die Studenten und
Mitarbeiter der HHL die Teilnehmer weiter bei der Jobbewerbung. In den Startlöchern steht aktuell ein weiteres „Voice
of Hope”-Projekt. Im Rahmen von „Refugees on Rails”, das
im Herbst 2015 in Berlin startete, erlernen Migranten das
Coden, also das Programmieren von Software und Webapplikationen. Zusammen mit der Sage GmbH will die HHL das
Vorhaben jetzt auch in Leipzig etablieren und sucht noch
weitere Partner, die das Projekt durch Spenden von Laptops
und als Kurstrainer unterstützen. Darüber hinaus vergibt die
Hochschule drei Fridtjof-Nansen-Gedächtnisstipendien für
ihre im September 2016 startenden Management-MasterProgramme. Das Angebot richtet sich an Flüchtlinge, die
bereits über einen ersten qualifizierenden Studienabschluss,
gute Englischkenntnisse und Berufserfahrung verfügen. Die
Stipendien decken die Studiengebühren sowie die Lebenshaltungskosten ab. Aktuell sind noch Bewerbungen möglich.
www.hhl.de
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Bildung
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Sprache ist der Schlüssel
Unter den Flüchtlingen beinden sich auch Schüler, Studierende und Akademiker. Mitteldeutsche Schulen, Bildungsträger und Universitäten wollen ihnen eine Bildungsperspektive geben.
Text: Kathrin Sieber / Foto: picture alliance / ZB
Nach Schätzungen des Bundesamtes für Migration und
Flüchtlinge sind über die Hälfte der aktuell erfassten Asylbewerber unter 25 Jahre alt. Ein großer Teil befindet sich
noch im schulpflichtigen Alter, andere haben bereits das
Abitur, sind Studenten oder verfügen über einen akademischen Abschluss. Damit diese Menschen in Deutschland
weiter zur Schule gehen, studieren oder wissenschaftlich
arbeiten können, braucht es neben einer anerkannten
Zugangsberechtigung vor allem ausreichende Sprachkenntnisse.
In sogenannten Vorbereitungsklassen erhalten Flüchtlinge einen speziellen Sprachunterricht in „Deutsch als
Zweitsprache” (DaZ). So besuchten nach Angaben des
sächsischen Kultusministeriums Anfang Mai 2016 über
8.700 Kinder und Jugendliche, davon 2.362 unbegleitete
minderjährige Flüchtlingskinder, eine der insgesamt 509
Vorbereitungsklassen an den allgemeinbildenden Schulen. Ältere Jugendliche erhalten den Sprachunterricht
unter anderem in speziell dafür vom Bundesamt für Mig-
Berufsorientierung. Einige wenige wollen studieren. Diese
Sprachschüler können wir aufgrund der Vorkenntnisse im
Einstufungstest meist in unsere fortgeschrittenen Kurse
integrieren. Nach acht Monaten besitzen sie dann das
Sprachniveau, das sie für ein Studium brauchen”, erläutert
Sandy Klein, Inhaberin der studio lingua Leipzig, einem der
privaten Kursträger mit Lizenz vom Bundesamt für Migartion und Flüchtlingen.
Entsprechend der wachsenden Schülerzahlen steigt
auch der Bedarf an speziell für diesen Unterricht ausgebildeten Lehrern. Allein von September 2015 bis Januar
2016 stieg die Zahl der DaZ-Lehrer in Sachsen von 332
auf 843 und der Freistaat stellt weiter neue Pädagogen
ein. Zusätzlich werden vorhandene Lehrer für die neuen
Anforderungen berufsbegleitend ausgebildet und die
Lehrpläne an ausbildenden Universitäten wie in Dresden,
Leipzig und Chemnitz um entsprechende Studienfächer
erweitert. Unter den eingestellten Lehrern befinden sich
Lehrer mit Deutsch als Zweitsprache-Ausbildung sowie
»Geflüchtete Abiturienten haben in der Regel nach acht Monaten in unseren Kursen das Sprachniveau, das sie für ein Studium brauchen.«
Sandy Klein
ration und Flüchtlinge lizenzierten Ausbildungsstätten.
Insgesamt werden in Sachsen aktuell rund 25.000 DaZSchüler gezählt. Nach aktuellen Prognosen sollen 2016
bis zu 15.000 weitere schulpflichtige Flüchtlinge nach
Sachsen kommen.
„Unsere Integrationskurse stehen allen Migranten offen.
Derzeit besuchen 80 Flüchtlinge unsere Einrichtung. Nach
unseren Erfahrungen benötigen jedoch rund 90 Prozent
der Geflüchteten einen sogenannten Alphabetisierungskurs. Das bedeutet, dass sie keine oder nur sehr geringe
Grundkenntnisse in Sprache und Schrift besitzen. Meist
haben sie auch keine Ausbildung und stehen vor einer
Lehrer für Deutsch als Fremdsprache und Seiteneinsteiger. „Unsere Kurse sind wie auch die der anderen privaten
Träger gut nachgefragt. Im Moment haben wir auch genug
Lehrkräfte, aber es wird für uns zunehmend schwieriger,
Lehrer zu finden und zu halten. Durch den steigenden
Bedarf der allgemeinbildenden Schulen wandern uns die
Lehrkräfte ab”, erklärt Sandy Klein.
Auch die Hochschulen in Mitteldeutschland bieten
Sprachkurse für Migranten an, allerdings nur studienbegleitend. Für die Aufnahme eines Vollstudiums sind neben
der Sprachprüfung auch die Anerkennung von Studienund Prüfungsleistungen und ein anerkannter Aufent-
Allein in Sachsen erhalten aktuell rund 25.000 Migranten einen speziellen Sprachunterricht,
um ihnen den Schulbesuch, eine Berufsausbildung oder ein Studium zu ermöglichen.
haltsstatus notwendig. Über die Anerkennung bisheriger
Leistungen und vorhandener Abschlüsse entscheidet die
aufnehmende Hochschule. Aber wer denkt schon bei der
Flucht an Formulare? Reichen die Nachweise nicht aus, ist
eine Feststellungsprüfung notwendig. Die Studienkollege
der Hochschulen bieten hierfür Vorbereitungskurse zu
einzelnen Fächergruppen an.
Für die Integration der Studienwilligen oder Akademiker
stellen die Fach- oder Hochschulen und Universitäten zahlreiche Angebote bereit. Sie reichen von Orientierungsprogrammen, Gasthörerschaften, einem Schnupperstudium
bis zu Brückenkursen. So zum Beispiel die Friedrich-Schiller-Universität in Jena (FSU), die bereits im vergangenen
Jahr mit einer kostenlosen Gasthörerschaft für Flüchtlinge
ein Programm zur Integration gestartet hat. Dieses soll
Migranten mit entsprechenden Voraussetzungen den
Einstieg in die Hochschule erleichtern. „Im aktuellen Sommersemester haben sich 43 Flüchtlinge angemeldet. Die
meisten Teilnehmerinnen und Teilnehmer kommen aus
Syrien, zwei aus Afghanistan und drei von ihnen aus dem
Irak. Wir haben nicht erwartet, dass das Angebot so rege
wahrgenommen wird”, berichtet Dr. Claudia Hillinger, Leiterin des Internationalen Büros der Universität. Jedem der
neuen Gasthörer steht ein studentischer Mentor zur Seite,
der bei der Einführung in das deutsche Studiensystem, der
Gestaltung des Studierendenalltags und des Stundenpla-
nes hilft. Das Internationale Büro und das Master-ServiceZentrum der Universität Jena bieten darüber hinaus Studienberatung, Zeugnisbewertung und ein Intensivprogramm
zur weiteren Studienvorbereitung an. Auch im kommenden
Wintersemester soll das Gasthörerprogramm fortgesetzt
werden.
Wissenschaftler oder Akademiker, die als Flüchtlinge nach
Deutschland kommen, haben es bislang sehr schwer, hier
ihre Arbeit ohne größere Unterbrechungen fortzuführen.
„Dies ist nicht nur eine persönliche Belastung für die
Betroffenen, sondern auch ein Verlust von Wissen”, sagt
Carmen Bachmann, Wirtschaftsprofessorin am Lehrstuhl
für Betriebswirtschaftliche Steuerlehre der Universität
Leipzig. Deshalb initiierte sie im September 2015 die
Online-Plattform „Chance for Science”. Das ehrenamtliche
Projekt will im Stil eines sozialen Netzwerks geflüchtete
Wissenschaftler, Akademiker und Studierende bundesweit mit ihren Kollegen an deutschen Hochschulen und
Forschungseinrichtungen vernetzen und ihnen so den
Zugang zu wissenschaftlichen Ressourcen erleichtern.
„Aktuell verzeichnen wir rund 460 Anmeldungen, davon 50
von geflüchteten Akademikern. Darunter sind viele Ingenieure, aber auch Ärzte und Juristen”, so Carmen Bachmann.
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www.studio-lingua.de
www.chance-for-science.de
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„Guten Menschen passiert auch Gutes“
Seit drei Jahren lebt die Familie M. aus Afghanistan in Deutschland, die meiste Zeit davon in
Erfurt. Ein Beispiel für gelingende Integration dank festen Willens und vielfältiger Hilfen.
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Porträt
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Text: Ute Bachmann / Fotos: Tom Schulze
Konzentriert sitzt die 16-jährige Shalini M. im Klassenraum und beantwortet die Fragen einer SozialkundeArbeit. Wie heißt das deutsche Wahlsystem? Wie lauten
die fünf Wahlgrundsätze? Mit welchen Argumenten
würdest du einen Freund davon überzeugen, überhaupt
wählen zu gehen? Shalini kommt aus Afghanistan und ist
vor drei Jahren mit ihren Eltern und ihren drei Schwestern
nach Deutschland gekommen. Geflüchtet vor den Taliban,
werden drangsaliert, diskriminiert, enteignet und vertrieben. Vater Chender hatte einen Imbiss, in dem er Speisen
verkaufte, die seine Frau Sima zuhause zubereitete. Doch
es kam immer häufiger vor, dass Gäste nicht bezahlten,
ihn stattdessen mit Waffen bedrohten. Irgendwann ließ
Chender seine Mädchen aus Angst kaum mehr aus dem
Haus gehen. Rechnen brachte er seinen Töchtern selbst
bei. Lesen und Schreiben lernten sie ein bisschen von ihrer
»Papa sagte zu uns: Entweder wir leben irgendwo anders in Sicherheit
oder wir sterben hier.«
Ratena M.
die der Familie das Leben in Kabul unerträglich gemacht
haben, die den Eltern ihre erste Tochter und den vier Mädchen ihre große Schwester genommen haben.
Als Hindus hatten sie es besonders schwer in dem seit
Jahrzehnten vom Bürgerkrieg heimgesuchten Afghanistan. Hindus gelten als nicht-muslimische Ausländer, sie
Die Hindu-Familie floh 2012 aus Afghanistan und lebt heute
in der thüringischen Landeshauptstadt Erfurt.
großen Schwester. Das letzte Jahr in Afghanistan hat die
Familie Zuflucht in einem Tempel gesucht, nachdem in
unmittelbarer Nachbarschaft Schreckliches passiert ist,
worüber in der Familie bis heute nicht gesprochen wird.
Während der Zeit im Tempel haben sie ihre älteste Tochter
verloren – der Auslöser für die Flucht. Der körperlich angeschlagene Chender hatte das Gefühl, als einziger Mann der
Familie seine Frau und seine Töchter nicht beschützen zu
können. „Papa sagte zu uns: Entweder wir leben irgendwo
anders in Sicherheit oder wir sterben hier”, erzählt Ratena,
die mit 19 Jahren heute die älteste Tochter ist. Familie M. war
angesehen und bekannt für ihre Hilfsbereitschaft. Nun war
es an der Zeit, die Hilfe anderer in Anspruch zu nehmen.
Sie machten ihr gesamtes Hab und Gut zu Geld und begaben sich in die Hände eines unbekannten Mannes, der sie
aus Afghanistan rausbrachte. Deutschland war gar nicht
unbedingt das Ziel – Hauptsache weg, schlimmer als hier
kann es nicht werden. Irgendwann 2012 landeten sie in einer
Flüchtlingsunterkunft in Gießen, ohne ein Wort Deutsch zu
können. Drei Monate lang lebten sie dort, ehe sie ihr Weg in
ein Wohnheim nach Erfurt führte. Und auch hier erhielten
sie wieder Hilfe, vom Leiter der Einrichtung, der ihnen eine
eigene Wohnung vermittelte, die Töchter an Schulen anmeldete, ihnen im Umgang mit der deutschen Bürokratie half.
„Guten Menschen passiert irgendwann auch Gutes”, sagt
Ratena, die heute vieles für die Familie regelt und organisiert.
Sie musste schnell erwachsen werden und trägt heute Verantwortung für ihre Familie. In vielen Bereichen ist sie das
Sprachrohr der Eltern. Da die Familie bis heute lediglich ein
Abschiebungsverbot hat, aber keinen dauerhaften Status als
Flüchtlinge oder gar Asylberechtigte, hatten die Eltern bisher
keine Möglichkeit, einen Sprachkurs zu besuchen. Mit einem
Anwalt aus Frankfurt am Main kämpft die Familie darum,
vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge besser eingestuft zu werden, wenigstens als subsidiär Schutzberechtigte. Ratena ist nicht nur beim Anwalt die Dolmetscherin,
auch bei Behördengängen oder Arztbesuchen. „Mama und
Papa haben so viel für uns getan”, sagt sie. „Früher waren wir
abhängig von ihnen, jetzt helfen wir Kinder unseren Eltern.”
Sie ist auch diejenige, die nach Hilfsangeboten sucht und
Kontakte zu sozialen Trägern und Netzwerken knüpft.
Sie hat nach nur drei Jahren in Deutschland die Regelschule
mit 1 abgeschlossen und macht jetzt ihr Fachabitur mit wirtschaftlicher Ausrichtung. Ihre Schwestern haben ebenfalls
sehr gute Noten. Shalini hat gerade ihren Ausbildungsvertrag unterschrieben. Sie wird IT-Expertin. Die dritte Schwester möchte gern Frisörin oder Visagistin werden. Das sind
Perspektiven, an die sie in Afghanistan nie im Leben gedacht
hätten. Der Alltag von Frauen dort kennt nur das Haus und
die eigenen Kinder als „berufliche” Perspektive. Die jüngste
Tochter ist jetzt in der 4. Klasse und wird bei einem Notendurchschnitt von 1,0 bald auf das Gymnasium wechseln.
Ihre guten Noten haben alle vier Schwestern in erster Linie
ihrem unbedingten Willen, es hier zu schaffen, und ihrem
großen Hunger nach Bildung zu verdanken. Außerdem weist
die Schule einen für Thüringer Verhältnisse großen Anteil
Die 16-jährige Shalini M. steht kurz vor dem
Start ihrer Ausbildung zur IT-Expertin.
an Schülern mit Migrationshintergrund auf. Die Lehrer sind
darauf eingestellt und richten ihren Unterricht auch entsprechend aus. Zusätzlich hat sich Ratena an die Diakonie
gewandt, um Nachhilfe-Angebote für sich und ihre Schwestern in Anspruch zu nehmen. So entstand auch der Kontakt
zu einem Lehrer-Ehepaar. Aus dieser Begegnung hat sich
mittlerweile eine Freundschaft entwickelt. Die Eheleute
helfen längst nicht mehr nur bei Schulaufgaben. Vater und
Mutter M. haben außerdem Kontakte zu anderen Flüchtlingen in ihrer Wohngegend und zu den Hindu-Gemeinden in
Frankfurt, München und Hamburg.
Ob die Familie über eine Rückkehr nach Afghanistan nachdenkt? Die Mutter und die Töchter auf keinen Fall. „Manchmal denke ich, warum bin ich nicht hier geboren?”, sagt
Ratena. „Dann hätte ich das alles von Anfang an gehabt.”
Mit „alles” meint sie Dinge, die für deutsche Jugendliche ganz
normal sind. Fahrradfahren zum Beispiel, Schwimmen lernen oder Volleyball spielen. An Afghanistan denkt sie kaum
noch, nur ganz selten kommen die schlechten Erinnerungen
wieder hoch. Vater Chender trägt auch schöne Bilder in sich,
wenn er an seine Kindheit zurückdenkt. Doch hält er sich die
heutige Situation vor Augen, dann sagt er, er wolle lieber hier
in Deutschland sterben, denn in Afghanistan bekomme er
wahrscheinlich nicht mal ein Grab. Sie werden also bleiben
– und unser Land bereichern.
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Demografie
Demografie
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Die Chance nutzen
Der Burgenlandkreis in Sachsen-Anhalt ist stark vom demograischen Wandel betrofen. Die
Zuwanderung könnte eine Chance zur Stabilisierung der Arbeitskräftesituation sein.
Text: Katharina Kleinschmidt / Fotos: Guido Siebert, Puralube Holding GmbH
Pyramide, Zwiebel, Glocke oder Bienenstock? Für die Darstellung der Altersstruktur einer Bevölkerung werden gerne
Bilder aus Architektur oder Biologie herangezogen. Ist die
Pyramide die Idealform, muss sich Deutschland wie viele
Industriestaaten mit der Zwiebelform begnügen. Es gibt zu
wenig Kinder und einen Überhang älterer Menschen. Eine
der Folgen ist das stetige Absinken des Erwerbspersonenpotenzials, also der Arbeitskräfte, die dem Arbeitsmarkt zur
Verfügung stehen. Besonders betroffen von dieser Entwicklung sind viele ländliche Regionen Ostdeutschlands.
Eine von ihnen ist der Burgenlandkreis im südlichen Sachsen-Anhalt. Seit dem Jahr 2000 hat er knapp 20 Prozent
seiner Bevölkerung verloren, bis 2025 prognostiziert das
statistische Landesamt einen weiteren Rückgang von
heute 182.000 auf 156.000 Einwohner. Mit Beginn des Ausbildungsjahres im Herbst 2015 waren im Burgenlandkreis
hunderte Berufsausbildungsstellen aufgrund der sinkenden Schulabgängerzahlen unbesetzt. Für die Landespolitik
ist deshalb die Zuwanderung von Migrantinnen und Migranten eine Chance, diese demografische Lücke wenn nicht
zu schließen, so doch zumindest zu verkleinern.
Auch die Unternehmen im Burgenlandkreis setzen auf die Flüchtlinge.
„Wer Flüchtlingen Arbeit gibt, tut sich was Gutes und
hilft den Flüchtlingen, in Deutschland anzukommen”,
wirbt deshalb Sachsen-Anhalts Landwirtschafts- und
Umweltminister Dr. Hermann Onko Aeikens und appelliert
an Arbeitgeber im ländlichen Raum, bei der Suche nach
Arbeitskräften auch Flüchtlinge zu berücksichtigen. Der
ländliche Raum biete für Integration gute Voraussetzungen, etwa preiswerten Wohnraum in größerem Umfang.
Die gleichen Ideen treiben auch Götz Ulrich um, seit 2014
Landrat des Burgenlandkreises. Er sieht in der Zuwanderung einen wirksamen Hebel, um dem demografischen
Wandel entgegenzusteuern, bleibt aber realistisch: „Die
Flüchtlinge haben einen positiven Einfluss auf die alternde
Gesellschaft, von einer Trendumkehr würde ich aber noch
nicht sprechen.” Im Burgenlandkreis waren im Jahr 2015
rund 2.200 Geflüchtete in Einrichtungen des Landkreises
und etwa 600 Personen in Erstaufnahmeeinrichtungen des
Landes untergebracht, rund 80 Prozent von ihnen jünger
als 35 Jahre. „Damit wirken die neuen Bewohner der demografischen Entwicklung im Landkreis zunächst entgegen,
aber es bleibt abzuwarten, wer nach einer Anerkennung als
Asylberechtigter oder Bürgerkriegsflüchtling hier wohnen
bleibt”, sagt Götz Ulrich. Tatsächlich verlassen derzeit rund
drei Viertel der anerkannten Personen den Landkreis in
Richtung der großen Städte.
Grund genug, alles daran zu setzen, die Geflüchteten zu halten. „Erster Schritt hierfür ist die dezentrale Unterbringung
der Flüchtlinge im gesamten Burgenlandkreis, auch in kleineren Orten”, erklärt der Landrat. Dort haben sich zahlreiche Initiativen gegründet, um den Neuangekommenen das
jeweilige Dorf oder die Kleinstadt näherzubringen. Zentrale
Stellschraube aber sind die Investitionen in die Bildung, für
die unter anderem Projektgelder vom Europäischen Sozialfond (ESF) und dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge eingeworben wurden. Damit werden Angebote zur
ersten Orientierung für Migranten, Integrationskurse und
Programme zur schnellen Einbindung in Arbeit und Ausbildung finanziert. „Zwischenzeitlich haben wir ein stabiles
Netzwerk von Unternehmen aufgebaut, das Praktikumsplätze im ganzen Burgenlandkreis vorhält”, erläutert Ulrich.
Neben einer Praktikumsbörse, Hospitationsmöglichkeiten,
Der Burgenlandkreis im südlichen Sachsen-Anhalt hat seit dem Jahr 2000 knapp 20 Prozent
seiner Einwohner verloren. Die Landespolitik hofft auf positive Effekte der Zuwanderung.
Lernpartnerschaften und einer Berufsinformationsmesse
gibt es speziell für jugendliche Geflüchtete praxisnahe
Angebote, die in Kooperation mit der regionalen Wirtschaft
entstanden sind. Deren Ziel ist es, für die Teilnehmer passgenau einen Lehrbetrieb und für Unternehmen den geeig-
2005 unzählige Projekte zur Schaffung und Sicherung von
Arbeitsplätzen auf den Weg gebracht hat. Dennoch wird die
derzeitige Zuwanderung nicht alle demografischen Probleme in der Region lösen. „So wird es aufgrund des Geburtenrückgangs und der sinkenden Schülerzahlen auch im
»Es bleibt abzuwarten, wer nach einer Anerkennung als Asylberechtigter oder Bürgerkriegsflüchtling in unserem Landkreis wohnen bleibt.«
Götz Ulrich
neten Auszubildenden zu finden. In Naumburg, Weißenfels
und Zeitz werden jeweils 25 Personen auf eine Eignung zur
Berufsausbildung geprüft und innerhalb von sechs Monaten vorbereitet.
Die Früchte dieser Bemühungen werden nicht unmittelbar zu spüren sein – es braucht einen langen Atem und
viele Akteure, die an einem Strang ziehen. Eine zentrale
Plattform dafür bildet im Burgenlandkreis das „Bündnis
für Bildung, Arbeit, Wirtschaft und Innovation”, ein Zusammenschluss von Politik, Verwaltung, Sozialpartnern, Wirtschaft und Forschung, der seit seiner Gründung im Jahr
Burgenlandkreis zu Schließungen von Bildungseinrichtungen kommen”, prognostiziert Landrat Götz Ulrich. Den Einfluss von geflüchteten Kindern und Jugendlichen schätzt er
dabei eher als gering ein. „Um diesen Trend umzukehren,
bedarf es nicht nur eines kurzfristigen Zuwachses, sondern
einer langfristigen Zuwanderung in Größenordnungen, die
den anhaltenden Geburtenrückgang dauerhaft ausgleicht”,
stellt Ulrich fest. Es sei allerdings derzeit überhaupt nicht
absehbar, ob die zu beobachtenden Flüchtlingsbewegungen in dieser Dimension anhalten.
www.burgenlandkreis.de
XX
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Medien
Medien
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Mainstream-Medien in der Krise
Fakten gegen Fake
Der unsägliche Begrif „Lügenpresse“ ist seit Monaten allgegenwärtig in den sozialen Netzwerken.
Einen medialen Mainstream-Efekt gibt es aber tatsächlich – und das hat strukturelle Gründe.
Journalist und Medienberater Peter Stawowy recherchiert Ängste und bündelt im Blog
„Asylfakten“ fundierte Argumente für die nächste Facebook-Diskussion.
Text: Dr. Uwe Krüger / Foto: Olivia Jasmin Czok / Universität Leipzig
Es war mehr ein Werbeclip als ein
Nachrichtenbeitrag, was die ARDTagesthemen am 19. August 2015
unter dem Titel „Prominente äußern
sich zur Flüchtlingsfrage” sendeten:
Als Reaktion auf fremdenfeindliche
Gewalttaten vor allem in Sachsen und
auf massive Hetze im Internet appellierten Künstler wie Udo Lindenberg,
Christine Neubauer, Lilo Wanders und
Jeanette Biedermann an die Toleranz,
Großzügigkeit und Menschlichkeit
der Zuschauer, erzählten von eigenen Fluchterfahrungen, beschworen
den Reichtum und die Leistungsfähigkeit des Landes. Ihre Gesichter
teilweise in Großaufnahme, Zeitlupe
und Schwarzweiß, im Hintergrund
sanfte Klavierklänge. Die Intention der
Redaktion war nachvollziehbar, der
Beitrag gut gemeint – aber Journalismus sieht eigentlich anders aus.
Anstelle von neutralen Beobachtern
des Geschehens wollten viele große
Medien im Sommer und Herbst 2015
Teil der „Willkommenskultur” sein, Teil
des „hellen” Deutschland und nicht
des „dunklen”, wie es Bundespräsident Joachim Gauck ausdrückte. Und
sie waren offenbar bestrebt, mit ihrer
Berichterstattung und Kommentierung ein Einvernehmen der Bevölkerung mit der Politik der offenen
Grenzen herzustellen, die die Bundeskanzlerin betrieb, während sich der
Rest Europas gegen die Flüchtenden
abschottete. Diese publizistische
Haltung war dem Vertrauen vieler
Nutzer in die Medien offenbar nicht
zuträglich. Laut einer Umfrage des
Allensbach-Instituts vom Dezember
2015 hatten vier von zehn Deutschen
den Eindruck, dass sie überredet werden sollten, sich über den Flüchtlingsstrom keine Sorgen zu machen – und
53 Prozent meinten, dass die Medien
kein zutreffendes Bild zeigten, was den
Anteil von Familien und jungen Männern oder die berufliche Qualifikation
der Flüchtlinge angeht.
Es kommt häufiger vor, dass Medien
wie Fische in einem Schwarm einem
„Mainstream”, einer Hauptströmung
folgen – und oft ist diese Strömung
relativ konform mit der Regierungspolitik. Die Ukraine-Krise und die Schuldenkrise in Griechenland sind weitere
Themen, bei denen sich dies in jüngerer Vergangenheit besonders deutlich
gezeigt hat. Entsprechend groß ist bei
vielen die Empörung über „gelenkte
Medien” oder „gekaufte Journalisten”.
Dabei kommen „Mainstream”-Phänomene ganz ohne Fremdsteuerung
und Gängelband, ohne Korruption
oder Dienstanweisungen aus dem
Kanzleramt zustande. Journalisten
großer Medien orientieren sich häufig an der Themenagenda und dem
Meinungsspektrum im politischen
Establishment – welches wiederum
auf mediale Kompatibilität der eigenen Positionen achtet und auf „gute
Presse” schielt.
Die Strömung wechselt auch immer
mal ihre Richtung, vor allem nach
sogenannten Schlüsselereignissen: So
kam nach den sexuellen Übergriffen in
der Silvesternacht in Köln schnell eine
Debatte über Integrationsprobleme
muslimischer Männer in Gang.
Gleichwohl bleibt die ständige Herausforderung an Journalisten, eigenständig Themen zu setzen, auch
unbequeme Positionen zu vertreten
und nüchtern soziale Realität abzubilden. Denn Medien sind die Augen und
Ohren der Gesellschaft, und nur mit
unverstelltem Blick können Probleme –
auch bei der Integration von Flüchtlingen – angemessen bearbeitet werden.
Dr. Uwe Krüger
Dr. Uwe Krüger arbeitet als
wissenschaftlicher Mitarbeiter der
Abteilung Journalistik am Institut
für Kommunikations- und Medienwissenschaft der Universität
Leipzig.
Im Frühjahr 2016 veröffentlichte
der Medienwissenschaftler das
Buch „Mainstream: Warum wir
den Medien nicht mehr trauen”
(Verlag: C.H. Beck). Darin diagnostiziert Dr. Uwe Krüger eine Verengung des Meinungsspektrums in
den Medien, durch die bestimmte
Positionen unterrepräsentiert
sind. Die Gründe dafür sieht er in
Lobby-Netzwerken und vertraulichen Hintergrundkreisen ebenso
wie in der sozialen Herkunft der
Journalisten und den verschlechterten Arbeitsbedingungen der
Branche.
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Text: Tobias Ossyra
Es gibt eine Menge Fragen in Sachsen, eine Menge Fragen
in ganz Deutschland. Wie viele radikale Islamisten sind
unter den ankommenden Flüchtlingen? Bringen Flüchtlinge Krankheiten nach Sachsen? Woher kommt plötzlich
das Geld, jahrelang verfallende Schulen als Asyl-Unterkunft
herzurichten? Die Flüchtlingskrise, sie ist auch eine Informationskrise, vor allem in den sozialen Medien. Als die
Facebook-Diskussionen im vergangenen Jahr hochbranden
und Mutmaßungen zu Meinungen werden, klinkt sich der
Dresdner Journalist und Medienberater Peter Stawowy in
die Kommentarspalten ein, teilt Links zu Gegenargumenten
und Richtigstellungen. Denn ihm ist klar: „Das kann man so
nicht stehen lassen, man muss dagegenhalten. Aber nicht
emotional, sondern sachlich.”
Im September 2015 ruft er mit seinem Redaktionsteam deshalb den Blog „Asylfakten” ins Leben, um Aufklärungsarbeit
zu leisten und sich jener Themen und Ängste anzunehmen,
die in den Netzwerken am heftigsten diskutiert werden. Zu
viert geht die Redaktion mitunter ganz naiven Fragen auf den
Grund, recherchiert, liefert Antworten, entkräftet Vorurteile,
entlarvt Falschbehauptungen. Fakten gegen Fake, Wissen
gegen Wut. Mehr als 100 Beiträge sind bislang entstanden,
aggregiert aus journalistischen Beiträgen, wissenschaftlichen Studien, statistischen Daten und Behördendokumenten, stets mit Quellenverweis. Und allesamt zusätzlich zum
Text in bunter Kacheloptik als verlinkbare Grafik aufbereitet
– so fallen sie beim Durchscrollen der Debatten gleich ins
Auge. Darüber hinaus gibt der Blog Leseempfehlungen zu
weiterführenden Artikeln sowie eigenen Texten, im Dezember etwa erschien ein ausführliches Interview mit Sachsens
Ausländerbeauftragtem Geert Mackenroth.
Stawowy ist in der sächsischen Medien- und Politiklandschaft bestens vernetzt, betreibt das Medienblog Flurfunk Dresden, der seit 2014 auch als gedrucktes Magazin
erscheint. Er berät das Innenministerium in Medienfragen
und moderiert im Auftrag der Sächsischen Landeszentralne
für politische Bildung sowie der Landesdirektion Sachsen
seit Jahren Anwohnerversammlungen, dort wo neue Flüchtlingsunterkünfte entstehen. In Chemnitz-Einsiedel wurde
er nach zweistündiger Diskussion unter „Volksverräter”-
Rufen von einer aufgebrachten Menge aus dem Saal gebuht.
Dennoch suchte er im Anschluss den Dialog mit einzelnen
Bürgern: „Da sind extrem sachliche Gespräche entstanden. Wenn man vis-a-vis mit den Menschen spricht, sind
sicherlich Sorgen, Ängste und der Frust der vergangenen
25 Jahre zu spüren, aber mitnichten sind das alles Nazis.”
Deshalb ist auch der „Asylfakten”-Blog nüchtern und unaufgeregt. Stawowys Redaktion möchte aufklären, ohne dabei
belehrend zu sein. „Es herrscht gerade eine große Hysterie,
online wie im realen Leben. Aber nur, weil viele Menschen
Hass-Kommentare posten, sind nicht alle voller Hass. Es
gibt noch genug vernünftige Leute”, so der Journalist. Nach
dem Lesen des „Asylfakten”-Blogs hoffentlich ein paar mehr.
www.asylfakten.de
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FAKTENCHECK
Wie hoch waren die
Gesamtkosten für
Flüchtlinge im Jahr
2015?
Kommt es in
Flüchtlingsunterkünften
häufig zu
Streitereien
zwischen
Christen und
Muslimen?
Warum reinigen
Flüchtlinge ihre
Unterkünfte
nicht selbst?
Wie wirkt sich die
Flüchtlingssituation
wirtschaftlich aus?
ASYLFAKTEN.DE
Dürfen Asylbewerber in
Leipzig oder anderen
Städten schwarzfahren?
50
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Sport
Sport
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Mit Kloppo für mehr Integration
Seit mehr als zehn Jahren setzt der Erfurter Verein „Spirit of Football“ auf die verständigende
Kraft des Fußballs. Von den Bildungs- und Sportprojekten proitieren auch Gelüchtete.
Text: Tobias Ossyra / Fotos: Hamish John Appelby
An den Wänden haben sie Matten zum Tor aufgestellt, auf
der Mittellinie teilen umgekippte Bänke zwei Spielfelder ein.
Turnschuhe quietschen laut auf dem Parkett, aus den mitgebrachten Boxen tönt Reggae und Ska. Wild rennen sie von
einer Seite zur anderen, bolzen und johlen, die Jugendlichen
aus Syrien und Afghanistan, alle zwischen 15 und 18 Jahre
alt. Geflüchtet mit ihren Familien vor Krieg und Verfolgung
sind sie nun in Erfurt zu Hause; ob die Stadt eine zweite
Heimat werden kann, ist für die meisten noch ungewiss.
An diesem Dienstagabend aber, da zählen nur der Ball, das
Spiel und die Gemeinschaft. Zwei Stunden dürfen sie kicken
beim offenen Sporttreff, ehrenamtlich organisiert vom
Verein „Spirit of Football” in Zusammenarbeit mit Erfurter
Plastiktüten hergestellt. „Wir wollen gängige Stereotypen
aufbrechen, indem wir die Geschichte von Menschen und
ihren Herkünften nacherzählen”, sagt Aris.
In Neuseeland aufgewachsen als Sohn britischer Auswanderer – der Vater Glasgow-Rangers-Anhänger, die Mutter
Liverpool-Fan – kommt Aris nicht umhin, eine intensive
Leidenschaft für den Sport zu entwickeln. Als junger
Erwachsener spielt er zwei Jahre in der neuseeländischen
U20-Nationalmannschaft, fliegt 2002 als Fan zur WM
nach Südkorea. In den USA studiert er Betriebswirtschaft,
um 2003 letztlich in Deutschland Fuß zu fassen. In Erfurt
schreibt er sich für den Master in Public Policy an der
Willy Brandt School der Universität Erfurt ein. Selbst seine
»Wir wollen gängige Stereotypen aufbrechen, indem wir die Geschichte
von Menschen und ihren Herkünften nacherzählen.«
Andrew Aris
Studenten, hier in der Turnhalle des Heinrich-Hertz-Gymnasiums, inmitten des Plattenbauviertels Roter Berg im
Norden der Stadt. „Veranstaltungen wie diese schaffen für
die Jugendlichen einen Ort der Sicherheit”, sagt Vereinschef
Andrew Aris. Seit mehr als zehn Jahren setzt der Neuseeländer mit seinem Verein in Bildungsprojekten, Events und
Turnieren auf die verständigende Kraft des Fußballs, auf
Sport als gemeinsame Sprache, auf die Philosophie von Fair
Play und globalem Lernen. Anfang 2015 sind Spiel- und
Kulturabende für Geflüchtete hinzugekommen.
Der Ball, er ist für Aris dabei nicht nur Sportgerät, sondern Symbol und Metapher für die Weltkugel, die sich alle
Menschen teilen: „Ein Ball, eine Welt”, hat er deshalb eine
Projektreihe genannt, in der Schulkinder gemeinsam mit
Bildungsexperten aus Uganda, Brasilien oder den USA in
Workshops die Offenheit gegenüber anderen Kulturen und
Mitmenschen erarbeiten. Spielerisch und kreativ, da werden im Klassenzimmer beispielsweise Fußbälle aus alten
Abschlussarbeit dreht sich um den Fußball: Sie befasst sich
mit den wirtschaftlichen und kulturellen Chancen für die
Stadt Erfurt durch die Fußball-WM 2006. Aris spielt in dieser Zeit beim Lokalclub FC Borntal und sagt rückblickend:
„Von den Jungs habe ich damals viel gelernt, vor allem, wie
stark die deutsche Vereinskultur ist.” In dieser Zeit wird die
Idee für das Projekt „Spirit of Football” geboren.
Bestand die Arbeit des Vereins am Anfang noch aus einzelnen Events, so haben sich mit der Zeit größere Projekte
entwickelt. Zentrales Aushängeschild sind seit 2002 die
Reisen, bei denen Mitglieder des Vereins ein halbes Jahr
vor jeder Weltmeisterschaft mit einem Ball als eine Art
olympische Fackel des Fußballs über viele kleine Stationen zum Austragungsort reisen und Bildungsaktionen mit
lokalen Partnern durchführen. Bei der WM 2014 führte der
Weg vom Battersea Park in London, dem Geburtsort der
modernen Fußballregeln, durch 25 Länder bis nach Brasilien. Der Clou: Nach jedem Event verewigen sich alle Betei-
52
median
Sport
ligten mit ihrer Unterschrift auf dem Ball, Profifußballer wie
Amateure. Rund 18.500 Signaturen haben das Leder 2014
bis zur Unkenntlichkeit verfärbt, darunter die von Mats
Hummels, Zico und Romario. Einen Zwischenstopp gab es
damals auch beim FC Barcelona, dessen Stiftung Partner
der Ballreise war und einen Workshop mit Kindern aus Barcelonas Sozialvierteln organisierte. Barça-Spieler Gerard
Pique, Cesc Fàbregas und Dani Alves signierten den Ball
anschließend. „Wenn wir bei unseren Schulprojekten diesen Ball präsentieren, dann sind die Kinder total fasziniert,
davon, wer den alles schon in der Hand hatte”, sagt Aris.
Der ‚Spirit’ des Balls und des Vereins, er wird auch geprägt
von Andrew Aris’ neuseeländischer Art. Locker und offen-
weiterhin prominenter Fürsprecher von „Spirit of Football”,
gab im vergangenen September als Erster seine Unterschrift
auf dem aktuellen Ball des „Ein Ball, eine Welt”-Projektes,
das im Schuljahr 2015/2016 an zwölf thüringischen Schulen
stattfindet. „Ich würde mich freuen, wenn auch du Mitglied
unserer Mannschaft werden würdest”, sagt Klopp im VideoTrailer. „Ein immenser Ansporn für die Kinder, aktiv an diesem Projekt teilzunehmen”, erklärt Aris.
Aktuell organisiert der Verein das Integrationsprojekt „Fairplay?!” zu den Themen Flucht und Asyl. Und zwar an einem
besonderen Ort: Dem ehemaligen Erfurter Fabrikgelände
der Firma Topf & Söhne, die während des Zweiten Weltkrieges Verbrennungsöfen für die NS-Vernichtungslager
Mal mit Füßen, mal mit Händen, stets mit dem Herzen: Vereinschef Andrew Aris weiß, dass Fußball
Menschen über kulturelle Grenzen hinaus verbindet, wie hier beim offenen Spieltreff mit Geflüchteten.
herzig, den Optimismus im Kopf, die gute Laune im Herzen.
„Wie geht’s, Alter”, hat der 38-Jährige einmal Erfurts Oberbürgermeister Andreas Bausewein begrüßt, der Schirmherr
des Vereins ist. „Das könnten wir uns als Deutsche nie
erlauben”, sagt Vereins-Vize Sven Söderberg, „aber Andrew
ist eben Neuseeländer, die sind alle so verrückt wie er”.
Es mag auch seiner sehr offenen Art geschuldet sein, dass
Aris sich ein breites Netzwerk an Unterstützern aufbauen
konnte. So traf er an einem verregneten Januarsonntag
im Rahmen der Ballreise 2014 im Trainingszentrum von
Borussia Dortmund auf die gesamte Mannschaft sowie den
damaligen Trainer Jürgen Klopp. „Wir konnten ihm von unserem Projekt erzählen. Er hat das sofort aufgegriffen und am
Ende haben er und fast alle Teammitglieder auf unserem
Ball unterschrieben und sogar kurze Video-Statements für
uns in die Kamera gesprochen”, erinnert sich Söderberg. Der
derzeitige Liverpool-Coach, Spitzname „Kloppo” ist auch
fertigte. Bis Oktober treffen hier Geflüchtete auf deutsche
Schüler, um gemeinsam die Geschichte von Ausgrenzung
zu verstehen. „Mit ihren Erfahrungen von Verfolgung und
Flucht geben sie dem Projekt eine persönliche, höchst
aktuelle Perspektive”, sagt Andrew Aris.
In der Heinrich-Hertz-Turnhalle sitzen mittlerweile alle
im Kreis: Deutsche, Afghanen, Syrer. Austauschrunde, der
Ball fliegt umher, jeder soll berichten, wie er das Training
erlebt hat. Gut natürlich, denn neben dem Spiel seien die
Treffen vor allem fürs Deutschlernen wichtig, erzählen die
Jungen. Nächste Woche wollen die meisten wiederkommen. Andrew Aris freut sich: „Diese Menschen kommen
nicht einfach nur als Geflüchtete zu uns, sie kommen mit
Talenten und Fähigkeiten. Nur wenn man diese verknüpft,
kann Integration besser funktionieren.”
www.spirit-of-football.de
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Verwaltung
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Integration als Teamarbeit
Der Migrationsbeirat des Altenburger Landes vernetzt die verschiedenen Akteure zum hema
Integration. Durch abgestimmte Angebote sollen Flüchtlinge im Landkreis gehalten werden.
Text: Marcus Hengst / Foto: Altenburger Land
Überall in Deutschland widmen sich unzählige ehrenamtliche Akteure, soziale Organisationen und staatliche
Behörden der Integration von Flüchtlingen. Doch oft fehlt
es im bürokratischen Alltag an einer Institution, welche
die verschiedenen Aktivitäten und Informationen koordiniert und als zentrale Anlaufstelle dient. Um diese Lücke
zu schließen, wurde Ende 2015 im Landkreis Altenburger
Land ein Migrationsbeirat ins Leben gerufen. Dieser soll
dabei helfen, die Arbeit der verschiedenen Akteure besser
abzustimmen und die Integrationsangebote im Landkreis
weiter auszubauen.
„Mit der Zuwanderung oft junger Menschen verbindet sich
für unseren Landkreis, der bundesweit einen der höchsten
Altersdurchschnitte aufweist, ein großes demografisches
Potenzial. Doch 2015 sind bei knapp 1.300 Asylbewerbern
lediglich sieben Flüchtlinge mit einer dauerhaften Aufenthaltsgenehmigung auch im Altenburger Land geblieben”,
erklärt Ivy Bieber, Migrationsbeauftragte des Landkreises
und zweite Vorsitzende des Migrationsrates. Um das zu
ändern, bedürfe es gezielter und abgestimmter Angebote
und Hilfestellungen zur Integration. „Die Menschen, die zu
uns kommen, brauchen eigene Wohnungen, Arbeit, Unterstützung bei der Suche nach Kindergarten-, Schul- und
Ausbildungsplätzen und Angebote zur gesellschaftlichen
Teilhabe”, so Ivy Bieber weiter.
Um das zu erreichen, hat Ivy Bieber mit ihren Mitstreitern
bereits Struktur in die vielen ehrenamtlichen Aktivitäten
im Altenburger Land gebracht. Zum Beispiel gibt es nun
in allen Kommunen Ansprechpartner für die Bereiche
Migration und Integration, die in engem Kontakt mit der
Migrationsbeauftragten stehen. Mittlerweile beschäftigt
der Fachdienst Flüchtlinge/Aussiedler des Landkreises darüber hinaus acht Sozialarbeiter in Altenburg und
Schmölln. Außerdem wurde ein Modellverfahren etabliert,
dass zukünftig die zentrale und schnelle Bearbeitung von
Asylanträgen sicherstellen soll.
Um die Integrationsmöglichkeiten für Migranten im Altenburger Land zu verbessern, berät der Migrationsbeirat den
Kreistag und seine Ausschüsse in fachlichen Fragen zum
Ivy Bieber, Migrationsbeauftragte
des Landkreises Altenburger Land.
Thema Migration und tritt im politischen Prozess als Interessenvertreter für Flüchtlinge auf. Dem 16-köpfigen Gremium unter Vorsitz der Landrätin Michaele Sojka gehören
neben Mitgliedern des Kreistages, Vertretern von freien
Trägern aus der Migrationsarbeit wie der Caritas und der
Diakonie sowie des Landratsamtes auch vier Flüchtlinge
an. Vier- bis fünfmal im Jahr wird der ehrenamtliche Beirat
zukünftig zusammenkommen, um über aktuelle Herausforderungen zu beraten.
Neben dem Ausbau der konkreten Angebote zur Integration steht für Ivy Bieber dabei auch die Etablierung einer
Kultur des offenen Miteinanders im Fokus: „Beide Seiten
können viel voneinander lernen, wenn sie sich zuhören.
Dazu braucht es eine offene Atmosphäre und gegenseitige Akzeptanz”, ist die Migrationsbeauftragte überzeugt.
www.altenburgerland.de
XX
54
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Kultur
Vom Zauber der Musik
Bach meets Orient: In Jena setzen syrische und einheimische Musiker auf die verbindende
Kraft der universellsten Sprache der Menschheit.
Der Slowene Mitja Ficko vor seiner Atelierwand. Die Residenz
funktioniert wie eine große WG von Kunstschaffenden aus aller Welt.
Kultur
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Kultur
Kultur
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Text: Janet Schönfeld / Fotos: Tom Schulze
Die Tür steht offen. Jeder, der möchte, kann einfach hereinkommen, kann in das schöne Zimmer treten, kann um das
Cembalo herum Platz nehmen und die Wärme und Gemütlichkeit atmen, die das Holz und die Bücher ausstrahlen.
Der Raum füllt sich. Um die vierzig Menschen, junge, ältere,
Menschen aus anderen Ländern, anderen Kulturen, haben
sich an diesem Abend in Jena zusammen gefunden, in der
Wohnstube von Cornelie Mier.
Es ist die Lange Nacht der Hausmusik, die im Rahmen der
Thüringer Bachwochen schon zu einer Tradition geworden
ist. Gemeinsam musizieren, in privaten Häusern, wie zu
Zeiten Johann Sebastian Bachs. Bei Cornelie Mier begegnet
Bach an diesem Abend dem Orient. „Ich möchte die Kulturen
zusammenbringen”, sagt die Gastgeberin, „und wie kann
man das besser als mit Musik. Sie ist die Muttersprache der
Menschheit.” Cornelie Mier hat syrische Musiker eingeladen, „weil sie auch so wunderbar improvisieren können wie
Bach.” Einer der Künstler ist Ghays Mansour. Ihn begleitet
Hesham Hamra an der Oud, einer orientalischen Laute.
Sie erzählen mit ihrer Musik von Damaskus, von ihrer Stadt.
Eine Stadt, die sie die Liebe, die Kunst und die Freiheit lehrte,
sagen sie. Sie werden für die Menschen ohne Heimat singen,
für die Liebe in Zeiten des Krieges und von der Schönheit
ihres Landes. Sie möchten Brücken bauen zwischen den
Herzen. Und vielleicht ein paar verzerrte Bilder geraderücken. Auch ohne ein Wort Arabisch kann man diesen
unerschöpflichen Kosmos an Poesie und Seele fühlen, der
nicht nur eine Kunstform ist, sondern auch ein Lebenselixier zu sein scheint. Die klassische arabische Musik ist ein
meisterhaftes Miteinander von Rhythmen und Klangwelten,
mal zart und leise, mal freudig und voller Temperament, auf
hohem musikalischen Niveau. Und mit viel gefühlsbetontem
Gesang, der ganz eigenen Gesetzmäßigkeiten folgt.
Ghays Mansour, der Sänger mit der außergewöhnlichen
Stimme, war Profimusiker in Syrien. Mit sieben Jahren hat
er sich in die Lieder seiner Region verliebt. Sein Vater, ein
Dichter, hörte gern Klassik, und wenn er seine Kassetten
einlegte, sang der kleine Ghays damals schon mit. Der
Junge hatte schlechte Noten in der Schule. Weil er nicht
mochte, was gelehrt wurde. „Immer die Wahrheit des Systems”, sagt er und meint damit nicht nur das syrische. „Das
Leben ist meine Universität. Nirgendwo anders kann man
mehr lernen.”
Der
Cornelie
Slowene
Mier
Mitjaveranstaltet
Ficko vor seiner
HausmusikAtelierwand. Die Residenz
funktioniert
wiesyrischen
eine großeMusikern.
WG von Kunstschaffenden aus aller Welt.
abende mit
Damaskus, das ist für ihn der Duft von blühendem Jasmin,
schwärmt der 22-Jährige in einem Gespräch nach dem
Auftritt und bindet sich sein dickes, schwarzes Haar zusammen. „Es ist der Rauch von Apfeltabak aus Wasserpfeifen,
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Kultur
Kultur
ungewohnt. „Wir wollen nicht bewerten, was von beidem
besser oder schlechter ist. Es wird ein gegenseitiger Austausch werden, ein Aufeinander-Zugehen”, sagt Friedrun
Vollmer. Ihr nächster Plan ist die Integration von jugendlichen Geflüchteten in bestehende Ensembles, in Bands
und in Orchester. In den Flüchtlingsunterkünften soll es
für Kinder musikalische Früherziehung geben und in den
Kindertagesstätten soll der Dialog zwischen arabischen
und deutschen Müttern gefördert werden. Unterstützt
wird dieses Projekt aus Bundesmitteln des Programms
„Kultur macht stark. Bündnisse für Bildung” und aus Lan-
median
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Menschen vor, die schon vor Generationen – aus welchen
Gründen auch immer – nach Jena kamen.”
Er habe auf seinem schweren Weg von Syrien nach Deutschland oft das Gefühl gehabt, er könne niemandem mehr
vertrauen, erzählt Ghays Mansour. Er hat sein Vertrauen
wiedergefunden, durch die Musik und die Begegnungen mit
wunderbaren Menschen, die ihm hier geholfen haben, Fuß
zu fassen. Es sind Begegnungen wie die im Wohnzimmer
von Familie Mier, bei denen man etwas ungeheuer Einfaches tut: miteinander reden. „Es war ein unglaublich herzli-
»Sie haben mich nicht erwischt. Ich lebe noch. Und nun hat mich das
Leben nach Jena gebracht.«
Ghays Mansour
Wanderer zwischen zwei kulturellen Welten: Der syrische Sänger Ghays Mansour
kam von Damaskus nach Jena und brachte seine Musik mit.
es sind die jahrhundertealten Basare mit ihren Bergen
an Gewürzen und frisch gebrühtem Kardamomkaffee, es
ist das Herumsitzen-und-der-Welt-Zusehen, es sind die
verwinkelten Gassen, die Kirche neben der Moschee, die
tausende Jahre alte Geschichte, und ja, es ist die Poesie, die
Musik.” Und dann lacht er, Damaskus, das können aber auch
zwölf Stunden Stromausfall sein.
Vor allem ist es das Damaskus von vor dem Krieg. Aus einer
Zeit, in der der junge Student einfach zur Universität gehen
konnte, ohne die Angst, dass ihn Scharfschützen unterwegs erschießen. „Früher war das ein Weg von zehn Minuten, irgendwann dauerte er durch die vielen Checkpoints
zwei Stunden”, erzählt er und schaut melancholisch aus
seinen großen Augen. Dann zuckt er mit den Schultern und
lächelt: „Sie haben mich nicht erwischt. Ich lebe noch. Und
nun hat mich das Leben nach Jena gebracht, und darüber
bin ich sehr froh.”
Auch für ihn war es die berüchtigte Überquerung des Mittelmeers in einem übervollen Schlauchboot. „Wir hatten
Glück”, sagt er in gutem Deutsch, „die See war ruhig an
diesem Tag.” Bis zu seiner Flucht vor anderthalb Jahren
spielten sie noch mit ihrem Ensemble Soul Trio, während
die Bomben fielen. „Was will man auch machen”, sagt er,
„du kannst den Krieg nicht dein ganzes Leben beherrschen
lassen.” Es gab Momente, da saß er mit Freunden in einem
Café und rauchte Wasserpfeife und ein paar hundert Meter
weiter tobten die Kämpfe. Fast drei Monate dauerte die
Flucht. Sein Vater, seine Mutter und sein Bruder sind noch
in Damaskus. Manchmal, wenn sie telefonieren, kann er die
Bomben durchs Telefon hören.
desmitteln der Thüringer Staatskanzlei. Und dann möchte
sie noch in den nächsten fünf Jahren den Bereich Weltmusik an der Jenaer Musik- und Kunstschule ausbauen. „Mir
schwebt eine lebendige Zusammenarbeit von Vereinen und
ches Geschnatter in der Pause, aus dem viele bereichernde
Verbindungen entstanden sind”, freut sich Cornelie Mier.
www.mks.jena.de
XX
Jetzt gibt Ghays Mansour Konzerte in Deutschland. Er
sieht sich als Botschafter des Humanismus, erinnert die
Menschen bei seinen Auftritten daran, dass es nicht um
Religionen geht und dass es keine Zäune braucht als Grenzen zwischen den Ländern, sondern Respekt als Grenze
zwischen den Menschen. Wir haben schließlich nicht
selbst entschieden, an welchem Flecken Erde wir geboren
werden wollten. Er hat nun eine Aufenthaltsgenehmigung
für die nächsten drei Jahre, teilt sich mit einem Freund eine
Wohnung in Jena und hat nicht nur in Musikerkreisen viele
Freunde gefunden.
Bei einem Konzert im Zirkuszelt des Jenaer Kinder- und
Jugendzirkus MoMoLo begegnet er Friedrun Vollmer, der
Direktorin der hiesigen Musik- und Kunstschule. Die Schule
hatte bereits 2015 ein Flüchtlingsprojekt ins Leben gerufen,
für Jugendliche, die mit ihren Familien in Jena sind. Neben
einem intensiven Sprachkurs konnten diese in Musik- und
Kunstangeboten ihre Gedanken und Gefühle zur Flucht
und zu ihrer neuen Rolle in Deutschland ausdrücken, die
sich oft in Entwurzelung und schweren Identitätskrisen
zeigt. Nun wird Ghays Mansour einen Workshop an der
Schule geben, um der arabischen Kultur mit europäischen
Instrumenten nachzuspüren. Denn diese klassische Musik
aus dem Orient, mit ihrem so andersartigen Tonsystem,
ihrem eigenen Rhythmus und den hier eher unbekannten
traditionellen Instrumenten, klingt in westlichen Ohren
In Jena treffen Bachs Barockwerke
auf die Klänge syrischer Musik.
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Kulturtipps
Tipp
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Reda
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Aufbruch in die Moderne
Region Sachsen-Anhalt als gemeinsames Themengelände in Szene.
Bis zum großen Jubiläum soll außerdem
die Sammlung des Bauhauses, von der
aus Platzgründen bisher nur ein kleiner
Teil gezeigt werden kann, eine neue
Präsentationsfläche erhalten. Für
25 Millionen Euro entsteht im Stadtpark von Dessau-Roßlau ein neues
Museum, in dem die mit rund 40.000
Exemplaren zweitgrößte BauhausKollektion der Welt ein neues Zuhause
finden soll.
Mit ihrem
Entwurf
eines
schwarzen Kubus mit schlichter
Glashülle setzte sich das spanische
Architekturbüro Gonzalez Hinz Zabala
in der internationalen Ausschreibung
gegen 800 weitere Einreichungen aus
insgesamt 60 Ländern durch.
www.bauhaus-dessau.de
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„Wenn ich nicht gewesen wäre, nimmer
wäre es mit Luthero und seiner Lehr
so weit kommen”, sagte der Theologe
und Historiker Georg Spalatin von sich
selbst. Ob die Beeinflussung der Obrigkeiten zugunsten der Erneuerungsbewegung oder die berühmte Unterbringung Luthers auf der Wartburg
– Spalatins Geltung für die Reformation
ist unumstritten. Grund genug, ihm zur
Lutherdekade eine Sonderausstellung
zu widmen. „Georg Spalatin – Martin
Luthers Weggefährte in Altenburg”
lädt ganzjährig in das Altenburger
Residenzschloss, um dem Leben und
Wirken des Gelehrten nachzuspüren.
Mit einer musikalischen Zeitreise
wartet die Lutherstadt Wittenberg in
der Vorwoche zur Reformationsfeier
auf. Vom 22 . bis zum 31. Oktober findet hier das „Renaissance Musikfestival” statt, bei dem Weltklassekünstler
und Jungmusiker Konzerte vor der
Kulisse historischer Spielorte geben.
Darüber hinaus bietet das Programm
Ausstellungen, Meisterkurse und
Workshops mit Instrumentenbauern.
Den Höhepunkt des Festivals bildet
ein höfischer Ball im stilechten Ambiente des 16. und 17. Jahrhunderts mit
authentischen Gewändern, Schmaus
und Musikaufführungen.
www.residenzschloss-altenburg.de
www.wittenberger-renaissancemusik.de
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Termine
30. Juli 2016
„Merseburger DomMusik 2016“
Merseburger Dom
„Johann Sebastian Bachs berühmte
Goldbergvariationen in einer neuen
klangräumlichen Adaptation
bis 04. September 2016
Sachsen und Böhmen im Spiegel der
Kunst um 1500
Kunstsammlungen Chemnitz
Länderübergreifende Ausstellung in
Kooperation mit der Nationalgalerie Prag
über den kulturellen und sozialen Austausch zwischen Sachsen und Böhmen
bis 10. Januar 2017
„Magie des Augenblicks“
Kunstmuseum Moritzburg, Halle (Saale)
Werke von Matisse, Cézanne, ToulouseLautrec und van Gogh verwandeln die
Moritzburg in einen Pariser Salon.
Jena feiert ZEISS
Emil Theis: Großflugzeug G 38 in Dessau, 1930er Jahre
MELT!-Festival 2016
Ein blitzendes Lichtermeer und pulsierende Beats – Vom 15. bis 17. Juli 2016
erwacht die „Stadt aus Eisen” wieder
zum Leben. Heiße Newcomer und
internationale Größen treffen unter
den Stahlgiganten in Ferropolis aufeinander. Ausschweifender Musikgenuss,
die Grenzen zwischen laut und leise,
Elektro, HipHop und Indie, Mainstream
und Subkultur lösen sich auf.
Besucher des MELT!-Festivals
Renaissance live
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www.meltfestival.de
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Fotos: Emiel Theis, Melt! Festival GmbH & CO. KG , Residenzschloss Altenburg, Corinna Kroll
Das Bauhaus, eine der bedeutendsten
Schulen von Architektur, Design und
Kunst, nimmt Kurs auf sein 100-jähriges Gründungsjubiläum. Den Auftakt
für ein mehrjähriges, thematisches
Programm bildet ab dem 04. Mai die
Sonderschau „Große Pläne!” Die angewandte Moderne in Sachsen-Anhalt”,
welche die Stimmung der ersten
Bauhaus-Jahre und seinen visionären
Versuchscharakter einfängt.
Die Besonderheit der Ausstellung
liegt in der räumlichen Verteilung der
Präsentationsplätze. So werden unter
Leitung der Bauhaus-Stiftung Dessau
an verschiedenen Korrespondenzstandorten wie Halle, Merseburg,
Leuna und Quedlinburg die unterschiedlichen Perspektiven zur Kunsthochschule jeweils ortsspezifisch
herausgearbeitet. In diesem Verbund
spiegelt sich auch das historische
Zusammenspiel unterschiedlichster
Bauhaus-Akteure und -Orte wider, die
einen entscheidenden Einfluss auf die
Kunsthochschule hatten. Aufgearbeitete historische Exponate, Installationen und Performances setzen so die
Spalatins Erbe
Urbane Kunst in Zwickau
Die aktuelle Kabinettausstellung der
Zwickauer Galerie am Domhof zeigt
bis zum 07. August 2016 unter dem
Titel „Sprühlack auf Leinwand” Malereien und Skulpturen verschiedener
Künstler/-innen aus dem Bereich
Urban Art. Als kulturelles Phänomen
des 20. und 21. Jahrhunderts haben
Graffiti, Schablonenkunst oder Skulpturen im öffentlichen Raum einige
Städte zu großen Freiluftgalerien
mutieren lassen. Was zuweilen als
Zerstörung von Privateigentum und
Vandalismus empfunden wird, hat
parallel aber auch den Sprung auf die
Leinwände und so in die Galerien der
Welt gefunden. TASSO (Jens Müller), die
GEBRÜDER ONKEL (Robby und Marcel
Otl), TASKONE (Rico Gruner) und BEASTIE (Nadja Voss) zeigen in sensiblen bis
widerspenstigen Werken die verschiedenen Gangarten der urbanen Künste.
www.galerie-zwickau.de
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Es begann mit der Eröffnung eines
kleinen mechanischen Ateliers in Jena,
in dem ein junger, naturwissenschaftsbegeisterter Mann neue Lupen aus
Spiegelglas schliff und einfache Mikroskope herstellte. Heute zählt ZEISS
zu den international führenden Firmen
der feinmechanisch-optischen Industrie. Zu Ehren des 200. Geburtstags
von Firmengründer Carl Zeiss organisiert das Unternehmen zusammen mit
den Institutionen der Stadt Jena noch
bis September zahlreiche Sonderveranstaltungen und Aktionen. Neben
thematischen Führungen auf dem Firmengelände, seltenen Archivöffnungen
und Ausstellungen im Stadtmuseum
können sich Interessierte in verschiedenen Vortragsreihen und Workshops
ein Bild von der Gründerfigur machen.
www.zeiss.de/carlzeiss200
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Service
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Terminkalender
Partner der Wirtschaft
Aktuelle Messen, Tagungen, Workshops und Events aus den Bereichen Wirtschaft und
Wissenschaft in Mitteldeutschland
Die Wirtschaftsförderer in der Europäischen Metropolregion Mitteldeutschland beraten
Unternehmen und Investoren zu allen Fragen rund um Ansiedlung und Standortmanagement.
Wirtschaft
06. bis 07.07.2016
9. SYMPOSIUM MOTOR- UND
AGGREGATE-AKUSTIK
Gesellschaftshaus Magdeburg
Plattform für Automobilhersteller, Zulieferer, Dienstleister und Hochschulen
18.08.2016
ENIGMA – Erste IT-Sicherheitskonferenz
Mitteldeutschland
Magdeburg
Sicherheitslösungen für Unternehmen,
Institutionen & öffentliche Einrichtungen
07.09.2016
9. ACOD-Kongress
Gläserne Manufaktur Dresden
Zukunft der Automobilindustrie – Digitalisierung in der Produktion und im Produkt
22.09.2016
Investforum Pitch-Day 2016
Magdeburg, Johanniskirche
Matchingveranstaltung für Beteiligungskapital in Mitteldeutschland
05. bis 07.10.2016
G-FORUM 2016
HHL Leipzig Graduate School of Management
20. Jahreskonferenz zu Entrepreneurship,
Innovation und Mittelstand
25.10.2016 bis 26.10.2016
INOVA 2016 – Das Karriereforum für
Mitteldeutschland
TU Ilmenau
Ausgewählte Unternehmen präsentieren
sich den Studenten der TU Ilmenau
03.11.2016
Zwickauer Wirtschafts- und Industriekontakte 2016 (ZWIK)
Stadthalle Zwickau
Recruiting- und Karrieremesse für Studenten, Absolventen und Young Professionals
in Mitteldeutschland
Wissenschaft
30.06.2016 bis 03.07.2016
RoboCup 2016
Leipziger Messegelände
Führender und größter Wettbewerb für
intelligente Roboter
01. bis 02.07.2016
Lange Nacht der Wissenschaften
Halle (Saale)
Entdeckungstour in Labore, Institute,
Museen, Kliniken und Bibliotheken
Mehr Termine
Online-Kalender
Scannen Sie den QRCode für weitere Termine
auf der Webseite der
Europäischen Metropolregion Mitteldeutschland.
Stadt Halle (Saale)
Wirtschaftsförderung
Telefon: 0345 221-4760
Web: www.wirtschaft-halle.de
21. bis 25.08.2016
6th International Congress on
Ceramics (ICC6)
Internationales Congress Center Dresden
Ideen und Visionen zur Zukunft der
Keramik und anorganischen Materialien
18. bis 19.10.2016
bionection 2016 – Partnering-Konferenz
für Technologietransfer
Halle (Saale)
Innovative Ideen der Life Sciences-Branche
und mögliche Finanzierungsmodelle
27. bis 28.10.2016
10. Jenaer Lasertagung
Konferenzzentrum Ernst-Abbe-Hochschule Jena
Aktuelle Trends auf dem Gebiet der
Lasermaterialbearbeitung
Stadt Dessau-Roßlau
Amt für Wirtschaftsförderung,
Tourismus und Marketing
Telefon: 0340 204-2080
Web: www.dessau-rosslau.de
Stadt Gera
Fachdienst 1200 Wirtschaftsförderung/Stadtentwicklung
Telefon: 0365 838-1201
Web: www.gera.de
06. bis 08.07.2016
BIS 2016 – 19th International Conference
on Business Information Systems
Universität Leipzig
Wirtschaftsinformatik-Konferenz zum
Thema „Smart Business Ecosystems”
11. bis 14.09.2016
ESOPS20 – 20TH EUROPEAN SYMPOSIUM
ON POLYMER SPECTROSCOPY
Dreikönigskirche Dresden
Entwicklungen und Anwendungen der
spektroskopischen Charakterisierung und
Analyse von Polymersystemen
CWE – Chemnitzer
Wirtschaftsförderungsund Entwicklungsgesellschaft mbH
Telefon: 0371 3660-200
Web: www.cwe-chemnitz.de
Wirtschaftsförderungsgesellschaft Jena mbH
Telefon: 03641 87300-30
Web: www.jenawirtschaft.de
Stadt Leipzig
Amt für Wirtschaftsförderung
Telefon: 0341 123-5810
Web: www.leipzig.de/wirtschaft
Stadt Zwickau
Büro für Wirtschaftsförderung
Telefon: 0375 83-8000
Web: www.zwickau.de
Saalekreis
Referat Verwaltungssteuerung/Wirtschaft
Telefon: 03461 401005
Web: www.saalekreis.de
Altenburger Land
Landratsamt Altenburger Land
Wirtschafts- und Tourismusförderung
Telefon: 03447 586285
Web: www.altenburgerland.de
Landkreis Leipzig
Stabsstelle des Landrates/
Wirtschaftsförderung
Telefon: 03433 241-1051
Web: www.landkreisleipzig.de
Burgenlandkreis
Wirtschaftsamt
Telefon: 03445 73-1308
Web: www.burgenlandkreis.de
Wirtschaftsförderung
Sachsen GmbH
Telefon: 0351 2138-0
Web: www.wfs.sachsen.de
IMG Investitions- und
Marketinggesellschaft
Sachsen-Anhalt mbH
Telefon: 0391 56899-0
Web: www.investieren-insachsen-anhalt.de
Landesentwicklungsgesellschaft Thüringen mbH
Telefon: 0361 5603-0
Web: www.invest-in-thuringia.de
Wirtschaftsförderungsgesellschaft mbH des Landkreises
Wittenberg i. L.
Telefon: 03491 462393
Web: www.wfg-wittenberg.de
Impressum
5. Jahrgang, Ausgabe 7
In der Europäischen Metropolregion
Mitteldeutschland engagieren sich
strukturbestimmende Unternehmen,
Städte und Landkreise, Kammern
und Verbände sowie Hochschulen
und Forschungseinrichtungen aus
Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen mit dem gemeinsamen Ziel
einer nachhaltigen Entwicklung und
Vermarktung der traditionsreichen
Wirtschafts-, Wissenschafts- und
Kulturregion Mitteldeutschland.
www.mitteldeutschland.com
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Herausgeber:
Metropolregion Mitteldeutschland
Management GmbH
Schillerstraße 5
04109 Leipzig
Telefon: 0341 60016-0
Telefax: 0341 60016-13
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Reinhard Wölpert
Konzeption und Redaktionsmanagement:
trurnit Leipzig GmbH
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DIE AUSSICHT
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04157 Leipzig
E-Mail: alexander.dornheim@dieaussicht.de
Autoren:
Ute Bachmann, Kai Bieler, Dörthe Gromes,
Marcus Hengst, Katharina Kleinschmidt,
Uwe Krüger, Tobias Ossyra, Janet Schönfeld,
Kathrin Sieber, Katja Trumpler
Fotografen:
Michael Bader, Christian Hüller, Jens-Ulrich
Koch, Tom Schulze, Toni Söll
Titelfoto:
Alexander Dornheim
Lektorat:
Mirjam Becker
www.textdoc.de
Druckerei:
Grafisches Zentrum Cuno GmbH & Co. KG
Auflage:
8.500 Exemplare
Redaktionsschluss: 20. Mai 2016
ph1.de
Standort
mit Standpunkt:
Jede Kultur verdient Akzeptanz –
und jeder Mensch in Not unsere
Solidarität. Unsere Region heißt
Menschen aus aller Welt willkommen.
Dafür stehen wir. Hier und jetzt und
in Zukunft.
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In der EUROPÄISCHEN METROPOLREGION MITTELDEUTSCHLAND engagieren sich Unternehmen, Städte und Landkreise,
Kammern und Verbände sowie Hochschulen und Forschungseinrichtungen aus SACHSEN, SACHSEN-ANHALT und THÜRINGEN.