maedchen regencape tragen muessen

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maedchen regencape tragen muessen
Behind the door was another door
and behind that was another.
(Matthew Sweeney)
Eine Reise nach Forest Row
Die Fingernägel sind geschnitten, auch die der rechten Hand, ein Tag vor der Reise. M., die ihm
die Schere lieh, hatte es wohl nicht in Verbindung mit seiner Abreise gebracht. Aber, er führe
ungern mit zu langen Fingernägeln, sagte er, und: Zu frisch geschnitten ist bei den SynthetikFunktions-Kleidungsstücken auch nichts.
Gleich ist es 21:00 Uhr. Fast genau vor acht Tagen saß er schon einmal hier auf dem Bett im
Zimmer Nummer 6. Irgendjemand hatte den Zimmerschlüssel mitgenommen – er darf einen
Ersatzschlüssel benutzen, den aber nicht mit außer Haus nehmen. Vor einer Woche, als er ankam,
war es etwa 21:30 Uhr. Er war angekommen - aber wie!
Mit seinem Telefon hatte er ausgerechnet, dass 30 Meilen ungefähr 48,2 km betragen, 40 Meilen
dann schon 64,3 km - also der Umrechnungsfaktor ist 1,6.
Wieder der erste, der an Bord geht als Passagier. Die Rampe hoch: Normaler Gang, in den Stand,
kein Wiegetritt (wegen den schweren Packtaschen an beiden Seiten, geübt auf dem Weg von
Forest Row nach Dover, immer dann, wenn er verließ die Hauptstraßen (englischte er hier?) und
die Nebenstraßen nur noch auf und ab führten), hinter ihm all die wartenden Menschen in ihren
Autos, eingereiht in Gang X bis Gang 52. Bis oben würde er es schaffen im Stand, im
geschalteten Gang – all die Blicke, sie werden da sein, wohin sollten sie auch sonst gerichtet sein
nach der Wartezeit in der Schlange, schieben ihn nach oben, er spürt es, es drückt in den Rücken,
angenehm, ein warmer Druck.
Ein Vogelschwarm gleitet über das Wasser, berühren die Vögel das Meer? Formiert zu einer
Eins, den Zugvögeln gleich. Eben sah er erstmals auf den Weg nach Dunkerque das Festland,
dachte an den 6. Juni 1944, dachte, was bedeutet es, überhaupt daran zu denken und wie. War es
ihm auf der Hinreise überhaupt eingefallen? An seinen Vater hatte er da gedacht, auf der Fahrt
nach Calais - gegen den Wind, gegen die Zeit, im Regen! Türme, Industrieanlagen, aber die
Fähre fuhr nicht darauf zu, ließ all dies „rechts liegen“. Zwei Inseln gleich am Horizont deuten
beim Näherkommen auf riesige Tanks. Dazwischen unbewegliche Giraffen. Zwei sich von
einander abwendend. Immer wieder Forest Row - Biografiearbeit mit den Menschen hier an den
Tischen? So viele Körper. Geist und Körper. Kleider machen Leute? Körper machen Leute?
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Bestimmt ein Dutzend hoher Kräne um drei Tanks. Feuer aus zwei Schornsteinen. Erinnerung an
den nächtlichen Traum, ohne Inhalt, nur als Gefühl – auch das nicht beschreibbar, einer Ahnung
nur. Ein Hafen ohne Stadt. Rechts grün, links rot: Ein sicherer Hafen.
Manchmal ist er nicht zu sehen, der Turm von Diksmuide (Yserturm 1), „AVVVK“ steht daran).
Bäume, kleine Unebenheiten. Die Kühe, jetzt links, erkennen ihn wieder, er sieht es; sie scheinen
auf ihn gewartet zu haben. Die Frau sitzt weiterhin vor Ihrem PC!
Dunkle, dunkle nicht bis hierher - ein Anruf an dies Grau über ihm. Von der Meeresseite her –
wie der Wind. Der Turm bei Diksmuide: Selten fuhr er direkt darauf zu, dachte an das
Schützengrabensystem. Die Frau, die ihm öffnete, die ihn einwies in die Besonderheiten des
Hauses, z. B. die extrem schmalen Stufen der Außentreppe, das kleine Tor in einer Art
Stadtmauer, hatte, als er sich an den Frühstückstisch gesetzt hatte, gefragt, ob sie sich dazu setzen
dürfe, sie hätte auch noch nicht gegessen.
Sie sagte da - und er musste grad daran denken - schauen Sie die Soldatenfriedhöfe an, wie sich
die unterscheiden: Ein deutscher sieht anders aus als ein französischer …
Viele Hinweisschilder. Etliche dieser Friedhöfe waren nahe der Straße, eben noch kam er an
einem vorbei: Links, auf dem ein paar Menschen zwischen den Tafeln umhergingen. Vor 99
Jahren – solange wir ein Erbbaurecht laufen kann. Wo er wohnt, kauft man ein Grab für 25 Jahre.
Jetzt erst, wo ich dies aufschreibe, fallen (und schon eine Assoziation bei diesem Wort) mir
andere Friedhöfe ein: Judenfriedhöfe in der Nähe von Xanten. Bei zweien hatten wir – im Mai
war es – angehalten, die Räder abgestellt, angelehnt einmal an einem frisch gestrichenen
Lattenzaun, beim anderen stehen gelassen auf dem kleinen Schotterweg vor der noch nicht
geschnittenen hohen Hecke, waren zwischen den verwitterten und weiter verwitternden
Grabsteinen umhergegangen, Sonnenlicht erhellte fleckenhaft das schon recht hoch stehende
Gras beim einen. Unten an der Hauptstraße war ihnen das Hinweisschild schon vorher
1
) Yserturm
Der neue Yzerturm von 1965.
Der Yserturm (niederländisch IJzertoren) ist ein Mahnmal für die im Ersten Weltkrieg gefallenen flämischen
Soldaten der belgischen Armee. Es befindet sich auf dem Gebiet von Kaaskerke, einer Teilgemeinde der Stadt
Diksmuide, direkt am Fluss Yser und ist 84 m hoch.
Der Turm wurde 1930 eingeweiht. Er entwickelte sich rasch zu einem wichtigen Versammlungsort der Flämischen
Bewegung und ist besonders mit der politischen Wallfahrt IJzerbedevaart verbunden. Nach dem Zweiten Weltkrieg
wurde der Yserturm 1946 durch einen Sprengstoffanschlag zerstört. Aus seinen Trümmern wurde 1950 das
Friedenstor errichtet. Der Bau des heutigen Yserturms begann 1951, nur wenige Meter von den Resten des
ursprünglichen Turms entfernt. Die Grundsteinlegung erfolgte 1952. Eine neue Gruft wurde 1958, der Turm selbst
1965 eingeweiht.
(Quelle: Internet, Wikipedia)
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aufgefallen, das eingebettet war von einem frischen Blumenbeet – ein alter Mann pflege es, sagte
man uns.
100 Jahre, 99 Jahre, nur ein Jahr dazwischen: Aber welch andere Bedeutung im Alltag!
Dunkle Wolken – ihm war ein Traum eingefallen, ein Traum in die Zukunft: Er hatte das noch
bevorstehende Training vergessen.
Allein im Wohnzimmer: Vier Etagen Schweine: Porzellan, Ton, Glas.
Vor ihm auf dem Tisch: Yaourt & Fruit: Fraise-Aardlei,
Cerise-Kres.
“A house it not a home without a Mastiff”, las er.
Berglandschaft an der Wand gegenüber: Berg mit Schnee, Wildbad, Tannen.
Auf der Packung: GOURMET
Aufgetragen auf die helle Schicht Streichkäse – ob Kers oder Rode bes, es vermischt sich zu
einer Farbe, die er nicht lassen will als Frühstücksbild. Sieben Jahre der Mastiff – alt für diese
Rasse, diese großen Hunde. Was ist Hund, was ist (Wasch-) Bär? Die Katze saß plötzlich auf der
Sofalehne, Couchgarnitur, sagt man wohl zu diesem Gebilde, das ein ganzes Zimmer ausfüllen
kann.
An dem riesigen Tisch hatte er königlich allein Brot, Brötchen, Käse, Kaffee gegessen, getrunken
– nun war der leere Raum ausgefüllt von der lebenden Masse: Mastiff. Sie hielt diese Masse
davon ab, ihn zu besabbern, er war ihr dankbar dafür – hatte nur eine Hose dabei auf der Reise.
Eine Katze war aufgestellt die letzte halbe Stunde neben dem als Pferd geformten Metall auf dem
Sims des Kamins, silbergrau und leuchtend gelbes Halsband (so seine Erinnerung). Was ist schon
silbergrau? Sie vertragen sich – sollte es anders sein? Manchmal, nur selten, würde sie ihn ärgern:
In spärlichem Englisch, spräche sie holländisch – vielleicht könnte er sie besser verstehen, platt
versteht er ja. Holländisch-flämisch sprächen Sie hier, sie komme von ihr, woanders eher
französisch. Am Abend dieses Unwetter - es war doch noch rüber gekommen!
Sein Spurt hatte sich also doch gelohnt, auch wenn er danach erschöpft gewesen war. Sie hatte
ihm noch angeboten, sich in den Garten zu setzen. Von wegen: Duschen, etwas essen, den
folgenden Tag vorbereiten. Er hatte einige Zeit am Fenster gestanden. Weit konnte er nicht sehen,
auch nicht vor dem Unwetter. Warum hatte sich noch nicht das Vordach repariert? War es noch
nicht dazu gekommen oder wusste es nicht mehr wie das geht?
Brussel-Nord, eben Brussel-Central, davor noch was aus Brussel. Schreiende Kinder, lachende
Jugendliche, hin-und her laufende Menschen. Was ist bedrohlicher? Die hingeklotzten
Hochhäuser oder die heruntergekommenen und teilweise leer stehenden Häuser hier? Und immer
noch kein Regen. Am Abend war es ihm gelungen mit mehreren fernen Bedienungen Bilder auf
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dem Bildschirm eines klobigen Gerätes erscheinen zu lassen. Schon bald erläuterte eine nette
Frau ausgiebig den Wetterbericht bis zum Samstag.
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Der morgige Tag würde demnach der feuchteste werden: Nur Regen! Auch die folgende
Begebenheit sollte bezweifelt werden. Viele werden Sie bereits kennen, häufig habe er sie da und
dort erzählt – Ein paar Kugeln des Atomiums3) im Nebel nicht klar zu erkennen – vielleicht ist
heute diese Sichtweise sogar die anschaulichere?
Mag sein, dass er sie von häufigen Wiederholungen nun selbst als wahre Geschichte annehme?!
Irgendjemand versucht auf der Autobahn mit dem Auto (VW) schneller zu sein als der Zug. Der
Zug ruckt regelmäßig so stark, dass er meint, das sei nicht gut, da kann was kaputt gehen – und
das bei (toller) voller Fahrt. Es wird ihm etwas schlecht sogar. Wird etwa schlagartig kurz der
Elektromotor umgepolt? Verstreut stehen links die Kühe auf einer riesigen Weide und geben kein
klares Bild ab. Proben Sie etwa für ein Standbild für das Fernsehgerät von gestern Abend?
Er erinnerte sich: Auf dem Bahnsteig in Liège 4). Der IC in eine andere Richtung war lang
gewesen – wo war denn das Fahrradabteil? Den „conducter“ fragen, hatte man ihm gesagt.
Liège. Der Bahnhof von Liège. Diesen Bahnhof gibt es nur in Liège. Es ist auch nicht mehr der
Bahnhof von Lüttich, es ist für ihn der Bahnhof von Liège. Mit dem Neubau ist es der Bahnhof
von Liège und es gibt keinen Wagenstandsanzeiger an dem er ein Fahrradabteil ablesen könnte.
Aber, jetzt weiß er wie es geht: Den “conducter“ finden wenn der Zug eingefahren ist, ihn
ansprechen, er fragt dann "Wohin" – natürlich nicht in Deutsch.
Drittletzter Wagen hatte er verstanden und startete eine Radtour zum anderen Ende des
Bahnsteiges, es gab keinen Kiosk hier oben, egal, seine Trinkflasche war noch gefüllt und auch
zu essen hatte er noch. Die üblichen Begegnungen auf so einem Bahnsteig eines größeren
Bahnhofs: Ziellos umherirrende Reisende. Touristen, die ihrem Guide hinterher eilen, verlassenes
Gepäck, das Tränenbäche auf den Bahnsteig hinauslässt. Das alles jetzt aber auf dem Rad und mit
hoher Geschwindigkeit – der Zug hält ja nicht ewig!
48/15, gibt er die Übersetzung an! Also, da rast der über den Bahnsteig und zählt die Ritzel!?
2)
Die Seitenzahlen beziehen sich auf Seitenangaben von irgendwelchen Notizblättern. Ich finde, sie stören. Er
besteht aber darauf, dass sie bleiben sollen!
3)
Atomium:
Bei ihrer Errichtung waren die neun Riesenkugeln des Atomiums noch aus Aluminium. Anlässlich einer
Renovierung wurden die Kugeln mit einer glänzenden Edelstahlhaut überzogen.
Das Atomium stellt einen Elementarkörper eines Eisen-Moleküls dar, der 165 Milliarden Mal vergrößert wurde.
(Über das Atomium kann man an vielen Stellen lesen.)
4)
Santiago Calatrava – TGV-Bahnhof Liège
Ein Fundstück von youtube, ein schönes Video zum neuen Bahnhof Liège, Belgien.
(Hatte er sich angesehen und es mir sofort empfohlen)
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Und: Als erfahrener Radfahrer, als der er sich ausgibt, fährt man nicht vorn auf dem großen
Kranz auf dem Bahnsteig herum! Das Andere nehme ich ihm ab:
Dass es an einer Stelle sehr eng ist, der Bahnsteig ist da zu schmal: Verbauung auf dem
Bahnsteig (Stützpfeiler für das hohe Kuppeldach? Oder Bauten für andere Zwecke? Die
Rolltreppe? – Wofür auch immer).
Ihm war klar, er fuhr sehr dicht an einigen Menschen vorbei, die ihn sofort anfeuerten, so dass er
noch schneller wurde. Eine Gruppe Kinder stob allein durch sein Herannahen auseinander – die
Frau mittendrin wird Mühe gehabt haben, die Meute wieder zusammen zu treiben. Zwei
Menschen, die schreiend ihren auf den Bahnsteig fliegenden Gepäckstücken gefolgt waren, in der
Meinung, in den falschen Zug gestiegen zu sein, waren durch die Nachbartür wieder in den Zug
hineingesprungen, als er mit quietschenden Bremsen vor dem Gepäckstücken und dann auch vor
ihnen zum Stehen gekommen war.
(Auftrager! Auftrager!)
Fast am Ende des Bahnsteiges angekommen, zählte er die Waggons, wo jetzt einsteigen, jeder
Waggon hat vorn und hinten Türen? Er steigt bei der nächsten Tür ein!
(Welcher Zielbahnhof? Dann drittletzter Waggon – genauso war es gegangen!)
Irgendwann kommt der Schaffner. Er schließt einfach, wo das Fahrrad steht, die Außentür und
die Tür zum WC ab. Wo das Fahrrad steht ist jetzt das Fahrradabteil und es kommen noch
mehrere hinzu - Fahrräder.
Ein Fahrgast wartet lange vor der Toilette bevor er in den nächsten Waggon geht.
Dann sagte er, du weißt wie das hier abläuft - jetzt beim zweiten Mal - hast eine halbe Stunde
Aufenthalt auf diesem Bahnhof: Zeit und Raum (in Summe) genug und jetzt stell dir vor, wie du
wahrnimmst! Ob das die Bauherren, die Architekten bedacht haben? Und schlug mit der rechten
einen großen Bogen, als wolle er die Bahnhofskuppel nachzeichnen. Er wolle noch Daten liefern
– mal sehen, ob er es tut.
Angleur:
Es regnet nicht, 15:36 Uhr zeigt die Kirchturmuhr.
Die Bahn fährt so häufig über Bäche – ist es gar nur einer?
Pepinster:
Der breite und dann spitz zulaufende Bahnsteig.
Die Überdachung lädt Regen ein, der auch hier nicht ist.
15:51 Uhr.
Schon wieder der Bach.
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Ein Fahrrad passt in diesen Schienenbus: Oben ein Haken, unten eine kleine Führung für das
Hinterrad.
Verviers-Central:
?
Welkenraedt:
16:10 Uhr
Hergenrath:
Endlich regnet es (leicht).
Aachen:
Regen, 16:24 Uhr
Der Zug: Aachen – Paderborn: „Is cancelled“!
Seite 11:
Endlich eine Störung - er ist dankbar (versucht es zu sein!).
Das Automatenbedienungshilfspersonal fischte ihn aus der Warteschlange vor den Schaltern des
DB-Reisezentrums. Er gab ihm die bereits gezogene Bedienungsreihenfolgenummer und
bedankte sich für die Auskunft und Aufhebung der Zugbindung auf seiner Fahrkarte. Nur 20
Minuten würde er später ankommen. Nun aber die Umstiege in Düsseldorf und nicht in Hamm.
In Düsseldorf kannte er sich ja nun auch schon aus, wusste um die zu kurzen Aufzüge, wo man
Fahrräder nur mit Mühe hinein und herausbekommt.
Der Schaffner verlangt die Fahrradkarte. Hatte vorher gefragt ob das Fahrrad von ihm sei. „Die
hängt am Fahrrad.“ Das interessiere ihn nicht, er solle ihm die Karte zeigen. Er gibt ihm die
Belege für Hin- und Rückfahrt. Damit könne er nichts anfangen, er möchte die Fahrradkarte
sehen! „Die hängt am Fahrrad, da wo sie angebracht werden muss.“ Das wäre ihm neu. Er sagt,
er solle zum Fahrrad gehen und schauen. Dazu hätte er jedoch keine Lust, sagte der Schaffner
(forsch auftretend).
Der Fahrradknotenpunkt „Zehn“ war im Zentrum von Diksmuide. Er kam die Straße entlang, die
er schon kannte. Eben war er richtig abgebogen – auf dem Hinweg hatte er sich einmal vertan
oder die Ausschilderung war nicht gut. Links die Pizzeria, die sie empfohlen hatte und dann zu
hatte, gegenüber gab es noch eine – welch Glück – er war da reingegangen – warum denn nicht?
Hatte es ihr am nächsten Morgen erzählt.
Nur dies hatte er ihr erzählt – nichts von der jungen Frau, die dort hinterm Tresen stand, als er
hereinkam und ihn begrüßte, so dass er gar nicht mehr hätte herausgehen können (wäre er wohl
auch nicht, denn er hatte Hunger, richtig Hunger und es war für ihn schon fast zu spät um zu
essen).
Pizzeria, Bedienung – hierzu muss er unbedingt noch etwas sagen!!
Seite 12:
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Sie hatte ihm darauf hin gesagt, warum sie die andere empfohlen hätte. Das hatte sie ihm am
Abend zuvor aber nicht gesagt, dachte er.
Schöne alte Häuser um den zentralen Platz wurden von Sonnenstrahlen hervorgehoben – andere
aber auch. Er fuhr etwas herum, suchte einen Bäcker. Etwas Brot für den Abend und Proviant,
morgen, wenn er fahren kann, wegen dem Wetter, würde er keine Zeit für irgendwelche Einkäufe
haben und wenn er die Punkterouten benutzen sollte, würde es dünn werden mit Läden, das hatte
er schon bemerkt – stimmte, was sie ihm gesagt hatte! Er stellte das Rad ab vor einem
Supermarkt, sprang hinein: Ein Getränk (Direkt-Saft), ein saftiges Gebäck, ein Rosinenbrot
(geschnitten), ein Croissant – schon war er wieder draußen. Füllte das Getränk in die leere
Trinkflasche, den Rest wollte er trinken zu dem Croissant. Zu seinem Rad waren zwei weitere
gestellt worden, eins davor, ein dahinter – nicht schlecht während der Fahrt diese Formation,
dachte er. Er grüßte den jungen Mann, der die beiden Räder wohl bewachte – irgendwie seines
gleich mit, kurz - er wollte ja schnell weiter. Er setzte den Pappbehälter zu einem großen, zu
großen, Schluck an und schon wird er angesprochen und verschluckt sich:
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Ob er aus Deutschland käme, aus Bielefeld? Er hätte Bielefeld auf dem Trikot gelesen. (Jetzt
wurde ihm klar, das er das Vereinstrikot angezogen hatte, wegen dem Reißverschluss und nicht
wegen des Namens und war anfangs erstaunt gewesen, dass ihn hier jemand in der Stationstraat
in Diksmuide erkennt).
Ostwestfale sei er und hoffte, dass der Mann um die Gesprächigkeit dieses Menschenschlages
wüsste und die Unterhaltung somit jetzt beendet sei. Noch mehr hoffte er, dass der Mann nun
nicht die Frage stellen würde, was denn ein Ostwestfale sei (Ist Ostwestfalen einfach der Osten
von Westfalen? Wo liegt darin Falen und Ostfalen? … Er brauchte nichts erklären!)
Das Gespräch dauerte doch nun länger, er konnte dabei in Ruhe trinken und essen, aß auch noch
das Gebäck. Legte plötzlich den „Ostwestfalen“ ab und tat, als sei er das Gegenteil. Woher,
wohin, das Übliche (von üblen?). Flandernrundfahrt die Beiden. Kartenkauf zu Hause gescheitert,
nichts gefunden, deshalb am ersten Tag an der Hauptstraße gefahren, lebensgefährlich (was ja
stimmte). Der Onkel seiner Begleiterin sei auch aus Ostwestfalen, dem Nachbarort, Wahnsinn,
wie man sich in der Welt trifft. Er wiederum lobte noch einmal diese Fahrradknotenpunkte, das
Fietsnetwerk, tadellos, sagte er, ganz anders in Sussex oder Kent, da hätten sich die Schilder für
Fahrradrouten manchmal einfach „aufgelöst“. Immer wenn der andere von ihren Radtouren
erzählte, ließ er etwas von seinen Touren durchblicken, die natürlich immer die der anderen
übertrafen. Da kam die Begleiterin, er stellte mich vor: Aus Bielefeld, in der Nähe von deinem
Onkel – sie schien das nicht zu interessieren. Wie lange sie nur für die paar Teile zum Einkaufen
gebraucht hatte – was machte der sich eigentlich für Gedanken, dachte ich. Nun müsse er aber
weiter, grüßte beide, warf Papier und Pappschachtel in die Mülltonne neben dem
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Supermarkeingang, auf die er während des Gespräches ab und an geschaut hatte – seltsam, dachte
er, die befindet sich links und der andere Radfahrer stand rechts?
Er fuhr noch zu der ersten Unterkunft seiner Reise – hatte plötzlich immer mehr Zeit! - und
steckte die Radkarte in den Briefkasten von Haus Nummer 51 (der war nicht am Haus selbst,
war rechts daneben in einem dunkel gestrichenen Holztor, durch dessen rechten Flügel er sein
Rad geschoben hatte und für diese Tür auch keinen extra Schlüssel haben wollte, den sie ihm
angeboten hatte, da er am Abend nicht mehr mit dem Rad fahren wollte, obwohl es doch so viel
zu sehen gäbe in Diksmuide und Umgebung – sie hatte ihm alles erklärt, gesagt und empfohlen –
obschon, da gab sie ihm recht, vieles schon geschlossen hätte oder auch jetzt am Abend nicht
mehr zu schaffen sei – wenn er geduscht und wieder angezogen sei, wird es „half past 8“ sein,
hatte er ihr gesagt und hielt immer noch seine schweren Taschen in der Hand – stimmt sagte sie,
trotzdem, wenn er den Schlüssel brauche, solle er sie rufen!), die Frau war nicht da. Fuhr nun auf
Fahrradknotenpunkt Nummer 59 zu, los geht's. Erst die Hauptstraße mit Radweg – gut. Frisch
gestärkt, das geht ab! Langsam könnte mal wieder ein Schild kommen – kommt aber nicht.
Hinten bis zu der Kurve, wenn dann immer noch nicht, dann wieder zurück, hätte jetzt die Karte
gebraucht, die Frau hatte ihm ja gesagt, schicken sie sie mir einfach von zuhause zurück, dann
haben sie sie noch in Belgien.
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Dann tauchten Nummern auf, aber ganz andere. Also umkehren und der Himmel wurde
bedrohlich dunkel. Fast wieder im Ort, sah er ein Schild
von fern
von hinten.
Dran vorbei
auf die andere Seite
der Straße
Nr. 59
Hatte da eben ein Lkw davor gestanden? War er noch tief in dem ebigen (ich finde dies Wort
nicht im Wörterbuch!) Gespräch eingetaucht gewesen? Wie jeden Tag, wenn er mit dem Rad auf
dieser Tour war, gab er alles die letzten Kilometer, manchmal war es schon Atem raubend und in
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den Kurven – da musste er aufpassen mit dem Gepäck – aber heute hatte er es gleichmäßig auf
beide Taschen verteilt. Er bekam ab und an schon einen Tropfen ab. Ein guter Schluck aus der
Trinkflasche, die Strecke bis zur nächsten Nummer schien länger zu sein, er hatte darauf
verzichtet, die Entfernungen zwischen den Punkten zu notieren. 59, 18,17, 15, 16 und jetzt 39.
Beim Erreichen der N36 die Route verlassen und rechts auf der N36 weiter und die erste Straße
im Ort – welche wird das sein? – links ab (so hatte er es sich gemerkt, als er die Karte noch
hatte). Er fand keinen Straßennamen – da nutze auch nicht, dass er in den Unterlagen noch
einmal nachlas! Er versuchte die einzig infrage kommende. Schwül, aber auch sonst … Sein
Unterhemd klebte an der Haut, die Haare unter dem Helm nass. Vorn rechts ging eine Frau in
Badeschlappen mit einer großen Einkaufstüte zur Haustür. Ein Kind folgte ihr. Hinter einer
geöffneten Heckklappe hob ein Mann (Ende 30?) Getränkekisten aus dem Auto. Er fragte ihn, ob
dies die Amersveldestraat sei, merkte, dass er einen Tonfall und eine Betonung nach
holländischer Art versuchte – war sofort vorsichtig dabei, hatte dies als Masche oft eingesetzt und
es ins Lächerliche gezogen, was er hier ganz und gar nicht beabsichtigte. Der Mann nickte, wohin
denn? Weiter hinten, er wüsste jetzt weiter, nur bei der Straße war er sich nicht sicher – so in
etwa war das kurze Gespräch. Saß schon wieder auf dem Rad und nun ohne Pause mit hohem
Tempo die „unendliche“ Straße lang von Haus zu Haus – nur an einigen Häusern konnte er eine
Haus-Nummer entdecken!
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Ein Schild, rechte Seite (ich frage ihn, ob die Angabe „rechts“, „links“ wichtig wäre, häufig
würde er sie machen! Er antworte spitz sogar: Ja!), die richtige Nummer, hinein in die Einfahrt,
vor ihm eine geöffnete Garage (Schwingtor), ein Auto darin, ein oder zwei links (!), auf dem Hof
rechts (!) ein betongeplatteter Gang zur Haustür, ein Druck auf die Schelle, nass geschwitzt, eine
Frau öffnete, sagte fragend seinen Namen (er musste es sein, hatte ihr geschrieben, dass er später
käme, von Dunkerque mit dem bike – ahja, bike und Dover: War schon, will er noch erzählen
oder hat er es schon? Er weiß es nicht, ich auch nicht). Ja er sei es - schön, dass Sie da sind Atem holen, Reißverschluss auf, Helm ab, „Ich zeige Ihnen erst einmal das Zimmer!“ Er hätte
lieber gleich die Taschen mitgenommen. „Jetzt erst mal ihr Zimmer.“ Sie sagte es leise, mit
gesenktem Kopf, schon schüchtern. Vor dem Hund brauche er keine Angst zu haben. Er suchte
einen Hund, fand keinen, erst als er wieder hoch schaute, schaute er ihn fast in Augenhöhe an.
Darein gebe es das Frühstück, ja wann und was? Früh, bei schönem Wetter früh los, wolle bis
Gent, bei Regen egal, dann mit dem Zug von Kortemark – ist das weit von hier? Nein, der Sohn
fährt auch damit manchmal, 10 Minuten etwa. Sie stehen auch früh auf. „Macht es Ihnen was aus,
wenn ich schon um 7 Uhr …?“ fragte er zaghaft. Kein Problem - der Mann führe schon um 7 zur
Arbeit – stimmte dann nicht ganz, nun gut. Rechts die Tür zur Garage, wenn er von draußen das
Rad reinschöbe, könne er gleich hier ins Haus mit den Taschen. Nun zeige ich Ihnen aber erst das
Zimmer.
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Das Bad, dort Toilette. Welches Bett? Egal. Dann wies sie mit der Hand auf die Wand neben der
Treppe (der rechten oder der linken Hand? Wollte ich wissen!) In den Garten könne er gehen,
sagte sie, während ihre Hand immer noch auf die Wand gerichtet war - dort etwas trinken, im
Kühlschrank wäre Bier, Wasser, Saft. Auch unten könne er sich aufhalten. Gut gemeint – aber
duschen, etwas zu Essen hätte er noch und: Er sei müde.
Jetzt nur noch die Taschen, dachte er:
Wieder unten - sie folgte ihm noch auf der Treppe - verwechselte er die Tür zur Garage: „Left
side!“ von hinten!
(„Wer weiß, wo ich gelandet wäre mit der anderen Tür?“, er zu mir.)
Toll, wollte er ihr sagen, von innen sieht man das Auto von vorn und von draußen sieht man es
von hinten – aber er hätte erst übersetzen müssen und dann hätte sie es vielleicht anders
verstanden. Die Garage war groß, das Auto auch. Um das Fahrrad hinten hinzustellen, war
seitlich zu wenig Platz um es durchzuschieben. An die Seite stellen, meinte sie. Hätte dann aber
keiner mehr durchgehen können – und wenn es kippte? Das Auto hatte schon genug Schrammen
und Nachformungen. Blieb nur der Platz hinter dem Auto, und der war eng. Sie schätzten ab, ob
er reichen würde, wenn das Tor geschlossen würde. Ja – und das Auto würde auch nicht mehr
rausgefahren heute und ihr Mann fahre früh, aber mit einem anderen Auto. (All das in deutsch,
holländisch, englisch, händisch und mimisch!) – Der Kreis hatte sich geschlossen: Er stand nun
wieder an seinem Fahrrad auf dem Hof vor der Garage. Über ihnen tobte bereits ein Unwetter,
nur der Wasserhauptlieferant war noch nicht da.
Am nächsten Morgen stand das Rad hinten in der Garage, das Auto draußen, das Garagentor auf
und Wassertropfen fielen noch immer auf den Hof, das Haus, den Garten, das Gemüt.
RE1, Bielefeld – Düsseldorf:
Das Fahrrad-, Kinderwagen-, Rollstuhl-und Sonstiges-Abteil mit innenliegender Toilette, auch
für Behinderte.
Wie viele Menschen ihr Rad im Berufsverkehr mitnehmen!
Wie viele stur sitzenbleiben, wenn Menschen mit Kinderwagen einsteigen.
Eine laufende Klimaanlage, die auf tiefste Temperatur herunterkühlt, egal welche Temperaturen
draußen sind.
Die Entlüftung der Toilette scheint durch das Abteil zu gehen.
Viele verstehen das Schließen und Öffnen der Schiebtür der Toilette nicht; grad wieder hält ein
Mann, der auf einem der Klappstühle neben einer Metallstange sitzt, es nicht aus, zuzusehen, wie
jemand, der dringend zu müssen scheint, die Tür nicht zu bekommt und springt auf vor innerer
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Not um das Probieren endlich zu beenden, rast zur Toilette, drückt auf den ihm bekannten,
entscheidenden Knopf und: Nichts passiert!
Das Umsortieren der Räder und Rollstühle und Kinderwagen vor jeder Station, das ihn besonders
aufregt und nervös macht, wenn der Zug schon am Bahnsteig hält und dann einige überhektisch
hantieren oder noch schlimmer bei der Aktion einzuschlafen scheinen.
Die Menschen, die ihre Räder in den bereits vorhandenen Räderhaufen werfen.
Er wettert noch einige Zeit so weiter. Scheint sich auszukennen mit dem „legendären“ NRWExpress, zieht Vergleiche mit einem anderen Express, der vor Jahren auf dem Balkan verkehrte.
Er solle nicht abschweifen, sage ich.
Wer wissen will, was so abgeht in Deutschland, solle mit dem NRW-Express fahren, nicht nur
oben in dem Dosto 5), unten, unten und immer mal wieder in diesem Mehrzweckabteil. Ob ich
wüsste, dass es einer der Züge mit der höchsten Auslastung in Deutschland sei? Einige Male
hätte er diese Wochenendfahrten mitgemacht.
Fahrten im Winter: Schrecklich!
Fahrten im Sommer: Erkältungsgefahr wie im Winter!
„Also, wie war das jetzt auf deiner Reise?“
Seite 17:
Erst hatte er es nicht bemerkt, war halb eingeschlafen, der junge Mann in
„Ganzkörpertätowierung“ hatte Löcher in den Ohrlappen, die durch Euro-Stück-große Ringe
offen gehalten wurden. Er surfte mit einem Smartphone über Seiten zu Tätowierungen. Da war es
wieder, das Thema Körper, Seele, Geist.
In Düsseldorf war er umgestiegen, ähnliches Abteil. Neben ihm eine zarte Frau, daneben ein
überdicker Mann, “Rheinländer“ – bestimmt kein „Ostwestfale“. Machte viel nebenbei darnieder,
wenn er mit der Frau sprach – Grad war von hinten ein Schaffner gekommen, hatte kontrolliert,
ging wieder zurück, da kamen von der anderen Seite zwei Schaffnerinnen, eine ganz jung, eine
gab sich betont erfahren, sie war viel älter; schon ging es los: Da sei es schon wieder, dieses Paar,
zu viel Personal, hätten keine Ahnung - ihr schien es zu gefallen.
Fragte ihn, wohin die Reise ginge. Er beschränkte sich auf die Bahnfahrt: Über Aachen nach
Gent, von Bielefeld (das stand ja auf seinem Trikot). Der Mann sackte in seinem Sitz zusammen,
holte tief Luft und startete einen nicht mehr endenden Wortschwall:
5)
Doppelstockwagen
Lothar Flachmann, September 2013
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Seite 18:
Vollkommen daneben, reiner Quatsch, ein Umweg seinesgleichen, gleich ab Bielefeld über
Wuppertal … – er weiß es nicht mehr, was er so alles aufzählte! Aber an dies konnte er sich
erinnern: Ab Köln mit so einem Bummelzug nach Aachen? Da gäbe es ganz andere Züge, er
hätte sie ja jahrelang benutzt. Immer schaute er überheblich - seiner Begleiterin schien es zu
gefallen. Und dann noch eine Fahrradkarte, wahrscheinlich auch noch teuer bezahlt. Und in
Belgien brauche man das gar nicht. Wer ihn denn beraten hätte? Ach diese Bahnbeamten, hätte er
sich gleich gedacht. Hätte er also die „A.…-Karte“ gezogen. Na, jetzt wüsste er es ja fürs nächste
Mal. Ob er denn was zu lesen dabei hätte, für die langweilige, lange Fahrt bis Aachen?
“ Ich habe ja sie dabei, da brauche ich nichts zu lesen!“ Hatte er ihm geantwortet. Der Mann hatte
daraufhin kräftig mit dem Kopf gewackelt und sein Fleisch, welches Kinnspitze mit Brust direkt
verband, mächtig in Bewegung gebracht. Nein, er würde gleich aussteigen, nicht weiterfahren, so
eine Fahrt täte er sich nicht an.
Seite 19:
20 Plastiktaschen und diverse kleinere Tüten und Beutel von Obsteinkäufen und anderen
Einkäufen, zählte er beim Auspacken Zuhause, in der Kleidung, in den Packtaschen noch etwas
Emerson-Westwood-drei- Zimmer-drei-Geruch. Einige meinten, es sei im Keller, kannte die
Hanglage nicht. Südseite hatte er, Ausgang zur Terrasse fast nebenan und nur unterwegs ein
Leben aus Packtaschen mit Plastiktüten als Fächer- und Schubladenersatz.
Seite 20:
Als er die Einfahrt in den Düsseldorfer Bahnhof schilderte, schweifte er sofort auf frühere
Begegnungen mit diesem Ort ab. Es kostete mich einige Mühe, ihn wieder in den Juni 2013, an
den 21. Juni zu bringen und ich bin mir nicht sicher, was er da trotzdem vermischt hat – ich kann
es nicht nachprüfen. Er erzählte es so: Beim Aussteigen versuchte er sich mit einer Frau, die aus
der anderen Wagen-Richtung kam, zu einigen, wer von beiden erst aussteigen solle, er gab ihr
den Vortritt, sie ihm. Er hätte dabei versucht, ganz auf grimmig zu machen, daraufhin gemeint,
genau dies sei der Grund gewesen, dass sie ihm den Vortritt geben wollte. So hätte er blitzartig
auf herzlich gemacht, worauf sie jetzt lächelnd ihn noch entschiedener aufforderte, vor ihm auf
den Bahnsteig zu treten: Da bemerkten sie die Meute, die auf dem Bahnsteig immer ungeduldiger
auf den Einstieg wartete – da gingen sie beide, gleichzeitig! Es wurde sehr eng in der
Türöffnung!
Seite 21:
Zweimal sprach ich ihn an: „Sagen Sie, da ist so einiges unverständlich, was Sie mir da erzählt
haben. Das verstehe ich nicht.“ Solche Einwände kanzelte er nur so ab – so sicher, als habe er
schon auf meine Anmerkungen gewartet. Erstens wäre es gar nicht seine Absicht gewesen,
Lothar Flachmann, September 2013
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darüber zu berichten, schon gar nicht es aufzuschreiben oder aufschreiben zu lassen. Und wenn er
schon erzähle hier, dann gehe es ihm auch um die Kommunikation mit mir und das wäre eben
eine andere, seiner Meinung nach auch wichtigere, Ebene und da wäre der Inhalt nicht so
entscheidend und erwartete oder gewohnte Zusammenhänge interessierten ihn schon gar nicht!
Von „inszenierter Mündlichkeit“ sprach er - hat mich beeindruckt - aber wenn das jemand lesen
soll! „Lesen, lesen, lesen!“ Naja. Ich möchte schon an einigen Stellen eingreifen, verändern –
aber das ist ihm dann wiederum nicht genehm.
Seite 22:
Plötzlich fällt ihm eine alte Regel ein, so ganz aus dem Erzählen heraus:
„Sitzt die Hausschnecke oben am Johannisbeerstrauch
fällt ihr keine Beere auf den Bauch.“
„Ja und?“, frage ich. „Wie? Was und?“
Das war's dann wieder!
Er ist bereits im Zug von Aachen nach Liége6). Gleichmäßiges Atmen, so hörte sich das
Fahrgeräusch an. Dieser Zug wurde nicht angesagt im vorhergehenden Zug, auch nicht auf dem
Bahnsteig in Aachen (Gleis 2, laut Plan). Eine Frau hatte ihn angesprochen, als er neben diesem
kleinen alten Zug stand auf dem hinteren Bahnsteig (Gleis 8, recht dunkel hier, dunkler als an 2),
mit seinem Fahrrad und fror. Es war die Zugbegleiterin, Personal, Schaffnerin. Sie öffnete ihm
den Gepäckwagen, ein Museumswagen, dachte er, so ein Zieharmonika-artiger Verschluss, er
hatte sie als Reisende angesehen. Sie wies ihm einen Platz für das Rad, es fiel sofort um, die
Rückleuchte war herausgebrochen, sie zeigte es ihm. So ging es also nicht. Dann müsse man es
wohl doch an den Haken hängen, meinte sie, er nahm die Taschen ab und hob das Fahrrad mit
der Vorderseite nach oben und versuchte das Vorderrad in den Haken unter der Decke
einzuhängen, es war schwierig: Der Haken direkt neben der Türöffnung, etwas daneben gezielt
und er hätte sich hinaus gewuchtet mit dem Rad in der Hand, auch blendete das Licht von
draußen – hier im Waggon war es noch viel dunkler als draußen, sie half ihm.
6)
Liège-Guillemins (Lüttich);
Die Schreibweise Liége galt bis 1949, danach Liège.
Das nach den Entwürfen des Architekten Santiago Calatrava vollständig neu errichtete Bahnhofsgebäude wurde
2009 eröffnet worden.
Drei Bahnsteige wurden auf 450 m Nutzlänge erweitert.
Die Einfahrgeschwindigkeit in den Bahnhof wurde von 40 auf 100 km/h erhöht.
Seit Eröffnung beträgt die Fahrtzeit zwischen Köln und Lüttich nur noch eine knappe Stunde.
(Siehe Wikipedia)
Lothar Flachmann, September 2013
13(38)
Verviers-Central las er erst, als der Zug schon den Bahnsteig verließ. Das Handy meldete sich:
Roaming Preise.
Pepinster mit dem breiten Bahnsteig. Zwei Arbeiter lagen darauf über einem Plan. Mann und
Frau auf zwei Bänken. Alles draußen nass, aber es regnete nicht mehr.
Etwa 13:00 Uhr Bruessel-Nord/Bruxelles-Nord: Hohe glasverkleidete Bürohäuser auf der rechten
Seite, unten viele alte, teils sehr heruntergekommene Häuser, teilweise noch bewohnt. An der
Spitze eines Bahnsteigs sitzt ein Mann auf einem Stein, auf einem Steinsockel, ohne Strümpfe in
den Sandalen und „spielt“ mit einem Handy.
Brüssel-Zuid, Bruxelles-Midi.
Er hatte kurz geschlafen.
De volgende halte is
Gent-Sint-Pieters
Le prochain arrêt est
Gand Saint Pierre
Kurz vor Sint Pieters: Technische Probleme.
Er schläft wieder kurz ein: Vier Uhr aufgestanden, die Umsteigeaktionen, in Düsseldorf Regen
und kalt, erst die Ansage überhört, das der Zug auf dem anderen Gleis abfährt und dann wieder
Hektik, im Zug nach Liège hatte er sich mehr anziehen müssen, da es kalt blieb, hatte sich
geärgert, dass die Polster eine scharfe Kante hat und er daran hängenblieb mit seinen Beinlingen
und ein Loch dadurch entstanden war.
Der Bahnhof Sint Pieters wird umgebaut.
N 43, N 37, N35 – Freitagnachmittag:
Starker Verkehr auf den Straßen, LKWs. Ganz schmaler Seitenstreifen.
Vor Teilt einer Rad-Ausschilderung gefolgt: Bestimmt 25 % länger, dafür keine rasenden Autos,
keine stinkenden LKW’s, kein Lärm, keine Angst; bei dem starken Gegenwind darf der Weg aber
nicht so viel länger sein, denkt er, da ist das Ziel heute nicht mehr erreichbar. Die
Ausschilderungen sind dürftig: Manchmal ist die Karte erforderlich: Packtasche öffnen, die
falsche, die andere öffnen, Karte raus, Karte aufklappen, falsche Seite, Karte drehen, der Wind
schlägt alles wieder zu, knickt, die Karte reißt ein, Brille abnehmen, Karte dicht vor die Augen,
die ausgeschilderten Ortsnamen sind nicht zu finden auf der Karte …..
Lothar Flachmann, September 2013
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Er hatte mir einige Daten überlassen: So könne ich die Reise besser einordnen:
21. Juni 2013: Brake ab 5:42 Uhr, Gent an ca. 14:15 Uhr. 19:30 Uhr in Diksmuide (also etwa 5
Stunden auf dem Rad).
22. Juni 2013: Diksmuide: Abfahrt ca. 9:15 Uhr. Ankunft in Calais am Schalter ca. 17:00 Uhr, in
Dünnkirchen war er um ca. 14:30 Uhr (Umwege gefahren ca. 30 Minuten).
23.Juni 2013: Abfahrt in Dover um ca. 9:30 Uhr, Ankunft in Forest Row um ca. 19:30 Uhr.
Seite 23
„Unterwegs Schnecken?“ (Bietet sich ja an, die Vorlage aufzunehmen!).
„Nein, keine Schnecken.“
Aber das ist natürlich unumgänglich: Die Beobachtung der Straße und dem, was darauf ist – als
Radfahrer. Einmal ist er, der Radfahrer, selbst darauf.
Bei Sonnenschein ist er nie allein: Sein Schatten fährt mit. Wenn man denkt, so, jetzt hab ich ihn
abgehängt, ist er schon bald wieder nah dran, hat lautlos sich wieder drangehängt. Er ist ein
Spiegel, der nichts hält von einer bunten Welt, ein Richtungsgeber und ein Zuschauer, der
manchmal, an der Bergkuppe angekommen, klatscht und gratuliert, der anfeuern kann auf langer,
gerader Strecke oder auch schiebt an hochprozentigen Steigungen. Er redet hauptsächlich über
die Straßen, die er in Süd-Ost-England kennen gelernt hat, vielleicht, weil er wegen dem
ungewohnten Linksverkehr mit anderer Aufmerksamkeit herumfuhr und: Wasser ist schon eine
deutliche Grenze, da vermutet er schon, dass vieles einfach anders ist! – ?
Wieder einer dieser Gedanken, Gedankensprünge, wenn man da nicht nachfragt! Ich weiß
manchmal gar nicht, was er überhaupt sagen will! Also er sagte auf meine „Verständnisfrage“
folgendes dazu:
„Wenn ich über ein Wasser fahre, wo ich nicht das andere Ufer sehen kann, so löst sich die
Verbindung vom Land, von dem ich losgefahren bin, langsam mit dem Verschwinden des
Festlandes hinter mir und je näher ich dann dem neuen Land komme, desto größer wird die
Neugierde auf etwas Neues.“
Fliegen und Reisen über Land seien da anders, meinte er.
Seite 24:
In Zimmer Nummer sechs öffnete er die Tür des Schrankes neben dem Bett. Zwei Fächer voll
Bücher, teils dicke Bücher, dabei für ihn ansprechende. Alle Ausgaben älteren Datums – hatte
Heather sie gelesen oder hatten sie Ferien-, Übernachtungsgäste liegengelassen für andere
Reisende? (Ausgelesen, zu wenig Platz in der Reisetasche, langweilig?)
Lothar Flachmann, September 2013
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Er versuchte eine Richtung, ein bestimmtes Leseinteresse herauszufinden. Die meisten Autoren
oder Autorinnen kamen wohl aus England – er gab zu, gerade die englische Literatur nicht gut zu
kennen – ein amerikanischer Autor, ein französischer, (ins Englische übersetzt). Wenn er in
seinem noch Jugendalter, auch noch Anfang seiner Zwanziger erstmals in die Wohnung von
Bekannten oder Freunden kam, las er genau die Buchrücken; bei einer damaligen Bekannten
fühlte er sich bedroht aufgrund der Titel im Bücherregal.
Seite 26:
Kurz hinter Diksmuide - Knotenpunk 48 war oder kam - krabbelten kleine Kaninchen kreuz und
quer über den Radweg. Kaum, dass sie ihn wahrgenommen hatten, versuchten sie dem
entgegenkommenden Gefährt zu entkommen, krochen fast, auf die Hecke zu, der dichte
Maschendrahtzaun verhinderte den direkten Weg dorthin. Einige kannten wohl das Schlupfloch,
andere suchten es hastig, liefen in die eine Richtung, liefen wieder in die andere – schon war er
vorbei gerauscht, geschwind, geschwind. In England sah er sie mehr - an eine ähnliche
Begebenheit kann er sich nicht erinnern – auch in Belgien war dies mit dem Maschendrahtzaun
einmalig. Platt gefahrene Frösche in feuchter, sumpfiger Umgebung, Schnecken eher auf
Radwegen – Autoreifen lassen da nicht viel übrig! Vögel und Igel nur auf Autostraßen.
Auch jetzt wieder die Raben, die am Igelaas zerren, aber: Hatte er jemals einen toten Raben auf
der Straße liegen sehen? Oder gar beides zusammen: Igel und Rabe? Obwohl in England vieles
anders war, so waren zügiges und auf Sicherheit bedachtes Fahren der gesamten Fahrt gemein,
dazu kamen: Autos, Autos, Autos, Schlaglöcher, Schlaglöcher und Richtung. Manchmal, wie z.
B. in einem riesigen Kreisverkehr in Ashford, wo sich A20 und Bad Münstereifel Rd begegnen,
kamen sogar all diese „Ereignisse“ zusammen.
Er dachte an die unterschiedlichen Straßenbeläge, den Müll am Straßenrand und in den
Straßengräben, die Geräusche der Autos. An den Straßenrändern könne man finden: "Von …, bis
…!" sagte er!
Die dunklen, buschigen Raupen hatte er auch auf dieser Reise einige Male gesehen, sie laufen mit
vielen Beinchen quer über die Straße, er versuchte ihnen auszuweichen, wusste aber oft nicht, ob
es auch dem Hinterrad gelang! Hat die Raupe es geschafft bis zur Mitte, kommt manchmal noch
der Gegenverkehr auf der anderen Straßenseite!
Und die kleine Maus: Die verhielt sich noch anders! Die lief vor und zurück - die
Geschwindigkeit des Autos, die Reifenbreite, die Laufrichtung der Maus! Man weiß, es ist
unausweichlich, aber noch nicht geschehen: Genau das ist es was das eigene Herz kurz zu
stoppen scheint!
Und die Tierchen, die man nicht sieht?
Seite 28:
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Der Ausgang
durch die Stadtmauer - der ganze Gang vom Zimmer bis zur Straße war nicht ganz einfach:
Zimmerschlüssel, Etagenschlüssel, bisher nur Stufen und Treppchen, die Außentreppe mit den
sehr schmalen verzinkten Stahlgitterroststufen, (hatten sie rutschhemmende, doppelt gelochte
Sicherheitsantrittskanten? Er meint nicht!) die gerade und sehr steil in den Innenhof führte, die
etwas versteckte Steintreppe in die Stadtmauer hinunter, erste Tür (?), wie ein kleines Verlies in
der Stadtmauer, alten Holzriegel beiseite schieben und mit dem letzten Schlüssel vom Bund das
hölzerne Tor zur Straße, die parallel zum Kanal (Handzamevaart) verläuft, öffnen, von draußen
wieder schließen – dass im Dunkeln alles rückwärts? Er wollte ja nur etwas essen und dann
schnell ins Bett! Dann dürfte es noch nicht ganz dunkel sein, meinte er, dann würde er es
schaffen.
Seite 29:
Den nächsten vereinbarten Termin sagte ab.
Er wollte fort, lange in Erwägung gezogen, letztendlich schon Ostern, nun sei eine Möglichkeit
da, in drei Tagen wollte er sich auf die Reise machen und sich in ca. drei Wochen wieder melden.
Tatsächlich, er hatte mich nicht vergessen. Aus drei war vier geworden, aber immerhin. Die Zahl
„vier“ geschrieben fand er gut: 4 Buchstaben.
Lothar Flachmann, September 2013
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Er hatte mir etwas mitgebracht:
O. T.
Links am Horizont ein Windpark
eine kleine Kugel darüber: ein Ballon
rechts tauchen Flügel auf und
unter in ein dunkelgrünes Bett
Tags war es heiß
sehr heiß
der Wind jetzt
fast kühl
auf der Haut
Das gleichbleibende Geräusch
trägt er herüber von der Bundesstraße
kantige hohe Gebäude
ragen vereinzelt empor
aus dunklem Grund
gemacht für Menschen
darin etagenweise zu wohnen
Zwei Ballons wollen grad
von all dem nichts wissen.
(3. Fassung)
Er hätte auf einer Bank am Hang des Rotzberges gesessen. Offiziell hieße es Rottsberg oder
Rottberg – wie es tatsächlich hieße oder woher der Name käme, wisse er nicht. Ihm wäre
bewusst, dass es nichts von seiner Reise nach Forest Row war, bestand noch einmal auf die 3.
Fassung – und doch, ohne Forest Row hätte er dies nicht aufschreiben können. In Forest Row,
hatte er am 30. Juni oben auf der Bank gesessen, allein, hatte sich verlassen gefühlt: Die
Konferenz war am Nachmittag zu Ende gegangen, früh am nächsten Morgen würde er abreisen.
Genau zur gleichen Zeit, aber eine Woche vorher hatte er hier auf dieser Bank und auch allein
gesessen, der Anreisetag war es gewesen. Er betrachtete die Wolken, die weichen Linien der
Lothar Flachmann, September 2013
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hügeligen Landschaft, helleres Grün ging in dunkleres über, mal Wiesen, dann wieder Wälder,
die zu ihm ansteigende saftige, grüne Wiese mit eingesprenkeltem Weiß, Rot, Braun und Gelb –
ein fasst identisches Bild, aber wie viel hatte sich in diesen paar Tagen in ihm verändert? Soviel,
dass er dachte, Menschen die ihn jetzt nach einer Woche wiedersehen, würden ihn nicht mehr
kennen!
Nun saß er, wieder abends, erhöht auf einer Bank, allein und schaute Landschaft und musste
sofort an die Momente in Forest Row denken, als er auf der Bank dort saß und in die Landschaft
eintauchte. Nach der einen Woche: Was war nicht alles geschehen! Und jetzt? Ein paar Wochen
sind erst vergangen – ist überhaupt etwas geschehen – damals?
Seite 31:
Er war die zwei Stufen hochgegangen, hatte die Glastür eher aufgestoßen als geöffnet, urplötzlich
die Assoziationen zum Hochwasser in Deutschland – das war ja erst ein paar Tage her! Was mag
das für ein Geschäft gewesen sein bevor es Pizzeria wurde? Die gesamte Stadt, hier der Kern mit
all den alten schönen Häusern aus dem 17. Jahrhundert – schätzte er – ist 1923 oder 1924 erbaut
worden. Hatte seine Vermieterin eben noch auf der Straße getroffen, Mühe gehabt, sie wieder zu
erkennen, nun mit einem capeartigen Umhang, Holzkorb und Schirm, noch zusammen gefaltet
darin stecken: Die Stadt sei evakuiert worden, bis zum Wiederaufbau hätten die Bewohner in
Notunterkünften gelebt. Hier sei alles zerstört gewesen...Verabredungen, müsse leider weiter …
Und er solle sich in Ruhe alles ansehen. Vielleicht gebe es noch Regen, er wolle sich nicht weit
entfernen – und er hätte einen langen Tag gehabt.
Seite 32:
Wie es innen aussah wusste er bereits durch die Einblicke durch die ehemaligen Schaufenster, die
bis zum Fußboden reichten. Die Frau, die hier bediente, hatte gerade zu tun, er wartete.
„Ein Platz, für mich allein!“ Da, da – er könne wählen. Er hatte ihr länger ins Gesicht geschaut,
als es für die Klärung des Sitzplatzes notwendig gewesen wäre. Obwohl sie dünn war, waren die
Gesichtszüge trotz deutlicher Ausprägung, weich, die hellblauen Augen schauten sehr interessiert
und vermittelten ihm trotz ihrer kühlen Farbe Wärme, sie hatte eine Anziehungskraft auf ihn, er
spürte es. Er vermutete an dem hinteren Platz mehr Behaglichkeit als hier am Schaufenster direkt
neben der Tür. Sie hatte ihm Zeit gelassen, sich zu setzen, sich auszubreiten, sich umzuschauen –
vorher wusste sie, dass er es unangenehm empfand, wenn er noch nicht richtig Platz genommen
hatte schon gefragt wurde, was er trinken möchte.
Seite 33:
Seine Plastiktüte mit Landkarte, Block und Stift und „Wertsachen“, ein kaputter Schirm, den er
im Zimmer gefunden hatte und seine Kappe, seine Plastik-Windjacke: Nun alles um sich
verstreut. Sie hatte dann die Getränkebestellung entgegengenommen und wollte schon wieder
Lothar Flachmann, September 2013
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gehen – nun hatte sie Routine walten lassen, doch er nannte ihr bereits das gewünschte Gericht,
eine kurze Nachfrage dazu und die Bestellung war komplett! Seit Jahren schon gab es für ihn nur
eine handvoll Gerichte zur Auswahl in einer Pizzeria, da ging es meistens ganz schnell.
Die anderen Gäste waren jünger, teils viel jünger als er und eher hochsommerlich gekleidet, er
fror leicht. Die meisten Kunden, die jetzt noch eintraten, gingen direkt zum Tresen und holten
vorbestellte Gerichte ab, der Koch brachte dann, wenn sie in die Küche rief, einen Stapel dunkler
Pappkartons und stellte sie auf den Tresen. Beim Zurückgehen strich er ihr mit der rechten Hand
über einen bloßen Arm oder drückte leicht in ihre Taille. Apfelschorle, nicht zu kalt und ohne
Kohlensäure, kein Konzentrat – da trennt sich dann schnell Spreu vom Weizen und meistens wird
Salat geliefert. Seine Landkarte füllte den ganzen Tisch aus, er hatte sie vollständig ausgeklappt,
aber wieder alles auf dem Kopf, da stand sie schon mit der Pizza neben dem Tisch und fragte sehr
ernst, wo sie den Teller hinstellen solle! Er schaute ihr wieder länger als eigentlich erforderlich
ins Gesicht, musste leicht grinsen, nach einem kurzen Moment grinste auch sie, hatte erkannt,
dass er ihr Spiel verstanden hatte. Ja sei es denn eine belgische oder eine französische, fragte er.
Da müsse sie den Koch fragen.
Seite 35:
Das wollte er nun ganz und gar nicht und schlug ihr vor, den Teller auf die Grenze zu stellen,
vielleicht zwei Drittel belgisch. Sie stellte den Teller vor ihm hin und wünschte sehr guten
Appetit. Sie hatte jetzt viel zu tun: Die meisten Gäste zahlten und gingen, etliche Abholer kamen
– fast gleichzeitig: War vielleicht gerade Pause in einem Fernsehspektakel oder war die
entscheidende Ampel im Ort endlich auf Grün gesprungen? Eben erst war ihm aufgefallen, dass
sie barfuß in Sandalen herumlief – er fror zwar nicht mehr wie vorhin, aber das war doch auch
hier kein Sommer! Hatte sie ihr ganzes Leben keine engen Schuhe getragen? War sie immer in
solchen Sandalen herumgelaufen? Kein Zeh war verformt, alle gleichmäßig gewachsen. Wenn er
aufschaute, sah er das junge Paar, weißer Pulli, weiße Bluse, schauten sich an – oder schauten sie
aneinander vorbei? Meistens hielten sie sich die Hände auf oder unter dem Tisch und sagten
nichts. Wortloses Glück. Von außerhalb wurde schon lange nichts mehr bestellt. Bald gingen
auch die beiden. Nun ja … Als er morgens aufwachte, war ihm warm.
Es regnete leicht. Nach der Vorhersage konnte es sein, dass der Regen ab und an unterbrochen
würde, dass es manchmal Regenunterbrechungen gäbe.
Lothar Flachmann, September 2013
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Abend
(auch eine dritte Fassung!)
dünne Gardinen bewegen sich leicht
in der weiten Öffnung der Tür
oben am Ende der langen Treppe
außen am hellen Gebäude und
die Nachmittagssonne sieht es
schon eine wolkenlückelang
der Saal ist menschenleer
der Weg zur Bank
oben am Ende der Wiese
hat sich nicht verändert
ich sitze am linken Rand
auf den kalten Kunststofflatten
im kühlen Wind von rechts
ziehe die Jacke an
schaue über die ungemähte Wiese
aufgeschreckt manchmal durch
wogende Ähren der Gräser dicht neben mir
wenn ich noch einen Menschen träfe
wollte ich mit ihm sprechen
an diesem Abend
nach dieser Woche
Seite 36:
Selbstbedienungsdeck. Er sagte ein paar Mal die Decknummer wo sein Fahrrad stand. Beide
Packtaschen unter dem runden Tischchen, Rucksack und Helm neben sich auf dem kühlen roten
Kunststoffpolster einer Eckbank. So saß er da, hinter ihm fuhren immer noch Fahrzeuge in den
Schiffsrumpf – er hörte es, er sah auf die Bar – auf Bildschirmen Werbung.
Manche Menschen kamen von rechts und manche von links, suchten nach Sitzplätzen, einige
setzen sich auf die nächst freien, andere nehmen erst Sitz- und Sichtproben… Man kennt es.
Seite 37:
Er kaute Kaugummi. An dem Nebentisch, rechts, hatten sich Paare gesetzt, älter als er, Männer,
Frauen, hatten einen Ausflug gemacht, vermutete er. Ein Mann erzählte, die anderen mussten
zuhören, Engländer, englisch ist anders als amerikanisch, dachte er und kaute, kaute langsam,
Lothar Flachmann, September 2013
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kaute schneller und schneller, kam an eine Kau-Geschwindigkeits-Grenze, wurde wieder
langsamer, sein Gegenüber am Tisch hatte es bemerkt, als er ihn ansah, schaute der weg. Die
Männer am Nachbartisch gingen los, wollten was zu trinken holen, dachten jetzt vielleicht an
„alte Zeiten“, einer kann mit einem Bier zurück, der „Erzähler“, die anderen mit irgendwelchen
Säften. Eine ältere Frau, gekleidet im Stil der frühen Sechziger, beobachtete die junge Familie
ganz rechts in der Ecke, die Mutter zog sich ihre Jacke aus, streifte den Pullover über den Kopf,
sie hatte nur noch ein dunkles ärmelloses T-Shirt darunter an, Arme, Hals, alles war komplett
tätowiert, so das keine helle Haut zu sehen war; aber das schien nicht zu wärmen und sie zog den
Pullover kurze Zeit später wieder an.
Seite 38:
Der junge Mann, sehr kräftig gebaut, ging mit einem Mädchen, seiner Tochter (?), umher, ein
Spinngewebe am linken Ellbogen. Die ältere Frau schaute immer mal wieder ganz kurz zur Seite
um genauso schnell wieder zurück zu drehen ihren Kopf mit der toupierten, haargefestigten
Frisur. Er schaute ab und an auch mal zum Meer, musste sich etwas umdrehen dabei – wollte
eigentlich in Fahrtrichtung sitzen, aber wo war denn vorn und wo hinten bei dieser Autofähre?
Die See lag ganz entspannt, keine Wellen, warum hatte die Fähre 40 Minuten Verspätung
gehabt? Das Kauen hatte geholfen, die Wirkung des Kaugummis hatte sich spontan auf das Meer
übertragen – trotzdem: Er wollte weiter kauen bis das Schiff in Dover angelegt hätte.
Seite 39:
Noch zitterte er immer noch ein wenig. Der Tag hatte gut angefangen, das Aufstehen, das
Frühstück mit dem langen Gespräch, der Regen hatte aufgehört, so war er losgefahren. Am
vorletzten Fahrradknotenpunkt in Belgien hatte er noch den Umweg nach Veurne eingeschlagen,
in der Hoffnung, dort in der Touristeninfo diese speziellen Radkarten schon für die Rückreise
kaufen zu können, er raste mit Rückenwind nur so in den Ort hinein, ihm kamen ein paar
Radfahrer entgegen, die sicherlich an diesem Tage, Samstag war es, einen kleinen Ausflug
machten, sie kämpften gegen den Wind an. Schöne Altstadt. In der Touristeninfo hatte die Frau
nicht die Karte aus dem Osten Belgiens, gebe es aber in einem Boekhandel: "Standard" in der
Ooststraat, also ganz in der Nähe von hier, vom "Grote Markt". Dann: Sie zeigte auf eine große
Landkarte an der Wand, darauf seien die Knotenpunkte vermerkt, er könne sie sich doch schnell
notieren. Er hatte draußen sein Rad zwar untergestellt, aber unter einen Wasser-Speyer des alten
Gebäudes, merkte er jetzt, es regnete nun stärker und sein Rad war fast trocken, aber der Sattel
war nass, voll getroffen.
Seite 40:
Mittlerweile war es 13:00 Uhr. Er hatte den Richtungspfeil nach Punkt „01“ verloren, irrte an
großen Kreuzungen am Rande von Veurne umher, „Duinkerkestraat“ las sich gut – aber wohin
würde die ihn letztendlich führen? Er versuchte einen ganz kleinen Pfad: getroffen! Die Richtung
Lothar Flachmann, September 2013
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passte, er fuhr exakt gegen den Wind, zog schon bald das Regencape über – wurde nun noch
häufiger von Böen zur Seite gedrängt, hatte bald Nummer „01“ erreicht, das war auch die Grenze
nach Frankreich, Pause in einem verglasten Bushäuschen. Am Straßenrand hält ein riesiges
weißes Personenauto, Scheibe geht runter, der Fahrer ruft ihn an der Beifahrerin vorbei an, er
versteht nichts, geht näher ran: Sie suchen eine Tankstelle! Vom Sprachklang etwa: Hey, wo ´s
die nächste Tankstelle!? Er schüttelt mit dem Kopf, sie fahren weiter, rumänisches Kennzeichen.
Er packt sein nasses Cape in eine Tüte, zieht es wieder raus und bindet es möglichst mit der
feuchten Seite nach außen auf eine Packtasche, jetzt aber nach Dünkirchen!
Seite 41:
Ohne einen Pass zu zeigen merkte er nach ein paar Metern, er ist in einem anderen Land. Er fährt
die gerade Autostraße, direkt neben einem Kanal, der schnellste Weg, er rechnet aus, wann er in
Calais sein wird: Es wird eng! Er erhöht das Tempo, dass ist zu schnell! Es regnet immer leicht,
der Gegenwind konstant. Kurz vor Dunkirk ein kräftiger Schauer, er stellt sich neben die Wand
eines Traffo-Häuschens seitlich einer Kreuzung, dort steht er geschützt vor Wind und Regen, er
ist von seinem Proviant – auch die Frau hatte ihm heute Morgen während des Frühstücks gesagt,
er solle sich etwas für die Reise einpacken –, beobachtet die Autos, die von dieser Seitenstraße
nach links auf die Hauptstraße fahren, dort geht es nach Dünkirchen, dahin wollen sie bestimmt,
einkaufen, nur einige fahren über die Kreuzung geradeaus, was sie da wollen, weiß er nicht,
vermutet, da gebe es vielleicht ein Stadtrand Einkaufscenter mit Baumarkt, Imbiss, Discounter
und Matratzencenter – so sinnt er vor sich hin, die Ampelphasen schwingen in den
herüberkommenden Regenschauern vor sich hin. Er merkt, es ist Mittagszeit, er befindet sich so
ein wenig im Halbschlaf, rafft sich auf, schaut auf die Karte: Gemäß Karte geht es auf der
Hauptstraße weiter bis nach Calais, immer geradeaus!
In Dünkirchen ein Schild an dieser Straße: Verboten für Fahrräder! Der Fahrradweg nicht
eindeutig, die unendlich scheinende Suche in Dün-Kirchen nach dem Weg nach Calais – ist das
Einzige was scheint. Tag, aber er erkennt die Himmelsrichtung nicht: Grau, grauer geht’s nicht.
Straßen enden als Sackgassen an Anlegern und in Industrieanlagen oder enden ganz einfach:
Straße, Schotter, Sand, Wand. Mal ist es die „N1“, die „ D940“ und dann wieder die „D601“. Nie
heißt es „Calais" auf einem Straßenschild. 18:00 Uhr soll die Fähre gehen, eine Dreiviertelstunde
vorher soll er da sein zum Einchecken, hatte er in Erinnerung.
Seite 42:
Vielleicht in der Nähe oder sogar in Gravelines kauft er in einem Supermarkt noch ein Getränk.
Es war bereits 15:15 Uhr. An den Übersichtsplänen in den Bushaltestellen konnte er sich nicht
orientieren, buntes Liniengeflecht, immer gleich von Haltestelle zu Haltestelle, sah er vom Rad
aus, vorbeifahrend - eine junge Familie stieg in einen Bus ein, sah sie etwas später in einer
anderen Gegend auf dem Gehweg wieder - das waren sie doch? Von eben? Vor einem riesigen
neuen Kreisverkehr traf er einen jungen Mann, den fragte er, wie er nach Calais gelangen würde,
Lothar Flachmann, September 2013
23(38)
von hier aus. Samstagnachmittag. Der Lkw-Verkehr hatte sich ausgetobt, Aquaplaning auf der
neuen Fahrbahn war bestimmt nicht mehr möglich: Die Fahrbahndecke war so grob, dass er
kaum mit dem Rad darauf fahren konnte, er hoppelte mehr darauf herum als dass er fuhr.
Manchmal, an Kreiseln, gab es Radwege, sonst nicht (doch: Als die Straße über einen anderen
großen Verkehrsweg geführt wurde). Der Wind ging in Sturm über. In „Mark“ zog er noch
einmal das Cape über, musste es aber hinter einem Haus wieder ausziehen: Der Wind, besser
Sturm, hatte ihn damit nach hinten gedrückt, er war nicht mehr gegen ihn angekommen. Er
schätzte nun seine Geschwindigkeit auf 10 km/h.
Seite 43:
Noch 10 km etwa, dann noch den Hafen finden, 17:15 Uhr war nicht mehr erreichbar! Er wischte
schon gar nicht mehr seine Brillengläser frei. Außerhalb von „Mark“ peitschte der Regen von
vorn und die Autos pfiffen an ihm vorbei, er fuhr mit gleich bleibenden Pulsschlag, achtete
darauf. Die Vororte von Calais. Als er die Stadt erreichte, schien die Sonne von vorn, blendete,
die Straße glitzerte, Wasserdampf stieg hoch - plötzlich war alles so hell, der Bürgersteig, die
Hauswände, die kleinen Mauern, die die schmalen Vorgärten vom Bürgersteig abgegrenzten. Im
letzten Moment sah er ein Hinweisschild zur Autofähre: Pfeil nach rechts, sogar bald auch eins
für Radfahrer, noch ca. 2 km. Nicht einmal zum Ansehen des Rathausplatzes war Zeit, er hatte es
sich ganz anders vorgestellt: Wollte neben den Bürgern von Calais sitzen – auch hier sah er
Menschen, waren es nicht auch Bürger von Calais? Seltsamerweise wurde die Straße zur Fähre
wieder schmaler, bei schlechtem Zustand. Aber es gab weiterhin Hinweisschilder, so muss der
Weg richtig sein. Bald ein riesiger Kreisel, unter einer ganz breiten Straße hindurch, ein noch
größerer Kreisel, Polizei, er folgte dem Schild nach rechts, aus dem Kreisverkehr hinaus, links
und rechts hohe Zäune, kein Haus, kein Strauch, kein Baum, kurz geschnittener grüner Rasen
zwischen den hohen Zäunen, dann stand er vor der riesigen Check-in-Anlage. Ganz rechts
versuchte er es: „Einzuchecken“. Ein uniformierter Mann stoppt ihn, hier nicht, hier würden nur
Busse abgefertigt, ja wohin denn? Er wies nach weiter weg und noch mal: Hier nicht! Alles in
englisch, war er bereits ein Engländer? Er fuhr wieder zurück, entgegen der Fahrrichtung,
wenden war nicht vorgesehen, nur in eine Richtung, wie sollte er ordnungsgemäß "da hinten"
hinkommen? Er hatte Glück, kein Uniformierter hielt ihn fest auf der Fahrt gegen den Strom. „Da
hinten“ wurde es noch schlimmer: Nicht nur mehrere Spuren, sondern ganz viele, PKWs, LKWs,
Pkws mit Anhänger, Motorräder – keine Fahrräder, keine Fußgänger. Er fährt zwischen den
heraneilenden Autos umher, die äußere Schlange ist kurz und da ist es auch nicht so hektisch.
Seite 44:
Da stellt er sich an, sucht Ausweis und Fahrkarte (Ticket nennt man es), welche FährGesellschaft? Daran hatte er gar nicht gedacht, dass es mehrere Gesellschaften geben könnte. Er
hält sein Rad mit der einen Hand, hält seine Papiere mit der anderen, der Wind bläst, die Frau in
dem Kontrollkasten gibt ihm einen Zettel, Lane 128 (ganz außen, müsse ganz hinten hinfahren,
ganz vorn, sagt sie noch, Verspätung: Jetzt ist die Abfahrtszeit 18:40 Uhr, sie notiert 18:40 Uhr
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auf den Zettel, sie glaubt nicht, dass er sie richtig verstanden hat. „Check in“ liest er auf der
Karte, auf dem Zettel, den sie im reicht: 17:03 Uhr, eine halbe Stunde hätte er vorher da sein
müssen und nicht eine dreiviertel Stunde – liest er auf der Fahrkarte – sie schaute ihn noch einmal
an: Ob er alles verstanden hätte, fragt die Frau, hatte er nicht, sagte aber ja, denn es zieht, er muss
zur Toilette und friert, ist ganz nass und kann sein Rad nicht mehr halten, die Leute in den Autos
hinter ihm werden ungeduldig. Die Schranke geht auf und er schiebt weiter bis kurz hinter der
Schranke, die auch schon wieder schließt, der einzige Mensch auf diesem riesigen Gelände, sonst
nur Autos, Fahrbahnen, Anzeigen, Schranken, Häuschen und Motorengeräusche. Er steckt die
Unterlagen in eine Packtasche, schon steht das Auto aus der Schlange wieder hinter ihm, er fährt
los, den Zettel „Must be displayed" in der Hand, Lane 128, ganz hinten. Er kommt sich vor, als
führe er durch ein riesiges Autobahnkreuz in Amerika, LA. Er findet Lane 128! Erleichterung!
Etwa eindreiviertel Stunde Zeit! Die Sonne scheint weiterhin. Zentral ein Pavillon: „Snack, WC“,
da fährt er hin, direkter Weg, quert alle möglichen Lanes, schiebt sein Rad hinein, endlich
windgeschützt! Er stellt das Rad in eine Ecke neben einen Tresen, auf dem Jalousetten ruhen –
der Kiosk? Schon geschlossen? Heute geschlossen? Noch nie geöffnet? Geht umher, schaut sich
um hier, ist nicht allein. Gegenüber steht eine Tür auf, scheint eine Art Wickelraum für Kinder
zu sein, Männer, Frauen sind darin, Kinder, die alle gewickelt werden? Leute kommen herein,
schauen kurz, gehen wieder heraus. An einem Automaten kann man Snacks und Getränke ziehen.
Er geht in die Toilette, schaut sich auch hier um, wo kann er sich umziehen. Er geht wieder zu
seinem Fahrrad, für diese Aktion hatte nicht gepackt: Sucht sich aus beiden Packtaschen
Kleidung zusammen, was soll er eigentlich anziehen? Trockene Radkleidung oder ganz normale
Kleidung? In Dover muss er erneut aufs Rad, also ist die Entscheidung klar. Er steckt das, was er
braucht, in eine Tüte. Mittlerweile haben sich zwei Familien neben ihn gestellt, sie haben ihre
Probleme: Ebenfalls Toilette, den Automaten bedienen, einfach warten. Sie werden ihre
Probleme nicht so schnell gelöst haben, denkt er, so lässt er dort das Rad mit all seinen Sachen,
geht erneut in den Toilettenraum. Er sucht sich eine einigermaßen saubere Kabine. Das ständige
Schlagen der Tür, wenn jemand herein kommt und wenn jemand hinausgeht, es gehen ständig
Menschen ein und aus hier. Und jedes Mal schlägt die Tür: Dumm, dumm, dumm - dann: Dangk!
Es ist nicht ganz einfach hier in dieser Kabine, er packt die nassen Sachen in eine weitere Tüte.
Endlich trocken, er geht wieder zu seinem Fahrrad und verstaut die nassen Sachen, was wird er
brauchen auf dem Schiff? Nun noch Zeit genug und die Sonne scheint. Er fährt zur Lane 128 und
stellt sich vor eine Bretterwand und lässt sich von der tiefer stehenden Sonne wärmen,
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Da kommt ein Auto zu ihm gefahren, zwei Frauen, offiziell gekleidet, steigen aus und sagen, er
solle sich ganz vorn hinstellen, er müsse als Erster an Bord. O.k., o.k., er fährt ganz nach vorn,
direkt an die Einfahrt zur Brücke und hält neben einem kleinen Häuschen, ein Kontrollkästchen,
vielleicht 2 × 3 m, 2,50 m hoch, ab etwa einem Meter Höhe verglast, hinten eine Tür, die Tür
steht auf, der Wind kommt von vorn, perfekt, denkt er, die Frau mit langen braunen Haaren
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kommt heraus, sagt, er dürfe hier nicht stehen, sondern da, wo bereits die Motorradfahrer seien,
sie zeigt zu ihnen, er sieht ihren langen Schatten auf dem Asphalt, sieht auch den Schattenarm,
der zu den Motorradfahrern zeigt, wie lang so ein Schatten sein kann. O.k., o.k. Er dreht schon,
ach bleiben Sie, stört ja keinen. War anstrengend, einfach dazustehen und keinen zu stören.
Wieder kommen Fahrzeuge, Hafen-Personal steigt aus, sie sprechen mit der Frau mit den langen
braunen Haaren, sie spricht wieder in ein Sprach-Funk-Gerät, telefoniert mit dem Telefon im
Häuschen, notiert auf Blättern, korrigiert in Listen, er hatte sein Rad so unanstößig wie möglich
vor, neben, unter, über, durch und durch… abgestellt und drehte ebenso mit den Mitgliedern
dieses Hafenclubs wichtige Runden und hielt Ausschau nach Kängurus und Kumuluswolken.
Dann wurde es ganz still, ein paar Minuten lang, dann ein Telefongespräch, das erste Auto kam
über die Verladebrücke, alles Routine! Später gab sie ihm ein Zeichen – und auf dem Schiff dem
Personal folgen, die wissen, dass er käme. Absteigen sollte das Zeichen, dass er mit der Hand
machte, bedeuten, vorn rechts das Rad abstellen, war ein nächstes Handzeichen, schon kamen die
Motorradfahrer, die Räder wurden auf extra Halter geschnallt, er sah ein Seil an einer Stahlstange
zwischen zwei Querspanten an der Außenbordwand, nahm die Taschen und Flaschen und
Riemen und Tüten vom Rad und machte das Seil am Fahrradoberrohr mit einem Webeleinenstek
fest, verzichtete auf einen halben Schlag - nichts übertreiben! Ein Bootsmann prüfte seinen
Knoten: O.k., o.k.
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Bei der Ankunft in Dover stellte er fest, dass sein Rad richtig vertaut war, aber dass das Seil
selbst nicht an dieser Eisenstange, es lag fast lose darüber! Doch das Rad stand noch: Es gab ja
auf der ganzen Überfahrt nur eine Welle und die war nicht einmal aus Wasser. Irgendjemand
hatte die Ankunft in Dover verpennt - unten im Laderaum gab es deshalb einen kleinen Stau auf
einer Spur. First in, last out - war wohl hier das Prinzip, so stand er fertig gepackt neben seinem
Rad, ebenfalls die Motorradfahrer. Sollte man jetzt warten bis einer ausgeschlafen hatte und
endlich in sein Fahrzeug stieg und losfuhr? Er ging auf die äußere Spur und fuhr ganz langsam
nur zum anderen Ende des Schiffs. Ein Bordmanager gab ihm ein Zeichen. Er war an Land,
Dover, die Motorradfahrer folgten ihm. Auf dem Boden sah er eine Fahrrad-, Fußgängerspur, er
fühlte sich angesprochen und folgte ihr, lernte darauf fahrend große Teile des Hafengeländes
kennen. Vor einem Eisentor endete der Spaß, ein Pfeil zeigte auf einen Knopf, was auf dem
Schild stand, konnte er ohne Lesebrille gar nicht entziffern, mutig drückte er auf den Knopf und
suchte eine Kamera um freundlich darein zu lächeln. Mit lautem Quietschen öffnete sich das Tor
bzw. die Tür, er schob hindurch und schon schlug sie hinter ihm krachend in eine Schloss:
Gefangen!
War dann auf die falsche Straße geraten, die führte gleich hoch an Dover vorbei, das musste
falsch sein, hatte den Plan doch mehrmals angeschaut, schon zuhause, das war falsch (Der Weg
natürlich!) Er machte kehrt auf diesem Highway, war gar nicht so einfach, die Autos und einige
LKWs hatten hier oben schon eine hohe Geschwindigkeit erreicht, klar je höher desto schneller.
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Unten hatte er dann die Fahrradmarkierung wiedergefunden, konnte auf einem
Promenadenradweg am Strand von Dover entlang fahren – was man nicht alles für Radfahrer tut!
Als er meinte, er sei auf der richtigen Höhe, verließ er die Promenade und gelangte an einen
Kreisel, er vermutete, dort rechts hoch fahren zu müssen. Unten bog er noch einmal in eine
Geschäftsstraße, Fußgängerzone, ein und es gelang ihm, aus einem Automaten Geld abzuheben,
wieder tropfte es leicht.
Nein, die Londen Road ist die Parallelstraße! Schon hatte er Hausnummer 59 gesehen: Aber
keine Pension, kein Hotel oder sowas. Er schaute auf seinem Plan, hatte sich vertan, Nummer 29
sollte es sein, Einbahnstraße hier, er schob zurück auf dem Gehweg. Aber es gab Nummer 29 gar
nicht, hin und her: Nichts zu machen, er rief Heather an. Er wäre nah dran, die Straße weiter, an
den Traffic Lights links, etwas hoch usw. usw. usw. Er verstand sie schlecht, auch viel Lärm hier
in der Nähe der London Road. Da war die Ampel schon, auch ging die Straße hoch, jedoch steil
hoch und er musste anhalten, er war schon wieder nass, von innen. Er rief wieder an. Heather gab
gleich das Gespräch weiter an ihren Mann. Der war nun gar nicht mehr zu verstehen und hier war
es viel leiser als eben. Das Beste wäre, er führe wieder zurück, dahin von wo er gestartet sei, die
London Road hoch, dann käme eine Eisenbahnbrücke – gut, dass würde er erst einmal machen –
das wären nur ein paar Minuten. Er hatte einen kleinen Plan dabei, fand auch die
Eisenbahnbrücke auf dem Plan, weiter oben über die London Road. Ca. 20 Minuten später war er
darunter, rief wieder an: Jetzt weiter, dann an der Ampel links halten, Haus an der linken Seite
und immer weiter, er verstand: Wälder, Wirrwarr, River. Er stünde auf dem Bürgersteig vor dem
Haus und würde auf ihn warten. Jetzt hatte er verstanden: Es gab die London Road und es gab
eine London Road (River), der Zusatz (River) stand aber nicht auf seinem Plan (jedoch war die
Stelle der Unterkunft korrekt vermerkt!) Ja, da stand er, reagierte aber erst spät, hatte ein
Motorrad erwartet, klar, er hatte auch immer vom bike geschrieben und gesprochen.
Nun schon eingespielt:
Ständer ausklappen,
Riemen lösen,
Rucksack vom Gepäckträger abnehmen und aufsetzen,
linke Packtasche ab,
rechte Packtasche ab.
Heathers Mann wollte helfen, jetzt war es dunkel. Stufen runter, in den Wintergarten. Nein, auch
das Fahrrad rein, klar, an die Seite, gut so vor dem Fenster, da stört es nicht.
Wie war's, das Missverständnis! Ja ein Missverständnis, wohin und woher und die Weltlage, ja
die Weltlage wäre schlecht, ganz schlecht, er wisse auch nicht wohin das führen wird, die
Schlüsselgeschichte, er hätte Hunger bestimmt, er suchte Kekse, Muffins in der Küche, Kaffee?
Ist auch auf dem Zimmer, könne er auch dort trinken, selbstverständlich. Er half wieder eine
Tasche tragen - in der anderen Hand den Teller mit Keksen, Muffins, die schon bald
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runterrutschen auf die Treppenstufen, wollte neue geben, nicht nötig. Da das Bad, Handtücher
egal, er wolle gleich duschen, kein Bad nehmen. Ob er seine nassen Sachen irgendwo hinhängen
könne?
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Über die Heizung legen, an die Gardinen Stange hängen! Er ging schnell ins Zimmer, drehte an
den Heizkörpern. Ab wann Frühstück und was? 7:30 Uhr wäre das zu machen? 7:30 Uhr war
o.k., o.k. Kein Fleisch, sonst alles. Er wiederholte: kein Fleisch, sonst alles, 7:30 Uhr – Bohnen
auch? Wollte er noch wissen.
Erst der Linksverkehr, dann die Haussuche, jetzt die Erkundung eines englischen Badezimmers
in einem Haus in Dover: Er könne jetzt hier die Betätigung der Toilettenspülung erklären, aber
alle Freude, die man bei der Erkundung der Bedienung hätte, ginge verloren, wenn er es hier breit
austreten würde. Die Dusche war heiß, der Strahl stark genug, er war zufrieden, im Zimmer
warm, was heißt warm, bestimmt jetzt wohl 30 °C und alles, was er besaß, hatte er hier
ausgebreitet, saß auf dem Bett, aß Kekse und Muffins und trank einen Kaffee, nur eines wusste er
jetzt nicht: Stellte sich seine Uhr automatisch auf die englische Zeit um oder musste er die Zeit
mit der Hand einstellen?
Das Packen zuhause war nicht ganz einfach, einmal musste er sich auf eine mehrtägige Radtour
einstellen und andererseits noch auf die Konferenz: Alles musste in zwei Packtaschen. Die
Grundausrüstung fürs Rad: Flickzeug, Ersatzschlauch, Regencape,-Jacke, Ersatzschuhe. Er fuhr
vorn dreifach: 26/36/48. Sollte er besser auf 26/32/48 gehen? Er blieb beim 36er Ritzel. Da ihm
Karten, gute Karten fehlten, er hatte keine Zeit mehr gehabt, sich welche zu beschaffen – hatte
sich ja erst in den letzten Tagen für die Reise mit dem Rad entschieden (in einer der letzten Mails
aus Forest Row hatte B. noch geschrieben, er solle mit dem Rad kommen, sie fände es gut).
In einer Stunde wäre er mit dem Zug in Dortmund gewesen, dann Flugzeug nach Gatwick, hin
und zurück: 79 €!, von Gatwick Airport nach East Grinstead in 1 h mit dem Zug, das alle 30 oder
60 Minuten und von East Grinstead nach Forest Row 4,1 Miles, mit dem Taxi 10 Minuten - das
wäre es gewesen, bequem, sicher, konferenzangepasst! Einfacher geht es gar nicht!
Seite 54:
Die Verlockung war da und, er hätte sich ganz anders kleiden können: Anstatt der Plastikbeutel
eine Ledertasche, keine Regenjacke aus Polyester, dafür eine beige Hanfweste. Alles
konferenzentsprechend. „Mein Flieger" hatte wieder eine Verspätung: Die Landebahn war nicht
freigegeben worden vom Tower… So sind die Gespräche heutzutage!
Hatte dann noch einen Tag vor der Abreise bis spät am PC gesessen und dort Karten am
Bildschirm studiert, Straßen und Orte. Nur einen wichtigen Aspekt zeigten diese
Bildschirmkarten nicht an – in Belgien und Frankreich fiel es noch nicht auf! Aber in England:
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Hier gab es neben Straßen und Orten auch Hügel und Berge, mit teilweise erheblichen
Steigungen. Mit der Zahnkranzkassette 13/26 hinten kam er schnell an Grenzen, den 13/28-er
hätte er mindesten gebraucht.
Mit welcher Pedale sollte er fahren? Er entschied sich gegen die Klickpedale.
Ach, da war noch etwas passiert, was ihm bisher selten passiert ist: Er stand am Freitag der
Abreise früh auf, war zu aufgeregt gewesen, durfte den Zug nicht verpassen. Hatte alles gut
geklappt, war zeitig aus dem Haus gekommen, es war recht mild, Bein- und Armlinge hatte er in
der Tasche lassen können. Er fuhr die Straße hinunter zum Bahnhof. Dieser Vorort-Bahnhof ist
bisher noch nicht modernisiert worden in Gänze. Die Bahn hat einiges abgerissen und der
Bahnsteig ist erneuert worden, aber nicht der Aufgang unten von der Straße zum Bahnsteig.
Kinderwagen, Fahrräder, Gepäck und Rollstühle muss man die Treppe hoch tragen. Er steht mit
dem Fahrrad vor der Treppe, steigt ab, überlegt, ob er die Taschen abnehmen solle um dann
Fahrrad und Taschen einzeln hoch zu tragen, fühlt sich kräftig genug heute Morgen, fast an das
hintere Rohr des Rahmens, will das Fahrrad mit allem hochtragen, da merkt er, dass er die
Luftpumpe, als er noch gestern das Fahrrad geputzt hatte, nicht wieder an den Rahmen gesteckt
hatte. Was nutzte da das ganze Flickzeug, der Ersatzschlauch, wenn er unterwegs,
möglicherweise auf einsamen Strecken, keine Luftpumpe dabei hatte. Er rief noch zuhause an –
ein paar Minuten waren noch Zeit bis zur Abfahrt des Zuges – aber keiner meldete sich. So
musste er ohne Luftpumpe losfahren. Dass er kein Kettenfett dabei hatte, fiel ihm erst ein,
nachdem er die erste Regenfahrt in Belgien hinter sich hatte.
Ob er denn irgendwann auch mal in Forest Row angekommen sei, wollte ich wissen, wenn er hier
alles Mögliche bis ins Detail erzählt, wäre das vielleicht für ihn unterhaltsam. aber bei diesen
ganzen Schilderungen hätte ich ganz gern mal gewusst, wann und wie er nun an seinem Ziel in
England angekommen wäre.
O.k., o.k.
Ach, der Nickelspanner ist auch zuhause geblieben.
Ja, die Ankunft in Forest Row, das war dann alles ganz schnell gegangen am Abend, Straße
runter, es war kühl, die Sonne war bestimmt schon untergegangen, ein paar Autos auf der Straße,
er hatte den Detailplan, ebenfalls aus dem Internet gedruckt, genau im Kopf, er steckte zwar in
der Klarsichthülle, die er mit der genauen Routenbeschreibung für heute an seinen kleinen
Rucksack geklemmt hatte, aber er brauchte da nicht mehr drauf schauen, dass
Ortseingangsschild von Forest Row hatte er bereits gelesen, nun müsste bald eine kleine Straße
von der Hauptstraße nach rechts abbiegen. Da war sie schon, ging noch leicht abwärts, dann stieg
sie an, ein paar Wellen in der Straße, ein Auto von hinten, zwei Paare kamen ihm entgegen. Links
ein Parkplatz, ein weiterer Parkplatz geradeaus, er fuhr links auf ein großes Gebäude zu, ein paar
Menschen traf er dort, wer er es, ah ja, man erwarte ihn bereits, eine Frau nahm einen
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Briefumschlag, der an einer Pinnwand draußen vor einer Tür befestigt war und gab ihm den
Umschlag, darin sei der Schlüssel, das Haus fände er dort hinten, die Rezeption sei geschlossen
schon, morgen früh könne er dorthin und alles Weitere klären. Sie wünschte ihm einen guten
Abend und einen guten Start zur Konferenz. Er fuhr noch ein paar Meter mit dem Rad, stieg dann
ab wegen dem Drahtgeflecht auf dem Untergrund und ging die letzten Meter zu Fuß, hatte das
Haus erreicht, stellte das Rad ab, ging ins Haus, orientierte sich, wo war wohl sein Zimmer? Eine
Treppe hoch, die Treppe wieder runter, war wohl verkehrt, eine andere Treppe nach unten, kam
der Sache näher, vor den Türen klebten Namensschilder, und tatsächlich, er fand seinen Namen,
nicht ganz korrekt geschrieben, aber so korrekt, dass er wusste, er sei gemeint. Der Schlüssel
passte, er holte sein Gepäck, stellte sein Fahrrad in einen Fahrrad-Unterstand, die Dusche hatte er
schon gefunden, duschte – jetzt sei aber genug mit seinem Neorealismus, möglicherweise wolle
er nun noch erzählen wie er sich die Zähne putzte, Zahn für Zahn, wollte ihn stoppen, mir jedes
Detail zu erzählen – er hatte noch etwas gegessen, war dann frisch geduscht, in
"Konferenzkleidung" nun noch einmal hinausgegangen und hatte den Weg zur Bank gefunden
und auf dieser noch eine ganze Zeit gesessen. Es war schon fast dunkel, als er wieder zurückging
und tief einschlief. Am nächsten Morgen, die Konferenz begann erst später, traf er im
Frühstücksraum W. Sie hatten sich lange unterhalten.
Als er in Gand ausgestiegen war, begann eine weitere Etappe der Reise. Nun gab es keine
Bahnfahrt mehr, nun musste er aufs Rad. Der Bahnsteig, der ganze Bahnhof war eine Baustelle,
Bretterzäune, Absperrungen, Baulärm, große Maschinen. Er fand einen Weg nach draußen bzw.
vom Bahnsteig hinunter auf die Straßenebene. Stand dann mitten in einer Baustelle, schob sein
Rad durch Sand, über einen Steinhaufen bis er auf der Straße stand. Er stieg auf, fuhr im rechten
Winkel zu den Bahngleisen, zur Bahnstrecke und meinte so die Straße nach Deinze zu finden. Er
hatte den Weg auf Anhieb gefunden, war über den Kanal gefahren und befand sich auf der N43
und wollte dann ab Deinze weiter auf der N35 fahren.
Die typische Ausfallstraße einer Stadt, noch starker Autoverkehr, es war Freitag, früher
Nachmittag. Sehr kalt, er hatte seine Windjacke auch noch angezogen, Gegenwind. Er fror ein
wenig. Auf beiden Seiten der Straße ein Radweg, so konnte man immerhin vom Autoverkehr
getrennt fahren. Die fehlende Luftpumpe bestimmte seine Gedanken. Würde es gut gehen?
Würde er sie brauchen? Würde er sie nicht brauchen? Was, wenn er hier außerhalb der Stadt
einen Platten bekäme? Er beschloss, eine Luftpumpe zu kaufen. Sah auch schon die ersten
Fahrradläden, hielt bei einem größeren an, stellte sein Rad ab und ging hinein, aber es war ein
Laden, in dem Kompletträder verkauft wurden, kaum Zubehörteile. Er sah keine Luftpumpe in
dem kleinen Regal, er ging wieder hinaus. Befuhr die Straße weiter und weiter, viele Autohändler
und immer wieder Bars, bald kam es ihm vor, als würden an dieser ganze Straße nur
Autohändler und Bars sein. Was es für Bars waren, daran gab es keinen Zweifel mehr. Es machte
keinen Sinn, sie zu zählen, es waren sehr, sehr viele. Anscheinend großer Bedarf, sehr großer.
Kam an einem neuen Gebäude vorbei und vermutete schon wieder ein großes Autohaus - es war
aber ein Zweiradgeschäft, Motorräder und Fahrräder, der Verkäufer bediente gerade noch
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Kunden, hatte ihn aber schon „vorgemerkt“. Eine Pumpe! Diese langen Pumpen führen sie nicht
mehr! Er zeigte viele Modelle, das preiswerteste war dreimal so teuer als seine, die Zuhause im
Regal lag. Er kaufte das Modell, dass der Verkäufer empfahl, die Pumpe war insofern gut, als das
er sie während der ganzen Reise nicht benötigte. Im Laden war elektrisches Licht eingeschaltet
obwohl das ganze Gebäude nur aus Glas und ein paar Metallstangen bestand.
Draußen war es tatsächlich fast dunkel und es war erst (schon!!!) 15 Uhr und 20 Minuten. Er
schaltete den Dynamo nicht ein. Auf der anderen Straßenseite stand eine Frau im Schaufenster,
dass von innen beleuchtet war, anscheinend war die Mittagspause vorüber, sie hatte einen
ansprechenden Körper, als sie bemerkte, wie er zu ihr hinschaute, winkte sie, er solle
vorbeikommen, irgendwie war ihm nicht danach und er schaute wieder nach vorn auf den Weg,
es gab auf diesem Radweg so etliche Hindernisse.
Zwei simple Zettel, ausgetrennt aus einem Notizblock, DIN A5. So liegen sie vor mir auf
meinem Tisch. Er hat sie mir dagelassen, ich könne sie vielleicht noch verwenden? Da liegen sie
unscheinbar nebeneinander und haben doch zwei volle Tage entscheidend mitbestimmt! Schnell
aufgeschrieben, abends vor den Tagestouren, nur jede zweite Zeile beschrieben. Namen, ein paar
Straßenbezeichnungen, dreimal eine Kilometerangabe. Ortsnamen, die nichts ihm sagten als
Fixpunkte einer Route, die erst Gestalt annahmen beim Durchfahren, Erwartungen weckten, die
sich je nachdem erfüllten, Namen, die sich einprägten, weil er sie viele Male las, sich vorsagte,
laut und leise, eher laut - er war ja meistens allein auf der Straße, einige Namen gefielen ihm vom
Klang, keinen dieser Orte kannte er, hatte ihn vorher gehört - Dover schon, auch Ashford, aber
die anderen nicht. Heathers Mann hatte sich sehr für seine Route interessiert, Biddenden,
Biddenden, Biddenden - auch ihm schien dieser Name zu gefallen. Die Route, gerade auch aus
Dover heraus, wäre gut gewählt, er hatte ihm gesagt, dass er sie aus dem Internet hätte, ja, da sei
das Internet nicht schlecht, kleine Straßen, nicht an der Küstenstraße entlang, da führen viele
Autos und LKWs, der Hafen, der Tunnel, ob er auch schon durch den Tunnel gefahren wäre, ja,
wäre er, sie hätten Bekannte in „Northrheinwestfälen“, ginge schnell, Angst hätte er nicht gehabt.
Biddenden, da seien sie häufiger, aber mit dem Auto, sonntags mal.
Alkham, Hawkinge, Etchinghill - kurz vorher hatte er auf dem schmalen Weg einen
Radrennfahrer gefragt, ob es hier weiter nach Etchinghill gehe, er hatte angehalten, kurz, yes it’s
correct, this is the way to Etchinghill! In Hawkinge stand auf dem Straßenschild „The STREET“,
das konnte er sich merken, genauso die folgende Straße: „Aerodrome Road“. Er stand an der
Ecke „The STREET“/„Canterbury Road“, rechts oder links? Neben ihm kniete eine Frau auf dem
Gehweg und zupfte Kraut, sie war sich nicht ganz sicher, riet ihm den Weg nach rechts, holte
ihren Schwiegersohn, rechts ginge, aber mit dem Rad und wenn man sich nicht auskennen würde
…. also nach links, dann rechts, „Aerodrome Road“ - er fuhr nach links, hatte sich bedankt, kam
später doch wieder sehr nah an diese „Vor-Tunnel-breite-Straßen-Konzentration“. „Three
Chimneys“. Und eine Anzahl „Hurst’s“: Sissing-, Flishing-, Goud-, Lumber-. Hook- und Bells
Yew Green. In Frant auf dem großen Rasenplatz war eine Sportveranstaltung, weiße Trikots und
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was spielten sie? In Hartfield traf er Pooh. Für den Rückweg hatte er die „Country Tour“ über
Tenderden gewählt, irrte irgendwann auf der Fahrradstraße nach Tenderden eine Stunde umher,
um am Ausgangspunkt wieder anzukommen, die folgende „Country Tour“ ab Tenderden war
schmal und ruhig, er traf keine Imbissbuden oder Souvenierläden.
Im Süden sah er Kühltürme, die konnten doch nicht vom Atomkraftwerk bei Dungeness sein,
hatte das überhaupt Kühltürme? Dungeness liegt im NATIONAL NATURE RESERVE, da fährt
angeblich die kleinste Eisenbahn der Welt und transportiert Touristen, die Hauptattraktion an der
Endstation Dungeness: Das Atomkraftwerk, hatte er gelesen, nach der Reise, im Internet. 7) Aber
die Kühltürme? Biddenden war so für das Fotobuch.
Immer wieder war ihm Diksmuide in den Kopf gekommen. Der erste Weltkrieg war so nahe
gekommen - er hat sich nichts angesehen, nun der Turm war unübersehbar, aber er war in keinem
Museum gewesen, hatte nicht die Schützengräben gesehen! Aber er war mitten drin, erinnerte
sich an Verdun, an den Onkel, an Bücher, die er gelesen hatte, er hatte in einigen Prospekten, die
in seinem Zimmer auslagen, geblättert, morgens hatten sie auch das Thema angesprochen, sie
waren der gleichen Ansicht gewesen: Es ist gut, wenn man weiterhin daran erinnern kann, aber
gleichzeitig muss man gemeinsam daran arbeiten, dass sich so etwas nicht so leicht wiederholt.
Die „trauernden Eltern“, das Mahnmal der Käthe Kollwitz8), 1914 geplant, 18 Jahre später
aufgestellt, hier, 18 Jahre alt war Peter, als er fiel am 23.10.1914. Ihrem Sohn zu Ehren wollte sie
anfänglich ein Denkmal setzen, später aber auch all den anderen ins Verderben geschickten
Männern - er meinte gelesen zu haben, dass dies auch ein Prozess war vom ganz persönlichen
Leid zu einem Gedenken auch an andere.
Er war nun eine ganze Zeit gefahren, hat es erst gar nicht wahrgenommen, an irgendeiner
Kreuzung musste er sich aber entscheiden, wohin die Fahrt weitergehen sollte, dies hatte ihn aus
einer Art Trance herausgerissen. Da wurde ihm klar, dass er nun schon etliche Stunden fuhr und
noch keine richtige Pause gemacht hatte, plötzlich merkte er eine Erschöpfung, eine Unlust
überhaupt weiterzufahren. Dann tauchte vor ihm der Ortskern von Biddenden auf. Da war er also
angekommen, in diesem Biddenden, wie oft hatte Heathers Mann diesen Namen genannt! Er fuhr
auf diese alten Häuser zu, die nicht mehr in diese Zeit passten, war er in einem früheren
Jahrhundert gelandet? Er fuhr direkt auf eines dieser Gebäude zu, vor dem ein Schild auf einen
Gasthof hinwies. Auf dem Bürgersteig davor stand ein Reiter, also eine Schautafel, auf dem
Gerichte angepriesen wurden. Der kleine Hof vor dem Haus war mit Holzbänken und -tischen
fast vollgestellt, aber keiner saß hier, es war wohl doch zu kalt um draußen zu sitzen. Ideal um
sein Fahrrad abzustellen. Hängte den Helm an den Lenker und ging zur Tür, öffnete sie, musste
7)
8)
n-tv vom 18.03.2011
siehe auch: Das steinerne Leid der Käthe Kollwitz, Gisbert Kuhn
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aufpassen, dass er mit dem Kopf nicht an den Türrahmen stieß – der obere Balken sah so aus, als
hätten ihn schon viele, viele Köpfe getroffen. Er schaute in die Gaststube und war erst einmal
etwas irritiert: Wie niedrig die Räume waren! Überall standen Stützpfeiler aus Holz, viel Holz
sah er, gleich rechts neben der Tür, am Fenster, war ein Tisch frei, die anderen waren belegt, so
wie er es spontan sah. Er setzte sich an den Tisch, betrachtete noch einmal die Speisekarte, ja, da
stand aufgelistet das, was er draußen auf der Holztafel bereits gelesen hatte. Seine Wahl war
getroffen. Da kam eine junge Frau, schwarz gekleidet, an seinen Tisch und sagte, dass die
Bedienung beendet sei, er hatte es nicht gleich verstanden und sie wiederholte es. Er interpretierte
es so, dass sie gleich schließen würden. Fragte aber noch, ob er am Tresen etwas trinken könne.
Ja selbstverständlich könne er noch etwas trinken, es gebe nur nichts mehr zu essen, die Küche
wäre jetzt geschlossen. Er ging zum Tresen, musste wieder den Kopf vor einem Querbalken
senken und setzte sich an die Theke auf einen Barhocker. Was er denn trinken wolle, fragte sie,
die ebenfalls aus dem Gastraum nun in den Thekenbereich, hinter die Theke, gekommen war. Er
überlegte kurz, hätte vielleicht gern einen Kaffee getrunken, entschied sich aber für ein großes
Wasser. Ob er etwas darein haben wolle, fragte sie. Er überlegte wieder, was man so in einem
Wasser haben könnte. Sie erkannte das Fragen in seinem Gesicht und bot an: Eine Zitrone. Ja,
eine Zitrone. Sie schnitt eine Scheibe aus einer Zitrone heraus und ließ sie über dem Glas
hineinfallen ins Wasser und stellte das große Glas mit Wasser, das sie vorher aus dem
Wasserhahn hat einlaufen lassen, vor ihn hin. Wahrscheinlich hatte er gesagt, es solle nicht so
kalt sein, hatte das Eis verweigert. Er tat einen großen Schluck – jetzt merkte er, dass er sehr
großen Durst hatte. Nahm einen zweiten und dann einen dritten Schluck, lutschte an der
Zitronenscheibe und wollte sein Getränk bezahlen. Sie sagte, dafür müsse er nichts bezahlen, es
sei kostenfrei. Er bedankte sich und ging durch die Tür nach draußen. Zog die Radhandschuhe
über, war gerade dabei seinen Helm aufzusetzen, als ihm jemand auf die Schulter tippte. Er
drehte sich um und eine ältere Dame stand neben ihm und erkundigte sich nach dem Hergang, sie
hätte es beobachtet, es sei unmöglich gewesen, ihn so abzuweisen, sie wisse nichts davon, dass
nun schon die Küche geschlossen sei. Er habe bestimmt Hunger, dann soll er ein paar yards
weiter fahren, auf der rechten Seite wäre ein Restaurant, nannte auch den Namen, die hätten auf
jeden Fall noch geöffnet und das Essen sei auch besser als hier, wenn er dorthin ginge, solle er nannte ein Gericht, er hatte es vergessen - eben dies bestellen. Ihr Mann war bereits an der Straße
angelangt und öffnete die Tür eines Autos, das direkt gegenüber dieser Gaststätte am Straßenrand
parkte. Er schaute auf die Speisekarte des empfohlenen Restaurants, später durch die Fenster
nach innen und entschied sich nicht einzukehren – er wollte ja heute noch ankommen in Forest
Row. Er kam nicht weit, war vielleicht erst ein oder 2 km aus Biddenden herausgefahren, da
schüttete es von oben, er hatte keine Zeit, sich unterzustellen. Bemerkte die Nässe auf dem Kopf,
an den Beinen, auf der Schulter. Plötzlich war es sehr kalt geworden – eben hatte sogar noch die
Sonne geschienen. Er las ein Schild: Café. Auf der rechten Seite hinter einer langen Hecke lag
etwas abseits der Straße, nicht viel, vielleicht 50 m, ein Gebäude, das eher in den Südwesten der
USA gepasst hätte, er sah schon Cowboys, die ihre Pferde an einer Stange vor einem Saloon
banden. Er kam auf dem großen kiesbedeckten Platz mit seinem Rad ins schlingern. Er musste
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sogar die letzten Meter schieben um nicht zu stürzen. Er schob sein Rad auf die Veranda, die vor
dem Holzgebäude sich befand, ließ die Taschen am Fahrrad, denn innen war genau an dieser
Stelle ein Platz an einen Tisch frei, so hatte er jederzeit die Möglichkeit, auf sein Fahrrad Acht zu
geben. Zufällig schaute er nach oben: Es gab kein Dach, man hatte nur Latten hierüber
angebracht, vielleicht dass irgendwelche Gewächse darauf ranken könnten. Er ging durch die
Tür, das Café: Sehr gut besucht. Die meisten Menschen saßen rechts in einem großen Saal, er
ging nach links, setzte sich gegenüber seinem Fahrrad an einen Tisch. Es dauerte sehr lange, bis
er bedient wurde, die Frau entschuldigte sich, sie hatte anderes zu tun gehabt, hatte ihn dann
wieder vergessen. Er hatte sich in der Zwischenzeit an einer Kuchentheke einen Walnusskuchen
auserkoren, den er zu einem Kaffee bestellte. Er konnte in den großen Raum hineinschauen, da
bediente eine ältere Frau, die aber sehr attraktiv aussah, zeigte sehr viel Bein und sehr viel Brust.
An der Wand hing eine Uhr, er rechnete wieder – das war nicht mehr zu schaffen, wie sollte er
das noch schaffen, werde wahrscheinlich gerade mal die Hälfte der gesamten Wegstrecke
geschafft haben, dachte er - und es war bereits 15:15 Uhr, kurz nach neun war er von Dover
losgefahren. Der Kuchen hatte ihm geschmeckt, nach dem Kaffee fühlte er sich etwas wacher.
Doch, er musste sich losreißen. Bezahlte, schob sein Fahrrad zur Straße und fuhr los, fuhr und
fuhr, fand den Weg – nur einmal die falsche Richtung in Frant, machte noch eine kurze Pause, ca.
eine halbe Stunde vor Forest Row und hatte es geschafft. Die Gedanken an eine
Zwischenübernachtung waren vielleicht nicht schlecht gewesen, hatten ihn sozusagen noch
einmal beflügelt.
Sie hatten wieder einmal zusammengesessen, er wenig erzählt, ich wenig gefragt, fragen sollte
ich auch gar nicht viel, nur zum Verständnis, so hatten wir es vereinbart - es war Routine
eingekehrt: Als würde eine (nicht vorhandene) Checkliste abgearbeitet: Ah, heute die Begegnung
in Dunkerque im Office de Tourisme … Was macht man, wenn man an so einem Punkt
angelangt ist? Eine Pause? Aufhören, jetzt einfach Schluss machen? Abrunden, alles ordnen - war
ja doch teilweise ein Wirrwarr entstanden? Wir trafen eine Vereinbarung: Er würde nun
tatsächlich seine Themen, die ihm weiterhin noch einfielen, aufschreiben und wichten
(professionelles Arbeiten!!), wir würden uns noch zwei Mal treffen, das müsse reichen, mit dem
Gesagten hätte man doch vielleicht schon eine vage Vorstellung, wie seine Reise nach Forest
Row (hätten wir es nicht korrekt Hin- und Rückreise nach Forest Row betiteln müssen? Ja,
geografisch betrachtet - seltsam, ohne darüber gedacht zu haben, hatten wir den Titel schon so
gewählt, wie wir ihn jetzt, nachdem wir darüber gesprochen hatten, gewählt hätten!) für ihn
verlaufen war.
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„A
Day in
the Life.“
Er weiss es nicht
mehr genau. Vielleicht
bei Etchinghill. Egal von welcher Seite er kam,
es war ein markanter Ort. Dadurch fand er bei
ihm, sicherlich tat er es auch bei anderen
Radfahrern, besondere Beachtung, als es bergan
ging, er sich mächtig anstrengen musste um den
kleinen Gipfel der Straße zu erreichen. Die
Energie, die grad noch in die Beine „geflossen“
war, ist plötzlich für andere Aktivitäten frei.
Und, ganz markant an dieser erhöhten Stelle
steht ein Fahnenmast, daran weht eine Fahne bei
konstantem Wind in eine Richtung. Daneben
steht eine Granate aus der Zeit des zweiten
Weltkrieges - so schätzt er sie ein. Kühl. Auf
dem Weg nach Dover hält er hier an, der
Gasthof geschlossen, wieder? Oder für immer?
Er stellt sich neben den Eingang, geschützt, der
kühle Seewind hatte schon die Nebelschicht
ganz unter die Sonne geschoben. Er entzifferte
mühsam ein englisches Typenschild aus
Messing, seitlich an der Granathülse angebracht.
Wieder war ihm die eine Zeile aus dem BeatlesSong
(Ein John Lennon-Text) eingefallen.
Spätabends, nachdem er heiß geduscht hatte, in seinem überheizten Zimmer noch etwas gegessen
hatte, war er mit dem Durcheinander in seinem Zimmer noch nicht so recht zufrieden gewesen, er
musste noch etwas gestalten, auf dem vollgestellten Schreibtisch, nicht von ihm vollgestellt, lag
ein kleiner Stapel mit alten Illustrierten. Auf einer war Queen Elisabeth abgebildet. Die Zeitung
war alt aber die Abbildung, das Foto von Queen Elisabeth zeigte sie in sehr viel jüngeren Jahren,
stand nicht irgendwo der Titel: 50 Jahre Queen Elisabeth? Er nahm diese Illustrierte und legte sie
auf das Plüsch-Kopfkissen. Schon sehr früh hörte er, wie jemand unten in der Küche hantierte.
Lothar Flachmann, September 2013
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Da wurden Töpfe hin und her geschoben, Teller gestapelt, ein Wasserkocher pfiff. Er wusste
immer noch nicht wie spät es nun genau war, er mutmaßte, dass sein Handy die Uhrzeit
automatisch eingestellt hatte, er schaute noch einmal auf die Einstellungen. Um sicher zu gehen,
ging er um 7:00 Uhr hinunter, wollte schon seinen „Routenplaner“ am Fahrradlenker befestigen
und gleichzeitig schauen, wie spät es nun tatsächlich sei. Bei 7:00 Uhr wäre er entweder eine
halbe Stunde zu früh oder eine halbe Stunde zu spät gewesen. Er war zu früh. In der Küche
wirtschaftete Heathers Mann. Er war so beschäftigt, dass er gar nicht bemerkte, wie er vor der
offenen Tür stand und ihn begrüßte. Irgendwann schaute er jedoch auf und sagte, er könne sich
schon in den Frühstücksraum setzen, würde aber noch einen Moment dauern, aber der Kaffee
wäre schon fertig. Diesem ganzen Spektakel hatte Heather beim nächsten Mal einen Riegel
vorgeschoben, indem sie klipp und klar sagte, Frühstück gebe es ab 8:00 Uhr und nicht früher.
Beim zweiten Mal war er auch schon früher unten im Flur gewesen um auch schon Sachen zu
seinem Fahrrad zu bringen: Flasche, Helm, Handschuhe. Denn heute musste er genau auf die
Uhrzeit achten, denn er wollte ja mit der Fähre fahren. Die Tür zum Frühstücksraum war bereits
geöffnet und zwei Gäste, Mann und Frau, saßen bereits am Tisch und aßen. Heather kam aus der
Küche und begrüßte ihn, es war noch lange nicht 8:00 Uhr.
Sie machten sich schnell bekannt, die beiden kamen aus Schweden und wollten ebenfalls die
Fähre um 10:00 Uhr benutzen. Wir unterhielten uns in Englisch so gut es ging. Die Frau sprach
weniger englisch, der Mann mehr, er mittel. Manchmal kam Heather herein und brachte ihm das
Englische Frühstück, alles bestens, wieder mit Bohnen und Rührei und Toastbrot. Bielefeld
würde er kennen, er war noch nicht in Bielefeld, war immer vorbeigefahren, wenn er die
Autobahn fuhr, die A2. Sie wollten jetzt auf der Heimreise einen Abstecher nach Münster
machen, da würden Freunde von ihnen wohnen. Ja, Arminia Bielefeld sei jetzt wieder
aufgestiegen in die zweite Liga. Siebenmal auf- und abgestiegen. Er überlegte, ob er irgendeine
schwedische Fußballmannschaft kennen würde – ihm fiel keine ein. Aber man unterhielt sich
schnell über anderes und er war froh darüber. Irgendwann kam Heather wieder herein, fragte ob
alles in Ordnung sei, sie meinte, es wäre ja gut, dass sie sich englisch unterhielten, so hätte sie
auch einiges erfahren.
Uniformierte Schulkinder überquerten die Straßen, warteten an Ampeln, es war kühl und diesig.
Der Weg bis zur Fähre zog sich doch, es war gut, dass er sich beeilt hatte. Wieder hatte er im
Hafengelände die Fahrradspur verloren, hatte sie wieder gefunden, das Einchecken dauerte
länger, er musste in ein Gebäude, sich dort anstellen, nicht lange, dann wurde ihm eine spezielle
Karte ausgestellt, die Autofahrer konnten, wie er es sah, einfach durchfahren, nachdem sie
Ausweis und Fahrkarte gezeigt hatten. Er stand wieder, ähnlich wie in Calais, in einer äußeren
Spur ganz vorn. Hier gab es kein solches Kontrollhäuschen. Eine große elektronische
Anzeigetafel zeigte alles Mögliche an. Hinter ihm tauchten manchmal weiße Flecken der
Kreidefelsen im Nebel auf und verschwanden wieder. Es nieselte leicht, dann wieder stärker.
Direkt vor ihm standen oder waren angelehnt 4-5 Fahrräder mit Gepäck. Er stellte sein Rad
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dahinter, ging noch einmal zur Toilette (auch hier gab es ein zentrales Toiletten- und
Imbisshäuschen). Die Fähre war bereits eingelaufen und hatte hier am Dock festgemacht. Später
kam eine Gruppe Menschen die Verladebrücke herunter, waren es Inder? Wieder etwas später
kamen Hafenangestellte und verteilten sich auf der großen Fläche in einiger Entfernung vor der
Verladebrücke. Schon donnerte der erste Lkw die Brücke herunter, die Männer zeigten ihm die
Richtung nach rechts. Nun setzte ein Dröhnen, Rattern und Schnauben ein: Aus zwei Richtungen
kamen die LKWs, das untere Deck hatte die Ausfahrt rechts, das Oberdeck die Ausfahrt links
(über die Verladebrücke), auf dem Platz trafen die Fahrzeuge wieder zusammen und reihten sich
ein auf zwei Spuren, die hinaus aus dem Hafen führten. All dies spielte sich mit ungeheurer
Geschwindigkeit ab, es nieselte weiterhin, alles war so diesig, dass man nicht weit schauen
konnte, es war alles irgendwie irreal. Dann setzte Stille ein, ein, zwei Nachzügler kamen noch
und dann lange Zeit nichts mehr - ihm fiel Diksmuide ein, etwa 1914.
Von den anderen Radfahrern waren mittlerweile zwei oder drei zu ihren Rädern zurückgekehrt.
Sie waren vielleicht 17 Jahre alt, Engländer. Einer vom Personal gab ein Zeichen, sie sollten
kommen. Also wieder die Fahrradfahrer zuerst, so war es am ungefährlichen, dachte er. Während
er die Rampe hoch fuhr, sah er die beiden noch fehlenden Fahrradfahrer zu ihren Rädern rennen.
Kurze Zeit später standen sie alle zusammen und verstauten ihre Räder. Sie unterhielten sich
kurz: Wohin er wolle? Und wohin sie wollten? Nach Amsterdam. Der eine hatte einen kleinen
Seesack hinten über einen wackligen Gepäckträger gelegt, der andere trug einen Rucksack, einer
hatte uralte, sehr kleine Packtaschen, die Räder sahen so aus, als wären es ihre ersten Jugendräder
gewesen. Als sie wieder angelegt hatten, waren sie noch im Hafen zusammen gefahren, sie hatten
ihm zu gewunken – mit welcher Dynamik sie losfuhren! Er war dann links ins Industriegebiet
abgebogen, er erhoffte sich einen einfacher zu findenden Weg in Richtung zur belgischen
Grenze, er konnte ihnen keinen Tipp geben, denn er wusste den Weg ja auch nicht genau, einer
zog eine Landkarte aus seiner Jackentasche heraus und sie beratschlagten, er wechselte die Spur
nicht ordnungsgemäß (schon wieder), dass war ihm klar, aber sonst hätte er einen riesigen
Umweg fahren müssen um auf die andere Fahrbahn zu gelangen, gleich würde die Autokolonne
sie erreichen. Irgendwo hoppelte ein Kaninchen auf der kurz gehaltenen Rasenfläche zwischen all
diesen Spuren.
Der Weg durch das Industriegebiet, durch den Industriehafen, an den vielen Tanks vorbei war
richtig gewesen – trotzdem, es zog sich und zog sich. Irgendwann kam er wieder in eine
Wohngegend, erkannte das ein oder andere Gebäude, die ein oder andere Kreuzung. War dann
auf dem Hinweg doch nicht so ganz falsch gewesen hier. In der Innenstadt hatte er sich einen
kleinen Übersichtsplan besorgt, das war sehr hilfreich. Es gab einen Weg direkt an der
Promenade entlang. Am Malo-Les-Bains setzte er sich auf eine Bank, wollte eine kurze Pause
machen, etwas essen. Vor ihm der Strand, Menschen gingen auf und ab, Kinder, ganze
Schulklassen spielten und tobten auf dem Sand. Rechts neben ihm, ebenfalls auf einer Bank,
saßen zwei Männer und tranken Bier. Links Industriegelände, Schornsteine, Verladekräne,
Rauch. Je länger er saß auf der Bank, desto näher rückte Forest Row, er saß da auf der Bank,
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allein und schaute über die langgestreckte, ungemähte Wiese mit den großen allein stehenden
Bäumen darauf, im Hintergrund, das war der Ashdown Forest.
Ein letzter Gang in den Ort, vorbei an dem Bauernhof, ein kleines Fest, für Kinder (?) löste sich
auf. In Gedanken verloren – die Konferenz - ging er den bekannten Weg, grad an einer Hecke
vorbei, hält links neben ihm ein Auto: "Do You need a lift?". Ihm war nicht ganz sicher, ob er
gemeint sei, schaute sich um, der Mann am Steuer hatte es gemerkt, erneut: "Do You need a
lift?". Er schüttelte den Kopf, bedankte sich, er wolle noch etwas gehen.
Kortemark
würde man auch mit dem Rad sehr schnell erreichen, hatte sie gesagt. Er hatte einen Moment
abgepasst, als es nicht regnete, hatte sich verabschiedet, war aufs Rad gestiegen und nach
Kortemark gefahren. Er hatte Kortemark tatsächlich sehr schnell erreicht. Es war trocken
geblieben von oben. Die Straße noch nass. Auch der Bahnhof war leicht zu finden gewesen. 5
Minuten früher, er hätte mit dem Zug fahren können, der gerade an dem Bahnsteig angehalten
hatte. Aber er besaß noch keine Fahrkarte. Die Züge fuhren stündlich. Hinter dem Schalter stand
ein Schalterbeamter (stimmte die Bezeichnung eigentlich?). Er sagte allen, die bei ihm eine
Fahrkarte kaufen wollten, er würde keine Fahrkarte verkaufen, sie müssten diese am Automaten
draußen kaufen. Meistens trat er dann aus dem Raum heraus und man traf sich am
Fahrkartenautomaten draußen auf dem Bahnsteig wieder und er zeigte auch ihm, wie man den
Automaten bedienen müsste, drückte selbst die Tasten, nur das Geld musste man selbst in den
Automaten hineinstecken. Er hatte nun noch fast 1 Stunde Zeit, was würde er tun? Er setze sich
wieder aufs Fahrrad und fuhr in dem Ort ein wenig herum, vielleicht würde er ein nettes Café
finden. Nichts. Um den Ortskern führt eine Straße, dies war eine Einbahnstraße. Er fuhr nun ein
zweites Mal um den Ortskern herum, schaute irgendwo an dieser Straße in einem großen Spiegel,
konnte sich sehen, wie er auf dem Rad saß und fuhr. Er fuhr ein drittes Mal um den Ortskern
herum, schaute wieder in den Spiegel. Er wiederholte die Fahrten noch etliche Male, schaute
immer wieder in den Spiegel, bis er meinte, es wäre Zeit zum Bahnhof zu fahren.
Als er zurückkam, dachte er, das ist jetzt der letzte Abend, an dem er in Westwood drei die
Treppe hinunter gehen würde - er öffnete die Glastür, ließ sie los und beeilte sich die paar Stufen
hinunter, er würde es schaffen - wie die Tage zuvor, die zweite Tür zu öffnen, hindurchzugehen,
bevor die Tür oben wieder ins Schloss fiel; manchmal war es ihm sogar gelungen, auch noch
seine Zimmertür zu öffnen, ins Zimmer zu treten, bevor er oben hörte, dass die Tür schloss.
Living next door with B.9)
B. war ebenfalls wie die anderen Menschen hier an dem kleinen Flur, die zur Konferenz
gekommen waren, schon abgereist. Aber er blieb ja noch eine Nacht, musste noch einige Male
den Weg von oben hinunter ins Zimmer 3 gehen. Im Frühstücksraum traf er morgens A.
9)
B. ist nicht immer gleich B. - und auch für anderes stehen!
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