Bielefelder Universitätszeitung pdf-Ausgabe

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Bielefelder Universitätszeitung pdf-Ausgabe
Bielefelder
Nr.
213| 2003
Universitätszeitung
Herausgegeben von der Informations- und Pressestelle der Universität Bielefeld
Bedrohte Sprachen
35. Jahrgang • Nr. 213/2003 • 10. März 2003 • ISSN 0939-4648
Universität Bielefeld • Postfach 10 01 31 • 3 35 01 Bielefeld • Telefon (05 21) 1 06 -00 • Fax 1 06-29 64
E-Mail: gerhard.trott@uni-bielefeld.de • www.uni-bielefeld.de/presse
Aus dem Inhalt
Rechenschaftsbericht des Rektors:
Spektakuläre Forschungsergebnisse und die Studienstrukturreform
haben das Jahr geprägt
8
Forschung
Institute für Bioinformatik und Genomforschung gegründet
Die Gesellschaft und ihre Reichweite – Wie zwingend
ist die Weltgesellschaft?
Was passiert beim überraschenden Reiz?
Bielefelder Universitätszeitung
Impressum
Herausgeber: Informations- und
13
Pressestelle der Universität Bielefeld
20
22
Redaktion: G. Trott, N. Langohr
Gesundheitswissenschaften
Verzweifelte Odyssee durch das Dickicht des Gesundheitssystems 26
Deutsche Gesellschaft für Public Health: Offener Brief zur
Gesundheitsreform
29
Anzeigen: Marlies Läge-Knuth,
Verantwortlich: Dr. Gerhard Trott
Satz: Brigitte Honerlage
Tel: 05 21/1 06 41 47
Redaktionsanschrift: Universitätsstr.
25, 33615 Bielefeld, Tel: 05 21/1 06
41 45-47, Fax: 1 06 29 64, E-Mail:
Zentrum für interdisziplinäre Forschung
Weimars lange Schatten: Weimar als Argument nach 1945
Landnutzung und Natur im Pamir
32
33
Frauenforschung
Zwanzig Jahre Interdisziplinäres Frauenforschungs-Zentrum
Arbeitszeit, Familienzeit, Lebenszeit: Verlieren wir die Balance?
35
37
Das Wort der Stunde heißt Plagiat:
Fälschungen – und kein Ende?
40
Internationales
Kooperationsgespräche mit Universität Paris – Denis Diderot
48
Wissenschaft und Öffentlichkeit
Forum Offene Wissenschaft: Bürger und Experten: Für wen ist
Wissenschaft gut?
54
Transfer
Hannover Messe 2003: Bielefelder Chemiker zeigen Exponat zur
Solarchemie
56
Universität und Wirtschaft
Management-Kolloqium OWL:Visionen und Strategien in
Familienunternehmen
58
Die Geschichte von Josef und Winfried Schmitz:
Muss der Dekan einer umTheologie erweiterten
Fakultät jetzt Josef heißen?
98
gerhard.trott@uni-bielefeld.de
www.uni-bielefeld.de/presse
Herstellung: Druck & Medienhaus
Hans Gieselmann, Ackerstr. 54,
33649 Bielefeld,Tel: 05 21/94 60 90,
Fax: 05 21/9 46 09 99
Auflage: 7000
ISSN 0939-4648
„Capital“e Falschinformation
Hochschulnoten
in Deutschland
(BUZ) Unter der Überschrift „Neue
Studie belegt inflationäre Vergabe
guter Noten an Deutschlands Hochschulen“ berichtet die Zeitschrift
„Capital“, dass an der Universität
Bielefeld im Examensjahr 2000 für
(insgesamt zwölf) Volkswirte die
Durchschnittsnote 1,4 im Diplom
vergeben wurde. Diese Information
basiert auf den Resultaten einer Studie des Wissenschaftsrats vom
Januar 2003.
Eine Überprüfung der im Prüfungsamt der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften vorliegenden Daten ergab jedoch, dass im betrachteten Prüfungsjahr 2000/01 insgesamt elf
Volkswirte eine Durchschnittsnote
von 2,15 erhalten haben. In Anbetracht dieser offensichtlichen Falschinformation und der Außenwirkungen
einer solchen unwahren Aussage in
„Capital“ sieht sich der Dekan der
Fakultät für Wirtschaftswissenschaften, Prof. Volker Böhm, veranlasst, auf
diese Diskrepanz hinzuweisen und zu
betonen, dass es an der Fakultät keine
inflationäre Vergabe guter Noten gibt.
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Bielefelder Universitätszeitung 213/2003
Bedrohte Sprachen
Sprachdokumentation nach neuesten
informationstechnologischen Standards
Bedrohte Sprachen: Wettlauf mit der Zeit
(D.G./D.M.) Nach aktuellen Schätzungen werden von den etwa 6500 Sprachen der Welt Ende dieses Jahrhunderts etwa 90 Prozent nicht mehr existieren. Wie reagieren Gesellschaften auf diesen drohenden Verlust von
Sprachen und Kulturen? Die im eben zu Ende gegangenen Wintersemester
veranstaltete Ringvorlesung „Bedrohte Sprachen. Sprachenwert, Dokumentation, Revitalisierung“ hat verschiedene Antworten aufgezeigt.
Die betroffenen Sprachgemeinschaften reagieren unterschiedlich auf diese Situation: einige passen sich an
eine dominierende Mehrheitssprache
an, andere setzen sich für den Erhalt
ihrer Sprache ein, ja suchen nach Linguisten, die ihrer Sprache eine Schrift
geben, die Lehrmaterialien erstellen
und Sprache und Sprachgebrauch
aufzeichnen: als Teil des kulturellen
Gedächtnisses. Für eine Sprachgemeinschaft ist die Sprachdokumentation dann optimal, wenn sie eine spätere Generation darin unterstützt, die
dann nicht mehr gesprochene Sprache wiederzuentdecken und zu erlernen.
Für die Weltgemeinschaft hat
die UNESCO Aktivitäten
entwickelt, initiiert von ihrer
Sektion „Intangible Cultural
Heritage“. Für die Wissensgesellschaften hat ein Wettlauf mit der Zeit begonnen –
zu einem Zeitpunkt, „kritischer als die Zeit vor dem
Abbrennen der antiken
Bibliothek von Alexandria“.
Beteiligt sind an diesem
Wettlauf die Institutionen
und Projektgruppen:
• Australian Institute of
Aboriginal and Torres Strait
Islander (AIATIS),
• the Archive of the Indigenous Languages of Latin
America (AILLA),
• der Projektverbund „Dokumentation bedrohter Sprachen“ (DOBES),
gefördert von der Volkswagen-Stiftung,
• der Projektverbund „Electronic
Metastructure for Endangered Languages Data” (EMELD), gefördert von
der National Science Foundation
(U.S.A.).
Bielefelder Universitätszeitung 213/2003
Bei diesem Wettlauf geht es
unter anderem um effiziente, zuverlässige Sprachdokumentation nach
neusten
informationstechnologischen Standards und nach fachlichen
Standards der beteiligten Disziplinen,
insbesondere der Linguistik.
Alle Wissenschaftler, die in der
Ringvorlesung referierten, sind in der
einen oder andere Funktion mit
DOBES verbunden, sei es als Antragsteller des Programms (Christian Lehmann, ehemals Universität Bielefeld,
jetzt Universität Erfurt; Jan Wirrer,
Universität Bielefeld), sei es als Projektleiter (Arienne Dwyer, Kansas
University; Sebastian Drude, FU Berlin; Dafydd Gibbon, Universität Biele-
feld; Nikolaus Himmelmann, Universität Bochum), sei es als Forscher in
einem kooperierenden Max-PlanckInstitut (Martin Haspelmath, Leipzig;
Gunter Senft, Hennie Brugman, Nijmegen).
An eine Sprachdokumentation,
die dem derzeitigen Forschungsstand
entspricht, sind einerseits hohe
Anforderungen zu stellen; andererseits eröffnen sich dadurch insbesondere qualitative linguistische Auswertungsmöglichkeiten und Hypothesenüberprüfungen, die bisher nicht
möglich waren. Forscher der Universität Bielefeld – Dafydd Gibbon, Ulrike Gut, Dieter Metzing, Jan-Torsten
Milde, Jan Wirrer und Andreas Witt –
sind an der Entwicklung technologischer Verfahren der Informationsanreicherung von Dokumenten und
ihrer bedeutungsbezogenen Auswertung beteiligt:
• in der Forschergruppe „Texttechnologische
Informationsmodellierung“ der Deutschen Forschungsgemeinschaft (http://www.text-technology.de/),
• in den Forschungsverbünden
DOBES und EMELD (http://www.
mpi.nl/DOBES/, http://emeld.org/),
• in der Entwicklung einer Arbeitsumgebung für multimodale Sprachdokumentation
(TASX-Annotator
http://tasxforce.lili.uni-bielefeld.de/),
• in internationaler Forschungskooperation (International Standard for
Language Engineering (ISLE): Meta
Data Initiative, Computational Lexicography; Natural Interactivity
Tools
Engineering
(NITE)).
Die in den Bielefelder
Projekten
festgelegten
Basisanforderungen
für
Sprachdokumentation beinhalten:
• ein internetfähiges Austauschformat für Korpora,
• multilinguale Sprachkorpora (Bearbeitung europäischer und nicht-europäischer Sprachen),
• multimodale Sprachkorpora (Bearbeitung von Text-,
Audio-, Video-Daten),
• multiple Repräsentation
(Bearbeitung unterschiedlicher Aspekte gesprochener Sprache, von der Lautform bis zu verbaler/non-verbaler Interaktion).
Hierzu ein Beispiel: Zu beantworten sei die Frage, wie im Japanischen oder im Ega der Adressatenbezug sprachlich und nicht-sprachlich
zum Ausdruck gebracht wird. Gegeben sind bestimmte Rahmenbedin3
Bedrohte Sprachen
gungen wie Vertrautheit, soziale
Distanz, Alter, Geschlecht und
öffentliche Kommunikation. Bei Verfügbarkeit einer optimalen Sprachdokumentation bedeutet dies: Ausgewertet werden erstens Metadaten, die in standardisierter Form
Informationen über Sprachdokumente enthalten wie Texttyp, Aufnahmesituation, sozio-kulturelle und
situative Rahmenbedingungen. Ausgewertet werden zweitens fach- und
sprachspezifische Terminologien und
Regelwissen, so genannte Ontologien, die zur Strukturierung des
World Wide Web dienen. Hierbei
werden relevante Beschreibungskategorien,
den
aufgezeichneten
Daten hinzugefügt, so genannte
„tag sets“. Im Korpus wird drittens
nach Vorkommen dieser Kategorien
gesucht, die nach sprachlichen und
außersprachlichen Beschreibungsebenen (Phonetik/Phonologie, Morphologie, Syntax, Referenz sowie
Mimik, Gestik, Körperhaltung) analysiert werden. Identifiziert werden
viertens ebenenübergreifende Bezüge von Merkmalen und Merkmalsbündeln, wiederkehrende Muster,
Abhängigkeiten, Korrelationen, die
zu interpretieren sind, zum Beispiel
sprachliche und außersprachliche
Realisierung von Adressatenbezug
im Japanischen oder im Ega.
Gewonnen werden fünftens sprachspezifische oder domänenspezifische und übergreifende Generalisierungen, aus denen empirisch überprüfbare Hypothesen abgeleitet
werden.
Damit entstehen Einsichten in
Bedingungen von Sprachen, Sprachgebrauch und multimodaler Interaktion. Sprachdokumentation ist ein
relevantes Anwendungsfeld für Spitzenforschung im Bereich der Sprachund Texttechnologie. Vertreten ist
diese in der Bielefelder DFG-Forschergruppe „Texttechnologische Informationsmodellierung“, an der
Wissenschaftler mehrerer deutscher
Universitäten beteiligt sind. In Vorbereitung ist darüber hinaus ein DFGForschungsschwerpunkt
„Texttechnologie“ durch Forscher der
Universitäten Bielefeld, Gießen,
München, Potsdam und Tübingen.
4
Feldforschung mit neuen Methoden der Laborforschung verbunden
Ega – eine bedrohte Sprache Afrikas
(BUZ) Im Süden der Elfenbeinküste wird von ein paar Tausend Menschen in
einem kleinen, geographisch abgelegenen Gebiet die Sprache Ega gesprochen. Die Sprache fasziniert durch ihre Andersartigkeit, die neue Einblicke in
sprachliche Ausdrucksmöglichkeiten des Menschen ermöglicht, die in europäischen Sprachen unbekannt sind: Die Wörter werden nicht nur durch
Sprachlaute, sondern auch durch Töne unterschieden. Die Sprachmelodie ist
tatsächlich nahezu „gesungen“ mit klaren musikalischen Intervallen. Es
werden Implosivlaute verwendet, bei der die Luft in den Mund hineinströmt. Wörter werden in ein Klassifikationssystem eingeteilt, das weit
komplexer als das „männlich-weiblich-sächlich“-System des Deutschen ist.
Die Bedrohungsfaktoren sind komplex. Die Sprachen der umliegenden
Gegend sind nicht enger verwandt
als etwa Deutsch und Griechisch und
breiten sich weiter aus. Im Gegensatz zu den europäischen Gepflogenheiten gilt die Konvention der
exogamen Heirat: Geheiratet wird in
der Regel außerhalb der eigenen
Ethnie. Die Gegend ist fruchtbar und
wird mit Plantagen überzogen, auf
denen Verkehrssprachen wie Dioula
und Sprachen zahlreicher Zuwanderergruppen aus der Sahel-Zone
gesprochen werden. In der Grundschule wird ausschließlich Französisch gelehrt.
In den nächsten Generationen
wird Ega aus diesen Gründen kaum
noch vertreten sein. Im DOBESPilotprojekt „Ega: Dokumentation
einer bedrohten ivorischen Sprache“
haben Dafydd Gibbon und sein
Team effiziente informationstechnologische Methoden entwickelt, um
Audio- und Video-Aufnahmen dieser Sprache systematisch zu dokumentieren, zu archivieren und für die
Sprachgemeinschaft nutzbar zu
machen. Die in Bielefeld entwickelten Verfahren verbinden klassische Feldforschungsmethoden mit
neuen Methoden der linguistischen
und phonetischen Laborforschung.
Das Ega-Projekt wurde als eines
von vier Projekten weltweit und als
einziges europäisches Projekt vom
führenden Sprachdokumentationsprojekt in den USA, EMELD, als
Musterbeispiel für „best practice“ in
diesem Forschungsbereich ausgewählt. Gibbon ist seitdem auch als
linguistischer und informationstech-
nologischer Berater für das EMELDProjekt tätig.
Bei der Erfassung der digitalen Audiound Video-Daten für die Sprachdokumentation werden zwei methodische
Richtungen verfolgt. Die erste Richtung betrachtet die alltäglichen
Arbeits- und Interaktionsabläufe mit
denen ihnen spezifischen Kommunikationsstrategien und Wortschätzen.
Die zweite Richtung basiert auf
gezielten Interviews mit Vertretern
verschiedener
Generationen
zur
Sprachstruktur und zur sozialen und
kulturellen Situation der Sprache.
Bielefelder Universitätszeitung 213/2003
Bedrohte Sprachen
Saterfriesisch und Manx
Bedrohte Sprachen quasi vor der Haustür
Bedrohte Sprachen finden sich nicht nur in weit entfernten Regionen wie
Papua-Neuguinea, Schwarzafrika oder Südamerika, sondern auch in Europa.
Zu diesen zählen zum Beispiel das auf der Isle of Man beheimatete Manx
und – gewissermaßen vor unserer Haustür – das Saterfriesische.
Saterfriesisch wird lediglich in der aus
vier Dörfern bestehenden und westlich von Oldenburg gelegenen
Gesamtgemeinde Saterland gesprochen. Mit gut 1500 Sprechern ist das
Saterfriesische die kleinste Sprache
des friesischen Sprachzweiges, zu
welchem außerdem das ebenfalls
bedrohte und im Kreis Nordfriesland
zu lokalisierende Nordfriesisch mit
etwa 8000 Sprechern sowie das in
der niederländischen Provinz Friesland beheimatete und als regionale
Amtssprache anerkannte Westfriesisch mit etwa 350 000 Sprechern
gehören.
Saterfriesisch ist der letzte Vertreter des Ostfriesischen. Was man
heute allgemein Ostfriesisch nennt,
ist kein Friesisch, sondern eine Spielart des Niederdeutschen. Außerhalb
des Saterlandes hat sich das Ostfriesische in Restbeständen bis ins 20.
Jahrhundert hinein auf der Insel
Wangerooge gehalten. Warum hat –
im Gegensatz zu den anderen
autochthonen ostfriesischen Varietäten – gerade das Saterfriesische bis
heute überleben können? Die Antwort auf diese Frage ist einerseits in
der Sprach- und Siedlungsgeschichte
und andererseits – eng damit verbunden – in spezifischen sprachökologischen Bedingungen zu suchen,
unter denen das Saterfriesische in
Laufe seiner Geschichte existiert hat.
Entstanden ist das Saterfriesische
durch die friesische Landnahme zwischen 1100 und 1400, als zahlreiche
an der Nordseeküste lebende Friesen
durch wiederholte Sturmfluten heimatlos geworden waren und sich im
Landesinneren
ansiedelten.
Im
Saterland ließen sich friesische Siedler nieder, die ursprünglich aus der
Küstenregion zwischen Weser und
Lauwers stammten. Entscheidend
für die weitere – und eo ipso auch
sprachliche – Entwicklung waren die
Bielefelder Universitätszeitung 213/2003
spezifischen topographischen Verhältnisse des Saterlandes. Dieses ist
auf einem ca. 15 Kilometer langen
und bis zu vier Kilometer breiten
Geestrücken gelegen, der seinerseits
von Mooren umgeben ist. Aus diesem Grunde war das Saterland bis
ins 20. Jahrhundert hinein nur
schwer und bis zu Beginn des 19.
Jahrhunderts so gut wie gar nicht
zugänglich. Nicht zuletzt diese topographische Isolierung hat zum Erhalt
der Sprache wesentlich beigetragen,
bei den wenigen Außenkontakten,
welche die Saterfriesen mit ihrer
Nachbarschaft zum Beispiel über
den Torfhandel knüpften, bedienten
sich die Saterfriesen des Niederdeutschen. Hinzu kam eine weitere
Besonderheit: die Bevölkerung des
Saterlandes gehört – im Gegensatz
zu den Bewohnern des nördlich
angrenzenden Ostfriesland – der
katholischen Konfession an, was ein
endogames Heiratsverhalten zur
Folge hatte.
Die heutige Situation unterscheidet sich von der des 19. Jahrhunderts
grundlegend. Das Gebiet ist heute
verkehrstechnisch gut erschlossen, es
hat einen nicht unerheblichen Zuzug
einer nicht-friesischen Bevölkerung
gegeben – in den letzten Jahren u.a.
durch sog. Russlanddeutsche –,
wodurch in der inzwischen 12 000
Einwohner zählenden Gesamtgemeinde die Saterfriesen in die Position einer Minderheit geraten sind,
und nicht zuletzt haben traditionelle
Erwerbszweige der autochthonen
Bevölkerung, vor allem die Landwirtschaft und der Torfabbau, an Bedeutung stark eingebüßt, so dass heute
zunehmend mehr Saterfriesen lediglich außerhalb des Saterlandes Arbeit
finden und pendeln. – Trotz zahlreicher Bemühungen, das Saterfriesische u.a. durch die Einrichtung von
einschlägigen Kindergartengruppen
und schulischen Kursen und entsprechenden Angeboten in der Erwachsenenbildung zu erhalten, und trotz
der Tatsache, dass das Saterfriesische
durch seine Aufnahme in die Europäische Charta der Regional- oder
Minderheitensprachen einen sprachpolitischen Schutz erfährt, muss die
Sprache als stark gefährdet gelten.
Ein nicht weniger bemerkenswertes Beispiel stellt Manx dar.
Zusammen mit Bretonisch, Cornish,
Kymrisch, Irisch-Gälisch und Schottisch-Gälisch gehört Manx der keltischen Sprachfamilie an. Zusammen
mit den beiden letztgenannten zählt
es zum nördlichen Zweig der keltischen Sprachen.
Konsultiert man die linguistische
Literatur, so gelangt man zu der
Überzeugung, dass die Manx seit
fast 30 Jahren ausgestorben ist. Das
Argument für diese Behauptung liefert jeweils die Tatsache, dass Ned
Maddrell, der letzte native speaker,
der Manx als Erstsprache im ungesteuerten Spracherwerb erlernt hat,
im Jahre 1974 gestorben ist. Davon,
dass dies nicht so ist, kann sich jeder
überzeugen, der die Isle of Man
heutzutage besucht und mit offenen
Sinnen die Insel erkundet.
Wie verträgt sich ein solcher
Befund mit der in der linguistischen
Fachliteratur immer wieder zu lesenden und mit Hartnäckigkeit kolportierten Behauptung? – Es scheint evident, dass diese Behauptung zumindest in ihrer Pauschalität nicht
aufrecht zu erhalten ist. Mag man die
Tatsache, die vom Inselparlament in
der vergangenen Legislaturperiode
beschlossenen Gesetze am Tynwald
Day, der Neueröffnung des Parlaments, sowohl auf Englisch als auch
als auch auf Manx öffentlich verkündet werden, als ein relikthaftes Ritual
interpretieren, welches hinsichtlich
der Vitalität des Manx keine gesicherten Schlüsse erlaubt, so weist die
Tatsache, dass Manx-Radio neben
englischsprachigen Sendungen auch
Sendungen in Manx ausstrahlt, darauf hin, dass Manx als kommunikatives Medium durchaus in Gebrauch
ist.
Wie verträgt sich all dies mit der
unbestrittenen Tatsache, dass mit
5
Bedrohte Sprachen
Ned Madrell der letzte native speaker des Manx im engeren Sinne verstorben ist? Tatsache ist, dass es seit
den späten 1930er Jahren eine Reihe
von Sprechern gab, die Manx zwar
nicht im ungesteuerten Spracherwerb als Erstsprache, aber doch mit
Unterstützung der letzten Muttersprachler als Zweitsprache erlernt
hatten und die sich darüber hinaus
auf eine von Eamon de Valera bei
einem Besuch der Isle of Man im
Jahre 1947 angeregte Dokumentation von gesprochenem Manx stützen konnten. Insofern gibt es eine
ununterbrochene Kontinuität in der
Weitergabe der Sprache, auch wenn
man hier einen qualitativen Sprung
vom ungesteuerten Erstspracherwerb zum gesteuerten Zweit-, Drittoder Xspracherwerb zu konstatieren
hat. Inwieweit sich dies auf die lexikalische und syntaktische Struktur
der Sprache ausgewirkt hat, ist meines Wissens noch nicht untersucht
worden. Es gibt aber gute Gründe
für die Annahme, dass die sprachlichen Veränderungen zwar einerseits bedeutsamer sind als bei der
ungesteuerten Weitergabe an die
folgende Generation, andererseits
dürften sie jedoch erheblich geringer
sein als im Falle von Sprachen, bei
denen eine Kontinuität im oben skizzierten Sinne nicht nachzuweisen ist.
Die erwähnte Tradition des
Zweit-, Dritt- oder Xsprachenerwerbs von Manx ist bis heute nicht
abgebrochen, so dass sich als vorläufiges Fazit feststellen lässt, dass es
heute zwar niemanden mehr gibt,
der Manx als Erstsprache im ungesteuerten Spracherwerb erlernt, dass
aber trotzdem eine Reihe von Menschen Manx als Zweit-, Dritt- oder
Xsprache erlernt haben und erlernen.
Unter soziolinguistischen Gesichtspunkten kann die Isle of Man
als eine Art Labor betrachtet werden, in welchem an einem überschaubaren Beispiel untersucht werden kann, welche Revitalisierungschancen eine totgeglaubte Sprache
unter günstigen ökologischen Bedingungen in einer modernen Gesellschaft heutzutage hat. Eine entsprechende, über mehrere Jahre laufende
Longitudinalstudie
könnte
Ergebnisse erbringen, die trotz aller
Spezifika für Revitalisierungsbemühungen weltweit von Interesse
wären.
Jan Wirrer
Weltatlas der
Sprachstrukturen
(BUZ) Die Pluralmarkierung in den
Sprachen der Welt (siehe Titelseite)
ist eines von 120 Strukturmerkmalen, untersucht im Projekt „Weltatlas der Sprachstrukturen“ auf einer
Basis von 150 bis 400 Sprachen.
Noch nie zuvor konnten auf einer so
breiten und integrierten empirischen Basis und aus einer globalen
Perspektive Fragestellungen wie die
folgenden untersucht und typologische Hypothesen geprüft werden:
Welche Strukturmerkmale kommen
in fast allen Sprachen vor? Welches
Ensemble von Eigenschaften ist charakteristisch für welche Sprachen?
Welche Gemeinsamkeiten sind auf
Sprachverwandtschaft und welche
auf Sprachkontakt zurückzuführen?
Und welche Eigenschaften einer
Sprache sind Zeugnis einer längst
untergegangenen anderen Sprache?
Angesiedelt ist das Projekt
„Weltatlas der Sprachstrukturen“
am Max-Planck-Institut für Evolutionäre Anthropologie in Leipzig. Eine
Publikation von 120 Karten mit Beispieldaten und einer CD-ROM
erscheint in Kürze, erarbeitet von 40
international anerkannten Experten
und herausgegeben von Bernard
Comrie, Matthew Dryer, David Gil
und Martin Haspelmath.
Mit der CD-ROM wird es möglich, selbst nach sprachbezogenen
Strukturmustern zu suchen, nach
Abhängigkeiten und Korrelationen
von Laut-, Wort- und Satzstrukturen
sowie lexikalischen Strukturen. Ein
unerwartetes Ergebnis dieser Untersuchungen ist zum Beispiel, dass nur
acht Prozent der Sprachen der Welt
die uns wohlvertraute Unterscheidung zwischen einem bestimmten
und unbestimmten Artikel (das Bild,
ein Bild) kennen.
(http://www.eva.mpg.de/lingua/research/research.html).
6
Bielefelder Universitätszeitung 213/2003
Bedrohte Sprachen
Der TASX-Annotator ermöglicht die interaktive Erstellung multimodaler Korpora. Durch die unmittelbare Einbindung der Video- und Audiodaten in den Transkriptionsprozess vereinfacht sich die integrative Bearbeitung der betrachteten
Teilmodalitäten.
Sprachtechnologie für Text-,
Audio- und Video-Daten
(BUZ) Zur Erfassung und Analyse zeitlich geordneter und multimodaler
Sprachdaten hat der Bielefelder Linguist Dr. Jan-Torsten Milde sprachtechnologische Tools für Text, Audio- und Video-Daten, den TASX-Annotator,
entwickelt.
TASX, Time Aligned Signal Data
Exchange Format, und die hierauf
aufsetzenden Werkzeuge bieten
dem Linguisten technische Unterstützung bei der Annotation eines
Korpus, das heißt einer repräsentativen Sammlung von Sprachdaten,
der Korpuserstellung, der Korpusanalyse und der Korpusdissemination.
Im TASX-System wird es durch einen
weitgehend theorieneutralen, texttechnologisch motivierten Modellierungsansatz möglich, Korpora mit
unterschiedlicher Zielsetzung in
einer einheitlichen Basistechnologie
zu erfassen. Das technische Rahmenwerk definiert so einen Ansatz
zur vereinheitlichten Beschreibung
und
Verarbeitung
sprachlicher
Daten. TASX wird derzeit in einer
Reihe von Forschungsprojekten an
Bielefelder Universitätszeitung 213/2003
der Universität Bielefeld verwendet,
so von den Sprachdokumentationsprojekten Ega und Saterfriesisch,
aber auch von Projekten zur
Gesprächsanalyse im Kontext mehr-
sprachigen Unterrichts und zur
Untersuchung des Prosodieerwerbs
beim Erlernen einer Fremdsprache.
„Der TASX-Annotator“ – so
sagt Jan-Torsten Milde – „ermöglicht die interaktive Annotation von
Video- und Audiodateien auf einer
beliebigen Anzahl von Beschreibungsebenen. Dabei können im
Videomodus mehrere Videos synchron bearbeitet werden. Hierdurch
wird es beispielsweise möglich, Szenen aus unterschiedlichen Perspektiven aufzunehmen und diese dann
parallel auszuwerten. Das System
stellt eine Vielzahl von Funktionen
zur Manipulation von Beschreibungsebenen und den darin kodierten Ereignissen zur Verfügung. So
können beispielsweise Ebenen eingefügt, verschoben, gruppiert, kollabiert und expandiert werden, Ereignisse verschoben, deren Grenzen
angepasst, an beliebiger Stelle aufgetrennt und miteinander verschmolzen werden. Für die Annotation der Sprachdaten können beliebige Zeichensätze verwendet und
damit Korpora in nahezu jeder Sprache aufgebaut werden.“
Derzeit wird an der Anpassung
der Benutzeroberfläche an mehrere
Sprachen gearbeitet. Aktuell existieren bereits eine englische, deutsche
und japanische Fassung. Eine russische, arabische und polnische Version
soll folgen. Das Programm und alle
damit verbundenen Komponenten
sind unter Open Source-Bedingungen frei erhältlich und können unter
der Adresse: http://tasxforce.lili.unibielefeld.de/ abgerufen werden.
7
Bedrohte Sprachen
Rahmenbedingungen
der Dokumentation
von Sprachen
(BUZ) Linguisten und Computerlinguisten der Universitäten Melbourne, Michigan und Bielefeld (Dafydd
Gibbon) haben Rahmenbedingungen praktikabler effizienter Sprachdokumentation für bedrohte Sprachen (Workable Efficient Language
Documentation) festgelegt. Zu
erfüllen sind die Bedingungen:
• Comprehensive – umfassend: Alle
Sprachgemeinschaften haben ein
Recht darauf, dass ihre Sprache
dokumentiert wird, vorrangig sind
aber bedrohte Sprachen zu dokumentieren.
• Efficient – effizient: Einfache, praktikable, effiziente Hardware- und
Software-Tools werden benötigt, um
Sprachwissenschaftlern vor Ort,
besonders in den Entwicklungsländern, zu ermöglichen, die Sprachen
ihres Landes zu dokumentieren.
• State of the art – auf dem neuesten Stand: Moderne Austauschformate (XML) und automatische Analysetechniken der Computerlinguistik, der Sprachtechnologie und der
Künstlichen Intelligenz (z. B. Maschinelles Lernen) müssen zur Erhöhung
der Effizienz eingesetzt werden.
• Affordable – bezahlbar: In der
dritten Welt sind modernste Hardware- und Softwareplattformen selten anzutreffen, Internet-Verbindungen und Email sind kaum
bezahlbar, also müssen preiswerte,
bezahlbare Lösungen und Abwärtskompatibilität mit diesen Lösungen
angestrebt werden.
• Fair – gerecht: Wenn Sprachgemeinschaften und Kollegen vor Ort
ihre Sprachdaten der weltweiten
Wissenschaft zur Verfügung stellen,
dann müssen im Austausch open
source-Werkzeuge zur Bearbeitung
dieser Daten diesen Gemeinschaften
und Kollegien zur Verfügung gestellt
werden. Andernfalls unterscheidet
sich die Wissenschaft ethisch grundsätzlich nicht von anderen Formen
der ökonomischen Ausbeutung der
dritten Welt.
8
Rechenschaftsbericht des Rektors
Spektakuläre Forschungsergebnisse
und die Studienstrukturreform
haben das Jahr geprägt
(BUZ) Der Rektor der Universität Bielefeld, Professor Dieter Timmermann,
hat am 12. Februar im Universitätssenat seinen Rechenschaftsbericht 2002
abgegeben, den wir hier in Auszügen veröffentlichen. Der volle Wortlaut
des Berichts findet sich im Internet unter: www.uni-bielefeld.de | Aktuelles |
Dokumente | Rechenschaftsbericht.
Das Jahr 2002 war für die Hochschulen nicht zuletzt von bundesweit ausstrahlenden Debatten geprägt. Zu
Beginn gab es eine lebhafte Diskussion um das neue Dienstrecht und
seine Befristungs- und fehlenden
Übergangsregelungen. Etwas überraschend wurde Bielefeld zum
bundesweiten Zentrum der Kritik an
Teilen der Dienstrechtsreform, die
unter anderem erhebliche Beeinträchtigungen bei der über Drittmittel finanzierten Projektforschung
befürchten ließ. Nicht nur der davon
besonders betroffene akademische
Mittelbau meldete sich öffentlichkeitswirksam zu Wort, sondern auch
prominente Professoren. Der Senat
verabschiedete dazu eine sehr abgewogene Resolution, die die Dienstrechtsreform grundsätzlich nicht in
Frage stellt, sondern sich mit den
genannten Problemen auseinandersetzt. Es ist nicht zuletzt Vorschlägen
aus Bielefeld zu verdanken, dass es
schließlich zu Nachbesserungen kam.
Die Universität hat inzwischen sechs
Juniorprofessuren besetzt und wird
zunächst Erfahrungen mit dieser im
Vorfeld ebenfalls teilweise heftig kritisierten Neuerung sammeln. Das
bedeutet weiterhin kein grundsätzliches Votum für die flächendeckende
Abschaffung der Habilitation.
Wissenschaft muss sich stärker als bisher in einer auch für Laien verständlichen
Form präsentieren. An der Universität Bielefeld stellen jetzt renommierte Wissenschaftler ihre Forschungsergebnisse in dem neuen Format „Wissenschaft
live – Verständliche Wissenschaft“ der Öffentlichkeit vor; so auch der aus mehreren Fernsehsendungen einem größeren Publikum bekannte Psychologie-Professor Hans J. Markowitsch. Er sprach in der vom Campusradio live übertragenen Diskussionsveranstaltung über „Gedächtnis und Gehirn“. Das Foto zeigt
(von links): Moderatorin Katharina Kohse-Höinghaus, Hans J. Markowitsch,
Superintendentin Regine Burg, Rektor Dieter Timmermann, die Hertz-JuniorGruppe der Bielefelder Laborschule und den Philosophen Ansgar Beckermann.
Bielefelder Universitätszeitung 213/2003
Rechenschaftsbericht
Mit besonderer Sorge wurde die
Entwicklung der öffentlichen Haushalte beobachtet. Für die Universität
ist es von herausragender Bedeutung, dass die mit dem Qualitätspakt
verbundene Planungssicherheit bis
2004/06 auch wirklich erhalten
bleibt, um strategische Weichenstellungen und damit eine langfristig
wirksame Profilbildung zu ermöglichen. Am 10. Mai wurde die seinerzeit vom Senat zustimmend zur
Kenntnis genommene Zielvereinbarung mit dem Land zur weiteren Entwicklung der Universität bis 2004
unterzeichnet. Sie betrifft unter
anderem die Bereiche Genomforschung/Bioinformatik/Strukturbiochemie/Nanowissenschaften sowie
Lehrerausbildung, Public Understanding of Science and Humanities
de. Die damit verbundene erweiterte
Finanzautonomie wird allerdings
bedauerlicherweise weiter durch die
zentrale Bewirtschaftung der Liegenschaften durch das Land konterkariert. Haushaltsprobleme hat es im
Jahr 2002 glücklicherweise nicht in
überdurchschnittlichem Maß gegeben. Wie sich die Einbrüche bei den
Steuereinnahmen in diesem Jahr auf
die Hochschulen auswirken werden,
ist zum Teil schon absehbar. Erhebliche Einbußen wird es bei den Mitteln
aus dem Zentralkapitel geben. Die
Mittel aus Schöpfungen werden um
20 Prozent gekürzt – davon ist Bielefeld durch den Globalhaushalt aber
nicht betroffen. Nicht zuletzt im
Zusammenhang mit der Finanzautonomie ist die Einführung der Kostenund Leistungsrechnung zu sehen,
die flächendeckend eingeführt wurde.
Nach langer Vorarbeit hat die
Universität jetzt eine neue Grundordnung, deren Praktikabilität sich
nun erweisen muss.
Strukturelle Neuerungen
Die Bielefelder Historikerin Ute Frevert beendete im Wintersemester
2002/2003 mit ihrem Beitrag „Gute
Europäer – und wer sich vor ihnen
fürchten könnte“ die auch im kommenden Sommersemester fortgesetzte Reihe „Wissenschaft live“, in der
zuvor die Professoren Andreas Dress,
Dario Anselmetti und Hans J. Markowitsch ihre Forschungen zur Diskussion stellten.
(PUSH), Politikwissenschaft und
Medienwissenschaften, wobei die
traditionell an der Universität verankerte Interdisziplinarität für diese
Bereiche von besonderer Bedeutung
ist. Mit dem Modellversuch zur konsekutiven Lehrerausbildung hat Bielefeld einen großen Schritt im Rahmen der generellen Internationalisierung der Studienstruktur gemacht,
der ebenfalls bundesweit mit Interesse verfolgt wird.
Seit dem 1. Januar 2003 ist die
Universität Bielefeld eine von vier
Hochschulen des Landes, in denen
der Globalhaushalt eingeführt wurBielefelder Universitätszeitung 213/2003
len Aktivitäten in der Universität
unter einem Dach zusammengefasst
und gemanagt werden.
Das Institut für Didaktik der
Mathematik ist im Berichtszeitraum
als wissenschaftliche Einrichtung in
die Fakultät für Mathematik eingegliedert worden. Zum Institut für
Wissenschafts- und Technikforschung und zum Forschungsschwerpunkt Mathematisierung hat der
Senat entsprechend seiner Grundsätze für die Neugründung von zentralen wissenschaftlichen Einrichtungen die Weiterführung beider Einrichtungen mit neu konzipierten
zukunftsorientierten Forschungsfeldern empfohlen.
Die langjährige gute Zusammenarbeit mit den von Bodelschwinghschen Anstalten wurde im
letzten Jahr durch die Gründung
eines An-Instituts für interdisziplinäre Epilepsieforschung bestätigt. Mit
dem Institut für Evangelische Theologie und Religionsdidaktik wurde
erstmals auch eine gemeinsame Einrichtung mit der Kirchlichen Hochschule Bethel gegründet.
Wichtigste strukturelle Änderung Forschung
des letzten Jahres ist die Auflösung
der Fakultät für Theologie, Geogra- Inzwischen hat man sich in der Uniphie, Kunst und Musik. Die Zahl der versität fast schon daran gewöhnt,
Fakultäten der Universität Bielefeld dass jedes Jahr die Summe der einwurde damit erstmals in ihrer geworbenen Drittmittel in ganz
Geschichte reduziert. Das Rektorat erheblichem Umfang ansteigt. Auch
hofft, dass die Betroffenen sich in für 2002 ist wieder ein Rekord zu
den neu zugeordneten Fakultäten vermelden: gegenüber der auch für
für
Geschichtswissenschaft und Philosophie (und nun
auch
Theologie),
Soziologie und Linguistik und Literaturwissenschaft schnell
zu Hause fühlen. Mit
dieser Umorganisation hängt auch die
Errichtung
eines
„Ästhetischen Zentrums“ zusammen,
mit der im letzten
Jahr begonnen wurde. Hier sollen die
vielfältigen, aber bisher sehr zersplitterten „Nano-Igel“, „Blaue Zitrone“ und diese Nanokugel
künstlerisch-kulturel- gehören alle zu den in Bielefeld entdeckten Kepleraten.
9
Rechenschaftsbericht
Bielefelder Verhältnisse gewaltigen
Summe von 58,3 Mio. DM (29 Mio
Euro€) gab es nochmals einen Anstieg
auf 34 Mio. Euro€. Der Umfang an
zusätzlichen Zuwendungen aus Landesmitteln ist mit ca. 3 Mio. Euro
konstant geblieben. Ein erheblicher
Anteil davon geht auf die Mittel für
Sonderforschungsbereiche,
Forschergruppen, Graduiertenkollegs,
auf die Genomforschung und die
Gesundheitswissenschaften zurück.
17
24 October 2002
International weekly journal of science
£7.00
www.nature.com/nature
Attosecond physics
Snapshots of an excited atom
Ageing
How the worm
declines
Climate
change
Natural-born
storms
Quantum
computing
autumn books seasonal offerings
9 770028 083071
43
NOT now
Am 1. Januar 2002 nahm der neue
Sonderforschungsbereich 613 „Physik von Einzelmolekülprozessen und
molekularer Erkennung in organischen Systemen“, an dem auch Biologen und Chemiker beteiligt sind,
seine Arbeit auf. Mit herausragenden Ergebnissen wurde der Sonderforschungsbereich 360 „Situierte
künstliche Kommunikatoren“, der
von Linguisten und Informatikern
getragen wird, verlängert. Allerdings
zeigt sich bisweilen auch, dass es
nicht immer leicht ist, einen derart
komplexen Organismus wie einen
Sonderforschungsbereich über einen
langen Zeitraum zusammenzuhalten. Seit 1. Juni fördert das Bundesministerium für Bildung und Forschung einen großen Forschungsverbund zum Thema „Desintegrationsprozesse – Analysen zur
Stärkung von Integrationspotenzialen einer modernen Gesellschaft“,
dessen Konzept vom Institut für
interdisziplinäre
Konfliktund
Gewaltforschung entwickelt wurde
und der auch von hier aus koordiniert wird. Darüber hinaus spielt Bie10
lefeld eine zentrale Rolle bei einem mehrere Spitzenplätze im von
ebenfalls neu etablierten For- STERN und CHE im letzten Jahr verschungsverbund
Pflegewissen- öffentlichten Ranking. Es ist gute
schaft.
Tradition in der Universität, solche
Gute Fortschritte machen weiter Rankings nicht überzubewerten,
die Bemühungen um die Förderung aber einen gewissen Aussagewert
des wissenschaftlichen Nachwuch- und vor allem eine nicht zu unterses durch ein geordnetes Doktoran- schätzende Öffentlichkeitswirksamdenstudium, das sich (selbstver- keit wird man ihnen nicht abspreständlich) als dritte Stufe der neuen chen können.
BA/MA-Studienstruktur etablieren
soll. Dabei ist es im Sinne der Inter- Lehre
nationalisierung, wenn dazu Graduate Schools eingerichtet werden. Mit dem Modellversuch zur LehrerZum Wintersemester haben erfreuli- ausbildung hat sich die Universität
cherweise gleich zwei Graduate für ein ambitioniertes Unternehmen
Schools ihre Arbeit aufgenommen, entschieden, das viel Energie von
nämlich in Chemie/ Biochemie und allen Beteiligten erfordert (und das
in der Soziologie. Außerdem wurde sind sehr viele), dessen Gelingen
in der Soziologie ein weiteres Gradu- aber auch weichenstellend für die
iertenkolleg mit dem Titel „Weltbe- Reformierung dieses großen Stugriffe und globale Strukturmuster: dienbereichs nicht nur in NordrheinAusdifferenzierung und funktionale Westfalen sein dürfte. Als einzige
Diversifikation der Weltgesellschaft“ Universität bezieht sich die Reform
etabliert, und zum 1.10.2002 wurde bei uns nicht nur auf das Lehramt für
das von der Hans-Böckler-Stiftung Gymnasien wie in Bochum, sondern
geförderte Promotionskolleg „Der auch auf die Ausbildung für das
Einfluss sozialer Faktoren auf das Lehramt an Grund-, Haupt- und
Leistungsgeschehen im Gesund- Realschulen. Die Strukturreform
heitswesen der BRD“ in der Fakultät bezieht sich aber selbstverständlich
für Gesundheitswissenschaften ein- nicht auf die Lehramtsstudiengänge
gerichtet .
allein: inzwischen sind auch alle
Spektakuläre, weit über die Magisterstudiengänge ausgesetzt
Grenzen der eigenen Fächer wahr- und in das konsekutive Modell übergenommene Erfolge gab es für Bie- führt worden. Auch der Diplomstulefelder Naturwissenschaftler mit der diengang Sport wurde bereits umgeSynthese des NanoIgels, eines riesenhaften
anorganischen Moleküls und
(im Zusammenhang
Promotion
mit dem Sonderforschungsbereich
„Physik von Einzelmolekülprozessen
Fachwisund
molekularer
Master mit
senschaftErkennung in organiLehramtsoption
licher
schen Systemen“)
Master
mit der Erzeugung
ultrakurzer Lichtblitze im AttosekundenBereich. Beides beEin-FachZweideutete
„WeltreBachelor
Fachkord“.
Bachelor
Dass Bielefeld in
der Forschung weiter
eine „Top-Adresse“
bleibt, zeigen auch
Bielefelder Universitätszeitung 213/2003
Rechenschaftsbericht
stellt. Von diesen Neuerungen versprechen wir uns unter anderem
eine Verkürzung der Studienzeiten
und die Erhöhung der Erfolgsquoten. Damit soll zugleich ein umfassender Studienreformprozess verbunden sein. Zentrale Stichworte
dazu sind mehr Praxisanteile im Studium und andere, innovative Unterrichtsformen. Entscheidend für den
Erfolg der Reform wird nicht zuletzt
sein, ob die Wirtschaft die neuen
Abschlüsse akzeptiert, wobei ein
derart exportabhängiges Land wie
die Bundesrepublik mit einer Internationalisierung in der Ausbildung
eigentlich keine Probleme haben
dürfte.
Nach der Einführung der Bachelor-Studiengänge entstehen jetzt
Stück für Stück die Entwürfe für die
Master-Studiengänge. Die erste
Fakultät, die die Stufung bereits bis
zum PhD eingeführt hat, ist die
Fakultät für Gesundheitswissenschaften. Die Befürchtung, die neue
Studienstruktur würde potenzielle
Studierende
zunächst
einmal
abschrecken, hat sich bisher nicht
bestätigt. Ganz im Gegenteil ist die
Studienanfängerzahl zum Wintersemester gegen den Bundes- und
Landestrend sogar leicht angestiegen, wobei fast zwei Drittel dieser
Anfänger Frauen waren.
Das Lehrangebot hat sich im
letzten Jahr erneut erweitert. Mit
dem Bachelor-Studiengang „Politikwissenschaft“ wird der im Qualitätspakt angestrebte Ausbau dieses
Bereichs fortgeführt. Einen neuen
Bachelor-Studiengang bietet auch
die Fakultät für Gesundheitswissenschaften mit „Gesundheitskommunikation“ an, ein Thema, dessen Relevanz auf der Hand liegen dürfte. Im
Rahmen der Umstellung des Diplomstudienganges auf BA/MA bietet die
Sportwissenschaft im Master neben
dem „traditionellen“ Schwerpunkt
„Prävention und Rehabilitation“ nun
auch einen Master mit integriertem
Beifach
Betriebswirtschaft
zum
Schwerpunkt „Entwicklung und
Management“ an – auch dies angesichts der nicht zuletzt wirtschaftlichen Bedeutung von Sport sicherlich außerordentlich sinnvoll.
Bielefelder Universitätszeitung 213/2003
Aus der Versteigerung der
UMTS-Lizenzen
finanziert
das
Bundesministerium für Bildung und
Forschung den Einstieg in die „Notebook-University“ des mobilen Lernens und Lehrens. Unter den ersten
12 geförderten Hochschulen ist auch
die Universität Bielefeld mit den
Bereichen Bioinformatik, Neurobiologie, Klinische Linguistik, Rechtswissenschaft und Mediengestaltung, in denen die Nutzung neuer
Medien in der Lehre besonders
unterstützt wird.
sierte Förderunterricht für Schülerinnen und Schüler nichtdeutscher Herkunftssprache, der jetzt durch die
Mercator-Stiftung (aber auch durch
andere Spender) großzügig unterstützt wird. Inzwischen sind die Bielefelder Bemühungen in der Kooperation mit Schulen durch den Preis
des Stifterverbandes im Wettbewerb
„Übergänge“ auch übergreifend
gewürdigt worden. Die Universität
Bielefeld wurde zusammen mit fünf
weiteren Hochschulen für ihr
Gesamtkonzept zur Zusammenarbeit mit Schulen ausgezeichnet.
Übergang Schule-Hochschule
In ihren schülerorientierten Aktivitäten ist die Universität seit Jahren
bereits sehr erfolgreich. Inzwischen
gibt es Angebote für alle Altersstufen ab der Primarstufe („teutolab“)
über „peanuts“ (Naturwissenschaften für Mädchen) bis zu „Eintauchen
in
die
Wissenschaften“
für
besonders begabte und motivierte
Schüler der 13. Jahrgangsstufe (um
nur einige dieser Aktivitäten zu nennen). Seit dem letzten Jahr läuft nun
in Bielefeld das Programm „Studie-
ren ab 16“. Nach guten Erfahrungen
an anderen Universitäten können
Schüler mit herausragenden Leistungen bereits während der Schulzeit
reguläre Lehrveranstaltungen an der
Universität besuchen. Augenblicklich bezieht sich dies auf die Fächer
Mathematik, Chemie und Physik.
Das Angebot soll aber auch auf
andere Fächer ausgeweitet werden.
Sehr erfolgreich entwickelt sich auch
der gemeinsam mit der Stadt organi-
Public Understanding of Science
and Humanities (PUSH) /
Öffentlichkeitsarbeit
Auch der teilweise mit dem Übergang zwischen Schule und Hochschule verknüpfte Bereich PUSH
gehört zu den im Qualitätspakt
besonders berücksichtigten Aspekten bei der Weiterentwicklung der
Universität. Generell zeigt sich in
den letzten Jahren die Tendenz einer
größeren Offenheit von Wissenschaftlern, ihre Ergebnisse allgemeinverständlich (und möglichst
öffentlichkeitswirksam) bekannt zu
machen, ohne dabei an Seriosität
einzubüßen. Das „Forum Offene
Wissenschaft“ leistet dabei seit Jahren wertvolle Dienste mit Vorträgen
zu aktuellen Themen wie „Konflikt
der Kulturen: Wie können wir
zusammenleben?“. Aus gegebenem
Anlass veranstalteten der Verein für
Philosophie, die Abteilung Philosophie, das Zentrum für interdisziplinäre Forschung und das Rektorat
gemeinsam ein Ringvorlesung mit
dem Titel „Im Angesicht des Terrors:
Zur Verteidigung der Aufklärung“.
Auch die großenteils von Wissenschaftlern der Universität gestalteten
Veranstaltungen zur Wehrmachtausstellung hatten eine außerordentlich gute öffentliche Resonanz.
Im Wintersemester begann zudem
mit „Wissenschaft live – verständliche Wissenschaft“ eine neue Vortrags- und Diskussionsreihe, in der
prominente Wissenschaftler der Universität – von Hertz 87,9 übertragen
– ihre Forschungen vorstellen und
11
Rechenschaftsbericht
mit Gästen und dem Publikum darüber diskutieren.
Dass PUSH aber schon bei den
ganz Kleinen anfangen kann,
beweist ein Mitarbeiter aus der Chemie, der mit großem Erfolg in Kindergärten mit Handpuppen kleine
Experimente vorführt. Dass solche
frühen Prägungen für die spätere
Einstellung zu den Naturwissen-
Über Neuerungen wie diese berichtet regelmäßig die im letzten Jahr
eingerichtete Rubrik „Universität
Bielefeld digital“ in der „Bielefelder
Universitätszeitung“. Im letzten Jahr
wurden auch die gestalterischen und
technischen
Voraussetzungen
geschaffen, den Forschungsbericht
der Universität elektronisch – als
netzbasierte Datenbank – zu erstellen. Dies wird die Darstellung der
Forschungsaktivitäten und -potenziale deutlich verbessern.
Internationales /
Absolventen-Netzwerk
schaften eminent wichtig sind und
damit auch eine Rolle bei der Studienfachwahl spielen, belegen Forschungen einer Professorin aus derselben Fakultät. Der große, vom Stifterverband 2002 erneut preisgekrönte Erfolg des teutolab hat nun
dazu geführt, dass in einer Reihe von
Partnerschulen der Region kleine
„Filialen“ der Universitätseinrichtung aufgebaut und damit die langen Wartezeiten für Schulklassen
durch den enormen Andrang in der
Universität reduziert werden. Erfreulicherweise wird es demnächst auch
eine Ausweitung auf physikalische
Experimente
und
Mathematik
geben.
Eine wichtige Neuerung aus der
Öffentlichkeitsarbeit der Universität
ist die verbesserte Website mit
einem
Content-ManagementSystem, das eine Integration bestehender und neuer Seiten in das UniLayout ermöglicht. Gleichzeitig wurden elektronische Dienste wie das
elektronische Kommentierte Vorlesungsverzeichnis“
eingebunden.
12
hier noch vor Bonn und Berlin den
Spitzenplatz. Erfolgreich waren auch
Physiker und Germanisten, während
andere Bereiche an dieser Stelle ihre
Aktivitäten noch intensivieren könnten.
Auch das Absolventen-Netzwerk wird zusehends internationaler.
Im Jahr 2002 bildeten sich erste
Netzwerke von Absolventen der
Universität Bielefeld in Polen und
Taiwan. Dies sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich das
Netzwerk weiter im Aufbau befindet
und die Absolventen von den Fakultäten immer wieder auf die Möglichkeiten, die die Mitgliedschaft eröffnet, hingewiesen werden sollten.
Im Jahr 2002 erzielte die Universität große Erfolge in den Mannschaftssportarten, die sie im Jahr des
Hochschulsports 2003 zu wiederholen hofft. Bei den Herren wurde Bielefeld Deutscher Hochschulmeister im
Handball und Vizemeister im Fußball.
Die Damen als Titelverteidigerinnen
wurden Vizemeister im Handball.
Vielleicht sind diese für die Corporate
Identity wichtigen Erfolge ein gutes
Omen für das neue, durch die äußeren Rahmenbedingungen gewiss
nicht einfacher werdende Jahr. Dass
die Universität 2002 nicht nur im
Sport, sondern insgesamt sehr erfolgreich war, ist hoffentlich, trotz notwendig geraffter Berichterstattung,
deutlich geworden. Allen, die dazu in
Forschung, Lehre und (Selbst-)Verwaltung beigetragen haben, sei auch
diesmal herzlich gedankt.
In den internationalen Beziehungen
hat auch im letzten Jahr der Austausch mit Russland eine besondere
Rolle gespielt, nicht zuletzt durch
den Aufbau eines „Zentrums für
Deutschland- und Europastudien“ in
St. Petersburg. Inzwischen hat die
Universität ein eigenes (wenn auch
kleines) Stipendienprogramm für
ausländische Studierende und Graduierte aufgelegt, das insbesondere
auf Osteuropa bezogen ist.
Weiterhin sehr erfreulich entwickeln sich auch die Beziehungen
zur renommierten Universität Paris
VII. Hier ist es bisher zu einer intensiven Zusammenarbeit vor allem in
Physik und Chemie und in
Geschichtswissenschaft gekommen.
Nachdem bereits ein gemeinsamer
Studiengang in Geschichte existiert,
ist dies nun auch für Physik und Chemie geplant. Darüber hinaus ist auch
ein gemeinsames
Graduiertenkolleg in Physik in
Vorbereitung.
Traditionell
ist die Fakultät für
Mathematik für
ausländische
(Spitzen-) Wissenschaftler
außerordentlich
attraktiv.
Dies
wurde durch eine
Studie der Humboldt-Stiftung
wieder eindrucksvoll bewiesen: die Freude über den Gewinn der Deutschen HochschulmeisterFakultät belegte schaft im Hallenhandball.
Bielefelder Universitätszeitung 213/2003
Forschung
Centrum für Biotechnologie
Institute für Bioinformatik
und für Genomforschung gegründet
(BUZ) Unter dem Dach des Centrums für Biotechnologie (CeBiTec) der Universität Bielefeld ist unlängst das Institut für Bioinformatik und jetzt auch –
nach der Ernennung von Bernd Weißhaar zum Professor für Genomforschung – das Institut für Genomforschung gegründet worden.
Wie in der Zielvereinbarung der Universität und dem Land NordrheinWestfalen vereinbart, erfolgt mit der
Gründung der beiden Institute und
der sich ebenso unter dem Dach des
CeBiTec befindenden International
Graduate School in Bioinformatics and
Genome Research eine deutliche Profilschärfung in den Life Sciences.
Institut für Bioinformatik
Die Bioinformatik entwickelte sich in
Bielefeld in drei Etappen. Schon 1992
beschäftigte sich die Arbeitsgruppe
zifischer Ausbildungsbedarf entstand. So wurde an der Universität
Bielefeld eine Professur für „Bioinformatik“ geschaffen und wenig später
von der Deutschen Forschungsgemeinschaft eine weitere Professur für
„Genominformatik“ eingeworben.
Nach der Besetzung der Professur für Bioinformatik mit Ralf Hofestädt (l.) und
der Professur für Genominformatik mit Jens Stoye (r.) – hier zusammen mit
Robert Giegerich (Praktische Informatik) – konnte im vergangenen Dezember
das Institut für Bioinformatik gegründet werden.
Praktische Informatik um Professor
Robert Giegerich mit den algorithmischen Problemen der biologischen
Sequenzanalyse. Schon bald erkannte die Gruppe, dass mit den wachsenden Forschungsaufgaben der jungen Disziplin ein dringlicher und speBielefelder Universitätszeitung 213/2003
Nach Besetzung dieser beiden Professuren mit Jens Stoye und Ralf
Hofestädt wurde im Dezember 2002
das Institut für Bioinformatik offiziell
gegründet.
Die Arbeitsgruppe Bioinformatik
(Ralf Hofestädt) befasst sich mit drei
verschiedenen Themenkreisen: der
Modellierung metabolischer Prozesse
mit formalen Regelsystemen, der
Integration der vielgestaltig vorliegenden Informationen in einer wachsenden Zahl von Datenbanken sowie
der Nutzung dieser Informationen
vor allem für medizinische Fragestellungen.
Die Arbeitsgruppe Genominformatik (Jens Stoye) beschäftigt sich
mit Fragen des Sequenzvergleichs,
sowohl im Kleinen mit der Suche
nach verwandten Proteinen, wie
auch im Großen mit dem Vergleich
kompletter Genome im Hinblick auf
ihre Gesamtstruktur und ihre Entwicklungsgeschichte. Daneben werden auch Verfahren zur Identifizierung von Proteinen aus Daten der
Massenspektrometrie entwickelt.
Die Arbeitsgruppe Praktische
Informatik (Robert Giegerich) untersucht grundlegende Algorithmen
und Programmiertechniken, die in
der Sequenzanalyse zum Einsatz
kommen, wie etwa Dynamische Programmierung oder effiziente IndexStrukturen für extrem große Datenmengen. Ein weiterer Schwerpunkt
ist die Vorhersage von RNA-Sekundärstrukturen. Die Software-Werkzeuge, die in allen drei Gruppen entstehen, werden über den Bielefelder
Bioinformatik-Server weltweit genutzt
(http://bibiserv.techfak.unibielefeld.de).
Mit den drei Arbeitsgruppen ist
das Bielefelder Institut für Bioinformatik im nationalen und internationalen Vergleich gut besetzt – jedoch
soll der Aufbau noch weiter gehen.
Der Plan sieht vor, demnächst auch
zwei Nachwuchsgruppen am Institut
anzusiedeln, die die Gebiete „Algorithmen der Gen-Regulation“ und
„Wissenschaftliche Visualisierung“
bearbeiten.
Institut für Genomforschung
Die Gründung des Instituts für
Genomforschung erfolgte im Februar
nach der Besetzung der Professur für
Genomforschung durch Bernd Weißhaar. Weißhaar war bisher am MaxPlanck-Institut für Züchtungsforschung in Köln-Vogelsang tätig. Er
13
Forschung
widmete sich dort der Genomforschung an der Modellpflanze Arabidopsis thaliana (Ackerschmalwand)
und wird diese Forschungsrichtung
an der Universität Bielefeld fortsetzen. Dadurch wird die pflanzliche
Genomforschung an der Bielefelder
Hochschule erheblich verstärkt.
Neben dem Lehrstuhl für
Genomforschung und den beiden
Nachwuchsgruppen zur Transkriptomik (Dr. Anke Becker) und Proteomik (Dr. Karsten Niehaus) wird dem
Institut für Genomforschung noch
die Zentrale Einheit für Genomforschung (ZFGB), die von Dr. Jörn Kalinowski geleitet wird, angegliedert.
Die ZFGB unterteilt sich in vier Sektionen, die die apparative Ausrüstung für die Hochdurchsatzsequenzierung, für die Transkriptom- und
Proteomanalyse sowie für die Biocomputing Unit vorhalten. Speziell
die Biocomputing Unit kann als
Herzstück der ZFGB bezeichnet werden, da sie die enormen Datenmengen, die sich aus Genomsequenzierung, Transkriptom- und Proteomanalyse
ergeben,
sammelt,
verarbeitet und auswertet.
Am Institut für Genomforschung sind bereits eine große
Anzahl von Forschungsprojekten
angesiedelt. Einige wenige sollen
beispielhaft genannt werden:
• Das DFG-Schwerpunktprogramm
„Molekulare
Grundlagen
der
Mykorrhizierung“ wird vom Institut
für Genomforschung aus gesteuert.
• Das Bundesministerium für Bildung und Forschung hat einen
Großteil der apparativen Ausstattung des Instituts für Genomforschung finanziert und außerdem das
Zentrum zur Leitung des Kompe-
Wie ist die innere
Uhr molekular
aufgebaut?
(BUZ) Seit Beginn des Wintersemesters 2002/2003 ist Dorothee Staiger Professorin für Pflanzliche Zellphysiologie an der Universität Bielefeld. Über ihre Forschungsaktivitäten gibt sie hier im Folgenden einen kurzen Überblick.
tenznetzwerks „Genomforschung
an Bakterien für den Umweltschutz,
die Landwirtschaft und die Biotechnologie“ nach Bielefeld vergeben.
• Die Europäische Union finanziert
das Forschungsprojekt „Construction of Corynebacterium glutamicum strains producing either L-valine or D-pantothenic acid – a rational
approach using genome research“,
das von Bielefeld aus koordiniert
wird.
• Das Institut für Genomforschung
ist an dem EU-Projekt „Integrated,
functional and comparative genomics of the model legume Medicago
truncatula“ beteiligt.
Anlässlich der Gründung des Instituts für Genomforschung hielt Professor Bernd
Weißhaar (r.) – hier zusammen mit dem Bielefelder Genetikprofessor Alfred
Pühler – seine Antrittsvorlesung über „Genomforschung bei Pflanzen: Das
Modellsystem Ackerschmalwand“.
14
Pflanzenbiologie
Unser Zeitgefühl wird von zwei Faktoren bestimmt: zum einen von
äußeren Einflüssen wie dem TagNacht-Rhythmus, zum anderen
durch eine körpereigene Uhr. Diese
innere Uhr macht sich vor allem
dann bemerkbar, wenn man sie
durcheinanderbringt. Das geschieht
beispielsweise bei einem Langstrekkenflug über mehrere Zeitzonen.
Kurioserweise wurden solche inneren Uhren zuerst bei Pflanzen entdeckt: Die Blätter einiger Pflanzen
sind tagsüber in einer horizontalen
Stellung maximal ausgebreitet, während sie in der Nacht abgesenkt sind,
was als Schlaf der Pflanzen bezeichnet wurde. Diese rhythmischen
Blattbewegungen setzen sich fort,
wenn man die Pflanzen dauernd im
Licht hält. Das zeigt, dass die Blattbewegung durch eine innere Uhr
gesteuert werden muss, die im 24Stunden-Takt schlägt. Sie wird deshalb auch als circadiane Uhr
bezeichnet, von lateinisch circa
diem, etwa ein Tag.
Man weiss heute, dass die innere Uhr aus so genannten „clock“Proteinen aufgebaut ist, die im 24Stunden-Takt ihre eigene Synthese
an- und abschalten und dadurch
einen selbstregulierten Schwingkreis
bilden. Meine Arbeitsgruppe befasst
sich mit der Frage, wie die innere
Uhr molekular aufgebaut ist. Dazu
verwenden wir eine unscheinbare
Wildpflanze, Arabidopsis thaliana,
die eine erstaunliche Karriere als
Modellorganismus für pflanzenbiologische Fragestellungen gemacht
hat. Wir haben ein Protein identifiBielefelder Universitätszeitung 213/2003
Forschung
ziert, das vor allem abends aktiv ist,
während es morgens in der Pflanze
kaum nachzuweisen ist, also selbst
einer circadianen Rhythmik unterliegt. Wir konnten zeigen, dass dieses Protein Bestandteil eines
Schwingkreises ist, der der inneren
Uhr nachgeschaltet ist und dazu dienen könnte, circadiane Signale in der
Zelle weiterzuleiten und möglicherweise zu verstärken. Das Protein ist
ein RNA-Bindeprotein und gehört
damit zu einer wichtigen Klasse von
Regulatorproteinen, da die Erbinformation, die als DNA vorliegt,
zunächst in RNA umgeschrieben
wird. Diese wiederum dient als
Matrize für Bildung von Proteinen.
Proteine, die RNA binden, begleiten
ein RNA-Molekül also während seiner gesamten Lebensdauer und können seine Aktivität in der Zelle auf
vielfältige Weise kontrollieren. Mit
Hilfe so genannter Gen-Chips, die
das Genom von Arabidopsis auf der
Fläche einer Zehn-Cent-Münze tragen, haben wir gefunden, dass unser
RNA-Bindeprotein tatsächlich andere RNA-Moleküle beeinflusst. Damit
konnte zum ersten Mal gezeigt werden, dass die innere Uhr sich der
Die Ackerschmalwand hat eine erstaunliche Karriere als Modellorganismus für pflanzenbiologische Fragestellungen gemacht.
wichtigen Klasse der RNA-Bindeproteine bedient, um tagesrhythmische
Prozesse zu kontrollieren. Wir sind
nun daran interessiert, die Details
dieser Regulation und die genaue
Funktion des circadian oszillierenden
RNA-Bindeproteins aufzuklären.
Untersuchungen der inneren
Uhr können auch von praktischer
Bedeutung sein: Besonders in BreiBielefelder Universitätszeitung 213/2003
Die neue Ausgabe des Bielefelder Forschungsmagazins (Nr. 24/2002) ist unlängst
erschienen. Das Magazin ist in der Informations- und Pressestelle der Universität
Bielefeld – solange der Vorrat reicht – noch erhältlich. Mit Beiträgen von: Robert
und Alexandra Ros, Katja Tönsing, Dario Anselmetti: Einzelne Biomoleküle im
Visier. Martin Egelhaaf, Roland Kern, Rafael Kurtz, Anne-Kathrin Warzecha: Ein
Blick ins Cockpit der Fliege – Von der Bildverarbeitung im Nervensystem zu
künstlichen visuellen Systemen. Ipke Wachsmuth: Max, unser Agent in der virtuellen Welt – Eine Maschine, die mit dem Menschen kommuniziert. Britta Bannenberg: Korruption in Deutschland. Ingo Reichard: Schuldrechtsreform –
Rechtsvereinheitlichung zwischen Wissenschaft und Politik – Wege zur Wiedergewinnung eines europäischen Ius commune. Alexa Geisthövel: Nahbare Herrscher – Die Selbstdarstellung preußischer Monarchen in Kurorten als Form politischer Kommunikation im 19. Jahrhundert. Mathias Albert, Tanja Kopp-Malek:
Politikwissenschaft in Bielefeld. Achim Müller: Platon, Archimedes, das Faszinosum Wasser, Nanokugeln und „intelligente“ Materialien.
ten mit starken jahreszeitlichen Klimaveränderungen müssen Pflanzen
so rechtzeitig anfangen zu blühen,
dass vor Einbruch des Winters die
Samen ausgebildet sind. Zur Bestimmung der Jahreszeit nutzen Pflanzen
aus, dass die Tageslänge sich im Verlauf des Jahres ändert. In
Zusammenarbeit mit Professorin
Catherine Patricia Fankhauser an
der Universität Genf haben wir eine
Arabidopsis-Mutante
charakterisiert, die den Zeitpunkt des Blühbeginns nicht mehr richtig steuert. In
dieser Mutante ist ein Gen defekt,
dessen Produkt für die Funktion der
inneren Uhr unabdingbar ist. Diese
Resultate bestätigen die Vorstellung,
dass Pflanzen die innere Uhr ausnutzen, sich über die Messung der täglichen Lichtdauer an die Jahreszeit
anzupassen.
15
Forschung
2. Internationales SFB-Kolloquium
Stimmengewirr im molekularen Dickicht
(BUZ) Der von der Deutschen Forschungsgemeinschaft seit 1998 geförderte
Sonderforschungsbereich „Prozessierung und Signalwirkung extrazellulärer
Makromoleküle“ veranstaltete im Februar sein 2. Internationales Kolloquium
im Zentrum für interdisziplinäre Forschung (ZiF) der Universität Bielefeld.
Seit Beginn der Förderung hat das
damals als exotisch scheinende Forschungsgebiet des Sonderforschungsbereichs international an Bedeutung
gewonnen. Insofern überraschte es
nicht, dass die Organisatoren des
Kolloquiums – SFB-Sprecher Harald
Jockusch und Privatdozent Jörg-Walter Bartsch – zwölf auswärtige Sprecher, darunter auch Wissenschaftler
aus San Diego und Kyoto, nach Bielefeld einladen konnten, mit den hiesigen Arbeitsgruppen aus den Fakultäten für Biologie und für Chemie
sowie dem Herz- und Diabeteszentrum Bad Oeynhausen Forschungsergebnisse und Forschungsgebiet des
Sonderforschungsbereichs zu diskutieren. Resultat des konzentrierten
Ideenaustausches waren zahlreiche
Anregungen für neue Projekte und
internationale Kooperationen.
Das Forschungsgebiet des Sonderforschungsbereichs, wie es auf dem
2. Internationalen Kolloquium diskutiert wurde, fassen Harald Jockusch
und Jörg-Walter Bartsch folgendermaßen zusammen:
Die Zellen vielzelliger Pflanzen
und der Tiere sind von einem Dickicht
von Riesenmolekülen (Makromolekülen) umgeben. Bei Pflanzen bestehen
sie hauptsächlich aus Zuckerbausteinen (wie die Zellulose), bei Tieren
hauptsächlich aus Proteinen, die aber
oft mit Zuckermolekülen besetzt sind.
Dieses Gewirr von Makromolekülen
wird bei tierischen Zellen als extrazelluläre Matrix bezeichnet, bei Pflanzen
als Zellwand. In den letzten Jahren ist
klar geworden, dass diese verfilzte
Masse nicht nur die Zellen zusammenhält und sie durch seinen hohen
Wassergehalt vor Austrocknung
schützt. Die Masse ist auch das
Medium für molekulare Botschaften
von Zelle zu Zelle, die die Leistungen
der Gewebe koordinieren. Beim Tod
von Zellen, beispielsweise im Nerven16
system, wird eine Kaskade von Signalen durch diffundierende kleine Peptide (Ketten von Aminosäuren) in Gang
gesetzt, die als „Cytokine“ bekannt
geworden sind. Dieser Name bedeutet, dass sie Zellen auf Trab bringen.
Bei Pflanzen spielen die Signale in
der Zellwand eine wichtige Rolle bei
der Erkennung von Eindringlingen, die
entweder als Krankheitserreger abgewehrt werden müssen oder als nützliche Helfer, Symbionten, gastfreundlich aufgenommen werden. Die bei
diesen Vorgängen beteiligten Moleküle umfassen neben Makromolekülen, aus denen versteckte Botschaften
durch Enzyme herausgeschnitten
werden, Rezeptoren in der Zellmembran, Proteinmoleküle, die außerhalb
der Zelle Signalstoffe binden und das
Signal ins Zellinnere leiten, sowie die
Komponenten der Signalweiterleitung
im Inneren der Zelle. In den Rezeptoren liegt begründet, was die Biologen
als „Spezifität“ bezeichnen, die
Schlüssel-Schloss-Beziehung
zwischen Signalmolekül und Empfänger.
Diese ist letztlich dafür verantwortlich,
dass nur die „angesprochenen“ Zellen
reagieren. Nur sie tragen den passenden Rezeptor. Aus dem Stimmengewirr der Signale wird so eine sinnvolle
Botschaft. Die Signalkette endet oft
im Zellkern. Dort werden als Antwort
auf ein Signal Gene an- oder abgeschaltet, wodurch sich die Zelle auf
eine neue Situation, zum Beispiel die
Abwehr von Krankheitserregern, einstellen kann.
Die Anwendungen der skizzierten Vorgänge liegen auf dem Gebiet
der Medizin: Embryonale Stammzellen und metastasierende Tumorzellen
wandern aufgrund von Signalen in
der Extrazellulären Matrix. Tumorzellen und auswachsende Nervenfasern
bahnen sich ihren Weg durch die Ausscheidung von matrixauflösenden
Enzymen. Das gleiche tun Bakterien
und Pilze beim Angriff auf pflanzliche
Gewebe, die dabei freigesetzten
Bruchstücke der pflanzlichen Zellwand (Ketten von Zuckerbausteinen
der Matrixmoleküle) lösen bei der
befallenen Pflanze Alarmsignale und
Abwehrreaktionen aus. Falls es sich
jedoch um „willkommene“ Symbionten handelt, werden die Abwehrreaktionen unterdrückt. Erkenntnisse über
solche Signale können offensichtlich
Anwendungen in der Human- und
Pflanzenmedizin finden: Viele Signalstoffe lassen sich relativ einfach reinigen oder herstellen, und sie wirken in
geringen Konzentrationen. Vorstellbar
ist, mit solchen Substanzen das Vernarbungsgeschehen nach dem Untergang von Nervenzellen günstig zu
beeinflussen, Vorgänge bei der
Immunabwehr zu steuern oder Resistenz bei Pflanzen zu fördern.
Rechtswissenschaft
Kritik an
Telefonüberwachung
(BUZ) Gravierende Mängel in der bisherigen Praxis der Telefonüberwachung haben die Bielefelder Rechtswissenschaftler Otto Backes und
Christoph Gusy sowie Maik Begemann, Siiri Doka und Anja Finke nach
Abschluss ihres von der VolkwagenStiftung geförderten Forschungsprojekts
„Wirksamkeitsbedingungen
von Richtervorbehalten bei Telefonüberwachungen“ festgestellt.
Danach fühlen sich Richter „nicht
dazu aufgerufen, bei ihren Entscheidungen auch die Interessen der über
die Telefonüberwachung naturgemäß
nicht informierten Beteiligten in
irgendeiner Weise zu berücksichtigen;
es fehlt jegliche Sensibilität dafür, dass
es sich hierbei um Grundrechtseingriffe handelt“. Da Telefonüberwachungen in Einzelfällen durchaus notwendig seien, sei eine Verbesserung der
rechtlichen Kontrolle erforderlich.
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Meldungen (Kritik an Telefonüberwachung).
Forschung
2. Klaus Immelmann-Vorlesung zur Verhaltensforschung
Evolutionäre Veränderungen im
biologischen Kalender der Vögel?
(K.W.) In der von dem Bielefelder Verhaltensforscher Fritz Trillmich initiierten Klaus Immelmann-Vorlesung stellen herausragende Forscher neue Entwicklungen der internationalen Verhaltensforschung unter dem Namen des
Gründers der Verhaltensforschung in Bielefeld einer breiteren Öffentlichkeit
vor.
Mit Unterstützung durch die Westfälisch-Lippische
Universitätsgesellschaft ist die Klaus Immelmann-Vorlesung im Wintersemester 2002/
2003 mit einem Vortrag von Professor Eberhard Gwinner zum Thema
„Leben im Rhythmus der Jahres –
Bedeutung, Mechanismus und evolutionäre Veränderungen des biologischen Kalenders der Vögel“ fortgesetzt worden.
Gwinner, Leiter der Max-PlanckForschungsstelle für Ornithologie in
chen führte Gwinner anschaulich vor
Augen, welche Auswirkungen der
Wechsel der Jahreszeiten in unseren
Breiten auf das Fortpflanzungsverhalten bei Vögeln hat. In unseren
Breiten sei der jahreszeitliche Wechsel der Tageslänge der so genannte
„Zeitgeber“ für den Rhythmus des
Lebens. Werden die Tage länger, so
würden die Keimdrüsen der Vögel
wachsen und die Brutperiode
beginnt.
Gwinner wies darauf hin, dass
Hielt die 2. Klaus Immelmann-Vorlesung zur Verhaltensforschung: Eberhard
Gwinner (r.), hier im Gespräch mit den Doktoranden Jo Voß (Mitte) und Carsten
Lieshoff.
Andechs und Seewiesen, ist einer der
herausragenden Wissenschaftler auf
dem Gebiet der Ornithologie. Er ist
durch seine langjährigen Studien zur
Jahresperiodik und deren Einfluss auf
die Fortpflanzung bei Vögeln sowie
durch viele Studien zu Steuermechanismen des Vogelzuges international
bekannt. Eberhard Gwinner ist Stresemann-Preisträger und Mitglied der
Accademia Nazionale Dei Lincei, der
auch bereits Galileo Galilei angehörte.
Am Beispiel der SchwarzkehlBielefelder Universitätszeitung 213/2003
jedoch mehr als 66 Prozent aller
Vogelarten in den Tropen unter einer
konstanten Photoperiode lebten.
Zeigen diese Vögel auch dort arttypische Fortpflanzungsperioden? Welche „Zeitgeber“ haben die Vögel in
den Tropen zur Verfügung, wenn die
Tageslänge ganzjährig konstant ist?
Gwinner ging diesen Fragen an der
afrikanischen Unterart des Schwarzkehlchen, die in Äquatornähe ohne
offensichtlichen Jahresgang der
Tageslänge lebt, nach und stellte fest,
dass auch hier eine im Jahr zeitlich
eng eingegrenzte Brutperiode bestehe. Experimente mit handaufgezogenen (2000 Nachkommen in 10 Jahren) afrikanischen Schwarzkehlchen
würden zeigen, dass auch bei ihnen
die Jahresperiodik durch eine innere
Uhr gesteuert wird. Diese „circannuale innere Uhr“ sei allerdings auf
etwa zehn Monate statt auf zwölf
Monate „eingestellt“ und benötige
zur exakten Eichung einen äußeren
Faktor. Dieser Faktor sei in den Tropen wahrscheinlich die Beleuchtungsstärke am Tag, die sich im Laufe
des Jahres ändert. „In den Regenzeiten ist es am Tag dunkler als in den
Trockenzeiten. Die innere Uhr und
die
äußeren
Eichungsfaktoren
bestimmen somit den Lebensrhythmus bei Vögeln. Mit Hilfe der Rhythmik können Vögel ‚in die Zukunft
planen‘.“
Mit der Steuerung des Vogelzugs
ging Gwinner in der Klaus Immelmann-Vorlesung auf ein weiteres
Gebiet seiner Verhaltensforschungen
ein. Bekannt sei, dass die Mehrheit
der Vögel zwischen dem Brutgebiet
und ihrem Überwinterungsgebiet
jährlich hin und her ziehe, wobei übrigens den Streckenrekord die Küstenseeschwalbe halte, die in Grönland
brütet und in der Antarktis überwintert. Welche Faktoren bestimmen
aber den Zeitpunkt des Wegzuges,
die Route und Weglänge? Zur Klärung dieser Frage hat Gwinner mit
handaufgezogenen
Gartengrasmücken gearbeitet, die unter konstanten Tageslängen gehalten werden. Trotz dieser konstanten Bedingungen würden die Tiere zum
„richtigen“ Zeitpunkt, das heißt
dann, wenn die freilebenden Grasmücken aus Deutschland nach
Mittelafrika aufbrechen, in Orientierungskäfigen eine gesteigerte Aktivität, die so genannte Zugunruhe,
zeigen. Sie hüpfen häufiger auf radial
im Käfig angebrachten Sitzstangen,
die in die zu erwartende Zugrichtung
zeigen. Dies bedeute, dass Zugrichtung und Zeitpunkt des Wegziehens
endogen gesteuert werden. Die ziehenden Arten zeigten eine sehr hohe
Winterquartierstreue und Rastplatztreue. Hierbei spielten Lernprozesse
17
Forschung
eine wichtige Rolle. In Experimenten
konnten Gwinner und seine Mitarbeiter zeigen, dass ziehende Arten –
was die Raumorientierung angeht –
lernfähiger sind als Standvögel,
„nach dem Motto: Reisen bildet“.
Vermutlich habe das Hormon
Melatonin, das aus der Zirbeldrüse
ausgeschüttet wird, eine zentrale
Funktion bei der Steuerung des
Zuges. Die Rolle des Melantonins
wird zur Zeit von Professor Gwinner
unter die Lupe genommen. Jedenfalls würden mehrere Mechanismen
zusammen wirken, „wenn unsere
Vögel sich mit der zeitlichen Einpassung von Fortpflanzung und Zugverhalten in den Jahreslauf an die
Folgen der globalen Erwärmung
anpassen müssen“.
Zur Feier des zukunftweisenden Ausbaus ihrer apparativen Kapazität veranstaltete die Fakultät für Chemie ein Kolloquium, in dem die Professoren Nico M. M.
Nibbering (Präsident der Internationalen Gesellschaft für Massenspektronomie,
Amsterdam/Twente) und Michael Reggelin (Darmstadt) Vorträge über die
bedeutenden Methoden der instrumentellen Analytik hielten. Das Foto zeigt
von links Norbert Sewald, Matthias Letzel, Jochen Mattay, Nico M. M. Nibbering, Michael Reggelin, Andreas Mix und Dietmar Kuck.
Neue Großgeräte in der Fakultät für Chemie / Basis für die Weiterentwicklung der Nano- und Biowissenschaften
Strukturbildungsprozesse
Moleküle und Ionen
in starken Magnetfeldern
Graduiertenkollegiaten
beim Winterseminar
in Klosters
(BUZ) An der Fakultät für Chemie der Universität Bielefeld sind jetzt zwei
neue wissenschaftliche Großgeräte installiert und in Betrieb genommen
worden. Es handelt sich um zwei so genannte Spektrometer, mit denen chemische Verbindungen genauestens analysiert werden können: ein Massenspektrometer und ein Kernresonanz-Spektrometer im Gesamtwert von etwa
zwei Millionen Euro.
(BUZ) Das Graduiertenkolleg Strukturbildungsprozesse am Bielefelder
Forschungsschwerpunkt Mathematisierung war erneut mit Posterpräsentationen und Vorträgen am weltweit bekannten Winterseminar
„Biophysical Chemistry, Molecular
Biology and Cybernetics of Cell
Functions“ im schweizerischen Klosters vertreten.
Mit diesen wichtigen Investitionen
wird der Gerätepark in den Forschungsbereichen der Professoren
Jochen Mattay und Norbert Sewald
auf den wissenschaftlich neuesten
Stand gebracht – bezeichnenderweise mit Techniken, für die die Che18
netfelder benutzt, um Ionen im
Vakuum auf Kreisbahnen zu speichern (Massenspektrometrie) und
die chemische Umgebung von
Atomkernen in gelösten oder auch
in festen Stoffen zu messen (Kernresonanz-Spektroskopie). Die elektromagnetischen
Resonanzen
der
Ionen und Atomkerne liegen im
Radiofrequenz- (MHz-) Bereich und
können mit sehr hoher Genauigkeit
ermittelt werden.
Die neuen Großgeräte dienen
großen Teilen der Fakultät für Chemie, aber auch verschiedenen
Arbeitsgruppen aus den benachbarten
naturwissenschaftlich-technischen Fakultäten der Universität als
wichtiges Hilfsmittel zur Bearbeitung
ihrer experimentellen Forschungsthemen. Sie dienen damit zugleich
der Verbesserung der Lehre für fortgeschrittene Studierende und Doktoranden. Dies gilt insbesondere für
die beiden an der Universität Bielefeld
angesiedelten
Sonderforschungsbereiche der Deutschen Forschungsgemeinschaft
„Prozessierung und Signalwirkung extrazellulärer Makromoleküle“ (Fakultät
für Biologie und Fakultät für Chemie) und „Physik von Einzelmolekülprozessen und molekularer Erkennung in organischen Systemen“ der
Fakultäten für Physik, Chemie und
Biologie.
mie-Nobelpreise 2002 vergeben
worden sind.
Die beiden Großgeräte ergänzen und erweitern die an der Fakultät für Chemie vorhandene Ausstattung an derartigen Spektrometern.
In beiden Fällen werden starke Mag-
Von den sechs Bielefelder Jungforschern waren Daniel Eberhard und
Dr. Stefan Grünewald aus insgesamt
Bielefelder Universitätszeitung 213/2003
Forschung
35 Posteranmeldungen für Kurzvorträge ausgewählt worden. Beide
konnten ihre Forschungsergebnisse
unter den strengen Augen der
Begutachter, darunter drei Nobelpreisträger, vorstellen.
Das hochrangige Winterseminar
war 1965 von Professor Manfred
Eigen, Göttingen, Nobelpreisträger
1967 für Chemie und Ehrendoktor
der Universität Bielefeld, gegründet
worden. Das Seminar wird seit acht
Jahren von der Fakultät für Chemie
der Universität Bielefeld unter der
organisatorischen Leitung von Professor Eberhard Neumann, einem
Schüler von Eigen, gestaltet und
unter organisatorischer Mitarbeit
von Dr. Katja Tönsing, Fakultät für
Physik, durchgeführt. Eine Reihe
Bielefelder Professoren (Andreas
Dress, Dario Anselmetti, Achim Müller, Eberhard Neumann) haben in
den letzten Jahren als Plenarsprecher
im Winterseminar mitgewirkt, in
dem seit 1970 etwa 35 Nobelpreisträger mehrfach als Plenarsprecher
teilgenommen haben.
Die Themen des diesjährigen
Seminars reichten vom Ursprung der
biologischen Information und des
Lebens bis hin zu Hirnfunktionen in
neuronalen Netzwerken, die die
Basis für unser Bewusstsein und
Gedächtnis sind. Auch die Entwicklung des Auges, die Biosynthese von
Proteinen, ihre dreidimensionale Faltungsstruktur und ihre Funktion als
Biokatalysator und Energiewandler
standen auf dem interdisziplinären
Programm. Computer, die nicht
sehen und fühlen können, die
jedoch die moderne Aufgabe des
„Evolutiv-organischen Computing“
schaffen können, waren ein weiteres
Thema. Intensiv wurden auch die
medizinisch relevanten ultraschnellen elektrischen Impulse diskutiert,
die als Mikroskalpelle therapeutisch
sogar das Zellinnere erreichen. Weitere wichtige Themen waren die
neuen Verfahren der Einzelmoleküldiagnostik und die modernen
Methoden der evolutiven Biotechnologie. In allen Bereichen klangen
wiederholt Probleme der Mathematisierung von neuen Konzepten und
neuen experimentellen Korrelationen an.
Das Winterseminar, das einen
wirksamen Beitrag zur Förderung
des wissenschaftlichen Nachwuchses leisten will, bildete auch den wissenschaftlichen Rahmen für die Vergabe des Forschungspreises der
Peter und Traudl Engelhorn-Stiftung
zur Förderung der Biotechnologie
und Gentechnik. Der mit 10 000
Euro dotierte Preis 2003 ging an eine
der
jüngsten
Professorinnen
Deutschlands, an Petra Schwille
(Göttingen/Dresden).
Zusammen mit dem stellvertretenden Sprecher des Graduiertenkollegs Strukturbildungsprozesse, Wolf-Jürgen Beyn, nahmen die Kollegiaten Daniel Eberhard
und Stefan Grünewald an dem von Eberhard Neumann (v.l.) organisatorisch
geleiteten Winterseminar im schweizerischen Klosters teil.
Foto: Sergej Kakorin.
Bielefelder Universitätszeitung 213/2003
Sozialpsychologie
Experten dürfen
sich nicht auf ihren
Lorbeeren ausruhen
(BUZ) Ein Team von Sozialpsychologen unter der Leitung von Gerd
Bohner (Universität Bielefeld) fand
heraus, dass ein renommierter
Experte ablehnendere Reaktionen
auslöst als ein blutiger Laie, wenn
er schwache Argumente präsentiert.
Gemeinsam mit seinen Kollegen
Markus Ruder (Universität Erfurt)
und Hans-Peter Erb (Universität Halle-Wittenberg) legte Bohner Versuchspersonen Texte vor, in denen
verschiedene Autoren und Argumente
miteinander
kombiniert
waren, und registrierte die Reaktionen. In allen Texten wurde für den
Bau eines Straßentunnels plädiert.
Angeblicher Autor des Textes
war – je nach Versuchsbedingung –
entweder ein achtzehnjähriger Schüler aus einer Jugendgruppe oder ein
preisgekrönter Professor, der im Auftrag der Regierung ein Gutachten
abgab. Unabhängig vom Autor wurde die Qualität der vorgebrachten
Argumente variiert. Diese waren
entweder eindeutig stark oder eindeutig schwach oder mittelmäßig.
Wie sich zeigte, traf die Binsenweisheit, dass Experten größeren
Einfluss ausüben als Nichtexperten,
nur dann zu, wenn die vorgebrachten Argumente mittelmäßig waren.
In diesem Fall interpretierten die
Leser dieselben Argumente als überzeugender, wenn der Experte sie
vorbrachte, als wenn der Laie sie
äußerte. Bei mäßigen Argumenten
darf sich der Experte also auf seine
Autorität verlassen.
Nicht so bei eindeutig starken
oder eindeutig schwachen Argumenten. Hier führte die Diskrepanz
zwischen den Erwartungen an den
Autor und der tatsächlichen Qualität
der vorgebrachten Argumente zu
Kontrasteffekten: Der Professor mit
schwachen Argumenten wurde
abgewertet und hatte keine Chance
zu überzeugen, der Laie mit starken
19
Forschung
Argumenten hingegen wurde aufgewertet und übte beträchtlichen
Einfluss aus.
Bohner rät: „Wer überzeugen
will, sollte folglich nicht unbedingt
versuchen, sich als Experte zu präsentieren. Sind die Argumente nämlich schwach, dann enttäuschen sie
die Erwartungen an einen Experten.
Sind sie aber für sich schon überzeugend, so war von dem Experten
auch nichts anderes zu erwarten.
Wer sich vor ungerechtfertigtem
Einfluss schützen will, sollte sich
immer auch fragen, wie die Argumente gewirkt hätten, wenn sie von
jemand anderem vorgetragen worden wären.“
Die Forschungsarbeit, deren
Ergebnisse bedeutsam sind für das
Verständnis von Einflussprozessen in
Werbung, Marketing, Politik und
Wirtschaft, erschien unter dem Titel
„When Expertise Backfires“ im „British Journal of Social Psychology“,
Heft 4 (2002). Die „London Times“
berichtete darüber in ihrem „Higher
Education
Supplement“
am
20.12.2002.
20
Institut für Weltgesellschaft
Die Gesellschaft und ihre Reichweite –
Wie zwingend ist die Weltgesellschaft?
Das Institut für Weltgesellschaft der Bielefelder Fakultät für Soziologie und
die „Zeitschrift für Soziologie“ veranstalteten im November eine Tagung
über „Die Gesellschaft und ihre Reichweite – Wie zwingend ist die Weltgesellschaft?“. Namhafte Sozialwissenschafterinnen und -wissenschaftler
nahmen zu der Frage Stellung, inwiefern die auch in der Öffentlichkeit als
Globalisierung diskutierten sozialen Prozesse der Gegenwart die Wissenschaftsdisziplin Soziologie dazu auffordern, von einer weltumspannenden
Gesellschaft zu sprechen.
Hartmann Tyrell (Bielefeld), federführender Organisator der Tagung,
wies in seinem Einführungsreferat
darauf hin, dass der Begriff der
„Gesellschaft“ in der Soziologie
selbst nicht unumstritten sei. So
habe Helmut Schelsky ihm in den
60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts die Diagnose gestellt, aus
dem begrifflichen Repertoire der
Soziologie zu verschwinden, wie der
der Seele aus dem der Psychologie.
Und gerade auch Theoretiker der
Globalisierung, wie Anthony Giddens oder Immanuel Wallerstein,
wendeten sich gegen die Anwendung des Gesellschafts-Konzeptes
auf weltweite soziale Verflechtungen, weil ihnen dieses Konzept zu
sehr an nationalstaatliche Vorgaben
gebunden sei. Im begriffsgeschichtlichen Teil seiner Ausführungen zeigte Tyrell allerdings auf, dass in der
Tradition der schottischen Moralphilosophie (Adam Smith) mit der
„commercial society“ schon Mitte
des 18. Jahrhunderts ein Begriff zur
Verfügung stand, der auf weltweite
soziale Interdependenzen zielte.
Der Vergegenwärtigung begriffsgeschichtlicher
Traditionen
widmeten sich auch die unmittelbar
folgenden Referate. So zeigte Klaus
Lichtblau (Kassel) für die deutsche
Tradition, dass auf den Begriff der
Gesellschaft in den Anfängen der
Soziologie vielfach deshalb nicht
zurückgegriffen worden sei, weil er
durch die Entgegensetzung zum
Staat eine ideologische Zuspitzung
erfahren habe, von der es sich zu distanzieren gegolten habe. Deshalb
habe etwa Max Weber von vorn
herein nicht der Sinn danach gestanden, für seine universalhistorischen
Forschungen das Konzept der
Gesellschaft in Anspruch zu nehmen.
Eine zweite Abteilung von Referaten widmete sich Fragen der Integration einer globalen Gesellschaft.
Uwe Schimank und Stefan Lange
(beide Hagen) argumentierten, dass
eine Weltgesellschaft vor das Problem gestellt sei, Substitute für die
Funktion der Beschränkung überkomplexer Möglichkeitshorizonte zu
finden, die bisher der Nationalstaat
erfüllt habe, indem er zum Beispiel in
ökonomischer Hinsicht durch Einfuhrbeschränkungen und Zölle die
wirtschaftliche Konkurrenz beschränkt habe. Richard Münch
(Bamberg) zeichnete den Prozess der
Restrukturierung der Sozialintegration unter Bedingungen der Globalisierung nach. Mit der Herausbildung
eines globalen gesellschaftlichen
Zusammenhanges erübrige sich
zunehmend die Differenzierung zwischen Binnen- und Außenmoral.
Gleichzeitig sei aber eine Reformulierung der Sozialintegration beobachtbar, die sich dem Paradigma der
„Fairness“ bediene. Münch zeigte
dabei auf, welche Akteure (Multinationale Unternehmen, Nichtregierungsorganisationen, WTO, IWF
usw.) diesem Paradigma globaler
Sozialintegration Geltung verschafften. Darauf, dass ein solcher Prozess
nicht schmerzlos erfolge, weil der
Durchsetzung eines neuen Prinzips
der Integration die Zerstörung eines
vorangehenden
korrespondiere,
wies er in der Diskussion hin.
Bielefelder Universitätszeitung 213/2003
Forschung
Unter dem Gesichtspunkt insbesondere der ökonomischen Globalisierung diskutierte Hans-Peter Blossfeld (Bamberg) die Auswirkungen
des gegenwärtigen sozialen Wandels
auf individuelle Lebensverläufe. Diese Auswirkungen könnten dabei als
zunehmende Unbestimmtheit von
Entscheidungssituationen und Flexibilisierung von Selbstbindungen
bestimmt werden. Blossfeld wies
allerdings auf die Bedeutung der einzelnen nationalstaatlichen Institutionensysteme für die Frage hin, welche
Auswirkungen die Globalisierung
letztendlich für das Individuum hat.
Walter Reese-Schäfer (Göttingen) widmete sich der Frage, inwiefern das Sozialkonzept des Kommunitarismus, das von der Bedeutung
von gemeinschaftlichen Wertbindungen für den Bestand einer
Gesellschaft ausgehe, geeignet sei,
die Tendenzen der Globalisierung zu
erfassen. Dabei wies er auf globale
Gemeinschaftserfahrungen (Woodstock, die Studentenbewegung,
Olymische Spiele) hin, um dem Eindruck entgegenzutreten, dass dem
Kommunitarismus zufolge Gemeinschaftserfahrungen per se partikular
seien. Seine Analyse kommunitaristischer Konzepte führte ihn dann
dazu, das Konzept der Weltgesellschaft als einer analytischen Kategorie von dem der Moderne als einem
normativen Projekt zu trennen. In
derselben Abteilung wies Andreas
Wimmer (Los Angelos) auf die Konflikthaftigkeit und Kontingenz des
Prozesses der Herausbildung einer
Weltgesellschaft hin. Bettina Heintz
(Mainz) und Thereas Wobbe (Erfurt)
überprüften, inwiefern das systemtheoretische (Niklas Luhmann) und
das neoinstitutionalistische Konzept
(John W. Meyer) einer Weltgesellschaft den Ansprüchen gerecht werde, die Weltgesellschaft als ein
emergentes Phänomen denkbar sein
zu lassen. Ihr Urteil fiel dabei zugunsten der Systemtheorie aus.
Noch einmal einen ganz neuen
Blick auf das Phänomen warf gegen
Ende der Tagung Rudolf Stichweh
(Bielefeld). Die Weltgesellschaft müsse wie jedes soziale System als ein sich
selbstbeschreibendes System aufgeBielefelder Universitätszeitung 213/2003
fasst werden, und dadurch eröffne
sich für die Soziologie die Möglichkeit, denk- und begriffsgeschichtliche
Forschungen durchzuführen, die aber
letztlich auf den Gegenstand selbst
zielten. Reflexionen auf eine über den
jeweiligen lokal, regional oder sonstwie begrenzten gesellschaftlichen
Zusammenhang
hinausreichende
Sozialität fänden sich dabei etwa im
Römischen Recht des ersten und
zweiten nachchristlichen Jahrhunderts, der spanischen Naturrechtslehre des 15./16. Jahrhunderts, der
christlichen Theologie oder der italienischen Renaissance. Gegenüber
dem begrifflichen Reichtum, der sich
durch solche Forschungen erschlösse,
nähme sich die konzeptuelle Infrastruktur der Globalisierungsdebatte
armselig aus. Stichweh überprüfte
schließlich insbesondere die Theorien
von Talcott Parsons und Niklas Luhmann dahingehend, welches zusätzliche Verständnis eines weltweiten
gesellschaftlichen Zusammenhanges
sie erschlössen.
Die Anregungen aus diesen und
den anderen auf der Tagung gehaltenen Vorträgen konnte in den
Diskussionen nicht annähernd ausgeschöpft werden. Insofern versprachen sich die Teilnehmerinnen und
Teilnehmer, über diese Fragen im
Kontakt zu bleiben. In diesem Sinne
lag gerade angesichts des Tagungsthemas der Kalauer viel zu nahe, als
dass er nicht das Schlusswort der
Tagung hätte bilden müssen: „Und
sehen wir uns nicht in dieser Welt,
dann sehen wir uns in Bielefeld.“
Joachim Wöll
Inhaltsstoffe im Tabakrauch – molekular gesehen: Gesundheitsschädliche
Inhaltsstoffe aus dem Rauch qualmender Zigaretten hat die Fakultät für Chemie der Universität Bielefeld dem Wanderer durch die Zentrale Halle der Universität bildlich vor Augen geführt. Auf über 80 kleinen Postern erinnerten die
Molekülstruktur-Formeln polycyclischer kondensierter Kohlenwasserstoffe,
die auch bei der Verbrennung von Dieselöl entstehen, und anderer Stoffklassen Raucher und Raucherinnen an das, was sie ihrem Körper an Giftstoffen
zumuten. Unter diesen Stoffen finden sich neben Nicotin, Kohlenmonoxid,
Stickoxiden, Blausäure und Formaldehyd vor allem nachweislich zahlreiche
krebserzeugende Verbindungen wie 2-Naphthylamin, Benzo[a]pyren und viele Nitrosamine. Auf zwei zugehörigen Postern war nachzulesen, dass im
Tabakrauch selbst laut Zigarettenindustrie über 12 000 einzelne Stoffe vorhanden sind, von denen ein Großteil noch gar nicht identifiziert ist. Wie man
den bekanntesten Inhaltsstoff, das Nicotin, durch einfaches Abspülen eines
“Raucherfingers“ analytisch schnell nachweisen kann, nämlich mit Hilfe der
so genannten Massenspektrometrie, wurde ebenfalls demonstriert. Beim
wiederholten “Nachladen“ der Formelblätter im Laufe des Semesters ergaben
sich zwischen Studierenden, Bediensteten und Dietmar Kuck, dem Initiator
dieses allegorischen Chemie-Potpourries in der Luft der Zentralen Halle, zahlreiche interessante Gespräche über die Einstellung zu diesen selbstgemachten
Umweltgefahren.
21
Forschung
Überraschungsforschung
Was passiert beim
überraschenden Reiz?
(BUZ) An der Universität Bielefeld
gibt es in der Abteilung Psychologie
mehrere Wissenschaftler, die sich
mit Überraschungsforschung befassen. Die Forschungen finden im
psychologischen Labor statt. Nicht
etwa die Erinnerung an zurückliegende Situationen wird untersucht,
sondern die Überraschung wird
innerhalb des Experiments hervorgerufen. Überraschung kann also in
ihren unmittelbaren Bedingungen,
ihrem Verlauf und ihren unmittelbaren Konsequenzen erforscht werden. Neben dem Gefühl der Überraschung messen die Wissenschaftler
weitere „objektive“ Indikatoren,
wie Reaktionszeiten oder Bewegungszeiten von Handlungen.
Die Deutsche Forschungsgemeinschaft hat unlängst ein Projekt „Zur
Automatizität von Emotionskomponenten: Eine Fallstudie der Emotion
Überraschung“ bewilligt, das jetzt
von Dr. Gernot Horstmann und Professor Wulf-Uwe Meyer abgeschlossen worden ist. Die Ergebnisse
haben Bedeutung für menschliche
Leistungen bei der Überwachung
von Ereignissen und für die Kontrolle
von zeitkritischen Abläufen, beispielsweise im Sport oder beim Führen von Fahrzeugen.
Das Projekt befasste sich mit
der Überraschung unter dem
Aspekt willentlicher und automatischer Prozesse, nämlich mit der
Orientierung der Aufmerksamkeit
auf einen überraschenden Reiz und
mit der Unterbrechung der momentan ausgeführten Handlung. „Der
Schwerpunkt des Projektes“ – so
Gernot Horstmann – „lag auf der
unbeabsichtigten Orientierung der
Aufmerksamkeit auf überraschende
Reize, die im Rahmen des Paradigmas der visuellen Suche nachgewiesen werden konnte. Es zeigte
sich, dass diese unbeabsichtigte
Orientierung etwa 300 ms später
einsetzt als die bekannten ‚attentional capture‘-Effekte bei beabsich22
tigter Orientierung, dann allerdings
vergleichbar effizient. Ergebnisse
zur
Handlungsunterbrechung
machten insbesondere deutlich,
dass eine willentliche Handlungsunterbrechung wesentlich langsamer ist als eine unwillkürliche
Handlungsunterbrechung bei Überraschung. Weiterhin ergab sich,
dass die Wahrscheinlichkeit, Latenz
und Dauer der Handlungsunterbrechung durch Merkmale des überraschenden Reizes kaum beeinflusst
wurden.“
„Neue Universitäten – Neue Germanistik?“
Forschungsort zugleich
Forschungsgegenstand
(BUZ) Durch die Berufung von Professor Klaus-Michael Bogdal wanderte
das von ihm geleitete Projekt der Deutschen Forschungsgemeinschaft
(DFG) „Neue Universitäten – Neue Germanistik?“ von Duisburg nach Bielefeld und damit an eine der drei untersuchten Universitäten (außerdem noch
Bochum und Siegen). In einem Rundgespräch der DFG wurde jetzt unter
zahlreicher Beteiligung von Wissenschaftlern der ersten Stunde eine
Zwischenbilanz der bisherigen Forschungen gezogen.
Die Universitäten Bielefeld, Bochum
und Siegen stehen paradigmatisch
für die Umbruchzeit in der Germanistik zwischen 1965 und 1980 (in
Bremen und Konstanz war die Situation ähnlich), in der die bis dahin
dominante werkimmanente Interpretation durch (stark verkürzt!) oft
marxistisch inspirierte sozialgeschichtliche und strukturalistische
Ansätze abgelöst wurde.
Im dem DFG-Rundgespräch
schmückte H.P. Kasper seine Erfahrungen über diese Umbruchzeit an
der Ruhr-Universität mit dem Motto
„Glück auf, der Staiger kommt!“.
Mit dem methodischen Wandel ging
auch eine leidenschaftliche Diskussion der Lehrpläne einher. Wer sich
als Germanistikstudent mehr für
neuere Literatur als für altes Deutsch
interessierte (und das waren eigentlich die meisten) war gut beraten,
sich an eine der neuen Universitäten
zu begeben, wenn er nicht auch
noch im Hauptstudium Ablautreihen
und
Gotisch
pauken
wollte.
Anschaulich schilderte das Dr.
Michael Vogt (Bielefeld) als „Spaziergang von Münster nach Bielefeld“. Das legendäre Bielefelder
„LiLi-Modell“ mit seiner Überwindung der Grenzen der Einzelphilologien stand während der Tagung
immer wieder im Mittelpunkt: Ein
zukunftsweisender, in der Sache
absolut logischer Versuch, denn Linguistik und Literaturwissenschaft
arbeiten unabhängig von den Nationalphilologien
mit
denselben
Methoden, und gleichzeitig schärft
dies für alle Beteiligten den komparatistischen Blick. Ein zugleich zum
Scheitern verurteilter Versuch, weil
es letztlich nicht auf Dauer zu der
dazu notwendigen Einrichtung neuer Schulfächer „Linguistik“ und
„Literaturwissenschaft“ kam.
Ein weiterer Bielefelder Aufbruch zu neuen Wissenschaftsufern
– das Zentrum für interdisziplinäre
Forschung – wurde von dessen ehemaligem Geschäftsführenden Direktor Wilhelm Voßkamp (Köln)
anschaulich geschildert. Ob aber der
erwähnte Umbruch der Germanistik
wirklich vital von der Gründung der
Reformuniversitäten abhängig war,
blieb auf der Tagung umstritten –
also weiterhin viel Arbeit für die Projektmitarbeiter Oliver Sill und Oliver
Müller. Dem Bielefelder Publikum
wurde das Projekt inzwischen im
Rahmen einer Vortragsveranstaltung
mit Wolfgang Adam (Magdeburg)
vorgestellt, der sich einem Monument der Fachgeschichte widmete:
„Neue Germanistik in einer alten
Zeitschrift? Der Euphorion in den
Jahren 1965 bis 1980“.
Bielefelder Universitätszeitung 213/2003
Forschung
Forschergruppe „Wissenschaft im Umbruch“
Eine neue Wissenschaft
für die Wissensgesellschaft?
(M.M.) Die Volkswagen-Stiftung fördert im Rahmen ihres Schwerpunktprogramms „Schlüsselthemen der Geisteswissenschaften“ die Forschergruppe
„Wissenschaft im Umbruch – Auf dem Weg in die Wissensgesellschaft“.
Beteiligt hieran sind das Institut für Wissenschafts- und Technikforschung
der Universität Bielefeld sowie die Zentrale Einrichtung für Wissenschaftstheorie und Wissenschaftsethik der Universität Hannover.
Zu einem 1. Symposium über „Eine
neue Wissenschaft für die Wissensgesellschaft?“ hatte die Forschergruppe im Dezember namhafte Vertreter aus Wissenschaft, Journalistik,
Politik, Forschungsförderung und
der Industrie in das Zentrum für
interdisziplinäre Forschung der Universität Bielefeld eingeladen, die ihre
Sicht zu zentralen Aspekten der Veränderungen der Wissenschaft vorstellten. Das erste von insgesamt vier
Symposien hatte sich zum Ziel
gesetzt, das Themenfeld „Wissensgesellschaft“ und für das Projekt
relevante Probleme in einem transdisziplinären Kontext abzustecken.
Den Hintergrund des Projekts
„Wissenschaft im Umbruch“ sowie
des Symposiums bildet die Beobachtung, dass die Gesellschaft einen
immer stärkeren Anwendungsbezug
der Wissenschaft einfordert. Dieser
Anwendungsbezug oder gar Anwendungsdruck führt dazu, dass
sich die Strategien der Wissenschaft
und ihre Strukturen selbst signifikant
verändern. Wissenschaftliches Wissen wird zunehmend im Kontext seiner Anwendung produziert. Zum
Beispiel sind die Problemstellungen
komplexer und die Ergebnisse unsicherer, so dass Zweifel an ihrer Verlässlichkeit auftreten. Die Einsicht,
dass neues Wissen auch immer neues Nicht-Wissen mit sich bringt,
prägt zunehmend die Stellung der
Wissenschaft in der Gesellschaft.
Im Mittelpunkt des Symposiums
standen unter anderem Fragen zur
aktuellen Forschungspraxis und zu
derem Verhältnis zur Industrie, zum
Aufbau und zur Arbeit interdisziplinärer Forschungseinrichtungen sowie zu den ethischen und sozialen
Bielefelder Universitätszeitung 213/2003
Implikationen neuer Forschungsgebiete wie der Gentechnologie.
Als Schlaglichter seien zunächst
die Beiträge von Dr. Hartmut Voss
(LION bioscience, Heidelberg) zum
Thema Industrieforschung und Gero
von Randow (Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung) zur Stellung des
Wissenschaftsjournalismus genannt.
Beide Vorträge boten einerseits Einsichten hinsichtlich der Anforderungen, die durch ökonomische und
gesellschaftliche Zwangsbedingungen an die Industrieforschung
gestellt werden, andererseits hinsichtlich der Stellung des Wissenschaftsjournalismus bei der Außendarstellung der Wissenschaft.
Zentrale Themen waren weiterhin die Förderungspolitik, anwendungsorientierte Forschungseinrichtungen und Probleme ethischer Entscheidungsfindungen am Beispiel
der Beratungsgremien wie dem
Ethikrat und den Enquete-Kommissionen.
Das von Professor Karl-Heinz
Hoffmann vorgestellte Konzept der
Forschungseinrichtung CAESAR (Center of
Advanced
European Studies and Research)
lieferte
ein
positives
Beispiel dafür,
wie ein Modell
der interdisziplinären Forschung in
der Wissensgesellschaft aussehen
könnte. An diesem Beispiel zeigte
sich auch, dass Anwendungsorientierung durchaus nicht negativ auf
die Forschung wirkt, sondern dass
eine intensive Zusammenarbeit von
Grundlagenforschung und Industrieforschung auch im Anwendungskontext möglich und epistemisch – durch den hier direkt eingebundenen
Dialog
zwischen
Grundlagen- und angewandter Forschung – äußerst fruchtbar sein
kann.
Der Vortrag von Dr. Wilhelm
Krull (Volkswagen-Stiftung) zeigte,
dass
gerade
von der interdisziplinären
Forschung
Innovation und
die Produktion
des erforderlichen Wissens
erwartet werden kann. Daraus konnte die Vermutung abgeleitet werden, in interdisziplinären Forschungskontexten
sei es einfacher, die seitens der
Gesellschaft an die Wissenschaft
gestellten Anforderungen im Hinblick auf konkrete und sichere
Anwendungen zu erfüllen. Deshalb
– so das Ergebnis der anschließenden
Diskussion – müsse die Förderung
interdisziplinärer Forschung ein
wichtiger Bestandteil der öffentlichen Förderungspolitik sein. Interdisziplinäre
Forschungsvorhaben
müssten zudem über geeignete Förderungsstrukturen
attraktiver
gemacht werden, um die relativ starren disziplinär ausgerichteten Forschungssysteme aufzubrechen.
Professor Wolfgang van den
Daele vom Wissenschaftszentrum in
Berlin referierte über die Arbeit des
Ethikrates und wies auf die neue Stellung
der
Öffentlichkeit
im
Zusammenhang mit der Beurteilung
der Wissenschaft und ihrer Ergebnisse hin. Neue Anwendungen – insbesondere im Bereich der Biotechnologie – seien stark ins Blickfeld der
Öffentlichkeit gerückt und würden
von dieser kritisch beurteilt.
In Verbindung
mit
in
der
Gesellschaft
vorhandenen
pluralistischen
Wertvorstellungen
würden
23
Forschung
sich dadurch einerseits Probleme für
die wissenschaftliche Forschungspraxis (Beispiel Stammzellenforschung)
ergeben, andererseits für die politische Entscheidungsfindung hinsichtlich dieser Fragen. Besonders die
Stellung der politischen Beratungsgremien wie Ethikrat und EnqueteKommission wurde diskutiert. Im
Mittelpunkt standen hierbei ein kontroverses Problemfeld und die Fragen, ob der Ethikrat im Falle konkreter Probleme 1. Empfehlungen an die
Politik abgeben, ob er 2. ein
bestimmtes Votum für oder wider
eine Option abgeben sollte, ob er 3.
nur die verschiedenen Möglichkeiten
und die Pro- und Contra-Argumente
aufzeigen oder ob er 4. lediglich die
gesellschaftlichen Bedenken aufnehmen und darstellen sollte.
Das zweite Symposium der Forschergruppe, der Martin Carrier,
Wolfgang Krohn, Günter Küppers
und Peter Weingart (alle Bielefeld)
sowie Paul Hoyningen-Huene (Hannover) angehören, findet vom 4. bis
7. Juni im Zentrum für interdisziplinäre Forschung der Universität Bielefeld statt. Thema: „Models, Simulations and the Application of
Mathematics“.
Fakultät für Pädagogik
Zur Territorialisierung des Sozialen
Soziale Arbeit als Teil der Sozialpolitik ist zunehmend durch eine handlungskonzeptionelle wie handlungspraktische Ausrichtung an territorialen
Einheiten charakterisiert: an Stadtteile, Wohnareale, Nachbarschaften. Die
Dezentralisierung kommunaler Sozialverwaltungen, Stadtteilentwicklungsmaßnahmen, Quartiersarbeit und Bewohneraktivierung sind Beispiele dieser nahraumorientierten Neugestaltung. Im Sinne des Modells eines „Aktivierenden Staats“ fokussieren Maßnahmen der Sozialen Arbeit die Selbstverantwortung der Bürgerinnen und Bürger für den eigenen sozialen und
ökonomischen Erfolg oder Misserfolg in immer stärkerem Maße.
Diesen Entwicklungen ging die
Arbeitsgruppe Sozialarbeit und Sozialpädagogik der Universität Bielefeld
in ihrer internationalen Tagung
„Spacing Social Work – zur Territorialisierung des Sozialen“ nach. Nationale wie internationale Beispiele
nahraumorientierter Neugestaltung
verdeutlichten dabei die Relevanz
einer systematischen Analyse der
Territorialisierung des Sozialen.
Gleichzeitig machten die Tagungsdiskussionen deutlich, dass eine Ausrichtung von Sozialer Arbeit an marginalisierten Wohnarealen zu unzulässigen
Verkürzungen
und
sozialpolitischen
Einschließungsprozessen der Betroffenen führt.
Bob Jessop (Lancaster University) eröffnete die vom Ministerium
für Gesundheit, Soziales, Frauen und
Familie des Landes Nordrhein-Westfalen geförderte Fachtagung mit
einer staatstheoretischen Analyse
der sozialpolitischen und sozialpädagogischen Territorialisierungsstrate24
gien in nachfordistischen Gesellschaften. Dabei stellte er die Frage
nach der Relation von space, place
und scale als die zentrale Analysefolie in den Mittelpunkt seiner Überlegungen. Martina Löw (Universität
Darmstadt) wies in ihren raumsoziologischen Grundlegungen auf die
systematische Differenz von Raum
(space) und Ort (place) hin, die nahraumorientierte von sozialraumorientierten Strategien unterscheiden helfe. Die Hoffnung, die aktuelle Maßnahmen auf die Aktivierung
sozialen Kapitals der Bewohnerinnen
und Bewohner vor allem marginalisierter Wohnareale setzen, wurde in
verschiedenen Beiträgen skeptisch
beurteilt. Susanne Karstedt (University of Keele) machte darauf aufmerksam, dass die Konzentration
auf die starken sozialen Bindungsstrukturen (bonding capital) die
Relevanz institutioneller Bindungsstrukturen (linking capital) übersieht,
die gerade für sozialpolitische und
sozialpädagogische Zusammenhänge von zentraler Bedeutung sind.
Patricia Landolt (University of Toronto) verdeutlichte die Mehrdeutigkeiten und Schattenseiten des Konzepts
am Beispiel von Migranten-Gruppen
in Kanada, und Maria Bitzan (Universität Tübingen) betonte die genderspezifische Problematik in ihrer
Darstellung geschlechtsspezifischer
Raumbezüge und geschlechtsspezifischer Raumaneignungsstrategien.
Internationale Fachtagung zur Territorialisierung des Sozialen (v.l.): Helmut
Richter (Hamburg), Jan-Willem Duyvendak (Utrecht), Michael Fabricant (New
York), Susanne Karstedt (Keele), Peter Sommerfeld (Solothurn) sowie die
Tagungsleiter Hans-Uwe Otto und Fabian Kessl.
Bielefelder Universitätszeitung 213/2003
Forschung
Auf die Schwerpunktsetzung
sozialer Sicherheitskonzepte – auf
„hot spots“ (soziale Brennpunkte)
europäischer Städte – verwies Jens
Dangschat (Technische Universität
Wien) in seinem Beitrag. Programme
zur Bekämpfung sozialer Ausgrenzung stellte er dabei als analog zu
aktuellen Strategien der Kriminalitätsbekämpfung dar. Diese These
wurde von Daniel Gilling (University
of Plymouth) am Beispiel des Crime
& Disorder Act 1998 als Symbol der
neuen territorialisierten Sicherheitspolitiken in Großbritannien eindrücklich illustriert. Dieses „Regieren“ und „Regiert-Werden“ in
kleinräumigen
Zusammenhängen
bleibe allerdings, so Gilling, durch
grundlegende Ambivalenzen gekennzeichnet, sei somit nicht eindimensional als politisch progressiv
oder (neo-)konservativ zu interpretieren. In kritischer Distanz zu einer
neoliberalistischen
Umgestaltung
des Sozialen formulierten Lothar
Böhnisch (Universität Dresden) und
Walter Lorenz (Universität Brixen)
ihre Einordnung der neuen Relevanz
des Lokalen innerhalb des Globalisierungsprozesses. Vor allem Böhnisch rückte die Überforderung der
Familie, die Spaltung der Städte und
die Segmentierung der Arbeitswelt
in den Mittelpunkt seiner Überlegungen. Soziale Arbeit erfahre in
diesem Zusammenhang eine Funktionsverschiebung von der sozialen
Gestaltungs- hin zur sozialen Befriedungsinstanz.
John Clarke (Open University,
Milton Keynes) machte in seinem
abschließenden
Tagungsbeitrag
deutlich, dass die aktuellen kleinräumigen politischen Regulierungs- und
Steuerungsstrategien in den Kontext
einer umfassenden postkolonialen
Regierung des Sozialen einzuordnen
seien. Gleichzeitig dürfe diese notwendig kritische Analyse allerdings
nicht zu einem generellen Pessimismus führen, da die Instabilität
der Gemeinschaften wie der Regierungsstrategien immer wieder zu
unerwarteten Entwicklungen mit
unbestimmtem Ende führten.
Catrin Heite, Fabian Kessl,
Holger Ziegler
Bielefelder Universitätszeitung 213/2003
Pressedienst Forschung
Naturwissenschaften schon
im frühen Kindesalter
(BUZ) Erschienen ist erneut eine Ausgabe des Pressedienstes Forschung
der Universität Bielefeld. Der von der Informations- und Pressestelle
herausgegebene Pressedienst richtet sich an Wissenschaftsjournalisten
und stellt eine Ergänzung zum Forschungsmagazin der Universität Bielefeld dar. Mit beiden Medien sollen die Forschungsleistungen der Universität einer breiten Öffentlichkeit präsentiert werden. Die Redaktion hat
Dr. Hans-Martin Kruckis. Der Pressedienst Forschung enthält folgende
Beiträge:
Männlichkeit, Elternschaft,
Kunst und Politik
Geschlechtergeschichte in Bielefeld
Gender-Studies sind besonders in
den USA in der Forschungslandschaft fest verankert. Trotz zum Teil
großer Anstrengungen in den letzten Jahrzehnten lässt sich in
Deutschland auf diesem Gebiet
immer noch ein Nachholbedarf konstatieren. An der Bielefelder Fakultät
für Geschichtswissenschaft, Philosophie und Theologie wird dazu seit
langer Zeit intensiv geforscht. Wie
kaum ein anderes Forschungsfeld
bietet sich die Geschlechtergeschichte zudem für interdisziplinäre
Kooperation an. Prof. Dr. Martina
Kessel und Dr. Wiebke Kolbe stellen
ihr Forschungsprogramm vor.
schaftlichen Fächern gekommen und das, obwohl ihre Absolventen
bei allen konjunkturell bedingten
Schwankungen generell sehr gute
Berufsaussichten haben. Bildungspolitiker sind angesichts dieser für
die Innovationsfähigkeit der deutschen Volkswirtschaft bedrohlichen
Tendenz ratlos. Ein Ausweg scheint
zu sein, die Faszination, die von den
Naturwissenschaften zweifellos ausgehen kann, schon sehr früh zu
wecken. Denn Neugier und Aufnahmevermögen - spätestens seit der
PISA-Diskussion wissen das nicht
mehr nur die Fachleute - sind nie so
groß wie in den Vorschuljahren. Die
Chemiedidaktikerin Prof. Dr. Gisela
Lück forscht intensiv daran, wie man
schon die ganz Jungen für naturwissenschaftliche Phänomene begeistern kann.
Schlüsselqualifikation
Lesefähigkeit
Rückblick auf die PISA-Studie
Experimente schon im
Kindergarten
Naturwissenschaften im frühen Kindesalter
In den letzten Jahren ist es zu dramatischen Einbrüchen bei den Studierendenzahlen in den naturwissen-
Wohl noch nie hat eine Untersuchung zum Bildungssystem eine derartig aufgeregte öffentliche Resonanz hervorgerufen wie PISA ("Programme for International Student
Assessment"). Dass deutsche Schüler im internationalen Vergleich
bestenfalls Mittelmaß erreichen und
es bei der Lesefähigkeit in bestimmten Bereichen geradezu katastrophal
aussieht, ist eine mehr als ernüchternde Einsicht. Nun gilt es, daraus
25
Gesundheitswissenschaften
sinnvolle Konsequenzen zu ziehen.
Welche das sein könnten, sagen Bielefelder Lernpsychologen um Prof.
Dr. Ulrich Schiefele, die an der
Durchführung der Studie an wichtiger Stelle beteiligt waren, im Rückblick auf ihre Arbeit.
Der prozedurale Umgang
mit Konflikten
Intelligentes Konfliktmanagement
aus spieltheoretischer Sicht
Konflikte sind im sozialen Leben allgegenwärtig: vom Ehekrieg bis zur
Terrorismusbekämpfung, von der
Schadenersatzklage bis zur Rentenreform. Die in den Wirtschaftswissenschaften entwickelte Spieltheorie
kann als anspruchsvolles Instrument
dienen, Konflikte zu analysieren und
sie in einem kontrollierten schrittweisen Verfahren zu lösen. Das zeigten Nachwuchsforscher im Rahmen
einer internationalen Forschergruppe am Bielefelder Zentrum für interdisziplinäre Forschung.
Versorgungsqualität von Schmerzpatienten –
eine Herausforderung für Medizin und Pflege
Verzweifelte Odyssee durch
das Dickicht des Gesundheitssystems
Besonders im fortgeschrittenen Krankheitsstadium leiden chronisch
erkrankte Menschen an schweren anhaltenden oder wiederholt auftretenden Schmerzzuständen. Eine angemessene Schmerzversorgung ist für die
Betroffenen Voraussetzung für die Sicherung eines Mindestmaßes an
Lebensqualität.
Untersuchungen jüngeren Datums
unterstreichen jedoch, dass in der
ambulanten Versorgung eine adäquate Schmerzkontrolle auch heute
oftmals nicht sichergestellt ist,
obgleich durch die (Weiter-)Entwicklung von „Palliative Care“ und die
„Cancer Pain Release“-Initiative der
Weltgesundheitsorganisation
(WHO) seit Mitte der 1980er Jahre
einiges bewegt wurde.
Die hier skizzenhaft umrissenen
Problemdimensionen waren Ausgangspunkt eines Teilprojektes des
Nordrhein-Westfälischen
Forschungsverbundes Public Health,
das vom Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft gefördert
wurde. Im Zentrum des Forschungsvorhabens von Prof. Dr. Doris
Schaeffer und Gabriele MüllerMundt stand die Frage, wie sich die
Versorgungsqualität von Schmerzpatienten darstellt und wie sie verbessert werden kann. Erarbeitet
werden sollten Grundlagen für eine
von der Pflege getragene Patientenedukation zur Unterstützung von
Schmerztherapie und -management
im häuslichen Alltag.
Probleme der Schmerzversorgung
Die Langfassung des Pressedienstes
Forschung der Universität Bielefeld
findet sich im Internet unter:
www.uni-bielefeld.de/presse/pressedienst-forschung.
26
Die Untersuchungsergebnisse unterstreichen den hohen Handlungsbedarf zur Verbesserung der Schmerzversorgung chronisch erkrankter
Schmerzpatienten. Deutlich wird,
dass „Schmerz“ als behandlungsbedürftiges Gesundheitsproblem insbesondere in der Regelversorgung nur
unzureichend Beachtung findet.
Dem kann – so auch die Sicht der
befragten Schmerzexperten – nicht
allein durch einen Ausbau der Infra-
struktur an spezialisierten Einrichtungen in der Schmerz- und Palliativversorgung abgeholfen werden. Eine
qualifizierte Versorgung schmerzbelasteter Patienten erfordert eine
generelle Neuorientierung der Versorgungspraxis. Sie muss den körperlichen, emotionalen und sozialen
Bedingungsfaktoren und der Aufrechterhaltung von Schmerz von
Beginn an, das heißt bereits im Rahmen der Versorgung von Menschen
mit akuten Schmerzen, Rechnung
tragen. Die hierfür erforderlichen klinischen und psychosozialen Kompetenzen können unter den die Regelversorgung tragenden Gesundheitsprofessionen
bislang
nicht
vorausgesetzt werden. Die spezielle
Schmerztherapie wurde erst Mitte
der 1990er Jahre als prüfungsrelevantes Fach in das Medizinstudium
aufgenommen, und in der Pflegeausbildung sind Grundlagen des
Schmerzmanagements
weiterhin
unterbelichtet.
In der häuslichen Versorgung
schwer kranker und pflegedürftiger
Schmerzpatienten sind Medizin und
Pflege zudem besonders gefordert,
für eine abgestimmte Versorgungspraxis Sorge zu tragen. Von einer
„Kooperationskultur“
kann
im
ambulanten Sektor indes kaum die
Rede sein. Die Ausgestaltung der
Therapie und Aufgaben der Versorgungskoordination liegen im hausärztlichen Verantwortungsbereich. In
ihrem Bemühen, auf eine angemessene Schmerzkontrolle der von ihnen
betreuten Patienten hinzuwirken,
sehen sich ambulante Pflegedienste
ebenso wie Schmerztherapeuten der
klinikangebundenen Schmerzambulanzen zudem mit Folgeproblemen
Bielefelder Universitätszeitung 213/2003
Gesundheitswissenschaften
der strikten sektoralen Zuständigkeitsregelungen im ärztlichen Bereich
konfrontiert, zumal die Bereitschaft
zur Hinzuziehung von Schmerzspezialisten unter den Hausärzten gering
ausgeprägt ist. Eine direkte Intervention von Schmerztherapeutenseite
würde einen Eingriff in die ärztliche
Behandlungsautonomie darstellen.
Deutlich wird in den Aussagen der
Schmerzexperten auch, dass die diffuse und weitgehend auf körperbezogene Versorgungstätigkeiten begrenzte Rolle der Pflege im bundesdeutschen Gesundheitssystem eine
effektive professions- wie auch sektorenübergreifende
Kooperation
erschwert.
Irrwege und Nöte der Patienten
Schmerzpatienten erleben die unzureichende Versorgungspraxis vielfach
dergestalt, dass sie bei den professionellen Akteuren für ihr (Schmerz-)
Leiden kein Gehör finden. Dass diese
– seien es nun Ärzte oder
Pflegende – ihr Leiden nicht
ermessen können und/
oder wollen, ist für sie
kaum nachvollziehbar. Sie
fühlen sich oft „nicht ernst
genommen“ und „im Stich
gelassen“. Zumeist haben
sie eine Vielzahl an Instanzen durchlaufen, bis sie
eine qualifizierte Schmerzversorgung erlangen. Das
in der aktuellen gesundheitspolitischen Diskussion
unter dem Label des „Ärzte-Hoppings“
kritisierte
Phänomen häufiger Arztwechsel stellt sich aus der
Perspektive schmerzbelasteter Patienten als verzweifelte Odyssee auf dem
Weg durch das Dickicht des
Gesundheitssystems dar.
Die Aussagen derjenigen
Schmerzpatienten, die allen
Widrigkeiten zum Trotz
eine qualifizierte Schmerzeinrichtung
gefunden haben, unterstreichen, wie
wichtig es für sie, dass sich die professionellen Akteure ihres Leidens
und ihrer Person „als Ganzes“
annehmen. Hierzu gehört, dass Ärzte
Bielefelder Universitätszeitung 213/2003
wie auch Pflegende auf die subjektiven Befindenslagen, (Gesundheits-)
Probleme, Ängste und Präferenzen
der Erkrankten eingehen und mit
ihnen gemeinsam gangbare Wege
suchen, die ihr (Schmerz-)Leiden und
damit verbundene Einschränkungen
der Lebensqualität lindern. Als weiterer zentraler Aspekt kristallisiert sich
die Sicherung von Versorgungskontinuität heraus. Eine umfassende und
kontinuierliche Betreuung ist im ausdifferenzierten Gesundheitssystem,
wo sich die einzelnen Akteure nur für
Teilprobleme, die in ihr unmittelbares
Fachgebiet fallen, zuständig fühlen,
nur schwer zu finden oder wie es
eine Patientin auf den Punkt bringt:
„Man ist einfach kein Ganzes für die
Ärzte“, und „die Pflege ist mehr nur
so eine Körperpflege“.
Handlungserfordernisse
Die Analyse von Experten- und
Patienteninterviews
unterstreicht,
dass für die Versorgungsqualität
schmerzbelasteter Patienten eine problemangemessene Perspektivenerweiterung unabdingbar ist. Ein erster
Schritt in diese Richtung stellen die
Integration der Grundlagen der
Schmerzversorgung in die Ausbildung
aller Gesundheitsberufe und entsprechende Initiativen auf der Ebene der
Fort- und Weiterbildung dar. Für eine
Verbesserung der ambulanten Versorgung schwerstkranker Schmerzpatienten ist die Bereitstellung professioneller Pflegeangebote angezeigt, die
die Betroffenen und ihre Bezugspersonen im häuslichen Umfeld auch
beratend begleiten. Die Pflege bedarf
hierzu einer ausreichenden klinischen
Expertise, psychosozialer Betreuungsund Beratungskompetenzen ebenso
wie adäquater Interventionskonzepte.
Unumgänglich erscheint ferner, den
Handlungsrahmen und die Rolle der
Pflege so zu erweitern und institutionell abzusichern, dass sie die für die
Sicherstellung einer angemessenen
Versorgung schwer kranker Schmerzpatienten erforderlichen Aufgaben
effektiv wahrnehmen kann.
Die Realisierung all dessen setzt
allerdings die Schaffung von Vergütungsstrukturen voraus, die den
Ausbau
qualifizierter
ambulanter Versorgungsangebote
befördern.
Hierzu gehört die Anerkennung der im Rahmen
der Versorgung schwer
kranker, schmerzbelasteter Menschen angezeigten klinischen und beratenden Leistungen. Die
engen Vorgaben für die
Erbringung ambulanter
Pflege auf der Grundlage
der Pflegeversicherung, in
der Pflegeleistungen an
vorab festgelegten (Zeit-)
Margen bemessen werden, lassen eine situationsangemessene
Gestaltung der Pflege, die
flexibel auf wechselhafte
Befindens- und Bedarfslagen zu reagieren vermag,
kaum zu.
Gabriele Müller-Mundt
Weitere Informationen zu
den Themen „Schmerz- und Palliativversorgung“ sowie „häusliche
Versorgung schwerstkranker Menschen“ finden sich auf der Homepage des Instituts für Pflegewissenschaft www.uni-bielefeld.de/IPW.
27
Gesundheitswissenschaften
Workshop der Gesundheitswissenschaftler in Berlin
(BUZ) Unter der wissenschaftlichen Leitung des Instituts für Pflegewissenschaft an der Universität Bielefeld und des Instituts für Gerontologie an der
Universität Dortmund hat Anfang des Wintersemesters 2002/2003 ein neuer vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderter
Modellversuch zur Gestaltung der praktischen Ausbildung in den Berufen
der Alten-, Kranken- und Kinderkrankenpflege begonnen.
Die Anforderungen an Pflegende im beruflichen Alltag werden
immer umfassender und anspruchsvoller. Um diesen steigenden Anforderungen an die technologische und
die interaktiv-kommunikative Kompetenz der Pflegenden gerecht werden zu können, soll die Ausbildung
fortlaufend weiterentwickelt und
verbessert werden. Wenn auch für
die theoretische Ausbildung mittlerweile zahlreiche Curricula existieren,
so herrscht im Bereich der praktischen Ausbildung eine relative Leere.
Hier setzt der neue Modellversuch
zur Entwicklung eines Praxis-Curriculums innerhalb der gemeinsamen
beruflichen Grundausbildung in der
Alten-, Kranken- und Kinderpflege
(integrierte Ausbildung) an.
In diesem Modellversuch werden für jeden Praxiseinsatz so
genannte Lern- und Arbeitsaufgaben
entwickelt und erprobt. Mit der Bearbeitung dieser Lernaufgaben im
beruflichen Alltag durchlaufen die
Auszubildenden Phasen der Analyse,
der theoriegeleiteten Planung und
Durchführung sowie der reflexiven
Bewertung ihres Pflegehandelns.
Eine weitere Neuerung im
Modellversuch ist der Einsatz der
Auszubildenden auch in den Bereichen, die bislang den einzelnen Spezialisierungen Altenpflege, Krankenpflege oder Kinderkrankenpflege
vorbehalten waren, sowie in neuen
Lernfeldern, die zukünftig relevant
für die Pflege sein werden. Dazu zählen die Bereiche Prävention und
Gesundheitsförderung, aufsuchende
Gesundheitsfürsorge und Sozialarbeit, gesundheitsbezogene Beratung
und Schulung, Hospizarbeit, Rehabilitation,
Behindertenhilfe
sowie
Naturheilkunde.
Weitere Informationen: Klaus
Müller, Institut für Pflegewissenschaft an der Universität Bielefeld,
Telefon 0521/106 3886 oder im
Internet unter www.integrierte-pflegeausbildung.de.
Der Modellversuch zur Entwicklung
eines Praxiscurriculums wird an der
Katholischen Schule für Pflegeberufe
Esssen e.V. in Zusammenarbeit mit
dem Caritas-Verband für das Bistum
Redaktionsschluss für die nächste
Ausgabe der „Bielefelder Universitätszeitung“ ist der 25. April 2003.
Später eingereichte Manuskripte
können nicht mehr berücksichtigt
werden.
Boomendes Erfolgsmodell – aber:
Bewohner und Pflegekräfte leiden am Heim
(BUZ) Aus der Forschergruppe „Menschen in Heimen“ der Fakultät für
Gesundheitswissenschaften der Universität Bielefeld ist eine Initiative zur
Einrichtung einer Enquete-Kommission beim Deutschen Bundestag entstanden. Sie findet eine große Resonanz, wie auch die zweite, diesmal in Berlin
veranstaltete Konferenz zeigte.
Der Bielefelder Gesundheitswissenschaftler Klaus Hurrelmann als Konferenzleiter machte zu Beginn der
von Beate Röttger-Liepmann organisierten Tagung deutlich, dass das
Forschungsprojekt „Menschen in
Heimen“ zwar bald ausläuft, nicht
aber die daraus hervorgegangene
Initiative. Bei der wegen der Alterung
der Bevölkerung in den kommenden
30 Jahren zu erwartenden Verdopplung der Hilfe-, Unterstützungs- und
Pflegebedürftigen biete sich das
Heim als jeweils naheliegende
Lösung an: Es sei insofern ein Erfolgsmodell, als es boomt. Gleichzeitig sei
aber das Leiden am Heim sowohl der
Bewohner wie der Pflegefachkräfte
unübersehbar. Neue Unterbringungsformen zu entwickeln, die den
Betroffenen nicht zum „Heiminsassen“ machen, sondern eine menschenwürdige Begleitung ermöglichen, ist nach Ansicht der Forschergruppe dringend notwendig.
Unabhängig vom tatsächlichen
Zustandekommen einer BundestagsEnquete der Heime sei durch die Initiative eine „Aufbruchstimmung“ ent-
standen, sagte der Initiator, Prof. Dr.
Dr. Klaus Dörner. Viele Anfragen nach
Beratung und Begleitung würden an
die Bielefelder Initiative gerichtet. Die
Zukunft liege klar in der schrittweisen
Verstärkung von Alternativen zur
„stationären“ Unterbringung, der
Ambulantisierung, berge allerdings
die Gefahr, dass ein „Rest“ von Menschen in der Heimunterbringung
zurückbleibe, was zu einer „Konzentration der Unerträglichkeit“ sowohl
für die Betroffenen als auch für die
Mitarbeiter führen könne. „Das muss
um jeden Preis dadurch vermieden
werden, dass man das Lebensrecht in
der Gemeinde vom Schwächsten her
denken muss“, sagte Dörner. „Nur
wenn man für den Letzten am meisten Geld ausgibt, kann man bei den
weniger Betroffenen sparen. Diese
Perspektive müssen wir lernen. Wir
haben aber nicht mehr viel Zeit dafür,
weil sonst der sparen müssende
Geldgeber in alte Formen zurückfällt.“
Mehr
im
Internet
unter:
www.uni-bielefeld.de | Aktuelles |
Aktuelle Pressemitteilungen.
Pflegewissenschaft
Neue Wege in der Pflegeausbildung
28
Essen e.V. sowie einer Vielzahl von
Praxiseinrichtungen durchgeführt. Er
wird zudem unterstützt von der
Caritas-Stiftung im Bistum Essen und
der Firma Johnson & Johnson.
Bielefelder Universitätszeitung 213/2003
Gesundheitswissenschaften
Offener Brief zur
Gesundheitsreform
(BUZ) In einem offenen Brief an den
Bundeskanzler hat die Deutsche Gesellschaft für Public Health am 27.
Februar betont, dass der Erfolg der
Bemühungen zur grundlegenden Reform des Gesundheitswesens wesentlich davon abhängen werde, ob
es der Regierung gelingt, „nicht nur
Akzeptanz bei den bekannten Interessengruppen zu finden“. Der „Staat
sollte jetzt und künftig als Anwalt der
Versicherten und Patienten wirken,
statt wie bisher vornehmlich den
Interessen der Anbieter zu folgen“.
Gemeinsam mit dem Sachverständigenrat empfehlen die Deutsche
Gesellschaft für Public Health und
ihr Vorstand, die Professoren Bernhard Badura, Wilhelm Kirch und Jürgen von Troschke, „dringend die
Einrichtung eines Deutschen Instituts zur Qualitätsentwicklung im
Gesundheitswesen“.
„Wir empfehlen“, heißt es,
„dringend einen besseren Schutz der
Bürger vor Erkrankung durch energischen Ausbau von Gesundheitsförderung und Prävention – auch zur
Kostendämpfung in unseren Sozialversicherungssystemen. Aus unserer
Sicht völlig unverständlich wäre es,
sollte sich Ihre Regierung vom Solidarprinzip verabschieden, ohne den
ernsthaften Versuch einer Konsolidierung des Gesundheitsbudgets durch
Abbau von Überkapazitäten und Bekämpfen überflüssiger Leistungen zu
machen. Aus unserer Sicht völlig unverständlich wäre es zudem, den Bürgern, Versicherten und Patienten
erhöhte finanzielle Eigenverantwortung abzuverlangen – ohne ihnen
ausreichende
Transparenz
über
Kosten und Qualität zu gewähren.
Erst dadurch werden wir alle zur intelligenten Nutzung der angebotenen
Leistungen befähigt, befähigt auch
mitzuwirken bei der Weiterentwicklung einzelner Versorgungsstrukturen
und -leistungen und bei der Prioritätensetzung im Gesundheitswesen.“
Wortlaut im Internet: www.unibielefeld.de | Aktuelles | Dokumente
der Universität Bielefeld.
Bielefelder Universitätszeitung 213/2003
Internationale Sommerschule
Kommen Infektionskrankheiten wieder?
(BUZ) Unter der Leitung von Professor Alexander Krämer, Fakultät für
Gesundheitswissenschaften der Universität Bielefeld, findet vom 4. bis zum
8. Mai die fünfte internationale Sommerschule „Infectious Disease Epidemiology“ statt. Themen der Sommerschule sind: Prinzipien und Methoden der
Infektionsepidemiologie, Ausbruchsuntersuchungen, moderne Surveillance,
mathematische und stochastische Modellierung, Impfungen, „Newly emerging and reemerging infections“.
Kontakt: Iris Kukla, School of Public Health, Universität Bielefeld, Telefon
0521/106-6889. Weitere Informationen unter: www.uni-bielefeld.de/gesundhw/ag2/summerschool2003.
Astrid Fröhlich ist zur Vertrauensfrau für die schwerbehinderten Beschäftigten
der Universität Bielefeld gewählt worden. Ihre Stellvertreter sind Stefan EggertMines und Sabina Füllbrunn. Den Beschluss des Rates der Europäischen Union,
das Jahr 2003 zum Europäischen Jahr der Menschen mit Behinderungen zu
erklären, wollen die Schwerbehindertenvertretung und Kanzler Hans-Jürgen
Simm zum Anlass nehmen, eine Bestandsaufnahme der Arbeitsbedingungen
für schwerbehinderte Menschen an der Universität Bielefeld durchzuführen.
Diese soll zunächst einen Überblick über die bisherigen Leistungen für Schwerbehinderte geben. Deutlich gemacht werden soll aber auch, in welchen Bereichen noch Handlungsbedarf besteht und Verbesserungen notwendig sind.
Dabei soll auch die durch die gesetzlichen Änderungen verstärkte Verpflichtung zu Präventivmaßnahmen einbezogen werden. Hierüber haben sich
unlängst die Schwerbehindertenvertretung und der Kanzler verständigt mit
dem Ziel, die Bestandsaufnahme bis zum Sommer zu erstellen. In diesem
Zusammenhang hat die Schwerbehindertenvertretung noch einmal darauf hingewiesen, dass sie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auch im Vorfeld der
amtlichen Anerkennung einer eventuellen Schwerbehinderung mit Rat und Tat
zur Seite steht. Auch diejenigen Personen, die nach einer anerkannten Schwerbehinderung ihren Arbeitgeber aufgrund von Fehlinformationen nicht informiert haben, möchte die Schwerbehindertenvertretung unterstützen, um ihre
Entscheidung zu überdenken. Diese Personen seien schlecht beraten, wenn sie
erst bei Problemen den Schwerbehindertenausweis vorlegten. Der Kanzler
betonte, dass die Meldung einer anerkannten Schwerbehinderung an die Universitätsleitung auch deshalb von Bedeutung sei, damit die Universität wegen
der Nichterfüllung der Schwerbehindertenquote auf Dauer keine finanziellen
Nachteile erleide. Das Europäische Jahr für Menschen mit Behinderung wird
für die „Bielefelder Universitätszeitung“ im Übrigen Anlass sein, sich demnächst dieser Thematik in besonderer Weise zu widmen. Das Foto zeigt von
links: Kanzler Hans-Jürgen Simm, Astrid Fröhlich, Sabina Füllbrunn und Stefan
Eggert-Mines. Sprechstunden der Behindertenvertretung sind jeweils montags,
mittwochs und donnerstags in der Zeit von 8.00 bis 12.00 Uhr und dienstags
von 13.00 bis 15.00 Uhr im Büro L3-109, Telefon 106-4201.
29
Gesundheitswissenschaften
Fakultät für Gesundheitswissenschaften der Universität Bielefeld
bleibt Zentrum der Kinder- und Jugendgesundheitsforschung
WHO erneuert die Ernennung
zum Kooperationszentrum
(BUZ) Nach vier Jahren erfolgreicher Arbeit als internationales Zentrum für
die Erforschung der Kinder- und Jugendgesundheit und die Verbesserung
der Gesundheitsförderung hat die Fakultät für Gesundheitswissenschaften
der Universität Bielefeld von der Weltgesundheitsorganisation erneut für
vier Jahre einen Arbeitsauftrag erhalten. Die Fakultät für Gesundheitswissenschaften darf sich weiterhin als „Kooperationszentrum der Weltgesundheitsorganisation (WHO)“ bezeichnen. Leiter des Zentrums ist Professor
Klaus Hurrelmann.
Die in Fachkreisen als Auszeichnung
empfundene Ernennung zum Kooperationszentrum der Weltgesundheitsorganisation erklärt sich vor
allem durch die langjährige Erfahrung der Bielefelder Forscherinnen
und Forscher bei der systematischen
Erhebung des Gesundheitsverhaltens
von Jugendlichen. Hier hat das Team
um Klaus Hurrelmann seit 1986 Pionierarbeit geleistet und Verfahren zur
repräsentativen
Erhebung
von
Ernährungs-,
Bewegungsund
Stressbewältigungsverhalten bei 11bis 17-jährigen Jugendlichen entwickelt. Die Erhebungsinstrumente
wurden in Zusammenarbeit mit vie-
len Schulen in der Region Ostwestfalen-Lippe ausgearbeitet.
Das Kooperationszentrum der
Weltgesundheitsorganisation in Bielefeld ist nicht nur für die Erhebungen in Deutschland zuständig. Vielmehr koordiniert es auch die Auswertung und die Publikation aller
Ergebnisse in den 35 weiteren beteiligten europäischen Ländern. Dabei
besteht eine enge Zusammenarbeit
mit dem Robert Koch-Institut in Berlin, das gegenwärtig auf der Basis der
Erfahrungen der Bielefelder Wissenschaftler eine Repräsentativbefragung bei Kindern und Jugendlichen
im ganzen Bundesgebiet durchführt.
Bei der Abschlussveranstaltung des Weiterbildenden Fernstudiums Angewandte Gesundheitswissenschaften, das von der Fakultät für Gesundheitswissenschaften der Universität Bielefeld angeboten wird, sind Corinna Eimkemeier, Gabriele Frontzek und Sabine Kohl (v.l.) mit dem Preis der AOK Westfalen-Lippe für die besten Abschlussarbeiten ausgezeichnet worden.
30
Gesundheitswissenschaften
Aufbaustudiengang
Epidemiologie
in Bielefeld, Berlin
und München
(BUZ) An den Universitäten Bielefeld und München sowie an der TU
Berlin werden zum Wintersemester
2003/2004 zum dritten Mal Studienplätze im berufsbegleitenden
Aufbaustudiengang Epidemiologie
angeboten.
Die Teilnehmer werden auf Arbeitsbereiche in der epidemiologischen
Forschung in den Hochschulen, klinischen und pharmazeutischen Forschungseinrichtungen sowie in den
Gesundheitsbehörden vorbereitet.
Der Studiengang schließt mit dem
internationalen Titel „Master of
Science in Epidemiology“ ab. Bewerben können sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit akademischen Abschlüssen verschiedener
Fachrichtungen: Medizin, Zahnmedizin, Tiermedizin, Pharmazie, andere
Naturwissenschaften sowie Sozialoder Geisteswissenschaften. Teilnahmevoraussetzung ist ein Eignungstest und eine Teilnahmegebühr für
die gesamten vier Semester in Höhe
von 2556 Euro.
Bewerbungsschluss ist der 31. Mai.
Bewerbungen sind zu richten an:
Universität Bielefeld; Fakultät für
Gesundheitswissenschaften, Dr. Hiltrud Merzenich, Postfach 100131,
33501 Bielefeld.
Das Bundesministerium für Bildung und Forschung fördert das Programm, Projektträger ist das Deutsche Luft- und Raumfahrtzentrum.
Die Lehrveranstaltungen halten
namhafte deutsche Epidemiologen
sowie renommierte Lehrkräfte aus
Europa und den USA. Der viersemestrige Studiengang findet im ersten,
dritten und vierten Semester an den
jeweiligen Wunschstandorten statt.
Im zweiten Semester lernen alle Teilnehmer zentral an der Universität
Bielefeld. Ausschließlich dort ist der
Bielefelder Universitätszeitung 213/2003
Gesundheitswissenschaften
Unterricht in drei zwölftägige Blöcke
aufgeteilt, und die Unterrichtssprache ist teilweise Englisch. An der TU
Berlin und der Universität Bielefeld
besteht zudem die Möglichkeit zur
Promotion zum Dr. PH (Public
Health), an der Universität München
zum Dr. rer. biol. hum.
Informationen: Hiltrud Merzenich,
Telefon 0521/106-4266,
Internet: www.uni-bielefeld.de/gesundhw/ag2/mse.
Bielefelder Universitätszeitung 213/2003
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Zentrum für interdisziplinäre Forschung
„Weimarer Vehältnisse“ sollen sich nicht wiederholen
Weimars lange Schatten:
Weimar als Argument nach 1945
(H.B.) Unter der wissenschaftlichen Leitung der Professoren Hans Boldt,
Christoph Gusy und Andreas Wirsching fand Ende Januar im Zentrum für
interdisziplinäre Forschung (ZiF) der Universität Bielefeld eine Tagung über
„Weimars lange Schatten: Weimar als Argument nach 1945“ statt. Die
Tagung beschäftigte sich mit der Frage, wie die bundesrepublikanischen
Lösungen für Probleme im Umgang mit der Demokratie aussahen und aussehen, mit denen bereits die Weimarer Republik zu kämpfen hatte. Denn:
„Weimarer Verhältnisse“ sollen sich nicht wiederholen.
„Bonn ist nicht Weimar“. Dieser
Buchtitel des Journalisten Fritz René
Allemann aus dem Jahre 1956 prägte
die politische Diskussion der Bundesrepublik Deutschland. Je nach Zeit
und Ort besaß diese Formel aber
auch andere Stoßrichtungen. So
stand der Parlamentarische Rat 1949
unter dem Eindruck „Bonn darf nicht
Weimar sein“, und in der Debatte
um die Notstandsgesetzgebung der
1960er Jahre wurde auf das Bild
„Bonn darf nicht Weimar werden“
zurückgegriffen. Die ZiF-Tagung
beschäftigte sich mit diesen „langen
Schatten“, die Weimar auf die
Bundesrepublik warf und wirft. Sie
stellte die Frage nach den Formen
der Verarbeitung der Erfahrungen
aus Weimar in Wissenschaft, Politik
und Rechtsprechung und nach dem
Gebrauch des „Argumentes Weimar“ in diesen Bereichen zu verschiedenen Zeitpunkten. Die Auseinandersetzung mit der Geschichte der
Weimarer Republik und den Gründen ihres Scheiterns stand im Zeichen
des demokratischen Neuanfangs der
Bundesrepublik Deutschland und der
Stabilisierung der zweiten deutschen
Demokratie.
Nach einem einführenden Vortrag über die geschichtswissenschaftliche Aufarbeitung der Weimarer Republik wandten sich die Beiträge der Auseinandersetzung mit den
Lehren Weimars auf wissenschaftlichem, innenpolitischem und verfassungsrechtlichem Gebiete zu. Einen
Zentrum für interdisziplinäre Forschung (ZiF): Tagungen und Arbeitsgemeinschaften 2003
Thema
Wissenschaftliche Leitung
Termin
Rechtswissenschaft als Kulturwissenschaft
Ulrich Haltern, Berlin
Christoph Möllers, Heidelberg
4. - 5. April
Nietzsche als Schriftsteller
Rüdiger Bittner, Bielefeld
15. -17. Mai
Nationalliteraturen nach 1945:
Autonomisierung, Professionalisierung,
Internationalisierung
Ingrid Gilcher-Holtey, Bielefeld
Gisèle Sapiro, Paris
22. - 24. Mai
Models, Simulations, and the Application
of Mathematics
Ralf Herbold, Bielefeld
Johannes Lenhardt, Bielefeld
Michael Stöltzner, Bielefeld
4. - 7. Juni
Verfolgen - Vermitteln - Verklagen
Welche Verfahrensregeln verdienen
den Vorzug für die Aufarbeitung von
Beziehungsgewalt?
Stefan Barton, Bielefeld
Uwe Jürgens, Bielefeld
25. - 26. Juni
Laufmaschinen
Holk Cruse, Bielefeld
Friedrich Pfeiffer, München
3. - 4. Juli
Science and Values
Martin Carrier, Bielefeld
Don Howard, Notre Dame/Indiana
Peter Weingart, Bielefeld
9. - 12. Juli
Vertrauen und Gemeinschaftsbildung
im Internet. Optionen und Restriktionen
internetvermittelter Kooperation
Michael Baurmann, Düsseldorf
Bernd Lahno, Duisburg
Uwe Matzat, Düsseldorf
31. Juli - 2. August
Kritische Theorie und Religion
Raymond Geuss, Cambridge/UK
Margarete Kohlenbach, Sussex
22. - 24. September
ZiF-Forschungsgruppe: General Theory of Information Transfer and Combinatorics (bis 31. August 2003)
ZiF- Kooperationsgruppe: Public Healh Genetics (Wintersemester 2003 - 2004)
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Bielefelder Universitätszeitung 213/2003
Zentrum für interdisziplinäre Forschung
Leiteten die ZiF-Tagung „Weimars lange Schatten“ (v.l.): Andreas Wirsching
(Augsburg), Hans Boldt (Müllheim/Baden) und Christioph Gusy (Bielefeld).
zentralen Platz nahm der Parlamentarische Rat ein, denn dieser hatte
vor dem Hintergrund des Scheiterns
der Weimarer Reichsverfassung eine
neue demokratische Verfassung zu
erlassen, in der die Fehler vermieden
werden sollten, die letztlich zur vermeintlichen „Selbstpreisgabe“ der
Weimarer Republik geführt hatten.
Zentrale Punkte der Diskussion
waren die Parteienstaatlichkeit, der
Wahlrechtskompromiss aus Mehrheits- und Verhältniswahl einschließlich der Sperrklausel von fünf Prozent, die Stärkung der parlamentarischen Regierung sowohl dem
Staatsoberhaupt als auch dem Parlament gegenüber, die Ablehnung
direktdemokratischer Verfahren auf
Bundesebene sowie die verfassungsrechtliche Lehre von der streitbaren
Demokratie. Zur Periodisierung des
Gebrauchs des Weimar-Argumentes
erwiesen sich die Phasen Tradition,
Konstruktion und Erosion auch für
andere Themenbereiche wie die
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes
als
übertragbar.
Ergänzt und abgerundet wurden die
Beiträge zur Auseinandersetzung in
der Bundesrepublik Deutschland
durch einen französischen Vortrag
über die Rezeption der Weimarer
Republik in Frankreich im Kontext
der Verfassunggebung der V. Republik, deren Verfassung zahlreiche
Übereinstimmungen mit der Weimarer Reichsverfassung aufweist.
Bielefelder Universitätszeitung 213/2003
Ökologie
Landnutzung und
Natur im Pamir
(BUZ) Im Zentrum für interdisziplinäre Forschung (ZiF) der Universität
Bielefeld fand im Januar unter der
Leitung des Bielefelder Ökologen
Siegmar-Walter
Breckle
eine
Tagung zur „Natur und Landnutzung im Pamir“ statt.
Eine interdisziplinär zusammengesetzte Teilnehmerschaft von Zentral-
asien-Experten hatten es sich zur
Aufgabe gemacht, ein aktuelles und
neues
Bild
der
natürlichen
Ressourcen und der heutigen sozioökonomischen Bedingungen dieses
Gebirgsraums zusammenzutragen,
um daraus Forschungsgrundlagen
und
wissenschaftlich
fundierte
zukünftige Entwicklungszusammenarbeit ableiten zu können. Denn:
„Wie der Erhalt der Biodiversität, der
Naturschutz und eine nachhaltige
Landnutzung im Pamirgebirge in
Einklang zu bringen sind, ist eine der
wichtigsten Fragen für den gesamten zentralasiatischen Raum“, sagte
Tagungsleiter Siegmar-Walter Brekkle, der sich längere Zeit im Pamir
aufhielt. Die Situation dort stellt sich
folgendermaßen dar:
Der Pamir ist als Gebirgslandschaft einmalig. Die geologischen
Verhältnisse sind äußerst komplex.
Aber genau wie der Pamir, das Dach
der Welt, eine geologische Nahtstelle, wie ein Knoten, zu den Nachbargebirgen ist, stellt er auch in biogeographischer Hinsicht eine wichtige
Schnittstelle zwischen mehreren biogeographischen Regionen dar. Darüber hinaus war er in der langen
Historie Zentralasiens einerseits –
wie für Marco Polo – Durchgangsandererseits Rückzugsgebiet für verschiedene Völkerschaften. In den
verschiedenen Tälern des Pamir
An der Tagung „Natur und Landnutzung im Pamir“ nahm auch Dr. Polina Agachanjanz (r.) aus St. Petersburg teil, die Enkeltochter des unlängst gestorbenen
Pamir-Experten Okmir E. Agachanjanz, mit dem der Bielefelder Ökologe Siegmar-Walter Breckle (l.) über lange Jahre zusammengearbeitet hat.
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Zentrum für interdisziplinäre Forschung
wohnen sehr unterschiedliche Volksgruppen, sie sprechen teilweise auch
sehr unterschiedliche Sprachen.
Das derzeit größte Problem für
die Bevölkerung ist die Verfügbarkeit
von Brennmaterial, zum Kochen und
zum Heizen in den sehr kalten Wintermonaten. Hierfür werden im
Westpamir die letzten Reste der
Auwälder am Fuße der Täler abgeholzt. Diese unterstehen eigentlich
den staatlichen Forstbetrieben, die
die Wälder jedoch nicht vor diesem
starken Holzbedarf schützen können
und über keinerlei Mittel zur Auffor-
stung verfügen. Im Ostpamir dagegen wird ein Halbstrauch als wichtigste Dominanzpflanze gerodet, die
mit ihrem starken Wurzelwerk überaus wichtig für die Erosionsbekämpfung, aber zugleich auch die wich-
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tigste Weidepflanze in dieser Hochgebirgswüste ist. „Wenn hier nicht
bald eine alternative Energiequelle
gefunden wird, wird es zu massiver
Bodenerosion und einem damit einhergehenden dramatischen Verlust
der Lebensgrundlagen für Mensch
und Vieh sowie an Biodiversität führen“, sagt Siegmar-Walter Breckle
voraus.
Zwei Drittel der Fläche des
Pamir (2,6 Mio. Hektar, das sind 18
Prozent der Landfläche Tadschikistans) sind laut Regierungsdekret
von 1992 als Nationalpark ausgewiesen, der laut tadschikischer
Gesetzgebung in ausgewiesenen
Zonen auch eine nachhaltige Nutzung der Naturressourcen zulässt.
Breckle wies allerdings darauf hin,
dass dieser Nationalpark „derzeit
nur auf dem Papier existiert – die
Umsetzung trifft auf strukturelle
Schwierigkeiten, aber auch mangelnde Erfahrung der einheimischen
Experten in Fragen des Schutzgebietsmanagements und der Zonierung von Schutzgebieten sowie der
Zusammenarbeit mit der lokalen
Bevölkerung. Bei Entwicklung einer
entsprechenden Infrastruktur könnte der Nationalpark die Aufrechterhaltung der einzigartigen Hochgebirgslandschaften und die nachhaltige Erhaltung der Biodiversität der
ganzen Makroregion Pamir gewährleisten.“
Forschungen auf dem Pamir
im Jahr der Schlange
Der Wind, der
heißt Afghane
(BUZ) Ein erstes gedrucktes Exemplar seines Buches „Der Wind, der
heißt Afghane“ hat Okmir E. Agachanjanz Mitte Oktober vergangenen
Jahres noch in den Händen gehalten. Am 28. Oktober ist Agachanjanz, der wohl beste Kenner des
Pamir, in Minsk gestorben. Er hatte
sich fest vorgenommen, im Januar
2003 an der von Siegmar-Walter
Breckle im Zentrum für interdisziplinäre Forschung der Universität Bielefeld geleiteten Tagung „Natur und
Landnutzung im Pamir“ teilzunehmen. Dazu ist es zum Bedauern der
Tagungsteilnehmer aus aller Welt
nicht mehr gekommen.
Okmir Agachanjanz hat 20 Jahre seines Lebens im Pamir mit der Erforschung der Vegetation und ihren
Nutzungsmöglichkeiten dort verbracht. Ein Ausschnitt seiner Arbeit
unter den speziellen Bedingungen
sowjetischer Planwirtschaft wird in
seinem Buch wiedergegeben. Okmir
Agachanjanz begann seine wissenschaftlichen Forschungen 1946 auf
der Taimyr-Halbinsel. Er hat fast alle
Gebirge der ehemaligen Sowjetunion im Rahmen von zahlreichen
Expeditionen besucht. Seine Forschungen umfassen biogeographische und ökologische Untersuchungen der Hochgebirge. „Der Wind,
der heißt Afghane“ ist ein spannendes Sachbuch, das zugleich ein Zeitdokument ist. Auch wenn sich die
botanischen Forschungen und vegetationskundlichen Untersuchungen
wie ein roter Faden durch das Buch
ziehen, so sind sie doch nur der
Hintergrund vor dem sich die von
ihm geschilderten mannigfaltigen
Erlebnisse im Unglücksjahr der
Schlange abspielen.
Okmir Agachanjanz plaudert
über seine Episoden mit Humor, klar
und plastisch. Er charakterisiert seine
Gesprächspartner sehr treffend und
verknüpft all dies in origineller
Bielefelder Universitätszeitung 213/2003
Frauenforschung
Weise, um den Leser an den Freuden
und Leiden des Expeditionslebens
teilhaben zu lassen. Dabei bringt er
dem Leser auch die typische Umwelt
der abgeschiedenen, aber umso
gastfreundlicheren Bergbewohner
des Pamir nahe.
Heute, da Tadshikistan sich
anschickt, wieder Anschluss an die
Weltgemeinschaft zu finden, und
wo bereits jetzt wieder erster Tourismus möglich ist, stellt dieses Buch
ein hervorragendes Beispiel zur thematischen Einführung in das Land
am Pamir dar. Schon bald werden
wieder größerer Bergsteigertouren
im Pamir organisiert werden können. Der große Pamir-Nationalpark
ist ausgerufen zum Schutze dieser
großartigen Bergwelt, seiner Flora
und Fauna. Er soll zudem in Zukunft
eine große Attraktion für Touristen
werden. Die Dörfer und Talschaften
sollen durch Entwicklungsprojekte
unterstützt werden. Zu all diesem ist
eine gründliche Vorbereitung, eine
Einführung in die Geschehnisse vor
Ort unabdingbar, auch hierfür ist
„Der Wind, der heißt Afghane“ eine
unentbehrliche Grundlage. Das Buch
ist jetzt herausgekommen beim Shaker-Verlag in Aachen. Es wurde redaktionell bearbeitet von Professor
Siegmar-Walter Breckle und Uta
Breckle. Die Schlussredaktion erfolgte durch Mathias Wennemann.
Professor Agachanjanz war
1992 für sechs Monate DFG-Gastprofessor an der Abteilung Ökologie
Bielefelder Universitätszeitung 213/2003
der Universität Bielefeld. Er arbeitete
seit dieser Zeit eng mit Breckle
zusammen und hat unter anderem
auch die 2. Auflage des Bandes 3 der
„Ökologie der Erde“ zusammen mit
Breckle verfasst. Seine Ratschläge
haben die im Sommer von der Abteilung Ökologie durchgeführte und
von der Deutschen Gesellschaft für
Technische Zusammenarbeit (GTZ)
mitfinanzierte
Pamir-Expedition
begleitet, bei der neben GTZ-Mitarbeitern auch fortgeschrittene Studenten der Universität Bielefeld,
aber auch Teilnehmer aus Bonn und
Greifswald
sowie
tadshikische
Begleiter mitfahren konnten.
Über die Pamir-Expedition
haben ARTE, der Bayerische Rundfunk und das ZDF ausführlich in
Filmbeiträgen berichtet.
Tagung am 8. und 9. Mai im Jugendgästehaus
Zwanzig Jahre Interdisziplinäres
Frauenforschungs-Zentrum (IFF)
(IFF) Zwanzig Jahre sind eine lange Zeit. Bezogen auf das Interdisziplinäre
Frauenforschungs-Zentrum (IFF) der Universität Bielefeld ist diese Zeit wie
im Fluge vergangen. Nach Ansicht der Geschäftsführenden Leiterin, Prof. Dr.
Ursula Müller, weist diese Zentrale Einrichtung der Universität Bielefeld Reife-, aber keine Alterungszeichen auf. Dies sei dem Umstand zu danken, dass
das IFF im Laufe seiner wechselvollen Geschichte nicht nur auf Wandel reagiert, sondern diesen aktiv gestaltet und herbeigeführt habe.
Ob es die Weiterentwicklung von
Frauenförderung über Gleichstellungspolitik hin zum Gender Mainstreaming und Gender Budgeting ist
oder die Entwicklung einer frauenspezifischen Beratung für Karriere
und dauerhaften Verankerung auf
dem wissenschaftlichen Arbeitsmarkt, die Eröffnung neuer Felder für
Grundlagenforschung wie zum Beispiel die Initiierung der ersten Kooperationen von Frauenforschung und
Forschungen zur Männlichkeit, die
Entwicklung erster Online-Lehrkooperationen zur Genderforschung, die
kontinuierliche Erforschung zunächst
tabuisierter Themen wie gleichgeschlechtliche Lebensweisen oder
Gewalt im Geschlechterverhältnis:
stets hat das IFF eine Pionierrolle
übernommen und wegweisend
gewirkt.
Auch das beste Modell ist jedoch
nie so gut, dass es sich selbstzufrieden immer weiter fortschreiben sollte. Daher verfolgt das IFF mit einer
großen Tagung, die es aus Anlass des
20jährigen Bestehens am 8. und 9.
Mai dieses Jahres im Jugendgästehaus Bielefeld ausrichtet, mehrere
Absichten: das Erreichte zu feiern,
nicht ohne es zugleich auch kritisch
zu reflektieren, Weiterentwicklungen
für die Zukunft zu skizzieren und sich
beim großen Kreis derjenigen innerund außerhalb der Universität, der
Stadt und Region, aus dem In- und
Ausland zu bedanken, die das IFF bis
hierhin begleitet haben und vorhaben, das auch weiterhin zu tun.
Das Programm der Tagung
„Wechselwirkungen, Risiken und
Nebenwirkungen.
Frauenund
Geschlechterforschung im Kontext
von Disziplinen und Netzwerken“
lässt diese Vielfalt erkennen. Die
Tagung widmet sich drei großen Fragekomplexen, die für die meisten
Einrichtungen und Lehrstühle der
deutschsprachigen Frauen- und
Geschlechterforschung von großer
Aktualität sind. Es wird zunächst um
die wechselseitige Beeinflussung von
Frauen- und Geschlechterforschung
und den jeweiligen „main-stream“ in
einigen relevanten Wissenschaften
gehen. Dann soll anhand einiger Beiträge geprüft werden, welche Prämissen und Folgen die Forderung
nach Interdisziplinarität für die Frauen- und Geschlechterforschung hatte
und welche Entwicklungen sich
35
Frauenforschung
abzeichnen. Schließlich wird es um
Vernetzung als Brücke zwischen
Konkurrenz und Solidarität gehen.
Diese Mischung aus grundlagenorientierter Forschungsdiskussion
und forschungspolitischen Debatten
mit renommierten Vertreterinnen der
Frauen- und Geschlechterforschung
wird abgerundet durch einen Festakt, der – eingeleitet durch einen
Vortrag von Prof. Dr. Hildegard
Maria Nickel von der Humboldt-Universität Berlin – Kultur im Sinne vielfältiger leiblicher Genüsse bereithält.
Nähere Informationen sowie
Anmeldung unter anina.mischau@
uni-bielefeld.de .
Ausstellung zum Thema Gewalt
gegen Frauen und Mädchen
Phrase bleiben, männliche Gewalt,
die irgendwo dort passiert“, sagt
Uschi Baaken, Gleichstellungsbeauftragte der Universität Bielefeld.
Denn Gewalt sei keine Ausnahme
oder Seltenheit, sondern könne
überall und jeder oder jedem passieren. Die Ausstellung solle Opfern
auch zeigen, dass es Möglichkeiten
und Wege gibt, die Problematik aufzuarbeiten.
Die Ausstellung wird am 13.
März um 10 Uhr von Rektor Dieter
Timmermann, Uschi Baaken und
vom Frauennotruf eröffnet. Sie ist
bis zum 2. April in der Bibliothek im
Ausstellungsbereich C1 zu besichtigen. Mit Beiträgen von: Annelie
Buntenbach, Arminia Bielefeld,
Uschi Baaken, Susann Fegter, Jutta
Grau, Gitta Schmidt, Ilse Buddemeier, Eberhard David, Bettina
Dornberg, Angelika Gemkow, Helga
Gießelmann, Britta Hasselmann,
Roland Engels, Nicole Erda-Baum,
Frauennotruf Bielefeld e.V., Frauenprojekteplenum – Vertreterinnen der
Frauen- und Mädchenprojekte in
Bielefeld, Michaela Huber, Uwe Jürgens, Prof. Dr. Stephan Barton, Kornelia Kotte, Egidio Marzona, Sandra
Meurer, Cemalettin Özer, Ulugbek
Salimov, Özer Nihat, Polizeipräsidium Bielefeld, Dr. med. Luise Reddemann, Heidi Saarmann, Bianca
Shomburg, Sevinc Sunar, Telefonseelsorge Bielefeld, Universität Bielefeld, Exponat bearbeitet von Susanne Albrecht, Michael Vesper und
Rainer Wend.
„Bielefeld
setzt Zeichen“
(BUZ) Der Frauennotruf Bielefeld
e.V hat anlässlich seines 20-jährigen Jubiläums eine Ausstellung
konzipiert, die kürzlich in der Bürgerberatung der Stadt Bielefeld zu
besichtigen war und die ab dem
13. März in der Bibliothek der Universität Bielefeld zu sehen sein
wird.
Die Ausstellung „Bielefeld setzt Zeichen“ zeigt Assoziationen von etwa
dreißig Persönlichkeiten aus Bielefeld zum Thema „Sexualisierte
Gewalt an Frauen und Mädchen“.
Diese beziehen öffentlich Stellung zu
dem Thema und sagen „Nein“ zu
Gewalt an Frauen und Mädchen.
Die Exponenten setzten Zeichen
gegen sexualisierte Gewalt und wollen Menschen, die Gewalterfahrungen machen mussten, ermutigen.
Ziel der Ausstellung ist es, möglichst
viele Menschen auf die verschiedenen Formen von sexualisierter – versteckter und offensichtlicher –
Gewalt aufmerkam zu machen und
sie mit Hilfe von Symbolen und Zeichen zum genauen Hinschauen aufzufordern und zu sensibilisieren.
„Gewalt an Frauen und Mädchen
darf nicht länger eine anonyme
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Das Tempus-Tacis-Projekt „Geschlechterstudien als Bestandteil soziologischer Lehre“, ein Gemeinschaftsprojekt der Universitäten Bielefeld, Wien und
der Staatsuniversität St. Petersburg, hat seine ersten Arbeitsschritte getan.
Ende Januar trafen sich der Dekan der Soziologischen Fakultät in St. Petersburg, Professor Nikolay G. Skvortzov, die Petersburger Koordinatorin Dr. Valentina Ushakowa und die Gesamtkoordinatorin, Professorin Ursula Müller,
um die nächsten Arbeitsschritte zu konkretisieren. Dabei betonte Skvortzov
die hohe Bedeutung, die die Petersburger Fakultät diesem Projekt für die Entwicklung eines MA-Studienganges „Gender Studies“ beimisst. Ursula Müller
sieht in dem Projekt ebenfalls einen wichtigen Impuls für innovative curriculare Weiterentwicklungen in Bielefeld. Die erste russische Gaststudentin ist
bereits am Interdisziplinären Frauenforschungs-Zentrum eingetroffen. Im
März werden weitere Studierende sowie drei Lehrende aus St. Petersburg
erwartet. Im Gegenzug reisen drei Bielefelder Wissenschaftlerinnen sowie
eine Kollegin aus Wien nach St. Petersburg.
Bielefelder Universitätszeitung 213/2003
Frauenforschung
Arbeitskreis gegründet
Geschlechterbezogene
Gewaltforschung
(IFF/BUZ) Wie in einer der letzten
Ausgaben der „Bielefelder Universitätszeitung“ berichtet, arbeiten Professorin Ursula Müller und Dr.
Monika Schröttle vom Interdisziplinären
Frauenforschungs-Zentrum
(IFF) der Universität Bielefeld an der
ersten international vergleichbaren
Prävalenzstudie zur Gewalt gegen
Frauen in Deutschland. Parallel dazu
hat das auftraggebende Bundesministerium für Familie, Senioren,
Frauen und Jugend eine Pilotstudie
zu Gewalterfahrungen von Männern
in Auftrag gegeben, die in Kooperation mit Dr. Hans-Joachim Lenz, Dr.
Ralf Puchert und dem Bielefelder
Meinungsforschungsinstitut Soko
durchgeführt wird.
Während somit das Thema „Gewalt
und Geschlecht“ Forschungskontur
gewinnt und bisher tabuisierte
Gewalterfahrungen öffentlich thematisierbar werden, sind zugleich
besorgniserregende Tendenzen zu
beobachten, die Thematik verzerrt
darzustellen und über falsche
Behauptungen zu sensationalisieren.
Vor diesem Hintergrund hat sich auf
Einladung des IFF eine Gruppe von
Expertinnen und Experten der
geschlechterbezogenen Gewaltforschung und aus der Interventionsund Präventionsarbeit zu einem eintägigen Workshop getroffen, der
aktuelle Positionen aus der frauenund der männerorientierten Gewaltforschung diskutierte und die Gründung eines Arbeitskreises „Geschlechterbezogene
Gewaltforschung“ beschloss. Referate hierzu
hielten Dr. Monika Schröttle, die Professorinnen Carol Hagemann-White,
Barbara Kavemann und Dr. HansJoachim Lenz. An der von Ursula
Müller anschließend moderierten
Diskussion waren u.a. beteiligt: Alexander Bentheim (switchboard,
Hamburg), Gerhard Haffner (mannege e.V.), Dirk Bange (Hamburger
Senatsverwaltung), Prof. Dr. Cornelia
Helfferich (Freiburg), Dr. Ralf Puchert
Bielefelder Universitätszeitung 213/2003
(dissens e.V., Berlin) und Dr. Birgit
Schweikert vom Bundesfamilienministerium. Der Arbeitskreis plant als
nächsten Schritt die Herausgabe
eines Readers zur geschlechterbezogenen Gewaltforschung. Nähere
Informationen über iff@uni-bielefeld.de.
Dr. Aisha Kahil El-Karib, Direktorin des ‚Gender Research Center’ in Khartum,
Sudan, hielt sich zu Beginn des Wintersemesters 2002/2003 im Interdisziplinären Frauenforschungs-Zentrum (IFF) der Universität Bielefeld auf, um sich
über die Aufgaben des IFF zu informieren und von ihrer Arbeit im Sudan zu
berichten. Aisha Kahil El-Karib, Multiplikatorin im Bereich der von der Regierung unabhängigen Frauenbewegung im Sudan, wird großer Einfluss in Aktivitäten zur Neubestimmung der Rolle der Frau für die Modernisierung der
sudanesischen Gesellschaft beigemessen. Mit ihrem Besuch in Deutschland
will sie Unterstützung für die Entwicklung der Rechte der Frau in einem als
besonders rigide geltenden islamisch-fundamentalistischen System mobilisieren. Das Foto zeigt (v.l.) Dr. Anina Mischau, Aisha Kahil El-Karib, Dr. Monika Schröttle, Anne Reckmeyer, Ulla Reißland, Dr. Birgitta Wrede, Christina
Rautenstrauch und Hanadi Mohamed.
Interdisziplinäres Frauenforschungs-Zentrum
Arbeitszeit – Familienzeit – Lebenszeit:
Verlieren wir die Balance?
(IFF/BUZ) Arbeiten ohne Ende, Burn-out, keine Zeit mehr für Familie und
Gemeinschaft: sieht so die „schöne neue Arbeitswelt“ aus? Oder bietet die
Flexibilisierung von Arbeitszeit und Beschäftigungsverhältnissen die Chance einer neuen Balance von Arbeit und Leben? Wie tragfähig sind betriebliche Konzepte zur Work-Life-Balance, schaffen sie wirklich eine bessere
Balance von Arbeit und Leben, gewinnen Familien dadurch mehr Zeit oder
geraten die Beschäftigten nur in neue Zeitfallen? Wie sind solche Konzepte
aus der Perspektive der Frauen- und Geschlechterforschung zu beurteilen?
Über diese und andere Fragen diskutieren Experten aus Wissenschaft,
Wirtschaft und Politik in der von
Professorin Mechtild Oechsle und
Dr. Anina Mischau organisierten
Ringvorlesung des Interdisziplinären
Frauenforschungs-Zentrums
zum
Thema „Arbeitszeit – Familienzeit –
Lebenszeit: Verlieren wir die Balan-
ce?“. Auf dem Programm stehen
zunächst folgende Vorträge, die
jeweils um 16.00 Uhr im Raum U2147 der Universität stattfinden.
23. April, Kerstin Jürgens, Hannover:
Arbeitszeitflexibilisierung.
Marktanpassung oder neue Balance
von Arbeit und Leben?
37
Frauenforschung
7. Mai, Karin Jurczyk, DJI München: Entgrenzte Erwerbsarbeit –
entgrenzte Familie?
14. Mai, Helga Zeiher, Berlin:
Neue Zeiten – neue Kinder? Wandel
gesellschaftlicher Zeitbedingungen
und Folgen für die Kinder.
Als weitere Vorträge werden zu
hören sein:
Norbert F. Schneider, Universität Mainz: Leben an zwei Orten.
Die Folgen beruflicher Mobilität für
Familie und Partnerschaft.
Annette Henninger, Bremen:
Der Arbeitskraftunternehmer und
seine Frau(en). Kritische Anmerkungen zu einem Konzept.
Gisela Erler, Familienservice
Berlin: Work-Life-Balance – stille
Revolution oder Etikettenschwindel?
Ulrich Mückenberger, Hamburg: Zeitwohlstand als gesellschaftliche Gestaltungsaufgabe.
Virtual International Gender
Studies (VINGS)
Neue VINGS-Kurse
(VINGS/BUZ) Das Pilotprojekt „Virtual International Gender Studies“
im Förderprogramm „Neue Medien
in Bildung und Ausbildung“, ein
gemeinsames Vorhaben der Universitäten Bielefeld, Bochum, Hannover sowie der Fernuniversität
Hagen, lädt im kommenden Sommersemester wieder zu einer Reihe
von Seminaren für Studierende in
der Hauptstudiumsphase ein.
Die Seminare können
„online“ besucht werden, also unabhängig
von Zeit und Ort.
Erworbene Studienleistungen (in der Regel
über aktive Teilnahme
und schriftliche Hausarbeit) werden in den
jeweiligen
Studiengängen
anerkannt.
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Diesmal sind wieder zwei Angebote
aus Bielefeld dabei, und zwar ein
Seminar von Prof. Dr. Joanna PfaffCzarnecka (Bild unten rechts, Fakultät für Soziologie) im Rahmen des
Moduls „Recht, Kontrakt, Geschlecht: Globale Dynamiken und
lokale Aushandlungen“, sowie ein
Seminar von Prof. Dr. Ursula Müller
(Bild unten links, Fakultät für Soziologie) zum Thema „Profession, Organisation, Geschlecht“ im Rahmen
des Moduls „Sozialgeschichte und
Zukunft geschlechtlicher Arbeitsteilung“. An diesem Modul sind ferner
beteiligt Prof. Dr. Karin Hausen (FU
Berlin), Prof. Dr. Gudrun-Axeli Knapp
und Dr. Kerstin Jürgens (Universität
Hannover) sowie Dr. Jutta Schwarzkopf (Hamburg).
Über diese beiden Kurse geben
die Veranstalterinnen Auskunft
sowie die web-Adresse www.
vings.de. Hier finden sich auch Informationen und Teilnahmevoraussetzungen für die Seminare, die im
kommenden Semester von den
anderen beteiligten Hochschulen
aus angeboten werden und ebenfalls von Bielefelder Studierenden
online besucht werden können. Die
Teilnahme an allen Veranstaltungen
ist für Studierende der beteiligten
Hochschulen kostenlos. Allerdings
müssen sie sich schriftlich bei der
Fernuniversität Hagen als Gasthörer
anmelden,
um
eine
Zugangsberechtigung zum VINGS-Server zu erhalten. Formulare hierfür
gibt es bei den Veranstalterinnen
oder unter www.vings.de. Einige
Veranstaltungen lassen nur begrenzte Teilnehmerzahlen zu. In allen
Zweifelsfällen helfen auch iff@unibielefeld.de sowie andrea.caio@unibielefeld.de weiter.
Gespräch zwischen
Stadt und Rektorat
Begrüßungsgeld nach
Osnabrücker Vorbild?
(BUZ) Als äußerst konstruktiv werteten das Rektorat der Universität Bielefeld und der städtische Verwaltungsvorstand
ihr
letztes
Zusammentreffen vom 14. Januar im
Alten Rathaus. Im Verlauf des
Gesprächs wurde besonders die
geplante Einführung einer Zweitwohnungssteuer zum 1. April diskutiert, von der auch Studierende
betroffen sind.
Durch die Steuer sollen die bisher
nicht oder per Zweitwohnsitz gemeldeten Einwohner motiviert werden,
ihren Erstwohnsitz in Bielefeld anzumelden, weil der Stadt dann höhere
Landesmittel zugewiesen werden.
Von Seiten der Universität wurde
dazu vorgeschlagen, dem möglichen
Abschreckungseffekt für Studierende durch Anreize zu begegnen.
Denkbar wären neben einem Begrüßungsgeld nach Osnabrücker Vorbild auch nicht-monetäre Vergünstigungen.
Als weiterer Punkt kam das Thema „Bielefeld als Hochschulstandort“ zur Sprache, insbesondere im
Hinblick auf eine noch bessere Integration der Universität in die Stadt.
In diesem Zusammenhang wurden
auch künftige gemeinsame Veranstaltungen und öffentlichkeitswirksame Aktivitäten angesprochen.
Dabei soll die zentrale Rolle von Wissenschaft für die Gesellschaft und
der Stellenwert der Universität für
Stadt und Region (auch im internationalen Kontext) deutlich werden.
Die Delegation der Universität unter
Leitung von Rektor Dieter Timmermann wurde vom Ersten Beigeordneten Rainer Ludwig empfangen.
Dieser hatte wegen einer Erkrankung des Oberbürgermeisters die
Gesprächsführung für die Stadt
übernommen. Beide Seiten waren
sich einig, ihre regelmäßigen Kontakte in intensiver Form fortzusetzen.
Bielefelder Universitätszeitung 213/2003
Studierende
Studentenwerk zur
Zweitwohnsitzsteuer
(BUZ) Das Studentenwerk Bielefeld
empfiehlt im Falle einer Zweitwohnsitzsteuer Studierenden, sich in Bielefeld mit erstem Wohnsitz anzumelden. Um Nachteile auszuschließen,
rät das Studentenwerk zu prüfen, ob
ein Anspruch auf Ermäßigung von
Rundfunkgebühren besteht, und
einen entsprechenden Antrag ans
Sozialamt zu stellen. Außerdem sollte
den privaten Risikoversicherungen
(Haftpflicht, Unfall) der Wohnsitzwechsel gemeldet werden, besonders wenn die Studierenden über
die Familie am Familienwohnsitz mitversichert sind. Diese Empfehlungen
wird das Studentenwerk den Studierenden in Wohnungen des Studentenwerks schriftlich mitteilen.
Diejenigen, die sich in die neuen Bachelor- und Masterstudiengänge an der Universität Bielefeld eingeschrieben haben und die sich zuvor in einer Informationsveranstaltung über die neuen Studiengänge aufklären ließen (Foto), brauchen
nichts zu befürchten: die Bachelor-Abschlüsse werden auch in Großbritannien
anerkannt.
Hochschulrektorenkonferenz
Studieren ab 50
Neue Sprecher
(BUZ) Die Vollversammlung von
„Studieren ab 50“ an der Universität Bielefeld hat eine neue studentische Interessenvertretung für die
Dauer von zwei Jahren gewählt.
Der neu gewählten Vertretung
gehören an: Günter Bottemöller
(Bielefeld), Siegfried Brauner (Borgholzhausen), Karl Irmer, Heinz-Dieter Kirse, Ursula Krieger (alle Bielefeld),
Wilhelm
Krümpelmann
(Gütersloh), Ursula Landwehr (Bielefeld), Peter Niehus (Gütersloh),
Gisela Niemeier (Herford), Ingeborg
Weber (Bielefeld).
Zu Sprechern der studentischen
Interessenvertretung wurden gewählt: Karl Irmer und Heinz-Dieter
Kirse. Stellvertretende Sprecherin ist
Ursula Landwehr, stellvertretender
Sprecher Peter Niehus.
Die Sprecher haben der Universität in der Vollversammlung gedankt
für das ausgezeichnete Angebot für
Erwachsene im mittleren und höheren Lebensalter, das sich an die Bevölkerung der ganzen Region wende.
Die gute Resonanz sei aus den hohen
Gasthörerzahlen der Gruppe, zur Zeit
knapp 700, ablesbar.
Bielefelder Universitätszeitung 213/2003
Viel Lärm um Nichts: Britische
Hochschulen erkennen
deutsche Bachelors sehr wohl an
(HRK) Die in einer Reihe deutscher Zeitungen kolportierte Behauptung,
deutsche Bachelor-Abschlüsse würden in Großbritannien generell nicht
anerkannt, ist falsch. Das ergaben Recherchen der Hochschulrektorenkonferenz (HRK).
In einer gemeinsamen Erklärung
haben sich die vier maßgeblichen britischen Organisationen (unter ihnen
die britische Rektorenkonferenz und
die für akademische Anerkennungsfragen zuständige Behörde NARIC)
am 29. Januar ausdrücklich zu den
Zielen des Bologna-Prozesses bekannt. Dabei betonen sie besonders
die Bedeutung steigender Mobilität
der Studierenden. Aus dem Text geht
hervor, dass sich Inhaber von Bachelor-Abschlüssen deutscher Hochschulen wie auch von Hochschulen
aller Teilnahmeländer des BolognaProzesses um die Zulassung zu
Masterprogrammen an britischen
Hochschulen bewerben können.
„Hier wurde von einigen deutschen Kommentatoren begierig die
Gelegenheit ergriffen, die Internationalisierung der deutschen Hochschulen in Verruf zu bringen, ohne
den Sachverhalt ausreichend zu
recherchieren“, kommentierte der
Präsident der Hochschulrektorenkonferenz den Vorgang. Von britischer Seite werde der deutsche
Bachelor keinesfalls als minderwertig
gegenüber dem anderer BolognaLänder betrachtet. Ebenso wie bei
den Inhabern von britischen Bachelor-Abschlüssen bestehe aber kein
Anspruch auf Zulassung zu Masterprogrammen in Großbritannien, vielmehr handele es sich um eine Einzelfallentscheidung der Hochschule
oder des Fachbereichs. Für die richtige Einschätzung der Qualifikation
der Bewerber betont die Erklärung
der vier Organisationen die Bedeutung des Diploma Supplements, das
von HRK und Kultusministerkonferenz seit langem gefordert wird.
Die gemeinsame Erklärung der
Hochschulvereinigung Universities
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Studierende
UK, der Anerkennungsbehörde
NARIC, dem Quality Assurance
Agency for Higher Education QAA
und dem Standing Committee of
Prinicpals SCOP ist auf der Homepage der QAA unter folgender Adresse
zu finden: www.qaa.ac.uk.
Unabhängig von dieser Erklärung arbeiten die zuständigen deutschen und britischen Stellen an einer
Aktualisierung der bilateralen Äquivalenzempfehlungen unter Berücksichtigung der Bologna-Entwicklungen.
Das Wort der Stunde heißt Plagiat
Fälschungen – und kein Ende?
In den letzten Jahren wurde die Wissenschaft im In- und Ausland von einigen Skandalen heimgesucht, in denen schamlose Fälschungen von Statistiken und experimentellen Befunden aufgedeckt wurden. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft, die einen erheblichen Teil der universitären Forschung finanziert, verpflichtete die Universitäten daraufhin, sich einen
ethischen Kodex zu geben, der alle Forscher auf die genaue Dokumentation
ihrer Quellen festlegt und ein scharfes Vorgehen gegen Missbrauch vorsieht. So hat die Universität Bielefeld „Grundsätze zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis“ beschlossen, die sich im Internet unter: www.unibielefeld.de/Universitaet/Einrichtungen/Pressestelle/dokumente/grundsaetze.html finden.
Nun ereilt die Universitäten eine neue
Welle Fälschung und Betrug – nicht
durch die Forscher, sondern durch die
Studierenden. Plagiat heißt das Wort
der Stunde: geistiges Diebesgut,
irgendwo gestohlen und in die eigenen Texte – Referate, Hausarbeiten,
Versuchsprotokolle, Diplom- und
Magisterarbeiten, Dissertationen –
hineingeschmuggelt. Während in der
seriösen Variante das fleißige Zitieren
mit dem langen Literaturverzeichnis
als Ausweis der Belesenheit und
Kompetenz gilt, verweist die Schummelvariante auf kriminelle Energie:
Aneignung fremden geistigen Eigentums und Vortäuschung eigener Leistungen. Punktuelle Untersuchungen, durchgeführt von Professoren
an verschiedenen Universitäten,
kommen zu ähnlichen Ergebnissen:
Ein Viertel bis Drittel aller dafür geeigneten Texte enthalten Plagiate. In
den USA wurden sogar Alarmzahlen
von über 80 Prozent gemeldet.
Was ist der Grund? Ein wenig
Schummeln gehörte schon immer
zum Spiel. Neu ins Spiel gekommen
ist die Wirklichkeit der Informationsund
Wissensgesellschaft.
Der
moderne Mensch, insbesondere der
jüngere, der der Informations- und
Kommunikationstechnologie kundig
40
ist, ist umgeben von unzähligen,
miteinander verknüpften Texten zu
jedem beliebigen Thema, die alle
danach schreien: lade mich herunter
und nimm mich. Der Autor ist kaum
sichtbar, kein Verlag verlangt einen
Preis, die gewundenen URLs sind so
vergänglich wie Blüten. Copy/paste,
und ich bin dein. Wenn dies denn
Diebstahl ist, dann hätte man auch
den Straftatbestand der ,Verleitung
zum Diebstahl‘ zu verfolgen. Interviews mit ertappten Plagiatoren zeigen
ein
wenig
entwickeltes
Unrechtsbewusstsein. Man versteht
nicht, dass die Freigebigkeit des
Internets durch mühevolle Zitierarbeit eingeschränkt werden soll.
Aber Betrug ist es trotzdem. In
jeder akademischen Prüfungsarbeit
geht es um den Beleg der Fähigkeit
des Autors, das Thema selbständig
durchdacht und dargestellt zu haben.
Dazu gehört nach wie vor die Kennzeichnung übernommener Textstellen und die Quellenangabe. Wenn
auf das Woher des Wissens nur noch
lapidar geantwortet wird: „alles aus
dem Internet“, dieser „open source“
des Informationszeitalters, die umso
stärker anschwillt, desto mehr ihr
entnommen wird, dann kann zwischen eigener und fremder Leistung
nicht mehr unterschieden werden.
Es kommt ein noch gewichtigeres Argument hinzu: Internettexte
sind von unbekannter Qualität und
Verlässlichkeit. Die Suchmaschinen
tappen blind vom Artikel mit wissenschaftlicher Qualität zum Sensationsbericht im BILDformat, zur Selbsterfahrung einer Laiengruppe und zur
verdrehten Darstellung eines Ideologen. Akademische Ausbildung ist
aber daran gebunden, Standards der
Verlässlichkeit und Überprüfbarkeit
einzuüben. Das geht nur, wenn Kritik
gegenüber den Quellen geschult
wird. Schließlich ist überhaupt nicht
zu akzeptieren, wenn zu bestimmten
Themen – etwa in der Literaturwissenschaft oder Geschichtswissenschaft – aus einem reichen Repertoire
von Texten, die über spezielle URLs
erreichbar sind, Komplettplagiate
abgeliefert werden. Die eigene Leistung – mindestens die geistige –
geht dann auf Null. Dies kann allerdings nur unentdeckt bleiben, wenn
eine intensive Besprechung der
Arbeit unterbleibt (was ja an unserer
Universität nie vorkommt).
Es gibt inzwischen Suchdienste,
die auf die Aufdeckung von Plagiaten
spezialisiert sind. Marktführer ist
„Turnitin“, dessen Homepage – da
haben wir es schon wieder – über
Arbeitsweise und Erfolge Auskunft
gibt. Viele hochrangige Universitäten
in den USA und England benutzen
den Dienst, was nach Auskunft der
Firma zu einer drastischen Absenkung der Fälschungsquote geführt
hat (auf deutlich unter 5 Prozent). Die
Universität Bielefeld prüft mehrere
Optionen, unter anderem den campusweiten Anschluss an einen solchen Dienst. Man kann sich zudem
ausmalen, dass schon in Kürze auch
übergeordnete Einrichtungen, zum
Beispiel die für Zulassung und Evaluation von Studiengängen verantwortlichen Agenturen, einen Nachweis
der Universität darüber verlangen,
dass sie mit nachprüfbaren Mitteln
gegen Fälschung und Betrug bei Studienleistungen einschreitet.
Wolfgang Krohn, Prorektor für
Struktur, Planung und
Bauangelegenheiten
Bielefelder Universitätszeitung 213/2003
Studierende
Landtag beschließt Studienkontenmodell
Keine Studiengebühren in
Nordrhein-Westfalen
(BUZ) Der Landtag hat am 22. Januar mit den Stimmen von SPD und Grünen
beschlossen, in Nordrhein-Westfalen ab dem Sommersemester 2004 Studienkonten einzuführen. Damit ist die Diskussion um Studiengebühren
(zunächst einmal?) vom Tisch. Die Studierenden sehen das Studienkontenmodell allerdings als „Studiengebühren durch die Hintertür“ an und setzen
auf Widerstand.
Dieses Modell sieht für alle Studierenden ein Studienguthaben für den
gebührenfreien Erwerb eines ersten
berufsqualifizierenden Studienabschlusses vor (in einem konsekutiven
Studiengang eines weiteren Abschlusses, also des Masters). Dazu
stehen ab 2004 insgesamt 200
Semesterwochenstunden zur Verfügung, die in einer Übergangszeit bis
2007 über nicht individuell berechnete „Regelabbuchungen“ verbraucht werden. Das Studium ist
dann innerhalb der eineinhalbfachen
Regelstudienzeit kostenfrei. Anschließend werden pro Semester
650 €Euro fällig. Ab 2007 wird individuell nach tatsächlich besuchten
Lehrveranstaltungen abgebucht. Wer
dann länger als die zweifache Regelstudienzeit benötigt, wird ebenfalls
zur Kasse gebeten. Wer dagegen
schneller studiert und sein Guthaben
nicht aufbraucht, kann es beispielsweise für ein Weiterbildungsstudium
einsetzen. Selbstverständlich gibt es
eine ganze Reihe von Ausnahmeregelungen, etwa bei Beurlaubungen,
Auslandssemestern oder im Promotionsstudium. Insgesamt handelt es
sich um ein nicht ganz leicht überschaubares Regelwerk.
Heftig kritisiert wird das neue
Gesetz von den Studierendenvertretern des Landes, die es in vielen
Aspekten, beispielsweise bei der
Anrechnung von Erziehungszeiten,
als unsozial empfinden und durch
seine Regelungen an einigen Stellen
die Rechtssicherheit verletzt sehen.
Nach Einholung eines entsprechenden Gutachtens plant man nun eine
Klage gegen das Gesetz. Ein offener
Brief an die Parteien sei, so ein Vertreter des Allgemeinen Studierendenausschusses der Universität Bielefeld, zuvor ohne Antwort geblieben.
Eines scheint aber schon festzustehen: der verwaltungstechnische Aufwand wird sich durch das Studienkontenmodell erheblich erhöhen.
Studierenden-Wettbewerb
Wozu eigentlich
Steuern?
Eins Live hatte gerufen, und 600 junge Leute aus ganz Nordrhein-Westfalen
nutzten die Gelegenheit zu einem 60-Sekunden-Casting mit der Chance auf
einen Moderatorenjob bei dem beliebten Jugendsender des WDR. Eins Live
besuchte im Wintersemester mit seinem mobilen Casting-Studio elf Universitäten, darunter auch die Universität Bielefeld. Fast 60 junge Leute stellten
sich vor dem Haupteingang der Universität der Aufgabe, innerhalb von 60
Sekunden ihre Stimme und ihr Können vor dem Mikrophon zu präsentieren.
Die besten Aufnahmen wurden auch bei Eins Live im Radioprogramm gesendet. Zudem wurde der Mut jedes Einzelnen mit einer CD belohnt. Von den 600
Talenten wurden elf für ein ausführlicheres Moderatoren-Casting ausgewählt.
Zwei Bielefelderinnen schafften es. Die 21-Jährige Jelena Wehowsky (Foto)
überzeugte mit ihrer Stimme. Sie nutzte ihre 60 Sekunden, um das Lied „One
day in your life“ von Anastacia zu präsentieren. Und auch die 20-Jährige Lilly
Teetz überzeugte die Redakteure von Eins Live. Doch nach dem einstündigen
Moderatoren-Casting im Dezember kamen beide leider nicht mehr unter die
letzten drei, die ein dreitägiges Moderatorentraining als Preis entgegennehmen konnten.
Bielefelder Universitätszeitung 213/2003
Zum vierten Mal schreibt das Bundesministerium des Innern einen Studierenden-Wettbewerb zu aktuellen
politischen Fragen aus. In diesem Jahr
bietet der Wettbewerb Studierenden
aller Fachrichtungen an den Hochschulen die Möglichkeit, sich mit der
Frage: „Wozu eigentlich Steuern?
Das Spannungsverhältnis zwischen
Notwendigkeit und Akzeptanz“ zu
beschäftigen. Die Auseinandersetzung kann in Form wissenschaftlicher
Arbeiten, Feuilletons oder FotoEssays erfolgen. Einsendeschluss ist
der 20. Mai 2003. Ausschreibungstext im Internet: www.bmi. bund.de.
41
Studierende
„Drehbuch-Werkstatt“ mit
Renée und Rolf Karthée
(BUZ) Um den Studierenden der Bielefelder Fakultät für Linguistik und Literaturwissenschaft einen Einblick in die Alltags-Praxis des Drehbuchschreibens für Fernsehen und Film zu geben, hatte der Leiter des Theorie- und Praxisseminars „Drehbuch-Werkstatt“, Dr. Walter Blohm, das Autorenehepaar
Renée und Rolf Karthée aus Hamburg eingeladen. Beide haben sich in den
letzten Jahren als Autoren von Vorabendserien („Hotel Elfie“, „Sternenfänger“) und TV-Movies („Der Kuss meiner Schwester“, „All’Arrabbiata“ u.a.)
einen Namen gemacht.
Die Karthées haben ihren Magister
an der Universität Bielefeld gemacht,
sie in Literaturwissenschaft, er in
Philosophie. Nach Karrieren als Redakteurin beim stern und als PRManager haben sie nach der Geburt
ihres Kindes das stressreiche Terminund Reiseleben mit dem nicht unbedingt weniger stressreichen, aber
häuslicheren Arbeitsleben des Drehbuchautors getauscht.
Locker und offen beantworteten
sie Fragen zu ihrer Tätigkeit und
schilderten ihre Erfahrungen mit
Redakteuren, Produzenten und
Regisseuren, die alle in unterschiedlichen Phasen Einfluss auf das Drehbuch nehmen, so dass ständiges
Umschreibenmüssen ohne weiteres
zu zehn und mehr Fassungen des
Buches führt. Zuviel Herzblut dürfe
man daher nicht in seine Stoffe investieren, war ihre einhellige Meinung.
Ein wichtiger Hinweis für die
Teilnehmer der „Drehbuch-Werkstatt“, die auf der Basis der einschlägigen Filmdramaturgie selbst Stoffe
und Figuren entwickeln und sich mit
ihren Exposés der meist konstruktiven Seminar-Kritik stellen müssen.
Die kreative Arbeit, das Geschichtenerzählen könne viel Spaß und
Befriedigung verschaffen, aber nur,
wenn man nicht zuviel Frust darüber
empfinden würde, dass man die
meisten Stoffe nicht verkaufen
könnte und in der Schublade verschwinden lassen müsste. Das ginge
ihnen als Profis so.
Da liegt die „Drehbuch-Werkstatt“ gar nicht so schlecht im Rennen: Immerhin sind ein Kinofilm und
ein Fernsehfilm nach Plots entstanden, die in den vorangegangenen
Werkstätten vorgestellt und entwickelt wurden.
Drehbuchautoren: Rolf und Renée Karthée, Walter Blohm (v.r.).
42
Katholische Hochschulgemeinde
Blick über den
Tellerand
(KHG) Die Katholische Hochschulgemeinde (KHG) hatte sich für das
Wintersemester viel vorgenommen.
„Über den Tellerrand“ war das Motto der Gemeinde im Winfriedhaus in
der Turnerstraße. Die Hochschulgemeinde hatte jeden Mittwochabend
nach ihrem Gemeindegottesdienst
internationale Referenten eingeladen und versuchte, ihren Horizont
ein wenig zu erweitern. „Wir möchten unseren kleinen Beitrag zur Verständigung der Kulturen und damit
zum Frieden in der Welt leisten“,
fasst Studentenpfarrer Uwe Wischkony das vergangene Semester
zusammen.
„Typisch Türkisch“ hieß es gleich zu
Beginn des Semesters. Während des
türkischen Abends diskutierten die
KHG-Gemeindemitglieder nicht nur
über brennende politische Themen,
wie etwa die EU-Osterweiterung,
sondern kosteten auch türkische
Spezialitäten und Leckereien. Zwei
junge Missionarinnen auf Zeit aus
der Nähe von Paderborn waren eine
Woche später in der Pinte der KHG
zu Gast. Sie verbrachten ein Jahr in
Ghana, berichteten aus ihrer deutschen Sicht von den Problemen und
Hoffnungen der Menschen in OstAfrika. Die afrikanische Sicht schilderten dann zwei Wochen später drei
afrikanische KHG-Studenten. Einer
aus Ghana, einer aus dem Senegal
und einer aus Kenia. Ein intensiver
Einblick in eine für die meisten KHGMitglieder fremde Welt, der vor
allem eins klar machte: Afrika ist
nicht gleich Afrika. „Viele Europäer
nehmen Afrika als ein Land wahr,
nicht als Kontinent. Afrika ist genauso verschieden wie die unterschiedlichen Länder Europas“, brachte es
einer der Referenten auf den Punkt.
Ein Höhepunkt des vergangenen
Semesters war die alljährliche KHGFeuerzangenbowle „in Film und Tasse“. Sie sorgte nicht nur für eine rappelvolle Pinte, sondern auch für ausBielefelder Universitätszeitung 213/2003
Studierende/Ausschreibungen
gezeichnete Stimmung. Die KHGAbende sind eben nicht nur Informationsabende, sondern vielmehr
auch Gesprächsabende. Voll war die
Pinte auch eine Woche später nach
dem traditionellen Weihnachtsgottesdienst zusammen mit der Evangelischen
Studierendengemeinde,
genauso wie beim ökumenischen
Gottesdienst Mitte Januar im Meditationsraum der KHG. Regelmäßig
bieten beide Studentengemeinden
gemeinsame Veranstaltungen an.
Auch im neuen Jahr stand Afrika
im Mittelpunkt des Blicks über den
Tellerrand. „Afrika – ein kranker
Kontinent?“, fragte die KHG provokativ einen Arzt aus Ghana, der
momentan an der Uni Bielefeld
Gesundheitswissenschaften studiert.
Er stellte das AIDS-Problem in den
Mittelpunkt seines bedrückenden
Vortrags, versuchte gleichzeitig aber
auch deutlich zu machen, dass
Krankheit eine Definitionssache sei
und demnach auch die Europäer aus
der Sicht vieler Afrikaner krank
seien.
Mit ihrer traditionellen Semesterabschlussfeier beendete die KHG das
Wintersemester 2002/2003. „Wir
haben die Erfahrung gemacht, dass
es bereichernd ist, wenn die unbekannte Kultur eine Stimme und das
Fremde ein Gesicht erhält; ja sogar
einen unverwechselbaren Namen
trägt“, resümierte Wischkony.
Das Sommersemester wird
unter dem Motto „Lebenswert“ stehen. Alle Infos und Termine gibt es
im Internet unter „www.uni-bielefeld.de/stud/khgbi“.
Mediendidaktischer
Hochschulpreis
Die Gesellschaft für Medien in der
Wissenschaft schreibt erneut einen
trinationalen Wettbewerb aus, den
MEDIDA-PRIX, um didaktisch motivierte Medienprojekte zu unterstützen, die einen besonderen Beitrag
zur Qualitätssicherung an der Hochschule leisten. Der Preis wird von
den drei Bildungsministerien der
Länder Deutschland, Österreich und
der Schweiz finanziell mit 100 000
Euro ausgestattet.
Das Preisgeld wird zweckgebunden für die weitere Projektentwicklung vergeben. Der Preis richtet
sich an alle Studierenden, Hochschulmitarbeiter und -lehrer in
Deutschland, Österreich und der
Schweiz. Mehr im Internet unter:
www.medidaprix.org.
3. Herforder
Recycling-Kunstpreis
„Der verborgene Sinn weggeworfener Dinge“ lautet das Motto des
zum dritten Mal vom Arbeitskreis
Recycling e.V. ausgeschriebenen
Herforder Recycling-Kunstpreises
2003. Der Preis ist mit insgesamt
3500 Euro dotiert.
Unter dem Motto „Schon mal über ein Stipendium nachgedacht“ fand in der
Zentralen Halle der Universität Bielefeld ein Stipendien-Informationsstag
statt. Organisiert wurde diese Veranstaltung vom Allgemeinen Studierendenausschuss der Univerität Bielefeld, dem Ausländer-Sprecherrat sowie Vertretern verschiedener Stiftungen. In zahlreichen Gesprächen wiesen derzeitige
Stipendiaten darauf hin, dass ein Stipendium weit mehr bedeutet als die
finanzielle Förderung des Studiums. Neben der Förderung von Praktika und
Auslandsaufenthalten würden die Stiftungen auch ein umfangreiches Seminarprogramm zum interdisziplinären Austausch unter den Stipendiaten anbieten. Die gute Resonanz hat gezeigt, so das Fazit von Meike Schwabe und Ulf
Schiller, „dass Informationsbedarf unter den Studierenden besteht“. Deshalb
soll ein weiterer Informationstag in diesem Jahr organisiert werden. Wer sich
vorab schon genauer über individuelle Fördermöglichkeiten informieren
möchte, kann sich jederzeit an die Universitätsbeauftragten für die Stiftungen
wenden. Diese finden sich im Internet unter: www.uni-bielefeld.de/Universitaet/Forschung/Beauftragte.html.
Bielefelder Universitätszeitung 213/2003
Gefragt ist eine künstlerische Überprüfung der Brauchbarkeit von Dingen fernab ihres gewöhnlichen
Gebrauchs- oder Konsumwertes. Der
Recycling-Kunstpreis ist für Teilnehmer aus Ostwestfalen-Lippe ausgeschrieben. Zugelassen werden Material-Objekte und -Installationen aus
allen denkbaren Wegwerf-Sachen,
auch kinetische und Klang-Objekte.
Abgabeschluss für alle künstlerischen
Arbeiten ist der 25. April 2003. Die
preisgekrönten Arbeiten werden im
Mai 2003 in einer Ausstellung in Herford der Öffentlichkeit gezeigt.
Anmeldung und weitere Informationen: Arbeitskreis Recycling, Heidestraße 7, 32051 Herford, Telefon
05221/16902-32,
Fax
05221/
16902-37, E-Mail: n.ewers@recyclingboerse.org, Internet: www.recyclingboerse.org.
43
Stipendien/Internationales
Deutscher Akademischer Austauschdienst (DAAD)
DAAD-Preis an Filiz Kutluer
(BUZ) Der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) vergibt an
deutschen Hochschulen alljährlich Preise für hervorragende Leistungen
ausländischer Studierender. Auswahlkriterien für die Preisvergabe an einen
Studierenden der jeweiligen Hochschule sind überdurchschnittliche Leistungen sowie ein besonderer Einsatz für die interkulturelle Verständigung
im sozialen und hochschulpolitischen Bereich.
Die DAAD-Preisträgerin des Jahres
2002 der Universität Bielefeld ist Filiz
Kutluer. Die türkische Studentin
erhielt Ende des vergangenen Jahres
den mit 1000 Euro dotierten Preis
auf dem Empfang des Rektors für
Die Zeiten, in denen die Freimaurer wegen politischer Verfolgung im Verborgenen wirken mussten, sind zum Glück lange vorbei. Heute können sie ihr
Engagement für die Allgemeinheit unbesorgt öffentlich präsentieren, so wie
hier an der Universität Bielefeld: seit Wintersemester 2002/2003 fördert das
Sozialwerk der Bielefelder Freimaurer, das übrigens auch Studierenden günstige Wohnheimzimmer zur Verfügung stellt, den Chemiker Klaus Wojczykowski mit einem großzügigen Promotionsstipendium. Das Thema der Promotion
lautet: „Liganden-Design für die bottom-up-Synthese magnetischer Nanostrukturen“. Es geht dabei um Synthese und Charakterisierung magnetischer
Metallpartikel in Nanometergröße. Als zukünftige Speichermedien könnten
magnetische Nanoteilchen die Kapazität herkömmlicher Festplatten um den
Faktor Tausend übertreffen. Die dabei zur Stabilisierung verwendeten organischen Moleküle sollen auch dazu dienen, während des Wachstums der Nanopartikel deren kristalline Form und damit auch deren magnetische Eigenschaften zu beeinflussen. Durch geeignete Funktionalisierung der organischen Hülle sollte es zugleich möglich sein, die magnetischen Nanopartikel an die
Oberfläche größerer Moleküle anzubinden, um z.B. Moleküle aus dem biologischen Bereich damit zu markieren. Hier zeichnen sich möglicherweise neue
Möglichkeiten in der Krebsbekämpfung ab. Diese spannenden interdisziplinären Forschungen werden von Prof. Dr. Peter Jutzi (Fakultät für Chemie) und Dr.
Andreas Hütten (Fakultät für Physik) betreut. Prorektorin Prof. Dr. Katharina
Kohse-Höinghaus brachte gegenüber den Mitgliedern des Vorstands des Sozialwerks Dr. Jürgen Stockmeier und Horst Thermann ihre Freude darüber zum
Ausdruck, dass leistungsfähige Doktoranden, deren Promotionsvorhaben
„quer“ zu den üblichen Förderprogrammen liegt, über Einrichtungen wie diese gefördert werden können. Das Foto zeigt von links: Katharina KohseHöinghaus, Andreas Hütten, Klaus Wojczykowski, Peter Jutzi, Horst Thermann und Jürgen Stockmeier.
44
ausländische Wissenschaftlerinnen
und Wissenschaftler.
Nach einem fünfjährigen Studium an der Middle East Technical
University mit dem Abschluss
„Bachelor of Science“ in Soziologie
und nach einer einjährigen Tätigkeit
als Lehrerin an einer türkischen Oberschule kam Filiz Kutluer 1996 nach
Bielefeld, absolvierte hier einen einjährigen Sprachkurs und begann
1998 ihr Studium der Soziologie. Im
Rahmen ihres Studiums hat sie sich
schwerpunktmäßig mit der Stellung
der Frauen in islamischen Ländern
befasst. Darüber hinaus ist sie an Politik, insbesondere Entwicklungspolitik
und Kultur, interessiert. Sie engagiert
sich in der Evangelischen Studierendengemeinde (ESG), wo sie zusammen mit zwei anderen Studentinnen
eine internationale Frauengruppe ins
Leben gerufen hat und den wöchentlich stattfindenden internationalen
Treff organisiert. Zudem hat sie sich
im Rahmen des „Europäischen Jahres
der Sprachen 2001: Türkei“ als Referentin zum Thema „Geschlechterrollen in der türkischen Kultur“ beteiligt.
Seit April 2001 arbeitet sie als studentischen Hilfskraft am Institut für Interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung (IKG) der Universität Bielefeld. Hier ist sie beteiligt an dem von
der Volkswagen-Stiftung finanzierten
Forschungsprojekt „Kollektive Identitätsbildungsprozesse von Muslimen
in öffentlichen Konflikten“. So hat sie
vor allem an den empirischen Erhebungen mitgewirkt und Kontakte zu
türkischsprachigen Personengruppen
in Bielefeld, Duisburg, Bremen und
Halle/Westfalen geknüpft. Sie führte
biographische Interviews durch und
begleitete
Versammlungen
von
DAAD-Preisträgerin Filiz Kutluer.
Bielefelder Universitätszeitung 213/2003
Internationales
Moscheevereinen und anderen muslimischen Gruppen. Sie wirkte dabei
sowohl an der Konzeption von Interviewleitfäden als auch bei der Auswertung von Daten mit. Zudem wird
sie an der Publikation der Ergebnisse
mitarbeiten. Das IKG sieht in Filiz Kutluer eine hervorragende Mitarbeiterin, die als Mitglied des Institutsvorstandes engagiert an allen Instituts-
und Vorstandssitzungen teilnimmt,
und bescheinigt ihr eine hohe Befähigung zur empirischen Sozialforschung. Die Universität Bielefeld war
sich daher sicher, in Filiz Kutluer, die
die Hochschulgemeinschaft sowohl
in akademischer wie auch in kultureller Hinsicht bereichert, eine hervorragende Trägerin für den DAAD-Preis
gefunden zu haben.
Das Rektorat der Universität Bielefeld hatte im Dezember zu einem Empfang für
die ausländischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in das Internationale Begegnungszentrum der Universität eingeladen. Im Mittelpunkt der Veranstaltung standen die Vergabe des DAAD-Preises und des Preises des Vereins zur
Förderung ausländischer Studierender. Zudem berichtete Claire Loison von der
Fakultät für Physik über die „Erfahrungen einer Französin in Bielefeld“. Das Foto
zeigt von links: Falk von Oeynhausen, Rektor Dieter Timmermann, Filiz Kutluer,
Kalenda Martin Muanza, Claire Loison und Bürgermeister Detlef Helling, der
darauf hinwies, dass der Empfang ein öffentliches Zeichen der Verbundenheit
mit allen Ausländern sei.
Sprache zu erlernen, besuchte er – als
23-Jähriger – eine deutsche Volksschule, arbeitete für seinen Lebensunterhalt in Restaurants und ließ sich
von 1994 bis 1997 als Krankenpfleger ausbilden. Dann endlich konnte
er seinen Traum, ein Studium aufzunehmen, in Angriff nehmen.
Zunächst musste er ein Jahr das vorbereitende Studienkolleg in Münster
besuchen. Nach
dem Abschluss
erhielt er endlich den ersehnten Studienplatz für Psychologie in Bielefeld.
Seit Beginn seines Studiums in
Bielefeld engagiert sich Muanza aktiv
in der entwicklungspolitischen und
interkulturellen Arbeit der Evangelischen Studierendengemeinde. Er
engagiert sich im Ausländersprecherrat des AStA und im Flüchtlingsbüro
Bielefeld und ist Mitglied im „Forum
Afrika Solidarität“, das sich um die
Vernetzung kongolesischer NichtRegierungsorganisationen mit deutschen Initiativen im Bereich Kultur,
Frauenförderung und Umweltschutz
bemüht. Schließlich ist sein Engagement im Rahmen des Brother-SisterBetreuungsprogramms an der Universität zu nennen, wo er sich um
neue ausländische Studierende kümmert.
Verein zur Förderung ausländischer Studierender
Förderpreis geht an
Kalenda Martin Muanza
(BUZ) Der Bielefelder Verein zur Förderung ausländischer Studierender hat
zum achten Mal den mit 750 Euro dotierten Förderpreis vergeben. Preisträger ist der Psychologie-Student Kalenda Martin Muanza aus der Demokratischen Republik Kongo.
Muanza, der den Preis anlässlich des
Jahresempfangs für ausländische
Wissenschaftler vom Vereinsvorsitzenden Falk von Oeynhausen erhielt,
studiert an der Universität Bielefeld
Psychologie. Auf dem Weg zum Studium hat er zahlreiche Hürden
gemeistert: Als 7. Kind einer zehnköpfigen Familie war es für ihn
bereits ein erster Erfolg, dass er die
Grundschule und die Sekundarschule
in seinem Heimatland besuchen
durfte. Nach seinem Schulabschluss
Bielefelder Universitätszeitung 213/2003
1986 musste er zunächst seinen
Lebensunterhalt selber verdienen. Er
konnte nach weiteren zwei Jahren
die Universität in Kinshasa besuchen,
zunächst allerdings nur als Gasthörer
für zwei Jahre, bevor er offiziell
Rechtswissenschaft studieren durfte.
1990 wurde die Universität mitten im
akademischen Jahr geschlossen, und
da Muanza zu einer oppositionellen
Studentengruppe gehörte, verließ er
sein Heimatland. In Deutschland
erhielt er Asyl. Um die deutsche
Kalenda Martin Muanza erhielt den
Förderpreis des Bielefelder Vereins
zur Förderung ausländischer Studierender.
„Kalenda Martin Muanza entspricht in vorbildlicher Weise den Vorstellungen des Vereins an einen Studenten, der sein eigenes akademisches Fortkommen jederzeit mit dem
Bemühen verbindet, das Zusammenleben von Menschen der verschiedenen Kulturen und Herkunftsländer zu
verbessern“, sagte Falk von Oeynhausen bei der Würdigung des Preisträgers.
45
Internationales
Rektor und Kanzler zu Besuch bei russischen Partnern
Erste Kontakte zwischen
Wissenschaftlern der Bielefelder
und der Lomonossow-Universität
(BUZ) Die wissenschaftlichen Beziehungen von Bielefeld nach Russland
sind in vergleichsweise kurzer Zeit immer vielfältiger und enger geworden.
Jetzt zeichnen sich auch neue Kooperationen zwischen der Universität Bielefeld und russischen Hochschulen ab, wie dies bei einer Besuchsreise von
Rektor Dieter Timmermann und Kanzler Hans-Jürgen Simm nach Russland
deutlich wurde.
stattgefunden hatte.
Rektor und Kanzler haben den
anderthalbtägigen Aufenthalt in
Moskau des Weiteren dazu genutzt,
Gespräche mit dem Präsidenten der
wohl größten und berühmtesten russischen Universität, der Lomonossow-Universität, zu führen. Begleitet
von den russlanderfahrenen Professoren Stephan Merl und
Helmut
Steiner geriet der als 20-MinutenAudienz angekündigte Termin beim
Präsidenten zu einem intensiven,
mehr als eine Stunde dauernden
Gedankenaustausch über mögliche
Kooperationen zwischen der Lomonossow-Universität und der Universität Bielefeld einerseits und zu Fragen der Umstrukturierung des Studiums in Bachelor und Master und der
internationalen Akzeptanz andererseits. In der Zwischenzeit sind auf der
Basis dieses Gesprächs erste Kontakte von Wissenschaftlern der Universität Bielefeld mit Wissenschaftlern
der Lomonossow-Universität in
Moskau geknüpft worden.
Es schloss sich ein Kurzbesuch in
Jaroslawl an, einer Stadt etwa 250
Kilometer nordöstlich von Moskau
mit etwa 600 000 Einwohnern. In
dieser Stadt gibt es zwei Universitäten, zu der die Universität Bielefeld
intensive Kontakte hat, zum einen
die Pädagogische Staatsuniversität,
zum anderen die private MobintUniversität („Internationale Universität für Wirtschaft und neue Technologien“). In der Pädagogischen
Staatsuniversität sind vor einigen
Anlass nicht nur eine Reihe von ausländischen Partneruniversitäten eingeladen, sondern auch solche Hochschulen, mit denen in der Zukunft
wissenschaftlich zusammengearbeitet werden soll. So
unterzeichneten
neben der Universität
Prag und einer belgischen
Universität
auch die Universität
zu Köln eine weitere
Kooperationsvereinbarung. Auch Rektor
Dieter Timmermann
schloss in einer sehr
feierlichen und an die
Unterzeichnung von
Feierliche Prozedur: Der Rektor der Staatlichen PädaStaatsverträgen
gogischen Universität Moskau, Viktor Matrosov, und
Rektor Dieter Timmermann unterzeichnen ein neues erinnernden Prozedur
Kooperationsabkommen zwischen ihren Hochschulen. einen Kooperationsvertrag ab. Vorausgegramm („Master of Business Admini- gangen war der Besuch einer russtration“) über das „Wolfgang- sisch-orthodoxen Kirche, in der aus
Schüler-Institut für internationale Anlass des Universitäts-Jubiläums ein
Gottesdienst
Managementstudien“
an
der russisch-orthodoxer
Moskauer Akademie für Volkswirtschaft.
Unterrichtssprache
ist
Deutsch. Der größte Teil der MBAStudierenden arbeitet bereits in russischen Unternehmen und bildet sich
nach Feierabend fort. Dass dies von
politischer Seite als außerordentlich
wichtig für die deutsch-russischen
Wirtschaftsbeziehungen angesehen
wird, zeigt die Tatsache, dass die
Übergabe der Abschlusszeugnisse
jeweils in der Deutschen Botschaft
erfolgt – jetzt auch erstmals in Anwesenheit von Rektor und Kanzler.
Die Staatliche Pädagogische
Rektor und Kanzler der Universität Bielefeld in der Deutschen Botschaft in
Universität in Moskau feierte im Moskau: Das Foto zeigt u.a.: Rektor Dieter Timmermann (4. v.l.), rechts neben
November 2002 ihr 130-jähriges ihm Helmut Steiner und Kanzler Hans-Jürgen Simm, ganz rechts Stephan Merl
Bestehen. Sie hatte aus diesem neben dem Stellvertreter des deutschen Botschafters.
Schon seit längerer Zeit lehren
Dozenten der Universitäten Bielefeld
und Magdeburg – wie die Professoren Helmut Steiner und Gerhard
Schwödiauer – in einem MBA-Pro-
46
Bielefelder Universitätszeitung 213/2003
Internationales
Jahren mit Hilfe deutscher Finanzmittel auf Initiative der Universität
Bielefeld Bibliotheksbestände für
den Fachbereich Geschichte aufgebaut worden. Nach wie vor besteht
ein enger wissenschaftlicher Kontakt
von Stephan Merl (Fakultät für
Geschichtswissenschaft, Philosophie
und Theologie) zu diesem Bereich,
der, wie sich Rektor und Kanzler
überzeugen konnten, gerade durch
die deutsche Hilfe als für russische
Verhältnisse vorbildlich ausgestattet
gilt. Eigentlicher Anlass für den Aufenthalt in Jaroslawl war das zehnjährige Jubiläum der Mobint-Universität, in der verschiedene Wissenschaftler der Universität Bielefeld
regelmäßig
Lehrveranstaltungen
anbieten. Neben Stephan Merl sind
dies unter anderem die Professoren
Alfred Greiner, Klaus-Peter Kistner,
Helmut Steiner (Fakultät für Wirtschaftswissenschaften) und Wolfgang Oehler (Fakultät für Rechtswissenschaft). Aus Anlass des zehnjährigen Jubiläums wurde von der
Universität in Zusammenarbeit mit
der Stadt Jaroslawl ein Kongress
organisiert, der sich mit der Situation
der Universitäten in Russland auch
vor dem Hintergrund der internationalen Entwicklung befasste. Rektor
Timmermann stellte dabei in einer
Rede die in Folge der Bologna-Erklärung in Gang gekommene Umstrukturierung der Lehre ausführlich dar.
Im Rahmen einer im größten Theater der Stadt stattfindenden Festveranstaltung mit ausländischen Gästen
waren Rektor und Kanzler in Statements auf weitere Perspektiven der
Zusammenarbeit eingegangen. In
den die Festlichkeiten begleitenden
Verhandlungen wurden die Grundlinien der zukünftigen Zusammenarbeit festgelegt mit der gemeinsamen
Zielsetzung, künftig noch intensiver
Kontakt zu halten.
Redaktionsschluss für die nächste Ausgabe der „Bielefelder
Universitätszeitung“ ist der 25.
April 2003. Später eingereichte
Manuskripte können nicht mehr
berücksichtigt werden.
Bielefelder Universitätszeitung 213/2003
Die Perspektiven der langjährigen Partnerschaft zwischen der Universität Antananarivo in Madagaskar und der Universität Bielefeld sowie Hochschul- und Bildungskonzepte standen im Mittelpunkt eines Gespräches, das Rektor Dieter Timmermann mit dem madegassischen Bildungsminister Jean-Théodore Ranjivason
führte. Im Anschluss hieran besuchte der Minister zusammen mit Ministerialdirektor Louis-Paul Randriamarolaza und Botschafter Denis Andriamandroso Forschungsbereiche der Technischen Fakultät und die Fakultät für Linguistik und
Literaturwissenschaft. In der Region Ostwestfalen informierte sich die Delegation zudem bei der Industrie- und Handelskammer sowie bei den Firmen Claas
und Miele über das System der betrieblichen Ausbildung. Außerdem besuchten
die Madegassen den Fachbereich Maschinenbau der Fachhochschule Bielefeld
und waren Gäste von Oberbürgermeister Eberhard David. Die madegassische
Delegation sammelte während ihrer Reise durch Europa und Nordamerika Informationen über geeignete Bildungskonzepte für eine Bildungsreform in Madagaskar. Das Foto zeigt von links: Dieter Timmermann, Louis-Paul Randriamarolaza,
Denis Andriamandroso, Jean-Théodore Ranjivason und Dolmetscherin Ferrandine Roussard.
Der Bielefelder Mathematiker Gerhard Schiffels, der mit Unterstützung des
Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) seit längerem acht Doktoranden in Madagaskar betreute und auf die Promotion vorbereitete, hat eines
seiner Ziele erreicht: An der Partneruniversität Antananarivo in Madagaskar sind
jetzt vier seiner Doktoranden aus dem DAAD-Projekt „Angewandte Algebra“
promoviert worden. Es sind dies Ramamonjy Andriamifidisoa, Harinaivo Andriatahiny, Manase Bezara und Irrish Parker Ramahazosoa. Einer seiner frisch Promovierten hat inzwischen in Madagaskar eine Hochschullehrerstelle besetzen
können. Die anderen drei sind jedoch noch auf finanzielle Unterstützung aus
Deutschland angewiesen. Dankenswerterweise erhielten sie erst kürzlich eine
Spende von der Westfälisch-Lippischen Universitätsgesellschaft. Gerhard Schiffels, der 1994 mit dem Preis des Bundesbildungsministeriums für hervorragende Leistungen in der internationalen Hochschulzusammenarbeit ausgezeichnet
worden ist, hat sich vorgenommen, auch die noch verbliebenen Kandidaten zu
promovieren.
47
Internationales
Deutsch-französisches Graduiertenkolleg
in der Physik und weitere gemeinsame Studiengänge geplant
Kooperationsgespräche mit
der Universität Paris – Denis Diderot
(K.K.) Im Jahr des vierzigjährigen Bestehens der deutsch-französischen
Freundschaft blickt die Universität Bielefeld auf eine außerordentlich lebendige und vielseitige Partnerschaft mit der Université de Paris VII. Die
Zusammenarbeit, die auf mehreren Fachbereichen basiert und unterschiedlichste Projekte in Forschung und Lehre sowie den Austausch von Studierenden und Dozenten betrifft, lässt für die Zukunft noch viel erwarten.
Dies machte das Arbeitstreffen einer
Delegation der Universität Bielefeld
in der Partnerhochschule Paris VII –
Denis Diderot Anfang Januar deutlich. Die Bielefelder Delegation, der
Rektor Dieter Timmermann, Forschungsprorektorin Katharina Kohse-Höinghaus, Physikprofessor Dietrich Bödecker, Philippe Blanchard als
Rektoratsbeauftragter für internatio-
nale Beziehungen sowie die stellvertretende Leiterin des Akademischen
Auslandsamtes, Karin Kruse, angehörten, wurde von zahlreichen Fachvertretern in Paris herzlich in Empfang genommen.
Neben dem Präsidenten, Benoît
Eurin, und der Vize-Präsidentin für
Forschung, Anne Janin, nahmen
Wissenschaftler aus den Fächern
Eine Million ERASMUS-Studierende in 15 Jahren – kein anderes Programm hat
das Auslandsstudium der Studierenden und die Internationalisierung der
Hochschulen in Europa stärker gefördert. Aus diesem Grund sind das Programm der Europäischen Union in allen Mitgliedsländern mit einem ERASMUS-Tag gefeiert und ERASMUS-Studierende ausgezeichnet worden. Die
Universität Bielefeld beteiligte sich ebenfalls an der Aktion. Als 1222. Outgoing-Studentin, die im Rahmen von ERASMUS ein Auslandsstudium aufnahm,
wurde Angela Sicken geehrt. Sie studiert Naturwissenschaftliche Informatik
und studiert jetzt in Dublin. Als 1111. Incoming-ERASMUS-Studentin, die an
der Universität Bielefeld ihre Auslandserfahrungen sammelt, wurde Serena
Bertero ausgezeichnet. Sie studiert Germanistik und kommt aus Turin. Als
besonders aktiven Betreuer und Mentor der Gaststudierenden hier in Bielefeld
würdigte Karin Kruse vom Akademischen Auslandsamt David Hübner. Für die
erste „ERASMUS-Familie“ nahm Elisa Squerzanti eine Auszeichnung entgegen. Sie kam als ERASMUS-Studentin an die Universität Bielefeld und gründete mit dem Initiator des Mentorenprogramms, Ralf Bösemann, eine Familie,
zu der auch die dreijährige Rebecca gehört. Das Foto zeigt (v.l.): Johanna
Breuning (ERASMUS-Initiative), Elisa Squerzanti, Angela Sicken, Karin Kruse,
Serena Bertero und David Hübner.
48
Physik, Chemie und Biologie teil.
Das Treffen verfolgte im
Wesentlichen zwei Ziele: einerseits
sollten durch die gegenseitige Präsentation der drei naturwissenschaftlichen Fachrichtungen gemeinsame
Forschungsschwerpunkte und Möglichkeiten der Zusammenarbeit identifiziert werden. Andererseits sollten
weitere Absprachen getroffen werden zu den bereits bestehenden, von
der Deutsch-Französischen Hochschule (DFH) finanzierten gemeinsamen Studiengängen in Geschichte
und Chemie. Auf dem Programm
stand auch die Planung eines weiteren binationalen Studienganges in
Physik.
Das Arbeitstreffen machte deutlich, dass viele gemeinsame Forschungsschwerpunkte zwischen beiden Universitäten existieren. Und da
es insbesondere zwischen den Disziplinen Chemie und Physik viele
Überschneidungen in Forschungsbereichen gibt, wollen die Wissenschaftler dieser Fachrichtungen
künftig in Forschung und Lehre eng
zusammen arbeiten. Ein erstes
gemeinsames Treffen von Chemikern und Physikern ist vom 26. bis
27. Juni 2003 in Paris geplant.
Zudem wird im März 2004 eine
gemeinsam organisierte Tagung zum
Thema
„Nanowissenschaften,
Nanotechnologie, Bioinformatik und
Medizin“ im Zentrum für interdisziplinäre Forschung der Universität
Bielefeld stattfinden. Der gemeinsame Studiengang mit doppeltem
Abschluss in Physik wird demnächst
bei
der
Deutsch-Französischen
Hochschule beantragt, und die Entscheidung über die Bewilligung eines
deutsch-französischen Graduiertenkollegs in der Theoretischen Physik
steht kurz bevor.
Bielefelder Universitätszeitung 213/2003
Internationales
Brother-Sister-Programm
Einstiegshilfe für ausländische
Studierende gut angelaufen
Schon deutsche Studierende haben es schwer, sich beim Semesterstart in der
Universität und der fremden Stadt zurecht zu finden, eine Unterkunft zu
suchen und Kontakte zu knüpfen. Doch für Studierende aus dem Ausland
sind diese Schwierigkeiten ungleich größer. Hier setzt das „Brother-SisterProgramm“ an, das den ausländischen Studierenden einen Mentor oder eine
Mentorin zur Seite stellt, um beim Einsteig in das Studierendenleben an der
Universität Bielefeld zu helfen.
Studierenden, die zum größten Teil
aus Asien und Osteuropa stammen,
einheimische Mentoren und Mentorinnen. Diese stehen in der ersten
Zeit nach der Ankunft als Ansprechpartner zur Verfügung und helfen bei
Fragen und Schwierigkeiten weiter.
Irina Rakowsky (Foto), die derzeit
das Brother-Sister-Programm koordiniert, blickt im Folgenden auf das
vergangene
Wintersemester
2002/2003 zurück und sucht für das
kommende Sommersemester zahlreiche neue Mentorinnen und Mentoren.
Das Programm hat ein erfolgreiches
Semester hinter sich: Mehr als 200
einheimische und ausländische Studierende nahmen im Wintersemester
teil. Das sind deutlich mehr als in den
vergangenen Semestern und zeigt,
dass sich das Programm etabliert hat.
Gegründet wurde das BrotherSister-Programm 1998 mit dem Ziel,
den Kontakt zwischen einheimischen
sowie ausländischen Studierenden zu
fördern und besonders den Neuankömmlingen aus dem Ausland eine
Einstiegshilfe in den Bielefelder UniAlltag zu bieten. Die Idee stammt
von einem Studenten aus Ägypten,
der aus eigenen Erfahrungen festgestellt hat, dass das Leben eines Neuankömmlings an einer deutschen Uni
leichter mit einem Mentor oder einer
Mentorin zu bewältigen ist. Seitdem
vermittelt das Programm jedes
Semester den neuen ausländischen
Bielefelder Universitätszeitung 213/2003
Marrily aus Simbabwe hatte zwar
keine schwerwiegenden Probleme,
war aber froh über die Unterstützung ihres „Bruders“ Dirk in den
Serviceeinrichtungen Universitätsbibliothek, Hochschulrechenzentrum
und Hochschulsport.
Unterstützt wird das Programm
durch das Akademische Auslandsamt, den Allgemeinen Studierendenausschuss und den Ausländersprecherrat, den Prorektor für Lehre,
Studienangelegenheiten und Weiterbildung, das Studentenwerk sowie
die Zentrale Studienberatung.
Mit dem Brother-Sister-Programm
ist ein Netzwerk entstanden, das
einen intensiven Austausch zwischen
verschiedenen Sprachen und Kulturen, Institutionen und Studierenden
an der Universität Bielefeld ermöglicht und die Integration ausländischer Studierender in das deutsche
Hochschulsystem vereinfacht.
Andrea aus Chile hat mit ihrem
„Bruder“ Amiran ein Tandem zum
Sprachenaustausch gebildet. Beide
haben vom gegenseitigen DeutschSpanisch-Unterricht
profitiert.
Zudem hat Amiran für die ersten
Wochen die Unterbringung von
Andrea organisiert.
Damit auch in Zukunft dieses Netzwerk weiterbesteht, werden immer
wieder neue Mentoren und Mentorinnen gesucht, besonders zur Vorbereitung des kommenden Sommersemesters, wenn ungefähr einhundert neue Studierende aus dem
Ausland in Bielefeld ihr Studium aufnehmen werden. Wer am Programm
als Mentor oder Mentorin teilnimmt,
bekommt möglichst frühzeitig Kontakt zu einem ausländischen Studierenden (meistens per Mail) vermittelt, damit erste Informationen
schon vor der Ankunft in Bielefeld
ausgetauscht und Kontakte geknüpft
werden können. Bei der Vermittlung
wird darauf geachtet, dass Studienfächer, Alter und Interessen möglichst zusammen passen, damit ein
paar grundlegende Gemeinsamkeiten, die das Kennenlernen erleichtern, gegeben sind. Die Aufgabe
eines Mentors oder einer Mentorin
besteht in der Hilfe im Alltag. Das
können Tipps sein, welcher Dozent
besonders ansprechbar ist und in
welchem Café es den besten Capuccino gibt. Aber auch Hilfe bei der
Wohnungssuche, beim Anmelden
eines Telefonanschlusses und diversen Behördengängen.
Für Naoko aus Japan war der vorherige Kontakt mit Gerd per Mail eine
sehr große Hilfe. Die Doktorandin
hatte bei ihrer verspäteten Ankunft
49
Internationales
am Frankfurter Flughafen ihren
Anschluss verpasst. Gerd organisierte von Bielefeld aus eine Übernachtungsmöglichkeit in Frankfurt und
danach auch für die ersten Tage in
Bielefeld. Später half er bei alltäglichen Problemen, auf die ausländische Studierende und Gäste stoßen:
größere Einkäufe, die nicht ohne
Auto bewältigt werden können, die
Suche nach einem guten Zahnarzt
oder die Eröffnung eines Bankkontos.
Wer mehr über das Programm wissen will, kann sich beim wöchentlichen „Brother-Sister“-Stammtisch
informieren und erhält dort alles
Neue direkt aus erster Hand. Der
Stammtisch findet jeden Donnerstag
ab 18.00 Uhr im UniMax statt. Die
Koordinatorin des Programms ist
jeden Mittwoch von 10.00 bis 12.00
Uhr und jeden Donnerstag von
14.00 bis16.00 Uhr im Raum A4135 der Universität Bielefeld zu finden.
Weitere Informationen bietet das
Internet: http://www.uni-bielefeld.de/AAA/BSP/.
DAAD-Stipendien für Sprachkurse Französisch
Der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) vergibt erstmals an
Studierende aller Fakultäten Teilstipendien zum Besuch drei- bis vierwöchiger
Sprachkurse an französischen Hochschulen in der vorlesungsfreien Zeit im
Sommer. Bewerbungstermin ist der 31. März beim DAAD. Bewerbungsunterlagen sind im Akademischen Auslandsamt der Universität Bielefeld
erhältlich oder im Internet unter: www.daad.de/ausland/de/3.7.1.html.
Sichtlich gut gelaunt unterschreibt Rektor Dieter Timmermann den letzten Teil
einer Kooperationsvereinbarung mit der Nationaluniversität Tashkent. Im Rahmen des TEMPUS/TACIS-Projektes EURASIA ist dort ein neuer interdisziplinärer Master-Studiengang „Studien über die Europäische Union“ eingerichtet
worden. Das Foto zeigt (sitzend von links) die Professoren Kadir Alimov (Lehrstuhlleiter für Internationales Recht, Tashkent), Mirkhamidov Mirshokhid
(Dekan der Rechtswissenschaftlichen Fakultät, Tashkent), Rektor Timmermann
und Zamira Ishanhodjaeva (Dekanin der Fakultät für Geschichtswissenschaft,
Tashkent) sowie (stehend von links) Stephan Merl, über den die Kooperation
im Wesentlichen läuft, und Dekan Winfried Schmitz (Fakultät für Geschichtswissenschaft, Philosophie und Theologie).
50
Mitmach- und
Experimentierlabor
teutolab-Physik
(BUZ) In Deutschland gibt es schon
seit längerer Zeit zu wenig Interesse
am Studium naturwissenschaftlicher
Fächer, eine Tatsache, die sich auf
Dauer schädlich auf Wirtschaft und
Wissenschaft auswirken könnte.
Nicht erst seit der PISA-Studie ist
klar, dass entscheidende Weichen
bei der Ausbildung von Interessen
bei Kindern schon früh (teilweise
schon im Kindergartenalter) gestellt
werden.
Die Fakultät für Chemie der Universität Bielefeld hat daraus die Konsequenz gezogen, ein teutolab einzurichten, in dem schon Grundschüler
(aber auch Ältere) unter fachkundiger
Anleitung selbst Experimente machen
können, beispielsweise Kunststoff aus
Milch herstellen. Seit der Gründung
Anfang 2000 haben Tausende von
Schülern diese Möglichkeit genutzt.
Der Andrang der Schulklassen ist so
groß, dass man nun begonnen hat,
„Filialen“ des teutolabs in Schulen
der Region aufzubauen.
Nicht zuletzt der große Erfolg des
vom Stifterverband für die Deutsche
Wissenschaft ausgezeichneten teutolabs Chemie hat nun die Bielefelder
Physiker motiviert, ebenfalls ein teutolab zu errichten, das unter Leitung
von Professor Dario Anselmetti und
seinen Mitarbeitern mit einem Probelauf im Februar erstmals unter realen
Bedingungen getestet worden ist. Mit
von der Partie waren 16 Schülerinnen
und Schüler im Grundschulalter aus
Bielefeld und Umgebung.
Der Aufbau des „teutolab-Physik“ wurde in den letzten Wochen
durch großzügige Spenden namhafter
Unternehmen und Verbände ermöglicht. Darunter sind bis jetzt die Firmen
August Storck KG, Deutsche Bank AG,
KSK Halle (Westf.), Miele & Cie., Poppe und Potthoff GmbH & Co. sowie
der Unternehmerverband der Metallindustrie, der Stifterverband für die
Deutsche Wissenschaft e.V., die Heraeusstiftung, die Westfälisch-Lippische Universitätsgesellschaft und die
Bielefelder Universitätszeitung 213/2003
Schule und Hochschule
Bielefelder Bürgerstiftung vertreten.
Die Bürgerstiftung sponsert eine
Kerngruppe von Studierenden des
Lehramts Physik, die Schülerinnen
und Schüler in dem Mitmachlabor als
studentische Hilfskräfte betreuen
werden. Damit wird nicht nur eine
fachkundige Betreuung der Kinder
gewährleistet, sondern gleichzeitig
können diese Studierenden die Experimente für die jeweiligen Altersstufen
mitkonzipieren. So bereiten sie sich
auch auf die eigene spätere Unterrichtspraxis vor. Bei dem Probelauf
waren auch die Vorsitzende der Bürgerstiftung, Anja Böllhoff, und Ilse
Bohn, Leiterin des Fachausschusses
für Projekte der Bürgerstiftung, dabei,
um die von ihnen unterstützten Studierenden kennenzulernen.
Schülerbetriebspraktika:
Handreichung für Lehrer
(BUZ) Das Projekt „Schule, Wirtschaft,
Arbeitsleben“, das durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung,
das Ministerium für Schule, Jugend und
Kinder des Landes NRW und durch den
Europäischen Sozialfond gefördert
wird, hat gemeinsam mit dem Arbeitsamt, der Universität Bielefeld und dem
Gildenhaus-Institut Module für die Vorbereitung und Nachbereitung von
Schülerbetriebspraktika in der Sekundarstufe I entwickelt.
Die Module sollen nun an fünf
Schulen weiter erprobt, optimiert und
evaluiert werden. Zu den Schulen
gehören die Hauptschule Oldentrup,
die Vennhofschule, die Gesamtschule
Rosenhöhe, die Realschule Jöllenbeck
und das Max-Planck-Gymnasium.
Vor kurzem ist nun eine Vereinbarung getroffen worden, die die Zusammenarbeit zwischen den Projektträgern Universität Bielefeld und Gildenhaus-Institut und den Schulen
regelt. Projektziel ist, eine praxisorientierte Handreichung für Lehrer
zu erstellen, die bundesweit eingesetzt werden kann. Viele Betriebe in
Bielefeld und Umgebung unterstützen das Projekt, indem sie Schülergruppen Betriebserkundungen ermöglichen und ihnen Praktikaplätze
zur Verfügung stellen.
Bielefelder Universitätszeitung 213/2003
Das Gemeinschaftsprojekt der Universität und der Stadt Bielefeld „Förderunterricht für Schülerinnen und Schüler nicht deutscher Herkunftssprache“ hatte Ende Januar zu einem ersten Jahresempfang in den großen Saal des Neuen
Rathauses eingeladen. Nach Grußworten von Oberbürgermeister Eberhard
David und Prorektor Wolfgang Krohn präsentierte Thorsten Mönning Untersuchungsergebnisse zum Förderunterricht. Zudem hatten die beteiligten Schülerinnen und Schüler ein kulturelles Programm (Lieder, Gedichte, Sketche) vorbereitet. Das Projekt Förderunterricht für Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund wurde vor zwei Jahren aus der Taufe gehoben und im letzten Jahr
von regionalen Sponsoren und von der Mercator-Stiftung in Essen großzügig
unterstützt. Auf der Basis einer individuellen Analyse des Förderbedarfs werden kleine Gruppen (mit maximal fünf Schülern) zusammengestellt, die dann
vor allem von Studierenden des Lehramts, aber auch des Faches Deutsch als
Fremdsprache, unterrichtet werden. Der individuelle Förderansatz, die hohe
Motivation der beteiligten Schülerinnen und Schüler und das Engagement der
studentischen Förderlehrer führen zu erstaunlichen Leistungssteigerungen und
damit zu motivierenden Erfolgserlebnissen für die Kinder und Jugendlichen.
Schule und Beruf
Betriebspraktikum für Lehrer
(BUZ) Um Schülerinnen und Schüler besser auf Schülerbetriebspraktika und
Berufswahlentscheidungen vorbereiten zu können, hatte das Projekt „Schule, Wirtschaft, Arbeitsleben“ der Universität Bielefeld zusammen mit dem
Gildenhaus-Institut und dem Städtischen Beirat „Schule und Beruf“ zu
einem Lehrerbetriebspraktikum eingeladen.
Mit dem Lehrerbetriebspraktikum
wollen die Organisatoren des Projekts erreichen, dass die Lehrerinnen
und Lehrer einen unmittelbaren Einblick in die Wirtschaft nehmen, ihr
Wissen hierüber ständig erweitern
und auf den neuesten Stand bringen. Berufswahlprozesse von Schülerinnen und Schülern können somit
kompetenter begleitet werden.
Das
Lehrerbetriebspraktikum
fand bei den Lehrerinnen und Lehrern eine erstaunliche Resonanz.
Fast 50 Lehrer von Gymnasien,
Gesamtschulen, Real-, Haupt- und
Sonderschulen sammelten Mitte
Januar praktische Erfahrungen in
den Bielefelder Betrieben Alba, AVA,
W. Bertelsmann-Verlag, Boge, Goldbeck-Bau, Bäckerei Lamm, MieleWerk Bielefeld, Möller-Werke, Dr.
Oetker, Siemens Bielefeld, Sparkasse
Bielefeld und Mohn Media in
Gütersloh.
Die Evaluation des Lehrerbetriebspraktikums werden Barbara
Koch und Ursula Reinartz durchführen. Zusammen mit den Lehrerinnen
und Lehrern sowie der Bezirksregierung in Detmold sollen Umsetzungsstrategien für die schulische Praxis
erarbeitet werden. Im Sommer 2003
ist darüber hinaus ein weiteres Lehrerbetriebspraktikum geplant.
51
Schule und Hochschule
Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft prämiert die sechs
besten Kooperationen zwischen Schule und Hochschule
„ÜberGänge“: Modell-Hochschule
mit gelungenem Konzept
(Stifterverband/BUZ) Die Humboldt-Universität Berlin, die Universitäten
Bielefeld, Bremen, Mainz und Oldenburg sowie die Fachhochschule Karlsruhe sind von einer Jury des Stifterverbandes als Modell-Hochschulen in der
Zusammenarbeit mit Schulen ausgezeichnet worden.
Für die Weiterentwicklung ihrer Programme und neue Initiativen für
Schülerinnen und Schüler werden sie
in den kommenden zwei Jahren im
Aktionsprogramm
„ÜberGänge“
mit insgesamt €500 000 Euro gefördert. An der Ausschreibung hatten
sich 74 Hochschulen beteiligt.
Mit dem Programm will der Stifterverband besonders gelungene
Gesamtkonzepte von Hochschulangeboten für Schülerinnen, Schüler
und Lehrer fördern und vernetzen,
die Partner zu einer vielfältigen und
vor allem systematisierten Zusammenarbeit etwa über die Entwicklung von Leitfäden zur Optimie-
rung dieser Kooperation anregen.
Dr. Arend Oetker, Präsident des
Stifterverbandes, sagte zu den Motiven des Aktionsprogramms: „Die
Hochschulen müssen mit ihren Angeboten in den Schulen präsenter sein
als bisher und für eine Zusammenarbeit gezielt Strategien entwickeln.
Gerade für die Natur- und Ingenieurwissenschaften müssen besonders
intensiv Informations- und Beratungskonzepte entwickelt werden –
und dies ganz entscheidend eben
nicht nur für Oberstufenschüler, sondern auch für Schüler der Unter- und
Mittelstufe, da sich bereits hier die
Interessensgebiete ausprägen.“
Zum zehnjährigen Bestehen der Lernwerkstatt der Fakultät für Pädagogik hat
das Zentrum für Lehrerbildung der Lernwerkstatt eine umfangreiche Sachunterrichtssammlung übergeben. Zur Übergabe der Sammlung waren Studierende,
Lehrende verschiedener Fakultäten, Lehramtsanwärter und zahlreiche Schulen
gekommen. Dadurch wurde auch sichtbar, dass sich die Lernwerkstatt in den
vergangenen zehn Jahren zu einer festen Schnittstelle zwischen der Universität
Bielefeld und der Region entwickelt hat. Die Weiterentwicklung der Lernwerkstatt wird sich künftig auf die gestuften Studiengänge in der Lehrerausbildung
richten. Zunächst können sich aber alle Nutzerinnen und Nutzer über das
erweiterte Angebot für den Sachunterricht und über die Vereinfachung durch
die Integration der Sachunterrichtssammlung in die Lernwerkstatt freuen. Weitere Informationen über die Lernwerkstatt finden sich im Internet unter:
www.uni-bielefeld.de/lernwerkstatt. Das Foto zeigt von links: Dietmar von
Reeken (Didaktik des Sachunterrichts), Volker Möhle (Geschäftsführer des
Zentrums für Lehrerbildung), Dagmar Hänsel (Gründerin der Lernwerkstatt)
und Susanne Miller (Leiterin der Lernwerkstatt).
52
Der Vorsitzende der Stifterverbands-Jury, IBM Deutschland-Chef
Erwin Staudt, lobte den Einfallsreichtum der von den Hochschulen entwickelten Konzepte.
Kriterium für die Auszeichnung
der Projekte sei aber nicht nur die Vielzahl an einzelnen Projekten, sondern
vor allem die Systematik der Angebotspalette innerhalb einer Hochschule. Staudt: „Etliche Hochschulen bieten einen Strauß von Einzelinitiativen
in diesem Bereich, aber nur wenige
haben sich daran gemacht, diese Aktivitäten zu koordinieren und in sinnvoller Weise aufeinander abzustimmen“.
Zu den von der Jury als besonders
herausragend beurteilten Gesamtkonzepten gehört das der Universität
Bielefeld. Diese hat ihre Kooperation
mit den Schulen in den letzten Jahren
systematisch zu einem differenzierten
Angebot für Schülerinnen und Schüler
ausgebaut. Zu den Modulen des
Gesamtkonzepts gehören:
• Orientierungs- und Informationsangebote für studieninteressierte Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe
II. (Schüler-Info-Tag, Herbstakademie
Physik, Tag der Chemie, Tag der
Mathematik,
Schülerbetriebspraktikum, dreitägige Schülerakademie „Eintauchen in die Wissenschaft“, Programm „Studieren ab 16“, Workshops
„Schreiben im Studium“, Herbsthochschule pea*nuts: Naturwissenschaft und Technik für Schülerinnen
der Oberstufe, Beteiligung am Girls’
Day, Angebote zur außeruniversitären
beruflichen Orientierung: „Duales
Praktikum“, Entscheidungsfindungsseminare „Abitur – was nun?“, jährliche
Berufseinstiegsmesse).
• Angebote für Schülerinnen und
Schüler der Grundschule und der
Sekundarstufe I (teutolab Chemie –
Mitmach- und Experimentierlabor in
der Chemie, teutolab Physik im Aufbau, Förderunterricht für Schülerinnen und Schüler nicht deutscher Herkunftssprache, Campusradio-Hertz
Junior, Entwicklung und Erprobung
von Modulen zur Vor- und Nachbereitung von Schülerbetriebspraktika,
Projekt „BiZEbS“ für Schülerinnen
und Schüler von Sonderschulen, Förderung interkultureller Begegnungen, Meet an international Student).
Bielefelder Universitätszeitung 213/2003
Schule und Hochschule
Sonifikation im Wetterbericht
von HERTZ 87.9
Wie klingt das
Wetter morgen?
(VhD) Daten können mit Tabellen,
Statistiken oder Grafiken dargestellt
werden. Man kann sie aber auch
hören: An der Universität Bielefeld
erforschen Dr. Thomas Hermann
und Jan Drees in der Arbeitsgruppe
Neuroinformatik um Professor Helge Ritter die Verklanglichung von
Daten. Diese Darstellung von Daten
mittels Klängen und Geräuschen
wird als Sonifikation bezeichnet.
Wie ein Stein, der ins Wasser geworfen wird und Kreise zieht, zieht auch das
teutolab der Universität Bielefeld Kreise in Ostwestfalen. Zirka 100 Grundschulklassen aus der Region besuchen pro Jahr das Experimentierlabor der
Fakultät für Chemie und erfahren ganz praktisch einen Einblick in die Welt der
Chemie. Die Kapazitäten reichen jedoch bei Weitem nicht aus, um alle Anfragen zu berücksichtigen, und die Wartelisten werden immer länger. Für dieses
Problem wurde nun mit dem im Dezember 2002 gegründeten teutolab-NETZWERK eine Lösung gefunden. Engagierte Chemielehrerinnen und Chemielehrer an weiterführenden Schulen in Ostwestfalen-Lippe haben sich auf Initiative des teutolab bereiterklärt, zu bestimmten Terminen Grundschulklassen
ihrer Umgebung in die Chemieräume ihrer Schule zum Experimentieren einzuladen. Die Versuchsvorschriften werden vom teutolab vorgegeben, das gern
zur Beratung und Unterstützung sowie für Lehrerfortbildungen zur Verfügung
steht. Ziel ist es, durch das Netzwerk möglichst flächendeckend in Ostwestfalen-Lippe Experimentiermöglichkeiten für Grundschulkinder anzubieten. Diese Initiative wurde jetzt vom Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft
ausgezeichnet. Es ist dies im übrigen das zweite Mal, dass das teutolab einen
der begehrten Preise vom Stifterverband erhielt. Mittlerweile haben 20 Schulen aus ganz Ostwestfalen-Lippe den Kooperationsvertrag mit dem teutolab
unterzeichnet, so dass von Bünde bis Beverungen und von Rheda bis Barntrup
Grundschulklassen ortsnah die Experimente des teutolab unter fachlicher
Anleitung durchführen und Chemie praktisch erfahren können. Das Foto zeigt
die Initiatorin des teutolab, Prof. Dr. Katharina Kohse-Höinghaus, während
der Gründungsversammlung des Netzwerkes mit den beteiligten Lehrern.
Foto unten: Das teutolab-Netzwerk: Ein Experimentiernetzwerk für Grundschulen in OWL.
Bielefelder Universitätszeitung 213/2003
Ein interessantes Anwendungsgebiet
sind Wetterdaten. In einem Pilotprojekt mit HERTZ 87.9, dem Campusradio der Bielefelder Hochschulen,
wird erstmalig der Wetterbericht
durch Sonifikation ergänzt. In 15
Sekunden wird die Wettervorhersage
des nächsten Tages durch Klänge
erfahrbar gemacht.
Sonifikationen nutzen viele Vorteile des Hörens, denn das Gehör ist
sehr empfindlich für unscheinbare
Klangveränderungen. Das Gehör
besitzt eine sehr hohe zeitliche Auflösung und ist besonders zur Verarbeitung verrauschter Signale befähigt.
Sonifikationen können zum Beispiel
Blinden eine neue Möglichkeit bieten, Informationen zu „sichten“.
Auch Mediziner können profitieren,
indem sie sich Daten (wie EKGDaten) anhören und dadurch ihre
Diagnose unterstützen. Mit der auditiven Wettervorhersage wird jetzt
erstmalig eine breitere Öffentlichkeit
mit diesem neuen Informationsmedium erreicht.
Die Wettervorhersage besteht
aus vielen Elementen (wie Wind,
Niederschlagswahrscheinlichkeit,
Luftfeuchtigkeit, Temperatur), deren
Werte sich während des Tages verändern. Die gesamte Datenmenge ist
so umfangreich, dass sie nicht im
Detail in der Wettervorhersage
besprochen werden kann.
So wie aber ein Bild mehr als
1000 Worte sagt, drückt das Klangbild der Wettervorhersage in weni53
Wissenschaft und Öffentlichkeit
gen Sekunden mehr aus, als sprachlich in gleicher Zeit mitteilbar wäre.
Die Sonifikationen erschließen
sich auch dem ungeübten Hörer, da
natürliche Klänge (Windgeräusche,
Regentropfen, Donner) verwendet
werden. Die Sonifikationen ermöglichen sehr leicht das Erfassen der
Veränderung des Wetters über den
Tag und eine „emotionale Bewertung“: Schönes Wetter klingt auch
schöner.
feld): „Was Hänschen nicht lernt,...“
– Frühzeitiges Experimentieren als
Wegbereiter für naturwissenschaftliches Verständnis?
2. Juni, Dr. Christoper Heath
(Max-Planck-Institut München): Das
Patentrecht zwischen Investitionsschutz und Interessen der Allgemeinheit.
16. Juni, Prof. Dr. Reinhold
Mokrosch (Theologie, Osnabrück):
Medizin macht kranke, Mathematik traurige und Theologie sündhafte Leute (Martin Luther 1525).
Ist Theologie nützlich oder schädlich?
23. Juni, Prof. Dr. Gertraud Teuchert-Noodt (Biologie, Bielefeld):
Hirnforschung: Was kommt davon
in der Öffentlichkeit an?
Mit dem Vortrag von Professor Klaus Dörner „Sind Heime für Behinderte und
Pflegebedürftige noch verantwortbar?“ ging das „Forum Offene Wissenschaft“
der Universität Bielefeld im Wintersemester 2002/2003 zu Ende. Dörner gehört
zu den bekanntesten deutschen Psychiatern. Er ist scharfer Kritiker der Heime
und fordert, wie Bielefelder Gesundheits- und Pflegewissenschaftler auch, im
Bundestag eine Kommission zur Enquete der Heime einzusetzen, „damit wir
endlich einmal herausfinden, was wirklich los ist in unseren Heimen“.
Forum Offene Wissenschaft
Bürger und Experten: Für
wen ist Wissenschaft gut?
(BUZ) Das Forum Offene Wissenschaft der Universität Bielefeld hat seine
Vorträge im kommenden Sommersemester unter das Motto „Bürger und
Experten: Für wen ist Wissenschaft gut?“ gestellt. Diese sind Teil des Programms „Hochschulstadt Bielefeld 2003 – Wissen schafft Einblicke“.
Das Forum wird am 28. April durch
Bürgermeister Detlef Helling und
Rektor Dieter Timmermann sowie
von den Organisatoren des Forums
Offene Wissenschaft eröffnet. Danach sieht das Programm folgende
Veranstaltungen vor:
5. Mai, Prof. Dr. Peter Finke
(Linguistik, Bielefeld): Wie drücke
ich mich möglichst unverständlich
aus? – Über Fachsprachen, Metaphern und andere Irrtümer.
54
12. Mai, Prof. Dr. Alfons Bora
(Soziologie, Bielefeld): Technikfolgen – Wer kontrolliert die Wissenschaft?
19. Mai, Dr. Robert Frank
(Soziologie, Berlin): Das Verhältnis
von Wissenschaft und Alternativmedizin. – Perspektiven von Patienten, Ärzten und Wissenschaftlern.
26. Mai, Prof. Dr. Katharina
Kohse-Höinghaus (Chemie, Biele-
30. Juni, Dr. Manfred Strecker
(Redakteur der ‚Neuen Westfälischen’ Bielefeld): Wissenschaft verständlich? – Chancen und Grenzen
des Wissenschaftsjournalismus.
7. Juli, Dr. Petra Pansegrau
(IWT, Bielefeld): Von Weltbeherrschern,
Menschenverbesserern
und anderen verrückten Wissenschaftlern. – Die Wahrnehmung
der Wissenschaft durch Hollywood.
14. Juli, Prof. Dr. Fritz Jost
(Rechtswissenschaft,
Bielefeld):
Streitschlichtende Rechtskultur –
Wo bleibt das Recht?
21. Juli, Prof. Dr. Rainer Dollase
(Psychologie, Bielefeld): Anmaßende
Laien – selbst entmachtete Experten.
Zum merkwürdigen Aufstieg des
Unwissens in der Wissensgesellschaft.
28. Juli, Prof. Dr. Ortwin Renn
(Soziologie, Stuttgart): Laien und
Experten: Möglichkeiten und Grenzen der Verständigung.
Die Vorträge finden jeweils um 18.15
Uhr im Hörsaal 14 der Universität
Bielefeld statt.
Bielefelder Universitätszeitung 213/2003
Wissenschaft und Öffentlichkeit
Jahr der Chemie
Jede Woche Neues und Spannendes
aus der Physikalischen Chemie
(BUZ) Im Rahmen des „Jahres der Chemie 2003“ veranstaltet die Bunsengesellschaft für Physikalische Chemie auf ihrer Website eine „Aktuelle
Wochenschau“, die von 52 verschiedenen Mitgliedern – Hochschullehrern,
Mitarbeitern von Forschungseinrichtungen, Industrievertretern – entwickelt
und aufgebaut wurde.
Die Idee stammt aus der Universität
Bielefeld, nämlich von der Professorin für Physikalische Chemie Katharina Kohse-Höinghaus. In jeder
Woche wird eine neue Website freigeschaltet. Anfang des Jahres stellte
sich die Arbeitsgruppe von Katharina
Kohse-Höinghaus vor. Hier finden
sich interessante Informationen zu
Forschungen aus der Physikalischen
Chemie, die in vielen Fällen Grundlage für zukunftsweisende Technolo-
gien sein können. In für interessierte
Laien und nicht zuletzt Schülerinnen
und Schüler verständlicher Form
wird über „Laserspektroskopie an
Flammen“, „Spektroskopie an Biomolekülen“, „Rußbildung in Flammen“ und „Materialabscheidung“
berichtet. Die freigeschalteten Websites bleiben das ganze Jahr über
abrufbar. Die Internetadresse der
Bunsengesellschaft lautet: www.
bunsen.de.
Wissens- und Technologietransfer
Abschied vom
Elfenbeinturm?
(G.K.) Deutsche Universitäten – ein
Auslaufmodell. So erscheint es
zumindest, wenn man die Entwicklung der letzten einhundert Jahre
betrachtet.
Deutschland war zu Beginn des 20.
Jahrhunderts ein nachahmenswertes
Modell für zahlreiche europäische
und außereuropäische Hochschulsysteme. Den internationalen Modellcharakter haben deutsche Universitäten eingebüßt, und in Umkehrung der früheren Situation werden
hierzulande gegenwärtig andere
Hochschulsysteme als nachahmenswert wahrgenommen.
Diese Entwicklung zeigt sich in
besonderer Schärfe, wenn man
Deutschland mit den USA vergleicht.
Übernahmen amerikanische Universitäten in der Vergangenheit wichtige
Strukturmerkmale des deutschen
Systems, so dominiert der „Mythos
Amerika“ die aktuelle hochschulpolitische Diskussion in Deutschland. Vor
Bielefelder Universitätszeitung 213/2003
Frank Meier, Andre Müller und Georg
Krücken (v.l.) wollen unter anderem
untersuchen, welche Chancen und
Risiken entstehen, wenn Universitäten
den Wissens- und Technologietransfer
forcieren.
allem hinsichtlich des direkten Transfers von Wissen und Technologien
zwischen Universitäten und Wirtschaftsunternehmen gilt das amerikanische System als flexibler und effektiver. Amerikanische Wissenschaftssoziologen sprechen bereits davon,
dass der Transfer zu einer gleichberechtigten „dritten akademischen
Mission“ neben Forschung und Lehre
avanciert. Demgegenüber scheinen
deutsche Universitäten im sprichwörtlichen Elfenbeinturm zu verharren.
Diese holzschnittartige Gegenüberstellung prägt die hochschulpolitische Auseinandersetzung und polarisiert zwischen Befürwortern und
Gegnern der „dritten akademischen
Mission“. Wie die Situation aber tatsächlich ist, worauf sich Gemeinsamkeiten und Unterschiede zurückführen lassen und welche Folgen die
Transferorientierung von Universitäten hat, ist allerdings noch kaum
erforscht. Derartige Fragen sind
Gegenstand eines Forschungsprojekts, das im März am Institut für
Wissenschafts- und Technikforschung
der Universität Bielefeld
beginnen wird. Das zunächst für
zwei Jahre von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderte Projekt steht unter der Leitung
von Dr. Georg Krücken, wissenschaftlicher Assistent an der Fakultät
für Soziologie. Mitarbeiter sind die
Diplom-Soziologen Frank Meier und
Andre Müller. Ziel ist es, mit Hilfe
quantitativer Indikatoren (Co-Publikationen von universitären und industriellen Forschern, Patentanmeldungen, industrienahe An-Institute) den
Wissens- und Technologietransfer in
beiden Hochschulsystemen differenziert und systematisch zu vergleichen. Dabei sind sowohl langfristige
Entwicklungsverläufe als auch kurzfristige Veränderungen von Relevanz. Zudem soll mit Hilfe von Fallstudien untersucht werden, welche
Chancen und Risiken entstehen,
wenn Universitäten den Wissensund Technologietransfer forcieren
und damit traditionelle Grenzziehungen zwischen der akademischen Forschung und ihrer ökonomischen Verwertung in Frage stellen.
Erste Überlegungen und Vorarbeiten zu dem Projekt entstanden
während eines 18-monatigen Forschungsaufenthalts des Projektleiters
an der Stanford University (USA)
zwischen 1999 und 2001. Das Projekt wird in Zusammenarbeit mit
einer Forschungsgruppe am dortigen
Department of Sociology durchgeführt. Arbeitsbesuche und gemeinsame Workshops sind geplant.
55
Transfer
Hannover-Messe 2003
Bielefelder Chemiker zeigen
Exponat zur Solarchemie
(BUZ) Auf der weltweit größten Industriemesse, die vom 7. bis 12. April in
Hannover stattfindet, sind die Bielefelder Chemiker Jochen Mattay und
Christian Schiel auf dem Gemeinschaftsstand „Forschungsland NordrheinWestfalen“ mit dem Exponat „Solarchemische Synthesen – Bausteine für
die Wirkstoffsynthese“ vertreten.
Zu dem auf der Hannover-Messe
gezeigten Exponat, an dem als
Kooperationspartner das Deutsche
Zentrum für Luft- und Raumfahrt,
Institut für Technische Thermodynamik, Solarforschung, beteiligt ist,
äußern sich Mattay und Schiel folgendermaßen:
Die modernen Gesellschaften
mit ihren Problemen einer verantwortungsvollen Nutzung der Energieresourcen werden nicht umhinkönnen, die Sonnenenergie zur
direkten Energiespeicherung und
Energieumwandlung zu nutzen.
Erste Aktivitäten auf diesem Gebiet
sind bereits zu verzeichnen, und ein
Beispiel ist die vom Land NordrheinWestfalen geförderte Arbeitsgemeinschaft Solar (AG Solar NRW),
an der auch die Universität Bielefeld
beteiligt ist. Ziel des hier vorgestellten Vorhabens ist, das Potential der
„photochemischen Friedel-CraftsReaktion“ für die Solarchemie nutzbar zu machen, denn das Metho-
denrepertoire der Photochemie bietet gegenüber den klassischen Verfahren der organischen Synthesechemie häufig den Vorteil der sauberen Reaktionsführung. Zusätze von
aktivierenden Reagenzien können
ebenso vermieden werden („Licht
als sauberes Reagenz“) wie die Bildung unerwünschter und umweltbelastender Nebenprodukte. Wenn
zudem die Substrate oder, im Falle
einer sensibilisierten Photoreaktion,
der Sensibilisator mit Sonnenlicht
angeregt werden kann, dann sind
die Voraussetzungen für die Entwicklung eines Umwelt- und
Resourcen-schonenden Syntheseverfahrens günstig. Die nach diesem
Verfahren zugänglichen Produkte
können als Ausgangsstoffe für die
Synthese von Naphthochinon-Antibiotika dienen.
Weitere Informationen: Prof.
Dr. Jochen Mattay, Fakultät für Chemie der Universität Bielefeld, Telefon
0521/106 2072.
Studentische Unternehmensberatung
Projekte erfolgreich abgeschlossen
(BUZ/STUNT) Für die Bertelsmann Services (jetzt arvato Bertelsmann) optimierten die Psychologie- beziehungseise Pädagogikstudentinnen Christien
Zedler und Tanja-Vera Herking einen auf neuesten wissenschaftlichen
Erkenntnissen basierenden Leistungsbeurteilungsbogen.
Nach Abschluss des Projekts der
Studentischen Unternehmensberatung STUNT e.V. bedankte sich Bertelsmann Services für die hervorragende Arbeit, konstatierte den Mitgliedern von STUNT ein sehr
überzeugendes fachliches Knowhow und drückte die Hoffnung aus,
bei ähnlichen Projekten in Zukunft
56
wieder die Unterstützung von
STUNT in Anspruch zu nehmen zu
können.
Bei Möller IT, der IT-Tochter
eines mittelständischen Automobilzulieferers aus der Region, führten
der Jurastudent Danilo Bauda und
die Wirtschaftsmathematikstudenten Horst-Hendrik Dringenberg und
Arno Kethorn ein komplettes ReDesign des Intranets durch. Möller IT
lobte die fachliche und soziale Kompetenz der STUNT-Berater und
bezeichnete die Ideen und Konzepte
der studentischen Berater als bereichernd und innovativ.
Weitere Informationen für Interessenten und Unternehmen finden
sich unter www.stunt-ev.de; Beate
Breuer, STUNT e.V., Telefon 0162/
8128435, E-Mail: beate.breuer@
web.de.
Graduate School in
Bioinformatics auf
der Medica
(BUZ) Die Bielefelder NRW Graduate School in Bioinformatics and
Genome Research war im vergangenen November in Düsseldorf auf der
weltgrößten Messe für Medizin und
Medizintechnik Medica 2002 vertreten, und zwar im Rahmen des ZEIT
FORUMs. Das von der Wochenzeitung „DIE ZEIT“ zum vierten Mal
veranstaltete Forum befasste sich
mit dem Arbeits- sowie Aus- und
Weiterbildungsmarkt in den Life
Sciences. Im Mittelpunkt standen
Karrierechancen für Mediziner,
Krankenhauspersonal, Naturwissenschaftler und Ingenieure. Dr. Klaus
Prank, Executive Manager der Bielefelder Graduate School, informierte
über „Ausbildung und Studium:
PhD-Programm Bioinformatics and
Genome Research“.
Die Universität Bielefeld hat in
den letzten Jahren beachtliche Erfolge in den Biowissenschaften, nicht
zuletzt in Genomforschung und Bioinformatik, erzielt. Die vom Land
Nordrhein-Westfalen
geförderte
Bielefelder Graduate School ist Ausdruck dieser Erfolge auch in der Ausbildung des wissenschaftlichen
Nachwuchses. Im Rahmen eines
speziellen Studien- und Betreuungsprogramms fertigen hier besonders
leistungsstarke Doktoranden aus
aller Welt ihre Dissertationen unter
hervorragenden Bedingungen für
ihre Forschungen an.
Bielefelder Universitätszeitung 213/2003
Transfer
Berufseinstiegsmesse Perspektive findet auch 2003 statt
gesamten Dauer der Messe durch ein
Team des Bundesleistungszentrums
der Trampolinspringer, das mit seinem
Leiter Roland Berger mutigen Messe(CD) Mit der Berufseinstiegsmesse, der Perspektive 2002, hatte sich die Zen- besuchern auf die Sprünge half – auf
trale Halle der Universität Bielefeld wieder in einen „Arbeits-Markt“ verwan- einem realen Trampolin.
Dass auch die Perspektive 2002
delt. Bereits zum dritten Mal begegneten sich Anbieter von und Nachfrager
wieder erfolgreich verlaufen konnte –
nach Qualifikationen im persönlichen Gespräch.
daran sind neben den nunmehr langStudierende sowie Absolventinnen Bielefeld, in seinem Grußwort die jährigen Kooperationspartnern (Arund Absolventen, die durch den wichtige Rolle einer derartigen Recrui- beitsamt Bielefeld, Gildenhaus-InstiBesuch der gemeinsam von der Uni- ting-Veranstaltung für den Berufsein- tut, IHK Ostwestfalen zu Bielefeld,
versität Bielefeld und der Fachhoch- stieg betonte. Abschließend sprach Unternehmerverband der Metallinduschule veranstalteten Messe einen André Schleiter, Projektleiter im The- strie Bielefeld und Universitätsgesellweiteren Schritt auf dem Weg in ihre menfeld Wirtschaft & Soziales der Ber- schaft) sowie den zahlreichen Fördeberufliche Zukunft gehen wollten, telsmann Stiftung, in Vertretung von rern und den Ausstellern noch weitere
nutzten intensiv die Gelegenheit, mit Martina Helmcke, der Geschäftsführe- Gruppen beteiligt. So war die freundliVertreterinnen und Vertretern von fast rin der „Initiative für Beschäftigung che Selbstverständlichkeit, mit der
50 Unternehmen und Institutionen im OWL e.V.“, die „sprungbrett owl“ vor innerhalb des Hauses im nunmehr dritpersönlichen Gespräch Möglichkeiten einem Jahr initiiert hat: „Sie als Hoch- ten Jahr die Messevorbereitungen
einer künftigen Zusambegleitet und vorangebracht
menarbeit
auszuloten.
wurden, für die Arbeit des
Ergänzend zu den Firmen
Organisationsteams wieder
stellten zwölf Bereiche aus
von enormer Bedeutung.
der Universität und der
Ebenso wichtig war die
Fachhochschule ihre vielfälbewährte Zusammenarbeit
tigen Angebote rund um
mit den externen Partnern
den Berufseinstieg vor.
aus dem DienstleistungsbeAußerdem konnten bereits
reich. Aber auch das studenim Vorfeld der Messe die
tische Messeteam, das sich
Studierenden auf ein innowie in den vergangenen Jahvatives Veranstaltungsanren aus engagierten Teilnehgebot zurückgreifen: Das
merinnen und Teilnehmern
Hochschulteam des Arbeitsdes Programms „Studierenamtes Bielefeld hatte mit
de & Wirtschaft“ zuseinen auf die Perspektive
sammensetzte, hat durch
2002 spezifisch zugeschnitseine kompetente Unterstüttenen Seminaren die Vorbezung sowohl in der Vorbereireitung auf möglichst effektung als auch am Tag der
tive Kontaktgespräche auf
Messe viel zum Gelingen der
der Messe unterstützt.
Veranstaltung beigetragen.
Vor der Kulisse der PräDie Perspektive 2002 wurde
sentation von „sprungbrett Von einem eigens geschulten Messeteam aus dem Kreis der wie die vergangenen Mesowl“, der virtuellen regio- Teilnehmer am Programm „Studierende und Wirtschaft“ sen im Rahmen des Career
nalen Transferbörse für sind die Firmenstände auf der Berufseinstiegsmesse logi- Service/Büro „Studierende &
Wirtschaft und Wissen- stisch betreut worden.
Wirtschaft“ von einem
schaft, eröffnete Rektor Dieter Tim- schulen haben einen Sprung zu mehr Organisationsteam vorbereitet, dem
mermann die Messe, die unter der Kooperation gewagt. Sie, die Unter- Christine Doppler, Dörte Husmann
Schirmherrschaft von Regierungsprä- nehmen haben heute den Sprung in und Heike Binder angehörten.
sident Andreas Wiebe stand, und die Hochschule unternommen, um die
Der Termin für die nächste Berufsdankte den ausstellenden Unterneh- Aufsprungmöglichkeiten in Ihren einstiegsmesse steht bereits fest: Die
men für ihre Präsenz. Die Rektorin der Unternehmen darzustellen. Und Sie Perspektive 2003 findet am DonnersFachhochschule Bielefeld, Professorin als Studierende suchen hier heute tag, den 20. November 2003, statt.
Beate Rennen-Allhoff, hob die Bedeu- Unterstützung bei dem Sprung in Ihre Informationen gibt es unter 0521tung der Perspektive für die Absolven- berufliche Zukunft. Ich wünsche Ihnen 106-4912/4913, über perspektive@
ten der Fachhochschule hervor, wäh- allen heute viel Erfolg. Springen Sie uni-bielefeld.de und im Internet unter
rend Heinz-Ulrich Thiemann, stellver- wohl!“ Illustriert und konkretisiert www.uni-bielefeld.de/career-service/
tretender Direktor des Arbeitsamtes wurde dieser Wunsch während der perspektive.
Uni-Halle als Arbeits-Markt
Bielefelder Universitätszeitung 213/2003
57
Universität und Wirtschaft
Organisatoren und Referenten des 3. OWL-Management-Kolloquiums (von
links): Helge Werner (Vorsitzender der Wirtschaftsjunioren Ostwestfalen), die
Professoren Fred. G. Becker und Helmut Steiner, Dr. Markus Miele, Dr. August
Oetker, Rektor Dieter Timmermann und Jörg-Uwe Goldbeck.
Management-Kolloquium OWL
Visionen und Strategien
in Familienunternehmen
(A.P.) „Visionen und Strategien in Familienunternehmen: Entwicklung,
Umsetzung und Kommunikation“ lautete das Thema des dritten Management-Kolloquiums Ostwestfalen-Lippe (OWL) in der Universität Bielefeld,
an dem vierzig namhafte Unternehmer und Top-Manager der regionalen
Wirtschaft teilnahmen. Referenten des Kolloquiums, das Rektor Dieter Timmermann als gutes Beispiel für die immer enger werdenden Beziehungen
zwischen Universität und Wirtschaft bezeichnete, waren die drei Unternehmer Dr. August Oetker, Dr. Markus Miele und Jörg-Uwe Goldbeck.
Zunächst skizzierte der Bielefelder
Wirtschaftswissenschaftler Fred G.
Becker die Zielsetzung des OWLManagement-Kolloquiums,
das
2000 als Kommunikationsplattform
für Wissenschaft und Wirtschaft
installiert worden sei. Die Universität
wolle Mittler zwischen Theorie und
Praxis sein sowie Unternehmer auf
künftige Herausforderungen aufmerksam machen. Bisher seien die
beiden voraufgegangenen Kolloquien zum „Führungsstilwechsel
nach Managementwechsel“ und
„Geschäftsführung, Beiräte, Gesellschafter: Spannungsfeld und Nutzen“ von jüngeren und älteren Entscheidungsträgern in OWL mit großem
Interesse
aufgenommen
worden. Zur Thematik des dritten
Management-Kolloquiums ‚Visionen
in Familienunternehmen‘ bemerkte
Becker: Familienunternehmen seien
58
anders. Sie würden sich nicht nur von
anonymen
Kapitalgesellschaften,
sondern auch von anderen Unternehmen unterscheiden. Dies zeige
sich auch bei den jeweiligen Visionen
zur Unternehmensführung. Sie seien
personenbezogen, hingen eng mit
der Persönlichkeit der Unternehmer
und der Spezifität der Familie zusammen. Als Basis für die Entwicklung
einer Strategie komme ihnen eine
entscheidende Rolle zu.
Der Erfahrungsaustausch wurde
zunächst von Dr. h.c. August Oetker
mit seinem Vortrag „Die Zukunft der
Familienunternehmen“ eröffnet. Er
berichtete aus seinen Erfahrungen
beim Einstieg in die Funktion des persönlich haftenden Gesellschafters der
Oetker-Gruppe im Jahre 1981. Führungsstruktur und -kultur des Unternehmens seien eng an die Person des
Vaters geknüpft gewesen; die
Zusammenarbeit basierte auf informellen Regeln, und es gab kaum
schriftliche Dokumentationen. Quasi
als Außenseiter stand er vor dem Problem, ein angemessenes Gewicht im
kompetent besetzten Führungsgremium zu gewinnen. Er habe bald
erkennen müssen, so Oetker, dass
viele Dinge nicht so umzusetzen sind,
wie er es sich wünschte. Geduld, Mut
und unternehmerische Intuition seien
notwendig gewesen, um sich eine
angemessene Stellung im Gesellschafter- und im Führungskreis zu
erarbeiten. Seine eigene unternehmerische Vision sei es, ein erfolgreiches Familienunternehmen zu bleiben. Dabei sollte die Vision aber nie
zum Selbstzweck werden. Das
Unternehmensleitbild sei in der Strategie „verpackt“. Das Besondere an
Familienunternehmen sei zudem der
Umgang mit der Zukunft. Im Familienunternehmen sei die Risikoeinschätzung anders als bei nicht inhabergeführten Unternehmen. Leitplanke müsse der Erhalt der
Kontinuität und eine längere zeitliche
Perspektive sein. Darüber hinaus hätten geschäftsführende Gesellschafter
nach Oetkers Einschätzung wahrscheinlich auch andere ethische
Ansprüche an sich selbst im Vergleich
zu Vorständen von Kapitalgesellschaften.
In einem weiteren Vortrag berichtete Dr. Markus Miele über den
„Generationenwechsel im Familienunternehmen – Visionen und Strategien im Wandel“. „Immer besser“
hatte Carl Miele, Günder des Gütersloher Haushaltsgeräteherstellers Miele, vor 100 Jahren auf die erste
Waschmaschine geschrieben. Ein Leitsatz, der bis heute gelte. Aber wie
schaffen es Familienunternehmen,
ihre Visionen auf die nächste Generation zu übertragen? Wie entwickeln
sie Strategien für die Zukunft? Miele
selbst kann auf der Vision des Urgroßvaters von einem Unternehmen, das
sich durch die Qualität seiner Produkte am Markt bewährt, aufbauen. So
hält er es auch für treffend, der Vision
seiner Vorgänger treu zu bleiben, ein
unabhängiges Familienunternehmen
zu bleiben und sich auf das Wäschesegment sowie wenige andere KernBielefelder Universitätszeitung 213/2003
Universität und Wirtschaft
kompetenzen zu konzentrieren. In
einigen Bereichen erwarte er jedoch
den Wandel der Vision.
Jörg-Uwe Goldbeck schloss mit
seinem Referat zu „Tradition und
Evolution – Unternehmensideen in
der 2. Generation“ den Überblick
über praktische Erfahrungen in
Familienunternehmen ab. Goldbeck
befindet sich gerade in der Phase der
„Staffel-Übergabe“ mit seinem
Vater. Der Generationswechsel sei
neu für sein Unternehmen und von
daher sicherlich schwieriger als in
einem Unternehmen, das bereits in
der 6. Generation geführt wird. Dem
Leitprinzip „Evolution und Tradition“ folgend, halte er unter anderem die Authentizität im Verhalten
eines jeden Nachfolgers für notwendig, um das inhaltliche wie persönliche Standing als Inhaber erreichen
zu können. Sein Weg sei daher ein
„persönlichkeitsverträgliches
Abkupfern“, so Goldbeck. Abkupfern möchte er beispielsweise einige
kulturprägende Grundsätze des
Vaters: „Vertrauen vor Kontrolle“
sowie „Abgeben von Aufgaben“.
Hiermit möchte Goldbeck getreu
seinen Überzeugungen den Erwartungen der Mitarbeiter an Kontinuität und gleichzeitigen Aufschwung
gerecht werden. Es gelte, die Unternehmensstrategie eines umfassenden Dienstleistungskonzeptes des
Generalunternehmers zu realisieren
und weiter zu entwickeln.
Der Einzelhandelsverband Ostwestfalen-Lippe unter Leitung des Vorsitzenden Reinhard D. Wolf und des Hauptgeschäftsführers Stefan Genth kamen am
Tag der Berufseinstiegsmesse zu einem Informationsbesuch in die Universität
Bielefeld. Nach der Eröffnung der Messe und einem kurzen Messe-Rundgang
informierten sich die Gäste im Laborbereich von Professor Ulrich Heinzmann
(Fakultät für Physik) über neueste Entwicklungen in der Nanophysik und
besuchten anschließend das „teutolab“, das Mitmach- und Experimentierlabor in der Fakultät für Chemie. Den Abschluss bildete ein Gespräch im Rektorat, an dem neben Rektor Dieter Timmermann und Kanzler Hans-Jürgen Simm
auch Professoren der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften teilnahmen.
25 Prozent
mehr Drittmittel
(BUZ) Mit 37,35 Millionen Euro aus
Drittmitteln und Zentralmitteln des
Landes Nordrhein-Westfalen für
Projektforschung hat die Universität
Bielefeld im Jahr 2002 ihr Ergebnis
aus dem Vorjahr deutlich um 7,54
Millionen Euro übertroffen. Das entspricht einer Steigerung um 25 Prozent. Der Mittelanstieg betrifft fast
alle Drittmittelgeber (wie Volkswagen-Stiftung, Europäische Union,
Wirtschaft). Das Gros des Zuwachses entfällt auf Bundesmittel und
Mittel der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG).
Besuch der IHK-Spitze in der Universität: Zu einem Gespräch mit dem Rektorat
trafen sich der Präsident der Industrie- und Handelskammer Ostwestfalen zu
Bielefeld Herbert Sommer sowie Hauptgeschäftsführer Thomas Niehoff und
dessen Stellvertreter Christoph Vonderheide. Themen waren Überlegungen zu
einer angedachten regionalen Verbleibsstudie zu den Universitätsabsolventen,
die Auswirkungen der Studienreform (Bachelor/Master-Modellversuch) auf den
Arbeitsmarkt sowie Fragen des Wissenstranfers und der Existenzgründung.
Anschließend informierten sich die Gäste zusammen mit dem Handelsausschuss
der IHK im Arbeitsbereich von Physikprofessor Ulrich Heinzmann unter anderem
über die Erzeugung ultrakurzer Lichtblitze, die im letzten Jahr für weltweites
Aufsehen gesorgt hatte. Das Foto zeigt von rechts Prorektor Christoph Gusy,
Christoph Vonderheide, Herbert Sommer, Thomas Niehoff, Prorektor Gerhard
Sagerer, Dr. Gerd Meier (Referent des Rektors), Kanzler Hans-Jürgen Simm und
Rektor Dieter Timmermann.
59
Universitätsgesellschaft
„Theorie und Praxis der Personalarbeit“ heißt ein Seminar des Bielefelder
Wirtschaftswissenschaftlers Fred G. Becker, das er zusammen mit Miele &
Cie. und der Seidensticker-Unternehmensgruppe im Wintersemester
2002/2003 durchführte. Unter der wissenschaftlichen und praktischen Leitung von Becker haben Studierende der Wirtschaftswissenschaften Seidensticker- und Miele-relevante Themen untersucht. Die Studenten stellten theoretische Erkenntnisse der betrieblichen Praxis gegenüber. Nach der Präsentation der Seminararbeiten zunächst bei Miele stellten die Studenten jetzt auch
im Hause Seidensticker (Foto) ihre Arbeiten und Ergebnisse vor. Sie befassten
sich dabei mit aktuellen Problemstellungen moderner Personalarbeit, wie Personaleinführung, Nachwuchsförderung und internationalen Ausbildungsprogrammen.
erschienenen Mitgliedern der Westfälisch-Lippischen
Universitätsgesellschaft einen Einblick in ihr Forschungsgebiet.
Ebenso wie Martina HielscherFastabend stellten auch die für ihre
Dissertation ausgezeichneten Nachwuchswissenschaftler ihre Arbeiten
allgemeinverständlich und in Kürze
vor. Den mit je 600 Euro€ dotierten
Dissertationspreis der Universitätsgesellschaft, die – so Vorstandsvorsitzender Ortwin Goldbeck und
Geschäftsführer Professor Helmut
Steiner – mit den Auszeichnungen
den „hohen Leistungsstand unserer
Universität unterstreichen“ will,
erhielten folgende Doktoren und
Doktorinnen:
Preisverleihung der Universitätsgesellschaft
Preise erneut von Unternehmen der Region gesponsert
Ausgezeichnete Dissertationen – Preis für
Habilitation an Martina Hielscher-Fastabend
(BUZ) Die Westfälisch-Lippische Universitätsgesellschaft hat ihre Wissenschaftspreise 2002 vergeben. Sie zeichnete elf Doktorarbeiten aus, die an
der Universität Bielefeld entstanden sind, und eine Habilitation.
Den mit 3000 Euro€ dotierten Habilitationspreis erhielt die Bielefelder
Klinische Linguistin Martina Hielscher-Fastabend für ihre Habilita-
tionsschrift „Emotionskonzepte und
Prozesse emotionaler Sprachverarbeitung“. Mit einem Vortrag des selben Titels gab sie den zahlreich
Die Universitätsgesellschaft vergab im Zentrum für interdisziplinäre Forschung
der Universität Bielefeld ihre Wissenschaftspreise 2002. Das Foto zeigt von
links: Anatoli Rakhkochkine, Rektor Dieter Timmermann, Nicole Ameskamp,
Frank Weiler, Natalija Hohnjec, Ortwin Goldbeck, Elena Carbone, Peter
Siffalovic, Frank Uekötter, Sonja Grigoleit, Susanne Kaul, Martina HielscherFastabend, Professor Helmut Steiner.
60
Dr. Martina Hielscher-Fastabend
Nicole Ameskamp (Biotechnologie), Elena Carbone (Psychologie),
Sonja Grigoleit (Chemie), Natalija
Hohnjec (Biologie), Enrique Huelva
Unternbäumen (Linguistik), Susanne
Kaul (Literaturwissenschaft), Konstanze Piel (Soziologie), Anatoli
Rakhkochkine (Pädagogik), Peter
Siffalovic (Physik), Frank Uekötter
(Geschichtswissenschaft) und Frank
Weiler (Rechtswissenschaft).
Folgende Unternehmen und
Stiftungen aus der Region sponserten die Dissertationspreise: Bertelsmann AG (Gütersloh), Böllhoff
GmbH (Bielefeld), Claas OHG (Harsewinkel), Goldbeck Bau (Bielefeld),
Harting KGaH (Espelkamp), Ida und
Richard Kaselowsky-Stiftung (Bielefeld), Melitta Bentz KG (Minden),
Miele & Cie. (Gütersloh), Textilkontor Walter Seidensticker (Bielefeld),
Sparkasse Bielefeld, Gerry Weber AG
(Halle).
Bielefelder Universitätszeitung 213/2003
Bildung im Umbruch
Ringvorlesung „Bildung im Umbruch“
Bildung ist „Hilfe bei der Orientierung
in Streitfragen der Gegenwart“
In der Ringvorlesung „Bildung im Umbruch“, die gemeinsam vom Verein für
Philosophie Bielefeld und vom Zentrum für interdisziplinäre Forschung (ZiF)
der Universität Bielefeld veranstaltet wurde, ging es aus interdisziplinärer Perspektive um die Frage, welche Konzeption von allgemeiner Bildung heute
angemessen und welche Bedeutung den Ergebnissen der PISA-Studie beizumessen ist.
Bildung ist wieder im Gespräch. Nachdem über Jahrzehnte in Deutschland
ein vergleichsweise festgefügter Bildungskanon vorgeherrscht hatte, war
die Szene in den reformfreudigen
1970er Jahren in Bewegung geraten.
Die Oberstufenreform war maßgeblich von dem Gedanken bestimmt,
sich von dem als versteinert empfundenen traditionellen Bildungskanon
zu lösen und dem Einzelnen eine
eigenständigere Auseinandersetzung
mit Kulturgütern zuzugestehen und
zuzumuten. Die Auszeichnung bestimmter Inhalte als bildungsrelevant
galt zunehmend als problematisch
und wurde nach Möglichkeit vermieden.
Heute hat die Gegenbewegung
eingesetzt. Die allgemeine Bildung ist
wiederentdeckt
worden.
Viele
Bundesländer haben die Wahlmöglichkeiten in der reformierten Oberstufe mittlerweile wieder deutlich eingeschränkt. Unter der Überschrift
„Das müssen Sie wissen“ werden
Tests vorgestellt, die das Allgemeinwissen zuverlässig abfragen sollen.
Dietrich Schwanitz hat mit seinem
kühn betitelten Buch „Bildung: Alles
was man wissen muss“ in die gleiche
Richtung eines fest umrissenen Bildungskanons argumentiert. Neue
Verbindlichkeiten sind also angesagt.
Diese Neuorientierung hat durch die
in der PISA-Studie aufgedeckten Defizite im Schulbereich Auftrieb erhalten.
Die Frage nach dem Bildungsauftrag
von Schule und Universität bewegt
weite Kreise der Öffentlichkeit.
Der Neuhumanismus hat das Bildungsideal in Deutschland für mehr
als ein Jahrhundert maßgeblich
geprägt. Diese mit dem Namen Wilhelm von Humboldt verbundene BilBielefelder Universitätszeitung 213/2003
dungsidee ist durch zwei Überzeugungen geprägt. Erstens dient Bildung
der Entfaltung der Kräfte des Einzelnen. Praktische Anforderungen oder
die Herausforderungen des Berufslebens haben hier keinen Platz. Vielmehr soll sich der heranwachsende
Mensch zunächst zu einer vollentwickelten Persönlichkeit bilden. Zwei-
tens soll diese Entfaltung der persönlichen Kräfte am besten durch das
Studium einer großen, einer klassischen Kultur befördert werden. Daraus stammt die Betonung der Antike
und der griechischen und lateinischen
Sprache.
Obwohl sich die Bildungskonzeptionen der in der Ringvorlesung Vortragenden in vielerlei Hinsicht unterschieden, verpflichteten sich doch die
meisten auf diese Vorstellung der allgemeinen Bildung als Persönlichkeitsbildung und als Entfaltung von Fähigkeiten. Der Altphilologe Manfred
Fuhrmann (Konstanz) kam dabei auch
der zweiten genannten Überzeugung
am nächsten. Für Fuhrmann ist Bildung eine Form des Bewahrens der
Tradition. Dabei kommt insbesondere
antiken Stoffen ein besonderer Bildungswert zu. Sie schärfen den Blick
61
Bildung im Umbruch
auf die Gegenwart, indem sie die Einnahme einer andersartigen, mit der
heutigen konstrastierenden Perspektive ermöglichen, und sie vermitteln am
besten politische und kulturelle
Grundorientierungen. Darüber hinaus
setzte sich Fuhrmann für das Festhalten an einem historisch und literarisch
geprägten Kanon von Bildungsgütern
ein und wehrte sich gegen die Fixierung auf inhaltlich unbestimmt bleibende Qualifikationen und Kompetenzen.
Auch der Philosoph Andreas
Cesana (Mainz) verpflichtete sich auf
einen humanistisch geprägten Bildungsbegriff, sah aber in der Fähigkeit
zur Durchdringung von Streitfragen
der Gegenwart die herausragende Bildungsleistung. Viele dieser Fragen
werden durch die Wissenschaft aufgeworfen, können aber nicht in ihrem
Rahmen beantwortet werden. So stellen die modernen Biowissenschaften
den Menschen vor ethische Herausforderungen, bei deren Bewältigung
sie andererseits kaum Hilfestellung leisten. Zur Orientierung bedarf es vielmehr der Bildung, die ihrerseits aus
der Weitung des Horizonts erwächst,
wie sie sich aus der Beschäftigung insbesondere mit literarischen und philosophischen Inhalten ergibt.
In diesem kulturwissenschaftlich
geprägten Bildungsbegriff spielen die
Naturwissenschaften offenbar keine
Rolle. Tatsächlich sind die Naturwissenschaften typischerweise aus ganz
anderen Gründen Teil des schulischen
Fächerkanons. Sie sollen den praktischen Bedürfnissen des Lebens und
der Berufswelt dienen. Dagegen setzte der Wissenschaftshistoriker Ernst
Peter Fischer (Konstanz) nachdrücklich die These vom Bildungswert der
Naturwissenschaften. Diese „andere“, eben naturwissenschaftliche Bildung bildet die Grundlage für ein Verständnis sowohl der technisch erzeugten wie der natürlichen Umwelt des
Menschen. Überdies sind die Naturwissenschaften aber auch Teil der allgemeinen Kulturentwicklung. Dies
zeigt sich zum Beispiel in der ungefähr
gleichzeitigen Auflösung traditioneller
Vorstellungen von Raum und Zeit in
der Relativitätstheorie und in der
Kunst des Kubismus. Die Naturwis62
senschaften beleuchten daher nicht
allein das Verhältnis von Mensch und
Welt, sondern werfen auch ein neues
Licht auf die Geistesgeschichte.
Die meisten Vortragenden der
Reihe distanzierten sich von der PISAStudie. Die in dieser getesteten Kompetenzen wiesen keinen Bezug zur Bildung auf. Dagegen verteidigte der
Erziehungswissenschaftler Klaus-Jürgen Tillmann (Bielefeld) deren Aussagekraft. Tillmann, der als Mitglied des
nationalen PISA-Konsortiums an der
Durchführung der Studie beteiligt
war, gab ohne weiteres zu, dass die
dabei gemessenen Fähigkeiten zum
Erfassen von Texten und zur Anwendung von Rechenmethoden auf Alltagsprobleme nicht Bildung ausmachen. Sie bildeten gleichwohl eine
wesentliche Voraussetzung für deren
Erwerb. Gegenstand der PISA-Studie
sind Kompetenzen, die von besonderen Lehrplänen unabhängig und zum
Bestehen der Herausforderungen des
Alltagslebens
erforderlich
sind.
Grundlegender noch als die Streitfrage, ob sich Schüler eher bei Goethe
oder bei Einstein, besser bei Bismarck
oder bei Darwin auskennen sollen, ist
das Verlangen, dass sie einen Fahrplan
lesen oder sich die zentralen Aussagen
von Gebrauchstexten erschließen
können sollten.
Den Abschluss der Vortragsreihe
bildete der Bielefelder Emeritus Hartmut von Hentig, auf den nicht allein
die Konzeptionen von Laborschule
und Oberstufen-Kolleg zurückgehen,
sondern der darüber hinaus seit den
1960er Jahren eine Vielzahl von
Reformanstößen für die Schulpädagogik und die Erziehungswissenschaft
insgesamt gegeben hat. Für von Hentig wird Bildung unter anderem durch
drei Forderungen bestimmt. Erstens
stellt Bildung ein Gesamtbild bereit.
Sie erschöpft sich nicht in der Kenntnis
von Einzelheiten, noch auch in verstreuten Fähigkeiten. Vielmehr setzt
Bildung solche Einzelstücke in Beziehung zueinander und verwebt sie zu
einer Ganzheit. Zweitens entsteht Bildung im Ausgang von den Problemen
des Lebens. Insbesondere dürfen
daher die schulischen Inhalte nicht
durch eine rigide Systematik festgelegt sein. Vielmehr muss das Leben in
die Schule gebracht werden. Drittens
geht es bei Bildung wesentlich um
Kompetenzen; Inhalte sind demgegenüber nachrangig. Hatte Fuhrmann geltend gemacht, dass Kompetenzen ohne Inhalte leere Abstraktionen bleiben, fürchtete von Hentig
umgekehrt, dass Inhalte ohne Kompetenzen zu einem lebensfernen
Kanon erstarren. Für von Hentig ist
Bildung vielmehr durch die Ausbildung von Kompetenzen auf drei Ebenen bestimmt, nämlich die Entwicklung der Kräfte des Einzelnen (die persönliche Bildung), die Fähigkeit zu
einem Leben in der geschichtlichen
Welt und der arbeitsteiligen Gesellschaft (die praktische Bildung) und
das Vermögen zur Teilnahme an den
gesellschaftlichen Prozessen (die politische Bildung).
Die Vortragsreihe war durch vielfältige inhaltliche Gegensätze geprägt. Argumentiert wurde für und
gegen einen festen Kanon von Bildungsinhalten, für und gegen den Bildungswert der Naturwissenschaften,
für und gegen die Aussagekraft der
PISA-Ergebnisse. Diese kontrastive
Anlage enthielt das Angebot an die
Zuhörer, sich selbst eine Meinung zur
Frage „Bildung im Umbruch?“ zu bilden. Fasst man mit Cesana Bildung als
Hilfe bei der Orientierung in Streitfragen der Gegenwart auf, so befasste
sich die Reihe nicht allein mit Bildung,
sondern stellte auch ein Forum für die
persönliche Weiterbildung bereit.
Martin Carrier
„PISA lesen“
(BUZ) Kritik an der Methodik und
den Ergebnissen der PISA-Studie zur
Lesekompetenz hat Professor Bernd
Switalla von der Fakultät für Linguistik und Literaturwissenschaft der
Universität Bielefeld geübt. Die auch
weiterhin lesenswerte Kritik ist im
vergangenen Jahr in „UniversitasOnline“ auf der Website des Hirzelverlags unter dem Titel „PISA lesen.
Implikationen der Lesekompetenz“
veröffentlicht worden. (www.hirzel.de und von dort aus UniversitasOnline 2002 anklicken.)
Bielefelder Universitätszeitung 213/2003
Schulprojekte
Max-Planck-Institut für Bildungsforschung
Bielefelder Laborschule
stellt sich dem PISA-Test
(BUZ) Die international-vergleichende Schulleistungs-Studie PISA hat deutlich gemacht, welch große Kompetenzdefizite viele deutsche Schülerinnen
und Schüler in Lesen, Mathematik und Naturwissenschaften aufweisen. In
der öffentlichen Diskussion werden seitdem vielfältige Reformforderungen
erhoben – von der frühen Förderung der Fünfjährigen über die Einrichtung
von mehr Ganztagsschulen bis hin zum Abschaffen des Sitzenbleibens.
Wie aber schneidet eine Schule bei
PISA ab, die die meisten dieser
Reformkonzepte längst verwirklicht
hat? Diese Frage lässt sich nun
anhand der von Hartmut von Hentig
1974 in Bielefeld gegründeten Labor-
Mitarbeiter des Berliner Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung stellten die
Ergebnisse der mit dem PISA-Instrumentarium getesteten Laborschule vor; links
auf dem Bild Hartmut von Hentig, rechts Schulleiterin Susanne Thurn und daneben Klaus-Jürgen Tillmann.
schule – einer Versuchsschule des
Landes Nordrhein-Westfalen an der
Universität Bielefeld – beantworten:
Die Forscher des Berliner MaxPlanck-Instituts für Bildungsforschung (MPI) haben im Mai 2002 alle
15-jährigen Schülerinnen und Schüler
der Bielefelder Laborschule mit dem
PISA-Instrumentarium getestet.
Die Ergebnisse sind unlängst
vom Berliner Max-Planck-Institut für
Bildungsforschung
veröffentlicht
worden: „Kompetenzerwerb und
Persönlichkeitsentwickung:
Eine
Untersuchung an der Laborschule
Bielefeld im Rahmen von PISA“. Die
Ergebnisse finden sich unter:
www.uni-bielefeld.de/Universitaet/Einrichtungen/Pressestelle/dok
umente/laborschule_pisa2.html.
Schulleiterin Dr. Susanne Thurn
und Prof. Dr. Klaus Jürgen-Tillmann,
Wissenschaftlicher Leiter der Laborschule, haben zu den Ergebnissen des
Max-Planck-Instituts Stellung genommen: „Starke Werthaltungen,
hohe Verantwortungsbereitschaft,
gute Fachleistungen“. Die Stellungnahme findet sich unter: www.unibielefeld.de/Universitaet/Einrichtungen/Pressestelle/dokumente/laborschule_pisa1.html.
Eine Projektgruppe des Oberstufen-Kollegs
arbeitete im südamerikanischen Ecuador
„Entwicklungshilfe“ lernen –
für sich und andere
„Entwicklungszusammenarbeit und Umweltschutz“
war das Thema, auf das sich eine Projektgruppe von elf
Kollegiatinnen und Kollegiaten des Bielefelder Oberstufen-Kollegs über ein Jahr lang vorbereitet hatte.
Nach der Theorie kam die Praxis: Eine sechswöchige
Reise nach Ecuador, die eigenes Lernen mit der Hilfe für
andere verband. Zusammen mit einer Kooperative wurde in einem armen Dorf ein großes Gewächshaus aus
Bambus errichtet; an einer Partneruniversität baute die
Gruppe Solaröfen, und eine landeskundliche Reise führte zum Abschluss in den Amazonas-Dschungel.
Projekte als offene, realitätsnahe
Lernanlässe gelten potenziell als
besonders ertragreich. In Reisen
kommt noch der Abstand vom
gewohnten Alltag dazu, wodurch
Bielefelder Universitätszeitung 213/2003
In Daular, einem armen Dorf in der Umgebung von Guayaquil, halfen Kollegiaten am Aufbau eines 500 Quadratmeter
großen Gewächshauses aus Bambus und lernten die Realität und die Schwierigkeiten dörflicher Selbstorganisation
und lokaler Entwicklungsprojekte unmitttelbar kennen.
Herausforderungen entstehen, die
zu Lernanlässen für neue Muster des
Verhaltens und der Kommunikation
werden, das ernsthafte Ausprobieren neuer Rollen und das Hinein-
wachsen in neue Aufgaben ermöglichen. Solche Lerngelegenheiten
sind aufwendig, führen aber in
Dimensionen des Lernens, die im
„normalen“ Unterricht nicht erreich63
Schulprojekte
bar sind. Eine Versuchsschule wie
das Oberstufen-Kolleg hat die
Chance, im Rahmen seiner vielfältigen Lerngelegenheiten und Unterrichtsarten auch solche Projekte mit
Ernstcharakter systematisch zu entwickeln und zu erproben.
Erfolgreiche Entwicklungsprojekte können nur in Zusammenarbeit
mit solide verankerten Partnern vor
Ort gelingen: Das Colegio Aleman
Humboldt in Guayaquil, eine der
renommiertesten Schulen in Ecuador, suchte einen Projektpartner für
ein Umweltprojekt. Dank früherer
Kontakte und umfangreicher Erfahrung des Oberstufen-Kollegs mit
umweltbezogenen Projekten konnte
eine Zusammenarbeit sehr schnell
hergestellt werden. Die Escuela Politecnica del Litoral (ESPOL), ebenfalls
in Guayaquil, mit der uns schon seit
Jahren eine offizielle Partnerschaft
verbindet, entwickelt Bildungsprogramme und eine Ausstellung angepasster Technologien für die ländliche Bevölkerung und bat dafür um
unsere Mithilfe. Bei einem Empfang
im Rektorat der Partneruniversität
ESPOL konnte nebenbei die Planung
eines Vorhabens vorangetrieben
werden, dessen Finanzierung inzwischen durch Mittel des Deutschen
Die Escuela Politecnica del Litoral hatte das Oberstufen-Kolleg gebeten, für
einen Wissenschafts- und Technikpark Parabol-Solaröfen zu konstruieren, mit
denen in den sonnenreichen Gegenden Ecuadors Brennholz gespart werden
kann. Aus mitgebrachten Teilen wurden die Geräte gemeinsam mit Studierenden und Lehrenden der Partneruniversität aufgebaut und in einer feierlichen
Zeremonie dem Wissenschaftspark übergeben.
Akademischen Austauschdienestes
gesichert wurde: Darin werden in
den kommenden Jahren innovative
Lehr- und Lernverfahren sowie
Module einer naturwissenschaftlichen Grundbildung für die Studieneingangsphase und die Oberstufe
zusammen mit einer weiteren Partneruniversität aus Chile entwickelt.
Bei einem Besuch der Bielefelder Kollegiaten in der Deutschen Botschaft in Quito machte Botschafter Sepp Jürgen Wölker deutlich, dass aufgrund instabiler
staatlicher Rahmenbedingungen Projekte der „großen Entwicklungshilfe“ in
Ecuador kaum Chancen auf Erfolg hätten. Insofern seien Projekte, wie die des
Oberstufen-Kollegs, die von unten ansetzten und die Fähigkeit zur Selbstorganisation in den Menschen stärken, derzeit wohl die erfolgversprechendste Möglichkeit sinnvoller Hilfe. Von Experten der Deutschen Botschaft ist das mit Hilfe
des Oberstufen-Kollegs gebaute Gewächshaus als überaus gelungen eingeschätzt worden, so dass bei ähnlichen Projekten finanzielle Unterstützung signalisiert worden ist. Im Übrigen konnten die Arbeiten der Kollegiatinnen und
Kollegiaten vor Ort mit finanzieller Hilfe des Konkreten Friedensdienstes, einer
Organisation der Carl Duisberg Gesellschaft, realisiert werden.
64
Nach dem Abschluss unserer
Projektarbeiten verblieb noch etwas
Zeit, die wir für eine landeskundliche
Reise nutzten. Ein Besuch der
Hauptstadt Quito bot die Möglichkeit, etwas von der Kultur und kolonialen Vergangenheit des Landes
kennen zu lernen. Eine Reise in das
Amazonas-Tiefland verband Herausforderung und Abenteuer mit
dem persönlichen Kennenlernen des
großen Umweltthemas „Regenwald“.
Je nach Phase der Reise fanden
sich somit die Kollegiatinnen und
Kollegiaten in ganz verschiedenen
Rollen wieder: Während der Zeit des
Gewächshausbaus waren sie Dorfmitglieder und Arbeiter unter einfachsten Bedingungen; als „höhere
Söhne und Töchter“ führten sie ein
Leben der Mittel- und oberen
Schicht des Landes in der Phase, als
sie in den Familien der Gasteltern der
Deutschen Schule lebten, und im
letzten Teil der Reise sahen sie das
Land aus der Perspektive von Touristen. Die praktische und gedankliche
Auseinandersetzung mit diesen verschiedenen Rollen erwies sich ebenfalls als hoch lehrreich – wann hat
man sonst schon Gelegenheit, so
etwas auszuprobieren?
Gottfried Strobl
Bielefelder Universitätszeitung 213/2003
Schulprojekte
Gesellschaft für Exilforschung / Oberstufen-Kolleg
Echolos? Klangwelten verfolgter
Musikerinnen in der NS-Zeit
„Haben Sie schon einmal eine Komponistin gesehen?“ So und ähnlich lauteten diffamierende und diskriminierende Polemiken von Musikkritikern in
den Dreißiger und Vierziger Jahren des vorigen Jahrhunderts, wenn es
darum ging, das Werk einer Komponistin zu besprechen. Diese Zeiten sind
längst vorbei, und doch erntet man auch heute noch einen fragenden Blick,
wenn sich eine Tagung drei Tage lang mit den Klangwelten von Musikerinnen in der NS-Zeit auseinandersetzt. Zu groß sind die Kenntnislücken, zu
schwer ist das Gewicht des Verlustes von Leben und Werk von Musikerinnen in der NS-Zeit und im Exil.
Ende des vergangenen Jahres fand
im Oberstufen-Kolleg die 12. Jahrestagung der Arbeitsgruppe Frauen im
Exil der Gesellschaft für Exilforschung
in Zusammenarbeit mit dem Oberstufen-Kolleg und dem Orpheus
Trust, Wien, statt. Von Dr. AnnaChristine Rhode-Jüchtern und Dr.
Maria Kublitz-Kramer (OberstufenKolleg) sowie Dr. Inge Hansen-Schaberg und Renate Wall vorbereitet
und durchgeführt, gehörten neben
einer Vielzahl von Fachreferaten zwei
hochkarätige Abendveranstaltungen
sowie ein ebenso hochkarätiges
Gesprächskonzert zum Tagungsprogramm. Der Bielefelder Künstler Jürgen Heckmanns begleitete die
Tagung mit der Installation „Erinnern
und Vergessen“. Die amerikanische
Komponistin Pia Gilbert, in Deutschland trotz ihrer deutschen Geburt so
gut wie unbekannt, in den Vereinigten Staaten jedoch eine bekannte
Vertreterin der experimentellen
Moderne, eröffnete die Tagung mit
einem Grußwort per Video.
Eine entwickelte Synopse der
Geschichte von Musikerinnen in der
NS-Zeit und im Exil ist nicht in Sicht.
Die Tagung setzte deshalb innerhalb
des prinzipiell bekannten Terrains der
strukturellen Verfolgung in der NSZeit neben der theoretischen Besichtigung der „Leerstellen“ innerhalb
der musikwissenschaftlichen Exilforschung den Fokus auf Komponistinnen, Musikwissenschaftlerinnen, Virtuosinnen,
Musikpädagoginnen,
Kabarettistinnen, die ab 1933 in
Deutschland verfolgt wurden. Fallgeschichten ermöglichten die konkrete
Bielefelder Universitätszeitung 213/2003
Spurensuche. Sie standen im Sinne
eines erweiterten Exilbegriffs als Beispiel für das uns noch heute unbegreiflich erscheinende Musikleben in
Frauenkonzentrationslagern, wie es
Dr. Gabriele Knapp am Beispiel des
Musiklebens innerhalb des KZ
Ravensbrück vorstellte. Sie standen
als individuelle Fallgeschichten für
die Mischung von Individuellem und
Gesellschaftlichem, von persönlichem Schicksal und gesellschaftlicher
Ausgrenzung
und
Verfolgung,
wie
der
niederländische
Forscher Wilhelm
de
Vries an der
Verfolgung
der
polnisch-französischen
Pianistin
und Cembalistin Wanda
Landowska
und
des
Raubes
ihrer wertvollen Instrumentensammlung und Bibliothek ausführte. Fallgeschichten standen aber auch für
den Perspektivwechsel, der den Blick
auf die neue Kultur richtete, kulturelle Akkulturation in das aufnehmende
Asylland leistete, wie Dr. Barbara von
der Lühe am Schicksal der deutschsprachigen Musikpädagoginnen in
Palästina, Israel, nachwies.
Die Tagung war um eine Form
der Aufarbeitung von Geschichtsschreibung bemüht, die im Besonderen das Allgemeine deutlich machte,
die scheinbar Unvereinbares nebeneinander stehen ließ und damit auf
Bruchstücke einer zerstörten Kultur
hinwies, die innerhalb der allgemeinen Geschichtsschreibung noch
ephemer ist.
Volker Kühn, Autor und Regisseur, präsentierte mit Schauspielern
vom Deutschen Theater am Allerheiligen-Freitag das Kabarett „Zores
haben wir genug. Galgenhumor am
Abgrund. Kabarettistisches aus dem
Jüdischen Kulturbund“. Mitveranstalter waren „Lektüren und Lektionen“ der Fakultät für Linguistik und
Literaturwissenschaft sowie der
Fachkonferenz Deutsch am Oberstufen-Kolleg. Gefördert wurde die Veranstaltung durch die Theater- und
Konzertfreunde, die Universitätsgesellschaft und die Kommission für
Kunst und Kultur der Universität Bielefeld.
Eine harmlose Verkleidung der
Texte innerhalb der Kleinkunstbühnen
im Jüdischen
Kulturbund
war notwendig, wollten
sie die NSZensur passieren. Und
dennoch
erreichten
die bis heute
fast unbekannt gebliebenen Texte
das zahlreich
erschienene
Publikum.
Zum Beispiel
das Lied vom
„Grundstück
auf Abbruch zu verkaufen“, und oben
aus dem Abbruchhaus in Düsseldorf
guckt Heinrich Heine und sagt: Und
grüßt mir noch die Loreley, und sagt
ihr, sie kann sich die Haare abschneiden.
Als im November 1937 die SA
durch die Straßen in Deutschland
grölte und auch die physische Verfolgung schon längst begonnen hatte,
spielten im „Kabarett der Komiker“
65
Schulprojekte
Max Ehrlich, Willy Rosen, Fritz
Tachauer, Dora Gerson (Foto). Sie
und fast alle anderen wurden in
Auschwitz ermordet. Im KZ Westerbork, einem so genannten Durchgangslager, waren sie zuvor noch
aufgetreten.
Die zweite Abendveranstaltung
galt den Klangwelten verfolgter und
exilierter
Musikerinnen.
Denn
anders als bei den männlichen Exilkomponisten sind deren Werke bis
heute kaum auf Tonträgern zu
hören. Das Ensemble Horizonte (Leitung und Moderation: Jörg Mittmann) ist eine feste und verlässliche
Größe im Bereich der zeitgenössischen Musik. Hochsensibel und
zugleich routiniert brachten sie die in
Deutschland bisher meist ungehörten Werke zu Gehör. Und so stand in
diesem durch die Hanns-BiseggerStiftung geförderten Konzert eine
Doppelfuge des 16jährigen Wunderkindes Charlotte Schlesinger von
1925, nebst der (Ur?)Aufführung
ihrer gerade als Handschrift neu
gefundenen Lieder von 1931, neben
experimentellen Kompositionen der
in den Vereinigten Staaten berühmten
Exil-Komponistinnen Ursula
Mamlok und Pia Gilbert. Pia Gilbert
lehrt noch heute in hohem Alter an
der Julliard School in New York.
Das zweite Konzert war eine
große pianistische Leistung der Detmolder
Künstlerin
Babette
Dorn(Venetien), die zugleich als Forscherin über das Werk von Ilse
Fromm-Michaels berichtete. Diese
hatte sich geweigert, sich von ihrem
jüdischen Mann zu trennen, und ihre
große Karriere als Komponistin und
Pianistin kam ab 1933 vollständig
zum Erliegen. Nach dem Krieg wurde sie zwar hochgeehrt, aber ihr
Werk blieb im Schatten der NS-Zeit
bis zum heutigen Tag.
Das Fazit der Tagung: Die Erinnerung an die Kultur, die in Deutschland fast vergessen war und die uns
doch unmittelbar erreicht, wenn wir
sie nur wieder erwecken, macht
deutlich, wie wichtig es ist, Teile
unseres kulturellen Netzwerkes des
20. Jahrhunderts behutsam wiederherzustellen.
Anna-Christine Rhode-Jüchtern
66
Staatsarchiv Detmold: Neue Datenbank aufgebaut
Zwangsarbeiter in Lippe
Das war ein ganzes Stück Arbeit, an dem Natalia Wotzke mitgearbeitet hat.
Die junge Frau aus Extertal (gebürtig aus Kirgisien) hat dabei mit geholfen,
beim Staatsarchiv in Detmold eine Datenbank aufzubauen, in der sämtliche
Aufenthalte von Zwangsarbeitern erfasst sind, die während des Zweiten
Weltkrieges in Lippe eingesetzt waren.
„Man soll es nicht glauben, aber bei
den ermittelten Aufenthaltsnachweisen sind rund 21 000 Datensätze
erfasst worden,“ so Landrat Friedel
Heuwinkel bei der Vorstellung der
Arbeitsergebnisse im Detmolder
Kreishaus. Das Projekt wurde aus
Mitteln des Kreises Lippe und der
Universität Bielefeld sowie als
Arbeitsbeschaffungsmaßnahme
durch das Arbeitsamt Detmold
finanziert.
„Das zusammen mit der Universität Bielefeld initiierte Projekt
wird von großem Nutzen für
aktuelle Ermittlungen von Aufenthaltsnachweisen
ehemaliger
Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern sein,“ sagte Professor
Lothar Albertin. Diese neue Datenbank werde darüber hinaus als
Grundlage für die angestrebte wissenschaftliche Aufarbeitung des
Einsatzes von Zwangsarbeitern in
Lippe dienen. Für diese Arbeit
waren in den einschlägigen Materialien des Detmolder Staatsarchivs
sämtliche
Erwähnungen
von
Zwangsarbeitern zu ermitteln. „Das
konnten Akten unterschiedlichster
Behörden, wie der NSDAP-Kreisleitung in Lippe, die Strafakten des
Amtsgerichts Detmold oder die
Gefangenenbücher sein, aber auch
handschriftliche Notizen haben hier
als Quellen gedient,“ erläuterte Dr.
Wolfgang Bender vom Detmolder
Staatsarchivs. Auch in den Stadtarchiven von Bad Salzuflen, Blomberg, Lage und Lemgo waren die
Historiker für die Datenbank tätig.
Wer weitere Informationen
haben möchte, kann sich wenden an
das Nordrhein-Westfälische Staatsarchiv Detmold unter der Telefonnummer 05231/766-155 (Dr. Hansjörg Riechert) und 766-204 (Dr.
Wolfgang Bender).
Natalia Wotzke aus Extertal (2. von links) erstellte die Datenbank über Zwangsarbeiter in Lippe; es bedanken sich bei ihr (von links): Dr. Harald Hiltl, Landrat
Friedel Heuwinkel und Lothar Albertin.
Bielefelder Universitätszeitung 213/2003
Absolventen
Erziehungswissenschaft
Lehrerforschung
(BUZ) Die Kommission Schulforschung und Didaktik der Deutschen
Gesellschaft für Erziehungswissenschaft veranstaltet in Bielefeld vom
24. bis zum 26. März in Zusammenarbeit mit der Bielefelder Laborschule
und dem Oberstufen-Kolleg ihre
diesjährige Theorietagung zum Thema „Lehrer/innenforschung“ in Bielefeld. Die Tagung wird am Montag,
24. März, um 14.00 Uhr im Oberstufen-Kolleg von den Schulleitern Jupp
Asdonk und Susanne Thurn sowie
Sybille Rahm, Vorsitzende der Gesellschaft für Erziehungswissenschaft,
eröffnet. Ab 14.30 Uhr folgen die
Vorträge von Hartmut von Hentig
„Das Konzept des forschenden Lehrens – reconsidered“ und von
Michael Schratz „‘Research as a basis
for teaching‘ – Der Beitrag von
Lawrence Stenhouse zur Lehrer/
innenforschung“.
Wissenschaftsjournalismus
Als gemeinsames Projekt starten
Volkswagen-Stiftung, BertelsmannStiftung und die BASF-Aktiengesellschaft das „Qualifizierungsprogramm Wissenschaftsjournalismus”.
Das Projekt will die Ausbildung von
Wissenschaftsjournalisten fördern
und Wissenschaftlern den Umgang
mit den Medien erleichtern. Die Projektpartner planen den Aufbau eines
neuen Studiengangs für den journalistischen Nachwuchs sowie Weiterbildungsseminare für bereits etablierte Journalistinnen und Journalisten. Daneben sollen Medientrainings für Wissenschaftler entwickelt werden. Das Qualifizierungsprogramm ist auf fünf Jahre
angelegt und soll dazu beitragen, die
Qualität der wissenschaftlichen
Berichterstattung in den Medien zu
steigern, insbesondere auch in den
Regional- und Publikumsmedien.
Mehr im Internet unter www.
volkswagenstiftung.de/pressenews/
presse03/27022003.htm.
Bielefelder Universitätszeitung 213/2003
Knapp 30 Studierende konnten bei der Abschlussfeier des 3. Jahrgangs „Europa Intensiv“ ihre Zertifikate in Empfang nehmen. Die Studierenden haben sich
zwei Semester lang neben ihrem Regelstudium für den Arbeitsmarkt Europa fit
gemacht und während der vorlesungsfreien Zeit ein Praktikum in einem europaweit agierenden Unternehmen absolviert. Das Programm vermittelt in komprimierter Form spezifische Kenntnisse und Fertigkeiten, die für einen sich öffnenden Arbeitsmarkt in Europa notwendig sind. Hierzu wird zum einen Wissen in den relevanten Bereichen der Rechtswissenschaft (Europäisches Recht,
Rechtsvergleich, Verfassungssysteme), der Wirtschaftswissenschaften (z.B.
Außenwirtschaftspolitik, EU-Binnenmarkt), Geisteswissenschaften (wie
Geschichte der Europäischen Integration) und der Soziologie (z.B. Organe und
Institutionen der EU) vertieft. Zum anderen werden der berufsbezogene Einsatz von Fremdsprachen (Englisch, Französisch) und andere Techniken der
interkulturellen Kommunikation geschult, wie etwa Verhandlungsführung
und Verhandlungsanalyse. Erfolgreich abgeschlossen haben: Marcus Anlauf,
Marc Biedermann, Marion Bolten, Svenja Brinkmeier, Tanja Irmgard Cremer,
Stefanie Ernst, Jana Görlach, Claudia Honerlage, Esther Janosi, Kim-Simone
Janutta, Susane Kerfien, Almut Kersting, Martin Klein, Javier Martìnez Torres,
Stephanie Müller, Mirjam Nasdala, Daniel Noll, Daniela Opitz, Christian Otto,
Kaja Otto, Hendrik Rehsöft, Hanno Schaper, Karolina Strzeszewski, Thilo
Stucke, Renate Vieweger, Wiebke Wellenbrink und Arnd Wiebusch. Die Zertifikate überreichte Prorektor Christoph Gusy.
Im Rahmen einer Feierstunde hat der Dekan der Fakultät für Physik der Universität Bielefeld, Frithjof Karsch (l.), die Diplom- und Promotionsurkunden an insgesamt 30 Absolventinnen und Absolventen des Jahrgangs 2002 (im übrigen
der 30. Jahrgang seit Gründung der Fakultät im Jahre 1972) überreicht. Das Foto
zeigt die Diplomierten Martin Streek, Michael Seniuch, Lars Fromme, Marc
Sacher, Dirk Brinkmann, Wibke Hellmich, Wilco Bartels, Arvid Requate, Olaf
Leonhard und die Promovierten Günther Schlegel, Oliver Preuß, Axel Woelke
sowie Roman Grzeszik.
67
Absolventen-Netzwerk
Ehemalige im Interview
Mitglieder des
Absolventen-Netzwerks stellen sich vor
Die Fakultät für Soziologie der Universität Bielefeld hat die Absolventinnen
und Absolventen des Wintersemesters 2002/2003 feierlich verabschiedet und
die besten Diplomarbeiten prämiert. Den Fakultätspreis für die beste theoretische Arbeit erhielt Christian Mersch (r.) für seine Arbeit „Patente und Publikationen. Zur globalen Kommunikation technologischen und wissenschaftlichen
Wissens“. Den Preis für eine hervorragende empirische Arbeit konnte Patrick
Brähler (2.v.r.) entgegennehmen, und zwar für die Untersuchung zur Teilzeitbeschäftigung in Italien „Part-time employment in Italy: A case study on the
character of part-time employment in the Italian labour market and on the
relevance of part-time employment for the individual worker“. Professor
Elmar Lange wies bei der Vergabe darauf hin, dass die Fakultät ihre Preisträger
und ihre hervorragenden Absolventen nicht nur einfach mit den Urkunden und
den Preisgeldern entlässt, sondern sie auch weiterhin über wissenschaftliche
Hilfskraftstellen oder Promotionsstipendien fördert“.
Die Universität Bielefeld hat im Auditorium maximum die Lehramtsstudierenden,
die Ende des Jahres 2002 ihr Examen bestanden haben, feierlich verabschiedet und
ihnen die Examenszeugnisse überreicht. Prorektor Christoph Gusy und der Leiter
des Staatlichen Prüfungsamtes Dr. Gerhard Kallweit konnten im Anschluss an den
Festvortrag von Professorin Gisela Lück zum Thema „Naturwissenschaftliche Bildung in den Kinderschuhen“ von rund 255 Lehramtsabsolventen sechs künftige
Lehrer ehren, die mit Auszeichnung bestanden haben. Es sind dies (von links) Jens
Rybak, Sonja Folker, Miriam van Bebber, Vera Fraune, Gunnar Ueding und Antje
Krah. Im Anschluss an die Abschlussfeier, die von Matthias Kemper und Thomas
und Angelika Schneidewind musikalisch umrahmt wurde, hatten die Universität
und die Westfälisch-Lippische Universitätsgesellschaft die Lehramtsabsolventen
und deren Freunde und Familienangehörige zu einem Empfang eingeladen.
68
Im Rahmen der Interviewreihe des
Absolventen-Netzwerks stellt sich
dieses Mal Gregor Faßbender-Menzel (Foto) vor. Er hat an der Universität Bielefeld Volkswirtschaft studiert und schloss sein Studium 1993
mit dem Diplom-Volkswirt ab. Zur
Zeit ist Faßbender-Menzel als
Senior-Berater bei der ergo Unternehmenskommunikation GmbH &
Co. KG in Köln tätig.
?
Herr Faßbender-Menzel, können Sie kurz Ihren beruflichen
Werdegang skizzieren?
Eigentlich wollte ich Wirtschaftsjournalist werden. Leider hat das nach
dem Studium nicht so reibungslos
geklappt, weil Volontariate seinerzeit Mangelware waren. Ich habe
dann als Redakteur bei einer schweizerisch-deutschen
Verlagsgruppe
begonnen und mich mit Themen des
beruflichen Ein- und Aufstiegs
beschäftigt. Mein damaliger Arbeitgeber war und ist auch heute noch
Veranstalter des Absolventen-Kongresses in Köln. Innerhalb des Hauses wechselte ich in das Kongressmanagement und hatte in dieser
Funktion das erste Mal mit Presseund Öffentlichkeitsarbeit zu tun.
Das war der entscheidende Moment
für meine weitere berufliche Entwicklung. Ich erkannte: Das ist
genau das, was du in Zukunft
machen willst.
Die Wahl meines zweiten Jobs
stand somit ganz im Zeichen der
Bielefelder Universitätszeitung 213/2003
Absolventen-Netzwerk
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit.
Ich wechselte in die Frankfurter Zentrale der Dresdner Bank. Dort sammelte ich in den folgenden fünf Jahren Know-how in verschiedenen
Bereichen der Unternehmens-PR: als
Pressereferent für PrivatkundenThemen, als PR-Verantwortlicher in
einem Direktbank-Projekt sowie als
Leiter Kommunikation in einer
Niederlassung mit über 80 Filialen.
Während der Projektphase habe ich
mit einer PR-Agentur zusammengearbeitet, die die Bank bei ihrer Positionierung unterstützte. Deren Arbeitsweise als Dienstleister und Berater hat mich so sehr beeindruckt,
dass ich im Jahr 2000 selbst auf die
Agenturseite gewechselt bin.
Heute arbeite ich als SeniorBerater in einer Kommunikationsagentur für Public Relations, Customer Relations und Investor Relations
und leite dort ein Team, das überwiegend Finanzdienstleister wie
Banken, Versicherungen und Fondsgesellschaften betreut. Zu meinen
Kunden zählen beispielsweise die
WestLB, der Arbeitgeberverband
des Bankgewerbes, den wir vor
allem bei den Tarifverhandlungen
betreuen, sowie verschiedene Direct
Broker.
?
Inwieweit befähigte Sie Ihr Studium für Ihre jetzige Tätigkeit?
Ganz klar, ich arbeite nicht als Volkswirt. Und doch profitiere ich fast
täglich von dem Grundlagenwissen,
das mir das wirtschaftswissenschaftliche Studium vermittelt hat. Das
liegt ganz bestimmt auch an meinem
Kundenkreis, der sich mal mittelbar,
mal unmittelbar mit Kapitalmärkten
beschäftigt. Wenn ich Texte zur Auswirkung von Notenbankentscheidungen auf Staatsanleihen produziere oder Konzernlageberichte
schreibe, hilft mir das Studium
enorm. Allerdings hoffe ich, dass
jeder, der eine kaufmännische Ausbildung abgeschlossen hat, ebenfalls
eine Bilanz von der Gewinn- und
Verlustrechnung
unterscheiden
kann.
Viel bedeutender für meinen
Beruf sind kommunikative FähigkeiBielefelder Universitätszeitung 213/2003
erstellen, dass Journalisten sie eins
zu eins übernehmen.
?
Wie sehen sie die Chancen für
Nicht-Wirtschaftswissenschaftler im PR-Bereich?
ten wie redaktionelle Schreibe und
Präsentationstechniken. Diese habe
ich sicherlich nicht im Studium
erworben, obwohl rückblickend die
Seminare eine ganz gute Gelegenheit geboten hätten, das zu trainieren. Neben dem fachlichen und thematischen Know-how machen diese
Soft Skills den wesentlichen Teil der
so genannten Berater-Persönlichkeit
aus.
?
Wie haben Sie sich die kommunikativen Fähigkeiten, die
flotte Schreibe und die Präsentationstechniken erarbeitet?
Ich habe während des Studiums
regelmäßig redaktionelle Praktika
bei Zeitungen und beim Hörfunk
gemacht. Dort habe ich gelernt, Fakten auf das Wesentliche einzudampfen und kurze, verständliche Sätze
zu schreiben. Das befähigt mich
heute, Pressemitteilungen so zu
In der PR-Branche ist es wie in vielen
anderen Berufen auch: Ohne Studium geht kaum noch etwas. Das
Studienfach spielt allerdings eine
untergeordnete Rolle. In unserer
Agentur arbeiten Juristen, Historiker,
Regionalwissenschaftler, Germanisten – allerdings kaum Kommunikationswissenschaftler. Wer in die PR
will, sollte idealerweise ein Fachwissen mitbringen, dass die Richtung
vorgibt. In meinen Fall führte mich
Volkswirtschaftslehre zu Finanzdienstleistern. Wer Naturwissenschaften studiert hat, wechselt vielleicht zu einem Biotech-Unternehmen. Unverzichtbar ist jedoch eine
durch Veröffentlichungen belegbare
Medienaffinität.
?
Worauf sollten Studierende
aus Ihrer Sicht bei der Planung
des beruflichen Einstiegs achten?
Das Studium bietet das ideale Umfeld, sein kommunikatives Talent
unter Beweis zu stellen. Mein Rat
lautet: Schreiben, schreiben, schreiben und als Persönlichkeit reifen.
Wer erst nach Studienende entdeckt:
„Ich könnte ja mal PR-Berater werden“, hat kaum Chancen. Denn
weder die Unternehmen noch die
Agenturen können es sich erlauben,
in aller Breite auszubilden.
69
Personalien
Von Faßbender-Menzel zu Ende gedacht:
Das Absolventen-Netzwerk bietet ...
die Brücke zu einem bedeutenden
Lebensabschnitt.
Das Beste an meinem Studium
waren ... die Momente, in denen die
Vorlesungen Bezug auf aktuelle wirtschaftliche Ereignisse genommen
haben.
Lieber vergessen würde ich ... die
Ökonometrie.
Mein Ziel während des Studiums
war ... zügig fertig zu werden, um
das Erlernte anzuwenden.
Förderung von Nachwuchswissenschaftlerinnen in NRW
Bielefelder Wissenschaftlerinnen
erhalten Lise-Meitner-Stipendium
(BUZ) Das Ministerium für Wissenschaft und Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen hat 24 junge Wissenschaftlerinnen bei ihrer Habilitation
mit Stipendien aus dem ‚Lise-Meitner-Programm’ zur Förderung des weiblichen Nachwuchses in der Wissenschaft unterstützt. Gleich zwei Nachwuchswissenschaftlerinnen der Universität Bielefeld konnten die Auswahlkommission mit ihren Habilitationsvorhaben überzeugen: Dr. Simona Slanicka, Fakultät für Geschichtswissenschaft, Philosophie und Theologie,
sowie Dr. Tatjana Pasurek von der Fakultät für Mathematik.
„Figuren der Illegitimität: Adelige
Bastarde im Spätmittelalter und in
der Frühen Neuzeit“ lautet das Thema der Habilitationsarbeit von Dr.
Simona Slanicka. Anhand verschiedener Adelshäuser will die Wissenschaftlerin die politisch-strukturellen
sowie die kultur- und geschlechter-
Mit dem
Absolventen-Netzwerk
nach Hamburg
Das Absolventen-Netzwerk der Universität Bielefeld wird am 28. Juni
eine eintägige Tour nach Hamburg
anbieten. Mitglieder und an einer
Mitgliedschaft Interessierte sind
herzlich eingeladen, den aktiven
Kreis von Bielefelder Absolventen in
Hamburg mit der Bahn ab Bielefeld
einen Tag lang zu besuchen. Thomas
Römer, engagiertes Mitglied in
Hamburg, wird die Bielefelder durch
die Hafenstadt führen. Das genaue
Programm steht noch nicht fest.
Interessierte melden sich bitte unter:
monika.riedenklau@uni-bielefeld.de
oder schauen demnächst auf die
Homepage des Absolventen-Netzwerks unter Aktuelles.
Kontakt zum Absolventen-Netzwerk: www.uni-bielefeld.de/absolv.
70
Inzwischen haben die Parlamentarischen Abende der Universität Bielefeld schon eine gewisse Tradition. Seit
mehr als zehn Jahren werden einmal
im Jahr die Europa-, Bundestags- und
Landtagsabgeordneten zu informellen
Gesprächen mit Rektorat und Dekanen in das Internationale Begegnungszentrum der Universität eingeladen.
Dabei wird bewusst auf eine feste
Tagesordnung verzichtet. Statt dessen
wird auf lockere Atmosphäre und persönliches Kennenlernen gesetzt. Das
wurde diesmal besonders groß
geschrieben, denn erstmals besuchte
auch Wissenschaftsministerin Hannelore Kraft in ihrer neuen Funktion die
Universität. Rektor Dieter Timmermann freute sich in seiner Begrüßung
über die gute Resonanz auf seine Einladung und dankte den Abgeordneten
für die inzwischen jahrzehntelange
parteiübergreifend
vertrauensvolle
Zusammenarbeit mit der Universität
Bielefeld. In diesem Zusammenhang
wies er auch auf die großen
Anstrengungen der Universität zur
Einführung konsekutiver Studiengänge hin und ging besonders auf
den Modellversuch zur konsekutiven Lehrerbildung ein. Dann wurde
es, wie so oft, ein langer Parlamentarischer Abend.
Bielefelder Universitätszeitung 213/2003
Personalien
geschichtlichen Funktionen der Illegitimen in diesen höfischen Gesellschaftsformationen
untersuchen;
denn mehrere europäische Adelshäuser weisen im Spätmittelalter
und in der Frühen Neuzeit eine
ungewöhnliche hohe Anzahl von
illegitimen Kindern auf, teilweise
mehr als 50 Prozent. Offenbar
waren männliche illegitime Kinder
keineswegs
verpönt,
sondern
erwünscht, weil sie als besonders
loyale Interessenvertreter eingesetzt
werden konnten. Die Forschung
spricht bei diesen besonderen Familienstrukturen von eigentlichen
„Bastardokratien“.
Simona Slanicka (Foto unten)
wurde 1967 in Prag geboren und
studierte Allgemeine Geschichte des
Mittelalters und der Neuzeit sowie
Französische Literatur- und Sprachwissenschaft an der Universität Basel
und an der Sorbonne in Paris. Nach
der Promotion in Basel und Auslandsstipendien in Paris und am Graduiertenkolleg
„Sozialgeschichte
von Schichten, Gruppen, Klassen
und Eliten“ der Universität Bielefeld
arbeitet sie seit 2000 als Assistentin
in der Abteilung Geschichtswissenschaft der Universität Bielefeld.
Dr. Tatjana Pasurek (Foto oben
rechts) wurde 1961 in Kiev geboren.
Sie studierte Mathematik an der
Staatlichen Universität Kiev, promovierte dort und war danach als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Kiever Institut für Mathematik tätig.
Von 1994 bis 1996 erhielt sie ein
Forschungsstipendium der Alexander von Humboldt-Stiftung und
arbeitete an der Universität Bielefeld
Bielefelder Universitätszeitung 213/2003
Prof. Dr. Maria Blettner, Fakultät für Gesundheitswissenschaften
der Universität Bielefeld, erhielt
einen Ruf auf eine Professur für Biometrie, Epidemiologie und Informatik an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz.
am Forschungszentrum „BiBos“.
Nach einem Aufenthalt als Gastwissenschaftlerin
am
Sonderforschungsbereich „Diskrete Strukturen
in der Mathematik“ an der Universität Bielefeld und einem Forschungsstipendium der Volkswagen-Stiftung ist sie seit 1998 wissenschaftliche Mitarbeiterin an der
Fakultät für Mathematik der Universität Bielefeld innerhalb des DFGSchwerpunkts „Interagierende stochastische Systeme hoher Komplexität“. Ihre geplante Habilitation
trägt den Titel „Gibbsmaße auf Pfadräumen und euklidischer Zugang zur
quantenstatistischen Mechanik“. Ziel
des Forschungsvorhabens ist die Entwicklung exakter mathematischer
Methoden für das Studium von
Quantengittersystemen und ihrer
Gleichgewichtszustände.
Solche
Systeme werden in der modernen
statistischen Physik vor allem als
Modelle für Quantenkristalle betrachtet und sehr intensiv untersucht.
Das ‚Lise-Meitner-Programm’
ist ein „wichtiger Baustein erfolgreicher Frauenförderung im Wissenschaftsland Nordrhein-Westfalen“,
mit dem die Landesregierung die
Habilitationsbereitschaft von Frauen
steigern will. „Auf das Qualifikations- und Kreativitätspotenzial von
Frauen in Forschung und Lehre können wir nicht verzichten“, erklärte
NRW-Wissenschaftsministerin Hannelore Kraft anlässlich der Vergabe
der Stipendien. „Bessere Chancen
für Frauen in Spitzenpositionen sind
ein wichtiger Beitrag zur Qualitätssicherung, Leistungssteigerung und
Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit
unserer Hochschulen.“
Prof. Dr. Claudia von Braunmühl vertritt auch im kommenden
Sommersemester die Professur für
„Entwicklungssoziologie und Entwicklungspolitik“ an der Fakultät für
Soziologie der Universität Bielefeld.
Claudia von Braunmühl, Jahrgang
1944, studierte Politikwissenschaft
am Otto-Suhr-Institut der Freien
Universität Berlin. Von 1968 bis
1979 war sie als wissenschaftliche
Mitarbeiterin
am
Fachbereich
Gesellschaftswissenschaft
der
Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt am Main tätig,
1976/77 als Gastprofessorin am
Department of Politics der University
of Edinburgh und von 1980 bis 1984
als Beauftragte des Deutschen Entwicklungsdienstes in Jamaika. Seit
1984 ist Claudia von Braunmühl
unabhängige entwicklungspolitische
Gutachterin und lehrt vor allem in
Berlin. Seit 1996 ist sie Honorarprofessorin für Internationale Politik am
Fachbereich Politik- und Sozialwissenschaften an der FU Berlin.
Prof.
Dr.
Siegmar-Walter
Breckle, Fakultät für Biologie und
Vorsitzender des Arbeitskreises
Umweltschutz (AKU) der Universität
Bielefeld, feierte am 27. Februar seinen 65. Geburtstag. Mit Ablauf des
Wintersemesters 2002/2003 ist der
Ökologe Breckle emeritiert worden.
Zuvor gab Breckle in einem
71
Personalien
Abschiedsvortrag im Ökologischen
Kolloquium einen „Rückblick und
Ausblick in ökologische und geobotanische Fragestellungen“. Außerdem ist er als Vorsitzender des
Arbeitskreises Umweltschutz zurückgetreten. In der letztmalig von
Breckle geleiteten 60. Sitzung des
AKU bedankten sich die Mitglieder
des Arbeitskreises sowie Rektor Dieter Timmermann für die langjährige
„kompetente und engagierte Tätigkeit bei der Umsetzung des Umweltschutzes an der Universität Bielefeld“.
Dr. Christian Büschges, früher
Universität Köln, ist zum Professor
für Allgemeine Geschichte unter
besonderer Berücksichtigung der
Iberischen und Lateinamerikanischen Geschichte an der Fakultät für
Geschichtswissenschaft, Philosophie
und Theologie der Universität Bielefeld Anfang des Wintersemesters
2002/2003 ernannt worden. Büschges, 1965 im nordrhein-westfälischen Dülken (jetzt Viersen) geboren, studierte ab 1986 Iberische und
Lateinamerikanische
Geschichte,
Deutsche Philologie sowie Mittlere
und Neuere Geschichte an der Universität Köln und zudem 1988/89
Spanische und Hispanoamerikanische Geschichte und Literatur in
Sevilla. Nach Forschungsaufenthalten in Berlin, Madrid, Sevilla, Quito
und Bogotá wurde Büschges in Köln
1995 mit der Arbeit „Familie, Ehre
und Macht. Konzept und soziale
Wirklichkeit des Adels in der Stadt
Quito während der späten Kolonialzeit (1765-1822)“ promoviert und
war danach als wissenschaftlicher
72
Mitarbeiter an der Universität Köln
tätig. Christian Büschges ist ein
Historiker der jüngeren Generation,
dessen wissenschaftliches Oeuvre
bereits jetzt durch außerordentliche
Breite besticht und der in seinen Forschungen sowohl in lateinamerikanischer als auch iberischer Geschichte
ausgewiesen ist. Nach seiner Dissertation hat Büschges in seiner Habilitationsschrift die Ausprägung spanischer Herrschaft in drei unterschiedlichen und auf zwei Kontinenten
liegenden Städten – Sevilla, Neapel,
Mexiko – verglichen. Zeitlich umfassen seine Forschungen das 17., das
18. und das beginnende 19. Jahrhundert, so dass er in seinen Arbeiten eine zentrale Epoche des Niedergangs des spanischen Reiches und
auch der Herausbildung der modernen Staatlichkeit in südamerikanischen Gesellschaften auf politik-,
sozial- und kulturgeschichtlicher
Ebene behandelt.
Prof. Juan Félix Burotto P.,
Rechtsanwalt und Professor für Sozial- und Rechtswissenschaft an der
chilenischen Universität de Los
Lagos in Puerto Montt und dort im
Rektorat zuständig für die Kommunikation und Weiterentwicklung der
Universität, hielt sich bis Ende Februar an der Universität Bielefeld und
insbesondere am Oberstufen-Kolleg
auf. In gemeinsamen Veranstaltungen mit dem Oberstufen-Kolleg und
dem Institut für interdisziplinäre
Konflikt- und Gewaltforschung hielt
er Vorträge über Menschenrechtsfragen. Burotto P., der eine engere
Zusammenarbeit mit der Universität
Bielefeld und dem Oberstufen-Kol-
leg anstrebt, arbeitet auf dem Gebiet
der Menschenrechte, Ethik und
Macht im Zeitalter der Globalisierung, das er speziell aus einer Perspektive des Südens beleuchtet.
Zudem ist Burotto P. Direktor der
Studiengänge „Bürgersicherheit und
Menschenrechte“ sowie „Kulturwissenschaften“. Als Kolumnist veröffentlichte der chilenische Wissenschaftler, der außerdem Vorsitzender
der Jüdischen Gemeinde in Concepción ist, in einer Zeitung seiner Heimatstadt seine Eindrücke aus
Deutschland, das er zum ersten Mal
bereist hat.
Prof. Dr. F. Albert Cotton, Texas
A & M University, erhielt vor zwanzig Jahren seine erste Ehrendoktorwürde von der Fakultät für Chemie
der Universität Bielefeld. Gleichzeitig
war dies die erste Ehrendoktorwürde, die die Fakultät für Chemie vergeben hat. Danach folgten weltweit
weitere zwanzig Universitäten, die
ihn mit einem Ehrendoktor auszeichneten. Cotton, dem höchste Ehrun-
gen zuteil wurden (darunter die U.S.
Medal of Science und der Wolf Prize), besuchte im November die Universität Bielefeld und hielt auf Einladung der Gesellschaft Deutscher
Chemiker einen Vortrag über den
„Intellektuellen und ästhetischen
Charme der Moleküle“. Chemikern
und Chemiestudenten ist Cotton
bekannt durch mehrere epochale
Bücher, darunter auch das Standardwerk „Grundlagen der Anorganischen Chemie“, das die Bielefelder
Chemiker Achim Müller und Ekkehard Diemann aus dem Amerikanischen übersetzt haben.
Bielefelder Universitätszeitung 213/2003
Personalien
Prof. Dr. Herbert Dawid ist zum
Professor für Volkswirtschaftslehre
(Wirtschaftspolitik) an der Fakultät
für Wirtschaftswissenschaften der
Universität Bielefeld ernannt worden. Dawid wurde 1969 in Wien
geboren und studierte an der Technischen Universität Wien Wirt-
schaftsmathematik. Nach der Promotion 1995 war er als Universitätsassistent an der TU Wien und
Universität Wien tätig, wo er sich
1999 habilitierte und zum Außerordentlichen
Universitätsprofessor
ernannt wurde. Von 1999 bis 2002
lehrte er als Associate Professor an
der University of Southern California
in Los Angeles. Er erhielt mehrere
internationale und nationale Forschungspreise, unter anderem den
Figdor-Preis der Österreichischen
Akademie der Wissenschaften, der
alle zwei Jahre an einen Sozial- und
Wirtschaftswissenschaftler unter 40
verliehen wird. Herbert Dawid hat
neben einem Buch knapp 40 Artikel
zumeist in internationalen Fachjournalen publiziert und mehrere Sammelwerke herausgegeben. Sein Forschungsinteresse konzentrierte sich
dabei auf die Analyse der Dynamik
wirtschaftlicher Prozesse insbesondere unter Berücksichtigung von
beschränkt rationalem und trägem
Verhalten der Wirtschaftssubjekte.
In seinen gegenwärtigen Arbeiten
beschäftigt er sich generell mit der
Frage, welche Auswirkungen verschiedene industriepolitische Maßnahmen auf die Industrieentwicklung haben und welche Maßnahmen aus einer solchen dynamischen
Sicht empfohlen werden können.
Konkret analysiert er zur Zeit die
Auswirkungen von Marktstruktur
Bielefelder Universitätszeitung 213/2003
und industriepolitischen Rahmenbedingungen auf Produkt- und Prozessinnovationsanreize von Unternehmen. In einem weiteren Projekt
mit der Austrian Power Clearing and
Settlement untersucht er Probleme
des Marktdesigns bei liberalisierten
Strommärkten. Um der komplexen
Interaktion von heterogenen Wirtschaftssubjekten auf realen Märkten
gerecht zu werden, greift Dawid in
seinen Arbeiten immer wieder auf
agenten-basierte
Simulationen
zurück, in denen Methoden aus der
Computational Intelligence-Literatur
für die Modellierung des Verhaltens
einzelner Marktteilnehmer verwendet werden. Die Behandlung aktueller industriepolitischer Fragestellungen mittels eines Modell-basierten
dynamischen Ansatzes sieht Herbert
Dawid auch als die primäre Herausforderung für seine zukünftigen wissenschaftlichen Arbeiten.
Dr. Olaf Delgado-Friedrichs
hat sich an der Fakultät für Mathematik der Universität Bielefeld habilitiert und erhielt die Lehrbefugnis für
Mathematik.
Dr. Werner Efing, Geschäftsführer des Unternehmerverbandes
der Metallindustrie Bielefeld, ist als
Nachfolger von Margrit HartingKohlhase zum Vorsitzenden des
Kuratoriums der Westfälisch-Lippischen Universitätsgesellschaft gewählt worden. Efing setzt sich seit
langem intensiv für die Beziehungen
zwischen regionaler Wirtschaft und
Universität ein.
Dr. Rolf Ehnert, Fakultät für
Linguistik und Literaturwissenschaft
der Universität Bielefeld, ist mit
einem Ehrenkolloquium vom Fach
Deutsch als Fremdsprache in den
Ruhestand verabschiedet worden.
Rolf Ehnert, geboren 1939, gilt als
Mitbegründer des akademischen
Ausbildungsfaches Deutsch als
Fremdsprache (DaF) in den deutschsprachigen Ländern. Ehnert studierte
Germanistik, Romanistik, Pädagogik, Philosophie und Kunst in Tübingen, Paris, Poitiers und Finnland und
arbeitete viele Jahre als Dozent und
Lektor in Frankreich, Italien, Finnland und China. 1975 kam er an die
Fakultät für Linguistik und Literaturwissenschaft der Universität Bielefeld und setzte sich hier für die Etablierung des grundständigen Studiengangs Deutsch als Fremdsprache
ein. Die Universität Bielefeld richtete
zusammen mit München als erste
Universität einen Magisterstudiengang DaF ein. In zahlreichen Verbänden und Institutionen hat Ehnert
im Laufe der Jahre das Fach Deutsch
als Fremdsprache vertreten und
weiterentwickelt.
Ahmed Ali Elattar ist mit der
Arbeit „Werden die Erkenntnisse der
Sportmedizin und Trainingslehre in
der Rehabilitation genutzt?“ an der
Abteilung Sportwissenschaft der
Universität Bielefeld promoviert
worden. Die Dissertation untersucht
die Rehabilitation als einen wichtigen Teil der modernen Sportmedizin
in Deutschland und Ägypten. Trotz
der enormen Entwicklung der Sportmedizin – so das Fazit – besteht speziell nach orthopädischen Operationen immer noch ein Defizit in der
praktischen
Anwendung
der
Erkenntnisse der Rehabilitations-
Programme in beiden Ländern. Dr.
Elattar hat sich im Bereich Sportmedizin auf die Rehabilitation nach
Operationen von Schultergelenken
spezialisiert. Bevor er nach Bielefeld
kam, um zu promovieren, hat er sich
in Köln an der Deutschen Sporthochschule mit den Bereichen
Physiotherapie – deren Ursprung im
alten Ägypten liegt (7000 v.Chr.) –,
Rehabilitation, Erste Hilfe und Sporttherapie befasst. Praktische Erfahrungen sammelte er in verschiedenen Kliniken in Bonn und Köln,
73
Personalien
indem er Rehabilitationspatienten
nach Sportverletzungen betreute. In
seiner Doktorarbeit befasste sich
Elattar insbesondere mit einem Wassertherapieprogramm, einer speziellen Form der Rehabilitation nach
Schulteroperationen. In der praktischen Anwendung zeigten sich sehr
gute Ergebnisse hinsichtlich des
Wohlbefindens und einer schnellen
Verbesserung des Gesundheitszustandes der Patienten. Die Doktorarbeit von Ahmed Ali Elattar (Mitte),
der sich künftig mit der Rehabilitation nach Herz-Kreislauf-Krankheiten befassen will, wurde von Prof.
Dr. Elke Zimmermann (l.) und Dr.
Reinhard von Piechowski (r.)
betreut.
Prof. Dr. Hans-Dieter Evers,
Professor emeritus für Entwicklungsplanung und Entwicklungspolitik an
der Fakultät für Soziologie der Universität Bielefeld, wurde ab Februar
2003 für ein Semester als Visiting
Professor of Management an die
School of Business der Singapore
Management University berufen. Er
wird dort eine Lehrveranstaltung
zum Thema „Knowledge Governance“ anbieten und an einem gemeinsamen Forschungsprojekt über Wis-
sensmanagement in großen Organisationen arbeiten. Evers gehörte vor
seiner Emeritierung im Jahre 2001
dem geschäftsführenden Direktorium des Instituts für Weltgesellschaft an und leitet seither mit Peter
Weingart ein DFG-Forschungsprojekt „Globalisierung des Wissens“.
Prof. Dr. Peter Finke, Fakultät
für Linguistik und Literaturwissen74
schaft und Gregory-Bateson-Professor für Kulturökologie an der Privatuniversität Witten-Herdecke, feierte
im November vergangenen Jahres
seinen 60. Geburtstag. In Bielefeld
ist Finke unter anderem als Mitbe-
ges eine Festschrift herausgegeben,
die unter dem Titel „Die Vielfalt der
Wechselwirkung“ im Europäischen
Verlag der Wissenschaften Peter
Lang erschienen ist. Unter den Autoren sind u.a. die Physiker Hans-Peter
Dürr (München), Fritjof Capra (Berkeley) und Ervin Laszlo (Pisa), die
Linguisten András Kertész (Debrecen), Siegfried Kanngießer (Osnabrück), Alwin Fill (Graz) und Adam
Makkai (Chicago). Finke erwidert
auf alle Beiträge in einem ausführlichen Nachwort.
Prof. Dr. Friedrich Götze,
Fakultät für Mathematik der Universität Bielefeld, hat den Ruf auf eine
Professur für das Fachgebiet Mathematische Statistik an der HumboldtUniversität zu Berlin abgelehnt.
gründer und Mitveranstalter des
„Forums Offene Wissenschaft“ und
dadurch bekannt geworden, dass er
von 1982 bis 1995 Vorsitzender der
Naturwissenschaftlichen
Gesellschaft war, deren Beirat er noch heute leitet. Finke, der aus Göttingen
stammt, hat nach Studien in Heidelberg und Oxford 1976 in seiner Heimatstadt promoviert und sich 1979
in Bielefeld habilitiert. 1982 wurde er
Professor für Wissenschaftstheorie
an der Fakultät für Linguistik und
Literaturwissenschaft. In den letzten
zwanzig Jahren hat sich Finke – Präsident des Deutschen Verbandes der
Naturforschenden Gesellschaften,
Mitbegründer des Berliner kulturökologischen Salons und Vorstandsmitglied der Heidelberger Vereinigung für Neue Ökonomie – vor
allem auf die Weiterentwicklung der
in Europa noch wenig bekannten
neuen Kulturökologie in der Nachfolge von Batesons „ecology of
mind“ konzentriert. Seine „Theorie
kultureller Ökosysteme“ verbindet
natur- mit geisteswissenschaftlichem
Denken und beschreibt Kultur in völlig neuer Form mit den Mitteln der
Evolutionstheorie und der Ökologie.
Zwei ehemalige Doktoranden, die
Kulturökologin Nilgün Yüce und der
Wissenschaftsforscher Peter Plöger,
haben aus Anlass seines Geburtsta-
Dr. Heiko Hausendorf, Privatdozent an der Fakultät für Linguistik
und Literaturwissenschaft der Universität Bielefeld, hat einen Ruf an
die Technische Universität Chemnitz
und einen Ruf an die Universität
Bayreuth erhalten und den Ruf nach
Bayreuth angenommen. Er ist dort
zum Professor für Germanistische
Linguistik ernannt worden.
Prof. Dr. Reinhold Hedtke, früher Pädagogische Hochschule Weingarten, ist zum Professor für Didaktik der Sozialwissenschaften und
Wirtschaftssoziologie an der Fakultät für Soziologie der Universität Bielefeld ernannt worden. Reinhold
Hedtke, 1953 in Lengerich/Westfalen geboren, studierte in Münster
und Bielefeld Sozialwissenschaften,
Wirtschaftswissenschaften
und
Bielefelder Universitätszeitung 213/2003
Personalien
Geschichte. Parallel zu seiner Tätigkeit als Lehrer promovierte er 1995
an der Universität Bielefeld mit einer
Untersuchung über umweltpolitische Strategien von Einzelhandelsbetrieben. Gegenwärtig arbeitet er
an der Neubegründung einer Theorie der Didaktik der Sozialwissenschaften, insbesondere am Problem
der fachdidaktischen Integration der
drei Bezugsdisziplinen Soziologie,
Politikwissenschaft und Ökonomik.
Sein wirtschaftssoziologischer Forschungsschwerpunkt ist die Entwicklung einer empirisch fundierten
soziologischen Theorie des Marktes,
die die traditionelle Arbeitsteilung
von Wirtschaftssoziologie und Ökonomik revidiert. Reinhold Hedtke ist
Gründer und Mitherausgeber der
online und seit 2003 auch gedruckt
erscheinenden „Zeitschrift für Sozialwissenschaften und ihre Didaktik“
sowie des fachdidaktischen Internetportals www.sowi-online.de, das
sich auf wissenschaftliche Dienstleistungen und den Theorie-PraxisDiskurs konzentriert. Er bereitet den
Aufbau eines Internetportals zur
Wirtschaftssoziologie vor.
Michael Heesing ist neuer
Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Ostwestfalen-Lippe.
Der 1952 in Bielefeld geborene Jurist
studierte an der Universität Bielefeld
noch nach der damals experimentellen Einstufigen Juristenausbildung
und kam danach 1980 zur Handwerkskammer OWL.
Prof. Dr. Johannes Hellermann,
früher Universität Münster, ist zu
Beginn
des
Wintersemesters
2002/2003 zum Professor für
Öffentliches Recht an der Fakultät
für Rechtswissenschaft der Universität Bielefeld ernannt worden. Hellermann, 1957 in Unna geboren,
studierte Rechtswissenschaft und
daneben Soziologie zunächst an der
Universität Bielefeld, dann an der
Universität Freiburg im Breisgau.
Nach seinen juristischen Staatsprüfungen arbeitete er von 1983 bis
1989 am Institut für Öffentliches
Recht der Universität Freiburg bei
Bundesverfassungsrichter
(i.R.)
Bielefelder Universitätszeitung 213/2003
Ernst-Wolfgang Böckenförde. Von
1991 bis 1998 war Hellermann – der
1992 in Freiburg promoviert wurde –
am Lehrstuhl von Joachim Wieland
an der Bielefelder Fakultät für
Rechtswissenschaft tätig, an der er
sich 1998 habilitierte und die Venia
legendi für die Fachgebiete Verfassungs- und Verwaltungsrecht einschließlich deutsches und europäisches Wirtschaftsrecht erhielt. Nach
Rufen an die Universität Göttingen
und Münster nahm er, bevor er jetzt
nach Bielefeld kam, Anfang 2000
den Ruf an die Universität Münster
an.
geboren. Er studierte in Marburg,
Königsberg, Berlin und in Frankfurt
am Main Mathematik, Physik und
Erdkunde. Zunächst arbeitete er von
1945 bis 1946 als Lehrer in Duisburg, unterrichtete dann an der
Pädagogischen Akademie in Wuppertal und war seit 1957 als Professor in Bielefeld tätig, wo er bis zum
Wintersemester 1976/77 an der
Abteilung Bielefeld der Pädagogischen Hochschule Westfalen-Lippe
(die 1980 in die Universität Bielefeld
integriert wurde) lehrte.
Dr. Dietmar Kuck, Akademischer Direktor und Privatdozent an
der Fakultät für Chemie der Universität Bielefeld, ist die Bezeichnung
außerplanmäßiger Professor verliehen worden. Kuck gehört zu den
ersten Assistenten, die seit 1973 als
Doktoranden am Aufbau der Bielefelder Fakultät für Chemie beteiligt
waren. Nach seiner Habilitation im
Jahre 1995 an der Universität Paderborn über ein Thema der Synthetischen Organischen Chemie (Ent-
Dr. Barbara Hölscher hat sich
an der Fakultät für Soziologie der
Universität Bielefeld habilitiert und
erhielt die Lehrbefugnis für Soziologie, insbesondere Mediensoziologie.
Dr. Petra Josting, Privatdozentin an der Fakultät für Linguistik und
Literaturwissenschaft der Universität
Bielefeld, hat den Ruf auf eine Professur für Germanistik, Medien- und
Literaturdidaktik an der Universität
Essen angenommen.
Dr. Bernhard Jung hat sich an
der Technischen Fakultät der Universität Bielefeld habilitiert und erhielt
die Lehrbefähigung für Wissensbasierte Systeme.
Prof. Dr. Horst Karaschewski,
Emeritus an der Fakultät für Mathematik der Universität Bielefeld, ist
am 13. Januar im Alter von fast 91
Jahren gestorben. Karaschewski,
früher tätig an der Pädagogischen
Akademie Bielefeld, wurde am 26.
Januar 1912 in Eglau/Westpreußen
wicklung neuartiger Vielring-Strukturen) lehrte er dort selbständig bis
zum Sommersemester 2000 und ab
1999 auch regelmäßig an der Universität Bielefeld. Im Jahre 2000
erfolgte die Umhabilitierung an die
Universität Bielefeld. Seine Forschungsarbeiten über die Chemie
organischer Ionen in der Gasphase
wurden 1988 mit dem MattauchHerzog-Förderpreis
für Massenspektrometrie ausgezeichnet. Kuck
war von 1995 bis 1998 Stellvertretender Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Massenspektrometrie.
Seit 2001 ist er Mitglied im Vorstand
75
Personalien
der Deutschen Gesellschaft für Massenspektrometrie (DGMS), seit 1997
Vorsitzender einer Wissenschaftlichen Jury der DGMS. Neben seinen
Forschungs- und Lehraktivitäten
engagiert sich Kuck insbesondere bei
den Kontakten der Universität Bielefeld zu Schülerinnen und Schülern,
die sich für das Fach Chemie interessieren.
Dr. Franz Merkl hat sich an der
Fakultät für Mathematik der Universität Bielefeld habilitiert und erhielt
die Lehrbefugnis für Mathematik.
Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Achim
Müller, Fakultät für Chemie der Universität Bielefeld, vollendete am 14.
Februar sein 65. Lebensjahr und ist
mit Ende des Wintersemesters emeritiert worden. Müller, in Detmold
geboren, studierte in Göttingen
Chemie und Physik. Zum Doktor der
Naturwissenschaften wurde er 1965
promoviert. Schon zwei Jahre später
habilitierte er sich mit einer Arbeit
aus der Theorie der Molekülschwingungen. 1971 nahm Müller einen
Ruf an die Universität Dortmund an,
und 1977 folgte er dem Ruf auf eine
Professur für Anorganische Chemie
an der Universität Bielefeld. Hier
waren zunächst die Schwerpunkte
seiner Forschungen die PolysulfidoKomplexe der Übergangsmetalle,
damit verbunden Studien zur katalytischen Entschwefelung von Erdöl
(HDS-Katalyse) und zu biologisch
relevanten Sulfido-Komplexen, wie
sie beispielweise bei der biologischen
Fixierung von Di-Stickstoff eine
wichtige Rolle spielen. Auf beiden
Gebieten hat er binnen kurzer Zeit
internationales Ansehen erlangen
können. „Der letzte Abschnitt seiner
experimentellen Forschungen“ – so
76
heißt es in einer jüngst erschienenen
Würdigung Müllers in den Nachrichten aus der Chemie –, „umfasst die
Chemie der Polyoxometallate. Das
beginnt mit anionischen Käfigen, die
Anionen enthalten, die zudem einen
dirigierenden Einfluss auf die äußere
Form des Käfigs haben. Anion im
Anion? Das war für manchen
schlecht vorstellbar, aber alle Fehlerquellen waren systematisch ausgeschlossen worden. Ein ähnliches Problem gab es, als dann das schon über
zweihundert
Jahre
bekannte
‚Molybdänblau‘ kristallisiert und seine Struktur bestimmt werden konnte. Das darin enthaltene ‚Bielefelder
Riesenrad‘ mit 154 Molybdänatomen warf viele Fragen auf: Wieviele
reduzierte Zentren, wieviele Protonierungen, welche Ladung hat das
Anion? Die klassische Analytik war
zu ungenau und konnte nur bedingt
weiterhelfen. Es bedurfte schon großer Geduld und eines unerschütterlichen Willens zur Lösung des Problems. Man hat inzwischen gelernt,
mit solchen Riesenrädern umzugehen: Sie lassen sich verändern, man
kann sie stapeln oder verknüpfen
und Reaktionen an ihnen machen.
Ein weiterer Strukturtyp ist hinzugetreten, die Keplerate, fullerenähnliche Riesenkugeln mit ähnlichen
Strukturmotiven wie in den Riesenrädern. Auch sie lassen sich verknüpfen, öffnen, füllen und wieder verschließen, sogar wie ein Fußball in
die Gasphase ‚schießen‘. Größer
geworden sind sie auch: Der Rekord
steht jetzt bei 368 Mo-Atomen. Der
vorläufige Höhepunkt auf diesem
Sektor der supramolekularen Systeme ist wohl der unlängst publizierte
Nanoschwamm, ein Keplerat mit
zwanzig Poren, die jede ein Guanidinium-Ion
aufnehmen
können,
wobei sich die nichtkristalline Struktur des ‚Nanotropfens‘ der 100
Wassermoleküle im Inneren des
Käfigs ordnet und (hinsichtlich der
Position der Sauerstoff-Atome)
schalenartig platonische und archimedische Körper bildet. Auch Kationen können in diese Nanotropfen
eingeschleust werden. Nicht nur,
dass dieser Nanoschwamm ein interessantes Modell für die Signaltrans-
duktion an Zellmembranen sein
kann, die Strukturbildung des Nanotropfens kann auch ein Modell für
die Bereiche höherer Ordnung in
flüssigem Wasser (flickering clusters)
und für die Realstruktur von Elektrolytlösungen sein. Da ist sicher noch
einiges zu erwarten, fundamental
Wichtiges, glaubt Müller selbst. Diese Erfolgsstory wäre nicht vollständig, würde man die Arbeiten zur
Wissenschaftstheorie und philosophischen Problemen der Chemie
unerwähnt lassen. Hier dokumentiert er eine Sicht der Dinge, wie sie
für ihn bei allen Streifzügen durch
die Chemie und ihren Nachbarwissenschaften maßgeblich gewesen
ist. Unverkennbar auch der philosophische Unterbau aus der Theoretischen Physik. Die manchmal etwas
modisch eingesetzten Begriffe Komplexität und Emergenz bekommen
bei ihm eine an seinen supramolekularen Systemen demonstrierbare
reale Bedeutung. Über seine Verbindungen ist weltweit berichtet worden, in Wissenschaftsjournalen wie
NATURE und SCIENCE, aber auch
im SPIEGEL, in der SZ, FAZ und NZZ,
TIMES of INDIA, EL PAIS und so weiter. Eine wirkliche Popularisierung
von Wissenschaft.“
Prof. Dr. Eberhard Neumann,
Fakultät für Chemie der Universität
Bielefeld, erhielt von der Universität
Bukarest, Rumänien, den Titel eines
Professor honoris causa in Anerkennung seiner wissenschaftlichen Leistungen auf dem Gebiet der Physikalischen und Biophysikalischen
Chemie sowie in Anerkennung seiner Verdienste um die deutschBielefelder Universitätszeitung 213/2003
Personalien
rumänische Zusammenarbeit in der
Wissenschaft.
habilitiert und erhielt die Lehrbefähigung für das Fach Betriebswirtschaftslehre.
Prof. Dr. Winfried Schmitz,
Fakultät für Geschichtswissenschaft,
Philosophie und Theologie der Universität Bielefeld, erhielt einen Ruf
an die Universität Bonn.
Karl-Heinz Ott, freier Autor
und Dramaturg aus Freiburg und
Preisträger des Hölderlin Förderpreises der Stadt Homburg, leitete im
Wintersemester 2002/2003 das
Blockseminar „Autobiographisches
Schreiben“. Das Seminar, das die
Fakultät für Linguistik und Literaturwissenschaft der Universität Bielefeld im Rahmen des Workshops
„Kreatives Schreiben“ veranstaltete
und das für Studierende aller Fakultäten geöffnet war, ist mit finanzieller Unterstützung durch die Kulturstiftung der Westfälischen Provinzial-Versicherungen
durchgeführt
worden.
Prof. Dr. Michael Röckner,
Fakultät für Mathematik der Universität Bielefeld, zählt nach Science
Watch zu den am meisten zitierten
Mathematikern. Gemeinsam mit
Albert Cohen von der Universität
Paris liegt Röckner mit 572 Zitationen unter den ersten 25 auf Rang
17. Science Watch hatte in Vol. 13,
No. 3/2002 eine Übersicht über die
Forschung in Mathematik und Statistik der letzten zehn Jahre veröffentlicht und die am meisten zitierten
wissenschaftlichen Institutionen und
Autoren in eine Rangliste gebracht.
Berücksichtigt man nur die Mathematiker auf der Liste, ist Röckner
zusammen mit Cohen auf dem 3.
Platz.
Dr. Marlies Rogalski hat sich an
der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften der Universität Bielefeld
Bielefelder Universitätszeitung 213/2003
Marlies Schöning, seit 1.
Dezember 1981 Regierungsangestellte in der Bibliothek der Universität Bielefeld, ist am 11. Januar
2003 im Alter von 59 Jahren gestorben. Die Universität trauert um eine
allseits geschätzte Kollegin und Mitarbeiterin.
Dr. Gert Schubring, Institut für
Didaktik der Mathematik, hat sich
an der Fakultät für Mathematik der
Universität Bielefeld mit der Arbeit
„Konflikte zwischen Generalisierung, Strenge und Anschaulichkeit –
Zur Entwicklung der Grundbegriffe
der Analysis im 18. und 19. Jahrhundert“ in Geschichte der Mathematik
habilitiert.
Burkhard Schwenker, der an
der Universität Bielefeld Mathematik
und Betriebswirtschaftslehre studierte, ist neuer Chef der Beratungsgesellschaft Roland Berger Strategy
Consultants GmbH, München.
Schwenker, bisher Mitglied der
Geschäftsführung, wird ab Juli 2003
die internationale Geschäftsleitung
als Sprecher führen.
Dr. Michael Seidel, Geschäftsführer und Leitender Arzt des Stiftungsbereichs Behindertenhilfe der
von Bodelschwinghschen Anstalten
Bethel, ist von der Fakultät für
Psychologie und Sportwissenschaft
der Universität Bielefeld die Bezeichnung eines Honorarprofessors verliehen worden. Seidel, der 1994 von
der Medizinischen Fakultät der Universität Münster im Rahmen einer
Umhabilitation die Venia legendi für
das Fach Neurologie / Psychiatrie
erhielt, lehrt seit 1992 an der Abteilung Psychologie der Universität Bielefeld. Seinen Lehrauftrag für
Psychopathologie innerhalb des
Hauptstudiengangs
Psychologie
führt er inzwischen zehn Jahre sehr
erfolgreich durch. Seine Veranstaltungen sind überaus nachgefragt
und finden bei den Studierenden
großen Anklang. Aufgrund seiner
Tätigkeit im Behindertenbereich
Bethel, seiner medizinischen Ausbildung und Ausbildung im Bereich
Psychiatrie und Psychopathologie
bildet der neue Honorarprofessor
eine ideale Ergänzung der Lehre in
der Abteilung Psychologie. Seine
Lehrtätigkeit und seine wissenschaftliche Ausrichtung – in der die
Hilfe für Menschen mit geistiger
Behinderung im Vordergrund steht –
inspirieren nicht nur die Studierenden, sondern auch die Lehrenden
der Abteilung Psychologie.
Prof. Dr. Michael Spieß, früher
University of Nottingham, Großbritannien, ist Anfang Februar zum
Professor für Mathematik – Algebra,
Zahlentheorie an der Fakultät für
Mathematik der Universität Bielefeld
ernannt worden. Spieß, 1964 in Bremen geboren, studierte an der Technischen Universität Berlin und an der
FU Berlin Mathematik. 1993 wurde
er in Regensburg mit der Arbeit über
„Artin – Verdier Dualität für arithmetische Flächen“ promoviert und
wurde hierfür mit dem OBAG-Preis
ausgezeichnet. In den Jahren 1994
und 1995 ging Spieß mit einem Stipendium der Deutschen Forschungsgemeinschaft an das Institute for Advanced Study nach Princeton. Danach arbeitete er vier Jahre
als Assistent an der Universität
Regensburg. 1999 folgt Michael
Spieß, dessen letzte Forschungsarbeiten über „p-adische L-Funktio77
Personalien
78
nen“ für Mathematiker am beeindruckendsten sind und einen entscheidenden Fortschritt auf diesem
Gebiet darstellen, einem Ruf auf
eine Professur an die University of
Nottingham, bevor er jetzt an die
Universität Bielefeld kam.
Rhythmik. Diese unabhängig vom
Licht/Dunkel-Übergang mit annähernd 24-stündiger Phase gesteuerten physiologischen und molekulargenetischen Prozesse betreffen
sowohl die Entwicklung der Pflanzen
als auch die Anpassung an Stressfaktoren. Staiger hat mit dem RNA-Bindeprotein AtGRP7 ein Element des
circadian
regulierten
Rückkopplungskreises identifizert und in
transgenen Pflanzen weiter zu charakterisieren begonnen. In laufenden Arbeiten geht es um die Identifizierung von Änderungen im Stoffwechsel („metabolic profiling“) und
der Genexpression („genomics“),
die bei der Überexpression oder
Unterexpression von AtGRP7 auftreten und Hinweise auf den Regelmechanismus liefern sollen.
Gerichtsbarkeit,
Gewerblichen
Rechtsschutz und Urheberrecht.
Unter Berücksichtigung der äußerst
umfangreichen Diskussion über den
Ermessensbegriff im Verwaltungsrecht setzt sich Barbara Stickelbrock
mit „einem der letzten weißen
Flecken auf der nationalen Landkarte des Zivilprozessrechts“ auseinander und gelangt zu Ergebnissen, die
auch unmittelbare Praxisrelevanz
haben. Dies lässt sich dadurch ablesen, dass der Gesetzgeber in der
2002 in Kraft getretenen Zivilprozessrechtsreform beispielswiese die
„Kann-Vorschrift“ für die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung um Regelungen ergänzt hat,
nach denen die Wiedereröffnung in
bestimmten Fällen angeordnet werden muss.
Dr. Dorothee Staiger, früher
ETH Zürich, ist zu Beginn des Wintersemesters 2002/2003 zur Professorin für Planzliche Zellphysiologie
an der Fakultät für Biologie der Universität Bielefeld ernannt worden.
Dorothee Staiger, 1960 in Stuttgart
geboren, studierte Biochemie an der
Universität Tübingen und schloss
dort ihr Studium als Diplom-Biochemikerin mit einer thematischen Ausrichtung auf die Fächer Molekularbiologie der Pflanzen, pflanzliche
Zellphysiologie und Biochemie ab.
Als Stipendiatin der Fritz ThyssenStiftung fertigte sie ihre Promotionsarbeit am Max Planck-Institut für
Züchtungsforschung in Köln an und
wurde dort 1989 promoviert. 1990
wechselte sie ans Institut für Pflanzenwissenschaften der ETH Zürich
und habilitierte sich dort im Jahr
2000 mit der Schrift „A role for
RNA-binding proteins in the circadian system of Arabidopsis thaliana“.
Ihr Forschungsgebiet der Molekularbiologie und Genregulation der circadianen Rhythmik von Arabidopsis
ist hochaktuell. Circadiane Rhythmik
wurde von der Zeitschrift Science zu
einem der vielversprechendsten Forschungsgebiete des angehenden
Jahrtausends gekürt. Dorothee Staiger konzentriert sich in ihren Arbeiten auf die Identifizierung von Steuerungskomponenten der circadianen
Dr. Barbara Stickelbrock, früher
Universität Köln, ist im Januar zur
Professorin für Bürgerliches Recht an
der Fakultät für Rechtswissenschaft
der Universität Bielefeld ernannt
worden. Stickelbrock, 1965 in Nettetal-Breyell im Keis Viersen geboren, studierte Rechtswissenschaft an
der Universität Köln. Dort wurde sie
1996 mit der auch als Buch erschienen Arbeit „Die Kollision von Prozeßmaximen im Scheidungsverbundverfahren“ promoviert und
arbeitete danach am Institut für Verfahrensrecht der Universität Köln.
Mit der Habilitationsschrift „Inhalt
und Grenzen richterlichen Ermessens
im Zivilprozeß“ habilitierte sich
Prof. Dr. Dieter Timmermann,
Rektor der Universität Bielefeld, ist
zum stellvertretenden Vorsitzenden
der
Landesrektoren-Konferenz
(LRK) Nordrhein-Westfalen gewählt
worden (ab 1. April). Neuer LRKVorsitzender ist der Münsteraner
Rektor Jürgen Schmidt.
Stickelbrock und erhielt die Venia
legendi für Bürgerliches Recht, Zivilprozessrecht
mit
freiwilliger
Prof. Dr. Hans Vestner, Emeritus an der Fakultät für Pädagogik
der Universität Bielefeld, ist am 3.
Januar im Alter von 81 Jahren in seiner fränkischen Heimat in Zirndorf
gestorben. Vestner war als Professor
für „Allgemeine Didaktik und Schulpädagogik“ zuerst an der Pädagogischen Hochschule, später an der
Universität Bielefeld tätig. Hans
Vestner genoss in beiden Hochschulen, in den Fachkollegien der Lehrerbildung und bei den Studierenden
sehr hohes Ansehen, da es ihm in
besonderer Weise gelang, grundlegende Bedingungen des Lehrens
und Lernens auf sehr konkrete Problemstellungen der Schulen zu
beziehen. Er hat aus diesem Ansatz
neue Einsichten in schulisches Lehren und Lernen gefunden und diese
dann bis in die alltägliche Konkretisierung im Unterricht ausgearbeitet.
Besonders bekannt geworden ist seine „Direkte Hinführung zur Buchstabenschrift“, für die er außer dem
grundsätzlich neuen Ansatz vom
Bielefelder Universitätszeitung 213/2003
Personalien
Prozess des Lesenlernens auch eine
Sammlung von Arbeitsmaterialien
und Hilfen entwickelt hat. Mit diesem Vorstoß gelang es Vestner, den
jahrzehntealten „Grabenkrieg“ zwischen den „Synthetikern“ und
„Ganzheitlern“ im Erstlesunterricht
zu überwinden – sehr zum Nutzen
für das Verständnis vom Schulanfang und seine Gestaltung insgesamt. Gerade diese Arbeiten haben
in Deutschland ein weites Echo
gefunden, und ihr Grundansatz wurde in eine Reihe von Leselehrgängen
aufgenommen. Alle diejenigen, die
mit Hans Vestner in der Hochschule
oder in der Schule zu tun hatten,
erinnern sich dankbar an seine sehr
anregende, immer besonnenfreundliche und zugleich beharrliche Art zu
diskutieren.
Dr. Bernd Weißhaar ist im
Januar zum Professor für Genomforschung an der Fakultät für Biologie
der Universität Bielefeld ernannt
worden. Weißhaar, 1961 in Bergneustadt geboren, studierte Biochemie, organische Chemie und Genetik an der Universität Köln. Nach seiner Promotion 1988 arbeitete
Weißhaar – unterbrochen von einem
Forschungsaufenthalt an der Division of Biochemistry and Molecular
Biology der Universität Glasgow –
bis zu seiner Berufung nach Bielefeld
am Kölner Max-Planck-Institut für
Züchtungsforschung. Mit der Habilitationsschrift „DNA-bindende Proteine der bZIP-Klasse in Pflanzen“
habilitierte sich Weißhaar 1995 an
der Universität Köln.
Abschied von dem letzten noch aktiven Lehrenden
aus der Gründungszeit der Universität
Otthein Rammstedt hat mit dem
Klassiker Simmel noch genug zu tun
(BUZ) Er hat sich nie in den Vordergrund gespielt, aber nicht nur aus der
Fakultät für Soziologie, sondern aus der Universität als Ganzer ist er nur
schwer wegzudenken: Am 29. Januar hielt Professor Otthein Rammstedt
seine Abschiedsvorlesung zum Thema „Klassiker im Fluchtpunkt der Soziologie“. Damit scheidet ein echtes „Urgestein“ der Universität, nämlich der
letzte Lehrende aus ihrer Gründungszeit, aus dem aktiven Dienst aus.
Schon 1968 gehörte Rammstedt als
„Mittelbauer“ zur so genannten
Fachbereichskommission Soziologie
und bereits 1969 dem Senat der Universität an. Zuvor war er Assistent
von Niklas Luhmann an der Dortmunder
Sozialforschungsstelle.
1980 wurde er auf eine Professur für
Soziologie, insbesondere Soziologiegeschichte und Sozialphilosophie
berufen. In seiner Laudatio wies sein
Schüler Dr. Volkhard Krech von der
Forschungsstätte der Evangelischen
Studiengemeinschaft
Heidelberg
sowohl auf das breite Spektrum von
Rammstedts Forschungsinteressen
wie auf dessen „nachgerade seismographische Sensibilität für gesellschaftliche Probleme und Veränderungen“ hin. Letzteres gilt etwa für
sein 1974, also in der Zeit der RAF,
erschienenes Buch „Gewaltverhältnisse und die Ohnmacht der Kritik“,
mit dem er unter Beweis stellte, dass
„soziologische Analyse, Zeitdiagnose
und gesellschaftspolitische Stellungnahme sehr wohl miteinander zu vereinbaren sind“. Rammstedt versuchte eine Synthese aus den Denktraditionen der Frankfurter Schule und
Luhmannscher Systemtheorie, „eine
Synthese, die einerseits auf einer
Theorie der funktionalen Differenzierung beruht und andererseits deren
Folgen für die individuelle Existenz in
den Blick nimmt“.
Wichtiger Schwerpunkt seiner
wissenschaftlichen Arbeit war das
Thema „Soziale Bewegung“, zu
dem 1978 als „klassischer Text der
Bewegungsforschung“ eine Monographie erschien. Schon in seiner
Dissertation hatte er sich mit der
Bewegung der Täufer in Münster
auseinandergesetzt. 1986 erschien
seine vielbeachtete wissenschaftsgeschichtliche Studie zur Soziologie
in der NS-Zeit mit dem geradezu
Dr. Jan Wenzelburger hat sich
an der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften der Universität Bielefeld
habilitiert und erhielt die Lehrbefugnis für das Fach Volkswirtschaftslehre.
Prof. Dr. Elke Wild, Fakultät für
Psychologie und Sportwissenschaft
der Universität Bielefeld, hat den Ruf
auf eine Professur für Schulpädagogik / Schul- und Unterrichtsforschung im Fachbereich Erziehungswissenschaft und Psychologie der
Freien Universität Berlin abgelehnt.
Bielefelder Universitätszeitung 213/2003
79
Personalien
sprechenden Titel „Deutsche Soziologie 1933-1945. Die Normalität
einer Anpassung“. Lange bevor dies
zum gängigen soziologischen Thema wurde, hatte er sich auch mit
Fragen
der
Risikoforschung
beschäftigt. Dass Georg Simmel
inzwischen zu den Klassikern des
Faches gezählt wird, ist ebenfalls
maßgeblich Rammstedt zu verdanken. Nach der Wiederveröffentlichung ausgewählter Simmel-Texte
in vorangegangenen Jahrzehnten ist
er seit 1989 Herausgeber der bei
Suhrkamp erscheinenden großen
Gesamtausgabe.
Otthein Rammstedt hat als
akademischer Bürger zahlreiche
Ämter in der Selbstverwaltung bis
zum Dekan ausgeübt, sich aber
auch in öffentlichen Diskussionen
zu Wort gemeldet. Manchem dürften seine pointierten Rundfunkkommentare zum Zeitgeschehen
noch in bester Erinnerung sein.
Schüler und Kollegen gaben aus
Anlass der Emeritierung eine Festschrift mit dem echt Simmelschen
Titel „Mélanges“ heraus, die zu
Rammstedts Überraschung im Rahmen der Abschiedsvorlesung überreicht wurde. Krech strich nicht
zuletzt dessen „köstlichen Humor
und die Fähigkeit zur selbstironischen Distanznahme“ heraus und
beendete die Laudatio ganz in diesem Sinne: „Ganz wörtlich genommen ist ein Emerit ein Ausgedienter, für das katholische Kirchenrecht ein altersbedingt dienstunfähig gewordener Geistlicher
und für das Beamtenrecht ein von
seiner Lehrverpflichtung entbundener Hochschulprofessor. Was will
uns das alles sagen? Nachdem ich
bereits Hegel bemüht habe, soll
jetzt auch Kant zu seinem Recht
kommen: Dass Otthein Rammstedt
nicht dienstunfähig ist, wissen wir;
dass seine Entbindung von den
Verpflichtungen eines Hochschullehrers nicht mit seinem Rückzug
ins Private einhergeht, wollen wir;
und dass der Professorentypus, den
er verkörpert, nicht ausgedient hat,
können wir nur hoffen – für uns
und für die Zukunft der Universität!“
80
Erster Ehrendoktor der Fakultät für Pädagogik 90 Jahre alt
Pädagogisches Forum mit
Chaim Seeligmann
(BUZ) Die „Zukunft der Kibbuz-Erziehung im Spiegel der Biographie –
Chaim Seeligmann zum 90. Geburtstag“ hieß ein Pädagogisches Forum,
das die Fakultät für Pädagogik der Universität Bielefeld im Januar zu Ehren
des israelischen Pädagogen und Historikers und des Ehrendoktors der Universität Bielefeld veranstaltete.
Seeligmann erhielt 1990 den ersten
von der Fakultät für Pädagogik vergebenen Ehrendoktor für seine wissenschaftlichen Leistungen auf dem
Gebiet der historischen Pädagogik
und seine Verdienste um die
deutsch-jüdische Verständigung.
Chaim Seeligmann, in Karlsruhe
geboren, engagierte sich früh in der
zionistischen
Jugendbewegung.
1935 emigrierte er nach Palästina
und baute unter schwierigsten
Bedingungen den Kibbuz „Givat
Brenner“ auf, in dem er heute noch
lebt. Er war Lehrer an einer Kibbuzschule und wurde nach dem Sechstagekrieg als Dozent und Forscher
nach Yad Tabenkin berufen, ein
Institut der Kibbuzbewegung, in
dem sowohl historische und pädagogische Forschung wie auch
Erwachsenenbildung betrieben wird.
Von hier aus nahm er Kontakt zur
Universität Bielefeld auf. Zahlreiche
Studierende der Fakultät für Pädagogik lernten daraufhin im Rahmen
ihrer Lehrforschungsprojekte das
Leben im Kibbuz kennen. Gleichzeitig kam es zu einem intensiven Dozentenaustausch. Seeligmann lehrte
mehrfach in Bielefeld – nicht nur an
der Fakultät für Pädagogik, sondern
auch am Bielefelder Oberstufen-Kolleg und an der Laborschule.
Das Pädagogische Forum wurde
im Wesentlichen von den mit Seeligmann seinerzeit kooperierenden Bielefelder Pädagogen Harm Paschen,
Theodor Schulze sowie Wolfgang
Melzer (jetzt TU Dresden) und Heinz
Sünker (jetzt Universität Wuppertal)
gestaltet und reflektierte Geschichte,
Gegenwart und Zukunft der KibbuzErziehung im Lichte der Biographie
Chaim Seeligmanns, der gerade im
Urfeld-Verlag seine Autobiographie
„Es war nicht nur ein Traum“ veröffentlicht hat.
„Du lebst, so lange Du lernst“, so kann das Motto der Lebensgeschichte von
Chaim Seeligmann – hier auf dem Foto zusammen mit Pädagogik-Dekanin
Katharina Gröning – lauten. Ein Motto, das der Bielefelder Pädagoge Theodor
Schulze für seine Laudatio zur Verleihung der Ehrendoktorwürde an Chaim Seeligmann durch die Fakultät für Pädagogik am 28. November 1990 verwendete
und jetzt im Pädagogischen Forum zu Ehren des Jubilars erneut aufgriff.
Bielefelder Universitätszeitung 213/2003
Personalien
Reinhart Koselleck erhält
Historikerpreis der Stadt Münster
(SMS) Er hat Europa an der Schwelle zur Moderne beschrieben und Grundlagenwerke über die preußischen Reformen veröffentlicht. Er hat die Sprache
der Historiker erforscht und damit nutzbar gemacht zum Begreifen weiterer
Zusammenhänge. Er sucht gesprächsbereit und streitbar immer wieder den
öffentlichen Diskurs und gilt als der bedeutendste deutsche Begriffshistoriker: Reinhart Koselleck, emeritierter Professor für Theorie der Geschichte an
der Universität Bielefeld, wird für sein umfassendes Werk mit dem Historikerpreis der Stadt Münster geehrt.
Durch seine grundlegenden Studien
zur Begriffsgeschichte und zur historischen Semantik habe Koselleck
„seine
Zeitgenossen
für
die
geschichtliche Bedingtheit und die
Instrumentalisierbarkeit von politischer
Sprache
sensibilisiert“,
begründete die Jury unter Vorsitz
von Oberbürgermeister Dr. Berthold
Tillmann ihre Wahl. Als Autor habe
Koselleck entscheidenden Anteil an
einer neuen Begründung der Geisteswissenschaften, von der Literaturwissenschaft bis zur Philosophie.
Als streitbarer Bürger habe er sich
durch engagierte Wortmeldungen in
die Tradition politischer Aufklärung
gestellt. Die Auszeichnung ist dotiert
mit 12 500 Euro und wird am 18. Juli
2003 im historischen Rathaus zu
Münster überreicht.
Reinhard Koselleck, am 23. April
1923 in Görlitz geboren, wurde für
sein Werk im In- und Ausland vielfach ausgezeichnet. 1989 erhielt er
den Preis des Historischen Kollegs,
1999 würdigte ihn die Deutsche
Akademie für Sprache und Dichtung
mit dem Sigmund-Freud-Preis für
wissenschaftliche Prosa.
Die Stadt Münster vergab den
Historikerpreis – gestiftet 1978 zum
330. Jahrestag des Westfälischen
Friedens – erstmals 1981 – damals
an Gordon A. Craig (USA). Die weiteren Preisträger: Thomas Nipperdey
(1984), Hans-Peter Schwarz (1988),
Jacques Le Goff (1993) und Konrad
Repgen (1998).
Strukturwandel im deutschen Hochschuldienstrecht
Erste Juniorprofessuren
an der Universität Bielefeld
(BUZ) Die eigenständige Forschung und Lehre schon zu einem frühen Zeitpunkt der wissenschaftlichen Laufbahn steht bei der Etablierung von
Juniorprofessuren an deutschen Hochschulen im Mittelpunkt. Die Einrichtung der Juniorprofessuren – ein Kernpunkt der Reform des Hochschuldienstrechtes der Bundesregierung – stellt einen deutlichen Strukturwandel
im deutschen Hochschuldienstrecht dar.
Die bisherigen Verhältnisse an den
Universitäten sind dadurch gekennzeichnet, dass erst mit der Berufung
Bielefelder Universitätszeitung 213/2003
auf eine Professur, die durchschnittlich erst um das 40. Lebensjahr
erfolgt, die Möglichkeit zu völlig
selbstständiger Tätigkeit in Forschung und Lehre eingeräumt wird.
Durch die Einführung der Juniorprofessur soll dem wissenschaftlichen
Nachwuchs bereits mit Anfang 30
erstmals die Möglichkeit zu eigenverantwortlicher Forschung und Lehre
eingeräumt werden.
117 Juniorprofessorinnen und
-Juniorprofessoren traten an neun
nordrhein-westfälischen Hochschulen mit Beginn des Wintersemesters
2002/2003 ihren Dienst an. An der
Bielefelder Universität sind zwei
Juniorprofessorinnen und vier Juniorprofessoren berufen worden.
Die Juniorprofessorinnen und
-professoren sind aufgrund einer
öffentlichen Ausschreibung in einem
Auswahlverfahren unter Einbeziehung externer Gutachten ausgewählt worden. Die Besetzung der
Juniorprofessuren ist durch die vom
Bundesministerium für Bildung und
Forschung initiierte „Vorgriffsförderung“ ermöglicht worden, so dass
schon vor Umsetzung der Hochschuldienstrechtsreform durch das
Land Nordrhein-Westfalen Juniorprofessuren besetzt werden konnten.
Allerdings erfolgte die Einstellung der
Nachwuchswissenschaftler zunächst
als wissenschaftliche Assistenten
(C1), da die beamtenrechtliche
Ernennung zum Juniorprofessor oder
zur Juniorprofessorin erst nach Einführung dieser Personalkategorie in
NRW möglich ist.
Für die Nachwuchswissenschaftler stellt das Bundesministerium eine
Fördersumme von bis zu 75 000 Euro
€ je Stelle als Erstausstattung zur Verfügung. Dadurch soll den Nachwuchswissenschaftlern im Vorgriff
auf die Einführung der Juniorprofessur bereits die Möglichkeit zu selbstständiger Forschung und Lehre
gegeben werden. Sie sollen dann,
sobald das neue Hochschuldienstrecht in Nordrhein-Westfalen in Kraft
getreten ist, in das Amt einer Juniorprofessorin oder eines Juniorprofessors übergeleitet werden. Juniorprofessoren werden zunächst für drei
Jahre ernannt. Nach erfolgreicher
Evaluierung folgt eine Verlängerung
um weitere drei Jahre.
An der Fakultät für Gesundheits81
Personalien
wissenschaften arbeitet Dr. Gabriele
Berg in der Arbeitsgruppe „Epidemiologie und Medizinische Statistik“
als neue Juniorprofessorin. Sie findet
die Idee der Juniorprofessur gut,
möglichst früh selbstständig zu forschen und zu lehren. Auf dem
Gebiet der Forschung ändert sich für
sie nicht sehr viel, hier hatte sie auch
zuvor große Freiräume. Doch bei
den eigenen Lehrveranstaltungen,
die sie im kommenden Sommersemester anbietet, betritt sie Neuland.
Unsicher ist Gabriele Berg hinsichtlich der Akzeptanz der Juniorprofessur in der scientific community. So
hat sie sich noch nicht endgültig entschieden, ob sie auf ihre Habilitation
verzichtet: „Die Frage ist, habe ich
den Mut, sie nicht zu schreiben.“
Gabriele Berg wurde 1967 in
Siegen geboren und studierte
zunächst Oecotrophologie an der
Universität Bonn und erhielt 1994
ihr Diplom. Noch während ihres
Studiums war sie zwei Mal in Brasilien und schrieb dort an der Fakultät
für „Public Health“ der Universidade
de Sao Paulo eine Diplomarbeit über
Anämieprävention bei Kindern im
öffentlichen
Gesundheitswesen.
Außerdem arbeitete sie im Forschungsprojekt „Energieverbrauch
von Kindern“ mit. 1997 promovierte
Gabriele Berg an der Universität
Ulm, wo sie auch ein Aufbaustudium
der Gesundheitswissenschaften absolvierte, und war danach im Diabetes-Forschungsinstitut an der Universität Düsseldorf tätig. Seit 1999
arbeitet sie in der Arbeitsgruppe
82
„Epidemiologie und Medizinische
Statistik“ der Fakultät für Gesundheitswissenschaften in Bielefeld. Ihre
Forschungsschwerpunkte sind der
Bereich der Umweltepidemiologie
und
Gesundheitsrisiken durch
Hochfrequenzstrahlen.
Dr. Bernd Clausen besetzt die
Juniorprofessur für Musik in der
Abteilung Kunst und Musik der
Fakultät für Linguistik und Literaturwissenschaft der Universität Bielefeld. Nach seinem Examen in Schulmusik und Deutsch wechselte er
Ende der 90er Jahre als Dozent für
Deutsch und deutsche Kultur an die
Universität
Muroran/Hokkaido
(Japan). 2001 promovierte er an der
Hochschule für Musik und Theater
in Hannover mit der Dissertation
„Das Fremde als Grenze – Außereuropäische Musik im Diskurs des 18.
Jahrhunderts und der gegenwärtigen Musikpädagogik“.
Der Bearbeitung seines musikkulturellen Forschungsgebietes auf
der Grenze von Musikwissenschaft
und Musikpädagogik sind auch seine weiteren Veröffentlichungen in
musikpädagogischen Publikationen
verpflichtet. Die heute so wichtige
Frage des Umgangs mit Menschen
anderer Kulturen und deren ästhetischen Handlungsprodukten und die
damit einhergehende kulturelle
Selbstvergewisserung wird von
Clausen immer wieder facettenreich
dargestellt. Clausen, dessen Auslandserfahrungen der Internationalisierung des Studiums entgegenkommen, war zudem längere Zeit Chorleiter an den Universitäten in
Hannover und in Hildesheim.
Dr. Rafael Kurtz besetzt eine
Juniorprofessur für Neurophysiologie in der Fakultät für Biologie. Für
ihn, der die Abschaffung der Habilitation für sinnvoll hält, ändert sich
durch die Juniorprofessur eher graduell etwas. Im Bereich Forschung
konnte er auch bisher schon eigenständig arbeiten, und mehr Lehrverpflichtung übernimmt Kurtz gerne,
denn Lehre als Vermittlung von
aktueller Forschung bereitet ihm viel
Freude.
Rafael Kurtz, Jahrgang 1968,
studierte an der Universität Bielefeld
Biologie sowie im Nebenfach
Psychologie und erhielt 1997 sein
Diplom. Im Anschluss arbeitete er
am Lehrstuhl für Neurobiologie der
Universität Bielefeld und promovierte dort 2001 mit der Dissertation
„Ca2+-vermittelte Signalgebung in
visuellen Neuronen der Fliege“. Seine Doktorarbeit behandelt grundlegende Aspekte der zellulären
Mechanismen visueller Informationsverarbeitung. In Kooperation
mit dem Lehrstuhl für Angewandte
Laserphysik befasst sich Kurtz damit,
ein neuartiges dort entwickeltes
bildgebendes Verfahren auf das Nervensystem anzuwenden, um so in
bislang noch unbekannte Dimensionen der zellulären Informationsverarbeitung voranzustoßen.
Die Idee der Juniorprofessur findet Dr. Tim Nattkemper, der an der
Technischen Fakultät für das Fach
Angewandte Neuroinformatik beruBielefelder Universitätszeitung 213/2003
Personalien
fen wurde, gut und sinnvoll. Allerdings hält er die Ausgestaltung für
nicht ausgereift und befürchtet
Akzeptanzprobleme. Tim Nattkemper, Jahrgang 1968, studierte an der
Universität Bielefeld zunächst Mathematik und wechselte nach dem
Vordiplom zum Studiengang Naturwissenschaftliche Informatik mit
Schwerpunkten Mustererkennung,
Neuroinformatik, Künstliche Intelligenz sowie Physikalische Chemie im
naturwissenschaftlichen
Bereich.
Nach dem Abschluss des Studiums
1997 war er Stipendiat im DFG-Graduiertenkolleg Strukturbildungsprozesse und promovierte im Jahr 2000
an der Technischen Fakultät.
Anschließend war er wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Bielefelder Arbeitsgruppe Neuroinformatik, in der er seine Forschungsarbeiten auf weitere Themenfelder im
Bereich biomedizinischer Bildverarbeitung ausdehnte. Dabei war er
maßgeblich an der Konzeption und
Beantragung eines großen BMBFVerbundprojekts mit Kooperationspartnern aus Industrie und mehreren
Universitäten beteiligt, in dessen
Fokus die Erarbeitung ultrasensitiver
einzelzellgestützter Analysetechnologien für die Erkennung und Entschlüsselung räumlicher ProteomMuster steht. Die Entwicklung adaptiver Bildverarbeitungsverfahren zu
diesem Zweck bildet einen wichtigen
Schwerpunkt der Forschungsarbeiten von Nattkemper. In jüngerer Zeit
hat Nattkemper seine Forschungsaktivitäten auf weitere wichtige Themenfelder der Bioinformatik und der
biomedizinischen Bildverarbeitung
ausgedehnt.
Dr. Sebastian Thies besetzt in der
Fakultät für Linguistik und Literaturwissenschaft die Juniorprofessur für
Hispanistische Literaturwissenschaft
und Medienwissenschaft. Sebastian
Thies, 1968 in Osnabrück geboren,
studierte an der Universität Osnabrück Literaturwissenschaften (zunächst
Amerikanistik/Romanistik,
danach in Münster im Zweitstudium
Romanische Philologie: Spanisch).
Bevor er seine Magisterarbeit „Der
historische Roman in der mexikaniBielefelder Universitätszeitung 213/2003
schen Gegenwartsliteratur“ 1995
abschloss, nahm Thies ein längeres
Auslandsstudium an der Universidad
Nacional Autónoma de México auf.
Mit einem Forschungsstipendium
des Deutschen Akademischen Austauschdienstes ging er 1997/98 an
das Colegio de México und wurde
danach im Jahr 2000 an der Universität Osnabrück mit der Dissertation
„Das Geschichtskonzept in der
mexikanischen Gegenwartsliteratur
zwischen Memoria und Alterität“
promoviert.
Schwerpunkte seiner Forschung sind
derzeit die frühen postkolonialen
Diskursformationen in der lateinamerikanischen Avantgarde und die
Thematik "interkulturelle Medienarbeit im lateinamerikanischen Exil.
Zudem gehört auch die Beschäftigung mit dem lateinamerikanischen
Film und Fernsehen zu seinen engeren Interessensgebieten.
Er hält die Juniorprofessur
grundsätzlich für einen guten Weg:
„Man hat Freiräume und Gestaltungsmöglichkeiten, die man als
Hochschulassistent nicht hat.“
Dr. Christiane Werner besetzt in
der Fakultät für Biologie die Juniorprofessur Ökophysiologie der Pflanzen. Christiane Werner, 1969 in Köln
geboren, studierte Biologie an der
Universität Köln. Während ihres Studiums absolvierte sie im Rahmen des
ERASMUS-Programms einen Auslandsaufenthalt an der Universität
Lissabon. Die dort geknüpften Kontakte führten dazu, dass sie auch die
experimentellen Arbeiten zu ihrer
Diplomarbeit zum Gaswechsel und
Wasserhaushalt von Korkeichen in
Portugal durchführte. Nach ihrem
Diplom 1995 wechselte sie 1996 an
die Universität Bielefeld und begann
am Lehrstuhl für Experimentelle
Ökologie und Ökosystembiologie
der Fakultät für Biologie ihre Promotion. Die experimentellen Arbeiten
führten sie erneut nach Portugal. Im
Jahr 2000 reichte sie ihre Dissertation mit dem Titel „Evaluation of
structural and functional adaptations
of Mediterranean macchia species to
drought stress with emphasis on the
effects of photoinhibition on wholeplant carbon gain – a modelling
approach“ ein. Ihre Doktorarbeit
wurde noch im selben Jahr mit dem
Dissertationspreis der WestfälischLippischen Universitätsgesellschaft
ausgezeichnet. Im Anschluss an ihre
Promotion übernahm Christiane
Werner eine Postdoktorandenstelle
im europäischen Projekt „Network
for Ecophysiology in Closing Terrestrial Carbon Budget“ an der Universität Lissabon. Im Oktober 2001
kehrte sie an die Universität Bielefeld
zurück und arbeitet seitdem als wissenschaftliche Assistentin am Lehrstuhl für Experimentelle Ökologie
und Ökosystembiologie. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen in der
Stressanpassung mediterraner Pflanzen und in diesem Zusammenhang
in der quantitativen Beschreibung
der Photoinhibition.
Für Christiane Werner ist der
frühe Einstieg in die eigenständige
Forschung, der sich auch in Veröffentlichungen niederschlägt, der
richtige Weg. Problematisch sieht sie
die derzeit unklare Rechtslage, zum
Beispiel hinsichtlich der Prüfungsberechtigung der Juniorprofessoren.
83
Personalien
Am Empfang der Universitätsgesellschaft zu Ehren Helmut Steiners nahmen auch
der ehemalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker und Marianne von
Weizsäcker teil. Sie kamen nach Bielefeld, um Steiner als stellvertretendem Vorsitzenden und Schatzmeister der Marianne von Weizsäcker-Stiftung, die sich für die
Integration ehemaliger Drogenabhängiger einsetzt, zu danken. Dass ein Schatzmeister alles in Ordnung halten müsse, sei selbstverständlich, sagte von
Weizsäcker. Bei dem Leid, das Drogen über Menschen bringt, auch ein „menschlicher Schatzmeister“ zu sein, das habe er so noch nicht erlebt. Durch seine helfende Tätigkeit in aller Welt könne Steiner als Wohltäter der Menschheit bezeichnet
werden. Das Foto zeigt (von links): Oberbürgermeister Eberhard David, Richard
von Weizsäcker, Helmut Steiner und Regierungspräsident Andreas Wiebe.
ihre für die Universität bestimmten
Fördersummen deutlich angestiegen
sind. Darüber hinaus engagiert er
sich in zahlreichen weiteren mit der
Universität verbundenen Organisationen. Steiner ist Gründungsmitglied und Schatzmeister des Absolventen-Netzwerkes,
Vorsitzender
des „Vereins der Freunde und Förderer des Zentrums für interdisziplinäre
Forschung“ und Vorstandsmitglied
des „Vereins zur Förderung von
Kunst und Kultur an der Universität
Bielefeld“ sowie Kuratoriumsmitglied der Bielefelder Sektion von
AIESEC, einer internationalen Vereinigung von Studierenden der Wirtschaftswissenschaften.
Helmut Steiners Lehrtätigkeit
beschränkt sich nicht auf die Universität Bielefeld. Er war Lehrbeauftragter der Kirchlichen Hochschule
Bethel und engagierte sich – wie
auch Professor Klaus-Peter Kistner in
seiner Laudatio auf Helmut Steiner
hinwies – nach der Wende insbesondere als Gastdozent an Hochschulen
des ehemaligen „Ostblocks“ in
Polen, Russland, der Mongolei und
Ein „menschlicher Schatzmeister“ und „Wohltäter der Menscheit“
Helmut Steiner engagiert sich seit
Gründungszeit für die Universität
84
(BUZ) Der langjährige Vorstandsvorsitzende der Sparkasse Bielefeld, Helmut Steiner, Honorarprofessor der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften
der Universität Bielefeld und Ehrendoktor der Moskauer Akademie für
Volkswirtschaft, feierte am 9. Februar seinen 75. Geburtstag. Seit 1979 hatte er als Lehrbeauftragter und seit 1994 als Honorarprofessor über 47 (!)
Semester Lehrveranstaltungen an der Universität Bielefeld abgehalten. Am
14. Februar verabschiedete ihn nun die Fakultät für Wirtschaftswissenschaften mit einem Kolloquium zum Thema „Wirtschaft und Hochschule“.
Zudem gab die Westfälisch-Lippische Universitätsgesellschaft zu Ehren des
Jubilars einen Empfang, an dem auch der ehemalige Bundespräsident
Richard von Weizsäcker und Marianne von Weizsäcker teilnahmen.
Der ehemalige Vorsitzende der Universitätsgesellschaft Gerd Seidensticker im Gespräch mit Thomas Niehoff, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Ostwestfalen zu Bielefeld (v.l.).
Steiners zahlreiche Aktivitäten im
Zusammenhang mit der Universität
sind allerdings weitaus vielfältiger
und gehen bis in deren Gründungszeit zurück. Von 1969 bis 1979 war
er stellvertretender Vorsitzender des
Studentenwerks Bielefeld. Eine
in Usbekistan. Für sein gesellschaftliches Engagement in zahlreichen
Ehrenämtern erhielt Steiner 1999
das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse.
Darüber hinaus ist er Träger der Goldenen Ehrennadel der IHK und
anderer Auszeichungen.
wichtige Rolle spielt er in der Westfälisch-Lippischen
Universitätsgesellschaft, deren Geschäftsführer er
seit 1991 ist. Seinen Aktivitäten ist es
maßgeblich zu verdanken, dass die
Universitätsgesellschaft in den letzten Jahren weiter gewachsen ist und
Bielefelder Universitätszeitung 213/2003
Personalien
Beim Empfang der WestfälischLippischen Universitätsgesellschaft
nannte der Vorstandsvorsitzende
Ortwin Goldbeck Helmut Steiner ein
lebendes Beispiel für ehrenamtliche
Tätigkeit. Was Steiner anfasse, „das
macht er ganz und mit vollem Engagement“. Hierauf wies auch Rektor
Dieter Timmermann hin und dankte
Steiner für die bleibenden Verdienste
bei der Bewusstseinsbildung und der
Integration der Universität in die
Stadt und die Region: „Alle Funktionen, die Sie über die Lehrtätigkeit
hinaus wahrnehmen, haben Sie
ehrenamtlich übernommen. Daher –
Zum Abschluss des Kolloquiums zu Ehren von Helmut Steiner moderierte der
Bielefelder Wirtschaftswissenschaftler Professor Fred G. Becker die Podiumsdiskussion „Wirtschaft und Hochschule: Nur Gerede, kaum Taten?“. Es diskutierten Gabriele Behler (Mitglied des Landtags), Ortwin Goldbeck (Goldbeck
GmbH), Professor Helmut Jahnke (Fakultät für Wirtschaftswissenschaften), Dr.
Wolfgang Sonnabend (Personalleiter, arvato Bertelsmann) und Hans-Georg
Vogt (Vorstandsvorsitzender der Sparkasse Bielefeld).
Die Bielefelder Wirtschaftswissenschaftler Hermann Jahnke und Rolf
Jürgen König im Gespräch mit Richard
von Weizsäcker (v.l.).
so glaube ich – kann ich ohne Einschränkung behaupten, dass Sie ein
Vorbild an leidenschaftlichem Enga-
gement und für die ehrenamtliche
Betätigung in der Bürgergesellschaft
sind, das Schule machen sollte. Dieses Engagement und die dahinterstehende Einstellung kommen in
Ihrem persönlichen Lebensmotto
klar zum Ausdruck. Es lautet nämlich: ‚Fange nie an aufzuhören, höre
nie auf anzufangen!‘“.
Ortwin Goldbeck und Rektor Dieter Timmermann sowie Klaus-Peter Kistner
(v.l.), der in seiner Laudatio das Wirken Helmut Steiners in der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften der Universität Bielefeld und in zahlreichen ausländischen Hochschulen würdigte.
Bielefelder Universitätszeitung 213/2003
Dienstjubiläen
25 Jahre im
Öffentlichen Dienst
(BUZ) In den vergangenen Monaten
konnten an der Universität Bielefeld
mehrere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf ein Vierteljahrhundert
im Öffentlichen Dienst zurückblikken. Es sind dies:
Dieter Block, Hans-Joachim Dath,
Edmund Hasenheit, Joachim Herzberg,
Wilfried
Rüßkamp
und
Helmut
Wolf
(alle Dezernat IV,
Technische Betriebsverwaltung);
Erhard
Lükewille (Foto,
Fakultät für Chemie);
Marion
Matz (Foto, Fakultät für Mathematik); Karla
Schneider (Fakultät für Physik).
85
Termine
Notarrecht der Universität Bielefeld.
Weitere Informationen im Internet
unter
www.kompaktkurs.de/soldan-tagung/index.html.
7.5.2003, Universität Bielefeld,
Sportbereich, Tag des Schulsports –
eine Fortbildungsveranstaltung für
Sportlehrerinnen und Sportlehrer.
Veranstalter: Abteilung Sportwissenschaft der Universität Bielefeld. Kontakt: Elisabeth Sahre, E-Mail: elisabeth.sahre@uni-bielefeld.de.
Für seinen Verbesserungsvorschlag zur Einsparung von Trinkwasser ist der
Installateur der Technischen Betriebsverwaltung der Universität Bielefeld Wilfried Rüßkamp vom Ministerium für Wissenschaft und Forschung ausgezeichnet worden. Im Rahmen des „Ideenmanagement NRW“ wurde sein Vorschlag
mit 400 Euro prämiert; die Urkunde überreichte Kanzler Hans-Jürgen Simm. Für
die Qualitätskontrolle im Schwimmbad des Zentrums für interdisziplinäre Forschung ist das Wasser bisher an einer Mess-Sonde vorbei in den Abfluss geleitet worden. Wilfried Rüßkamp hatte die Idee, dieses Messwasser mit Hilfe
einer kleinen Pumpanlage wieder in das Schwimmbecken zurückzuführen.
„Dieser Umbau brachte eine erhebliche Einsparung an Frischwasser und
Abwassergebühren. Außerdem werden weniger Chemikalien verbraucht, dies
bedeutet eine geringere Umweltbelastung“, lobt Manfred Böhme, Technischer
Direktor der Universität Bielefeld. Mittlerweile haben mehrere Universitäten in
Nordrhein-Westfalen den Vorschlag Rüßkamps umgesetzt und konnten
dadurch ebenfalls erhebliche Einsparungen erzielen. Wer interessante Ideen
und Verbesserungsvorschläge hat, kann sich an Wolfgang Hiemer, Dezernat Z,
wenden. Das Foto zeigt (v.l.): Wolfgang Hiemer, Heiko Eujen, Wilfried Rüßkamp, Hans-Jürgen Simm und Manfred Böhme.
Terminkalender
17.3.2003, 20.00 Uhr, Volkshochschule Bielefeld, Murnau-Saal,
VHS-Veranstaltungsreihe „Lehren
aus PISA“, Prof. Dr. Rainer Dollase,
Universität Bielefeld: Unterricht in
heterogenen Lerngruppen. Wie
wichtig ist das Lehrverhalten für
Integration?
2.4.2003, 13.00 Uhr, Bildungsmesse 2003 in Nürnberg, Vortrag
von Prof. Dr. Eiko Jürgens, Fakultät
für Pädagogik der Universität Bielefeld: Vertrauenskultur und Lernidentitätsentwicklung im Zusammenhang schulischer Leistungserziehung.
86
3.4.2003, 14.15 Uhr, Bildungsmesse 2003 in Nürnberg, Vortrag
von Dr. Felix Winter, OberstufenKolleg an der Universität Bielefeld:
Neue Wege der Leistungsbeurteilung – das Portfolio.
25.4.2003, 10.00 Uhr, Zentrum für interdisziplinäre Forschung, Institut für Anwalts- und
Notarrecht der Universität Bielefeld,
5. Soldan-Tagung zur anwaltsorientierten
Juristenausbildung:
Die inhaltliche Neuausrichtung des
rechtswissenschaftlichen
Studiums: Berufsfeldbezug, Schlüsselqualifikationen, Schwerpunktausbildung, Leistungskontrollen. Tagungsleitung: Prof. Dr. Stephan
Barton, Prof. Dr. Fritz Jost, Direktoren des Instituts für Anwalts- und
8.5.2003, Universität Bielefeld,
Girls‘ Day – Mädchen Zukunftstag
in der Universität Bielefeld. Der
bundesweite Aktionstag soll jungen
Mädchen im Alter von 10 bis 15 Jahren die Berufswelt näher bringen
und die Augen auch für technische
Berufe öffnen. In der Universität Bielefeld werden Studentinnen der Biologie, der Chemie, der Physik und
der Informatik den Mädchen ihre
Ausbildung in der Universität präsentieren und die möglichen Berufsperspektiven aufzeigen. Zudem öffnen das teutolab Chemie und das
teutolab Physik ihre Türen und laden
die Mädchen zum Experimentieren
ein. Kontakt: Andrea Huck, Fakultät
für Physik, Telefon 0521/106-5255.
14.5.2003, Universität Bielefeld, Sportbereich, Deutsche Hochschulmeisterschaft im Herren-Fußball. Das Fußballer-Team der Universität Bielefeld richtet als deutscher
Vizemeister die Vorrunde für Nordrhein-Westfalen aus und will sich für
die Zwischenrunde qualifizieren. Leitung: Dr. Hans Danner.
30.5.-1.6.2003,
Universität
Bielefeld, 12th European Workshop
on General Equilibrium Theory. Veranstalter: Institut für Mathematische
Wirtschaftsforschung (IMW), in
Kooperation mit der Fakultät für
Wirtschaftswissenschaften und der
Bielefeld Graduate School of Economics and Management (BiGSEM).
Kontakt: Prof. Dr. Walter Trockel,
IMW, Telefon 0521/106-5644.
Internet: www.wiwi.uni-bielefeld.de/ ~imw/get/.
Bielefelder Universitätszeitung 213/2003
Termine/Sport
Mathematik-Didaktik
Laufwettbewerb im Juni
Hochschulrektorenkonferenz
Unwahrscheinliche
Wahrscheinlichkeiten
Finnbahn-Meeting
Hochschulsport
mehr fördern
(BUZ) Das Seminar für Didaktik der
Mathematik der Universität Bielefeld bietet im kommenden Sommersemester die folgenden Veranstaltungen an.
29. April, Dr. Wolfgang Löding,
Hamburg: Orientierung auf der Erdkugel – eine sinnhafte und offene
Lernsituation für den Mathematikunterricht in Klasse 10.
27. Mai, Rainer Altmann, Dortmund: Selbstlernen im Mathematikunterricht der Sekundarstufe II. Beispiele aus der Praxis.
24. Juni, Winrich Rentz, Bielefeld: Das (Un-)Behagen an der
Mathematik in der Kultur.
29. Juli, Prof. Dr. Walter Krämer, Dortmund: Unwahrscheinliche
Wahrscheinlichkeiten. (Der Besuch
dieses Vortrags ist auch Schülerinnen
und Schülern besonders zu empfehlen.)
Die Vorträge finden jeweils um
17.15 Uhr im Raum V2-205 der Universität Bielefeld statt.
(BUZ) Das diesjährige FinnbahnMeeting der Universität Bielefeld
findet nicht – wie bisher üblich am
letzten Mittwoch im Mai –, sondern
am 4. Juni statt. Das Lauftreffen auf
der 500 Meter langen Rundumstrecke der Finnbahn organisiert die
Abteilung Sportwissenschaft zum
21. Mal, wobei Mann- und Frauschaften 20 Runden, also 10 000
Meter, zurücklegen müssen.
Sport-Ranking
(BUZ) In der Punktewertung des
Allgemeinen Deutschen Hochschulsportverbandes (ADH) liegt die Universität Bielefeld mit 95 Punkten
inzwischen auf Platz 13 von 87
gewerteten Hochschulen in der
Bundesrepublik.
Den ersten Platz des ADH-Ranking
nimmt die Wettkampfgemeinschaft
der Münchener Hochschulen vor der
Deutschen Sporthochschule Köln
ein. Die Universität Bielefeld liegt
einen Platz hinter der Wettkampfgemeinschaft Münster (98 Punkte),
einem Hochschulstandort mit langer
Wettkampftradition und mehr als
doppelt so vielen Studierenden wie
die Bielefelder Hochschule. Die Universität Köln mit rund 60 000 Studierenden rangiert mit 108 Punkten
auf dem achten Platz.
Hochschulmeisterschaften
Hallenhandball
(BUZ) Vom 27. bis 29. Juni finden
in der Universität Bielefeld die
Deutschen Hochschulmeisterschaften im Hallenhandball statt, und
zwar die Endrunde für Damen und
Herren. Aktueller Hochschulmeister im Hallenhandball für Herren
ist das Studententeam der Universität Bielefeld. Die Handballerinnen
der Universität Bielefeld sind nach
ihrem zweimaligen Titelgewinn
aktuell Vizemeister. Die beiden
Sportevents sind Teil des Programms „2003 Jahr des Hochschulsports NRW“.
Bielefelder Universitätszeitung 213/2003
Hallen-Leichtathletik
Adrian Schürmann
holt Bronze
(BUZ) Bei den Internationalen Deutschen Hochschulmeisterschaften in
Frankfurt Mitte Januar lief der Bielefelder Sportstudent Adrian Schürmann über 400 Meter in 49.95
Sekunden auf den dritten Platz und
holte somit die Bronzemedaille. In
der Olympischen Staffel belegte das
Team der Universität Bielefeld mit
Alexander Hennemann, Heinz-Werner Prieß, Dennis Salmon und Adrian
Schürmann in 3.40.95 Minuten
einen achtbaren sechsten Platz.
(HRK) Auf die Notwendigkeit, den
Hochschulsport zu fördern, aber
auch Aufgaben und Organisationsstrukturen des Hochschulsports teilweise neu zu bestimmen, hat das
Plenum der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) Mitte Februar in Bonn
hingewiesen. Dies sei angesichts
der veränderten gesellschaftlichen
Rolle des Sports und des zunehmenden Wettbewerbs im Hochschulbereich notwendig. Der Hochschulsport ist gesetzlich verankerte Aufgabe der Hochschulen.
Die Plenarversammlung betont in
einer Empfehlung, dass der Hochschulsport bereits jetzt einen essentiellen Beitrag
zur Leistungsfähigkeit
der
Hochschulen
als Ganzes leiste. Leistungsmotivation und
Persönlichkeitsbildung würden durch ihn
nachhaltig gestärkt. Seine Leistungen sollten in der Zukunft unter
mehreren Gesichtspunkten ausgebaut werden:
• Leistungen
für den Breiten- wie
Spitzensport sollen im Wettbewerb
als profilbildendes Element gezielt
eingesetzt werden,
• die Förderung der Internationalität
soll bei der Konzeption von hochschulsportlichen Angeboten eine
besondere Rolle spielen,
• die Leistungssportler in der Studie-
rendenschaft sollen durch flexiblere
Studiengestaltung gefördert werden,
• angesichts
der stark gestiegenen
kommerziellen Angebote sollten die
Organisationsformen des Hochschulsports angepasst werden.
87
Kunst/Musik/Kultur
Hochschulorchester Bielefeld
Michael Hoyers Einstudierung hat
„musikalisch schöne Früchte getragen“
(BUZ) Auf eines seiner gelungensten Konzerte blickt das Bielefelder Hochschulorchester zurück, das am 3. Februar im Audimax der Universität Bielefeld die Euryanthe-Ouvertüre von Weber, Honeggers Cellokonzert und die
zweite Sinfonie von Johannes Brahms aufführte.
Zufrieden mit dem Ergebnis war nicht
nur der stets kritische Leiter des
Orchesters, Dr. Michael Hoyer. Auch
das zahlreich erschienene Publikum
bekundete seine Anerkennung durch
anhaltenden Beifall, und selbst
Michael
Beughold,
überaus
anspruchsvoller Rezensent der Neuen Westfälischen, bescheinigte dem
Orchester „ein einnehmend (!) gutes
Zeugnis seiner Leistungsfähigkeit“.
Zu lesen, dass Hoyers Einstudierung
„musikalisch schöne Früchte getragen“ habe, mag viele Orchestermu-
Für die Orchestermitglieder, die
sich auch an der Arbeitsphase des
kommenden
Sommersemesters
beteiligen wollen, zeichnet sich das
nächste Übepensum bereits ab.
Notenfressen ist angesagt, und diesmal kommt keine CD zu Hilfe und
nichts, was der routinierte Konzertbesucher so im Ohr zu haben pflegt.
Entlegene Spätromantik hat Hoyer
das Programm betitelt, und die
Namen der Komponisten muss man
erst einmal buchstabieren: Von Otakar Ostrcil stammt das Hauptwerk,
verlangen und überdies die studienbedingte Fluktuation ausgeglichen
werden muss, hofft das Hochschulorchester, neue Mitglieder für seine
Arbeit gewinnen zu können. Violinen, Bratschen, Celli, Kontrabässe
sind in größerer Zahl willkommen,
darüber hinaus sind in Oboen,
Fagotten, Hörnern und Trompeten
vakante Positionen zu besetzen.
Interessenten werden freundlich
gebeten, möglichst frühzeitig mit
dem
Dirigenten
(Telefon
05206/8337) oder mit der Konzertmeisterin, Dorothea Kraus (Telefon
0521/5214386), Kontakt aufzunehmen. Probenbeginn ist Mittwoch,
der 23. April, um 19.30, Probenort
der Musiksaal T0-260 in der Universität Bielefeld.
Kulturtermine
19.3.2003, 20.30 Uhr, Bunker
Ulmenwall, Poetry Slam. Mikrofon
frei für Schreiberlinge und Wortakrobaten. In Zusammenarbeit mit
texteratur.de, Buchladen Eulenspiegel und Hertz 87.9, Campusradio für
Bielefeld. Die Auftritte dürfen höchstens acht Minuten dauern. Am
Ende entscheidet das Publikum mit
seinem Applaus darüber, wer die
beste Poetin oder der beste Wortakrobat des Abends wird.
siker entschädigen, die ein Semester
lang mit ihrem Instrument gerungen
haben, um ihm nicht nur (was bei
Brahms schon schwierig genug ist)
die richtigen Töne, sondern zudem
den richtigen Ton abzugewinnen und
damit ihrem Dirigenten doch einmal
mehr als sein berüchtigtes „ganz
brauchbar“ zu entlocken. „Zum Teil
klang das wirklich wie Musik“, soll er
irgendwann anerkennend gesagt
haben – aber auch Peter Weiss lässt
seinen Hölderlin ja in Bezug auf die
Sprache konstatieren: „Nie kann es
ganz gelingen, dass ihr die Worte
klingen, wenn man’s nicht wieder,
wieder, wieder übt.“
88
ein Variationenzyklus unter der
Überschrift Kreuzweg, von Zdenek
Fibich die sinfonische Dichtung Am
Abend. Fibich verstand sich als
Anhänger Schumanns, Ostrcil betätigte sich Anfang des 20. Jahrhunderts in Prag dirigentisch als Vorkämpfer der Moderne, suchte als
Komponist jedoch die Tradition nicht
zu revolutionieren, sondern zu verändern. Schließlich gibt es noch ein
Hornkonzert aus der Feder des Vaters
von Richard Strauss, dessen Solopart
vom ersten Hornisten des Orchesters, Sven Pohlmann, ausgeführt
wird.
Da alle Werke große Besetzung
22.3.2003, 19.30 Uhr, Stadttheater Bielefeld, Opern-Premiere,
Leoš Janácek: Jenufa. Inszenierung:
Aron Stiehl. Musikalische Leitung:
Peter Kuhn. Choreographie: Philip
Lansdale. Bühne und Kostüme:
Karen Fries. Weitere Vorstellungen:
26. und 29. März, 2., 8. und 15.
April, 2., 11. und 22. Mai 2003.
23.3.2003, 11.30 Uhr, Zentrum
für interdisziplinäre Forschung (ZiF),
Eröffung der Ausstellung „Neue Bilder“ von Ulrich Linke, Bielefeld. Die
Ausstellung (mit Unterstützung
durch die Westfälisch-Lippische Universitätsgesellschaft) ist bis zum 19.
April im Foyer des ZiF zu sehen.
Bielefelder Universitätszeitung 213/2003
Kunst/Musik/Kultur
William Shakespeare
Ein Sommernachtstraum
In der Inszenierung von Michael
Heicks ist jetzt William Shakespeares Komödie „Ein Sommernachtstraum“ im Bielefelder Stadttheater
zu sehen.
Die Bühnengeschichte dieses gut
vierhundert Jahre alten Stückes ist
kürzer als man vermutet, und man
sah in ihm bis vor wenigen Jahrzehnten eher ein poetisches Märchenspiel für Erwachsene. Von großem Einfluss auf die Aufführungsgeschichte seit den siebziger Jahren
war schließlich die Interpretation
von Jan Kott, der die dunkle Nachtseite, die negative Romantik des
Stückes entdeckte. Für Kott ist der
„Sommernachtstraum“ das erotischte von allen ShakespeareStücken, aber in wohl keinem seiner
Werke sei die Erotik so brutal wie
hier. Im Athener Wald herrscht nicht
nur die ersehnte Freiheit der Liebe
und der Leidenschaften, sondern
vor allem das Chaos der Gefühle
und Triebe.
Die nächsten Termine von Shakespeares „Ein Sommernachtstraum“ im Bielefelder
Stadttheater: 14., 21., 23., 25., 27. und 28. März, 6., 10. und 23. April. Kartentelefon: 0521/51 54 54.
Foto: Wolfgang Zurborn.
In einer magischen Nacht
beherrschen Liebe und Begierde
die Welt der Menschen und das
Reich der Elfen. Herzog Theseus
will die Amazonenkönigin Hippolyta heiraten. An ihrem Hochzeitstag
soll sich das Schicksal der jungen
Hermia entscheiden, die Lysander
liebt, aber dem Demetrius versprochen ist. Demetrius wird seinerseits
von der in ihn verliebten Helena
verfolgt. Die jungen Paare fliehen
in den Wald, in dem Handwerker
ein Stück für Theseus‘ Hochzeit
proben. Hier regieren Elfenkönig
Oberon und seine Gattin Titania. In
einer unheimlichen Mondnacht
wird sich Titania in den eselsköpfigen Weber Zettel verlieben, und
unter den jungen Liebespaaren
wird Chaos und Verzweiflung ausbrechen. Urheber dieser LiebesIrrungen und -Wirrungen ist Oberons Gehilfe Puck. Bei Tagesanbruch
ist der alptraumhafte Spuk beendet, und drei Paare feiern Hochzeit
bei Hofe.
Bielefelder Universitätszeitung 213/2003
89
Kunst/Musik/Kultur
Kulturtermine
2.4.2003, 20.00 Uhr, Audi Max
der Universität Bielefeld, Kabarett:
Gerhard Polt & die Biermösl Blosn.
Die Jura-Band spielte auf, als die Fachschaft der Bielefelder Fakultät für
Rechtswissenschaft zur Semesterabschlussparty einlud. Das Zusammenspiel(en) von „Studis“ und „Profs“ ließ sich – wie die Reaktion des Publikums
im vollen AudiMin zeigte – trefflich hören: von modernem Pop über harten
Rock ‚n‘ Roll bis zu sanften Beatles-Songs, sogar ein Blues und ein auf den
Verfasser des juristischen Abkürzungsverzeichnisses Hildebert Kirchner komponierter Hip Hop. Ein begeisterter Fan fasste schriftlich seinen Eindruck wie
folgt zusammen: „Während ‚Drumcomputer‘ alias Professor Hatje den Takt
angab und Professor ‚Wolle‘ Schild sich die Seele aus dem Leib schrie, verliehen die Gitarristen Sven ‚Lord Shamrock‘ und der ‚Neue‘ Christian und der
‚Alte‘ Christian am Bass der musikalischen Darbietung Nachdruck. Eine
gewisse Harmonie stellt sich durch Marcel am Saxophon und ‚Basti an den
Tasten’ glücklicherweise ein. Wie immer fand die Rockgöre der Band, Kathrin,
den richtigen Ton und heizte dem Publikum gehörig ein. Als Gäste traten Frau
Professprin ‚Nancy Sinatra‘ Harzer-Friehe, Herr Professor ‚The Voice‘ SchulteNölke als gesangliche Unterstützung auf, während Herr Professor ‚Clayderman‘ Staudinger am Keyboard allen zeigte, was Jazz und Blues wirklich sind.
Am Bass gab sich Herr ‚J.P.‘ Terhechte, wissenschaftlicher Mitarbeiter, für
einige Songs die Ehre. Nach diesem großartigen Konzert weiß jeder: ‚Hey, hey,
my, my, Rock ‚n‘ Roll can never die!‘ (Neil Young).“
9.4.2003, 19.00 Uhr, Kunsthalle
Bielefeld, Philosophisches Gespräch
zu Adam Fuss (dessen Ausstellung
„Fotogramme von Leben und Tod“
bis zum 11. Mai in der Kunsthalle
Bielefeld zu sehen sind) mit Prof. Dr.
Rüdiger Bittner, Universität Bielefeld,
zum Austausch darüber, was die
Werke von Adam Fuss zeigen und
wovon sie reden, indem sie es gerade
nicht zeigen. Das mögen philosophische Dinge sein; aber auf das Fach
kommt es nicht an.
24.4.-29.5.2003, Universitätsbibliothek Bielefeld, C1, Ausstellung:
Keramik zwischen Kunst und Handwerk. Das Künstlerehepaar Marie
Margarethe und Friedrich Hudler.
Eröffnung: 24. April, 18.00 Uhr. Öffnungszeiten: Mo-Fr 8.00 bis 22.00
Uhr.
26.4.2003, 18.00-2.00 Uhr, Bielefeld Marketing GmbH, Nachtansichten, Zweite Bielefelder Nacht der
Museen, Kirchen und Galerien:
Unternehmen Sie einen nächtlichen
Streifzug durch Bielefeld und erleben
Sie zum Beispiel die Kunsthalle zu
ungewohnter Stunde mit Führungen,
Musik, Tanz, Fotoexperimenten, Speisen und Getränken. Weitere Museen:
Bielefelder Kunstverein/ Museum
Waldhof, Historische Sammlung Bethel, Historisches Museum, Museum
Huelsmann, Museum Osthusschule,
Museum Wäschefabrik, NaturkundeMuseum. Welche Begegnungen der
Bielefelder ART erwarten den Besucher während der acht Stunden in den
Schüler und Schülerinnen des Leistungskurses Kunst der Jahrgangsstufe 13 des
Friedrich von Bodelschwingh-Gymnasiums zeigen in ihrer Abschlussausstellung
„Die Sonne scheint auch grün“ bis zum 15. März im Foyer des Zentrums für interdisziplinäre Forschung der Universität Bielefeld, in welch unterschiedlichem Licht
die Welt, die Wirklichkeit und die Kunst betrachtet, reflektiert und neu erfunden
werden kann. Ein Schwerpunkt der mit Unterstützung durch die Universitätsgesellschaft gezeigten Ausstellung sind freie Arbeiten aus den Bereichen Malerei,
Plastik, Objektplastik, Druckgraphik, Collage, Film, Photographie; der zweite eine
individuelle Auseinandersetzung mit einem Zitat Rimbauds.
90
Bielefelder Universitätszeitung 213/2003
Kunst/Musik/Kultur
Museen, Kirchen und Galerien?
Abwechslungsreich und spannend
wird es: Geisterstunden mit Derwischen und Orixás, A-capella- Gesang,
Zaubereien, Disco, Geschichten und
Märchen, Schüttelreime, Lesungen,
Gespräche, Schlangenspuk, Wäschewaschen wie zu Omas Zeiten, Vorführungen, Konzerte, Performances,
Scherenschnitte und und und. Programm und Karten im Vorverkauf ab
Ende März erhältlich. Informationen
im Internet: www.nachtansichten.de.
Unter der musikalischen Leitung von Michele Rovetta und in der Inszenierung
von Stefan Huber ist jetzt im Bielefelder Stadttheater Ralph Benatzkys Operette
„Im Weißen Rössl“ zu sehen. Seit der Uraufführung im November 1930 in Berlin ist das „Weiße Rössl“ die mit Abstand am häufigsten besungene Pension im
Salzkammergut. Das populäre Singspiel wurde mehrfach verfilmt, am erfolgreichsten 1960 mit Peter Alexander und Waltraud Haas in den Hauptrollen, und
in unzähligen Varianten an Theatern in aller Welt inszeniert. Das Theater Bielefeld präsentiert eine Fassung mit elf Schauspielern und einem siebenköpfigen
Salon-Orchester. Es inszeniert – erstmalig in Bielefeld – Stefan Huber, der zuletzt
in Bern sehr erfolgreich das Musical „Singin‘ in the Rain“ und die Komödie
„Arsen und Spitzenhäubchen“ auf die Bühne gebracht hat. Die nächsten Termine im Stadttheater: 19. und 30. April, 4. Mai (15.00 Uhr) 9., 14. und 24. Mai, 17.
Juni (weitere Vorstellungen in Planung). Kartentelefon: 0521/51 54 54.
Foto: Wolfgang Zurborn.
Vor zehn Jahren installierte Peter
Sommer, Professor im Fachbereich
Kunst der Universität Bielefeld, zum
25-jährigen Jubiläum des Zentrums
für interdisziplinäre Forschung die
erste orts- und architekturbezogene
Zeitskulptur aus einem Kubikmeter
Tonerde im Außenbereich des Haupteingangs. Diese zeitlich begrenzte
Skulptur im öffentlichen Raum ermöglichte eine Langzeitbeobachtung: Ein
Jahr lang konnte man verfolgen, wie
sich der Erdblock durch Witterungseinflüsse ständig veränderte. Seitdem
benutzten alljährlich nationale und
internationale Künstlerinnen und
Künstler den vorgegebenen Betonquader für die Gestaltung ihrer Zeitskulptur. In seiner neuen Ausstellung
zeigt Peter Sommer vom 11. Mai bis
zum 22. Juni Zeitskulpturen, Objekte
und Zeichnungen unter dem Thema
Wasserzeichen. Das Erleben von Wasser, seine Wahrnehmung und seine
Nutzung gehören quasi zur Visitenkarte einer Kultur. Somit ist die Ausstellung auch ein Beitrag zum „Jahr
des Wassers“. Eröffnung der Ausstellung im ZiF am 11. Mai um 11.30 Uhr.
ZiF-Öffnungszeiten: Mo-Di 8-16 Uhr,
Mi-Fr 8-15.30 Uhr.
Bielefelder Universitätszeitung 213/2003
Einen echten Klassiker, nämlich Oscar Wildes „The Importance of Being Earnest“, hatte die English Drama Group der Fakultät für Linguistik und Literaturwissenschaft der Universität Bielefeld im Wintersemester 2002/2003 eingeübt.
Für die Studierenden und Regisseur Martin Winks haben sich die Proben
gelohnt: Sie spielten Ende Januar, Anfang Februar im Auditorium minimum vor
stets vollen Reihen und ernteten dabei rauschenden Beifall. Für den langjährigen Leiter und Initiator der English Drama Group Martin Winks war es die letzte
Produktion, bevor er sich in den Ruhestand verabschiedete. Doch der Fortbestand der Englischen Theatergruppe an der Universität Bielefeld ist gesichert.
91
Kunst/Musik/Kultur
30.4.2003, 19.00 Uhr, Kunsthalle Bielefeld, Gespräch zu Adam
Fuss und Emanuel Raab mit Prof.
Dr. Martin Deppner, Fachhochschule Bielefeld. Die Ausstellungen von
Adam Fuss („Fotogramme von
Leben und Tod“) und von Emanuel
Raab („Nachtland“, Studiengalerie)
sind bis zum 11. Mai in der Kunsthalle zu sehen. Die Ausstellungen öffnen Blickfelder für ästhetische Expeditionen, die Bekanntes in unbekanntes Terrain entrücken. Deppner
will erkunden, „wohin der Weg ins
Zwischenreich der Wahrnehmung
von konkreten Nacht-Orten und
abstrakten Lichtspuren führt“.
10.7.2003, 20.00 Uhr, RudolfOetker-Halle Bielefeld, Universitätschor Bielefeld, Carl Orff: Carmina
Burana, Leitung: Professor Werner
Hümmeke.
Die nächsten Vorstellungen von Woody Allens Komödie „Spiel’s nochmal, Sam“
im Theater am Alten Markt: 24. bis 27. April, 16., 17., 22. und 25. Juli (weitere
Vorstellungen in Planung).
Komödie von Woody Allen
Spiel‘s
nochmal, Sam
„Es war eine autobiographische
Geschichte eines Verliebten mit
ungeheuren
Komplexen.
Die
Anhäufung von Themen, die mich
faszinierten, Sex, Ehebruch, neurotische Liebe, Angst. Dennoch ist es
eine Komödie im strengsten Sinne
des Wortes“, so charakterisiert
Woody Allen sein Stück „Spiel’s
nochmal, Sam“, das jetzt weiterhin
im Bielefelder Theater am Alten
Markt in der Inszenierung von
Murat Yeginer zu sehen ist.
Mit der Komödie gelang Woody
Allen 1969 sein größter BroadwayErfolg. Am Brodhurst Theatre in
New York wurde es mehr als 450
Mal mit Allen selbst und Diane Keaton in den Hauptrollen gespielt. Bis
heute gilt es als Allens beste Arbeit
für das Theater, und als einziges seiner neun Theaterstücke wurde es
auch von Herb Ross mit Allen und
92
Keaton verfilmt. Mit dem notorischen Cineasten Allan Felix schuf
Woody Allen gleichzeitig den Vorläufer seines legendären „Stadtneurotikers“, für den er 1977 mit drei
Oscars ausgezeichnet wurde.
Völlig deprimiert sitzt Allan
Felix in seiner neuen Behausung,
einem alten Filmatelier, nachdem
ihn seine Frau Nancy aus „unbefriedigter Lachlust“ verlassen hat. Wie
konnte er auch nur den eindeutigen
Hinweis missdeuten, als sie neben
ihm im Bett lag und das Branchenbuch nach einem geeigneten Scheidungsanwalt durchforstete? Was
hätte nur sein großes Vorbild
Humphrey Bogart an seiner Stelle
getan? Und wie um alles in der Welt
konnte Bogart nur Ingrid Bergmann
am Ende von Casablanca verlassen,
ohne eine einzige Träne zu verdrükken, obwohl er sie doch so sehr liebte? Aber Bogart erträgt es nicht länger, das Elend seines größten Fans
mitanzusehen. Für kurze Zeit verlässt er seine Heimat, die Filmleinwand, und beschließt, Allan in
Sachen Frauen ein wenig unter die
Arme zu greifen.
Deutscher Akademischer Austauschdienst (Hg.): Sprachkurse an Hochschulen in Europa 2003. W. Bertelsmann Verlag, Bielefeld 2003. 14,90
Euro. Der Deutsche Akademische
Austauschdienst (DAAD) informiert
mit diesem Band über das Sprachenkursangebot des ganzen Jahres im
Ausland. Ob nun Englisch in London,
Dänisch in Kopenhagen oder Litauisch in Vilnins, das neue Verzeichnis
des DAAD liefert auf mehr als 400
Seiten detaillierte Angaben zu Themen, Teilnahmevoraussetzungen, Terminen, Gebühren, Unterkunftsmöglichkeiten und Auskunftsstellen von
fast 300 Veranstaltern in 29 Ländern.
Bielefelder Universitätszeitung 213/2003
Publikationen
Arbeitsgemeinschaft
der
öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (Hg.): ARD Jahrbuch 2002. 50
Jahre Fernsehen in der ARD. Hamburg 2002.
Uschi Baaken, Lydia Plöger
(Hg.): Gender Mainstreaming. Konzepte und Strategien zur Implementierung an Hochschulen. Kleine Verlag, Bielefeld 2002. (Die Gleichstellungspolitik an Hochschulen hat in
den letzten Jahrzehnten viel verändert, ist in ihren Effekten jedoch hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Dies erfordert eine veränderte
Sichtweise von Gleichstellungspolitik
und die Auseinandersetzung mit
neuen Handlungsstrategien und möglichkeiten. In den derzeitigen
gleichstellungspolitischen Debatten
wird der Gender MainstreamingAnsatz als sinnvolle Erweiterung der
bisherigen Frauenförderpolitik angesehen. Die Beiträge des Bandes thematisieren die aktuelle Diskussion
zur Umsetzung von Gender Mainstreaming in Organisationen. Die
Umsetzung und Gestaltung von
Gender Mainstreaming an Hochschulen steht dabei im Mittelpunkt.
Der Band beinhaltet sowohl theoretisch-rechtliche als auch Beiträge, die
sich mit Konzepten zur Implementierung von Gender Mainstreaming auf
nationaler und internationaler Ebene
auseinandersetzen.)
Anja Baumhoff, Christiane
Keim, Birgit Thiemann, Christina
Threuter: Plädoyers für eine „interessengeleitete“ Kunst (Geschichte).
Festschrift für Irene Below. In: Frauen-Kunst-Wissenschaft, Halbjahreszeitschrift, Heft 34, Dezember 2002,
Jonas Verlag für Kunst und Literatur,
Marburg 2002. (Die vorliegende
Ausgabe ist der seit 1974 am Bielefelder Oberstufen-Kolleg lehrenden
Kunsthistorikerin Irene Below als
Festschrift zu ihrem 60. Geburtstag
gewidmet. „Damit soll“ – so heißt es
im Editorial der Zeitschrift – „eine
Kollegin gewürdigt werden, der wir,
die Redakteurinnen des Heftes, uns
auf jeweils besondere Weise verbunden fühlen. Außerdem wird mit dieBielefelder Universitätszeitung 213/2003
sem Heft auch an die Anfänge der
Zeitschrift erinnert: FrauenKunstWissenschaft wurde 1987 als Mitteilungsorgan der neu geschaffenen
Sektion Frauenforschung im Ulmer
Verein ins Leben gerufen und hat
sich seither immer auch als ein
Diskussionsforum für VertreterInnen
der verschiedenen Felder der Frauen- und Geschlechterstudien verstanden. Nicht nur in ihren Ämtern
als Sprecherin der Gesamtsektion
(von 1987-94) und auch Sprecherin
der AG Künstlerinnen des 20. Jahrhunderts (1989-98), sondern auch
darüber hinaus hat Irene Below die
Entwicklung der feministischen Forschung in Deutschland engagiert
vorangetrieben und kritisch kommentiert. Bereits auf der 1. Kunsthistorikerinnentagung 1982 in Marburg gehörte sie zu den Referentinnen. Auf dieser ohnehin schon
unerhörten Veranstaltung fiel ihr
Beitrag noch zusätzlich aus dem
Rahmen. Irene Below berichtete darin über ihre (vermeintlich) ganz persönlichen Erfahrungen, die sie
erkennen ließen, dass ‘Männerkunst’ und ‘Männerkunstgeschichte’
ihre Sache nicht sein kann. Im
Tagungsband schreibt sie, es gäbe
keine ‘richtige’, sondern vielmehr
‘verschiedene
interessengeleitete
Formen der Beschäftigung mit
Kunst’. Mit dieser Erkenntnis definiert sie eine Sichtweise, die sie bis
heute vertritt: Auf ihre freimütigen
Worte konnte und kann man/frau
sich stets ebenso verlassen wie auf
ihre solidarische Unterstützung. Die
im Heft versammelten Beiträge wollen einige der beruflichen und intellektuellen Positionen Irene Belows
beleuchten“.)
Heinrich-Böll-Stiftung
und
Feministisches Institut (Hg.): feminist_spaces. Frauen im Netz. 15
Euro, Ulrike Helmer Verlag, König-
93
Publikationen
stein/Taunus, 2002. (Welche Möglichkeiten und Räume für Frauen, für
feministische Erkenntnisse, Kommunikation und Diskussion bietet das
Internet? Wie und von wem werden
diese neuen Räume genutzt? Welche neuen Möglichkeiten beinhaltet
e-Learning? Lässt sich Feminismus –
netzbasiert – neu bestimmen? Wie
kann das Internet der Verbesserung
der globalen Kommunikation dienen? Der Band mit Beiträgen von
Wendy Harcourt, Manuel Castells,
Gillian Youngs, Mercy Wambui, Helga Braun u. a. erkundet diese neuen
Chancen und Risiken der virtuellen
Kommunikation.)
Wolfgang Braungart (Hg.):
Kitsch. Faszination und Herausforderung des Banalen und Trivialen.
Max Niemeyer Verlag, Tübingen
2002. (Die Publikation dokumentiert
die Beiträge zu einem interdisziplinären Kolloquium über Faszination und
Herausforderung des Kitsches, das
im Dezember 1999 im Zentrum für
interdisziplinäre Forschung der Universität Bielefeld stattgefunden hat.)
Hans Brinkmann, Omar Garcia,
Andreas Gruschka, Gero Leonhardt,
Rudolf zur Lippe: Die Einheit von
Forschung und Lehre: Über die
Zukunft der Universität. Büchse der
Pandora Verlags-GmbH, Wetzlar
2002.
Der elfte Band der Denkschrift ‚Perspektiven der Forschung und ihrer
Förderung‘ will diesen Erwartungen
Rechnung tragen. Ausgerichtet auf
die Jahre 2002 bis 2006 gibt das
Werk einen Überblick über das Konzept der Forschungsförderung durch
die DFG und stellt zugleich eine
Sammlung wissenschaftlicher Beiträge vor, die exemplarisch neue Forschungsfelder beschreiben. Die hier
versammelten
Texte
zeigen
anschaulich das Spektrum der künftigen Aufgaben, die vor allem im
Zeichen zunehmender internationaler Vernetzung, interdisziplinärer
Kooperation und effektiver Nachwuchsförderung stehen“, heißt es
im Vorwort von DFG-Präsident
Ernst-Ludwig Winnacker.)
Deutsche Forschungsgemeinschaft (Hg.): Geochemical Processes: Conceptual Models for Reactive Transport in Soil and Groundwater. WILEYVCH Verlag, Weinheim
2002.
Bernd Fahrholz (Hg.): Freiheit
und Demokratie. 25 Jahre nach dem
„Deutschen Herbst“: Herausforderungen und Verpflichtungen für
Bürger und Staat in einer freiheitlichen Demokratie. Gedenkveranstaltung für die Opfer des Terrorjahres 1977. Hoffmann und Campe,
Hamburg 2002.
Deutscher Entwicklungsdienst
(Hg.): Statusbericht 2002. Bonn
2002.
Deutsche Forschungsgemeinschaft (Hg.): Perspektiven der Forschung und ihrer Förderung. Aufgaben und Finanzierung 2002-2006.
WILEY VCH Verlag, Weinheim
2002. („Das Bewusstsein für verteilte Aufgaben und die internationale
Vergleichbarkeit nicht nur der Forschung, sondern auch ihrer Förderung, haben in der jüngeren Vergangenheit stark zugenommen. In diesem Kontext wachsen auch die
Erwartungen an die Deutsche Forschungsgemeinschaft, über ihre Ziele, Verfahren, Pläne und Strategien
mit Blick in die Zukunft zu berichten.
94
Gerhard Franke, Hans Klöne,
Martin Maschke, Heinrich Möhl-
mann (Hg.): Der Minden-Ravensberger 2003 – Das Jahrbuch in Ostwestfalen. Verlag für Regionalgeschichte, Bielefeld 2002. (In diesem
Jahr erscheint „Der Minden-Ravensberger“ zum 75. Mal. „Obwohl die
Vertreter mehrfach wechselten,
blieb die Kernidee einer regional
orientierten Publikation erhalten, die
mit einer auf die Interessen im Minden-Ravensberger Raum abgestimmten Mischung von heimatund naturkundlichen, literarischen
und niederdeutschen Beiträgen
informieren und zugleich auch
unterhalten will“, heißt es im Vorwort
von
Regierungspräsident
Andreas Wiebe. Mit einem Beitrag
von Norma Langohr über die
Gedächtnisambulanz an der Universität Bielefeld.)
Goethe-Institut Inter Nationes
(Hg.): Jahrbuch 2001/2002. München 2002.
Ina Grau, Jörg Doll: Attachment
and Equity. In: Bielefelder Arbeiten
zur Sozialpsychologie Nr. 204, Bielefeld 2002.
Hochschul-Informations-System
(Hg.): Public Private Partnership.
Kooperationen zwischen Wissenschaft und Wirtschaft. Hannover
2002.
Dieter Metzing (Hg.): Sprachen
in Europa. Sprachpolitik, Sprachkontakt, Sprachkultur, Sprachentwicklung, Sprachtypologie. Bielefelder Schriften zur Linguistik und Literaturwissenschaft. Aisthesis Verlag,
Bielefeld 2003. (Der Europarat und
die europäische Union erklärten das
Jahr 2001 zum “Europäischen Jahr
der Sprachen“: um die sprachliche
und kulturelle Vielgestaltigkeit Europas stärker ins Bewusstsein zu rükken, um zur aktiven Teilnahme an
Europas Mehrsprachigkeit einzuladen, um Sprachkontakte und Sprachenlernen zu fördern. Der herausragenden Rolle der Mehrsprachigkeit in Europa trägt die „Europäische
Charta der Regional- und Minderheitensprachen“ Rechnung: sie ist
die sprachpolitische Basis der EuroBielefelder Universitätszeitung 213/2003
Publikationen
te Lernorte der Wissensgesellschaft“
im Auftrag des Bundesministeriums
für Bildung und Forschung genauer
nachgegangen. Die Ergebnisse wurden publiziert unter dem Titel „Lernort Erlebniswelt. Neue Formen informeller Bildung in der Wissensgesellschaft“. Die Forschungsergebnisse
werden in diesem Reader diskutiert.
Es diskutieren Betreiber wie Planer
von Erlebniswelten aus mehren Ländern Europas mit Zoopädagogen
und Erziehungswissenschaftlern, mit
Journalisten sowie Vertretern der für
die Schulen zuständigen Kultusministerien.)
päischen Union. Die Autoren dieses
Bandes haben das Europäische Jahr
der Sprachen zum Anlass genommen, um, ausgehend von ihrem
jeweiligen Arbeitsgebiet, in die Sprachensituation in Europa und – am
Rande Europas – in der Türkei einzuführen und um über Aspekte wie
Sprachpolitik,
Sprachkontakt,
Sprachkultur,
Sprachentwicklung
und Sprachtypologie das Interesse
für Sprachen und für Mehrsprachigkeit zu fördern. Mehrsprachigkeit,
die immer wieder neu zu entwickeln
und zu tradieren ist, braucht vor
allem eines: das Engagement der
Sprecher der Sprachen Europas.)
Wolfgang Nahrstedt, Dieter
Brinkmann, Heike Theile, Guido
Böcken (Hg.): Lernen in Erlebniswelten. Perspektiven für Politik,
Management und Wissenschaft.
Proceedings einer Fachtagung. Bielefeld 2002. (Lernen war in Erlebniswelten von Anbeginn möglich. Doch
die Freizeitgesellschaft legte den
Akzent auf Erholung, die Erlebnisgesellschaft auf Unterhaltung. Die
Wissensgesellschaft setzt neue Maßstäbe. Wissen wird in. Wissen ist
jedoch an Lernen gebunden. Informelles selbstgesteuertes Lernen wird
(wieder) entdeckt. Lernförderung
wird zum Thema. „Edutainment“
entwickelt sich zum Markenzeichen
und Qualitätsmaßstab auch für Freizeiterlebniswelten. Zur kritischen
Frage wird dann, ‚wieviel Education
drin ist, wo Edutainment drauf
steht‘. Dieser Frage ist das Forschungsvorhaben „ErlebnisorientierBielefelder Universitätszeitung 213/2003
Wolfgang Nahrstedt, Dieter
Brinkmann, Heike Theile, Guido
Röcken: Lernort Erlebniswelt. Neue
Formen informeller Bildung in der
Wissensgesellschaft.
Bielefeld
2002. (Ein wichtiges Ziel der Bildungsarbeit besteht in der Realisierung des lebenslangen Lernens aller
und der Effektivierung der Lern- und
Bildungsprozesse zum Nutzen des
Einzelnen und der gesamten Gesellschaft. Um dies erreichen zu können, sind zum Teil tiefgreifende Veränderungen in den traditionellen Bildungsangeboten
und
-einrichtungen erforderlich. So erweitern
erlebnisorientierte Lernorte den traditionellen Bildungsraum. Mit dem
vom Bundesministerium für Bildung
und Forschung geförderten Projekt
„Erlebnisorientierte Lernorte der
Wissensgesellschaft“ hat das Institut
für Freizeitwissenschaft und Kulturarbeit e.V. (IFKA) Bielefeld versucht,
diese neue „Wirklichkeit der Weiterbildung“ genauer zu erfassen und zu
bewerten. Zu den wichtigen Ergebnissen des Projekts gehört der Nachweis, dass in diesen Einrichtungen
durchaus Anregungen zum Lernen
gegeben werden und dass hier Lernen in vielfältigen Formen stattfindet. Erlebnisorientierte Lernorte
können einen wichtigen Beitrag zur
Vermittlung des global verfügbaren
Wissens an ihre Besucher, insbesondere an die junge Generation, leisten. Das Lernen beginnt hier in der
Regel informell und bleibt dominant
selbstgesteuert. Informelle Bildung
95
Publikationen
und Kompetenzentwicklung enthalten jedoch durchaus die Möglichkeit
der Weiterentwicklung in qualifiziertere Formen.)
Reiner Niketta: „11. September
2001: War was?“ Konstruktion einer
Skala zur Messung der Angst vor
terroristischen Bedrohungen. In: Bielefelder Arbeiten zur Sozialpsychologie Nr. 205, Bielefeld 2003.
Uta Oelke, Marion Menke:
Gemeinsame
Pflegeausbildung.
Modellversuch und Curriculum für
die theoretische Ausbildung in der
Alten-, Kranken- und Kinderkrankenpflege. Herausgegeben vom
DiVC Essen. Verlag Hans Huber,
Bern, Göttingen, Toronto, Seattle,
2002. („Getrennt oder gemeinsam?“, so lautet die Gretchenfrage,
wenn es um die Ausbildung in den
Pflegeberufen geht. Gute Argumente, Orientierungs- und Entscheidungshilfen zur Beantwortung der
Frage, wie eine gemeinsame Ausbildung konzipiert, organisiert und
durchgeführt werden könnte, bietet
dieses Curriculum. Es basiert auf
dem ersten deutschen Modellversuch „Gemeinsame (Grund-) Ausbildung in der Alten-, Kranken- und
Kinderkrankenpflege“. Das Curriculum wurde in enger Zusammenarbeit von Lehrenden und Wissenschaftlerinnen entwickelt, umgesetzt und evaluiert. Es informiert
über Schlüsselqualifikationen als Bildungsziele; Lernbereiche, die im Sinne von Lernfeldern aufgegliedert
sind; fächerübergreifende, erfahrungsorientiert ausgerichtete Lerneinheiten.)
Rolf Rosenbrock, Doris Schaeffer (Hg.): Die Normalisierung von
Aids. Politik, Prävention, Krankenversorgung. Ergebnisse sozialwissenschaftlicher
Aidsforschung,
Band 23. Edition Sigma, Berlin 2002.
(Das Erschrecken, das HIV und Aids
vor ungefähr 20 Jahren auslösten,
führte zu hoher Bereitschaft zu handeln, und zwar politisch anders zu
handeln als bei anderen Krankheiten: Eine völlig neuartige, auf Selbsthilfe gegründete Präventionsstrate96
gie, Innovationen im Hinblick auf
Integration und Arbeitsteilung in der
Krankenversorgung sowie ein Paradigmenwechsel in der Drogenpolitik
sind die spektakulärsten Ergebnisse
dieses
Ausnahmestatus
von
HIV/Aids. Dieser Band analysiert
Entstehung, Inhalte, Umsetzungsprobleme und Entwicklungsverläufe
sozialer Innovationen aus der Aidsprävention und -Krankenversorgung. Es wird deutlich, wie viel die
Gesundheitspolitik, verstanden als
Management von Gesundheitsrisiken vor und nach ihrem Eintritt, von
den Ergebnissen des Ausnahmestatus von HIV/Aids noch zu lernen
hat.)
Heinrich Rüthing: Landwehren
und Warten im Paderborner und
Corveyer Land. Heimatkundliche
Schriftenreihe 33/2002, Volksbank
Paderborn, W.V. Westfalia-Druck,
Paderborn 2002.
Chaim Seeligmann: Es war
nicht nur ein Traum. Autobiographische und kibbuzgeschichtliche Skiz-
zen. Verlag Urfeld, Bad Tölz 2002.
(Chaim Seeligmann, geboren 1912
in Karlsruhe, ist Historiker und Pädagoge, Lehrer und Forscher am YadTabenkin-Institut der Vereinigten
Kibbuzbewegung in Efal bei Tel Aviv.
Seeligmann, Ehrendoktor der Fakultät für Pädagogik der Universität
Bielefeld, schloss sich als Schüler der
zionistischen Jugendbewegung an,
lernte als Erster in seiner assimilierten
Familie Hebräisch und wanderte
Ende 1935 nach Palästina aus. 1936
kam Chaim Seeligmann in den wenige Jahre zuvor gegründeten Kibbuz
Givat Brenner. Als einer der Letzten
der Gründergeneration blickt er in
den vorliegenden autobiographischen und kibbuzgeschichtlichen
Skizzen zurück: auf das deutschgroßbürgerliche Milieu seiner Kindheit und Jugend, auf die unvorstellbar harten Lebensbedingungen der
Anfangszeit in Erez Israel und auf die
verschiedensten Aufgaben im eigenen Kibbuz und in der zentralen Kibbuzbewegung, besonders die Tätigkeit als Sendbote in Frankreich und
die Arbeit als Erzieher und Forscher.
Viele Jahre später, 1985, begegnete
er, der Agnostiker, der Katholischen
Integrierten Gemeinde. Seither verbindet ihn mit ihren Mitgliedern die
Frage nach freiwillig verwirklichter
Gemeinschaft angesichts der furchtbaren Erfahrungen des zwanzigsten
Jahrhunderts. Ihnen vertraute er die
Veröffentlichung seiner Erinnerungen an. Darin berichtet er auch über
die gemeinsame, in der Behutsamkeit einer Freundschaft gewachsene
Geschichte, die zur Bildung des
„Urfelder Kreises“ geführt hat.)
Bielefelder Universitätszeitung 213/2003
Publikationen
Joerg E. Staufenbiel: Berufsplanung für den Management-Nachwuchs. Start 2003. Staufenbiel-Institut für Studien- und Berufsplanung
GmbH, Köln 2002. (Der KarriereRatgeber enthält alle relevanten
Infos und Tipps, wie der Jobeinstieg
gelingen kann – von der Studienplanung über Bewerbungsstrategien bis
zu Einstiegsgehältern und Aufstiegschancen. Das Buch informiert über
den Arbeitsmarkt für Akademiker,
über neue Trends in einzelnen Branchen und über Existenzgründung.)
Universität Bielefeld (Hg.):
Betriebliche Gesundheitsförderung.
Programm 2003.
Universität Bielefeld (Hg.):
Abfallbroschüre der Universität Bielefeld. Stand: Januar 2003.
Volkswagen-Stiftung
(Hg.):
Zukunft stiften. Zur Rolle privater
Wissenschaftsförderung
in
Deutschland und im zusammenwachsenden Europa. Symposium
der Volkswagen-Stiftung im März
2002 in Berlin. Georg Olms Verlag,
Hildesheim, Zürich, New York, 2002.
Bielefelder Universitätszeitung 213/2003
„Vielen Dank. Gute Nacht“. Mit diesen Worten verabschiedeten die Literaturwissenschaftler Jörg Drews und Klaus Ramm gemeinsam die Zuhörer und
Zuschauer der Lesung des 25. Bielefelder Colloquiums Neue Poesie (BCNP).
Heulen, Beifall. Das war’s. Seither, seit dem 3. Mai 2002, ist das BCNP
Geschichte, Literaturgeschichte. Es begann 1978 mit einer Umfrage: Siegfried J.
Schmidt wollte unter der Veranstaltungsnummer „OZ 2342 Literarische Produktionsvariablen“ im Bielefelder Zentrum für interdisziplinäre Forschung erfahren,
welche Entwicklungstendenzen und Beschreibungsmöglichkeiten bei experimentellen Literaturen zu beobachten sind und wie sich das kreative Potenzial
experimenteller und traditioneller Autorinnen und Autoren unterscheidet. Hartmut Geerken erinnerte sich 1997: „Die Umfrage ging daneben. Es war ein Fragebogen mit völlig irrwitzigen Fragen. Eine zum Beispiel erkundigte sich nach
der Wassertemperatur, mit der Dichter baden im Unterschied zu Otto Normalverbraucher.“ Einigen der Eingeladenen, unter ihnen Ernst Jandl, Helmut Heißenbüttel und Franz Mon etwa, war das zu einfältig. Franz Mon beispielsweise reiste ab. Doch dann kam er immer wieder zurück nach Bielefeld. Die
spontan angesetzte Lesung in der völlig überfüllten Kunsthalle hatte einen
Virus bei den Poeten gesetzt, den Helmut Heißenbüttel 1987 so charakterisierte: „Das Colloquium ist für Eingeweihte und für Provinz, ganz krass gesagt,
eine Gruppe, die international ist, aber in der Provinz tagt.“ Nun kann man
wenigstens den akustisch vernehmbaren Poeten noch einmal nachlauschen.
Herausgegeben von Ulrich Schmidt und Michael Vogt ist im Aisthesis Verlag
unter dem Titel „ausSicht abSicht einSicht“ zum Preise von €16 Euro eine Doppel-CD erschienen mit einem Querschnitt aus 25 Jahren Neue Poesie.
97
Publikationen
Steigendes Durchschnittsalter
führt zu höherem Krankenstand
Die Geschichte von Josef und Winfried Schmitz /
Mutiger Schritt auf dem Weg zur Hochschulautonomie
Fehlzeiten-Report 2002
Muss der Dekan einer um Theologie
erweiterten Fakultät jetzt Josef heißen?
(BUZ) Sinkende Geburtenraten und
die zunehmende Lebenserwartung
werden die Arbeitswelt in den kommenden Jahren entscheidend verändern.
Das Durchschnittsalter der Erwerbstätigen steigt kontinuierlich. Dies wird
auch Auswirkungen auf die krankheitsbedingten Fehlzeiten haben.
Viele Betriebe sind auf diese Entwicklung nicht ausreichend vorbereitet.
Das ist eines der Ergebnisse des Fehlzeiten-Report 2002, der vom Wissenschaftlichen Institut der AOK in
Zusammenarbeit mit der Universität
Bielefeld herausgegeben wird.
Der Report zeigt, mit welchen
Veränderungen zu rechnen ist und
was die Unternehmen tun können,
um angesichts der veränderten Rahmenbedingungen ihre Innovationsund Leistungsfähigkeit zu erhalten.
Konzepte,
Handlungsanleitungen
und praktische Lösungsansätze werden vorgestellt. Das Spektrum ist
vielfältig. Gesundheitsgerechte Arbeitsplatzgestaltung gehört ebenso
dazu wie innerbetriebliche Qualifizierungsmaßnahmen und flexible
Arbeitszeitmodelle. Beispiele erfolgreicher Programme und Strategien
aus dem europäischen Ausland runden das Bild ab.
Bernhard Badura, Henner Schellschmidt, Christian Vetter (Hg.): Fehlzeiten-Report 2002. Springer-Verlag
Berlin, Heidelberg, New York 2003.
98
(BUZ) In der Nummer 212 der „Bielefelder Universitätszeitung“ vom 19.
November 2002 wurde in der Rubrik „Personalien“ der Dekan der neuerdings um das Fach Theologie erweiterten Fakultät für Geschichtswissenschaft, Philosophie und Theologie als „Josef Schmitz“ vorgestellt. Einen
Wissenschaftler dieses Namens gibt es an der Universität zwar auch, aber
der arbeitet seit Jahren an der Fakultät für Biologie. Der Althistoriker
Schmitz hörte bisher auf den Vornamen „Winfried“, und den beschlich nun
der furchtbare Verdacht, hinter der Namensänderung könnte mehr stecken,
als nur ein Versehen ...
Am 22. November wandte er sich in
der Annahme, vom Rektorat umgetauft worden zu sein, daher an den
Prorektor für Struktur, Planung und
Bauangelegenheiten,
Wolfgang
Krohn, mit dem Hinweis, sich nicht
erinnern zu können, „dass es bei all
unseren Planungen zur Integration
der Evangelischen und der Katholischen Theologie in die Fakultät für
Geschichtswissenschaft und Philosophie jemals die Rede davon war, dass
es eine Vorbedingung für die Aufnahme der Theologien ist, dass der
Dekan einen gut theologischen Vornamen tragen muss“. Eine solche
Umbenennung sei schon deshalb
nicht erforderlich, weil der 675 bei
Exeter geborene Missionar der Friesen und Thüringer Winfrid anlässlich
der Missionserlaubnis durch Papst
Gregor II. 719 den Namen des heiligen Bonifatius angenommen habe,
und er (Schmitz) „durch die Umbenennung in Bonifatius im theologischen Sinne geadelt“ sei.
Des Dekans Befürchtungen wurden durch Krohns Antwort an den
lieben Herrn Kollegen Josef W.
Schmitz vom 29. November mehr als
bestätigt. Anlass der vom Rektorat
vorgenommenen Nomination sei die
der Universität vom Ministerium
zugestandene erweiterte Autonomie, in deren Rahmen man „Vorschläge zur Namensumwidmung einzureichen“ hatte, „um dem Ministerium den sinnhaften Umgang mit
dem neuen Element der Profilbildung
zu belegen“. Das Rektorat habe
dabei sogar zu bedenken gegeben,
dass damit „möglicherweise in Persönlichkeitsrechte Betroffener eingegriffen würde“. Ein ministerielles
Gutachten habe aber darauf hingewiesen, dass es zur Blütezeit der akademischen Kultur in der Renaissance
üblich gewesen sei, „sich dem Amt
und den Aufgaben angemessene
Vornamen zu wählen. Herr Kleinmann aus Siena (Piccolomini) wählte
den Helden Äneas und den Propheten Bartolomäus, woraus Ennea Silvio Bartolomeo Piccolomini wurde.
Das ist wahre Autonomie.“ Die Universität solle hieran anknüpfen,
„jedoch an die Stelle der individuellen Willkür die corporate identity setzen“. So sei die Wahl auf ihn als
Dekan und Historiker in Erwartung
„Ihrer besonderen Kooperationswilligkeit“ gefallen. Da das Rektorat
aber immer auf Ausgleich bedacht
sei, „haben wir im Ministerium mit
dem Vorschlag Erfolg gehabt, Ihnen
das Recht zu gewähren, zumindest in
abgekürzter Form den abgelegten
Namen an den neuen anzuhängen.
Wir möchten Sie bitten, diesen Kompromiss nicht durch prinzipalistische
Einwände zu gefährden, sondern ihn
im Geiste der pragmatischen Haltung
unserer Universität durch Nichtstun
zu unterstützen.“
Dazu konnte sich der Betroffene
aber dann doch nicht so recht durchringen. Am 12. Dezember heißt es in
seiner Replik, er könne den Namen
„Josef W.“ schon deshalb nicht
akzeptieren, weil dieser „nur eine
Assoziation zulässt, nämlich Josef W.
Stalin. Ich sehe daher bei dem
Bielefelder Universitätszeitung 213/2003
Aus der Universität
Namen ‚Josef W.‘ keine Möglichkeit, kreten Einbettungen abstrahiert wer- schaften. Trotzdem habe das Rektozwischen dem jüdisch-christlichen den, aber man könne in ihnen durch- rat angesichts des Widerstandes seiNamen Joseph und einem marxi- aus die Perspektiven einer modernen ne Entscheidung aufgeweicht und
stisch-leninistischen Diktator eine Geschichtswissenschaft mit Brücken- auch wegen des Imageproblems der
dem Dekan angemessene Identität schlag zu den Naturwissenschaften Stalinassoziation eine unauffälligere
erwogen,
zu finden. Auch dem Rektorat dürfte erkennen. Die Übergänge der Che- Namensmodernisierung
kaum daran gelegen sein, dass der mie zur synthetischen, der Biologie um ebenfalls einen AutonomiegeDekan einer Fakultät der Bielefelder zur rekombinanten Gentechnologie winn zu erreichen.
Sein ursprünglicher Name sei
Universität mit einem diktatorischen und ohnehin der Physik in die verRegime identifiziert wird.“ Trotz der schiedensten Technologien haben wieder ins Spiel gekommen: „Außer
Frage steht die Friedensvon Ministerium und
pflicht des Dekans angeRektorat angestrebten
sichts des Kräftefeldes
Stärkung der Position
einer Fakultät oben an. Als
des Dekans werde mit
Winfried Frieden gewineiner solchen Namensnen. Aber nicht Frieden
gebung ein falsches Zeium jeden Preis.“
chen gesetzt. InzwiViele Situationen des
schen liege auch eine
in FakultätsangelegenheiAnfrage der Fakultät
ten notwendigen kommuvor, ob er angesichts der
nikativen Managements
vom Rektorat dekretiererforderten die Konstrukten Umbenennung bei
tion von win-win-Strateder Weihnachtsfeier der
gien: „Mit allgemeiner
Fakultät (erstmals mit
Erleichterung
wurde
Theologen) nicht den
daher der Vorschlag verJosef spielen wolle. Er
abschiedet, Ihnen die
habe allerdings BedenFührung des Namens
ken, der Rolle gewachWinwinfried zu genehmisen zu sein, und werde
gen.“ Darüber hinaus
sich lieber mit seiner
habe
das
Rektorat
Familie „um die Krippe
beschlossen, zur besseren
versammeln, um an der
Erforschung des Neulands
Seite von Maria und
der institutionellen Autodem Jesuskind – wenn
nomik „ein interdisziplinäsie denn noch so heißen
res Forschungsinstitut für
und nicht inzwischen
vom Rektorat umbe- Dekan Winfried Schmitz: „Auch dem Rektorat dürfte kaum daran Eunonymik zu gründen
nannt wurden – das gelegen sein, dass der Dekan einer Fakultät der Bielefelder Uni- und Sie als fachkundig
versität mit einem diktatorischen Regime identifiziert wird.“
Betroffenen mit dem AufWeihnachtsfest
zu
bau zu beauftragen“.
feiern.“
Danach
herrschte
einige
Prorektor Krohn gab für den bewiesen, wie geschichtsmächtig die
Rest des Jahres Ruhe, meldete sich Suche nach der inneren Verbindung Wochen gespannte Stille. Doch am
aber schon am 4. Januar wieder mit von Realitätsbeschreibung und -kon- 17. Februar endlich teilte der Dekan
der Einlassung zu Wort, er habe mit struktion ist. Stalin hat der mit, „dass ich dieses ehrenvolle Amt
Freude wahrgenommen, „dass Sie Geschichtswissenschaft durch den übernehmen werde, auch wenn das
hinsichtlich der Rechtmäßigkeit und Einsatz moderner Technologien beim Rektorat mir damit eine ungeheure
Relevanz
der
institutionellen Verschwinden und Erfinden von Verantwortung überträgt“. Es zeichNamensgebung keine grundsätz- Dokumenten, bei der Normierung ne sich allerdings ab, dass ein erstes
lichen Einwände mehr erheben“. Sei- und Lizenzierung von Fakten den Ergebnis des Forschungsinstituts für
zu
einer
konstruktiven Eunonymik darin liegen könnte, allen
ne Ablehnung des gewählten Weg
Namens sei einziges Thema der jähr- Geschichtsschreibung gewiesen und Mitgliedern des Rektorats nahe zu
lichen Klausursitzung des Rektorats diesen wiederum in das quasi-tech- legen, den Vornamen „Winfried“
vom 19. Dezember gewesen. Hier nologische Machen von Geschichte anzunehmen, um so als „Freunde
seien insbesondere „Stalins entschie- münden lassen.“ Ein Paradigmen- des Friedens“ die zukünftigen
dene und praktische Leistungen bei wechsel zu einer technologisch-kon- Geschicke der Universität zu bestimdem so genannten „Umschreiben struktiven Wissenschaft bringe die men. Seitdem herrscht gespannte
der Geschichte“ herausgehoben Geschichtswissenschaft auf gleiche Stille von Seiten der Hochschulleiworden. „Zwar muss von deren kon- Augenhöhe mit den Naturwissen- tung.
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