Amerikanismen - normalbuch: sprache

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Amerikanismen - normalbuch: sprache
ABC der Amerikanismen,
in: Bernd Polster (Hrsg), Westwind - Die Amerikanisierung Europas, Köln 1995, S.148-158
Nachkriegszeit
0. K., die Besatzer heißen Tommys und Amis. Die Deutschen müssen deren Sprache lernen, zuerst
Displaced Person (Zwangsarbeiter und andere nach Deutschland verschleppte Ausländer) und Reeducation (Versuch, Germanen zu zivilisierten Menschen zu erziehen), bald aber auch Care-Paket
(Hilfssendung aus USA) und Marshall-Plan (Wiederaufbauprogramm, das das »Wirtschaftswunder«
möglich machte). Von ihren Befreiern bekommen die Deutschen Nylons, Kaugummi (chewing gum),
Lucky Strike und Babys. Man trägt Trenchcoat. In den Clubs der Gls spielt man Swing, Boogie Woogie
und Bebop. Es wird gehottet. Junge Leute hören AFN (American Forces Network) und sind Fans von
Jazz (oder Jatz).
Fünfziger Jahre
Im Kalten Krieg (cold war) stehen die Westdeutschen auf der richtigen Seite des Eisernen Vorhangs (iron
curtain). Nun droht Massive Vergeltung (massive retaliation) und Roll-Back. Dafür steigt der
Lebensstandard (standard of living). Die ersten Supermärkte öffnen. Die flotten Fifties bringen die erste
Miss Germany und zaghafte Amerikanismen in der Warenwelt. Man schleckt Softeis an der Ecke, trinkt
Caro instant oder mixt sich einen Cocktail, wäscht mit einer Constructa, sich selbst mit Lux
(»Lieblingsseife der Filmstars in aller Welt«), raucht Pall Mali oder Gold Dollar und sprüht Raumspray in
die gute Stube. Illustrierte, wie die Quick, bringen Interviews mit der Highsociety. Das Auto wird zum
Statussymbol (status symbol). Hulahoop und Minigolf, Hollywood-Schaukel (porch swing) und
Swimmingpool kommen in Mode. Die Innenstadt wird zur City, das Zentrum zum Centre. Die Deutschen
haben Hobbys (Do-it-yourself), machen Camping und fühlen sich fit. Comic-Hefte und der Playboy
verderben die Jugend. In den Kinos laufen Gangster- und Cowboyfilme, meist mit Happy-End. Teenager
kleben sich Filmschauspieler, wie James Dean oder Marylin Monroe, an die Wand, trinken Coca Cola und
probieren Petting. Alle Jungs wollen Pilot, alle Mädchen wollen Stewardess den. Sie tragen
Pferdeschwanz (ponytail) Pullover, Pettycoats und enge Bluejeans, die man Nietenhosen nennt. Es wird
sowieso noch eingedeutscht, z.B. Rock 'n' Roller zu Halbstarker (am liebsten mit Texashemd unter der
Lederjacke. Die hören ihre Hitparade, jetzt auf unzerbrechlichen Singles, in der Musikbox (juke box) und
sind happy.
Sechziger Jahre
Die Welt tanzt Twist zum Atom-Test. Von Cape Canaveral (damals noch Kap Kennedy) schießen
Raketen in den Orbit. In Deutschland stürzen die ersten Starfighter ab. Männer tragen
Astronautenhaarschnitt (crew cut), Frauen eine Bienenkorbfrisur (beehive). Alle bewundern John F.
Kennedy und die First Lady. Nun werden Zivilcourage (courage) und (civil rights) zu Essentials. Die
Supermacht (super power) USA erfindet die friedliche Koexistenz (peacefull coexistance), die VorneVerteidigung (oder Vorwärtsverteidigung), die flexible response, die Domino-Theorie führt schließlich zur
Eskalation des Vietnam-Kriegs. Es entsteht eine weltweite Protestbewegung. "I'm the greatest"(Ich bin
der Größte) verkündet der Boxer Mohamed Ali (alias Cassius Clay) live über Telstar, den ersten TVSatelliten. In den USA gibt es Rassenunruhen, Schwarze US-Sprinter zeigen auf dem Siegertreppchen
den Black Panther-Gruß. Soul-Musik kommt in Deutschland kaum durch, dafür der Afrolook.
Amerikanische Serien (series), Quiz- und Unterhaltungsshows schleichen sich auf deutsche Fernsehbildschirme. Die Bundesdeutschen schmieren sich Deodorant unter die Achseln, essen Cornflakes zum
Frühstück, schütten Libby's in den Kaffee, packen den Sonntagsbraten mit Alufolie (bacofoil) ein und
knabbern »Party-Erdnuß-Pittjes« vor der Glotze. Weiße Nyltest-Hemden und Socken aus Kunstfasern
sorgen für intensive Düfte. Amerika bestimmt nun auch, was Kunst ist, von Happenings und
Environments (als Multi-Media-Ereignissen) über Pop-art und Op-art bis Land-art, Minimal-art und
Concept-art. Man hopst nach den Modetänzen Letkiss, Madison, Shake, Slop und Hullygully. Doch der
richtige Halligalli kommt erst noch. Aus Beatniks werden Beatles, aus Lautsprechern Boxen. Daraus
dröhnen E-Gitarren, Drums und Synthesizer mit Vollpower. Seine LPs hört man jetzt Stereo.
Protestsongs sind in, aber auch psychedelische Musik. Rockbands (oder -gruppen) bringen nun ihr
Equipment samt Lightshow mit. »Make love not war« meinen Hippies, Blumenkinder (flower children) und
Freaks. Die Subkultur (subculture) lebt im Untergrund (underground) und ist frustriert über das spießige
Establishment. Die Szene (scene) spaltet sich. Die einen veranstalten Sit-ins, Teach-ins und Go-ins, die
anderen erweitern ihr Bewußtsein beim Kiffen oder gehen auf den Trip. Clean bleiben! Jeder kauft Poster
und trägt T-Shirts, Jeans und Boots. Keiner ist down, alle sind high. Das Open-Air-Festival in Woodstock
und das Musical Nair vermarkten die Mythen der wilden Sixties.
Siebziger Jahre
Die Welt im Zeichen des Overkill. Ansonsten alles easy. Kanzler Willy Brand verspricht Lebensqualität
(quality of life). Präsident Nixon betreibt Ping-Pong-Diplomatie, bevor er über den Watergate-Skandal
stolpert. Noch schlimmer ist die Energiekrise (energy crisis), super dagegen einige Erfindungen, wie
Video, Walkman, der erste Mikroprozessor und der erste Taschenrechner (pocket calculator). Rent-a-car
heißt es nun auch bei uns. Es gibt neue Berufe, wie den Programmierer, Art-director, Dressman,
Layouter. Natürlich sind sie alle Profis. Außerdem gibt es jetzt auch Kidnapper, Fixer und Dealer. Man
muß Connections haben, aber es kommt auch auf das richtige Feeling an. Popgruppen brauchen einen
Popstar. Heavy Metal ist ziemlich heavy. Punker und New Waver produzieren Fanzines. Der Film
Saturday Night Fever macht aus Disco ein Big Business. Es darf aber ruhig ein bißchen mehr funky sein.
Guten Sound und schweren Beat gibt es jetzt auf Maxi-Singles. Erst trägt man Hot Pants, dann
Bodystockings. Die Disco-Queens und -Kings lieben es sexy. Auch Hardcore und camp sind angesagt.
Jeansjacken kriegt man jetzt im Jeansshop. Wer etwas auf sich hält, trägt sowieso Designerklamotten. In
New York wird aus Rap und Graffiti die HipHop-Kultur. Hauptperson ist der DJ. Filmfurore machen die
Breakdancer, die zu den merkwürdigsten Bewegungen fähig sind. Was man auch von den Joggern
behaupten kann. Der tracksuit (Trainingsanzug) wird zur Allerweltskleidung. Teenies erobern mit
Skateboards und Rollschuhen (Roller-skates) die Innenstädte. Softies — gemeint sind nicht die
Hamburger von der Kette, die nun Europa überrollen — reagieren auch auf die Frauenbewegung
(women's movement). Trouble ist angesagt. Die Umweltverschmutzung (environmental pollution) bringt
viele auf den Öko-Trip. Andere stecken in der Midlifecrisis und brauchen Supervision. Zuletzt hilft nur
noch ein Workshop, um sich zu emanzipieren.
Achtziger Jahre
New Age, Remake oder »Marlboro-Country«? Das postmoderne Jahrzehnt bringt Reaganomics und
Rambo. Für den Krieg der Sterne (Star Wars) gibt es nun das SDI- Programm. Space shuttle und Cruise
Missiles heben ab, Pershing-Raketen werden aufgestellt und die Neutronenbombe (neutron bomb)
gebaut. Die Nullösung (zero option) scheint weit entfernt. Wichtige Leute haben ihre Meetings, womöglich
in der Executive-Lounge, wo auf die Corporate Identity geachtet wird. Lifestyle muß sein, der »Zeitgeist«
wird recycelt. Yuppies achten auf ihr Image, gehen ins Bodybuilding-Studio oder ins Squash-Center,
machen Aerobic und kaufen Gesundheit im Bioladen (health shop). Eine Hamburger Wochenzeitung
erfindet die Popper als Ausdruck für die neuen adrett-angepaßten Preppies. In den Illustrierten
erscheinen Specials mit Insider-Informationen. Auch für Trucker gibt es Magazine (magazines). Die
Compact Disc (CD) verdrängt die Schallplatte. Es boomt die Dancefloor-Music, und der Acid Jazz hat den
richtigen Drive. Auf Warehouse-Partys wird geravt. Crossover ist im Kommen. Im Fernsehen wird mehr
und mehr getalkt, auch bei den kommerziellen Sendern (commercial TV stations), die jetzt über Kabel
(cable) kommen. Erst wird gezappt, dann schaut man Homevideos. Den Personal Organizer gibt es auch
elektronisch. Auch Telefon-Junkies können nicht mehr relaxen. Die Kreditkarte (credit card) und anderes
Plastikgeld (plastic money) ersetzt die DM. Computer-Kids beherrschen Gameboy, Joystick und
Mouse. Wir fahren auf dem Mountain-Bike zu den German Masters. Der PC wird portable. Das Leben ist
schwer genug, also ißt man light.
Neunziger Jahre
Die Welt ist ein Joke. Nun sind wir User geworden und warten auf das definitive Event. Der Loser kriegt
kein Ticket mehr und braucht gar keine Stories zu erzählen. Fun ist cool, und alle Dinks (»double
income no kids«) sind gedopt vom Dow Jones Index. Die Freizeitindustrie (leisure industry) steigt groß mit
einer Halfpipe ein. Hol dir die Kicks beim Bungee-Jumping, Paragliding, Snowboarding, Heli-Skiing, Free
Climbing und Rafting, aber vergiß nicht deinen Bikebody mit Overshirt. Das Infotainment macht aus
Filmen Clips und Spots, aus Nachrichten News, und zwar vom Breakfast-TV bis zur Late-Night-Show.
Grunge ist out. Auch Highflyer brauchen Safer Sex und zwischendurch »Yofresh« oder »Always Ultra«
vom Home-Service. Kühle Rechner holen sich Datenbanken (data banks) aus dem Internet. Headhunter
suchen Softwerker auf der Datenautobahn (data highway). Jeder kriegt jetzt einen Guide für den richtigen
Groove. Mode heißt Fashion (for men) und gestylt sein ist trendy. Deutschland ist multikulturell (multicultural), manche mittels Baseball-Schläger. Man tanzt zu Techno, und zwar im Club oder auf der Love
Parade. Kannst du nicht mal Basic quatschen? Auch dabei kommt es auf Correctness an. Trendscouts
mit Notebook und Printer finden die Generation X im sozialen Cyberspace, natürlich alles interaktiv und
auf CD-ROM. Und schon geht es mit dem Handy zum »Moonshine-Tarif« mit Solarenergie in das nächste
Joint Venture.