RÄUMER
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RÄUMER
[interview] FREESTYLE-KÖNIG ANTTI AUTTI DER Foto Location 70 SNOW Ryan Hughes Mammoth, Kalifornien AB RÄUMER Antti Autti kommt aus Finnland. Er ist zurückhaltend, redet nicht viel, fährt dafür aber umso besser und besessener Snowboard. Letzten Winter hat der 20-jährige Lappe Titel eingefahren, was das Zeug hielt. Und zum Auftakt der Olympia-Saison hat er das Ticket nach Turin schon sicher. Interview Stephanie Kranz Antti-Matias Antero Autti, der Freestyle-Überflieger 2005, kommt aus Rovaniemi, Lappland, und ist somit ein direkter Nachbar von Santa Klaus. Aber im Gegensatz zu seinem weißbärtigen Landsmann, der mit dem Rentierschlitten durch den Schnee heizt und bunte Geschenke verteilt, schnallt sich der schweigsame 20-Jährige lieber sein geliebtes Snowboard unter die Füße und beschenkt sich selbst. Zuletzt bei der FIS-Weltmeisterschaft in Whistler 2005 mit den WM-Titeln in Halfpipe und Big Air. Oder mit dem Sieg in der Superpipe bei den von US-Fahrern dominierten X-Games in Aspen 2005. Da verwies er mit einem Back to Back 1080 und zwei 900s und 720s Snowboard-Helden wie Andy Finch, Shaun White und Terje Haakonsen auf die Plätze. Er landete jeweils auf Platz zwei beim Nippon Open in der Superpipe 2005, bei den Gravity Games 2005 im Slopestyle und bei den US-Open 2005 in der Superpipe. Antti Autti hatte bereits vier Weltcup-Siege und einen zweiten Platz im Weltcup eingefahren bevor er die Saison 2005/06 mit einem vierten Platz beim freestyle.ch einläutete. Erst vor kurzem, beim FIS Halfpipe Weltcup in Chile,stand Antti dann wieder mal als oberster auf dem Siegertreppchen und erreichte beim FIS Weltcup in Saas Fee den zweiten Platz in der Pipe. Damit führt der junge Finne den Weltcup überlegen an und ist für die Olympischen Spiele in Turin 2006 qualifiziert. Antti, du hast es letzte Saison richtig krachen lassen und u. a. zwei Weltmeistertitel und einen ersten Platz bei den X-Games eingefahren. Erzähl mal, wie war das? Beides war natürlich supercool. Sowohl bei den Weltmeisterschaften in Whistler als auch bei den X-Games waren die Bedingungen mehr als bescheiden, es hat geregnet wie verrückt und war ziemlich neblig. Man kann sich vorstellen, dass ich erst mal überhaupt keinen Bock hatte, überhaupt auf den Berg zu gehen, geschweige denn einen Contest zu fahren. Als ich dann aber jeweils das Finale erreicht hatte, ist bei mir so langsam durchgesickert, dass die ganze Sache ja doch noch spaßig werden könnte. Speziell der Erfolg in der Pipe hat mich total gefreut. Ich wusste nämlich gar nicht, dass ich so eine große, weiche und löchrige Pipe überhaupt so gut fahren kann. Der Sieg bei den X-Games hat mich einfach umgehauen, weil ich nie geglaubt habe, dass ich überhaupt eine Chance hätte. So einen Contest in den Staaten zu gewinnen ist einfach genial. Vor allem als Europäer. Das musste natürlich ausgiebig gefeiert werden (grinst). Hast du dich irgendwie speziell vorbereitet oder trainiert? Auf keinen Fall. Das Wort »Training« existiert im Snowboard-Sport so gut wie nicht. Snowboarden soll schließlich Spaß machen und nicht zum Zwang werden. Mal willst du irgendwas Neues ausprobieren, einen neuen Trick lernen, ein anderes Mal einfach nur auf der Piste herumcruisen. Das Training passiert praktisch während des Snowboardfahrens. Inwiefern haben deine Erfolge bei Contests dein Leben verändert? Ich hatte viel mehr Coverage in Magazinen, Zeitungen und im Fernsehen. Seither erkennen mich manche Leute. Aber ich steh' da gar nicht so drauf, mir ist das unangenehm. Bist du denn schüchtern? Ich denke, alle Finnen sind irgendwie schüchtern und zurückhaltend. Wenn mich zum Bei- »Finnen sind ja bekannt dafür, dass sie ziemlich gnadenlos trinken und feiern Antti über den Kick bei Contests können.« Foto Ryan Hughes SNOW 71 »Finnland bedeutet für mich Dunkelheit, Licht, Wärme, Kälte, Familie und Freunde, alles gleichzeitig.« Foto Location Antti über das Heimkommen vom Contest-Zirkus Ryan Hughes Mammoth, Kalifornien spiel jemand grüßt, den ich schon mal getroffen habe, grüße ich manchmal gar nicht zurück. Die Leute denken dann meistens, ich bin ein Idiot, dabei bin ich einfach nur schüchtern und möchte mich nicht blamieren. Aber je besser ich jemanden kenne, desto offener werde ich dann. Wie geht man dann als schüchterner Finne mit dem ganzen Medienrummel um? Am Anfang war es schon ziemlich hart. Wie gesagt, ich mag diesen ganzen Zirkus um meine Person nicht besonders. Vor allem nicht, wenn ich zehn Interviews hintereinander geben soll und die Fragen immer die gleichen sind. Beim Fernsehen frage ich mich manchmal, was eigentlich los ist. Die Redakteure haben oft keine Ahnung, worum es beim Snow- ANTTI AUTTI IN KÜRZE NAME Antti-Matias Antero Autti ALTER 20 HERKUNFT Rovaniemi, Finnland WOHNORT Rovaniemi, Finnland LIEBLINGSTRICK switch Backside 540 SPONSOREN Flow, Billabong, Nokia, DaKine, Von Zipper, Sweet Protection HOBBIES Filme, Trampolin, Freunde, Skaten, Chillen und boarden überhaupt geht. Da täte ein bisschen Hintergrundrecherche gut, bevor man lauter komische Fragen stellt. Aber was soll's, das Ganze gehört dazu. Es ist gut, dass sich die Medien für das Snowboarden interessieren. Wie entspannst du dich, wenn dir alles mal zuviel wird? Oder wenn du nervös bist vor einem großen Contest? Durch Musik. Musik beim Snowboarden motiviert und entspannt mich gleichzeitig. Ansonsten, wenn irgendetwas schlecht läuft oder schief geht, denke ich eine Weile darüber nach und versuche, das Positive in dieser Erfahrung zu sehen. Es gibt immer etwas Positives, da bin ich ganz sicher. Wenn es beispielsweise in einem Contest schlecht läuft, nehme ich mir vor, es im nächsten besser zu machen. Dort kann ich dann den Erfolg viel mehr genießen, weil ich weiß, wie sich Misserfolg anfühlt. Am wichtigsten ist es aber, ganz fest an sich zu glauben. Das ist der Schlüssel zum Erfolg. Zumindest für mich. Beschreibe bitte das Besondere am Contest fahren? Was ist der Kick dabei? Wenn alles entspannt abläuft, machen Contests wirklich richtig Spaß. Ich gebe in einem Contest immer mein Bestes und freue mich, wenn ich damit Erfolg habe. Und dann natürlich die ganzen Parties. Finnen sind ja bekannt dafür, dass sie ziemlich gnadenlos trinken und feiern können. Man kann sich vorstellen, was da bei uns manchmal abgeht. Ich sage nur: »BEER helps white guys dance since 1852« (grinst). Relaxen im Sommer CONTESTS 3. Platz Vans Triple Crown, Mammoth 2004 2. Platz Gesamtwertung World Cup Halfpipe, 2004 1. Platz X-Games Superpipe, Aspen 2005 1. Platz FIS Weltmeisterschaft Superpipe und Big Air, Whistler 2005 2. Platz Nippon Open Superpipe, Japan 2005 2. Platz Gravity Games Slopestyle, Copper Mt. 2005 3. Platz US Open Superpipe 2005 72 SNOW Hört sich gut an. Und was nervt? Ich finde es furchtbar, wenn das Ganze zu ernst genommen wird. Leider ist das bei FISContests manchmal der Fall. Erinnerst du dich eigentlich noch an deinen ersten Contest? Ja, das war 1999 in einem Gebiet namens Pul- linki und ich war unglaublich nervös. Während meines Runs bin ich gleich zwei Mal hingefallen und trotzdem noch Fünfter geworden. Das war cool. Und jetzt warst du sogar schon bei der Arctic Challenge dabei... Ja. Ich bin schon drei Mal zur Arctic Challenge nach Norwegen eingeladen worden, 2004 hatte ich mir allerdings das Knie verletzt und konnte leider nicht mit. Die Arctic Challenge ist einfach ein toller Contest, weil er von Ridern für Rider veranstaltet wird. Da hat man selber noch Einfluss darauf, wie das Ganze abläuft. Es ist eine ganz eigene Erfahrung. Man geht snowboarden, fischen, surfen und feiern. Alle deine Freunde sind da und man lässt zusammen die Saison ausklingen. Apropos Saison: Im Winter bist du ja wahrscheinlich nonstop unterwegs, oder? Ja, die letzte Saison war ziemlich heftig, weil ich so viele Contests gefahren bin und viel herumreisen musste. Reisen ist Teil des Jobs als Snowboard-Pro. Es ist Segen und Fluch zugleich. Es ist total aufregend, immer wieder irgendwo anzukommen, wo man noch nie vorher gewesen ist. Aber es ist auch anstrengend und ich freue mich dann immer wieder auf zu Hause. Du hast ja auch eine Freundin – wie hält man die Beziehung am Laufen, wenn man so viel unterwegs ist? Manchmal ist's schon ganz schön hart, das ist klar. Aber meine Freundin ist wirklich cool. Sie versteht, warum ich so viel unterwegs bin und dass ich meinen Lebenstraum verwirkliche. Dafür bin ich ihr sehr dankbar. Was vermisst du am meisten, wenn du unterwegs bist? Finnisches Essen. Rentier mit Kartoffelbrei und »Red Berries«. Köstlich! Und Finnland an sich. Finnland bedeutet für mich Dunkelheit, Licht, Wärme, Kälte, Familie und Freunde, alles »Meine Freunde sind meine Idole. Ein Leben ohne gute Freunde ist kein gutes Leben.« Antti über Vorbilder gleichzeitig. Im Winter ist es bis auf drei bis vier Stunden pro Tag immer dunkel. Im Midsommer ist es dafür meistens hell. Das ist es, was vor allem Lappland so speziell macht - wir haben sehr ausgeprägte Jahreszeiten. Was sagt deine Familie zu deiner Profi-Snowboarder-Karriere? Meine Familie hat mich immer schon unterstützt, egal bei welcher Sportart. Schließlich ist es besser, Sport zu machen, als in der Stadt herumzuhängen und vielleicht in schlechte Kreise zu geraten. Meine Familie steht voll hinter mir. Du hast dich ja schon für die Olympischen Spiele in Turin qualifiziert. Welche Erwartungen hast du an diese Veranstaltung? Ich werde natürlich versuchen, mein Bestes zu geben. Ich werde mich bemühen, ins Finale zu kommen und den Zuschauern eine gute Show zu liefern. Aber ich habe, ehrlich gesagt, noch nicht so viel darüber nachgedacht. Es wird oft Druck von außen auf mich ausgeübt, aber ich lasse das nicht so an mich herankommen. Ich werde einfach nach Turin fahren und den Event mit meinen Freunden genießen. Du bist im Freestyle-Bereich voll durchgestartet – was macht deiner Meinung nach einen guten Freestyler aus? Man braucht Kraft in den Beinen, eine gute Koordination und Körperbeherrschung. Das entwickelt sich aber, je mehr man auf dem Board steht. Je kompletter man als Snowboarder ist, desto besser fährt man, egal in welcher Disziplin. Natürlich ist es von Vorteil, seinen Körper im Sommer mit Bewegung auf den Winter vorzubereiten. Trampolin springen hilft zum Beispiel, um die Bewegungsabläufe in der Luft zu trainieren. Aber sonst ist Snowboarden ein Sport, den man am besten mit Snowboard fahren lernt. Hast du einen Lieblingstrick? Ja, den Switch Backside 5. Der Ablauf in der Luft fühlt sich einfach super an. Grabs sind cool, weil die Tricks dann noch technischer aussehen. Nach einem sauberen Grab die Landung gut hinzubekommen ist dann wirklich die Krönung. Es ist ja bekanntlich einfacher, schnellen Erfolg zu haben, als diesen Erfolg dann auch zu halten und an der Spitze zu bleiben. Wie siehst du das? Klar, es ist hart, immer wieder gut zu fahren und seine Position zu verteidigen. Man muss sich einfach immer wieder selbst motivieren und versuchen, sich weiter zu entwickeln und immer eine Stufe höher zu steigen. Aber das macht ja auch den Spaß am Snowboarden aus. Man kann immer neue Sachen lernen. Ich persönlich möchte zwar weiterhin viele Contests fahren, aber auch bald mal zum Filmen gehen und mich in diese Richtung weiterentwickeln. Gibt es Leute im Snowboardsport, die du besonders bewunderst oder respektierst? Am Anfang war Kevin Jones mein großer Held. Momentan finde ich Travis Rice einfach den Hammer. Aber es macht mir eigentlich am meisten Spaß mit meinen Kumpels von zu Hause zum Shredden zu gehen und zu sehen, welchen Spaß, die mit irgendwelchen kleinen Jumps haben. Vielleicht bin ich einfach etwas verwöhnt, was das angeht. Man muss einfach manchmal zu seinen Wurzeln zurückkehren und sich daran erinnern, welche Freude man als Kind mit den kleinen Dingen gehabt hat. Das rückt einem die Sicht der Dinge wieder zurecht. Also, um es auf den Punkt zu bringen: Meine Freunde sind meine Idole. Ein Leben ohne gute Freunde ist kein gutes Leben. Wie verdient man sich überhaupt seinen Respekt in der Szene? Man muss gut Snowboard fahren können und ein guter Kerl sein. Arschlöcher kann keiner brauchen. Und welche Rolle spielst du selber in dem ganzen Business? Snowboarden bestimmt momentan mein Leben. Ich möchte soweit wie möglich meinen Kopf von dem Bullshit freihalten, der in der Snowboard-Industrie manchmal abgeht. Ich möchte einfach Snowboard fahren und mich und mein Können so gut wie möglich weiterentwickeln. I Foto Location Ryan Hughes Mammoth, Kalifornien