Die Geschichte der Bartorilla-Moto Guzzi. Am Start des

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Die Geschichte der Bartorilla-Moto Guzzi. Am Start des
PANORAMA
Die Geschichte der Bartorilla-Moto Guzzi.
Text und Fotos: Justyn Norek
G
iuseppe Bartorilla, genannt „Pippo”, war in den Siebziger-Jahren einer der besten Trialfahrer Italiens. Wie alle
guten Trialsportler hat er bereits in jungen Jahren mit
dem Trialfahren begonnen. Schnell hat er seine Liebe zu
diesem Sport entdeckt, welche bis heute noch seine Passion ist.
Seinen ersten Wettbewerb fuhr er 1970 auf einer Bultaco
Matador Mk 2 als er 23 Jahre alt war. Wirklich ernsthaft Wett­
bewerbe zu fahren begann er dann 1971 auf einer Bultaco
Sherpa T. Er fuhr nicht mehr nur einzelne Läufe sondern nahm
an Serien teil, wo er immer unter den Ersten war und am Ende
dieses Jahres nur einen Punkt hinter dem Sieger den Vizetitel in
seiner regio­nalen Meisterschaft holte.
Im Jahr darauf musste er zum Militär, weshalb er die Bultaco
verkaufte. Aber sofort nach dem Wehrdienst kaufte er Anfang
1973 eine Ossa MAR – dem populärsten Motorrad in diesem
Jahr – und war zurück im Wettbewerb. In dem Jahr war der
spanische Werks-Trialfahrer Ignacio Buòto für Bultaco auf Promotion-Tour unterwegs in Italien. Er erkannte das Talent von Pippo
und empfahl ihn bei Bultaco. Diese boten ihm 1974 einen Vertrag
für die Italienische Meisterschaft an, den Pippo annahm und in
der Folge wieder auf Bultaco fuhr. Seinen ersten Laufsieg in der
Italienischen Meisterschaft holte er 1975.
Im Jahr darauf, 1976, bekam er ein sehr interessantes An­gebot vom neuen italienischen Montesa Importeur Essevi, den
er annahm. Bei Montesa erkannte man schnell seine Fähigkeiten
als guter Test- und Entwicklungsfahrer und setzte ihn für die
Entwicklung der COTA 348 ein, welche er dann im Jahr darauf,
1977, auch selbst fuhr. Auf der COTA 348 bestritt er in diesem
Jahr auch sein erstes Scottish Six Days Trial, welches er mit einem
„First Class Award“ (Platz 51 bis 100) beendete. Es war das erste
Jahr in dem die SSDT nicht in Edinburgh begann und endete
sondern in Fort William (Sieger war Martin Lampkin, Vater des
12-fachen Weltmeisters Dougie Lampkin).
Am Ende dieser Saison 1977 erzählte Pippo seinem alten
Freund Carlo Colombari, seines Zeichens Motorcross-Fahrer und
Mechaniker bei Moto Guzzi, und seinem Trainingspartner, Gigi
Pegoraro, bei einem Treffen von den speziellen Sektionen in
Schottland. Zusammen hatten sie dann die Idee, ein spezielles
Trial-Wettbewerbsmotorrad mit Viertaktmotor zu bauen, welches
mehr Traktion und eine bessere Leistungsabgabe für Langsamfahrten aufgrund des Viertaktmotors haben sollte.
Aus heutiger Sicht mag diese Idee ziemlich verrückt klingen,
aber man darf nicht aus dem Auge verlieren, dass zu diesem
Zeitpunkt Trial noch lange nicht so akrobatisch und extrem war
wie später. Stufen waren selten in Sektionen und wenn dann
waren sie niedrig, dafür waren enge Kehren und steile Auffahrten
an rutschigen Wurzelhängen an der Tagesordnung. Ähnliche
Überlegungen veranlassten Honda später dazu, ihre Werksfahrer
auf Trialmaschinen mit Viertaktmotoren zu setzen, was bekanntlich in den Weltmeistertiteln 1982–1984 von Eddy Lejeune/
Belgien gipfelte.
54 Am Start des Scottish Six Days
Trial 1979 standen zwei identische
Moto Guzzi Trial-Maschinen. Ihre
Viertaktmotoren waren damals
eine Sensation und schnell machte
das Gerücht im Fahrerlager die
Runde, dass die italienische Motorradschmiede aus Mandello del Lario
Interesse hätte in den Trialsport
einzusteigen. Was es mit diesen
vermeintlichen Prototypen wirklich
auf sich hatte, hat Justyn Norek
für uns in Erfahrung gebracht.
Bartorilla war schon immer von den früheren britischen
Viertakt-Trialmaschinen beeindruckt gewesen und als Fachmann
erkannte er natürlich auch die technischen Vorzüge von modernen Viertaktmotoren. Doch als Bultaco-Fahrer wusste er ebenso
gut, dass ein modernes Trialmotorrad kompakt und leicht sein
musste, selbst mit Viertaktmotor. Und so fiel die Wahl des
Trios auf den Motor der Moto Guzzi Stornello, weil dieser relativ
kompakt und leicht war. Natürlich dürfte auch die Tatsache,
dass Colombari bei Moto Guzzi arbeitete, diese Wahl beeinflusst
haben. Allerdings wurde der original nur 175 cm³ große Motor
mit einem neuen Zylinder auf 222 cm³ vergrößert und mit hohem
Aufwand abgespeckt.
Das Ergebnis dieser kühnen Idee war eine Moto Guzzi Trialmaschine, die trotz Viertaktmotor sehr kompakt und mit 84 kg
auch leicht genug war, um zu dieser Zeit voll Konkurrenzfähig zu
sein. Die Maschine war dank steileren Lenkwinkels handlich und
fuhr sich aufgrund bester Federungskomponenten ausgezeichnet.
Vorn kam eine ultraleichte Marzocchi Magnesium-Gabel zum
Einsatz und hinten Federbeine aus der Entwicklungsabteilung von
Bitubo. Viele Schrauben von Poggipolini waren aus Titan und
die Tank-Sitzbank-Kombination aus Fiberglas.
Diese rot lackierte Moto Guzzi sorgte bei ihrem Debüt 1978
für große Aufregung im Fahrerlager des ersten Italienischen Meisterschaftslaufes – erst Recht nach dem Sieg von Pippo! Fortan
wurde die Maschine Bartorilla-Moto Guzzi genannt. Er beendete
die Saison auf dem zehnten Platz der Italienischen Meisterschaft.
Im Jahr darauf beschloss Pippo nicht an der Italienischen
Meisterschaft teilzunehmen, sondern fuhr für den italienischen
Bultaco Importeur Leopoldo Tartarini nur ausgewählte Läufe auf
einer Sherpa. Von diesem erhielt er jedoch die Freigabe, bei der
SSDT auf seiner geliebten Bartorilla-Moto Guzzi starten zu dürfen.
Im Schlepptau hatte er Freund und Mitentwickler Gigi Pegoraro.
So kam es, dass am Start der SSDT 1979 zwei identische Moto
Guzzi Trialmaschinen standen, und einen riesen Wirbel verur­sach­
ten. Bevor Bartorilla es sich versah, war das Gerücht geboren,