«Alleine zu wohnen war mein grösster Wunsch

Transcription

«Alleine zu wohnen war mein grösster Wunsch
3 / 2014
MAGAZIN
JOURNAL
«Alleine zu wohnen war
mein grösster Wunsch»
« Mon souhait : vivre
à nouveau chez moi »
Gertrud K. erlitt vor sechs Jahren eine Hirnverletzung
und lebt heute wieder in der eigenen Wohnung.
Victime d’une hémorragie cérébrale en 2008,
Gertrud K. a pu retrouver son appartement.
FRAGILE Suisse
für Menschen mit Hirnverletzung und Angehörige
pour les personnes cérébro-lésées et leurs proches
per persone cerebrolese e i loro familiari
Liebe Leserin, lieber Leser
Impressum
Titelbild / Couverture: Reto Schlatter
Herausgeberin / Editrice: FRAGILE Suisse, CH-8006 Zürich
In den letzten Wochen hat FRAGILE Suisse gemeinsam
mit gut 20 jungen Menschen mit einer Hirnverletzung einen
Event vorbereitet, der am 18. Oktober stattfindet.
Redaktion / Rédaction:
Dominique Marty (Leitung), marty@fragile.ch,
Isabelle Gay-Crosier, gaycrosier@fragile.ch
Übersetzungen / Traductions: Dominique Nägeli,
Annette Jaccard, Textrans
Korrektorat / Corrections: Helen Gysin (deutsch),
Anne Fournier, Le Pied de la Lettre (français)
Gestaltung / Graphisme: Frau Schmid, Visuelle Gestaltung, Zürich
Auflage / Tirage: 40 000
Druck / Impression: Prowema GmbH, 8330 Pfäffikon,
John Büsser, prowema@bluewin.ch
Abonnement:
CHF 10.– pro Jahr, im Spenden- bzw. Mitgliederbeitrag inbegriffen.
CHF 10.– par an, inclus dans le don ou dans la cotisation de membre.
Inserate / Annonces: Axel Springer Schweiz AG, Fachmedien,
Förrlibuckstrasse 70, Postfach, 8021 Zürich,
Tel. 043 444 51 07, Fax 043 444 51 01, info@fachmedien.ch
© 2014, FRAGILE Suisse
Schweizerische Vereinigung für hirnverletzte Menschen
Association suisse pour les personnes cérébro-lésées
Beckenhofstrasse 70, CH-8006 Zürich,
Tel. 044 360 30 60, Fax 044 360 30 66,
www.fragile.ch, mail@fragile.ch
Die jungen Menschen lieferten Ideen, stellten kritische Fragen.
Sie werden Fotos, Bilder und Skulpturen an einer Ausstellung
zeigen, auf der Bühne mitwirken und mitdiskutieren sowie
später als Reporter über den Event berichten. Die Arbeit mit
ihnen macht uns grossen Spass und berührt uns. Besonders
freut uns der Zuspruch, den wir von allen Seiten für dieses
Projekt erhalten. Das spornt uns an, auch nach dem Event
diesen Weg weiterzugehen.
Natürlich setzt sich FRAGILE Suisse auch für Betroffene ein,
die ihren 40. Geburtstag schon gefeiert haben. Gertrud K.
zählt zu ihnen, die als Flugbegleiterin durch die ganze Welt
reiste, bis sie nach einer Hirnblutung ihr Leben umstellen
musste. Ihr Schicksal zeigt, wie sehr sich das Engagement für
Menschen mit Hirnverletzung lohnt, damit diese ihren Alltag
trotz Beeinträchtigungen eigenständig gestalten können.
Spenden / Dons: PC / CCP 80-10132-0
ISSN: 1660-7813
Das Magazin von FRAGILE Suisse erscheint viermal jährlich.
Redaktionsschluss für die nächste Ausgabe: Oktober 2014
Le journal de FRAGILE Suisse paraît quatre fois par an. Délai pour la
remise des prochaines contributions rédactionnelles : octobre 2014
Ich wünsche Ihnen viel Vergnügen bei der Lektüre dieses
Magazins.
Herzliche Grüsse
Dominique Marty
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Ihr Ansprechpartner für hochstehende Rehabilitation in der Südostschweiz, ein
Therapie- und Kompetenzzentrum für hirnverletzte Menschen. Angehörige und
Freunde können im Hotel Valens übernachten. Um Kraft zu tanken und den Alltag
für ein paar Momente loszulassen, kann das Thermalbad mit seiner einmaligen
Aussicht genutzt oder ein feines Essen auf der Sonnenterrasse des Restaurant
Zanai genossen werden.
KLINIKEN VALENS
Rehabilitationszentrum Valens
T +41 (0)81 303 11 11
KLINIKEN VALENS
F +41 (0)81 303 11 00
CH-7317 Valens
www.kliniken-valens.ch
Rehabilitationszentrum Walenstadtberg
T +41 (0)81 736 21 11
F +41 (0)81 735 15 02
CH-8881 Walenstadtberg
www.kliniken-valens.ch
Dominique Marty
Bereichsleiterin Kommunikation /
Directrice Communication
Gertrud K.
«Trotz der Hirnverletzung
selbstständig zu leben,
war mir wichtig.» Seite 4
Chère lectrice, cher lecteur,
« Vivre dans mon
appartement malgré
ma lésion cérébrale
était le plus important. »
page 16
Ces dernières semaines, FRAGILE Suisse a préparé, avec
une vingtaine de jeunes cérébro-lésés, un événement qui
aura lieu le 18 octobre prochain.
Ces jeunes nous ont soumis leurs idées et nous ont aussi
interrogés. Lors de la manifestation, ils exposeront leurs
photo­graphies, leurs peintures et leurs sculptures. Ils parti­
ciperont aux débats, à la table ronde, et livreront ensuite leurs
impressions en qualité de reporters. Travailler avec eux est une
expérience enrichissante et émouvante. Notre initiative est
accueillie partout de manière très positive.
Nous en sommes ravis, et ces réactions nous incitent
à poursuivre dans cette voie après la manifestation.
Naturellement, FRAGILE Suisse se mobilise toujours pour
les personnes cérébro-lésées qui ont passé le cap de la
quarantaine. Par exemple, pour Gertrud K. qui a sillonné le
monde entier comme hôtesse de l’air jusqu’à ce qu’une
hémorragie cérébrale la contraigne à changer ses habitudes.
Son parcours montre combien il est important d’aider les
personnes cérébro-lésées à maîtriser leur vie quotidienne
malgré les séquelles d’un accident.
Je vous souhaite une agréable lecture.
Cordialement,
Dominique Marty
Inhalt
4Porträt Gertrud K.
6Samuel Schiegg: Flucht
von «Happy Island»
7Kursvorschau
8Helpline
9Kurz und Hirn
10Studieren trotz
Hirnverletzung
12Aphasie – wenn die
Sprache plötzlich weg ist
14Fach-Chat im Forum
14Mister-Handicap-Wahl 2014
24Kontakte
Sommaire
15Une « boîte à outils »
pleine d’idées
16Portrait Gertrud K.
18 « Happy Island »
de Samuel Schiegg
19Cerveau en bref
20Helpline
22Etudier malgré une lésion
cérébrale
24Contacts
Helpline
Kopfschmerzen: Die Helpline-Beraterin
erklärt, was Betroffene und
Angehörige gegen starke Kopf­
schmerzen tun können. Seite 8
Maux de tête : la conseillère de
notre Helpline explique ce que les
cérébro-lésés et leurs proches
peuvent faire lors de violents maux
de tête. page 20
Samuel Schiegg
«Ich will mich trotz einer
Hirnverletzung auf dem
freien Arbeitsmarkt
bewähren.» Seite 6
« Je veux dénicher
un emploi sur le marché
normal du travail. »
page 18
Selbstständig wohnen –
ihr grösster Wunsch
Sie stand im Leben, wusste, was sie wollte – und plötzlich war alles
anders. Im Juli 2008 erlitt Gertrud K. eine Hirnblutung. Dank FRAGILE
Suisse kann sie in ihrer eigenen Wohnung leben.
Text: Carole Bolliger, Foto: Reto Schlatter
Gertrud K. war Flugbegleiterin und bereiste die ganze
Welt. Davon zeugen viele Fotos und Gegenstände aus
anderen Ländern und Kontinenten, die an den Wänden ihrer Wohnung im Zürcher Unterland hängen.
Gertrud K. will etwas erzählen, doch es kommen nur
vereinzelte Wörter aus ihrem Mund, die stark verwaschen sind. Nur Barbara Ocusono versteht sie. «Jahrelange Übung», erklärt sie. Seit sechs Jahren betreut
Barbara Ocusono von FRAGILE Suisse Gertrud K. als
Wohnbegleiterin.
sen hat. Das sei nicht immer einfach, damit umgehen
zu können, sagt Barbara Ocusono. Doch sie lässt sich
nichts anmerken, erklärt Gertrud K. geduldig und einfühlsam, dass sie das Wasser auch selber wegputzen
könne. Sie gibt ihr einen Putzlappen und ohne Widerspruch, mit einem versöhnlichen Lächeln, erledigt
Gertrud K. ihre Aufgabe.
Spiritualität half, das Schicksal zu akzeptieren
Nach ihrer Hirnblutung, nach ein paar Wochen Spitalund Reha-Aufenthalt, ging es Gertrud K. vor sechs
Jahren erstaunlich schnell wieder ziemlich gut. Die
«Ohne die Wohnbegleitung von
einseitige Lähmung der rechten Körperhälfte ging zurück. Bis auf die Hand. Früher war sie eine leidenFRAGILE Suisse würde es mir heute
schaftliche Malerin. Daran erinnern viele Bilder, die in
der Wohnung hängen. Malen kann sie nicht mehr. Sie
nicht so gut gehen.»
sei nicht traurig deswegen, meint Gertrud K. Allgemein
Gertrud K.
hat sie die Folgen ihrer Hirnverletzung akzeptiert und
angenommen. «Ich habe schon so viel erlebt, schon
alles erlebt», sagt die 68-Jährige. Obwohl sie SchweiDamals, im Juli 2008, erlitt Gertrud K. eine Hirnblutung zerin ist, spricht sie Hochdeutsch. Seit der Hirnblutung.
und ihr Leben änderte sich schlagartig. Was an jenem Wieso, weiss man nicht genau. Schon vor der HirnbluTag genau passiert ist, daran erinnert sie sich nicht tung hat sich Gertrud K. sehr für spirituelle Themen
mehr. Nur eines: «Vorher alles anders, vorher alles interessiert. In ihrem Gestell stehen Bücher über Meanders», sagt sie immer wieder aufgeregt und ihre ditation und Spiritualität. Barbara Ocusono ist überStimme erhebt sich. Barbara Ocusono streichelt ihr zeugt, dass Gertrud K. auch dank dieses Interesses
liebevoll über den Arm, versucht, sie etwas zu beruhi- besser mit ihrem Schicksal umgehen kann. Sie scheint
gen. Durch die Hirnblutung hat Gertrud K. eine Aphasie, versöhnt mit sich und der Welt.
einen Sprachverlust. Sie wisse alles, aber könne es
Dank FRAGILE Suisse lebt sie noch zuhause
nicht sagen, gibt Gertrud K. zu verstehen.
Dass Gertrud K. noch zuhause in ihrer eigenen Wohnung leben kann, verdankt sie auch FRAGILE Suisse.
Mit Geduld und Einfühlungsvermögen
Gertrud K. sitzt in ihrem Stuhl und scheint die Welt um Nach der Hirnblutung war ihr grösster Wunsch, wieder
sich für einen Moment vergessen zu haben, bis sie das in ihre eigene Wohnung zurückzukehren. Diese hatte
Klicken der Fotokamera zurück in die Realität holt. Sie sie sich nur ein paar Monate zuvor gekauft. Ihr Beilächelt in die Kamera und flirtet mit dem Fotografen. stand hat FRAGILE Suisse zu Rate gezogen, damit sie
Verheiratet war sie nie. Kinder hat sie keine. «Aber zuhause von einer Wohnbegleiterin unterstützt wird.
viele Männer hatte ich», erzählt sie stolz. «Aber immer Seither besucht Barbara Ocusono Gertrud K. jede Wonur einen», fügt sie an. Trotz der Verständigungs- che. Sie unterstützt sie im Alltag, im Haushalt, macht
schwierigkeiten schwingt in ihrer Art etwas Resolutes, einen Spaziergang oder ein Puzzle mit ihr. «Einfach mit
Bestimmendes mit, als sie ihre Wohnbegleiterin auf- ihr und für sie da sein und tun, was ansteht und zu
fordert, ein paar Tropfen Wasser wegzuputzen, die sie erledigen ist – wenn möglich mit ihr zusammen», sagt
selber beim Pflanzengiessen neben dem Topf vergos- Barbara Ocusono.
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MAGAZIN – JOURNAL 03 / 2014
Als Flugbegleiterin bereiste Gertrud K. die ganze Welt, bis sie eine Hirnverletzung erlitt: «Heute aber habe ich die Beeinträchtigungen akzeptiert.»
Zu Beginn jedoch reichte es nicht, nur einmal in der
Woche vorbeizukommen. Eine 24-Stunden-Betreuerin
wurde hinzugezogen. Das ging nicht lange gut. So
musste eine andere Lösung her. Vor allem Barbara
Ocusono setzte sich dafür ein, dass Gertrud K. nicht in
ein Heim musste. Jeden Nachmittag kam eine Begleiterin von FRAGILE Suisse oder einer anderen Institution
vorbei. Gertrud K.’s Zustand verbesserte sich zusehends.
Das Begleit-Team – es umfasst zwei Wohnbegleiterinnen, einen Springer-Wohnbegleiter, den Beistand, den
Hausarzt und die Spitex – steht in ständigem Austausch untereinander. «Dies ist für alle Beteiligten sehr
wichtig und hilfreich, vor allem wirkt es enorm unterstützend für Gertrud K.», sagt Barbara Ocusono. Bis
heute besucht sie die Klientin dreimal in der Woche.
«Ohne die Wohnbegleitung von FRAGILE Suisse und
das Engagement des ganzen Teams würde es ihr heute nicht so gut gehen», ist Barbara Ocusono überzeugt,
und ohne zu zögern nickt Gertrud K. kräftig mit dem
Kopf und stimmt ihr lächelnd zu.
Begleitetes Wohnen von
FRAGILE Suisse
Daheim – statt im Heim: Durch das
«Begleitete Wohnen» können hirnverletzte
Menschen selbständig in den eigenen vier
Wänden wohnen. Fachpersonen begleiten
Betroffene und Angehörige im Alltag. Sie
unterstützen da, wo es nötig ist: Bei der
Planung des Alltags, der Haushaltführung
oder den Finanzen, beim Erledigen von
administrativen Arbeiten, bei der Suche
von Tagesstrukturen. Und dies so lange,
wie ein Bedarf besteht. Die Unter­stützung
ist individuell und führt zu mehr Selbständigkeit, mehr Lebensfreude und mehr
Eigenverantwortung.
Die Fachpersonen des «Begleiteten
Wohnens» arbeiten mit Angehörigen, dem
nahen Umfeld, Rehabilitationskliniken, mit
der Spitex und weiteren Fachstellen
zusammen.
www.fragile.ch/bewo
MAGAZIN – JOURNAL 03 / 2014
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Flucht von «Happy Island»
Vom geschützten Arbeitsplatz in die freie Wirtschaft – Samuel Schiegg,
25-jährig und betroffen, berichtet von seinen Erfahrungen, wie er zu
seiner Stelle in einem Radiostudio kam.
Text: Samuel Schiegg
«Bis Dezember 2013 arbeitete ich in der Stiftung Wagerenhof, einem Heim für Menschen mit geistiger oder
mehrfacher Behinderung in Uster ZH. Trotz meiner
Leistung kam es oft zu Missverständnissen. Viele Menschen dachten, ich würde nicht ‹richtig› arbeiten und
nur in einem Beschäftigungsprogramm sein. Obwohl
ich eine Ausbildung zum Kaufmann erfolgreich absolvierte, war es sehr schwierig, von diesem Ort wegzukommen.
Um es bildlich zu sagen: Ich befand mich zu dieser
Zeit auf einer Insel, nennen wir sie ‹Happy Island›. Jeder Arbeitstag begann und endete gleich, alles war
strukturiert, die Leistung zählte nur sekundär, und für
die Mitarbeitenden war es in erster Linie einfach schön,
dass ich da war. Intern bekam ich auch Anerkennung
und Wertschätzung. Sobald ich das Areal oder eben die
Insel verliess, zählte das alles nichts mehr. Ich war nur
noch ein Behinderter, der in einer Stiftung arbeitet.
Ich konnte auch keine Bewerbungen mehr verfassen. Ich probierte es ja während der letzten 12 bis 18
Monate, teils mehr, teils weniger intensiv und aktiv. Es
wurde mir bewusst, dass ich – wenn ich mithilfe von
Vitamin B zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen
werde – es schaffe, meine Gesprächspartner von mir
Neues Leben – jung, hirnverletzt,
unabhängig
Am 18. Oktober 2014 veranstaltet FRAGILE
Suisse in Bern den Event «Neues Leben –
jung, hirnverletzt, unabhängig» für und mit
jungen Menschen mit Hirnverletzung. Unter
der Moderation von Röbi Koller diskutieren
Betroffene, Angehörige und Fachpersonen.
Das Programm entstand in enger Zusammenarbeit mit jungen Betroffenen, die in
einer Projektgruppe das Konzept mit
FRAGILE Suisse erarbeiteten. Am Anlass
werden sie auf ihre ganz persönliche Art
und Weise von dem Einschnitt in ihrem
Leben erzählen und wie sie damit umgehen. Im Gespräch mit Angehörigen sowie
Fachpersonen zeigen sie, wo sie auf Schwierigkeiten stossen und welche Wege sie
gefunden haben, diese zu lösen. Daneben
gibt es eine Ausstellung, in der Werke von
jungen Betroffenen ausgestellt sind. In der
nächsten Ausgabe des Magazins wird ein
Team von jungen Menschen mit einer
Hirnverletzung über den Anlass berichten.
Bei einem Radiosender
hat Samuel Schiegg,
25-jährig, eine
Anstellung gefunden.
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MAGAZIN – JOURNAL 03 / 2014
Weitere Informationen:
www.fragile.ch/Junge
und meinen Qualitäten zu überzeugen. Aber der ‹normale› Weg (ohne Vitamin B) bis zu einem persönlichen
Gespräch ist sehr schwierig wenn nicht unmöglich.
Wenn ein Arbeitgeber auf eine Stelle 50 Bewerbungen
zugestellt bekommt und ich vor allem durch meine
tadellosen Arbeitszeugnisse in die oberen Ränge gelange, dann wäre dies, nüchtern betrachtet, bereits ein
Erfolg, aber ein wertloser. Denn falls ich es unter die
besten zehn schaffe, habe ich noch nichts. Und dann
entscheidet sich ein Chef für die unkomplizierteste
Variante und legt mein Dossier auf die falsche Seite.
Die Sozialversicherungsanstalt ist auch nicht gerade
Wunschpartner in diesem Prozess. Sie vermittelt ihre
Klienten praktisch nur auf solche Inseln oder in Betriebe mit einer Quote. Ich möchte kein ‹Quotenjunge›
sein. Mit Quotenjunge meine ich mich als Person in
einem Unternehmen. Es gibt Unternehmen, die erhalten Entschädigungen, falls sie eine Person mit Behinderung einstellen. Dann bist du zwar auf keiner Insel,
aber es fühlt sich ähnlich an. Denn auch wenn die
Mitarbeitenden dir es nicht direkt sagen, sagen sie es,
wenn du es nicht hörst, denken es, und du bekommst
wieder einen Stempel verpasst: ‹Happy Island – light
version›.
Als ich durch die Vermittlung einer ehemaligen Arbeitskollegin bei einem Radiosender ins Gespräch kam,
habe ich Blut geleckt. Ich entschied mich noch vor dem
ersten Gespräch, meinen Arbeitsvertrag auf Ende Jahr
zu kündigen. Und ich bereue es nicht: Ich hatte meine
einzige Chance optimal genutzt und kam immer eine
Runde weiter und wurde immer wieder eingeladen.
Nach dem vierten Termin mit zwei Schnuppertagen
bekam ich einen positiven Bescheid. Ich setzte alles auf
Rot und hatte keinen Plan B!
Weg von Happy Island, im Hier und Jetzt in der freien Wirtschaft: Nur die Leistung zählt, es gibt keinen
Pädagogenbonus, und die Arbeitstage gestalten sich
unterschiedlicher. Alles ist volatiler, aber auch spannender. Ich weiss nun, dass ich diesem Druck gewachsen bin, und möchte nicht mehr zurück.»
Publikation mit freundlicher Genehmigung von hiki,
Hilfe für hirnverletzte Kinder.
Kurse für Betroffene und Angehörige
Verminderte Belastbarkeit nach
einer Hirnverletzung
Quartener Bildungswoche
Diese Woche bietet allen, die dem
Tanzen allein und zu zweit – ein
lustvoller Einstieg
Betroffene brauchen für Alltagsaktivitäten
hektischen Alltag der Vorweihnachtszeit
Dieses Angebot richtet sich insbesondere
mehr Energie als ihre Angehörigen. Dies ist
entfliehen wollen, einen Ort der Entspan-
an junge Betroffene. Allein oder zu zweit
für alle oft nur schwer nachvollziehbar. In
nung. Dieser Kurs lässt Sorgen vergessen,
wird in diesem Kurs zu R’n’B, Soul und
diesem Kurs werden Ursachen, Erschei-
Erfahrungen mit anderen Menschen teilen
Latinomusik getanzt und so die Körper-
nungsformen und Auswirkungen vermin-
und dadurch neue Wege finden, zur Ruhe
wahrnehmung nach einer Hirnverletzung
derter Belastbarkeit aufgezeigt und
zu kommen sowie Mut zu schöpfen.
gestärkt. TeilnehmerInnen müssen frei
gemeinsam Strategien zum Gestalten des
Alltags entwickelt. Der Kurs ist für Menschen mit Hirnverletzung und Angehörige.
22. Oktober 2014, Luzern
8. bis 12. Dezember 2014, Quarten
Mehr Infos und weitere Kurse:
www.fragile.ch/kursinfo
stehen und gehen können.
Ab 13. November 20114, Zürich
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Arzt oder eine Notrufzentrale? Die Notruf-Uhr ist immer und
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Kopfschmerzen – was kann ich
tun dagegen?
Viele Menschen mit Hirnverletzung leiden unter Kopfschmerzen. Sie
bedeuten Einschränkungen im Alltag und können zu Spannungen und
Unverständnis im Umfeld führen. Das rät die Helpline von FRAGILE Suisse.
iStockphoto
Text: Isabelle Gay-Crosier
Im Frühling 2014, eine Woche vor dem Paris-Marathon,
verspürt Olivier* Schmerzen in den Zähnen und im
Kiefer. Die Konsultation beim Zahnarzt ergibt keinen
Befund, alles ist normal. Olivier bestreitet den Marathon, ist danach müde, fühlt sich aber für seine
40 Jahre in Form. Am Tag danach telefoniert er mit
einem Freund, wobei seine Frau bemerkt, dass er Artikulationsschwierigkeiten hat. Sie fährt mit ihm in die
Notfallstation, wo er eine transitorisch-ischämische
Attacke (TIA) erleidet, auch bekannt als Streifung.
Olivier hat Angst, ist gestresst, hat viele Fragen. Zur
Rehabilitation ist er zuerst im Spital, danach zuhause,
ein paar Wochen später kann er wieder arbeiten.
«Angehörige brauchen viel Verständnis
für die Kopfschmerzen des Partners –
sie dürfen sich aber nicht überfordern.»
Christine Jayet-Ryser, Helpline-Beraterin
Stille und Entspannungstechniken helfen einigen Betroffenen,
Kopfschmerzen zu lindern.
Helpline
Die Helpline von FRAGILE Suisse bietet
Unterstützung und Begleitung für
Betroffene, Angehörige und Fach­
personen. Die Beratenden sind spezialisiert auf das Thema Hirnverletzung und
helfen bei Schwierigkeiten in Arbeitsoder Wohn­situationen, bei finanziellen
Engpässen oder Schulden, bei Fragen
rund um die Sozialversicherungen,
Therapien und Rehabilitation.
Helpline: 0800 256 256, www.fragile.ch/helpline
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MAGAZIN – JOURNAL 03 / 2014
Mit der Rückkehr zur Arbeit aber kommen die Kopfschmerzen – heftig, häufig und unstillbar, manchmal
ganze Tage lang. Olivier ist psychisch am Boden, er
durchforstet das Internet, sucht nach Leidensgenossen. Doch die Berichte von Menschen, die ein halbes
oder gar ein ganzes Jahr lang nach einer TIA an Kopfschmerzen gelitten haben, versetzen ihn in Panik.
Seine Frau Jeanne* weiss nicht, wie sie ihm helfen
kann, und wendet sich schliesslich an die Helpline von
FRAGILE Suisse.
FRAGILE Suisse berät
«Es gibt leider kein Wundermittel und keine Wunderpille gegen diese Kopfschmerzen, jeder Betroffene
muss seinen eigenen Umgang damit finden», erklärt
Christine Jayet-Ryser, Beraterin der Helpline von
FRAGILE Suisse. Manche Betroffene müssen sich hinlegen, anderen helfen Stille und Entspannungstechniken, wieder anderen Gartenarbeit oder Musik. Auch
ein Spaziergang in der Natur kann wohltuend sein und
die Kopfschmerzen lindern.
Solche Kopfschmerzen sind unvorhersehbar und
häufig unsichtbar für das Umfeld. Das führt zu Span-
nungen und Einschränkungen im Alltag. Ein Restaurantbesuch, der Alltag mit der Familie und das Sozialleben können schwierig werden; die Betroffenen gehen
kaum noch aus und isolieren sich.
Kopfschmerzen werden bei hirnverletzten Menschen durch einen plötzlich sehr stark ansteigenden
Druck im Gehirn verursacht. «Sie können so stark sein,
dass man erbrechen muss. Die Patienten können während einer Kopfschmerzattacke weder denken noch
agieren», ergänzt Christine Jayet-Ryser.
Die Beraterin schlägt Jeanne vor, ihren Mann zu
motivieren, sich Ruhepausen zu gönnen, ihm Ruheräume zu schaffen. Sie fordert sie auf, verständnisvoll zu reagieren und sich bewusst zu machen, dass ihr
Mann während einer Attacke enorm leidet. Jeanne
setzt die Vorschläge um, geht einkaufen, macht den
Haushalt alleine und kümmert sich um die Kinder, das
Familienleben und die Schule. «Achten Sie aber darauf,
sich selbst nicht zu überfordern», betont Christine
Jayet-Ryser. «Atmen auch Sie durch, nehmen Sie sich
Zeit für sich. Um diese schwierige Zeit zu bewältigen,
braucht Ihr Mann eine starke Partnerin an seiner Seite.»
darin, äussere Faktoren zu finden, die die Kopfschmerzattacken auslösen oder lindern.
Die Auslöser identifizieren
Für die Betroffenen ist jeder Tag anders, und die
Schmerzen treten ohne Vorwarnung auf. Deshalb ist es
wichtig, seine eigenen Grenzen zu erkennen und eine
Pause zu machen, bevor es zu spät ist. Christine JayetRyser weiss auch, dass die Tagesform stark schwankt.
«Gestern war es dem Betroffenen möglich, eine Aufgabe zu erledigen, heute nicht. Es hängt nicht von seinem Willen ab, und er kann es nicht beeinflussen.» Sie
rät den Angehörigen zur Gelassenheit im Wissen, dass
die Aufgabe an einem anderen Tag wieder zu bewältigen ist. Und fügt hinzu: «Schliesslich haben wir alle
auch unsere schlechten Tage. Bei Hirnverletzten sind
sie einfach viel ausgeprägter.»
* Vornamen geändert
Kopfschmerz-Tagebücher
Ein Kopfschmerz-Tagebuch zu führen hilft,
die empfundenen Schmerzen und Symp-
Konsultation beim Neurologen
Wenn die Kopfschmerzen länger anhalten, rät die
Helpline-Beraterin, das Problem in einem ersten Schritt
bei einem Neurologen abzuklären. Dies, um sicherzugehen, dass die Schmerzen die «normalen» Folgen der
Hirnverletzung sind und keine andere Ursache haben.
Eventuell verschreibt der Neurologe auch auch ein
geeignetes Medikament. Ein zweiter Schritt besteht
tome sowie die daraus folgenden Einschränkungen zu beschreiben und die Auslöser zu
erkennen. Mithilfe des Tagebuchs können
die Schmerzen analysiert und die Wirksamkeit einer Behandlung überprüft werden.
Nützliche Apps mit dieser Funktion:
www.fragile.ch/Apps
Kurz und Hirn
Schluckstörung – und jetzt?
Was steht meinem Kinde zu?
Vollspast. Alexander Abasov rollt
ins Berufsleben: Inklusion mit
Behinderungen
Schluckstörungen sind eine häufige Folge
Eltern mit einem behinderten Kind sind
von neurologischen Erkrankungen und
gefordert. Sie müssen sich schwierigen
Verletzungen. Der gut verständliche
Fragen stellen und sich mit den kompli-
«Ein bisschen Bürokram wie bei jedem
Ratgeber erklärt, was beim Schluckvor-
zierten Bestimmungen der Sozialversiche-
anderen Lehrling auch», denkt der
gang passiert und wie sich Störungen
rungen auseinandersetzen. Der aktuali-
Agenturchef Martin Keune, als er
äussern. Er informiert über diagnostische
sierte Ratgeber erläutert die Gesetze und
Alexander Abasov zum Mediengestalter
Möglichkeiten, therapeutische Massnah-
liefert übersichtlich und leicht verständlich
ausbilden möchte. Doch Alexander ist
men und Hilfsmittel. Mit vielen Illustratio-
alle wichtigen Fakten. Mit hilfreichen
Tetraspastiker und der deutsche Behör-
nen und als Neuheit in zweisprachiger
Beispielen, Tipps und einer Checkliste
dendschungel fast undurchdringlich.
Ausgabe: Deutsch und Türkisch.
zum Übergang ins Erwachsenenalter.
Inklusion – ein schönes Schlagwort. Wie
«Schluckstörung – und jetzt? Yutma Bozukluğu –
ne yapmalı?» Ratgeber für
Angehörige, Betroffene und
Fachleute von Christiane
Lücking und Sabina
Hotzenköcherle (2014).
Schulz-Kirchner Verlag.
«Was steht meinem Kinde zu?»
von Procap Schweiz (2013).
Ausleihe über:
www.fragile.ch/bibliothek
dafür im Alltag gekämpft werden muss,
zeigt dieses Buch.
«Vollspast» Ein Erlebnis­bericht
von Martin Keune (2011).
Eigenverlag.
Ausleihe über:
www.fragile.ch/bibliothek
Ausleihe über:
www.fragile.ch/bibliothek
MAGAZIN – JOURNAL 03 / 2014
9
Studieren trotz Hirnverletzung
Im Hochschulstudium stossen Menschen mit einer Hirnverletzung auf
viele Hindernisse. Der «Nachteilsausgleich» soll diese abbauen. Ingrid
Beder* erzielte mit Hilfe von «Égalité Handicap» einen Durchbruch.
iStockphoto
Text: Dominique Marty
Menschen mit einer Hirnverletzung können bei der Uni ihr Recht auf einen
Nachteils­ausgleich geltend machen.
Égalité Handicap
Seit 2004 besteht die Fachstelle Égalité
Handicap mit dem Auftrag, die Gleichstellung zu stärken und die Umsetzung des
Behindertengleichstellungsrechts durch
Beratung von Betroffenen, Institutionen,
Behörden, Organisation und Firmen zu
unterstützen, Lobbying zu betreiben,
Entwicklungen im Bereich Gleichstellung
zu beobachten und zu dokumentieren.
Die Fachstelle Égalité Handicap bietet
Unterstützung, Rechtsberatung und
Information zum Thema Gleichstellung
von Menschen mit Behinderung.
Ab 2015 wird die Fachstelle Égalité
Handicap Teil der neu gegründeten
Behindertendachorganisation Integration
Handicap.
www.egalite-handicap.ch
www.integrationhandicap.ch
10
MAGAZIN – JOURNAL 03 / 2014
Ein Autounfall veränderte 1995 Ingrid Beders* Leben für
immer: Sie erlitt ein Schädel-Hirn-Trauma und ist seitdem zu 100 Prozent arbeitsunfähig. Obwohl der Unfall
bereits über 20 Jahre her ist, leidet sie bis heute unter
den Folgen der Hirnverletzung, die sie im Alltag stark
beeinträchtigen. So ermüdet sie sehr schnell und ist
nur vermindert leistungsfähig. Zudem kann sie sich
nicht mehr über längere Zeit konzentrieren.
Ingrid Beder studierte bis zu ihrem Unfall Geografie
und nahm einige Zeit nach dem Unfall ihr Studium
wieder auf. Aufgrund ihrer Beeinträchtigungen beantragte sie bei der Universität einen Nachteilsausgleich
(siehe Kasten). Sie musste gewisse Prüfungen mündlich statt schriftlich ablegen, weil sie durch ihre beeinträchtigte Konzentrationsfähigkeit eine mehrstündige
Prüfung nicht ablegen kann. Zudem verlangte sie bei
der Universität mehr Zeit für ihre Abschlussarbeit, da
sie durch die schnelle Ermüdung weniger lange daran
arbeiten kann.
Aufklärungsarbeit bei Universitäten
Die Universität aber zeigte wenig Gehör für ihr Anliegen: Mit Konzentrationsproblemen kämpfen auch an­
dere Studierende, und die Arbeitsgeschwindigkeit sei
individuell, lautete der Bescheid. Ingrid Beder wandte
sich hilfesuchend an FRAGILE Suisse. Die Organisation
gab den Fall an die Fachstelle Égalité Handicap weiter,
die sich für die Gleichberechtigung von Menschen mit
Behinderung einsetzt.
«Die Unis haben oft Angst, dass jemand
durch den Nachteilsausgleich einen Vorteil
hat. Das erfordert Aufklärungsarbeit.»
Iris Glockengiesser, Juristin bei Égalité Handicap
Iris Glockengiesser, Juristin bei Égalité Handicap, reichte bei der Universität eine Stellungnahme ein. «Die
Voraussetzungen, das Recht des Nachteilsausgleichs in
Anspruch zu nehmen, waren bei Ingrid Beder klar erfüllt», sagt sie. Die Behinderung sei als Folge der Hirnverletzung zu sehen, war gemäss eines medizinischen
Gutachtens auch dauerhaft und wird sich auch nicht
verbessern, führt sie aus.
«Gerade bei Menschen mit Hirnverletzung stelle ich
fest, dass bei den Fachstellen der Universität wenig
Wissen über diese Formen der Behinderung vorhan-
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den ist», sagt Iris Glockengiesser. Meist müssen wir erst
Wissen vermitteln, Unsicherheiten abbauen. «Um der
Angst der Universitäten zu begegnen, dass sie durch
den Nachteilsausgleich jemandem einen Vorteil verschaffen, braucht es viel Aufklärungsarbeit von uns.»
Nicht warten, bis die Prüfung vorbei ist
«Zentral war somit vor allem, dass die Universität anerkennt, dass Frau Beder eine Behinderung im Sinne
des schweizerischen Behindertengleichstellungsrechts
hat», sagt Iris Glockengiesser. Der Behindertenbegriff in
der Schweiz fusst auf dem Diskriminierungsverbot, das
in der Verfassung festgeschrieben ist: Eine Person gilt
als behindert, wenn sich ihre Beeinträchtigung auf die
autonome Teilhabe an der Gesellschaft auswirkt. Dazu
zählt auch die Aus- und Fortbildung. Im Bildungswesen besteht darum für Betroffene das Recht, einen
Nachteilsausgleich geltend zu machen.
Im Fall von Ingrid Beder lenkte die Universität in
diesem Jahr ein, und sie gewährte der Studentin mehr
Zeit für die Abschlussarbeit und mündliche statt
schriftliche Prüfungen. «Entscheidend ist beim Nachteilsausgleich, dass die zentralen Prüfungsanforderungen erfüllt sein müssen», erläutert Iris Glockengiesser.
«Im Studium der Geografie geht es um Inhalte, da ist
ein Moduswechsel von schriftlich auf mündlich denkbar.» Komplizierter werde es, wenn durch die Art der
Prüfung zentrale Fähigkeiten geprüft werden. «Im JusStudium gehört die schriftliche Ausdrucksfähigkeit zu
den Kompetenzen, in denen Studierende bestehen
müssen – hier wäre es schwer denkbar, alle schriftlichen durch mündliche Prüfungen zu ersetzen.»
Sie empfiehlt allen Betroffenen, sich frühzeitig mit
dem Thema auseinanderzusetzen und entsprechende
Anträge unbedingt vor den Prüfungen zu stellen. «Ist
die Prüfung vorbei, lassen sich nachträglich fast keine
Ansprüche mehr geltend machen.»
* Name geändert
Swiss Handicap
Für Menschen mit und ohne Behinderung
28. – 28. November 2014 | Messe Luzern
Der Messe-Event für die ganze Familie
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• Spannende Vorträge
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Behindertengleichstellung und
Nachteilsausgleich
• Sportaktivitäten & Events
Im Bereich Bildung sieht das schweizeri-
• Spiel & Spass für Kinder
sche Recht den Nachteilsausgleich vor.
• Party-Nacht mit top DJ’s und Artisten
Mehr Zeit an Prüfungen, Beiziehen
bestimmter Hilfsmittel, mündliche statt
• Weihnachtsmarkt & Samichlaus
schriftliche Prüfungen oder umgekehrt
sind Mittel des Nachteilsausgleichs. Wer
einen Nachteilsausgleich geltend macht,
muss nachweisen, dass er / sie behindert
im Sinne des schweizerischen Behinder-
Brücken schlagen
und Zeichen setzen
tengleichstellungsrechts ist. Zudem muss
ein Arzt belegen, dass die Nachteile
behinderungsbedingt sind.
www.hindernisfreiehochschule.ch
www.swiss-handicap.ch
Wenn die Sprache plötzlich
weg ist
Mit 50 Jahren erlitt Tobias B. einen Hirnschlag. Seitdem leidet er unter
Aphasie, einer Sprachstörung. Seine Tochter, Rebekka B., hat die Erfahrungen der Familie in einer Maturarbeit festgehalten.
Text und Foto: Pascal Häderli
«Zum Glück ging meine Mutter damals spät ins Bett»,
erinnert sich Rebekka B. an jene Nacht im April 2009.
Rebekka B.s. Vater lag bereits im Bett, als ihre Mutter
ihn fand. Sie kannte die typischen Symptome eines
Hirnschlags: Asymmetrie beim Lächeln, die Arme, die
nicht mehr mit den Handflächen nach oben gehoben
werden können, und Probleme beim Sprechen. Sofort
alarmierte sie den Notruf, erinnert sich Rebekka B. «Für
mich war die Situation schwierig zu begreifen. Bis zur
Diagnose folgten bange Stunden des Wartens allein
zuhause.»
schränkt – das war schon schwierig.» Die Unterstützung von Verwandten und innerhalb der Familie gab
in dieser Zeit Halt.
«Ich erkannte Fortschritte im Sprechen,
doch mein Vater sah diese nicht.»
Rebekka B., Tochter eines Aphasikers
Für Tobias B. stand bald ein längerer Aufenthalt in der
Rehabilitationsklinik in Bellikon an. Zu akzeptieren,
dass er sich nicht mehr wie früher verständigen konnRückhalt im sozialen Umfeld
Tobias B. überlebte den Hirnschlag, doch er verlor seine te und nun auf den Rollstuhl angewiesen war, fiel dem
Sprache. «Anfangs konnte er nur ‹ja› und ‹nein› sagen», Familienvater schwer. Er litt anfangs an Depressionen
erinnert sich Rebekka B. «Den eigenen Vater so zu se- und nahm psychologische Hilfe in Anspruch. «Wähhen, auf der Intensivstation und so stark einge- rend ich Fortschritte erkennen konnte, blieben diese
von ihm unbemerkt.»
Nach einiger Zeit konnte Tobias B. wieder selbstständig gehen. «Darauf war ich besonders stolz», sagt
Gesprächsabende für junge
Rebekka B. Ganze fünf Monate verbrachte der Vater in
Angehörige in Aarau
der Rehabilitationsklinik, bevor er wieder nach Hause
Wie gehen junge Menschen damit um,
durfte. Noch heute besucht er zwei Mal in der Woche
wenn der Vater plötzlich pflegebedürftig
Sprachtherapiesitzungen. «Anfangs ging es darum, die
ist? Wie weiter, wenn die Mutter die
Spontanheilung zu unterstützen. Mittlerweile stehen
Sprache verloren hat? Jugendliche und
Hilfsmittel im Vordergrund, mit denen die Kommunijunge Erwachsene stehen mitten drin,
kation erleichtert werden kann, zum Beispiel Block und
wenn sich das häusliche Umfeld durch die
Stift oder Bilder.»
Hirnverletzung eines Elternteils verändert.
FRAGILE Aargau/Solothurn-Ost schafft für
junge Angehörige von 14 bis 18 Jahren mit
Gesprächs- und Themenabenden ein
neues Angebot, in dem diese Unterstützung erfahren und einen Ort zum
Austausch erhalten. Die Treffen werden
von einer Neuropsychologin geleitet.
23. September, 25. November, 20. Januar,
jeweils von 18 bis 19.30 Uhr
Kantonsspital Aarau, Haus 11
Weitere Infos und Anmeldung:
FRAGILE Aargau / Solothurn Ost,
Tel. 056 442 02 60, aargau@fragile.ch
12
MAGAZIN – JOURNAL 03 / 2014
Unterstützung durch FRAGILE Suisse
Während der Rehabilitation entdeckte Tobias B. seine
Freude an der Musik neu. Denn obwohl Aphasikern
das Sprechen schwerfällt, ist Singen meist noch möglich. «In dieser Zeit hatten wir bereits mit der Helpline
von FRAGILE Suisse Kontakt. Dadurch wurden wir auf
die verschiedenen Freizeitangebote von FRAGILE Suisse
aufmerksam.» Tobias B. besuchte den Malkurs in
Luzern und bildet sich aktuell im Bereich Computer
weiter. Auch in der Logopädiewoche auf der Meielisalp
ist er regelmässig anzutreffen. «Dadurch erhält er eine
Tagesstruktur und kann sich ein soziales Netz aufbauen.
Gerade mit einer Aphasie ist es wichtig, sich mit anderen Menschen auszutauschen.»
Halbtags arbeitet Tobias B. auch wieder im ehemaligen
Geschäft. Daneben geht er oft und gerne mit dem Hund
spazieren. «Der Weg zurück in einen neuen Alltag ist ein
langsamer Prozess, aber die Fortschritte sind da.» Zuletzt
reiste Tobias B. alleine mit dem Flugzeug nach Spanien.
Damit hat er einen grossen Teil seiner Selbstständigkeit
zurückerlangt. «Und mittlerweile können wir auch erahnen, was er sagen will – das ist unglaublich viel wert.»
Maturarbeit zum Thema Aphasie
Weil Aphasie in der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen wird, hat Rebekka B. ihre Maturarbeit zu diesem
Thema geschrieben. «Ich wollte mit meiner Arbeit bewusst auch sensibilisieren und den Leuten das Phänomen Aphasie näherbringen.» Dies ist ihr mit einem
Artikel in der Zuger Zeitung auch gelungen.
«Der Weg zurück in einen neuen
Alltag ist ein langsamer Prozess, aber
die Fortschritte sind da.»
Tobias B., Betroffener
Die Maturarbeit von Rebekka B. berücksichtigt persönliche und fachliche Elemente gleichermassen und ermöglicht einen berührenden Einblick ins Leben eines
Menschen mit Aphasie, ohne dabei die wissenschaftlichen Hintergründe auszublenden.
Auch für sich selber erhoffte sich Rebekka B. zusätzliche Erkenntnisse, welche ihr im Umgang mit ihrem
Vater und seiner Beeinträchtigung helfen würden.
«Natürlich bleiben am Schluss die Fragen ‹wieso?›
‹wieso wir?›. Letztendlich gibt es dafür wohl keine Antwort. Und es hätte schliesslich auch schlimmer kommen können – zum Beispiel, wenn meine Mutter ihn
nicht gleich gefunden hätte oder wenn er schwerere
Beeinträchtigungen davongetragen hätte. In der Situation selber hatten wir Glück.»
Rebekka B. hat wegen der Aphasie ihres Vaters eine Maturarbeit zum
Thema verfasst.
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Aphasie
Mit dem Begriff Aphasie bezeichnet man
Sprachstörungen, die häufig auf eine
Hirnverletzung zurückgehen. Bei einer
globalen Aphasie sind die aktiven und die
einer Broca-Aphasie fällt den Betroffenen
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vor allem das Sprechen schwer, während
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passiven Sprachfähigkeiten gestört. Bei
bei der amnestischen Aphasie in erster
Linie die Wortfindung gestört ist und es zu
Senden Sie mir ihre Gratisinformationen
Verwechslungen kommt. Eine Wernicke-
Name
Aphasie ist eine schwere Verständnisstö-
Vorname
rung, wobei Betroffene nicht kontrollieren
Strasse
können, was sie sagen, und nicht
PLZ/Ort
verstehen, was sie sprechen.
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MAGAZIN – JOURNAL 03 / 2014
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13
14.02.13 16:07
Fach-Chat zum Thema
Belastbarkeit
Gestresst, überfordert, müde – wie gehe ich damit um? Die Neuropsychologin Christina Ochsner-Grimm beantwortet vom 27. bis 31. Oktober
2014 im Online-Forum Ihre Fragen im Fach-Chat.
Text: Annette Ryser
Nach einer Hirnverletzung braucht es mehr Energie, um den
Alltag zu bewältigen. Insbesondere die unsichtbaren Behinderungen wie fehlende Aufmerksamkeit oder ein schlechteres Gedächtnis schränken die Leistungsfähigkeit ein. In
unserer schnelllebigen Gesellschaft neigen Betroffene und
ihr Umfeld jedoch dazu, ihre Belastbarkeit zu überschätzen –
die Folgen sind Stress, Müdigkeit und Überlastung.
Sie wird sich von Montag, 27. Oktober, bis Freitag, 31. Oktober,
regelmässig im Forum einloggen und laufend alle eingegangenen Fragen beantworten. Seien Sie dabei und nutzen
Sie die Gelegenheit, sich den Rat der Expertin zu holen.
Von Montag, 27. Oktober, bis Freitag, 31. Oktober 2014, im Online-Forum
von FRAGILE Suisse: www.fragile.ch/forum_de
Eine Neuropsychologin gibt Antworten
Wie erkenne ich meine eigenen Grenzen und wie lerne ich,
sie zu verteidigen? Wie viel Stress ist normal? Wie kann ich
mich erholen und wo finde ich Unterstützung? Im FachChat im Forum von FRAGILE Suisse beantwortet die Neuropsychologin Christina Ochsner-Grimm alle Ihre Fragen
zum Thema.
Neuropsychologin
Christina Ochsner-Grimm
Zwei Betroffene an der Mister-Handicap-Wahl 2014
Bonifaz Kühne und Patric Husistein
treten am 25. Oktober 2014 zur Wahl des
«Mister Handicap 2014» an. Trotz ihrer
Hirnverletzungen lassen sie sich nicht
davon abhalten, ihre Ziele und Träume
zu verwirklichen.
Bonifaz Kühne
Patric Husistein
chen, dass diese in der Gesellschaft eine
höhere Akzeptanz erfahren.
Patric Husistein, 37 Jahre
Mit 14 Jahren brach Patric Husistein
plötzlich zusammen. Im Spital folgte die
Diagnose: Hirnschlag. Seither ist er auf
der rechten Seite gelähmt und hat eine
Bonifaz Kühne, 24 Jahre
Bonifaz Kühne aus Vasön, SG, erlitt im Sprachfindungsstörung. Trotz dieser BeAlter von zweieinhalb Jahren ein schweres einträchtigungen schliesst er eine AusSchädel-Hirn-Trauma. Niemand glaubte bildung ab, heiratet und wird Vater von
damals daran, dass er jemals ein norma- drei Kindern. In seiner Freizeit widmet er
les Leben würde führen können – doch sich seiner Leidenschaft für die japaniBonifaz gab nicht auf. Er besuchte die sche Kampfkunst Jinenkan Jissen Kobudo.
Schule, beendete erfolgreich eine Lehre Beruflich ist er als EDV-Mitarbeiter im
und arbeitet nun seit mehreren Jahren WBZ (Wohn- und Bürozentrum für Körals Hauswart in der Rehabilitationsklinik perbehinderte) tätig.
in Valens. Bonifaz ist begeisterter MusiPatric Husistein will als Mister Handiker. In der Freizeit engagiert er sich aktiv cap anderen Menschen mit Behinderung
im Männerchor Valens und komponiert Mut machen, dass man auch mit Beeineigene Lieder, mit denen er mit Keyboard trächtigungen etwas erreichen und ein
live auftritt.
schönes Leben führen kann.
kec
Als Mister Handicap will Bonifaz sich
für die Gleichstellung von Menschen mit FRAGILE Suisse unterstützt die beiden
einer Behinderung einsetzten und errei- Kandidaten und wünscht viel Glück!
Une « boîte à outils » pleine
d’idées
FRAGILE Suisse a créé une boîte à outils pour réunir des idées, des
exercices et des jeux destinés à l’animation des groupes d’entraide et de
parole. Les utilisatrices et les utilisateurs peuvent continuellement étoffer
cette collection sur Internet.
Texte : Pascal Häderli, photo : Dominique Marty
La réunion d’un groupe de parole ne doit pas toujours se
dérouler selon le même modèle. FRAGILE Suisse rassemble des idées pour apporter un peu de variété aux
rencontres des groupes. Ces idées sont rangées dans la
« Boîte à outils pour les groupes de parole», disponible
dès à présent sur le site Internet de FRAGILE Suisse.
« Nous répondons ainsi à un besoin des animatrices
et des animateurs de nos groupes d’entraide », constate
Dorothee Rübel. Responsable des prestations auprès
de FRAGILE Suisse, elle est l’auteur de ce projet. Son
but : réunir des jeux, des méthodes et des exercices que
les animateurs peuvent utiliser dans les groupes (voir
exemple ci-dessous).
Enrichir la bourse aux idées
« Les idées sont utiles dans des situations très différentes », explique Dorothee Rübel. Certaines aident à
faire connaissance, d’autres à régler les conflits. Souvent, elles permettent aux participants de se détendre
et de faire une pause. « Les exercices et les jeux favorisent la discussion et ouvrent de nouvelles perspectives. » De plus, peu de matériel est nécessaire. « La
plupart des idées sont réalisables avec des moyens très
simples ou même sans accessoire du tout », explique
la responsable du projet.
Il s’agit d’un projet interactif : quelques jeux sont
déjà disponibles sur Internet et, peu à peu, d’autres
viendront remplir la boîte à outils. « Les utilisatrices et
les utilisateurs sont invités à faire part de leurs idées »,
déclare Dorothee Rübel. Pour leur faciliter la tâche,
Pensée positive
La boîte à outils de FRAGILE Suisse offre des idées, des jeux et des exercices
pour animer les groupes de parole.
FRAGILE Suisse a installé, sur son site, un formulaire en
ligne. L’équipe de projet contrôle les idées proposées et
les télécharge sous la forme d’un document PDF. Chacun peut utiliser cette bourse aux idées et contribuer
activement à l’étoffer.
Boîte à outils pour les groupes de parole :
www.fragile.ch/boite-a-outils
Jeu de la machine
Feedback par les mains
Lors de groupes de parole, il y a parfois
Un jeu de mimes, de sons et de mouve-
Faire un bilan d’une séance de manière
des personnes qui ont « la langue bien
ments pour détendre l’atmosphère et
structurée n’est pas toujours évident. Avec
pendue » et qui trouvent toujours quelque
diminuer le stress. Créatif et amusant, cet
ce jeu, la prise de congé est simplifiée
chose à redire. Dans ce jeu, seul le positif
exercice offre à tous les participants un
puisqu’il suffit de compléter les 5 phrases
compte. Ainsi, chaque participant doit
petit théâtre divertissant. Tour à tour,
inscrites sur un tableau visible de tous – le
écrire quelque chose de positif sur les
chacun entre en contact avec une grande
schéma d’une grande main. Chacun
personnes présentes.
machine, folle et insensée.
donne son feedback à tour de rôle.
MAGAZIN – JOURNAL 03 / 2014
15
Son vœu le plus cher : garder
son autonomie et vivre chez elle
Elle menait une vie active et savait ce qu’elle voulait – d’un jour à l’autre,
tout a changé. En juillet 2008, Gertrud K. est victime d’une hémorragie
cérébrale. Grâce à FRAGILE Suisse, elle a pu continuer à vivre chez elle.
Texte : Carole Bolliger, photo : Reto Schlatter
Ancienne hôtesse de l’air, Gertrud K. a voyagé dans le
monde entier. Les nombreuses photos et les objets qui
ornent son appartement situé au nord de Zurich en
témoignent. Gertrud K. veut nous dire quelque chose,
mais ne parvient à prononcer que quelques mots indistincts. Seule Barbara Ocusono la comprend. « J’ai des
années d’expérience », explique-t-elle. Depuis six ans,
Barbara Ocusono, collaboratrice du service d’Accompa-
gnement à domicile de FRAGILE Suisse, s’occupe de
Gertrud K. En juillet 2008, celle-ci est victime d’une
hémorragie cérébrale qui bouleverse sa vie. Elle ne se
souvient pas de ce qui s’est passé. Elle ne sait qu’une
chose : « Avant, pas comme ça ! Avant, pas comme ça ! »,
répète-t-elle en s’énervant et en haussant la voix.
Barbara Ocusono tente de l’apaiser en lui caressant
doucement le bras. L’hémorragie cérébrale a provoqué
Hôtesse de l’air, Gertrud K. a voyagé
dans le monde entier jusqu’à
son hémorragie cérébrale en 2008.
16
MAGAZIN – JOURNAL 03 / 2014
une aphasie, une perte de la parole. Elle sait ce qu’elle
veut dire, mais elle ne peut pas l’exprimer.
Avec de la patience et de l’empathie
Assise sur sa chaise, Gertrud K. semble avoir oublié
pour un instant le monde qui l’entoure. Jusqu’à ce que
le déclic de l’appareil photo la ramène à la réalité. Elle
sourit au photographe et flirte avec lui. Elle ne s’est
jamais mariée et n’a pas d’enfants. « J’ai connu beaucoup d’hommes », raconte-t-elle, toute fière. Et d’ajouter : « Mais seulement un à la fois ». Malgré ses difficultés d’élocution, elle prend un ton résolu, impérieux,
pour demander à son accompagnatrice d’essuyer les
gouttes d’eau qu’elle vient de laisser tomber en arrosant ses plantes. Barbara Ocusono reconnaît qu’il n’est
pas toujours facile de réagir de manière adéquate.
Pourtant, comme si de rien n’était, elle explique patiemment et gentiment à Gertrud K. qu’elle peut aussi
éponger l’eau elle-même. Elle lui donne un chiffon, et,
sans la contredire, Gertrud K. s’acquitte de la tâche avec
un sourire conciliant.
accompagnement à domicile. Depuis, Barbara Ocusono
rend visite à Gertrud K. chaque semaine. Elle l’aide au
quotidien dans les activités ménagères, fait une promenade ou un puzzle avec elle. « Ma tâche est d’être
tout simplement là pour elle, de lui tenir compagnie et
de faire ce qu’il y a à faire, si possible avec elle », explique Barbara Ocusono.
Un soutien inestimable pour Gertrud K.
Cependant, au début, il ne suffisait pas que l’accompagnatrice passe une fois par semaine. Elle a alors fait
appel à une aide, présente 24 heures sur 24. Cette solution n’a pas duré longtemps, et elle en a cherché une
autre. C’est surtout Barbara Ocusono qui est intervenue
pour que Gertrud K. ne soit pas contrainte d’aller en
EMS. Une assistante de FRAGILE Suisse ou d’une autre
institution est venue tous les après-midis. L’état de
Gertrud K. s’est rapidement amélioré. L’équipe d’accompagnement – qui comprend deux accompagnatrices
fixes et un accompagnateur à la demande, le curateur,
le médecin de famille et le Service d’aide et de soins à
domicile – communique de manière permanente.
« C’est très important et très utile pour tous les acteurs,
« Sans l’Accompagnement à domicile,
et surtout, c’est un soutien inestimable pour Gertrud K. », déclare Barbara Ocusono.
je n’irais pas aussi bien aujourd’hui. »
Bientôt, il a pourtant fallu espacer les visites des
accompagnatrices. Seules trois visites par semaine ont
Gertrud K.
été accordées, et encore aujourd’hui c’est à ce rythme
qu’a lieu l’accompagnement. Malgré tout, « sans l’AcAprès son hémorragie cérébrale, Gertrud K. a passé compagnement à domicile de FRAGILE Suisse et l’engaquelques semaines à l’hôpital et en clinique de réa- gement de toute l’équipe, elle n’irait pas aussi bien
daptation. Contre toute attente, son état s’est rapide- aujourd’hui », affirme Barbara Ocusono, et, sans hésiter,
ment amélioré. L’hémiplégie frappant la partie droite Gertrud K. acquiesce énergiquement de la tête avec un
de son corps a régressé, sauf au niveau de la main, sourire approbateur.
dont Gertrud K. ne peut pratiquement plus se servir.
Avant, elle adorait peindre. Les nombreux tableaux
suspendus dans l’appartement témoignent de cette
époque. Aujourd’hui, elle ne peut plus tenir le pinceau.
L’Accompagnement à domicile
Pourtant, elle ne se sent pas triste, elle a accepté les
de FRAGILE Suisse
conséquences de sa lésion cérébrale. « J’ai déjà vécu
tant de choses, j’ai tout vécu », constate cette femme
Chez soi plutôt que dans un EMS : grâce à
l’Accompagnement à domicile, les
âgée de 68 ans. Bien qu’elle soit Suissesse, depuis son
personnes cérébro-lésées peuvent vivre
hémorragie cérébrale, elle parle l’allemand et non plus
chez elles et rester autonomes. Des
le dialecte alémanique. On ne sait pas pourquoi. Avant,
professionnels accompagnent les
Gertrud K. s’intéressait beaucoup à la vie spirituelle, sa
personnes concernées et les proches. Ils
bibliothèque regorge d’ouvrages sur ce sujet et de
interviennent là où leur aide est néceslivres de méditation. Barbara Ocusono est convaincue
saire : organisation de la vie quotidienne,
que son attrait pour la spiritualité l’aide à mieux s’acactivités ménagères, questions financières,
commoder de son destin. Gertrud K. semble en harmotâches administratives, recherche de
nie avec elle-même et avec le monde.
structures de jour. Leur appui se prolonge
Grâce à FRAGILE Suisse, elle vit encore chez elle
C’est grâce à FRAGILE Suisse que Gertrud K. peut encore
vivre chez elle, dans son propre appartement. Après
son hémorragie cérébrale, son vœu le plus cher était
de retrouver ses « quatre murs ». Elle s’était acheté ce
logement quelques mois auparavant. Son curateur a
fait appel à FRAGILE Suisse pour qu’elle bénéficie d’un
aussi longtemps qu’il existe un besoin
établi. L’accompagnement est individuel ;
son but est de développer l’autonomie et
la responsabilité des intéressés, tout en
les aidant à conserver la joie de vivre.
www.fragile.ch/accompagnement-a-domicile
MAGAZIN – JOURNAL 03 / 2014
17
Comment je me suis échappé
de « Happy Island »
« Je voudrais dénicher un nouvel emploi, sans l’aide ni l’intervention
d’une organisation ou d’un service social quelconque. » C’est le défi que
Samuel Schiegg s’est lancé lors de la journée de l’association des parents
d’enfants cérébro-lésés.
Texte : Samuel Schiegg
Jusqu’en décembre 2013, j’ai travaillé à la Fondation
Wagerenhof, un home pour personnes handicapées
mentales ou handicapées multiples. Il se trouve à Uster
dans le canton de Zurich. Comme j’ai moi-même un
handicap (physique) et qu’une fondation pour personnes handicapées m’employait, j’ai souvent été victime de malentendus. Malgré le travail que je fournissais, beaucoup de gens pensaient que je ne travaillais
pas « vraiment », mais que je participais seulement à
Nouvelle vie – jeunes, cérébrolésés et indépendants
L’événement « Nouvelle vie – jeunes,
cérébro-lésés et indépendants » aura lieu
le 18 octobre 2014 à Berne. Organisé par
FRAGILE Suisse pour et avec les jeunes
cérébro-lésés, il rassemblera des personnes concernées, leurs proches et des
professionnels. Animée par Röbi Koller, la
rencontre offrira la possibilité d’échanger
sur différents thèmes.
Le programme a été composé en étroite
collaboration avec de jeunes cérébro-lésés
dans le cadre d’un groupe de travail. Lors
de la manifestation, ces jeunes témoigneront du jour où leur vie a basculé et de la
façon dont ils ont surmonté cette épreuve.
Dialoguant avec des proches et des
professionnels, ils mettront en lumière les
difficultés qu’ils rencontrent, les moyens
qu’ils ont trouvés pour y faire face, le
soutien qu’ils souhaitent et les espoirs
qu’ils nourrissent.
Une exposition d’art réunira les œuvres de
jeunes artistes cérébro-lésés. Dans le
prochain magazine de FRAGILE Suisse, de
jeunes reporters cérébro-lésés vous
livreront leurs souvenirs de cette journée.
18
MAGAZIN – JOURNAL 03 / 2014
un programme d’occupation. Bien que j’aie terminé
avec succès une formation commerciale, j’avais beaucoup de difficultés à trouver un autre emploi.
Pour mieux me faire comprendre, je vais illustrer ma
situation par une image. A l’époque, j’étais sur une île –
appelons-la « Happy Island ». Chaque journée commençait et finissait de la même manière. Tout était
organisé, le rendement était secondaire et les collègues
étaient contents que je sois là, tout simplement. Sur
cette île, on me témoignait de l’estime, on appréciait
mon travail. Mais dès que je quittais les lieux, je veux
dire mon île, tout ça ne comptait plus. Je n’étais plus
qu’un handicapé qui gagne sa vie dans une fondation.
Je voulais changer de travail, mais je n’arrivais plus
à écrire de lettres de candidature. J’avais essayé pendant un an, un an et demi, en me donnant parfois
beaucoup de peine et parfois moins. Peu à peu, j’avais
compris. Si, grâce à des relations, j’étais invité à un
entretien d’embauche, je parviendrais à convaincre
mon interlocuteur de mes qualités personnelles et
professionnelles. Mais emprunter la voie « normale »
(sans relations) pour obtenir un rendez-vous, c’est très
difficile, voire impossible. Si un employeur reçoit 50
candidatures pour un poste, que je figure parmi les
meilleurs (grâce à mes certificats élogieux), c’est, disons-le franchement, déjà un succès – mais un succès
inutile. Car même si je suis parmi les dix meilleurs
candidats, je n’ai encore pas la place. Le supérieur choisira la solution la moins compliquée et posera mon
dossier sur la pile des refus.
Pour trouver un emploi, le SVA (Service des assurances sociales du canton de Zurich) n’est pas vraiment
le partenaire idéal. Ce service place ses clients seulement sur des îles comme la mienne ou encore dans
des entreprises qui ont un quota. Et moi, je ne voulais
pas faire partie du quota ! Il y a des compagnies qui
obtiennent des indemnités lorsqu’elles engagent une
personne handicapée. Certes, on n’est pas sur une île,
mais on a la même impression. Même si tes collègues
ne te le disent pas directement, ils l’expriment quand
tu ne l’entends pas ou ils le pensent, et te voilà catalogué : « Happy Island – version light ».
L’automne dernier, lorsque j’ai obtenu un entretien
auprès d’une radio grâce une ancienne collègue, j’ai
flippé. J’ai décidé de donner mon congé pour la fin de
l’année, avant même de me présenter pour cette nouvelle place. Et je ne le regrette pas. J’ai profité au maximum de la seule chance qui m’était offerte. Heureusement, j’ai été sélectionné pour un deuxième entretien.
Après le quatrième entretien et deux jours d’essai, j’ai
reçu une réponse positive. J’avais tout misé sur le
même cheval et n’avais aucune solution de rechange !
Que serait-il arrivé si je n’avais pas réussi ? Je crois
qu’un beau jour, quelque part, quelqu’un aurait connu
quelqu’un d’autre et m’aurait déniché un emploi.
J’ai quitté « Happy Island », je suis sur le marché
normal du travail. Seule la performance compte, on ne
me traite pas avec des gants, et les journées sont très
variées. Tout est plus incertain, mais aussi plus passionnant. Je sais maintenant que je supporte cette
pression « naturelle » et je ne voudrais plus retourner
en arrière.
Publié avec l’aimable autorisation de hiki, association d’aide aux
enfants traumatisés cranio-cérébraux.
Samuel Schiegg, 25 ans, a trouvé un emploi dans une radio.
Cerveau en bref
Conférence de Pro Infirmis
Cette conférence intitulée « De l’être
humain réparé à l’être humain augmenté :
Accident vasculaire cérébral
Première cause d’handicap chez
l’adulte
Ciao Berto
Le frère de Doriana Baldassari a subi un
grave traumatisme crânien. Elle lui dédie
quels impacts sur l’individu et la
Ce livre est une compilation d’articles de
un recueil de poèmes en italien, « Ciao
société ? » aura lieu le 26 novembre 2014
l’encyclopédie libre Wikipédia.
Berto », où elle offre un aperçu de sa vie
dès 09h00 à Lausanne au SwissTech
Un accident vasculaire cérébral (AVC) est
depuis son accident. Entre les lignes se
Convention Center – EPFL. Elle propose
une défaillance de la circulation sanguine
lisent la tristesse, le sentiment d’un avenir
une réflexion accessible à tous, enrichie
dans une région spécifique du cerveau. Il
perdu, mais aussi une lueur d’espoir.
par les témoignages de personnes en
est dû à une obstruction ou à la rupture
L’auteur évoque ainsi le groupe de parole
situation de handicap. Elle sera suivie
d’un vaisseau sanguin et provoque la mort
de FRAGILE Tessin, où son frère a trouvé
d’une table ronde.
des cellules nerveuses. Paralysie du visage,
solidarité et compréhension.
Pour plus d’information :
www.info-handicap.ch/conferencedu-26-novembre-2014
du bras, de la jambe, sensation d’engourdissement, troubles de l’équilibre, perte de
la vision, difficultés d’élocution sont autant
de signaux d’alerte d’un AVC.
« Accident vasculaire cérébral » de
Kristelle M. Deschamps (2011)
« Ciao Berto », en italien,
de Doriana Baldassari (2013),
Edizioni DEL FARO
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MAGAZIN – JOURNAL 03 / 2014
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Mon mari a mal à la tête. Que
puis-je faire pour l’aider ?
Souvent, les cérébro-lésés se plaignent de maux de tête. Handicapant
leur quotidien, ces douleurs contribuent à créer des tensions et provoquent l’incompréhension de leurs proches. La Helpline de FRAGILE
Suisse aide et conseille les personnes concernées.
Texte : Isabelle Gay-Crosier
iStockphoto
Au printemps 2014, la semaine qui précède le marathon de Paris, Olivier* éprouve des douleurs aux dents
et à la mâchoire. Il consulte son dentiste qui le rassure :
tout est normal. Olivier revient de sa course fatigué
mais, à 40 ans, il est en forme. Le lendemain, alors qu’il
téléphone à un ami, sa femme s’aperçoit de difficultés
d’élocution. Elle le conduit aux urgences. Il fait un accident ischémique transitoire (AIT). C’est l’angoisse, le
stress, les questions. Le repos, d’abord à l’hôpital puis
à la maison. Et le retour au travail, quelques semaines
après l’accident. C’est alors que débutent les maux de
tête. Ils sont violents et fréquents et ne s’atténuent pas.
Parfois, ils durent des jours entiers. Le moral d’Olivier
est au plus bas. Le pessimisme le gagne. Les médecins
ne lui avaient jamais parlé de ces possibles séquelles.
Pour comprendre et trouver des références, il surfe sur
Internet. Savoir que des gens souffrent de céphalées
six mois, voire une année après une attaque, le panique. Sa femme Jeanne*, ne sachant pas comment
l’aider et le soulager, appelle la Helpline de FRAGILE
Suisse.
Les réponses de FRAGILE Suisse
« Chacun doit essayer de trouver sa solution, il n’y a
malheureusement pas de baguette magique ni de
produits miracles pour les maux de tête » répond
Christine Jayet-Ryser, conseillère de la Helpline de
FRAGILE Suisse. Certaines personnes doivent se coucher, d’autres trouvent du réconfort au calme, en faisant de la relaxation, en jardinant ou en écoutant de la
musique. Marcher dans la nature peut être une source
de bien-être et atténuer les migraines.
« Il n’y a malheureusement pas
de baguette magique ni de produits
miracles. »
Christine Jayet-Ryser, conseillère de la Helpline
Les maux de tête sont imprévisibles, invisibles pour les
proches. Ce qui provoque des altercations avec l’entourage et pose des soucis au quotidien. Aller au restaurant, participer à la vie de famille et conserver une vie
sociale peut s’avérer difficile et rendre les sorties quasi
Violents et fréquents, les maux de tête peuvent durer des jours entiers.
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MAGAZIN – JOURNAL 03 / 2014
impossibles. Chez les cérébro-lésés, les maux sont
déclenchés par une pression subite et très forte dans
la tête. « Ils peuvent se propager jusqu’à faire se retourner l’estomac. Les patients n’arrivent ni à penser ni à
réfléchir » ajoute Christine Jayet-Ryser.
« Les proches doivent être compréhensifs.
Attention toutefois à ne pas vous épuiser. »
Jayet-Ryser précise : « Hier, il arrivait à faire cela, aujourd’hui il n’y arrive plus. C’est indépendant de sa
volonté. Il ne fait pas exprès. » Elle suggère aux proches
de lâcher prise et de garder à l’esprit qu’il y arrivera
certainement demain. Et de conclure : « On a tous nos
jours avec et nos jours sans. C’est encore plus vrai pour
les cérébro-lésés ».
* Prénom fictif
Christine Jayet-Ryser
La conseillère suggère à Jeanne d’encourager son mari
à se reposer, de lui offrir des espaces de calme et de ne
pas trop le solliciter. Elle lui demande d’être compréhensive. D’imaginer que lorsque la tête de son compagnon s’emballe, il souffre énormément. Ce que Jeanne
entreprend. Elle le décharge des courses, s’occupe du
ménage, gère les enfants, la vie familiale et l’école.
« Attention toutefois à ne pas vous épuiser » lui rappelle
Christine Jayet-Ryser de FRAGILE Suisse. « Respirez,
accordez-vous du temps. Pour surmonter ses difficultés, votre mari a besoin d’une femme en pleine forme
à ses côtés. »
Consulter un neurologue
Si les maux persistent, Christine Jayet-Ryser recommande dans un premier temps de faire le point chez
un neurologue. Pour se rassurer et pour être certain
que les céphalées sont des séquelles normales du
traumatisme. Il trouvera peut-être aussi des médicaments spécifiques. Dans un deuxième temps, la
conseillère suggère d’identifier les sources extérieures
susceptibles de diminuer les migraines ou de les augmenter.
Un journal pour vos maux
de tête ?
Tenir un journal des migraines aide à
suivre les douleurs liées aux céphalées,
à décrire les symptômes, le handicap
généré et à identifier les déclencheurs.
Il permet d’analyser les maux et de juger
de l’efficacité du traitement. C’est un
excellent outil pour fournir des informations
précises et détaillées à son médecin.
Quelques applications mobiles utiles :
www.fragile.ch/applications
Helpline
La Helpline de FRAGILE Suisse propose
un soutien et un accompagnement
spécialisés. Service gratuit et sur mesure,
elle conseille, informe et oriente les
personnes cérébro-lésées, leurs proches
Déceler les facteurs qui déclenchent les migraines
Chaque jour est différent et les douleurs peuvent surgir
sans prévenir. Il faut observer les limites de son corps
et savoir s’arrêter avant qu’il ne soit trop tard. Christine
et les professionnels.
0800 256 256
www.fragile.ch/helpline_fr
MAGAZIN – JOURNAL 03 / 2014
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Etudier malgré une lésion
cérébrale
Les personnes cérébro-lésées qui font des études supérieures se
heurtent à de nombreux obstacles. La « compensation des désavantages » est censée les réduire. Ingrid Beder* a réussi il y a peu à franchir
une barrière à l’aide de « Égalité Handicap ».
Texte : Dominique Marty
Un accident de voiture en 1995 a changé pour toujours
la vie d’Ingrid Beder*: elle a subi un traumatisme craniocérébral qui l’a rendue inapte au travail à 100 %. L’accident a eu lieu il y a plus de 20 ans et, depuis, elle souffre
encore des conséquences du traumatisme cranio-cérébral qui la handicape fortement dans son quotidien. Elle
ne peut plus se concentrer longtemps, elle se fatigue
très vite et ses performances sont réduites.
Jusqu’à son accident, Ingrid Beder avait étudié la
géographie, études qu’elle a reprises quelque temps
après. En raison de son handicap, elle a demandé à
l’université une compensation des désavantages (voir
encadré). Elle a pu passer certains examens oralement
plutôt que par écrit, car sa capacité à se concentrer limitée ne lui permettait pas de supporter un examen
de plusieurs heures. En outre, elle a demandé à l’université d’avoir plus de temps pour son travail de di-
plôme car, se fatigant rapidement, elle ne pouvait pas
y travailler sur de longues périodes.
Evaluation par l’université
L’université n’a toutefois pas porté beaucoup d’attention
à sa demande. Sa réponse arguait que les autres étudiants sont également confrontés à des problèmes de
concentration et que la rapidité de travail est une question très personnelle. Ingrid Beder s’est alors tournée
vers FRAGILE Suisse pour obtenir de l’aide. L’organisation
a transmis le cas au Centre Égalité Handicap qui s’investit dans l’égalité des droits des personnes handicapées.
« Les conditions du droit à la compensation des désavantages étaient clairement
remplies en faveur d’Ingrid Beder. »
Iris Glockengiesser, juriste Égalité Handicap
Égalité Handicap
Depuis 2004, le Centre Égalité Handicap a
le mandat de renforcer l’égalité, de
soutenir la mise en œuvre du droit à
l’égalité pour les handicapés par le conseil
aux personnes concernées, institutions,
autorités, organisations et sociétés, de
pratiquer le lobbying, d’observer et de
documenter l’évolution dans le domaine
de l’égalité. Le Centre Égalité Handicap
offre du soutien, du conseil juridique et
des informations sur la question de
l’égalité pour les personnes avec handicap.
A partir de 2015, le Centre Égalité Handicap
fera partie d’Integration Handicap,
l’organisation faîtière nouvellement
fondée dans le domaine de l’intégration
Iris Glockengiesser, juriste du Centre, a adressé à l’université une prise de position. « Les conditions du droit
à la compensation des désavantages étaient clairement
remplies en faveur d’Ingrid Beder », affirme-t-elle. « Le
handicap doit être considéré comme la conséquence
d’un traumatisme cranio-cérébral. Il est, selon une
expertise médicale, durable et on ne peut pas s’attendre à une amélioration » ajoute-t-elle.
« Je constate, concernant les personnes cérébrolésées, que les services de l’université disposent de peu
de connaissances sur ces formes de handicap », dit Iris
Glockengiesser. « La plupart du temps, nous devons
d’abord transmettre des connaissances et lever des incertitudes. Pour prendre en compte la crainte des universités de favoriser des personnes par le biais de la
compensation des désavantages, il nous faut faire un
grand travail d’information. »
des handicapés.
www.egalite-handicap.ch
www.integrationhandicap.ch
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MAGAZIN – JOURNAL 03 / 2014
Ne pas attendre de passer l’examen
« Il est essentiel que l’université reconnaisse que Madame Beder a un handicap au sens du droit suisse à
« Je constate que les services de
l’université disposent de peu
de connaissances sur les cérébro-lésés. »
iStockphoto
l’égalité pour les handicapés », dit Iris Glockengiesser. En
Suisse, la notion de handicap s’appuie sur la prohibition
de la discrimination qui est inscrite dans la Constitution.
Une personne est considérée comme handicapée
lorsque son handicap a une incidence sur sa participation autonome à la vie de la société. La formation et le
perfectionnement en font partie. C’est la raison pour
laquelle les cérébro-lésés ont droit à une compensation
des désavantages en matière de formation.
Confrontés à des problèmes de concentration, les cérébro-lésés ne peuvent
pas travailler sur de longues périodes.
Iris Glockengiesser, juriste Égalité Handicap
Dans le cas d’Ingrid Beder, l’université a fait marche
arrière pour cette année ; elle garantit à l’étudiante plus
de temps pour le travail de diplôme et elle peut passer
un examen oral au lieu d’écrit. « En ce qui concerne la
compensation des désavantages, il est déterminant
que les exigences principales de l’examen soient remplies », explique Iris Glockengiesser. « Dans les études
de géographie par exemple, il s’agit de matières où le
changement d’un module d’écrit à oral est envisageable. » Ça devient plus compliqué lorsqu’il faut examiner des compétences clés par une forme d’examen
déterminée. En l’occurrence, dans les études juridiques,
l’aptitude à l’expression écrite fait partie des compétences que les étudiants doivent posséder ; dans ce
type de cas, il serait difficilement pensable que tous les
examens écrits soient commués en examens oraux.
Elle recommande à tous les concernés d’aborder
suffisamment tôt la question et de faire impérativement les demandes avant les examens. Si l’examen a
eu lieu, il n’y a pratiquement plus de possibilités de
faire valoir des droits.
* Nom d’emprunt
Egalité pour les handicapés et
compensation des désavantages
Dans le domaine de la formation, le droit
suisse prévoit la compensation des
désavantages. Plus de temps pour les
examens, recours à certaines aides,
examen oral au lieu d’écrit ou examen écrit
au lieu d’oral sont des éléments classiques
de la compensation des désavantages. Les
personnes concernées qui veulent faire
valoir un droit à la compensation des
désavantages doivent prouver qu’elles sont
handicapées au sens du droit suisse sur
l’égalité pour les handicapés. Elles doivent
en outre joindre un certificat médical
attestant que leur désavantage est un
handicap dans leurs études. De plus, les
exigences principales des examens doivent
également être remplies par les éléments
de la compensation des désavantages.
www.hautesecolessansobstacles.ch
MAGAZIN – JOURNAL 03 / 2014
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