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KARRIERE: Mein Leben, mein Job Network APRIL 2016 ERST GEMEINSAM IN DER WG – JETZT CHEF DIE GRÜNDER DES LUXUSUHRENPORTALS CHRONEXT ROBOTIK, BIG DATA & CO DIE LOGISTIKBRANCHE WIRD DIGITAL – WER PROFITIERT? STEFAN SCHÄFER, 30 WIRTSCHAFTSINFORMATIKER VW FINANCIAL SERVICES JOB & FREIHEIT ARBEITEN MAL GANZ ZWANGLOS MITARBEITER UND UNTERNEHMEN BRECHEN MIT ETABLIERTEN REGELN IN KOOPERATION MIT „Some call it work. I call it: networking.“ Ilka Bewerunge, Betriebsleiterin Audi City. Sie versorgt die Audi Händler weltweit mit Software-Updates für deren digitale Schauraum-Elemente. So können Kunden vor Ort ihre individuell konfigurierten Wunschautos in 3D-Optik und in 360 Grad erleben. Nur ein Beispiel von vielen, wie Vorsprung entsteht, wenn Arbeiten sich nicht wie Arbeit anfühlt. Weitere grenzüberschreitende Jobs unter vorsprung-bei-audi.de Aus Visionen Vorsprung machen. In Kooperation mit Inhalt Titel: Foto: Murat Aslan für FOCUS-Magazin. Inhalt: Fotos: Dominik Asbach, Sven Sindt, Stefan Thomas Kröger/alle für für FOCUS-Magazin. Illustration: Ellakookoo für FOCUS-Magazin 32 16 36 Am Puls der Zeit: Chronext-Gründer Philipp Man und Ludwig Wurlitzer Hightech für den Schuh: Die Speedfactory von Adidas Designer mit Visionen: Szene-Star Maurice Schadowske 4 Chatroom Bewerbungsgespräche mit mehreren Personalern versprechen mehr Erfolg 16 28 „Jede Woche ein Kurzurlaub“ 6 Die besten Fänge aus dem Netz Blogs und Portale für alles, was in der heutigen Arbeitswelt wirklich zählt Digitale Uhrmacher Zwei Gründer beherrschen das Geschäft mit Luxuszeitmessern im Netz perfekt 20 Coach to go Genetiker Markus Hengstschläger über vererbte Talente und lebenslanges Lernen 24 8 T I T E LT H E M A Die große Freiheit Wie Mitarbeiter ihre Idealvorstellungen vom Job realisieren und warum die Firmenkultur dafür wichtig ist 14 Zoom Netzwerke helfen Deutschen, die im Ausland arbeiten wollen, und Flüchtlingen, die nach Deutschland kommen FOCUS 14/2016 Erlaubt ist, was gefällt Dem Leben und der Arbeit Sinn geben – Network zeigt, wie es geht Mit Teilzeit für alle steigert ein Gründer die Kreativität im Mitarbeiterteam 324 Unterwegs auf neuen Routen Die Logistikbranche wird digital – und lässt neue spannende Jobs entstehen 36 Ladenhüter aus Leidenschaft Hipster entdecken den Einzelhandel für sich 40 MentoringCorner Tipps von alten Hasen für junge Hüpfer: So klappt es mit dem Berufseinstieg 42 Moodboard Frühlingsgefühle: Wichtige Treffpunkte für Karriere-Macher und (Design-)Verliebte 3 Chatroom Neues für Netzwerker Wer sich bewirbt und auf ein Trio trifft, braucht viel Überzeugungsvermögen Network-Knigge Das 6-Augen-Prinzip Der Grund: Sitzt dem Bewerber nur ein Personalverantwortlicher gegenüber, lässt sich dieser oft von Vorurteilen leiten oder trifft seine Entscheidung impulsiv. Jeder Unternehmensvertreter verbindet Aussehen, Sprache und Werdegang des Kandidaten mit gewissen Eigenschaften. In einer Gruppe von drei Menschen gleichen sich die Vorurteile der einzelnen meist aus. Dank der gemeinsamen Auswahl finden Unternehmen so häufiger den Bewerber, der am besten zu ihnen passt. Wie die BIT-Studie weiter ergab, wählen Einzelpersonen bei klar erkennbaren Qualitätsunterschieden zwischen den Kandidaten in 16 Prozent der Fälle die geringer qualifizierte Person. Übernimmt ein Trio mit unterschiedlichem Fachwissen, Erfahrungen und Persönlichkeiten die Aufgabe, passiert das nur bei sechs von 100 Personalentscheidungen. Harte Nüsse Personaler und potenzielle Vorgesetzte überraschen Bewerber in Gesprächen gern mit unerwarteten Fragen. Die Job-Plattform Glassdoor hat jüngst die fünf härtesten Fragen unter mehr als 1000 Posts ausgesucht. Wer gut vorbereitet sein will, sollte sich passende Antworten zurechtlegen. Was ist Ihr persönliches Geheimnis? Wie nennt man möglichst schnell alle Primzahlen bis n? „Welche Informationen gehören in eine Kontaktanfrage? “ Stellen Sie sich vor, es klingelt an Ihrer Haustür. Sie öffnen, und vor Ihnen steht ein Mann, der Ihnen noch nie begegnet ist: „Ich habe Ihr Haus gesehen und dachte, wir sollten Kontakt haben“, erklärt er Ihnen. Eine solche Kontaktanfrage, wie sie im persönlichen Miteinander wohl kaum vorkommt, ist in (beruflichen) sozialen Netzwerken gang und gäbe: „Hallo, ich habe mir mal Ihre Seite angeschaut und wollte Sie kontaktieren.“ Warum aber sollten Sie diesen Kontakt bestätigen? Im Internet ist Höflichkeit genauso wichtig wie im persönlichen Miteinander. Also gehört es zum guten Ton, dass Sie sich kurz vorstellen. Der andere will doch wissen, wer Sie sind und was Sie von ihm wollen. Die Möglichkeit „Der soll sich halt mein Profil ansehen“ reicht dazu bei Weitem nicht aus. Nennen Sie deshalb Ihren Namen, eventuell auch Ihre berufliche Position und Firma, und stellen Sie kurz dar, was Sie brauchen, sich erhoffen oder Ihrem Wunschkontakt bieten können. Geben Sie insgesamt einen guten Grund, Ihre Kontaktanfrage zu bestätigen. Bitte versuchen Sie, den jährlichen Verbrauch von Clearasil in Deutschland zu schätzen? Nennen Sie sieben Dinge, die Sie mit diesem Stift machen können? Eine Maschine produziert die Milch für Starbucks – wie viele Läden gibt es weltweit? Wie viele Kühe brauche ich? Wie schnell müssen sie durch die Maschine gehen? 4 Alexandra Sievers aus München ist Chefredakteurin von „Der große Knigge“ (www.stil.de) und Beraterin für überzeugendes Auftreten und wirkungsvolle Rhetorik. FOCUS 14/2016 F otos: plainpicture, privat Illustrationen: Axel Pfaender für FOCUS-Magazin Rekrutieren Unternehmen neue Bewerber, wählen sie idealerweise ein dreiköpfiges Team aus, das über den Kandidaten entscheidet. Das ergab eine Studie des britischen Behavioural Insights Team (BIT). In Kooperation mit M O N TAG Eine Network-Woche im Leben von Riccardo Simonetti INPUT FÜR DIE FANS Die Woche startet an einem Set für ein Musikvideo. In erster Linie geht es darum, der bestmögliche Darsteller zu sein. Zeitgleich wollen wir aber auch mehr als 50 000 Menschen über Instagram und Snapchat mit Making-ofBildern und Infos hinter den Kulissen versorgen. D I E N STAG MARKETING-SHOOTING IN MÜNCHEN Ich schreibe meinen „Anti Homophobie“-Beitrag auf meinem Blog fertig. Danach fliege ich nach München. Dort steht ein Shooting für den Blumenlieferanten Fleurop an, mit dem ich mich selbst unter meinen Fans zum Valentinstag verlose. MITTWOCH Riccardo Simonetti zählt zu den bekanntesten Bloggern Deutschlands. Der 23-jährige Bayer gründete den Blog „The Fabulous Life of Ricci“, um seinen Spaß an Mode, sein Leben als Model und Schauspieler zu dokumentieren. Er gilt mittlerweile als Impulsgeber in Sachen Mode. ACHTERBAHNFAHRT IN PARIS Heute werde ich für gleich drei verschiedene Magazine – und natürlich meinen Blog – im Disneyland Paris fotografiert. Zwischen den OutfitWechseln muss genug Zeit sein für Backstage-Material, Snapchat und natürlich auch fürs Achterbahnfahren. BE|GRIFFS|KLÄRUNG Augmented Reality Der englische Begriff umschreibt laut gängigen Online-Lexika „die computergestützte Erweiterung der Realitätswahrnehmung“. Sie ergänzt die Situation, in der sich Menschen tatsächlich befinden, und kann alle Sinnesorgane ansprechen. Wer ein Fußballspiel im Fernsehen verfolgt, sieht das Spielfeld, die Mannschaften, erhält im Fall eines Freistoßes aber oft auch computergenerierte Zusatzinformationen. Zum Beispiel einen Kreis, der zeigt, wie weit der Freistoßpunkt vom Tor entfernt ist. Forscher testen derzeit Navigationsgeräte für Datenbrillen, die Menschen an Bahnhöfen per eingeblendeter Linie anzeigen, wie sie von der U-Bahn zum Bahnsteig kommen. Infos, ob der Zug pünktlich ist, soll die Datenbrille gleich mitliefern wie auch die Adressen nahe gelegener Cafés, falls die Bahn auf sich warten lässt. FOCUS 14/2016 D O N N E R STAG ACTION IN PARIS UND BERLIN Ein neues Foto-Shooting in Paris. Parallel begutachte ich Pressebilder, die wir für ein Format auf E! Entertainment gemacht haben. Das war ein Highlight für mich, weil in der Sendung die tollsten Oscar-Outfits Thema waren. Direkt im Anschluss geht es zur Berlinale, wo ein Event den nächsten jagt. F R E I TAG AUSTAUSCH VIA BLOG UND MAIL Heute habe ich frei – eigentlich. Mir steht aber eine 10-Stunden-Schicht am PC bevor. Ich will in meinem Blog die Woche Revue passieren lassen. Ich muss Hunderte E-Mails beantworten. Ich könnte nicht glücklicher sein, denn mein Job besteht darin, ich selbst zu sein. Ein Privileg, das ich sehr schätze. 82 PROZENT DER BEWERBER IN DEUTSCHLAND FINDEN DAS KRITERIUM FREIZEIT BEI DER WAHL IHRES ZUKÜNFTIGEN ARBEITGEBERS SEHR WICHTIG BEZIEHUNGSWEISE WICHTIG. DAS ERGAB EINE UMFRAGE DES HAMBURGER DATENDIENSTLEISTERS STATISTA. 5 In Kooperation mit Chatroom Die XING-Kolumne Die besten Fänge aus dem Netz Job mit Zukunft: Unternehmen umwerben Ingenieure intensiv Thomas Vollmoeller Website I Entscheidungshilfe www.gehalt.de Auf dem Vergleichsportal finden Schulabgänger und Bewerber Informationen zu zehn Berufen, für die Unternehmen künftig besonders viele Bewerber suchen. Demnach hält die Wirtschaft vor allem Ausschau nach IT-Experten und Ingenieuren, die das intelligente Auto planen. IT-Sicherheitsexperten und Mathematiker brauchen sie, um neue Verschlüsselungsmethoden gegen die Kriminalität im Netz zu entwickeln. Auch Logistiker und Experten für Suchmaschinen – sogenannte SEO-Experten – haben als Berufseinsteiger beste Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Wer noch mehr über einzelne Berufe, Branchen und Gehalt wissen will, findet auf gehalt.de weiterführende Informationen. App KammEntGo. Die schlichte App nützt allen Berufstätigen, die ihre Arbeitszeit erfassen müssen oder wollen. Per Klick können sie ihr Kommen und Gehen bei ihren Auftraggebern eintragen und verwalten. Die gebuchten Zeiten lassen sich später auf Konten verwalten und in Listen exportieren, die dann bei Bedarf die anfallenden Kosten der jeweiligen Kostenstelle, dem Projekt und Auftrag zuordnen. Blog www.secretsites.de/joblog/ Auf dem Jobbörsen- und Karriereblog findet sich Wissenswertes über Karrierewege, neue Berufsbilder oder Führungsthemen, beispielsweise was ein Team erfolgreich macht. Auch wer Informationen über Jobs im Ausland sucht, eine Promotion überlegt oder gerade eine Bewerbung schreibt, bekommt hier gute Tipps. Website II www.frankfurt-university.de/fra-uas-hilft Die Frankfurter University of Applied Sciences (UAS) unterstützt Flüchtlinge. Dafür richtete sie im Herbst 2015 die Koordinierungsstelle „FRA-UAS-hilft“ ein, die bei Studierenden und Lehrenden Unterstützungsangebote sammelt und veröffentlicht. Menschen, die in ihrem Heimatland ein Studium begonnen haben, sollen die Chance haben weiterzustudieren: Die UAS will ihnen unter anderem den Hochschulzugang erleichtern – durch Sprachkurse oder Partnerschaften. 6 „Freiheit ist das Einzige, was zählt“, singt Marius MüllerWesternhagen. Auch wenn diese Songzeile einen anderen Kontext hat, lässt sie sich auf die Arbeitswelt übertragen. Freiheit ist der zentrale Punkt in der Diskussion um die Arbeitswelt von morgen. Freiheit im Sinne von Selbstbestimmung oder der Möglichkeit, eigene Ideen einzubringen. Freiheit, seine Arbeit so zu gestalten, dass sie zur Lebenssituation passt – denn Arbeitszeit ist Lebenszeit. Lebensqualität und Vereinbarkeit von Freizeit und Job sind heute vielen Menschen wichtiger als hohe Gehälter. Wir sollten die veränderten Wertmaßstäbe als Chance begreifen. Wir brauchen neue Formen der Arbeitsorganisation, die dem Wunsch nach mehr Freiheit gerecht werden. Das ist gut für die Menschen – und für die Innovationsfähigkeit von Unternehmen. Das belegen Studien. Wie kann diese Freiheit aussehen? Virtuelle Teams, die weltweit verstreut und asynchron arbeiten, eine 4-Tage-Woche für das komplette Unternehmen oder auf die Betreuung der Kinder abgestimmte Arbeitszeiten in der Produktion – die Ansätze sind unterschiedlich. Es gibt kein Richtig oder Falsch, keine Schablone. Jedes Unternehmen muss seinen Weg finden. Ihn herauszufinden ist anstrengend. Aber es lohnt sich – für Firma und Mitarbeiter! FOCUS 14/2016 Foto: plainpicture Illustration: Bernd Schifferdecker XING-Vorstandschef Anja gibt ihr Bestes Vodafone heißt für mich vor allem mehr Möglichkeiten. Ein Unternehmen, das Engagement und Einsatz – besonders auch von Frauen – zu schätzen weiß und entsprechend fördert. Das ist „The Vodafone Way“. We’re at our best when you’re at yours. Besuch uns auf vodafone.de/jobs Vodafone Power to you 7 DIE GROSSE FREIHEIT 8 FOCUS 14/2016 In Kooperation mit Viele Mitarbeiter fordern heute mehr Entscheidungsspielraum, sie wollen eigene Impulse setzen und verantwortlich mitgestalten. Das kann gelingen, wenn Mitarbeiter und Vorgesetzte mitziehen. Vor allem aber ist es eine Frage der Unternehmenskultur Kann nach Laune planen: Volkswagen Financial Services lässt Projektleiter Stefan Schäfer jede Menge Freiheiten FOCUS 14/2016 F oto: Stefan Thomas Kröger für FOCUS-Magazin S tefan Schäfer ist ein Fan von Agilität. Und als solcher hat er bei seinem Arbeitgeber Volkswagen Financial Services einiges auf den Kopf gestellt. Der 30-jährige Wirtschaftsinformatiker ist für die Entwicklung des Web-Auftritts, des Online-Bankings und der Apps verantwortlich. Als Großprojekt liegt die Überarbeitung der Web-Seiten auf seinem Tisch. Der Internet-Auftritt soll für die Kunden noch besser und komfortabler werden. Als Erstes entwickelten Schäfer und sein Team eine neue digitale Antragsstrecke für das Tagesgeldkonto. „Ich wollte mich aber nicht, wie sonst üblich, ein halbes Jahr einschließen und die Ergebnisse erst dann, wenn sie alle abgenickt haben, testen“, erzählt der Braunschweiger. Er konnte seine Chefin Barbara Rosner von einem agilen Vorgehen überzeugen. Ein Team, zusammengesetzt aus Mit9 arbeitern der Abteilungen, die an und später mit der Antragsstrecke zu tun haben, erarbeitet gemeinsam mit Testkunden in einem geschützten Raum per Trial and Error die Verbesserungen. Alle 14 Tage trifft sich die Gruppe, um den Projektstand zu bewerten und neue Aufgaben festzulegen. Nicht nur die Ergebnisse überzeugen. Schäfer merkt, dass er selbst auch engagierter bei der Sache ist. „Ich sehe direkt die Auswirkungen der eigenen Arbeit. Das motiviert und macht mich zufriedener.“ Dass auch abends noch die eine oder andere Mail reinkommt, störe ihn daher nicht. „Ich bin ja stolz auf die Sache, die wir da machen – es ist mein Baby.“ Inzwischen hat der Konzern beschlossen, 50 Prozent seiner Projekte bis 2020 agil anzugehen. „Wir wollen Verantwor10 tung schrittweise dahin delegieren, wo die Expertise liegt, und Entscheidungen nicht mehr starr in der Linie treffen“, sagt Personalvorstand Christiane Hesse. Die Abteilungen, die am Ende mit einer Entscheidung arbeiten müssen, sollen an einen Tisch. Ganz im Sinne der heutigen Arbeitnehmerschaft: flache Hierarchien, mehr Einfluss auf das große Ganze, Gestalter statt Befehlsempfänger. So sieht heute für viele das Bild von der schönen neuen Arbeitswelt aus. Umfragen zeigen, dass die Übernahme von Verantwortung, flexibles Arbeiten und ein kreatives Umfeld für Mitarbeiter den gleichen Stellenwert bei Gemeinsam statt einsam: Stefan Schäfer hat seine Vision des interdisziplinären Teams verwirklicht Chefin mit Urvertrauen: Barbara Rosner schätzt neue Ideen – auch bei Großprojekten der Jobsuche haben wie Karrierechancen oder Vergütung. Der Bergisch Gladbacher Recruiting-Coach Henrik Zaborowski erklärt: „Unternehmen können auf Grund der heutigen Wirtschaftssituation nicht mehr verlässlich versprechen: In den nächsten 20 Jahren machst du hier definitiv Karriere. Wenn es aber eine solche Sicherheit nicht mehr gibt, dann wenigstens Freiheit und Entfaltung, denken sich die Arbeitnehmer.“ Auch Personaler im Unternehmen merken den Wandel: Ging es vor 20 Jahren in Vorstellungsgesprächen vornehmlich um Jobinhalte und Gehalt, fragen die Bewerber heute verstärkt nach der Unternehmenskultur. FOCUS 14/2016 In Kooperation mit F otos: Stefan Thomas Kröger (2), Sven Sindt/beide für FOCUS-Magazin „FREIHEIT IST EINE TYPSACHE“ Viele Firmen reagieren darauf. In Jobanzeigen betonen sie Eigenverantwortlichkeit, sie trainieren ihre Führungskräfte in Sachen freiheitliches Arbeiten und stellen gemeinsam mit ihnen neue Führungsgrundsätze auf. „Dabei ist freiheitliches Arbeiten weniger ein Generations-, sondern ein Kulturthema“, glaubt Christiane Grunwald, Personalleiterin bei dem Ditzinger Maschinenbauer Trumpf. „Es geht darum, wie wir gemeinsam an einem Produkt arbeiten, sodass Arbeit sinnstiftend ist, aber auch Leistung und Ergebnis stimmen.“ Dass Unternehmen, die sich für mehr Mitbestimmung entschieden haben, oft nachhaltig erfolgreich sind, kann Andreas Zeuch bezeugen. Der Unternehmensberater hat für sein Buch „Alle Macht für niemand“ Firmen aufgespürt, die konsequent Unternehmensdemokratie leben. Die Volksbank Heilbronn etwa, die alle Hierarchieebenen abgeschafft hat, die Farbenwerke Wunsiedel, die ihre Mitarbeiter entscheiden lassen, welche Aufgaben sie – unabhängig von der Stellenbeschreibung – erledigen wollen, oder Hoppmann Autowelt, die ihre Angestellten an allen Entscheidungen unmittelbar beteiligt. „Bei allen konnte ich sehen, dass ein positives Sinnerleben die Mitarbeiter glücklicher macht und sich positiv auf ihre Leistung auswirkt“, resümiert Zeuch. Ähnlich hat es Florian Weigmann erlebt. Der 45-JähriFOCUS 14/2016 ge kam zu Maschinenbauer Trumpf, um Neues zu erdenken. Anfang 2015 engagierte ihn das Familienunternehmen als Abteilungsleiter Cloud. Sein Auftrag: Schaffen Sie eine Lösung, die den nächsten Schritt in Richtung Industrie 4.0 geht – eine Plattform, die die Kunden von Trumpf nutzen können, um via kluger Vernetzung Produktionsprozesse effizienter Genießt viele zu machen. „Ein Freiheiten im Job: MaschinenbauAlexander Bellin, er entwickelt eiChef des Onlinene Software-PlattMarketings beim form – das war Mode-Start-up About You für uns alle eine neue Reise“, betont der BWLer. Für ihn stand von vornherein fest: Er braucht Freiraum, um eigene und vielleicht ungewöhnliche Entscheidungen zu treffen. Sein Chef gewährte ihm diesen Vertrauensvorschuss. „Natürlich habe ich an ihn berichtet“, sagt Weigmann, „aber Die Hamburger Karriereberaterin Svenja Hofert erklärt, warum Mitarbeiter im Job auch Grenzen brauchen. Freiheit im Job, selbstbestimmtes Arbeiten: Das klingt gut. Aber ist das wirklich für jeden etwas? Ob man mit dieser Arbeitsweise klarkommt, ist Typsache. Ich kenne viele, die die große Freiheit im Job gar nicht unbedingt wollen. Sie sind sozusagen der Typ Dienstleister: Gebt mir klare Vorgaben, ich setze sie perfekt um. Freiheitliches Arbeiten setzt voraus, dass man selbstbewusst Entscheidungen treffen und Verantwortung übernehmen möchte. Dabei muss man auch aushalten können, dass etwas einmal nicht ganz klar geregelt ist und man selbst ausprobieren muss. Welche Folgen kann es haben, wenn man damit am Arbeitsplatz nicht umgehen kann? Das kann zu Überforderung und Stress führen. Einige Mitarbeiter fühlen sich ohne Regeln, an denen sie sich orientieren können, schlichtweg unwohl. Sie haben stets das Gefühl, ihren Aufgaben nicht gerecht zu werden. Hinzu kommt die immer komplexer werdende Arbeitswelt. Es gilt, immer mehr Wissen und Aspekte bei Entscheidungen zu berücksichtigen – was oft zu viel ist. Also fängt man an, sich einfach durchzuwurschteln, und wird seinen eigenen Ansprüchen vielleicht nicht mehr gerecht. Aber auch die Freiheitsliebenden laufen Gefahr, in die Stressfalle zu tappen. Nämlich dann, wenn sie das selbst angestoßene Hamsterrad nicht mehr aus eigener Kraft stoppen können. Und was ist mit den Vorgesetzten? Da treffen in der Tat derzeit oft zwei Welten aufeinander. Auch Führungskräfte, die jahrelang eine bestimmte Art des Führens verinnerlicht haben, können sich nicht von einem Tag auf den anderen ändern. Wenn Unternehmen nun aber von oben plötzlich eine andere Maxime vorgeben, führt das oft zu verrückten Neuinterpretationen von Freiheit – und zu noch weniger Orientierung für alle. Freiheitliches Arbeiten und das Fördern von freiheitlichem Arbeiten muss in der inneren Einstellung verankert sein und nicht gemacht werden, weil man meint, dass man das jetzt tun müsse. Wie können sich Mitarbeiter schützen? Wer merkt, dass er mit allzu viel Freiheit am Arbeitsplatz nicht zurechtkommt, muss das ernst nehmen. Das ist kein Versagen. Hat er herausgefunden, was ihn stresst, kann er dort ansetzen und ein Gegengewicht aufbauen. Vielleicht hilft es schon, die eigenen Ansprüche herunterzuschrauben. Andere müssen lernen, Arbeit und Privates besser voneinander abzugrenzen. 11 12 Bürohaus. Mitte 2016 soll die erste Version von Axoom auf den Markt kommen. Als Chef versteht sich Weigmann als Coach, der seine Leute dort einsetzen muss, wo sie gut spielen können und wollen. „Ich sehe durch- MITTENDRIN IM WANDEL Mitbestimmen, eigenständig entscheiden und – falls nötig – sogar den Chef selbst auswählen: Das Medienund Software-Haus Haufe schreibt den aktuellen Wandel der Arbeitswelt groß. Als Unternehmen, das innerhalb der Gruppe viel Wert legt auf Grundwerte wie Demokratie und Mitbestimmung für alle seine Mitarbeiter. Die Beschäftigten von Haufe-umantis beispielsweise wählen ihren Chef selbst. Aber auch als Anbieter von Seminaren und Lernsoftware rund um die Themen Arbeitswelt von morgen, Weiterbildung und Beratung. Schließlich, so die Philosophie der Unternehmensgruppe, sind es immer die Mitarbeiter, die ein Unternehmen erfolgreich machen. FOCUS 14/2016 F oto: Dominik Pietsch für FOCUS-Magazin mehr im Sinne eines 4-AugenGesprächs. Er war mein Sparringspartner.“ Aus früheren Jobs kennt der Karlsruher das anders. „Weil alles kontrolliert werden soll, reportet man sich tot und kommt in der Sache nicht weiter.“ Die Idee, die schließlich entstand, war unerwartet: Für die Kunden mache es nur Sinn, eine offene Plattform zu entwickeln. Eine, die Kunden auch unabhängig von TrumpfMaschinen nutzen können. Es galt also, ein großes Netz an Partnern zu knüpfen, zu denen auch andere Maschinenbauer gehören. „Dafür mussten wir uns aber ein Stück weit von Trumpf herauslösen.“ So kam es zur Gründung des TrumpfStart-ups Axoom – mit Weigmann als Geschäftsführer. Sein inzwischen 28-köpfiges Team residiert in einem Karlsruher Kann jederzeit Neues entwickeln: Florian Weigmann schätzt seine Möglichkeiten bei Trumpf aus, dass bei Weitem nicht jeder Verantwortung übernehmen möchte. Wer aber frei spielen will, den lasse ich – im Rahmen unserer Ziele – auch laufen.“ Für Alexander Bellin ist anderes Arbeiten gar nicht denkbar. Er leitet das Online-Marketing bei dem Hamburger ModeStart-up About You. Für den 27-Jährigen bedeutet freiheitliches Arbeiten, dass er selbstständig entscheiden kann, wie er die Zielvorgaben der Geschäftsführung erreicht. „Wer eine gute Idee hat, wie wir unsere Produkte auf Web-Seiten besser präsentieren können, bekommt Budget dafür und kann sie eigenständig oder mit dem Team umsetzen – sei es als Praktikant oder Teamleiter“, sagt der Hamburger. Mit anderen Worten: Wer Leistung bringt, kann auch schnell Verantwortung übernehmen. Eine Tatsache, mit der Start-ups generell im Kampf um junge Talente punkten. „Das setzt viel Motivation voraus“, schränkt Bellin ein. „Wir fühlen uns hier aber alle ernst genommen, so kommt der Antrieb von allein.“ Wichtige Voraussetzung sei zudem die Fehlerkultur in einem Unternehmen. „Wir probieren viel aus. Dabei sind Fehler willkommen, denn nur aus ihnen können wir lernen“, erklärt der Manager. Seine Aufgabe als Vorgesetzter sei es, seinem 40-köpfigen Team zu zeigen, dass Schnelligkeit im Online-Marketing wichtiger ist als Perfektionismus. Dazu gehören laut Marketingexperte Bellin auch Fehler, solange sie nur einmal gemacht werden. Bei Start-ups wie About You scheint freiheitliches Arbeiten bereits genetisch verankert zu sein. „In Konzernen ist ein Wandel mitunter schwieriger“, beobachtet Autor Zeuch. In Kooperation mit „Sowohl Mitarbeiter als auch Vorgesetzte müssen mit Freiheit umgehen können und wollen, andernfalls kann die Arbeitsweise auch belastend sein“, sagt Karriereberaterin Svenja Hofert (s. Kasten S. 11). Es gebe immer Mitarbeiter, die klare Vorgaben bevorzugen, und Vorgesetzte, die Kontrollverlust fürchten. Auch in Traditionsfirmen wie Trumpf oder VW Financial Services arbeiten noch Kollegen, die Führung – generationsbedingt – anders gelernt haben. Um sie abzuholen, setzen die Firmen auf offene Kommunikation und vorsichtiges Antesten. Damit das Modell Freiheit funktioniert, müssen Mitarbei- ter nach Ansicht von Personalern innerlich unabhängig genug sein, um Entscheidungen treffen zu wollen. „Sie müssen zudem das große Ganze im Unternehmen sehen und die eigene Arbeit einordnen können“, sagt Recruiting-Coach Zaborowski. Die Führungskraft dagegen muss weniger Bestimmer, sondern Beobachter und Moderator sein. Wichtige Soft Skills für beide Seiten sind Kommunikationsstärke, Fehlertoleranz und Kritikfähigkeit. So wäre etwa auch AgilitätsFan Schäfers Vorstoß ohne die Unterstützung seiner Chefin nicht möglich gewesen. Kei- „Weil alles kontrolliert werden soll, reportet man sich tot und kommt in der Sache nicht weiter“ Florian Weigmann Geschäftsführer Axoom ne klassische Meilensteinplanung, keine Entscheidungsgremien, ein interdisziplinäres Team einfach mal über einen bestimmten Zeitraum hinweg ergebnisoffen arbeiten lassen – beinahe revolutionär für einen Konzern. Weil die 45-Jährige ihrem Personal aber schon immer viel Vertrauen entgegenbrachte, hat sie sich von der Idee ihres Mitarbeiters schnell anstecken lassen. „Im Rahmen des Projekts fungiere ich selbst eher als Tippgeberin und Beraterin und greife nur ein, wenn es wirklich erforderlich ist.“ MELANIE RÜBARTSCH www. her-CAREER.com „Die Welt der (Banken-) IT war lange Zeit eine reine Männerdomäne. Aber das ist vorbei! Mein Ziel ist es, diese innovative und sich schnell wandelnde Branche noch vielfältiger und für Frauen attraktiver zu gestalten. Die Teilnahme an der herCAREER bietet den perfekten Rahmen für einen intensiven Austausch und ich freue mich auf spannende Gespräche und Diskussionen mit Ihnen.“ Jörg Staff, Vorstand und Arbeitsdirektor, Fiducia & GAD IT AG und Table Captain der herCAREER@Night CAREER Die Karrieremesse für Absolventinnen, Frauen in Fach- und Führungspositionen und Existenzgründerinnen Jetzt Aussteller werden ! 13. - 14. OKTOBER 2016 Aussteller-Anmeldung und Informationen: +49 89 124 14 63 - 0, ausstellen@her-career.com MTC, MÜNCHEN Hauptmedienpartner Zoom Interessante Netzwerke und wem sie nutzen Campusleben im Ausland: Das akademische Leben wird international D A D A Hochschulvertreter und Wissenschaftler aus der ganzen Welt treffen sich alle zwei Jahre in Bonn zur Netzwerkkonferenz des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD). 2016 findet der Termin am 7. und 8. Juli statt. Lehrpersonal, Wissenschaftler und Graduierte mit internationalen Ambitionen können sich hier über die Möglichkeiten eines Auslandsein14 satzes informieren. Auf dem Programm stehen zahlreiche Fachvorträge, die einen Überblick über die Hochschul- und Bildungslandschaft ausgewählter Länder geben. Überdies legen die Veranstalter großen Wert auf den individuellen Austausch zwischen den Teilnehmern: Wer vorab ein Einzelgespräch bucht, kann sich persönlich mit den Leitern von mehr als 70 DAAD-Vertretungen weltweit zu länderspezifischen Themen austauschen oder erstmals internationale Kontakte knüpfen. An diversen Länder- und Sondertischen haben die Besucher zudem die Möglichkeit, den Kollegen des weltweiten DAAD-Netzwerks sowie der Bonner Zentrale ihre Fragen zum akademischen Leben im internationalen Kontext sowie zur Organisation eines Auslandsaufenthalts zu stellen. Die Teilnahme kostet 360 Euro. Mehr Informationen finden Interessierte im Internet. http://bit.ly/1psrZco FOCUS 14/2016 F otos: Getty Images (3), DG Fotografie/Doreen Giese PFLICHTTERMIN In Kooperation mit Musik verbindet: Das Netzwerk CreAid hilft Flüchtlingen bei der Integration in Deutschland MUSIKALISCHE WILLKOMMENSKULTUR Flüchtlinge, die in ihrem Herkunftsland als Berufsmusiker gearbeitet haben, sollen in Deutschland leichter Fuß fassen können: Dieses Ziel hat sich das Berliner Netzwerk CreAid gesetzt. Die Initiatoren wollen geflüchteten in Berlin registrierten professionellen Musikern, Tontechnikern oder Musiklehrern einen Einstieg in die hiesige Musik-Szene ermöglichen. Gleiches gilt für Migranten, die nicht als Flüchtlinge nach Berlin gekommen sind. Im Jahr 2014 verdienten etwa 127 000 Selbstständige und Arbeitnehmer deutschlandweit in diesem Bereich ihren Lebensunterhalt. Laut der Studie „Musikwirtschaft in Deutschland“ sind das mehr Menschen als in jeder anderen Medienbranche. Musik ist damit mehr als nur ein Mittel zur Völkerverständigung ohne Worte. http://bit.ly/1TTHerL MÄDELS IN DEN MEDIEN Webgrrls.de ist ein bundesweites BusinessNetzwerk für Frauen, „die in, für oder mit neuen Medien arbeiten“ oder einen solchen Job anstreben. Dabei verfolgt der Verein das Motto „First give, then take“ – erst geben, dann nehmen. 600 weibliche Fach- und Führungskräfte aus dem Bereich Web-Design, Informatik, aber auch Beraterinnen, Journalistinnen und Datenbank-Expertinnen profitieren bereits vom Austausch und der Unterstützung durch ihre Netzwerk-Kolleginnen. Zudem engagiert sich der Verein politisch: Er setzt sich unter anderem für die Verbesserung der Arbeits- und Aufstiegsmöglichkeiten von Frauen ein. Regionale Bündnisse wie zum Beispiel Hessen-IT, der Unternehmerinnentag NRW oder Stadtbund der Münchner Frauenverbände ergänzen die bundesweite Arbeit der Initiative. HEIMAT FÜR MBAs Die MBA-Association of Germany (MBA-A) will den internationalen Wissensaustausch unter jenen fördern, die den Titel eines Master of Business Administration (MBA) erworben haben. Der 2000 gegründete Berufsverband mit Sitz in Hamburg verfolgt das Ziel, ein möglichst großes ManagementNetzwerk von MBA-Absolventen aufzubauen. Studenten, die den MBA erst angehen, dürfen an dem Netzwerk ebenfalls partizipieren. Die Mitglieder der MBA-A kommen aus der ganzen Welt und treffen sich regelmäßig, um Kontakte zu knüpfen oder sich über Know-how zu Managementthemen auszutauschen. www.mba-a.de LIZENZ FÜR EINEN FITNESSCLUB Angelina Schmidt überzeugte alle: Die 22-jährige Studentin für Sportmanagement gewann beim Wettbewerb „Gemeinsam durchstarten“, den NETWORK und das Franchise-Unternehmen Mrs.Sporty im Herbst 2015 ausgelobt hatten. Schmidt ließ knapp 80 weitere Bewerber hinter sich und sicherte sich das Startkapital von 17 900 Euro für die Eröffnung eines Mrs.Sporty-Fitness-Studios. Die Hessin, die schon als Trainerin bei Mrs.Sporty tätig ist, will mit dem Geld noch diesen Herbst ihren ersten eigenen Club eröffnen. www.webgrrls.de FOCUS 14/2016 15 Philipp Man und Ludwig Wurlitzer studierten beide in London und gründeten das erfolgreiche Uhrenportal Chronext 16 FOCUS 14/2016 In Kooperation mit Die Gründer des Luxusuhren-Portals Chronext nehmen sich die Freiheit, ihr Unternehmen ganz nach eigenen Vorstellungen zu führen – selbst auf die Gefahr hin, Fehler zu machen DIGITALE UHRMACHER F otos: Dominik Asbach für FOCUS-Magazin S o klingt die Geschichte des Luxusuhren-Portals Chronext als typische Internet-Start-up-Story: Zwei Studenten bringen à la Facebook-Gründer Mark Zuckerberg ihr eigenes E-CommerceUnternehmen an den Start. Chronext jedoch auf die digitale Welt zu beschränken wird der Firma mit Sitz in Köln und im Schweizer Zug nicht gerecht. Denn die Geschäftsidee, die Philipp Man und Ludwig Wurlitzer vor gut drei Jahren in der kleinen Küche ihrer Londoner Studenten-WG hatten, ist mehr als ein Ebay für Luxusuhren. Der entscheidende Unterschied – auch zu Konkurrent Chrono24: Chronext bringt nicht nur Käufer und Verkäufer via Internet zusammen. Die gesamte Kaufabwicklung läuft über die Kölner Firma. Dort wird jede Uhr, die über die Plattform ihren Besitzer wechselt, auf Echtheit geprüft, bei Bedarf repariert und gewartet. Für den Käufer gibt es ein Zertifikat und eine 24-monatige Garantie. „Wir möch- FOCUS 14/2016 ten, dass sich unsere Kunden nur auf den angenehmen Part des Uhrenkaufs konzentrieren, nämlich für welches Modell sie sich entscheiden“, sagt Unternehmensgründer Wurlitzer. „Alle Sicherheits- und Logistiksorgen beseitigen wir“, fügt sein Kompagnon Man hinzu. Und so ist das Herzstück des Unternehmens die Uhrmacherwerkstatt. Hier ist wenig zu spüren von Start-up-Fieber, hier wird klassisches Handwerk betrieben: Mit Lupe, Pinzette und Schraubenzieher zerlegt Uhrmachermeister Karl-Heinz Heiß gemeinsam mit zwei Kollegen sorgfältig edle Zeitmesser von Rolex, Omega & Co. in ihre oft mehr als 150 Einzelteile. Reinigt, repariert und checkt sie. Der 56-Jährige bringt gut 38 Jahre Berufserfahrung mit, keine noch so gut gemachte Fälschung entgeht seinem Kennerblick. Nebenan brütet das Vertriebsteam über Internationalisierungsstrategien, kümmern sich die Programmierer unter Leitung von Unternehmensgründer Wurlitzer um 17 ren an, überwiegend Klassiker von Rolex, Omega, Breitling, Tag Heuer und anderen namhaften Uhrenmanufakturen. Daneben auch teure Sammlerstücke – sogenannte Vintage-Uhren, die älter als 20 Jahre sind, beispielsweise von Patek Philippe. 90 Prozent der Uhren sind Neuware von Händlern oder den Herstellern selbst. Über Preis und Verfügbarkeit will sich Chronext vom klassischen Uhrenhandel absetzen: Käufer können je nach Modell und Zustand zwischen fünf und 30 Prozent sparen. „Außerdem gibt es viele Liebhaberstücke nur gebraucht, das macht gerade ihren Wert aus“, betont Uhrenfreund Wurlitzer, der selbst eine Omega „Seamaster“ trägt. Nicht nur die Liebe zu den Luxusuhren verbindet die Gründer, sie haben auch ähnliche Vorstellungen davon, wie sie ihr Unternehmen und ihre mittlerweile gut 60 Mitarbeiter führen. Chronext wächst schnell, so schnell, dass die bisherigen Büroräume in einem Backsteinhaus in KölnMülheim längst aus allen Nähten platzen. Sein eigenes Büro hat Geschäftsführer Man längst aufgegeben, um für neue Mitarbeiter Platz zu machen. Er ist ohnehin meist unterwegs: zwei Tage Köln, ein Tag London, ein bis zwei Tage in der Schweiz. Eine eigene Wohnung hat der 24-Jährige derzeit nicht, nur ein Zimmer bei seinen Eltern in der Schweiz – sonst übernachtet er bei Freunden, lebt aus dem Koffer – ein moderner Job-Nomade. Die große Küche, Aufenthaltsraum der aktuellen Büroräume, erinnert an die Anfänge in der Studenten-WG. Dort wird mittags oft gemeinsam gekocht, Sessel und Sofas laden zum Entspannen ein, und auch der für Start-ups fast obligatorische Kicker darf nicht fehlen. Jeden Dienstagmorgen, vor dem Wochen-Meeting, steht gemeinsamer Früh- F otos: Dominik Asbach für FOCUS-Magazin die technische Infrastruktur des Web-Portals. So gegensätzlich die beiden Welten, die Chronext verbindet, so grundverschieden sind auch die Gründer: Man, 24 Jahre, der Extrovertierte, ist ständig unterwegs, um Geldgeber, Handelspartner und Hersteller zu überzeugen. Der gleichaltrige Wurlitzer ist der Ruhepol und technische Kopf von Chronext, der im digitalen Maschinen„WENN BEI raum des Start-ups UNS DIE die Online-Plattform weiterentwickelt. HÜTTE BRENNT, Die Rollenverteilung ERWARTE ICH, ist klar, die Gründer kennen sich gut. Sie DASS ALLE haben gemeinsam am AUCH MAL renommierten Londoner King’s College LÄNGER BLEIManagement studiert BEN, OHNE und sich drei Jahre lang eine Wohnung AUF DIE UHR geteilt. „Wir ergänZU GUCKEN“ zen uns perfekt – und haben ein gemeinsames Ziel, Chronext als die Marke für LuxusPhilipp Man, Chronextuhren zu etablieren“, Gründer und unkonvensagt Man. tioneller Chef Derzeit bietet das Portal etwa 12 000 Uh- 18 FOCUS 14/2016 In Kooperation mit sport im geräumigen Flur auf dem Programm: Reihum darf jeder Mitarbeiter eine Übung für seine Kollegen auswählen: „Da machen sich dann alle – Chef wie Angestellter – auch mal zum Hampelmann“, erzählt Man lachend. Eine klassische Karriere bei einem Konzern oder in der Unternehmensberatung war für die Management-Absolventen nie eine Thema: „Wir wollten uns mit Anfang 20 nicht in feste Strukturen zwängen lassen, sondern unser eigenes Ding aufbauen“, erzählt Wurlitzer. „Selbst auf die Gefahr hin, Fehler zu machen“, fügt Man hinzu. Arbeitgeber zu sein, das war ein Lernprozess für die Gründer. „Anfangs haben wir eher unstrukturiert eingestellt und gedacht, wir kommen ohne feste Prozesse und Organisation aus“, erinnert sich Man. Um Struktur in die operativen Abläufe zu bringen, holte sich das Gründerteam vor gut einem Jahr Volker Grötsch ins Management, einen erfahrenen Unternehmensberater. Das Ruder lassen sich Man und Wurlitzer aber nicht aus der Hand nehmen, sie genießen die Freiheit, ihr eigener Herr zu sein: „So kann ich auch im Job ganz ich selbst sein und so arbeiten, wie ich es für richtig halte“, sagt ITExperte Wurlitzer. Dazu gehört Transparenz: In jedem Büro zeigt ein großer Bildschirm an der Wand die aktuellen Kennzahlen: Tagesumsatz, Kundenanfragen im Callcenter, durchschnittliche Wartezeiten, Marketingkosten, Besucher der Web-Seite. „Jeder soll wissen, wo wir gerade stehen“, erklärt Man. Das soll Vertrauen schaffen, Ehrgeiz wecken und die Identifikation der Mitarbeiter sichern. Die ist dem Jungunternehmer, der selbst rund um die Uhr für die Firma im Einsatz ist, wichtig: „Wenn bei uns die Hütte brennt – wie vergangenes Jahr kurz vor Weihnachten –, erwarte ich, dass alle auch mal länger bleiben, ohne auf die Uhr zu gucken.“ FOCUS 14/2016 Qualität und Transparenz sind Chronext wichtig: Alle Mitarbeiter werden ständig über die Kennzahlen informiert PRÄZISIONSARBEIT Gründung: 2013 Entwicklung der Mitarbeiterzahl: 2014: 12 / aktuell: 65 / geplant bis Ende 2016: 130 Umsatz: ein deutlich zweistelliger Millionenbetrag für 2015 und 2016 Angebot: 12 000 Uhren teuerste verkaufte Uhr: 540 000 Euro für eine Patek Philippe Durchschnittsverkaufspreis: 6800 Euro Höhe der Kommission: 10–35 Prozent www.chronext.de Da wundert es nicht, dass in den neuen Kölner Büroräumen, die Chronext im Sommer beziehen wird, ein separates Zimmer mit drei Schlafkojen vorgesehen ist. „Wer will, kann dort ein kurzes Mittagsschläfchen halten“, erklärt Man und fügt schmunzelnd hinzu: „Ich werde das sicher oft nutzen, weil ich permanent zu wenig Schlaf bekomme.“ Das glaubt man ihm sofort, er wirkt müde, ein wenig gehetzt. Auf seinem Handy gehen Nachrichten und Mails im Minutentakt ein. Der Druck für die Gründer ist groß. Bereits nach einem Jahr stand die Firma kurz vor dem Aus. Die Startfinanzierung von Business Angels und einem Family-Office war aufgebraucht. „Damals hatte ich große Angst, dass wir Chronext vor die Wand fahren“, erinnert sich Man, der damals unzählige Gespräche mit potenziellen Investoren führte, bis er schließlich unter anderen Jörg Binnenbrücker, Geschäftsführer des Kölner Wagniskapitalfonds Capnamic, überzeugen konnte. „Der Markt für Luxusuhren ist riesig, sehr Old School und bislang kaum digitalisiert. Diesen verkrusteten Markt aufzubrechen und fürs Internet zu öffnen – darin liegt das Potenzial von Chronext“, erklärt der Investor. Auch das Gründungsteam überzeugte Binnenbrücker: „Die beiden sind sehr gut vernetzt – und mit Leidenschaft und Umsetzungsstärke bei der Sache. Da habe ich sofort echtes Unternehmertum gespürt.“ Und Wachstumspotenzial: Dem ersten Flagship-Store in der Londoner City, den Chronext im November 2015 eröffnet hat, soll im Herbst ein weiterer in New York folgen. Zudem arbeiten Man und Wurlitzer an der Expansion des Online-Portals in Europa: Benelux, Frankreich, Spanien, Skandinavien. Es gibt viel zu tun. Doch am Ende haben auch die Tage von Wurlitzer und Man nur 24 Stunden – egal, welche Uhr sie tragen. n KATJA STRICKER 19 In Kooperation mit Coach to go Fünf Tipps, wie Sie Ihr Talent erfolgreich managen, von Bestsellerautor Markus Hengstschläger 1 über sich selbst helfen dabei. Versuchen Sie laufend, ehrlich zu sich selbst zu sein. Egal, ob soziale Kompetenz, Empathie oder Teamfähigkeit – wer hierfür kein Talent mitbringt, kann die Herausforderungen nicht meistern. Stellen sich 20 Kinder in einem Turnsaal auf ein und dieselbe Stelle, haben sie nur eine geringe Chance, einen Ball zu fangen, von dem sie nicht wissen, woher er kommt. Wer den Ball fangen will, muss vorher plausibel kalkulieren, woher der Ball kommen könnte. Wer das tut, kann sich an der vermeintlich richtigen Stelle positionieren. Dafür muss jedes Kind seinen Stärken entsprechend woanders stehen, und jeder gefangene Ball zählt für das Team. Jeder muss also die Stärken seines Teams optimal einsetzen – das gilt auch im Management. 4 Verinnerlichen Sie das Prinzip „Talent“: Jeder Mensch kommt mit seinen individuellen genetischen Leistungsvoraussetzungen auf die Welt. Gene sind aber nur Bleistift und Papier, die Geschichte schreibt jeder selbst. Daher sind die genetischen Veranlagungen nur dann etwas wert, wenn man sie nicht nur entdeckt, sondern auch durch hartes Training fördert. Nur wer übt, erzielt eine besondere Leistung beziehungsweise Erfolg. Aber Üben führt nicht bei allen zum gleichen Erfolg. 2 Verbessern Sie Ihre Stärken. Wer sich nur mit seinen Schwächen beschäftigt und dadurch kaum Zeit findet, seine Stärken zu fördern, schlittert in die Durchschnittsfalle. Letztendlich kann er dann nichts gut. Wichtig ist vielmehr, sich Raum zu schaffen für besondere Leistungen, indem man seine Talente umsetzt. Man muss wissen, was man kann – und was nicht – und was man will. Ehrliche Eltern, Lehrer, Freunde, Kollegen und Chefs, aber vor allem viel Ehrlichkeit gegen- 5 3 20 „Wer einen neuen Weg gehen will, muss den alten verlassen.“ Wer seine Talente nur dafür einsetzt, etwas gut zu machen, das es schon gibt, verschwendet seine Ressourcen. Um für die neuen Fragen Antworten zu finden, braucht es Individualität, Kreativität und Flexibilität. Sie sind die Voraussetzungen für Innovationen. Löst sich nur ein Kind aus der Gruppe, die in der Turnhalle einen Ball fangen will, verdoppelt es die Wahrscheinlichkeit auf einen erfolgreichen Fang. Ob jeder Einzelne für sich selbst oder der Manager für sein Team – alle müssen daran arbeiten, den Mut aufzubringen, um individuelle Talente umzusetzen. Markus Hengstschläger Der Autor leitet das Institut für Medizinische Genetik an der Universität in Wien. Hengstschläger schrieb den Bestseller „Die Durchschnittsfalle“ (Ecowin Verlag, 21,90 Euro) und ist ein international gefragter Redner. FOCUS 14/2016 Illustration: Aron Vellekoop Leon für FOCUS-Magazin Foto: privat „Nur ein schön gespitzter Bleistift schreibt eine Geschichte“ – schaffen Sie also ideale Voraussetzungen für sich oder die Menschen in Ihrem Team: Wer all seine Talente umsetzen will, sollte sein privates Leben, aber auch seine physische und psychische Gesundheit immer im Auge behalten. Und er muss konsequent und ständig daran arbeiten, möglichst immer mit sich im Reinen zu sein. „Wer sich nur mit seinen Schwächen beschäftigt, wird nie richtig gut“ JOBSUMA Deine Jobsuchmaschine Mit JOBSUMA alle wichtigen Jobborsen gleichzeitig durchsuchen. www.JOBSUMA.de Studentenjobs, Praktika, Absolventenjobs Jetzt 17× FOCUS lesen und das nd M In Lu en XL, ß ö r G den Komplett für nur €�299,� Noch mehr Prämien finden Sie unter: Einfach per Telefon bestellen: Oder Coupon ausfüllen und faxen: www.focus.de/praemie 0180�6�480�1000* 0180�6�480�1001* *€ 0,20/Anruf aus dem dt. Festnetz, aus dem Mobilnetz max. € 0,60/Anruf Komp für nulett r ADIDAS DFB Trikot EM 2016 Home €�79,� > Das neue 4-Sterne Trikot der deutschen Fußballnationalmannschaft Aktionsnummer 639272B14 in edlem Design > Funktionelles CLIMACOOL® sorgt für eine verbesserte Luftzirkulation > Angenehmes Tragegefühl > Logo des Deutschen Fußball-Bundes auf der linken Brust > Geprägte Details > Reguläre Passform > 100 % rec. 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Vorteilspreis und erhalte FOCUS digital auf Wunsch zusätzlich für nur € 0,40 je Ausgabe (€ 6,80 für 17 Ausgaben. Im Preis ist das E-Paper enthalten. Den Zugang zur App enthalte ich gratis dazu). Dieses Angebot gilt nur, solange ich ein FOCUS Print-Abo beziehe. Möchte ich FOCUS weiterlesen, brauche ich nichts zu tun und erhalte FOCUS weiterhin zum günstigen Abo-Preis von zzt. € 3,90 und digital zum Preis von zzt. € 0,40 pro Ausgabe. Berechnung vierteljährlich, zzt. € 50,70 (digital € 5,20). Die Belieferung kann nach Ablauf der 17 Ausgaben jederzeit schriftlich beendet werden. Das Angebot gilt, solange Vorrat reicht. Das Produkt wird per Nachnahme ausgeliefert (Gebühr: € 2,00). Versand nur in Deutschland. Auslandskonditionen auf Anfrage. Sie haben ein gesetzliches Widerrufsrecht. Die Belehrung können Sie unter www.focus-abo.de/agb abrufen. Alle Preise inkl. MwSt. und Versand. Ja, ich bin damit einverstanden, dass mich die Burda Direkt Services GmbH, Hubert-Burda-Platz 2, 77652 Offenburg schriftlich, telefonisch oder per E-Mail auf interessante Medienangebote hinweist und hierzu meine Kontaktdaten und andere rechtmäßig vorhandene Daten verwendet. Meine Einwilligung kann ich jederzeit z.B. per E-Mail an meine-daten@burda.com widerrufen. 2 HEFTE GR ATIS! Ich zahle bequem per Bankeinzug: SEPA-Lastschriftmandat: Ich ermächtige den FOCUS Magazin Verlag, wiederkehrende Zahlungen von meinem Konto mittels Lastschrift einzuziehen. Zugleich weise ich mein Kreditinstitut an, die vom Verlag auf mein Konto gezogenen Lastschriften einzulösen. Hinweis: Ich kann innerhalb von acht Wochen, beginnend mit dem Belastungsdatum, die Erstattung des belasteten Betragsverlangen. Es gelten dabei die mit meinem Kreditinstitut vereinbarten Bedingungen. (Nur im Inland möglich.) DE IBAN BLZ Kontonummer Zahlungsempfänger: FOCUS Magazin Verlag GmbH, Hauptstraße 130, 77652 Offenburg Gläubiger-ID: DE08ZZZ00000071508 | Mandatsreferenz wird separat mitgeteilt. Als Prämie wünsche ich mir: Name NU R JE € 0,4 0 FÜ R AB ON NE NT EN Gleich FOCUS digital mitbestellen! Gleich mitbestellen: Lesen Sie FOCUS digital schon freitags ab 18.00 Uhr! Vorname (Bitte tragen Sie hier die Prämiennummer Ihrer Wahl ein. Sie finden diese hinter der jeweiligen Prämienbezeichnung. Beispiel: Bei der Wagenfeld Tischleuchte wäre das die Nummer G768. Die evtl. Zuzahlung wird bei Auslieferung erhoben. Lieferung, solange Vorrat reicht. Versand nur in Deutschland.) Straße, Nr. Prämiennummer PLZ Ort Telefon (bitte für evtl. Rückfragen angeben) Geb.-Datum Sie erhalten zwei separate Rechnungen 1. Rechnung über die Abo-Gebühr 2. Differenzbetrag von Abo-Gebühr und Vorteilspreis wird bei Lieferung des Produktes erhoben (per Nachnahme) E-Mail (Pflichtfeld) � Den digitalen FOCUS bereits freitags lesen und gleich mitbestellen! Ja, ich möchte zusätzlich den digitalen FOCUS beziehen. Konditionen s.o. Bereits enthalten sind € 0,40 für das E-Paper. Den App-Zugang erhalte ich gratis dazu. Datum, Unterschrift 639272 B14 639334B17 Oder per Post einsenden: FOCUS Magazin Verlag GmbH, Postfach 2�90, 77649 Offenburg | abo@focus.de 24 FOCUS 14/2016 In Kooperation mit ERLAUBT IST, WAS GEFÄLLT Illustration: Ellakookoo für FOCUS-Magazin Foto: Marko Priske für FOCUS-Magazin S ich eine Auszeit vom Job zu nehmen, davon träumen 43 Prozent der Deutschen. Das ergab eine Studie des Online-Portals Wimdu. Die wenigsten setzen ihre Wünsche aber tatsächlich um, sei es aus finanziellen Gründen, weil der Arbeitgeber es verhindert oder weil die familiäre Situation es nicht zulässt. Auch ein möglicher Karriereknick lässt viele zögern. Manchen Beschäftigten fehlt auch schlicht der Mut, das Thema anzugehen. Dabei haben Pausen vom Büro oder reduzierte Arbeitszeiten oft einen erkennbaren Nutzen: „Man kann in der freien Zeit sein Leben wieder ins Gleichgewicht bringen, seine Batterien aufladen und ist damit motivierter für den Job“, erklärt Sabine Keiner, Life-Balance-Coach in Köln. Sie hat sich vor einigen Jahren selbst eine Auszeit gegönnt FOCUS 14/2016 und sich anschließend selbstständig gemacht. Der Großteil ihrer Klienten sucht nach leistungsorientierten Jahren im Job einfach mehr Sinn im Leben. „Die meisten wollen sich weiterbilden, einen lang gehegten Traum erfüllen oder ein eigenes Geschäft aufbauen“, weiß Keiner. „Leider stehen sich viele selbst im Weg oder fürchten sich davor, mit ihrem Wunsch zum Chef zu gehen.“ Zu Unrecht. Viele Firmen sind offener als vermutet. Diese Erfahrung hat Robert Kampczyk gemacht. Der 33-Jährige reduzierte 2015 seine Arbeitszeit auf 60 Prozent, ist aber für seine Kunden weiterhin flexibel erreichbar. Der Informatikkaufmann verantwortet vom Bodensee aus das Schweizer Geschäft seines Arbeitgebers Flowfact, Weniger arbeiten, um sich selbst zu verwirklichen – ein Traum von vielen Beschäftigten. NETWORK stellt Arbeitnehmer vor, die ihre Pläne einfach realisieren und leben Teilen sich einen Job, um sich in der freien Zeit beruflich weiterzubilden beziehungsweise selbstständig zu machen: Svenja Christen (links) und Anna Simon von Coca-Cola in Berlin ein Software-Unternehmen für die Immobilienbranche. „Ich stand kurz vor einem Burn-out und habe mir zunächst eine dreimonatige Auszeit genommen“, erzählt Kampczyk. „Anschließend hat es noch ein halbes Jahr gedauert, bis ich meine Arbeitszeit dauerhaft reduziert habe. Mein Arbeitgeber war sehr entgegenkommend.“ Seitdem widmet sich der leidenschaftliche Läufer verstärkt seinem Hobby und verknüpft es mit dem Aufbau einer nebenberuflichen Selbstständigkeit: Er fotografiert Sportler auf den Lauf-Events und verkauft seine Bilder und Berichte an Fachzeitschriften und andere Kunden. Seine IT-Kenntnisse nutzt er, um eine Beratung für Websites sowie Programmierung von Blogs und Internet-Seiten anzubieten. „Ich 25 In Kooperation mit habe noch mehr Ideen, die mir Spaß machen und Geld bringen würden“, sagt Kampczyk. In seiner Firma war er der Erste, der Teilzeit beantragt hatte. Inzwischen haben weitere Kollegen nachgezogen. Den Großteil des Gehaltsverzichts verdient der Fotograf und Web-Designer mittlerweile mit eigenen Projekten: „Auf den Rest verzichte ich zu Gunsten meiner Freiheit gern.“ Auch Svenja Christen von Coca-Cola in Berlin baut sich neben ihrer Festanstellung eine eigene Existenz auf: Die 30-Jährige arbeitet als systemischer Coach und kümmert sich gemeinsam mit ihrem Partner um ihren kleinen Sohn. Ihr Arbeitszeitmodell hat sie in Absprache mit ihrer Chefin selbst entwickelt. Zusammen mit einer Kollegin teilt sich die Psychologin ihren bisherigen Job in der Personalentwicklung. Beide arbeiten jeweils 25 Stunden, zwei verkürzte und zwei volle Tage ist Christen im Büro, Kollegin Anna Simon arbeitet drei volle Tage. Die 22-jährige Veranstaltungskauffrau widmet sich in der restlichen Zeit dem Studium von Bildungswissenschaften an der Fern-Uni Hagen. „Ich wollte studieren, aber nicht vom Arbeitsleben pausieren“, erklärt Simon. Sie nimmt sich klar definierte Zeit26 räume für die Aufgaben vor, damit sie beide Lebensbereiche auseinanderhalten kann. Christen hat mit dem Schritt zum Job-Sharing zwei Karriereschritte miteinander verbunden: „Durch die Übernahme von Führungsaufgaben konnte ich meine verkürzte Arbeitszeit mit einer Beförderung verknüpfen und gleichzeitig meine Selbstständigkeit starten.“ Ihre Kollegin Simon plant, nach dem Studienabschluss wieder voll zu arbeiten. Oliver Stettes wundert es nicht, dass immer mehr Arbeitgeber ihren Mitarbeitern eine Auszeit oder eine berufliche Verwirklichung neben dem Job ermöglichen. Der Leiter des Bereichs Arbeitsmarkt und Arbeitswelt beim Institut der deutschen Wirtschaft Köln erklärt: „Unternehmen, die sich für die Bedürfnisse ihrer Beschäftigten interessieren und sie bei ihren Plänen unterstützen, sammeln Pluspunkte in der Belegschaft.“ Sie kommen den Mitarbeitern entgegen und binden sie so ans Unternehmen. „In Zeiten des drohenden Fachkräftemangels ist das eine kluge Entscheidung.“ Ein weiterer Nebeneffekt: Angestellte, die mehr Zeit für sich haben, sind auch motivierter im Job. „Wenn Mitarbeiter sich in der gewonnenen Zeit ehrenamtlich engagieren 84,1 Prozent der Unternehmen in Deutschland bieten Teilzeit an Quelle: Institut der deutschen Wirtschaft/Köln wollen, heißen viele Arbeitgeber dies ebenfalls gut“, sagt Stettes. „Solch ein Engagement passt zu der gesellschaftlichen Verantwortung, die viele Betriebe mittlerweile übernehmen.“ Aus diesem Grund hat auch Joerg Jakobs seine Arbeitszeit um einen Tag gekürzt: Der gelernte Versicherungskaufmann arbeitet als Niederlassungsleiter für den Luftfahrtversicherer Global Aerospace in Köln. Er leitet ein Büro mit drei Mitarbeitern und ist viel unterwegs. „Die Grenze zwischen Arbeit und Privatem verschmolz bei mir immer mehr“, erinnert sich der 49-Jährige. „Ich war ständig erreichbar und hatte keine echte Freizeit mehr.“ Irgendwann litt seine Lebensqualität so unter der Situation, dass er sein Pensum reduzierte. Inzwischen kann er unter der Woche einen Tag Pause einlegen. An seinem freien Mittwoch und an den Wochenenden widmet er sich nun privaten Interessen und der Familie – und engagiert sich ehrenamtlich. „Ich war schon länger in der Flüchtlingsarbeit aktiv und habe jetzt ein Team aufgebaut, das Fußballspiele organisiert, Deutschkurse und Kinderbetreuung anbietet.“ Der Umgang mit Menschen, die existenzielle Probleme haben, sei für ihn ein guter Kontrast zur Arbeit. „Ich gehe jetzt ausgeglichener ins Büro und leiste dadurch mehr“, sagt Jakobs. Seine Vorgesetzten fanden sein Anliegen ungewöhnlich, hielten es aber dank der Unterstützung des Niederlassungsteams für machbar. Für die Mitarbeiter ist es kein Problem, dass ihr Chef nicht täglich vor Ort ist. Jakobs weiß, warum: „Sie arbeiten schließlich fast alle selbst in Teilzeit und machen einen super Job.“ n SABINE OLSCHNER FOCUS 14/2016 Illustration: Ellakookoo für FOCUS-Magazin Firmen, die ihren Mitarbeitern Freiräume für Hobby, Bildung & Co. gewähren, profitieren auch unternehmerisch Einfach glücklich. März | April 2016 + Therapie-Guide für eine gesunde Psyche + G E SU N D H E IT Glück & Psy che GESUNDHEIT fen ssion: Wie Angehörige hel en lernen / Depre Achtsamkeit: Bewusster leb trolliert trinken en / Alkoholsucht: Kon rz von der Seele red tut Erzähltherapie: Schme iger: Warum helfen so gut anderen / Geben ist sel den vor gst An ie: ob Sozialph Gesundes Bauchgefühl Wie Bakterien im Darm die Emotionen steuern & ÄRZTE N KLINIKE PERTEN TOP-DEEPXRESSIONEN , FÜR UNGEN ESSSTÖR IE, SUCHT PHREN O IZ H SC ANG UND ZW In FOCUS-GESUNDHEIT bündeln wir die Erfahrung unserer Fachredaktion mit der Kompetenz von Experten. JETZT AM KIOSK. FOCUS-GESUNDHEIT gibt es auch unter: 1006* Tel. 0180 6 480 1006 1001* Fax 0180 6 480 1001 www.focus-gesundheit.de * 0,20 €/Anruf aus dem dt. Festnetz. Mobil max. 0,60 €/Anruf. AUCH ALS Wege zum le lären, was unsere See Wissenschaftler erk cht ma r reiche stärkt und das Leben Alles wird gut. Weltweit suchen Psychologen nach der Antwort: Was macht Menschen glücklich? Diese Wege empfehlen Glücksforscher zur inneren Zufriedenheit. Seelenheil. Was hilft, wenn die Seele krank ist. Die neuen Strategien der Behandlung von Süchten, Angsterkrankungen, Depressionen und Essstörungen. Plus: Ärzteliste mit Deutschlands Top-Experten für psychische Erkrankungen. Glück & Psyche G E SU N D H E IT Glück März | April 2016 + Therapie-Guide für eine gesunde Psyche + GESUNDHEIT Achtsamkeit: Bewusster leben lernen / Depression: Wie Angehörige helfen Erzähltherapie: Schmerz von der Seele reden / Alkoholsucht: Kontrolliert trinken Sozialphobie: Angst vor den anderen / Geben ist seliger: Warum helfen so guttut ÄRZTE & KLINIKEN TOP-EXPERTEN EN FÜR DEPRESSION ESSSTÖRUNGEN, SUCHT SCHIZOPHRENIE, UND ZWANG Gesundes Bauchgefühl Wie Bakterien im Darm die Emotionen steuern Wege zum Glück Wissenschaftler erklären, was unsere Seele stärkt und das Leben reicher macht Keine Angst vor Anderen. Sozialphobie macht einsam. Psychologen schlagen drastische Mittel vor, um die Angst und Scham im Kontakt mit andern Menschen zu überwinden. Mehr Zeit für Ideen: Freie Freitage sind für die Mitarbeiter des Start-ups Bike Citizens ein regelmäßiger Luxus 28 FOCUS 14/2016 In Kooperation mit INTERVIEW Jede Woche ein Kurzurlaub F oto: Murat Aslan für FOCUS-Magazin Herr Stückl, die Navigationshilfen Ihres Unternehmens bringen Fahrradfahrer auf der ganzen Welt entspannt und sicher ans Ziel. Wie kamen Sie auf die Idee, spezielle Routenplaner für Radfahrer zu entwickeln? Mit 1500 Euro Budget haben wir 2011 binnen vier Monaten den Prototyp der App gebaut. Inzwischen beschäftigen Sie 25 Mitarbeiter – doch kein Mitglied des Teams arbeitet Vollzeit . . . Der Gedanke entstand aus eigenen Erfahrungen heraus. Als Fahrradkurier in Wien bin ich bis zu 10 000 Kilometer im Jahr durch die Stadt gefahren. Im Jahr 2010, nach meiner Teilnahme an den Fahrradkurier-Weltmeisterschaften in Budapest, reifte die Idee, geografisches Wissen für einen touristischen Guide zu nutzen. In Österreich arbeitet man normalerweise an fünf Tagen 38,5 Stunden. Wir haben 2014 für das ganze Unternehmen die Arbeitszeit auf vier Tage mit 36 Stunden ohne Lohnausgleich verkürzt. Die Gehaltslücke wird 2016 durch Lohnerhöhungen geschlossen. Freitags nimmt bei uns niemand das Telefon ab. E-Mails bleiben bis Montag unbeantwortet. Sehr schnell. Mein Partner war Daniel Kofler, unser heutiger Geschäftsführer in Graz. Zum Chefentwickler haben wir einen WG-Mitbewohner meiner damaligen Freundin erkoren, der gerade seinen Master in Software-Entwicklung machte. Ein Mitarbeiter hatte von diesem Arbeitszeitmodell bei einem US-Unternehmen gehört, und uns Gründer hat das neugierig gemacht. Also haben wir die Idee mit jedem Mitarbeiter besprochen und etwa acht Wochen lang ausprobiert. Einige Kollegen hatten Sorge, Wie schnell haben Sie diese Idee umgesetzt? FOCUS 14/2016 Wie kam es dazu? Andreas Stückl, 33, will seine Firma Bike Citizens kreativer machen – und ordnet für alle im Team die 4-Tage-Woche an „Anfangs wussten manche Mitarbeiter nicht, was sie mit so viel Freizeit anfangen sollten“ Andreas Stückl, Gründer und CEO von Bike Citizens dass sie ihre Arbeit nicht schaffen. Andere wussten zunächst nicht, was sie mit so viel Freizeit anfangen sollten. Wenn nur das Wochenende frei ist, beträgt das Verhältnis von Freizeit zu Arbeitszeit 1 : 2,5. Bei drei freien Tagen verbessert es sich schon auf 1 : 1,3. In jeder Woche haben unsere Mitarbeiter jetzt 50 Prozent mehr frei als vorher. Start-ups sind eher dafür bekannt, dass sich deren Mitarbeiter überdurchschnittlich für ihren Job engagieren. Ganz am Anfang haben auch wir 60 Stunden pro Woche und länger gearbeitet. Heute wissen wir: Wer jede Woche einen Kurzurlaub genießen kann, landet montags meist deutlich entspannter und ausgeruhter wieder am Schreibtisch. Leidenschaftliche Partygänger können theoretisch Donnerstagabend in die Clubszene abtauchen und müssen erst Montagfrüh wieder an Bord sein. Dann sollten 29 In Kooperation mit Wie wollen Sie das anstellen? Wir überlegen gerade, wie man das Radfahren in eine Community einbinden und mit Bonuspunkten belohnen kann. Ideen dafür entstehen eher mit größeren Freiräumen als in den Arbeitszeitkorridoren des Industriezeitalters. Und Ihren Kunden reicht das? sie aber physisch und mental in der Lage sein, sich während unserer Kernarbeitszeit – Montag bis Donnerstag von neun bis 15 Uhr – intensiv um ihre Kunden zu kümmern. Von Profis inspiriert: Apps erleichtern auch Hobby-Radfahrern die Navigation in Stadt und Land Aber ja. Wir haben uns ja auch eher deren Bedürfnissen und Gewohnheiten angepasst als umgekehrt. Unsere Vertriebsleute zum Beispiel erreichen freitagnachmittags ohnehin niemanden. Im Umgang mit Behörden, denen wir etwa Mobilitätsdaten für ihre Radwegeplanung anbieten, sind die Zustände vielfach noch krasser: In den meisten Amtsstuben hebt freitags nach elf Uhr vormittags kaum noch jemand den Hörer ab. Geht das Konzept auf? Durchaus. In der Gründerzeit waren wir ein ziemlich chaotischer Haufen. Wer seinen Job in vier statt an fünf Tagen erledigen muss, arbeitet strukturierter. Wie nutzen Sie persönlich Ihren freien Freitag? Ich feiere gern und nutze die langen Wochenenden häufig für Städtereisen. Besonders den Freitagvormittag erlebe ich als echt cool. Ich habe frei, und um mich herum müssen meine Mitmenschen malochen. Da schmeckt das Frühstück noch besser, und die gemütliche Zeitungslektüre gerät zum exklusiven Event. Sie wollen die Deutschen zu einem Volk von Radfahrern erziehen. Erfordert das nicht eher mehr Arbeit als weniger? Am Donnerstagabend schalte ich zwar den Laptop aus, aber das Gehirn bleibt online. Neue Ideen entstehen doch eher unter der Dusche und beim Radfah30 ERFOLGREICH MIT EINER NAVIGATIONS-APP Das Start-up Bike Citizens bietet durchdachte Produkte für Radfahrer und Dienstleistungen für Stadtplaner. Die Geschäftsidee des 2011 gegründeten Unternehmens ist innovativ und profitabel: Eine Handy-Fahrradhalterung namens Finn, eine Navigations-App für mehr als 250 Städte in etwa 35 Ländern und Einnahmen aus Verträgen mit Mobilfunkern, Versicherern und Markenartiklern zur Vermarktung ihrer Produkte sollen das Radfahren revolutionieren. Auch Datensätze für Stadtplaner helfen dabei. 2016 will das Unternehmen so erstmals zum Umsatz-Millionär werden. Ein eigenes Online-Magazin informiert über aktuelle Trends rund ums Radfahren. Die erfolgreich umgesetzte 4-Tage-Woche beschert dem jungen Unternehmen viel Aufmerksamkeit. Inzwischen gibt es ein weiteres Büro in Berlin. Aktuell beschäftigt Bike Citizens 25 Mitarbeiter. Also gibt es keinerlei Beschwerden, wenn auch Bike Citizens am Freitag nicht erreichbar ist? Es gibt natürlich immer AppUser, die in den App-Stores eine negative Bewertung schreiben, weil sie nicht innerhalb von 30 Sekunden ein Feedback auf ihre Anfragen erhalten. Davor schützt die 5-Tage-Woche aber auch nicht, wie wir an ähnlichen Reaktionen am Sonntagabend sehen. Die meisten Kunden sind unserem Arbeitszeitmodell wohlgesonnen. Wollen Sie mit der 4-Tage-Woche neue Mitarbeiter ködern? Potenzielle Mitarbeiter interessieren sich für die Ziele der Firma, Aufstiegschancen, Entscheidungsstrukturen und die Unternehmenskultur. Sie wollen eine spannende oder wenigstens interessante Arbeit ausüben und selbstbestimmt eigene Projekte leiten. Da bildet eine 4-Tage-Woche für Interessenten allenfalls das i-Tüpfelchen. Finden Sie Nachahmer für Ihr Arbeitszeitmodell? Es erkundigen sich zwar nicht ständig Human-Resources-Verantwortliche anderer Unternehmen, wie wir das schaffen. Aber auf Tagungen und Messen werden wir angesprochen und bekommen positive Rückmeldungen. Vor einem halben Jahr haben Sie auch Zeiten für stille Arbeit eingeführt. Was bringt das? Bis zum Mittagessen sollen sich unsere Mitarbeiter auf ihre Projekte fokussieren – also etwa Vertriebskontakte pflegen. Jeder kann in diesem klar definierten Zeitraum seine To-doListe abarbeiten, obwohl noch fünf andere Leute im Raum sitzen. Wir verbieten es nicht, mit Kollegen zu sprechen. Aber es schadet der Konzentration, wenn alle durcheinanderreden. Deshalb sollen sich Mitarbeiter für Besprechungen auf die Couch im Foyer zurückziehen. Dadurch verringern wir für einige Stunden den Lautstärkepegel. Zu Meetings treffen wir uns nachmittags. Wer vorher schon tratschen will, kann das in der Küche oder auf dem Balkon. INTERVIEW: THOMAS GLÖCKNER FOCUS 14/2016 F oto: Murat Aslan für FOCUS-Magazin ren als am Schreibtisch. Wir produzieren keine Fahrradrahmen, für die eine Belegschaft eine bestimmte Zeit am Fließband stehen muss. Wir leben von Ideen. Fast jeder weiß, wie man Fahrrad fährt, viele tun es aber nicht. Es geht also darum, eingefahrene Gewohnheiten zu verstehen und aufzubrechen. ERFOLG MACHT APPETIT AUF MEHR. TAG SA M S IST �TAG FO C U S DIE EINFLUSSREICHEN IM Hightech-Gerät für den Schuh, Roboter statt Mensch: Sportartikelhersteller Adidas fertigt im fränkischen Ansbach seit Kurzem in einer eigenen Schuhfabrik LOGISTIK 32 FOCUS 14/2016 In Kooperation mit E UNTERWEGS AUF NEUEN ROUTEN F oto: Presse Robotik, Big Data und Digitalisierung stellen die Logistikbranche vor große Herausforderungen. Weil die Unternehmen zögern, sehen sich die Hochschulen in der Pflicht, den Sektor zu modernisieren FOCUS 14/2016 inmal Asien und zurück. 30 Jahre lang ist Adidas von einem Billiglohnland in Fernost zum nächsten gezogen. Sobald in Korea und China die Löhne stiegen, wanderte der Sportartikelkonzern weiter nach Vietnam und Myanmar, wo Arbeiter für 60 Dollar im Monat Trikots nähen und Schuhe fertigen. Jetzt hat Adidas einen neuen Produktionsstandort gefunden, der noch kostengünstiger ist: Ansbach in der fränkischen Heimat. In der Kleinstadt hat das Unternehmen aus Herzogenaurach zum ersten Mal seit drei Jahrzehnten wieder eine Schuhfabrik gebaut. Im Rahmen des Pilotprojekts „Speedfactory“ will Adidas hier im zweiten Halbjahr 2016 seinen „Boost“Laufschuh in automatisierter Serienfertigung herstellen. Während in Fernost 300 Leute an einem Schuh arbeiten, sind im nahen Mittelfranken nur noch ein gutes Dutzend Menschen plus ein paar miteinander vernetzte Roboter nötig. Das Bundeswirtschaftsministerium fördert die Fabrik, um „Transaktionen über die Kontinente hinweg zu vermindern“ und die Produktion von Modeund Sportartikeln „wieder verstärkt in Europa“ anzusiedeln. 2017 soll eine weitere „Speedfactory“ in den USA entstehen. Weil die Standorte in Asien teurer werden, investieren deutsche Unternehmen zunehmend in die Automatisierung ihrer Fertigung, in Robotik und neue Technologien wie den 3-D-Drucker. Mit den Hightech-Geräten lassen sich Produkte in einem Stück nahe der Kundschaft herstellen, statt sie aus Einzelteilen 33 34 ger auf einem Containerschiff transportieren.“ Weltweit wächst die Wirtschaft derzeit nur noch schleppend um jährlich drei Prozent, früher waren es oft sieben Prozent. Vor fünf Jahren legte die Containerschifffahrt noch doppelt so schnell zu wie die globale Wirtschaft, heute liegen die Zahlen ungefähr gleichauf. Die China-Krise und die Rezession in den Schwellen- In stürmischen Gewässern: Rolf Habben Jansen, Vorstandschef von Hapag-Lloyd, muss sehr flexibel auf Veränderungen in der Branche reagieren ländern ließen das Fernostgeschäft der Reeder einbrechen. „Es ist schlimmer als in der Wirtschaftskrise 2008“, klagte Maersk-Chef Nils Andersen im Februar 2016 und kündigte an, 4000 Stellen zu streichen. Dass Hapag-Lloyd, Deutschlands größte Reederei, nach vier Jahren Verlust 2015 erstmals wieder einen Gewinn erwirtschaftet hat, liegt an Synergieeffekten, Sparprogrammen, dem billigen Treibstoff und dem starken Dollar: „Die Amerikaner können sich günstiger in Europa mit Waren eindecken, deshalb sind die Containertransporte nach Nordamerika branchenweit um sieben Prozent gestiegen“, erklärt Hapag-LloydMitarbeiter Horn. Wenn die Nachfrage in einem Fahrtgebiet sinkt, „fahren unsere eigenen Schiffe in anderen Regionen, wo gerade Wachstum ÜPPIGES STUDIENANGEBOT MIT NEUEN INHALTEN Deutschlands Universitäten, Fachhochschulen und Akademien bieten mehr als 90 Logistik-Studiengänge an. Auf dem Portal logistik-studieren.de finden Interessenten eine Datenbank mit allen Angeboten (Bachelor, Master, MBA und Weiterbildungen), eine Gehaltsübersicht und eine Jobbörse. Die Autoren des Portals raten, die Informationen der Hochschulen im Internet sorgfältig zu studieren, denn derzeit brechen 30 Prozent der Studenten hierzulande ihr Logistikstudium ab. Logistik ist ein weites Feld, entsprechend aufgefächert sind die Ausbildungsmöglichkeiten: Manche Studiengänge haben einen betriebswirtschaftlichen Schwerpunkt, andere sind technisch oder mathematisch ausgerichtet. An Führungsnachwuchs mit Bachelor-Abschluss richten sich gebührenpflichtige, berufsbegleitende Master-Studiengänge, die teilweise mehr als 25 000 Euro kosten. Viele Hochschulen haben ihre Lehrpläne 2015 inhaltlich erweitert, um Entwicklungen hin zu Industrie und Logistik 4.0 aufzugreifen. „Grundsätzlich erleben wir eine Professionalisierung der Branche“, sagt Thomas Strothotte, Präsident der Kühne Logistics University in Hamburg. „Die Positionen in der Logistik werden zunehmend aufgewertet: Der neue Porsche-Chef Oliver Blume beispielsweise ist Logistiker.“ FOCUS 14/2016 F otos: Arne Weychardt/WirtschaftsWoche, Oliver Tjaden/laif zusammenzubauen, die wochenlang in Containern über die Weltmeere schippern. Solche Entwicklungen treffen die Logistikbranche hart. Von einer „Zeitenwende“ spricht Jan Runau, Kommunikationschef bei Adidas, obwohl „der Großteil unserer 301 Millionen Paar Schuhe pro Jahr in den nächsten fünf Jahren noch traditionell gefertigt wird“. Die wachsende lokale Produktion erlaube es, schneller auf Modetrends zu reagieren und häufiger die Modelle zu wechseln. Noch in diesem Jahr will der Konzern mit den drei Streifen Miniaturausgaben seiner Fabriken in großen Läden aufstellen und den Kunden Maßanfertigungen verkaufen – aus Läden entstehen so kleine Fabriken. Sind solche Innovationen eine ernste Bedrohung für die Containerschifffahrt, die den globalen Handel überhaupt erst ermöglicht hat? In Hamburg an der Binnenalster verweist Hapag-Lloyd-Mitarbeiter Rainer Horn auf Zahlen aus dem Oktober 2015: „Die größte Ladungsgruppe in der Containerschifffahrt sind Chemikalien mit 25 Prozent. Auf Platz zwei folgen Lebensmittel mit 17 Prozent. Die können Sie schlecht ausdrucken“, erklärt er trocken. Nur ein Zehntel der Container transportierten überhaupt Textilien und Schuhe. „So lange es nicht einmal einen Cent kostet, ein T-Shirt von Asien nach Europa zu transportieren, werden die Unternehmen solche Massenprodukte weiter in Fernost fertigen“, ist Horn überzeugt. Die enorme Stückzahl macht den Transport pro Stück so günstig: „Vom Gewicht her könnten Sie alle 1,7 Millionen Hambur- In Kooperation mit LOGISTIK & VERKEHR Die beliebtesten Arbeitgeber 1 ARTS Deutschland herrscht – unsere Flottenkapazität atmet mit der Nachfrage“. Mit einem Umsatz von 240 Milliarden Euro im Jahr 2015 und drei Millionen Beschäftigten ist die Logistikbranche der drittgrößte Wirtschaftsbereich Deutschlands. Veränderungen gegenüber ist die Branche bisher wenig aufgeschlossen: So verzichten die Speditionen beispielsweise mehrheitlich auf IT-Lösungen, die ihnen hohe Einsparungen und bessere Renditen bringen könnten. Durch Datenanalysen und algorithmische Modelle ließen sich Transport- und Streckennetzplanung optimieren, Wartezeiten der Fahrer reduzieren, ideale Betankungsintervalle festlegen, Laderäume besser nutzen und Leerfahrten vermeiden. Im neuen Digital Process Index (DPI), der den Digitalisierungsgrad der zehn größten Branchen untersucht, nimmt der Logistiksektor den letzten Platz ein. „Das muss sich ändern“, fordert Professor Thomas Strothotte, Präsident der privaten Kühne Logistics University in Hamburg. „Die Unternehmen müssen schneller reagieren.“ Dazu bräuchten sie entsprechend ausgebildete Fachkräfte. „Das ist unser Auftrag“, hebt Strothotte hervor. Um die Studenten optimal auf die Herausforderungen vorzubereiten, hat die Hochschule die Lehr- angebote spürbar weiterentwickelt. Zu den beiden Kernzielen Professionalisierung und Internationalisierung komme jetzt noch die Digitalisierung hinzu, erklärt Strothotte. „Wir haben dieses Jahr eine erste Professur für IT-Logistics eingerichtet, in ein hochmodernes IT-Lab für unsere Studierenden investiert, und 2016 berufen wir noch zwei Professuren zu Data Law und Business Intelligence – Letzteres in Kooperation mit der Bucerius Law School und dem Hasso-Plattner-Institut.“ Andere Universitäten bieten gezielte Weiterbildungen an, um die Modernisierungslücke in der Branche zu schließen. „Langfristige Trends sind die 2 Flughafen München 3 DFS Deutsche Flugsicherung 4 Toll Collect 5 Flughafen Stuttgart 6 Thales Deutschland 7 Lufthansa Group 8 FlixBus 9 4flow 10 Chep Deutschland Quelle: Kununu; Stand: März 2016 Vernetzung von Produktionsund Logistikprozessen und die Automatisierung im Sinne von Industrie 4.0“, sagt Grit Walther. Die Professorin leitet den Studiengang „Logistik und Supply Chain Management“ an der Hochschule in Aachen. Weil für die Automatisierung und Vernetzung Algorithmen entwickelt werden müssen, seien „zunehmend informationstechnische Kenntnisse notwendig“. Ihr Fach stelle sehr hohe Anforderungen an die Studierenden, denn ohne Mathematik kommt man in der modernen Logistik nicht mehr weit. n HELMUT MONKENBUSCH Gut beladen: HapagLloyd verschiebt seine Fahrtgebiete je nach Nachfrage und Wachstum der Regionen FOCUS 14/2016 35 HANDEL & E-COMMERCE 36 FOCUS 14/2016 In Kooperation mit Nur das Genie beherrscht das Chaos: Schmuckdesigner und Jungunternehmer Maurice Schadowske in seinem Hamburger Atelier FOCUS 14/2016 F oto: Sven Sindt für FOCUS-Magazin LADENHÜTER AUS LEIDENSCHAFT Kaum ein Wirtschaftszweig bietet jungen Berufstätigen so viele Möglichkeiten wie der Einzelhandel. Neben klassischen Verkäufern sucht die Branche vor allem Individualisten mit eigenen Ideen 37 V 38 stützen diese These. Mit 3,1 Prozent legte der hiesige Einzelhandel vergangenes Jahr das stärkste Umsatzwachstum seit 20 Jahren hin: 300 000 Unternehmen erwirtschafteten rund 470 Milliarden Euro Umsatz. Damit ist der Einzelhandel die drittgrößte Branche in der Bundesrepublik. Vor al- VIEL LUFT NACH OBEN Mobiles Internet ist nicht nur im Online-Handel elementar, auch stationäre Geschäfte können Kunden mit kostenlosem WLAN länger in den Läden halten. Es gibt jedoch ein Problem: die sogenannte Störerhaftung. Sie besagt, dass Anbieter von WLAN-Verbindungen dafür geradestehen, wenn ein Nutzer die Regeln bricht und zum Beispiel illegal Daten herunterlädt. Ein Störfaktor, finden Branchenvertreter. „Ohne Störerhaftung könnte sich das WLAN-Angebot deutscher Einzelhändler verdoppeln oder verdreifachen“, sagt etwa Stephan Tromp, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des HDE. Eine aktuelle Umfrage des Verbands zeigt, dass die Hälfte der Händler rechtliche Risiken als Haupthindernis bei der Installation öffentlicher WLAN-Angebote sieht. Die Politik hat sich dieses Problems nun angenommen. In Berlin arbeitet man derzeit an einer Reform des Telemediengesetzes. Sie soll es erleichtern, öffentliche Hotspots einzurichten. lem im Online-Segment laufen die Geschäfte blendend: Hier lag das Umsatzplus bei satten zwölf Prozent. Auch das laufende Jahr verspricht gut zu werden. Zwei Prozent Umsatzwachstum sind nach Meinung des HDE gut zu machen. Im Online-Handel erwarten die Experten sogar ein Plus von elf Prozent. Damit läge der E-Commerce-Umsatz in Deutschland 2016 bei stolzen 46,3 Milliarden Euro. Etwa drei Millionen Menschen verdienen ihr Geld im Einzelhandel, weitere 160 000 absolvieren hier eine Ausbildung. Entsprechend vielfältig sind die Karrierechancen: Neben verschiedenen Ausbildungsberufen bietet die Branche auch Hochschulabsolventen interessante Einstiegsmöglichkeiten und Jobs. Klassische Verkäufer sind ebenso gefragt wie Werbetexter und Logistiker, IT-Fachkräfte oder Betriebswirte. „In kaum einem Wirtschaftsbereich gibt es derzeit so unterschiedliche und interessante Auf- und Umstiegsmöglichkeiten wie im Einzelhandel“, FOCUS 14/2016 F otos: Sven Sindt, Dominik Asbach/beide für FOCUS-Magazin eresterte Zellulose, Essigsäure und ein Hauch von Halfpipe. Die Kombination ist gewagt. Maurice Schadowske hat sie aber so gut gefallen, dass er darauf sein Geschäftsmodell stützte. Seit gut einem Jahr verkauft der gelernte Optiker handgemachten Schmuck aus Zellulose-Acetat – und gebrauchten Skateboards. Der Mut wurde belohnt. Das Geschäft entwickelt sich rasant. „Meine ersten Schmuckstücke habe ich in Läden im Kiez verkauft“, erzählt der 32-Jährige. Heute beliefert er mit seinem Label Paulibird einen wachsenden Kreis von Stammkunden, betreibt einen eigenen Online-Versand und beschäftigt 18 Mitarbeiter. Der schnelle Erfolg überrascht den Hamburger manchmal selbst: „Ich habe nur gemacht, worauf ich Lust hatte. Aber ich habe mir dafür wohl den richtigen Zeitpunkt ausgesucht.“ Aktuelle Zahlen des Handelsverbands Deutschland (HDE) Die Mitarbeiterzahl von Paulibird wuchs innerhalb eines Jahres von null auf 18. Das Schmucklabel bietet ihnen eine entspannte Arbeitsatmosphäre In Kooperation mit HANDEL & E-COMMERCE Die beliebtesten Arbeitgeber betont Pascal Skropke. Der 33-jährige Betriebswirt arbeitete nach seinem Hochschulabschluss zunächst als Anlageberater für einen renommierten Immobilienmakler. „In diesem Geschäftsbereich habe ich viel gelernt“, erinnert er sich. Irgendwann war dann aber die Sehnsucht nach etwas Neuem da. Skropke wechselte zu Navabi. Das Portal hat sich auf den Verkauf hochwertiger Damenmode ab Größe 42 spezialisiert. Umsteiger Skropke ist nun seit knapp vier Jahren als OnlineMarketing-Manager an Bord. Routine oder gar Langeweile ist in dieser Zeit nicht aufgekommen. Im Gegenteil: „Bei einem E-Commerce-Start-up ist die Lernkurve extrem hoch“, sagt Skropke. Gerade in seinem Bereich gebe es kaum feste Regeln, an denen er sich orientieren könne. „Neues auszuprobieren ist daher noch immer ein wichtiger Teil meines Jobs – auch auf die Gefahr hin, dass nicht immer alles auf Anhieb funktioniert.“ Diese Experimentierfreude ist typisch für den Bereich des E-Commerce, aber keineswegs ein Privileg dieses Handelszweigs. Auch bei vielen etablierten Unternehmen der Branche tut sich eine Menge. Die Digitalisierung bringt hier ebenfalls große Veränderungen. Anders als vielfach angenommen bringen die für die klassischen Ladengeschäfte durchaus Vorteile. „Zu Zeiten, als ein feststehender PC im Arbeitszimmer das einzige Zugangstor zum Internet war, glaubte man, online FOCUS 14/2016 bringe uns um“, erinnert sich Pieter Haas, Geschäftsführer der Media-Saturn-Holding. „Heute weiß man es besser.“ Natürlich könne es passieren, dass ein Kunde sich im Markt beraten lasse, um dann doch online zu kaufen. Dieses sogenannte Showrooming hält Haas jedoch für unproblematisch – zumal es auch das entgegengesetzte Phänomen gibt. „Viele Kunden informieren sich zunächst im Netz und kaufen dann im Markt“, sagt der Experte. „Das zeigt, wie wichtig das physische Einkaufserlebnis ist.“ Die Verknüpfung von onund offline, das sogenannte Multi-Channeling, rückt zunehmend ins Visier der Unternehmen. Immer mehr Handelsfirmen bieten Kunden daher beides: Märkte und Läden in den Städten, OnlineShops im Netz. Für eine neue Regalwand etwa muss heute niemand mehr zu Ikea fahren: Die 1 Heco 2 CombiVerbrauchermarkt 3 Wulf Gaertner Autoparts 4 Peter Spies 5 Stahlgruber 6 Lesara 7 Witt-Gruppe 8 LE Health & Beauty Systems 9 Vorwerk Gruppe 10 Kfzteile 24 Quelle: Kununu; Stand: März 2016 Früher verkaufte er Luxusvillen, heute vermarktet Pascal Skropke exklusive Damenmode – in großen Größen meisten Produkte lassen sich bequem im Online-Shop ordern. Auch Modebewusste haben die Wahl: Sie können zum Shoppen entweder in die Fußgängerzone pilgern oder sich bei H&M, Zara & Co. im Internet eindecken. Selbst Supermarktketten wie Rewe präsentieren ihre Ware inzwischen nicht mehr nur in stationären Läden, sondern liefern Käse, Gemüse und Wurst auch nach Hause. Alternativ können Eilige online ihre Bestellung abgeben und den fertigen Einkauf zum Wunschtermin in der nächsten Filiale abholen. Von den neuen Möglichkeiten lassen sich junge Berufstätige inspirieren: Gründer Schadowske etwa plant bereits, sein Sortiment zu erweitern. Die neuen Produkte will er online und offline verkaufen. Marketing-Fachmann Skropke kann sich gut vorstellen, neben dem OnlineVertrieb „irgendwann auch einmal stationäre Navabi-Boutiquen“ zu bewerben. Bei Media-Saturn hat man auch weiterhin Großes vor: Das Unternehmen möchte zur weltweiten Nummer eins im Elektrofachhandel aufsteigen, stationär und im Netz. Dafür allerdings braucht es qualifizierte Nachwuchskräfte, idealerweise aus den eigenen Reihen. „Neben der klassischen Ausbildung in den Bereichen Verkauf, Beratung, Service und IT investieren wir gezielt in innovative Neugründungen“, erklärt Haas. Die Gründer erhielten nicht nur finanzielles Investment, sondern auch Zugriff auf die Ressourcen und das Netzwerk von Media-Saturn. Umgekehrt komme aber auch das Unternehmen auf seine Kosten. „Wir profitieren von den neuen kreativen Ideen der Gründer“, sagt Haas. n CATRIN GESELLENSETTER 39 In Kooperation mit MentoringCorner Studenten holen sich von erfahrenen Führungskräften Tipps für den Berufseinstieg Ob Fachgebiet, Praktika oder Auswahl des künftigen Arbeitgebers – Studentin Samantha Kellner setzt auf die Ratschläge einer erfahrenen Führungskraft. So will sie sich für die Herausforderungen im Beruf rüsten Herr Ganslmeier, was war damals der Grund für Sie, Elektrotechnik zu studieren? Ich war als Kind von den Elektronikbaukästen angetan. Später bekam ich ein Buch mit elektronischen Schaltkreisen zum Nachbauen geschenkt. Weil ich Transistoren aus der Schule nicht kannte, besuchte ich einen Elektronik-Bastelkurs, den ein Elektrohaus angeboten hatte. Insofern war der Studienweg vorgezeichnet. Wurde das Studium zu theoretisch und standen Prüfungen an, bekam ich Zweifel. Ich habe mich aber durchgekämpft und es nicht bereut. Was sehen Sie als zukunftsträchtige Branche im Bereich BWL/ Maschinenbau? Ich denke, dass alle Teilgebiete des Maschinenbaus künftig Bedeutung haben werden von 40 „Jeder Student muss sich das Fachgebiet heraussuchen, das er persönlich interessant findet“ Georg Ganslmeier Georg Ganslmeier A wie Antriebstechnik bis W wie Werkstoffwissenschaften: Maschinenbau, Elektrotechnik und Informationstechnologie – auch interdisziplinär wird alles immer enger verwoben. Der Automobilbau steht vor einem faszinierenden Umbruch: vernetzte Fahrzeuge, autonomes Fahren, alternative Antriebstechniken . . . Auch bei der Pro- Tandem zum Erfolg Georg Ganslmeier nimmt als Mentor am Mentoring-Programm der TU München für Studentinnen teil. Der Elektroingenieur arbeitet seit vielen Jahren im Bereich SoftwareEntwicklung und ist derzeit für das Unternehmen ESolve als Berater im Bereich Automotive tätig. Samantha Kellner studiert seit Oktober 2014 an der TU München Technologie- und Managementorientierte BWL. Die 19-Jährige hat ihr Abitur bereits mit 17 Jahren gemacht. Wie kann ich mich während des Studiums am besten auf das spätere Arbeitsleben vorbereiten? Sicherlich durch möglichst viele Praktika. Es ist sinnvoll, einen Eindruck von großen Unternehmen zu bekommen, aber auch von mittelständischen Betrieben und Dienstleistern. Wie haben Sie nach dem Studium den Karriereeinstieg gemeistert? Die Praktika haben den Praxisschock gemildert. Man muss bei der Einstellung darauf achten, wie gut einen der Arbeitgeber unterstützt – durch Vorgesetzte, die Zeit für einen haben, oder durch Kollegen, die einem als Coach helfen. Bietet ein Arbeitgeber Traineeprogramme, ist das ein Hinweis darauf, dass er Möglichkeiten zur beruflichen Weiterbildung bietet und fördert. Wo liegen für Uni-Absolventen die größten Herausforderungen? Im Moment ist der Arbeitsmarkt aufnahmewillig. Absolventen sollten sich die Zeit nehmen, bis ihnen auch ihr Bauchgefühl sagt, welche Stelle sie antreten sollen. Eine Orientierung zum Arbeitsklima bieten Bewertungsportale. Seien Sie offen für Chancen, die sich bieten. Wagen Sie nach angemessener Überlegung aber auch Brüche, wenn Sie in einer Sackgasse stecken. FOCUS 14/2016 F otos: privat Samantha Kellner duktions- und Fertigungstechnik werden wir durch die Digitalisierung, neue Werkstoffe und Technologien einen Wandel erleben, der berufliche Herausforderungen bieten wird. Jeder muss sich aber das Gebiet aussuchen, das er persönlich interessant findet. Es macht keinen Sinn, sich auf ein Gebiet zu spezialisieren, das zukunftsträchtig ist, einen aber langweilt. In Kooperation mit Moodboard Die wichtigsten Tipps, Trends und Termine – für Sie ausgewählt JOBMESSE KÖLN Connecticum Informatiker, Ingenieur- und Wirtschaftswissenschaftler sowie Studenten dieser Fachrichtungen treffen sich in diesem Jahr in der Hauptstadt zum Experten-Austausch und um neue Karrierechancen auszuloten. Berlin, Arena, 26.–28.4.2016 Mehr Infos unter http://bit.ly/1NTb7Ru „Karrierechancen für alle Qualifikationen und alle Generationen“ verspricht die Jobmesse Köln – und lockt Besucher mit einem vielfältigen Rahmenprogramm. Kostenlose Checks von Bewerbungsmappen, Vorträge zu Karrierethemen und die Möglichkeit zur ausgiebigen Kontaktpflege runden das Angebot ab. Köln, XPost, 16.–17.4.2016 Mehr Infos unter http://bit.ly/1LeSNa7 Die LoveLetter Convention ist die vielleicht wichtigste Konferenz für Liebesromanleser und -autoren. Große Gefühle sind nicht nur beim Meet&Greet mit den Stars der Branche garantiert. Berlin, GLS Sprachenschule, 23.–24.4.2016 Blickfang Mehr Infos unter http://bit.ly/1QfXBfL 21 Erfolgsfrauen, Karriereformeln In dem aktuellen Ratgeber verraten erfahrene Managerinnen aus der Pharma-Branche ihre persönliche Erfolgsformel. Sie schreiben offen über alle Stolpersteine und Hürden auf ihrem Karriereweg – und sie zeigen, wie man es als Frau nach oben schafft. Profiler’s Publishing, 29,90 Euro Impressum FOCUS Magazin Verlag GmbH, Arabellastraße 23, 81925 München, Postfach 81 03 07 Herausgeber: Helmut Markwort, Uli Baur Chefredakteur: Robert Schneider Stellvertretende Chefredakteure: Markus Krischer, Wolfgang Reuter 42 COMIC UND MANGA CONVENTION Liebhaber klassischer Bildgeschichten kommen in der Rheinmetropole ebenso auf ihre Kosten wie MangaFans: Die Comic und Manga Convention ist für jeden Fan ein Muss. Düsseldorf, Weiterbildungszentrum VHS, 10.4.2016 Mehr Infos unter http://bit.ly/1UmDaPM Art Direction: Susanne Achterkamp Chef vom Dienst: Sonja Wiggermann Redaktionsleitung: Steffi Sammet (frei) Mitarbeiter dieser Ausgabe: Catrin Gesellensetter, Thomas Glöckner, Helmut Monkenbusch, Sabine Olschner, Melanie Rübartsch, Katja Stricker Grafik: Manfred Brey Bildredaktion: Andrea Ritter „Neu Gedachtes und gut Gestaltetes, Möbel, Mode und Schmuck, die niemand hat, aber jeder gern hätte“: Solche Schätze präsentiert die internationale Design-Messe Blickfang. München, Postpalast 8.–10.4.2016 Mehr Infos unter http://bit.ly/1XOnll0 Die nächste Ausgabe von FOCUS Network erscheint am 25. Juni 2016 unter anderem mit folgenden Themen: Wie Sie mit Hilfe von Coachs Ihre Karriere voranbringen Für wen sich ein MBA lohnt Was sich in der Automobil- und IT-Branche derzeit tut FOCUS Network 3 kommt am 8. Oktober, FOCUS Network 4 am 26. November 2016. Dokumentation/Herstellung: FOCUS Magazin Verlag GmbH Schlussredaktion: Die Lektorey Kreuzer – Madl – Ruschmann, München Verantwortlich für den Anzeigenteil: Kai Sahlfeld, Arabellastraße 23, 81925 München Geschäftsführer: Burkhard Graßmann, Andreas Mayer Verleger: Dr. Hubert Burda FOCUS 14/2016 F otos: mauritius images, Shutterstock, plainpicture, Getty Images, Presse BUCHTIPP Großer Auftritt kostet Geld. Wissen ist Geld. R E I N S C L A S S E N Alles mach’ Wichtige ich selbst! Erst recht, wenn es um meine Finanzen geht. Buchhaltung, Aufträge, Rechnungen oder Lohn und Gehalt: Mit Lexware haben Sie mit einem Klick alle Geschäftszahlen selbst im Blick – im Büro, zu Hause oder unterwegs. Egal, ob Sie das erste Mal mit Buchhaltung zu tun haben oder Vollprofi sind. Jetzt 4 Wochen kostenlos testen! www.lexware.de