Referat von Deniz Yakit: Lessings Nathan, der Weise 1 - RPI
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Referat von Deniz Yakit: Lessings Nathan, der Weise 1 - RPI
Seminar: „BrückenbauerInnen zwischen den Religionen“ Referat von Deniz Yakit: Lessings Nathan, der Weise 1. Gotthold Ephraim Lessing Biografie: ! der wichtigste deutsche Dichter der Aufklärung ! geboren: 22. Januar 1729 in Kamenz (Sachsen), gestorben: 15. Februar 1781 in Braunschweig ! geboren als drittes Kind des Kamenzer Archidiakons Johann Gottfried Lessing und seiner Frau Justina Salome (geb. Feller) ! geprägt in einem theologischen Umfeld wuchs er in einer Familie heran, welche in der lutherischen Orthodoxie verhaftet war. ! wurde in frühester Jugend von seinem Vater geprägt. " Dieser war ein typischer Vertreter der lutherischen Orthodoxie; in Glaubensfragen patriarchalisch starr und exegetisch streitbar ! der Vater war es auch, der Gotthold Ephraim seine erste Bildung zukommen ließ. ! von 1737 bis 1741 besuchte Lessing die Lateinschule seiner Heimatstadt. ! am 22. Juni 1741 wechselt er an die Fürstenschule St. Afra in Meißen. " dort erwarb er sich die Reife um ein Hochschulstudium beginnen zu können. " Lessing entschied sich, an der Universität Leipzig ein Studium aufzunehmen und immatrikulierte sich nach dem Wunsch seines Vaters am 20. September 1746 an der Leipziger Hochschule, um Theologie zu studieren. " 1748 wechselte er zum Medizinstudium und begab sich am 20. August desselben Jahres zu weiteren Studien an die Universität Wittenberg. " im November desselben Jahres zog er in die brandenburgische Residenzstadt Berlin. rezensierte die Berlinerische Privilegierte Zeitung. wurde 1750 Mitarbeiter bei den Critischen Nachrichten aus dem Reiche der Gelehrsamkeit und begegnete unter anderem 1750 Voltaire. ! Ab 1751 konzentrierte sich Lessing weiter auf sein Studium in Wittenberg. " verfolgte ein Studium an der philosophischen Fakultät. Vorlesungen in Poetik, Ethik, Geschichte, Griechischer Sprache und Literatur, Philosophie, Mathematik, Physik und Rhetorik. am 29. April 1752 die Promotion zum Magister der Sieben Freien Künste ! kehrt im November 1752 nach Berlin zurück. ! Oktober 1755 kehrte er nach Leipzig zurück. ! 1776 begann er eine auf mehrere Jahre angelegte Bildungsreise durch die Niederlande, England und Frankreich als Begleiter von Johann Gottfried Winkler, die er jedoch wegen des Siebenjährigen Krieges bereits in Amsterdam abbrechen musste. ! 1758 zog Lessing erneut nach Berlin, wo er mit Friedrich Nicolai und Moses Mendelssohn zusammen die Briefe, die neuste Literatur betreffend veröffentlichte. ! Von 1760 bis 1765 war er in Breslau als Sekretär beim General Tauentzien beschäftigt. ! 1765 kehrte er zurück nach Berlin, um dann 1767 für drei Jahre als Dramaturg und Berater an das Hamburger Nationaltheater zu gehen, welches aber bereits 1769 aus finanziellen Gründen wieder geschlossen wurde. ! In Wolfenbüttel wurde er am 7. Mai 1770 Bibliothekar in der Herzog August Bibliothek ! Am 14. Oktober 1771 wurde Lessing in die Freimaurerloge Zu den drei Rosen in Hamburg aufgenommen, in einer abgewandelten Zeremonie in der Wohnung des Logenmeisters von Rosenberg, und in alle drei Grade eingeführt. " Er war zwar bis 1780 Mitglied, besuchte die Loge aber nie wieder. Er schätzte die Freimaurerei hoch, wie an seinem 1778 und 1780 erschienenen Werk Ernst und Falk zu sehen, nicht aber die reale Freimaurerei, wie sie sich damals zeigte. ! 1771 verlobte er sich mit Eva König. ! 1775 wurde seine Arbeit in der Bibliothek unterbrochen durch mehrere Reisen zu Eva Königs jeweiligem Aufenthaltsort, nach Wien über Leipzig, Berlin, Dresden und Prag und einer Audienz bei Kaiser Joseph II. ! Als Begleiter des Braunschweiger Prinzen Leopold reiste er nach Italien mit Aufenthalten in Mailand, Venedig, Florenz, Genua, Turin, Rom, Neapel und auf Korsika. ! am 8. Oktober 1776 heirateten er und Eva König in Jork bei Hamburg. ! Am Weihnachtsabend 1777 gebar sie einen Sohn (Traugott), der aber am folgenden Tag starb. ! Am 10. Januar 1778 starb auch Eva Lessing an Kindbettfieber. ! 1779 verschlechterte sich Lessings Gesundheitszustand. 1 " Am 15. Februar 1781 starb Lessing an Brustwassersucht (Lungenödem). Wirken: ! In seinen religionsphilosophischen Schriften argumentierte Lessing gegen die Offenbarungsgläubigkeit und das Festhalten am „Buchstaben“ der Bibel durch die herrschende orthodoxe Lehrmeinung ! Dem gegenüber vertraute er als Kind der Aufklärung auf ein „Christentum der Vernunft“, das sich am Geist der Religion orientierte. " Er glaubte, dass die menschliche Vernunft (angestoßen durch Kritik und Widerspruch) sich auch ohne die Hilfe einer göttlichen Offenbarung entwickeln würde. " Um eine öffentliche Diskussion gegen die orthodoxe „Buchstabenhörigkeit“ anzuregen, veröffentlichte er 1774-1778 sieben Fragmente eines Ungenannten, was zum so genannten Fragmentenstreit führte. Sein Hauptgegner in diesem Streit war der Hamburger Hauptpastor Johann Melchior Goeze, gegen den Lessing unter anderem als Anti-Goeze benannte Schriften von Hermann Samuel Reimarus herausgab. ! Außerdem trat er in den zahlreichen Auseinandersetzungen mit den Vertretern der herrschenden Lehrmeinung (z.B. in den Anti-Goeze) für Toleranz gegenüber den anderen Weltreligionen ein. " diese Haltung setzte er auch dramatisch um (im Nathan der Weise), als ihm weitere theoretische Veröffentlichungen verboten wurden. 2. Nathan der Weise: Charaktere: Nathan: < ist die Hauptfigur, bei der die Handlungsstränge zusammenlaufen und die alle Fäden zu einem Ganzen verknüpft. < wird als reicher Kaufmann aus Jerusalem vorgestellt der von seinen Geschäftsreisen immer viel Geld und Luxusgüter mitbringt. < möchte nicht die leeren Staatskassen Saladins füllen, obwohl er dadurch seinen Reichtum vermehren könnte. - durch dieses Verhalten entkräftet Nathan das Vorurteil, dass Juden nur nach Reichtum streben. < Auf die indirekte Bitte des Sultans, ihm Geld zu leihen, reagiert er aber trotz der ihm gestellten Falle entgegenkommend. < Nathan wird vom Volk und von allen Menschen vor allem wegen seiner Güte und seines Großmuts gelobt. < In Nathans Person bilden „bürgerliche Tüchtigkeit“ und „Tugend“ eine in sich geschlossene Einheit. < Saladin und der Tempelherr sehen in Nathan allerdings zuerst den Juden, dem man aus dem Weg gehen bzw. den man ausnutzen sollte. < Recha ist zwar nur Nathans Adoptivtochter, doch er nennt sie ganz selbstverständlich „meine Recha“ und „mein liebes Kind“. Nathan ist für Recha der perfekte Vater, obgleich er nicht ihr leiblicher Vater ist („Das Blut allein macht noch nicht den Vater aus.“) < Nathan hat sich vom orthodoxen Judentum gelöst und ist anderen Religionen gegenüber tolerant eingestellt („Jud' und Christ und Muselmann und Parsi ( = Zarathustra-Anhänger), alles ist Ihm eins“) -Für ihn ist es wichtig, „Mensch“ zu sein, und zwar im Sinne eines „blossen Menschen“ und nicht eines „solchen Menschen.“ -Bei ihm finden Glaube und Vernunft Einklang - Deshalb lehnt er konsequent den „vernunftwidrigen“ Wunderglauben ab. < Nathan gilt als Sprachrohr Lessings im Stück. Saladin: < Sultan Saladins Palast ist der Mittelpunkt der politischen Macht in Jerusalem und Schauplatz der letzten Szene < Während eines Angriffes auf Tebnin nehmen Saladins Männer 20 Tempelritter als Gefangene. -Nur einen dieser Tempelritter lässt Saladin am Leben, weil er seinem verschollenen Bruder Assad ähnlich sieht. < Saladin ist von muslimischer Abstammung und von Grund auf recht großzügig, was Geschenke 2 < und Gaben an bestimmte Personen angeht. -Dies treibt ihn schließlich in den wirtschaftlichen Ruin die Begegnung mit Nathan und der „Ringparabel“ wird zum Schlüsselerlebnis für Saladin. Der junge Tempelherr: < Der Tempelherr (Leu von Filnek) ist Christ und Mitglied des Templerordens -als Christ hat er auch die damals üblichen Vorurteile gegenüber Juden. < durch sein beherztes Eingreifen rettet er Recha aus den Flammen des brennenden Hauses -für diese Tat möchte er aber keinen Dank und keine Anerkennung, weil es für ihn selbstverständlich ist, zu helfen < nach einiger Zeit, in der er Daja, Recha und Nathan aus dem Weg geht, merkt er, dass er sich in Recha verliebt hat < zu Nathan kann der Tempelherr eine Freundschaft aufbauen und sein gesamtes Bewusstsein verändern < er ist gleicher Ansicht wie Nathan und Saladin, was die Religionen und das optimal menschliche Verhalten betrifft, jedoch fällt er wieder in religiöse Intoleranz zurück als er erfährt, dass Recha eine Christin ist. In der Schlussszene stellt sich heraus, dass der Tempelherr und Recha Geschwister sind. Der Patriarch: < der autoritäre Politiker ist der Gegenspieler Saladins und Nathans. < ist intolerant und glaubt an seine eigene Unfehlbarkeit. < sogar vor Mord würde er nicht zurückschrecken < Der Patriarch steht für den absolut unaufgeklärten Menschen. -Pastor Melchior Goeze soll für diese Figur Modell gestanden haben < Wegen seiner intoleranten Einstellung gegenüber anderen Religionen fehlt er in der Schlussszene, die alle Figuren vereint, die die Ideale der Aufklärung verinnerlicht haben, bzw., die im Laufe der Handlung des Dramas immer toleranter wurden. Der Klosterbruder: < steht in Diensten des Patriarchen und muss für ihn Botengänge erledigen. < zum Tempelherren soll er mit der Nachricht, dieser solle sich, wenn er der Christenheit einen Dienst erweisen wolle, bei Spionage im Sultanspalast und außerdem an einem Anschlag auf Saladin beteiligen. - dieser lehnt entschieden ab, was den Klosterbruder erfreut, denn auch er verabscheut die unehrenhaften Machenschaften des Patriarchen. < früher stand er in den Diensten von Assad, Saladins Bruder, der damals den Namen 'Wolf von Filnek' trug. < zeigte Nächstenliebe, als er das Waisenkind Blanda von Filnek (Recha) zu Nathan, unabhängig von Nathans Religionszugehörigkeit, brachte. Daja: < überzeugte Christin < verschließt sich den Lehren Nathans über die Toleranz, deshalb fehlt sie auch in der letzten Szene des Dramas < ist die Witwe eines während eines Kreuzzuges zusammen mit Kaiser Barbarossa ertrunkenen Kreuzfahrers Recha: < Geburtsname: Blanda von Filnek < wurde erst von Nathan Recha genannt < ist ein lernfähiger Mensch, wirkt aber in Folge des Einflusses Dajas anfangs etwas naiv, da sie (wie Daja) die Asozialität der Schwärmerei und des Wunderglaubens nicht erkennt < im Prinzip verwendet Recha aber ihren Verstand (trotz permanenter Verunsicherung durch Daja) so, wie es Nathan sie gelehrt hat < anfangs glaubt sie noch an eine Rettung durch einen Engel, schämt sich aber anschließend dafür < setzt sich für Nathan ein, obwohl er nicht ihr leiblicher Vater ist < hat sich in den Tempelherrn verliebt, erfährt aber erst später, dass er ihr Bruder ist Sittah: < Schwester Saladins < gibt ihrem Bruder Kredite, ohne dass dieser etwas davon weiß < hat einen besseren Bezug zur Realität und erkennt die tatsächliche politische Lage - bezeichnet die heiratspolitischen Pläne, eine Beziehung zwischen Muslime und Christen herzustellen, als Traum. 3 Al-Hafi: < Bettelmönch (auch als Derwisch bezeichnet) < Schachfreund Nathans < wird Schatzmeister des Sultans. < muss mit schlechten Mitteln Gutes tun, denn er soll Nathan überreden, dem Sultan Geld zu leihen. < sein Gelübde steht im Widerspruch zu seiner amtlichen Pflicht < wurde durch die Übernahme des Amtes von Saladin geschmeichelt und hoffte im Dienst und Auftrag Saladins, Armut und Not erfolgreich zu bekämpfen < Al-Hafi verabschiedet sich als „klassischer Aussteiger“ von Nathan an den Ganges, wo er sein alternatives Leben als Bettelmönch in seiner parsischen Glaubensgemeinschaft, den Ghebern leben will -fordert Nathan auf, ihn dorthin zu begleiten. < repräsentiert als Anhänger der Lehre des Zarathustra eine weitere Religion in diesem Drama Handlung: Der Jude Nathan kommt von einer Geschäftsreise zurück und erfährt, dass seine Pflegetochter Recha von einem christlichen Tempelherrn aus dem Feuer gerettet worden ist. Der Ordensritter verdankt sein Leben der Begnadigung durch den muslimischen Herrscher, Sultan Saladin. Dieser hat ihn als einzigen von zwanzig Gefangenen begnadigt, weil er Saladins verschollenem Bruder Assad ähnlich sah. Trotz der Unwahrscheinlichkeit der Ereigniskette ist Nathan nicht bereit, hierin ein Wunder zu sehen, und er überzeugt auch Recha davon, dass es schädlich sei, an das Wirken von Engeln und an Wunder zu glauben. Durch geschickte Rede überzeugt Nathan den Tempelherrn, dass es sinnvoll sei, ihn, Nathan, zu besuchen, um den Dank seiner Tochter entgegenzunehmen. Derweilen hat Saladin Geldsorgen, weswegen er Nathan zu sich bringen lässt. Er gibt dazu vor, Nathans bekannte Weisheit zu testen und fragt nach der „wahren Religion“. Nathan antwortet mit der Ringparabel. Saladin versteht schnell die Botschaft von der Gleichberechtigung der drei monotheistischen Religionen. Davon tief beeindruckt, bittet er, Nathans Freund sein zu dürfen. Noch erfreuter zeigt er sich, als er von Nathan ein Darlehensangebot erhält, ohne danach gefragt zu haben. Der Tempelherr hat sich unterdessen in Recha verliebt und möchte sie heiraten. Als er durch Information von Nathans Gesellschafterin Daja, einer Christin, herausfindet, dass Recha adoptiert ist und ihre leiblichen Eltern Christen waren, wendet er sich an den Patriarchen von Jerusalem, auch weil Nathans Reaktion auf die Idee einer Heirat sehr zurückhaltend ausgefallen ist. Der Tempelherr erzählt so, als handele es sich um einen hypothetischen Fall, doch das Kirchenoberhaupt Jerusalems möchte sofort „diesen Juden“ suchen und ihn wegen Apostasie auf den Scheiterhaufen bringen lassen. Durch ein Verzeichnis eines Klosterbruders stellt sich schließlich heraus, dass die von einem Juden erzogene Recha und der christliche Tempelherr Geschwister und zugleich die Kinder von Assad sind, der wiederum Saladins Bruder und Christ war. Somit sind sie auch noch Nichte und Neffe des Muslims Saladin, womit die enge Verwandtschaft der Religionen nochmals verdeutlicht wird. Nathan wird als Vater im Sinne der Seelenverwandtschaft und Adoption anerkannt. Die Ringparabel: NATHAN. Vor grauen Jahren lebt' ein Mann in Osten, Der einen Ring von unschätzbarem Wert Aus lieber Hand besaß. Der Stein war ein Opal, der hundert schöne Farben spielte, Und hatte die geheime Kraft, vor Gott Und Menschen angenehm zu machen, wer In dieser Zuversicht ihn trug. Was Wunder, Dass ihn der Mann in Osten darum nie Vom Finger ließ; und die Verfügung traf, Auf ewig ihn bei seinem Hause zu erhalten? Nämlich so. Er ließ den Ring Von seinen Söhnen dem geliebtesten; Und setzte fest, dass dieser wiederum Den Ring von seinen Söhnen dem vermache, Der ihm der liebste sei; und stets der liebste, Ohn' Ansehn der Geburt, in Kraft allein Des Rings, das Haupt, der Fürst des Hauses werde. Versteh mich, Sultan. SALADIN. Ich versteh dich. Weiter! NATHAN. So kam nun dieser Ring, von Sohn zu Sohn, Auf einen Vater endlich von drei Söhnen; Die alle drei ihm gleich 4 gehorsam waren, Die alle drei er folglich gleich zu lieben Sich nicht entbrechen konnte. Nur von Zeit Zu Zeit schien ihm bald der, bald dieser, bald Der dritte, - sowie jeder sich mit ihm Allein befand, und sein ergießend Herz' Die andern zwei nicht teilten, - würdiger Des Ringes; den er denn auch einem jeden Die fromme Schwachheit hatte, zu versprechen. Das ging nun so, solang es ging. - Allein Es kam zum Sterben, und der gute Vater Kömmt in Verlegenheit. Es schmerzt ihn, zwei Von seinen Söhnen, die sich auf sein Wort Verlassen, so zu kränken. Was zu tun? Er sendet in geheim zu einem Künstler, Bei dem er, nach dem Muster seines Ringes, Zwei andere bestellt, und weder Kosten Noch Mühe sparen heißt, sie jenem gleich, Vollkommen gleich zu machen. Das gelingt Dem Künstler. Da er ihm die Ringe bringt, Kann selbst der Vater seinen Musterring Nicht unterscheiden. Froh und freudig ruft Er seine Söhne, jeden insbesondre; Gibt jedem insbesondre seinen Segen, Und seinen Ring, - und stirbt. - Du hörst doch, Sultan? SALADIN (der sich betroffen von ihm gewandt). Ich hör, ich höre! - Komm mit deinem Märchen Nur bald zu Ende. - Wird's? NATHAN. Ich bin zu Ende. Denn was noch folgt, versteht sich ja von selbst. Kaum war der Vater tot, so kömmt ein jeder Mit seinem Ring, und jeder will der Fürst Des Hauses sein. Man untersucht, man zankt, Man klagt. Umsonst; der rechte Ring war nicht Erweislich; (nach einer Pause, in welcher er des Sultans Antwort erwartet) Fast so unerweislich, als Uns itzt - der rechte Glaube. SALADIN. Wie? das soll die Antwort sein auf meine Frage? . NATHAN. Soll mich bloß entschuldigen, wenn ich die Ringe Mir nicht getrau zu unterscheiden, die Der Vater in der Absicht machen ließ, Damit sie nicht zu unterscheiden wären. SALADIN. Die Ringe! - Spiele nicht mit mir! - Ich dächte, Dass die Religionen, die ich dir Genannt, doch wohl zu unterscheiden wären. Bis auf die Kleidung, bis auf Speis' und Trank! NATHAN. Und nur von Seiten ihrer Gründe nicht. Denn gründen alle sich nicht auf Geschichte? Geschrieben oder überliefert! - Und Geschichte muss doch wohl allein auf Treu Und Glauben angenommen werden? - Nicht? Nun, wessen Treu und Glauben zieht man denn Am wenigsten in Zweifel? Doch der Seinen? Doch deren Blut wir sind? doch deren, die Von Kindheit an uns Proben ihrer Liebe Gegeben? die uns nie getäuscht, als wo Getäuscht zu werden uns heilsamer war? Wie kann ich meinen Vätern weniger Als du den deinen glauben? Oder umgekehrt. Kann ich von dir verlangen, dass du deine Vorfahren Lügen strafst, um meinen nicht Zu widersprechen? Oder umgekehrt. Das nämliche gilt von den Christen. Nicht? SALADIN. (Bei dem Lebendigen! Mann hat recht. Ich muss verstummen.) Der NATHAN. Lass auf unsre Ring' uns wieder kommen. Wie gesagt: die Söhne Verklagten sich; und jeder schwur dem Richter, Unmittelbar aus seines Vaters Hand Den Ring zu haben. - Wie auch wahr! - Nachdem Er von ihm lange das Versprechen schon Gehabt, des Ringes Vorrecht einmal zu Genießen. - Wie nicht minder wahr! - Der Vater, Beteu'rte jeder, könne gegen ihn Nicht falsch gewesen sein; und eh' er dieses Von ihm, von einem solchen lieben Vater, Argwohnen lass': eh' müss' er seine Brüder, So gern er sonst von ihnen nur das Beste Bereit zu glauben sei, des falschen Spiels Bezeihen; und er wolle die Verräter Schon auszufinden wissen; sich schon rächen. SALADIN. Und nun, der Richter? - Mich verlangt zu hören, Was du den Richter sagen lässest. Sprich! NATHAN. Der Richter sprach: Wenn ihr mir nun den Vater Nicht bald zur Stelle schafft, so weis ich euch Von meinem Stuhle. Denkt ihr, dass ich Rätsel Zu lösen da bin? Oder harret ihr, Bis dass der rechte Ring den Mund eröffne? Doch halt! Ich höre ja, der rechte Ring Besitzt die Wunderkraft beliebt zu machen; 5 Vor Gott und Menschen angenehm. Das muss Entscheiden! Denn die falschen Ringe werden Doch das nicht können! Nun; wen lieben zwei Von Euch am meisten? Macht, sagt an! Ihr schweigt? Die Ringe wirken nur zurück? und nicht Nach außen? Jeder liebt sich selber nur Am meisten? - Oh, so seid ihr alle drei Betrogene Betrüger! Eure Ringe Sind alle drei nicht echt. Der echte Ring Vermutlich ging verloren. Den Verlust Zu bergen, zu ersetzen, ließ der Vater Die drei für einen machen. SALADIN. Herrlich! herrlich! NATHAN. Und also, fuhr der Richter fort, wenn ihr Nicht meinen Rat, statt meines Spruches, wollt: Geht nur! - Mein Rat ist aber der: ihr nehmt Die Sache völlig wie sie liegt. Hat von Euch jeder seinen Ring von seinem Vater: So glaube jeder sicher seinen Ring Den echten. - Möglich; dass der Vater nun Die Tyrannei des einen Rings nicht länger In seinem Hause dulden wollen! - Und gewiss; Dass er euch alle drei geliebt, und gleich Geliebt: indem er zwei nicht drücken mögen, Um einen zu begünstigen. Wohlan! Es eifre jeder seiner unbestochnen Von Vorurteilen freien Liebe nach! Es strebe von euch jeder um die Wette, Die Kraft des Steins in seinem Ring' an Tag Zu legen! komme dieser Kraft mit Sanftmut, Mit herzlicher Verträglichkeit, mit Wohltun, Mit innigster Ergebenheit in Gott zu Hilf'! Und wenn sich dann der Steine Kräfte Bei euern KindesKindeskindern äußern: So lad ich über tausend tausend Jahre sie wiederum vor diesen Stuhl. Da wird Ein weisrer Mann auf diesem Stuhle sitzen Als ich; und sprechen. Geht! So sagte der bescheidne Richter. Interpretation: Die Parabel ist dahingehend zu entschlüsseln, dass der Vater für Gott, die drei Ringe für die drei monotheistischen Religionen (Judentum, Christentum und Islam), die drei Söhne für deren Anhänger und der Richter vielleicht für Nathan selbst steht. Eine Aussage der Parabel wäre demnach, dass Gott die Menschen gleichermaßen liebe, unabhängig von ihrer Religionszugehörigkeit, da alle drei Religionen sein Werk und alle Menschen seine Kinder seien. Wichtig sei es, dass die Menschen sich nicht darauf versteifen, die „einzig wahre Religion“ zu „besitzen“, da sie das fanatisch und wenig liebenswert mache. Zudem sei es eine Zumutung, von Menschen zu verlangen, dass sie ihren Eltern vorwerfen, diese hätten sie zu einem „Irrglauben“ erzogen. Also soll jeder seinen Glauben für den richtigen halten, dies aber nicht anderen gegenüber geltend machen, da jede authentische Religion letztlich ihren Ursprung in Gott hat. Die Frage, welcher Ring der echte sei, müsse zurückgestellt werden, da keine der drei Religionen die Menschen so veredele, wie es der Fall sein müsste, wenn der echte Ring (die echte Religion) nicht verloren gegangen wäre, was nach Aussagen des Richters als Möglichkeit in Betracht gezogen werden müsse. Mit seiner Antwort weist also Nathan Saladins Frage nach der „einzig wahren Religion“ zurück. Wie für eine Parabel typisch, gehen auch im dritten Akt des Nathan Realität und Fiktion ineinander über. Die Geschichte Nathans, welche er dem Sultan Saladin erzählt, soll die Frage Saladins auf eine indirekte Weise beantworten und die Frage zugleich zurückweisen, da nach Nathan (Lessing) jeder Mensch seinen eigenen Glauben finden und anerkennen müsse, ohne die Richtigkeit anderer Religionen in Frage zu stellen. Völlig gebannt von der ihm vorgetragenen fiktiven Geschichte, schickt Saladin den weisen Nathan weg, um über die Lektion, welche ihm Nathan soeben erteilt hat, nachzudenken. Dass ein Mensch seines Charakters die Lehre der Parabel annimmt, ist ein wichtiges Gattungsmerkmal; dieses Verhalten soll der Zuschauer des Stückes nachahmen. TU-DO/WS 08-09/Yakit_Nathan-Referat, 16.01.09 6