Einzelzellen für die forensische DNA-Analyse direkt
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Einzelzellen für die forensische DNA-Analyse direkt
185 Rechtsmedizin Einzelzellen für die forensische DNA-Analyse direkt vom Spurenträger TANJA DAMBOR 1 , SIMON BRÜCK 1 , FRANK HEIDORN 1 , UTE MÜLLER 2 , MARCEL A. VERHOFF 1 1 INSTITUT FÜR RECHTSMEDIZIN, UNIVERSITÄT GIEßEN 2 AURA OPTIK, JENA Mithilfe eines Mikroskops mit einem digitalen Mikromanipulator werden einzelne Epithelzellen von Spurenträgern gesichert. Die forensische DNA-Analyse der Einzelzellen erfolgt mittels Sequenzierung der hypervariablen Region der mtDNA. With a technique using a microscope with a digital micromanipulator, single epithelial cells can be lifted off the surface of material evidence and can be directly made available for forensic DNA-testing. DNA-testing is then accomplished by sequencing the hypervariable region of the mtDNA. ó Für die forensische DNA-Analytik ist das am häufigsten verwendete Verfahren die Amplifikation der short tandem repeats (STRs) der Kern-DNA (ncDNA) [1]. In Fällen mit zu wenig bzw. zu schlecht erhaltenem Spurenmaterial für die STR-Analyse können verschiedene alternative Methoden eingesetzt werden, die ständig weiterentwickelt werden. Etabliert hat sich hierbei unter anderem die Sequenzierung der hypervariablen Region der mitochondrialen DNA (mtDNA) [2–5]. Ein Problem bei sehr wenig zellulärem Material an einer Spur ist der Verlust an DNA bei der Gewinnung von Abstrichen, der Aufarbeitung und der anschließenden DNA-Extraktion. Ein Lösungsansatz ist, Zellen direkt vom Spu- A renträger zu gewinnen und der DNA-Analytik zuzuführen [6]. Bei sogenannten Mischspuren, die von mehreren Spurenverursachern stammen [7], könnten Einzelzellanalysen eine klare Trennung der verschiedenen Spurenverursacher ermöglichen. Die DNA-Analyse forensisch relevanter DNA-Abschnitte aus Einzelzellen ist möglich [8, 9], allerdings bislang noch nicht in der Fallarbeit der forensischen DNA-Analyse etabliert. Vorbereitungen für die Einzelzellanalyse und Vergleichssequenzen Die konsequente Kontaminationsprophylaxe stellt eine wichtige Basis für die forensische DNA-Analyse dar. Mit sterilen Abstrichtup- B fern werden Wangenschleimhautabstriche von Probanden genommen. Jeweils ein Tupfer wird für die Erstellung der Vergleichssequenz der Probanden eingesetzt. Zur Herstellung der „Spurenträger“ werden die Tupfer auf den Oberflächen von herkömmlichen gläsernen Objektträgern sowie den metallischen Schenkeln und Kunststoffgriffen handelsüblicher Scheren ausgestrichen. Gewinnung der Einzelzellen vom Spurenträger Zur Detektion und Kontrolle des Zelltransfers steht das hochauflösende Stereomikroskop SteREO Lumar.V12 (Zeiss) mit dazugehöriger Fluoreszenzeinheit (Lichtquelle HBO 103 und Filtersätze, unter anderem für UV) zur Verfügung. Für den Zelltransfer wurde im Rahmen der vorgestellten Arbeit von aura optik ein für dieses Mikroskop passender motorisierter Mikromanipulator entwickelt (aureka®). Zur Zellaufnahme werden Mikrokugeln aus Sephadex G50 (Sigma-Aldrich) mit einem mittleren Durchmesser von 150 μm eingesetzt. Mit der im Winkel von 32 Grad zum Objekttisch eingespannten Pinzette und 150-facher Vergrößerung wird zunächst eine der Mikrokugeln aus einem Glasobjektträger mit zentraler Vertiefung (Marienfeld) aufgenommen. Zur Kontrolle der optimalen Platzierung der Kugel dient ein Spiegel, welcher in einem C ˚ Abb. 1: Aufnahme einer Zelle direkt vom Spurenträger und Ablage im Reaktionsgefäß. A, Detektion einer Epithelzelle mit gut sichtbarem Zellkern und Positionierung einer Mikrokugel etwas oberhalb der fokussierten Zelle. B, Kontrolle der an der Unterseite der Kugel haftenden Zelle mithilfe eines Spiegels. C, Ablage der Kugel mit anhängender Zelle in einem Feld eines AmpliGrid-Objektträgers. Weitere Erklärungen im Text. BIOspektrum | 02.11 | 17. Jahrgang DOI: 10.1007/s12268-011-0029-z 186 W I S S ENS CH AFT · S PECIA L : F OR E NSI K Tab. 1: Beispielhafte Darstellung eines Probanden mit insgesamt fünf Abweichungen von der Cambridge Reference Sequence (CRS). Die Einzelzelle des Probanden weist dieselben Abweichungen auf. Abweichung Nr. Position CRS Proband 1 Einzelzelle 1 16.183 A C C 2 16.189 T C C 3 16.223 C T T 4 16.255 G A A 5 16.278 C T T bei 72 °C. Als Primer werden F15989 ([5’→3’]-CCC AAA GCT AAG ATT CTA AT) und R16420 ([5’→3’]-TGA TTT CAC GGA GGA TGG TG) eingesetzt. Kontrolle der Amplifikate mittels Gelelektrophorese Die Proben werden auf ein EthidiumbromidGel aufgetragen und unter UV-Licht ausgewertet. Für die weitere Sequenzierung werden nur die Proben ausgewählt, die eine Bande im Gel zeigen. Zusätzlich dient die Gelelektrophorese der Bestimmung der in der Sequenzierung benötigten Menge an PCRProdukt. Die Proben auf dem AmpliGrid können aufgrund des geringen Reaktionsvolumens nicht mittels Gelelektrophorese kontrolliert werden. Sequenzierung ˚ Abb. 2: Ausschnitt aus dem Elektropherogramm der Sequenzierung der Einzelzelle von Proband 1 (Tab. 1) aus der Variant Reporter® Software. Dargestellt ist die fünfte Abweichung auf Position 16.278 (Tab. 1). Winkel von 45 Grad zum Objekttisch auf diesem liegt. Unter Einsatz des UV-Lichts wird eine kernhaltige Zelle detektiert und fokussiert. Mit dem Manipulator wird die Kugel in der Pinzette in die Nähe der Zelle verbracht (Abb. 1A). Dann wird ein programmierter, automatischer Bewegungsablauf des Manipulators gestartet: Die Kugel bewegt sich auf der horizontalen Achse mit definierbarer Länge von links nach rechts und wieder zurück. Bei jedem Richtungswechsel senkt sich die Kugel um ein programmierbares Maß. Die Kugel wird so schrittweise angenähert bis zum Kontakt mit der Oberfläche des Spurenträgers und der Adhäsion der Zelle. In diesem Moment wird die Bewegung manuell gestoppt und der Manipulator etwas nach oben gefahren. Die Positionierung der Zelle an der Unterseite der Kugel wird kontrolliert unter Zuhilfenahme eines Spiegels (Abb. 1B). Mithilfe der verwendeten Mikrokugeln gelingt die Zellaufnahme von Glas, Metall und Kunststoff. Der Transfer der Kugel mitsamt anhaftender Zelle erfolgt entweder in ein PCR-Gefäß (MicroAmp Reaction Tube with Cap; 0,2 ml; ABI) oder auf den Objektträger AmpliGrid® (Advalytix) [10, 11]. Dazu wird in das PCRGefäß bzw. auf den AmpliGrid ein Wassertropfen (≤ 1 μl) vorgelegt. Der AmpliGrid wird direkt auf den Objekttisch gelegt und die Kugel unter mikroskopischer Sicht von oben in den Wassertropfen abgelegt (Abb. 1C). Um die Zellablage in die PCR-Gefäße zu erleichtern, werden diese mittels einer Vorrichtung im 45-Grad-Winkel mit dem Manipulationswerkzeug positioniert. Die Ablage der Kugel gelingt mit der Diagonalbewegung des Mikromanipulators. PCR Die gewonnenen Zellen werden nach der Mikromanipulation mindestens zwölf Stunden bei –80 °C gefroren. Zur Amplifizierung der HV1-Region erfolgt zunächst eine dreiminütige Denaturierung bei 95 °C, gefolgt von 38 Zyklen, bestehend aus 45 Sekunden bei 95 °C (Denaturierung), 60 Sekunden bei 50 °C (Hybridisierung) und 60 Sekunden bei 72 °C (Elongation). Abschließend folgen zehn Minuten finale Elongation Die Aufreinigung des PCR-Produkts erfolgt entweder mit dem QIAquick® PCR Purification Kit (Qiagen) oder mittels der Exonuklease ExoSAP-IT® (USB). Als Primer wird der jeweilige Primer aus der PCR-Reaktion verwendet. In diesem Fall sind das für die Vorwärtsreaktion der Primer F15989 (10 pmol/μl) und für die Sequenzierung des komplementären Strangs in entgegengesetzter Richtung der Primer R16420 (10 pmol/μl). Die Sequenzierung im Thermocycler beginnt mit einem Zyklus von einer Minute bei 96 °C, darauffolgend 25 Zyklen, die sich zusammensetzen aus einer Denaturierung von zehn Sekunden bei 96 °C, einer Hybridisierung von fünf Sekunden bei 50 °C und einer Elongation von vier Minuten bei 60 °C. Vor der abschließenden Kapillarelektrophorese werden die Sequenzierprodukte mittels Gelfiltration unter Verwendung des illustra™ AutoSeq™ G-50 Dye Terminator Removal Kit (GE Healthcare) von überschüssigen Nukleotiden, Primern und Salzen gereinigt. Im Anschluss an die Kapillarelektrophorese der Sequenzierproben auf dem ABI PRISM 310 Genetic Analyzer (Applied Biosystems) erfolgt die Auswertung der Daten mit der Variant Reporter® Software (Applied Biosystems) (Abb. 2). Sequenzierungsergebnisse einer Einzelzelle zur Individualtypisierung Für die Auswertung werden nur die Abweichungen der erhaltenen Sequenz von einer Referenzsequenz (Cambridge Reference SeBIOspektrum | 02.11 | 17. Jahrgang quence, CRS) notiert. Von allen Probanden wurde die Sequenz der HV1-Region als Vergleichssequenz bereits vor der Einzelzellgewinnung direkt von einem Stieltupfer gewonnen. In Tabelle 1 sind exemplarisch die Abweichungen von der CRS für einen Probanden und eine Einzelzelle dargestellt. Ein Ausschnitt aus dem Elektropherogramm der Sequenzierung zeigt Abbildung 2. Der Proband und die Einzelzelle weisen dieselben fünf Abweichungen von der CRS auf. Fazit Die von uns entwickelte Methode eröffnet für die forensische DNA-Analyse erstmals die Möglichkeit, einzelne Epithelzellen auf Spurenträgern (Glas-, Metall- und Kunststoffoberflächen) zu identifizieren, nach morphologischen Kriterien auszuwählen, aufzunehmen und direkt in ein Reaktionsgefäß zu überführen [6]. Der abschließende Arbeitsschritt kann nach Programmierung voll automatisiert ablaufen. Im Gegensatz zur Laser-Mikrodissektion [12] hat die von uns vorgestellte Technik den Vorteil, dass weder Gewebe mit z. B. Formalin oder Paraffin fixiert werden muss, noch Objektträger vor Auftragen der zu untersuchenden Zellen behandelt werden müssen. Einsatzbereich unserer Methode sind Spurenträger mit wenig zellulärem Material. Durch die direkte Abnahme entfällt das Anfertigen eines Abstrichs von der Oberfläche des Spurenträgers, wie es zurzeit in der forensischen Routineanalytik üblich ist und die Gefahr des Verlustes von Spurenmaterial birgt. Werden mehrere der gewonnenen Zellen in dasselbe Reaktionsgefäß überführt, kann so die Ausbeute an geeigneten Zellen für die STR-Analyse verbessert werden. Eine weitere Anwendung ist die forensische Einzelzell-DNA-Analyse [8] mit Sequenzierung des D-Loops der mtDNA. Diese kann als ultima ratio angesehen werden, wenn die herkömmliche mtDNA-Ana- lyse zu keinem Ergebnis oder zu Hinweisen auf eine Mischspur geführt hat bzw. wenn von vornherein nicht genügend Zellen für eine herkömmliche STR- oder mtDNA-Analyse vorliegen. ó Literatur [1] Brinkmann B (2004) Forensische DNA-Analytik. Dtsch Arztebl 101:A2329–A2335 [2] Oberacher H, Niederstätter H, Parson W (2007) Liquid chromatography-electrospray ionization mass spectrometry for simultaneous detection of mtDNA length and nucleotide polymorphisms. Int J Legal Med 121:57– 67 [3] Parson W, Brandstätter A, Alonso A et al. (2004) The EDNAP mitochondrial DNA population database (EMPOP) collaborative exercises: organisation, results and perspectives. Forensic Sci Int 139:215–226 [4] Szibor R, Plate I, Heinrich M et al. (2007) Mitochondrial D-Loop (CA)n repeat length heteroplasmy: frequency in a German population sample and inheritance studies in two pedigrees. Int J Legal Med 121:207–213 [5] Szibor R, Plate I, Schmitter H et al. (2006) Forensic mass screening using mtDNA. Int J Legal Med 120:372– 376 [6] Brück S, Evers H, Heidorn F et al. (2011) Single cells for forensic DNA analysis – from evidence material to test tube. J Forensic Sci 56:176–180 [7] Andréasson H, Nilsson M, Budowle B et al. (2006) Quantification of mtDNA mixtures in forensic evidence material using pyrosequencing. Int J Legal Med 120:183– 390 [8] Brück S, Thias V, Heidorn F et al. (2010) Sequenzierung der HV1- und HV2-Region der mtDNA an einzelnen Epithelzellen. Rechtsmedizin 20:25–33 [9] Lutz-Bonengel S, Sänger T, Parson W et al. (2008) Single lymphocytes from two healthy individuals with mitochondrial point heteroplasmy are mainly homoplasmatic. Int J Legal Med 122:189–197 [10] Lutz-Bonengel S, Sänger T, Heinrich M et al. (2007) Low volume amplification and sequencing of mitochondrial DNA on a chemically structured chip. 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