Kreative in der CITY WEST - Berlin Business Location Center
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Kreative in der CITY WEST - Berlin Business Location Center
Kluge Köpfe Kreative in der CITY WEST Dieses Heft erschien auch als Beilage in der Süddeutschen Zeitung am 30. November 2013 im Großraum Berlin sowie am 3. Dezember 2013 am Flughafen Frankfurt a.M., in einer Auflage von 30.000 Stück. 2. Auflage: 1.000 Stück Copyright Inhalt und Aufbau der Publikation sind urheberrechtlich und durch andere Schutzgesetze geschützt. Die Vervielfältigung von Texten,Textteilen und Bildmaterial bedarf der vorherigen Zustimmung des Regionalmanagement CITY WEST und der Berlin Partner für Wirtschaft und Technologie GmbH. Berlin, November 2013 Kluge Köpfe Kreative in der CITY WEST Kluge Köpfe. Kreative in der CITY WEST / 03 Kreative in der City West?! Reinhard Naumann Bezirksbürgermeister von Charlottenburg-Wilmersdorf „Kreativität ist mal jung, mal „hip“ und mal auffallend. Kreatives kann auch etabliert, bodenständig und im Hintergrund entstehen. Die City West steht für diese Vielfalt.“ „Viele Kreative aus aller Welt zieht es nach Berlin, um ihre Ideen Realität werden zu lassen – oftmals in die City West. Kein Wunder, denn hier finden Old- und New-Economy erfolgreich zusammen.“ Melanie Bähr Geschäftsführerin der Berlin Partner für Wirtschaft und Technologie Cornelia Yzer Senatorin für Wirtschaft, Technologie und Forschung „Berlin ist vielfältig und bietet allen Kreativen Platz für Innovationen. Nicht zuletzt deshalb ist Berlin die deutsche Gründerhauptstadt. Hier werden Ideen in Investitionen umgesetzt. Leben und Arbeiten an einem Standort - dafür bietet die Hauptstadt das perfekte Umfeld. “ „Good taste kills creativity (P. Picasso). Echte Kreativität ist besonders wertvoll, da selten. Neue Gedanken und Entwicklungen brauchen Zeit und Mut. TempelhofSchöneberg bietet das Spannungsfeld und die Akzeptanz für solche Veränderungen.“ Angelika Schöttler Bezirksbürgermeisterin von Tempelhof-Schöneberg Editorial Irgendwie sind sie miteinander verwandt: Architektur, Design, Musik, Film und Werbung. Es sind Branchen, in denen sich die Kreativen tümmeln. Was die Teilmärkte der Kreativwirtschaft miteinander verbindet, macht der lateinische Ursprung deutlich: ‚creare‘ heißt etwas erschaffen – etwas vorher nicht Dagewesenes. Es entstehen neue Produkte, Abläufe, Kooperationen, neue Fragen werden gestellt und Lösungen entwickelt. Die Kreativwirtschaft ist ein Motor für wirtschaftliche Innovation, vor allem wenn interdisziplinär gearbeitet wird. Die andere Bedeutung von ‚creare‘ ist wählen. Wer wählt, entscheidet sich für etwas, schließt gleichzeitig aber auch aus. Auch wir mussten uns entscheiden. Elf Teilmärkte umfasst die Kreativwirtschaft, 650 Hektar die Berliner City West. Diese Publikation zählt rund 20 Seiten und bietet somit Platz für nur einen Bruchteil der kreativen Klugen Köpfe aus dem Westen der Hauptstadt: Kaum etwas prägt unser Lebensumfeld so stark wie Architektur. Neue Bauwerke, moderne Fassaden, Beleuchtungen. Für drei Büros aus der City West ist nur die beste Lösung gut genug. Gemeinsam arbeiten sie an Projekten im Ausland und haben Berührungspunkte als Nachbarn. (S. 4-5) Designen kann bedeuten, Kompromisse zu finden oder kompromisslos wegzulassen. Ein Produktdesigner sucht die Balance zwischen Form und Funktion, ein Grafikdesigner passende Positionen für wegweisende Informationen. (S. 6-7) Ob Casting oder Klassik, Kreatives will vermittelt werden. Vier Frauen managen unaufgeregt hinter den Kulissen, damit Künstlerinnen und Künstler bei ihrem Publikum ankommen. (S. 8-9) Modemarketing mal anders: Eine Österreicherin bringt selber Entworfenes bei einem Tee an die Frau. Andere geben ein Thema vor, lassen entwerfen und digital-demokratisch abstimmen. (S. 12-13) Spaß am selber ausprobieren und ihre Faszination für lange Haftendes teilen ein gelernter Werbetechniker und eine ehemalige Filmschaffende. Bei den Zielgruppen hören die Gemeinsamkeiten aber auf: Sie offeriert Praktisches für Kinder, er Individuelles für die Wände. (S. 14-15) Rundum-Kommunikation bieten zwei inhabergeführte Agenturen. Im Bülowbogen ist man auf mediale Szenografie spezialisiert, am Ernst-Reuter-Platz auf Full Service. (S. 16-17) Es geht handgemacht oder hochtechnologisch: Traditionelle Materialien in ungewöhnlichen Kontexten verarbeiten die älteste noch heute produzierende Manufaktur in Berlin, und ein Startup, das gerade ein Patent auf ein optisches Hilfsmittel aus Holz angemeldet hat. (S. 18-19) Zum Abschluss ein Anreiz: „Kreativität bedeutet, Ideen zu haben. Und die kann genauso gut ein Verwaltungsbeamter haben, das muss nicht der bildende Künstler sein. Kreativ ist jemand, der ein Problem bearbeitet und eine Lösung findet.“ (U. Welter, S. 14) Jan Berewinkel, Hedwig Dylong, Dirk Spender 04 \ Kluge Köpfe. Kreative in der CITY WEST Herausforderung angenommen! In der City West sitzen drei Architekten, die unsere Welt gestalten. Ihre Entwürfe sind völlig unterschiedlich, die Worte, die sie gebrauchen ganz ähnlich: Sie sprechen vom Wesentlichen, von Innovation und schrecklichen Styroporkisten Drei Architekten. Drei Orte in der City West. Drei Lebenswege. Wer sich schnell durch die Internetseiten der Büros von Oliver Collignon, Jürgen Mayer H. und Arup, wo Rudi Scheuermann arbeitet, klickt, kommt schnell zu dem Urteil „völlig verschieden“. Wer genauer hinsieht, kann nicht nur Vernetzungen erkennen, sondern den ähnlichen Geist erahnen, der durch die Büros der Architekten weht. Denn wo andere sich längst auf einen Kompromiss geeinigt hätten, gehen die drei weiter und suchen nach neuen Lösungen. Alle drei bringen die kreative Energie auf, innovativ zu sein. Und das auch gemeinsam. So kommen zum Beispiel Objekte heraus wie das City Light House an der Ecke Kantstraße und Joachimstaler Straße, das Oliver Collignon entworfen hat und in dem Arup sitzt – und damit auch Rudi Scheuermann. Dieser leitet die Berliner Dependance des internationalen Ingenieurbüros und ist weltweit für Fassadenplanung zuständig. Er kann das Fenster öffnen, ohne dass -20°C kalte Luft einströmt und ihn der Verkehrslärm belästigt. Collignon hat ein ökologisches Vorzeigeprojekt geschaffen, das versucht, mit den thermischen Gegebenheiten optimal umzugehen. Und nachts, wenn das Gebäude aus seiner inneren Logik heraus strahlt, wenn Architektur und LED-Lichtstreifen eine Symbiose eingehen, dann offenbart es dem Passanten die Philosophie seines Architekten: die des Reduzierten. „Ich habe immer sehr stark nach dem Wesentlichen in den Dingen gesucht“, erzählt Oliver Collignon. Was er damit meint, versteht man, wenn er von der „Space Problem“-Übung bei seinem Lehrer Arthur Takeuchi erzählt. Bei diesem, „einer Mischung aus Mies van der Rohe und Zen-Meister“, hat Collignon in Chicago studiert. Fünf Minuten lang hatte der Lehrer den Hallen-Entwurf seines Schülers schweigend betrachtet und die Räume fast meditativ auf sich wirken lassen. Dann die Reaktion und der Tipp, eine Wand ein wenig nach rechts zu verrücken. „Dann machte ich das – und baff: der Raum stimmte plötzlich. Das war eine Art Erleuchtungserlebnis, das bis heute tief in mir drin steckt“, sagt Oliver Collignon. Heute entwirft er mit seinem Team Hotels, Wohn- und Bürogebäude in Berlin, aber auch U-Bahnhöfe und Sportpavillons in China oder plant Städte in Rumänien. Egal was er tut, er hat dabei immer das Reduzierte im Sinn. „Ein nachhaltiges Gebäude beschränkt sich auf die wesentlichen Dinge und macht aus ihnen eine Qualität“, sagt der Architekt, der Nachhaltigkeit sehr breit definiert. Zu dem ökologischen Gesichtspunkt gesellt sich bei Collignon noch ein humanistischer hinzu. Er möchte Lebensraum schaffen, der sich gut anfühlt, der inspiriert und von Zwängen befreit, der Kommunikation fördert, so dass sich Menschen austauschen können und sich ihr kulturelles Potential entfalten kann: „Wenn ich Styroporkisten baue mit kleinen Fensterlö- Rudi Scheuermann (o.) Oliver Collignon (o.), Jürgen Mayer H. chern, damit das Haus möglichst wenig Energie verbraucht, ist das für mich nicht unbedingt nachhaltig, wenn die Menschen darin eine Depression bekommen“, erläutert Collignon. Sein Konzept scheint aufzugehen. Im City Light House hat die Kreativität ihren Platz gefunden. Hier gestalten Rudi Scheuermann und seine Kollegen wiederum den Lebensraum anderer. Ihr Vorsatz klingt ähnlich: „Wir wollen die Welt besser hinterlassen als wir sie vorfinden.“ Es könnte eine Floskel sein, wie sie in den Hochglanz-Broschüren vieler Corporate Social Responsibility-Abteilungen zu finden ist, aber wer sich eine Weile mit Rudi Scheuermann unterhält, merkt, dass Arup es ernst meint. So ist nicht nur die Lage des Büros am Verkehrsknotenpunkt Bahnhof Zoo absichtlich gewählt. Sie ermöglicht es den Mitarbeitenden, mit Bus und Bahn zur Arbeit zu kommen. Auch in ihren Entwürfen und Konstruktionen versucht die globale Arup-Familie, mit den gegebenen Ressourcen nachhaltig und energetisch vernünftig umzugehen. Der Grundsatz, mit dem Rudi Scheuermann Herausforderungen angeht, klingt einfach. Es gebe lediglich zwei Arten von Lösungen – eine gute und eine schlechte: „Die Kunst besteht darin, die gute Lösung von der schlechten Lösung unterscheiden zu können – und aus der guten eine ansprechende zu machen“, sagt der Fassadenplaner und Membranbau-Spezialist. Zur Veranschaulichung kritzelt er auf den Zettel vor sich das Haus vom Nikolaus. „Den gleichen Entwurf von dem Haus hier können sie sehr gut und sehr schlecht bauen. Mit guten Materialien, detailliert gebaut – oder eben nicht.“ Dass auch ein einfacher Entwurf mit wenigen Mitteln Eindruck machen kann, zeigt der Vorschlag für die Beleuchtung der Bahnbrücke Kantstraße nur wenige Minuten vom City Light House entfernt. „Die Analyse hat ergeben, dass durch die Autos immer schon ganz viel Licht da ist – viele reflektierende Farbkleckse, die nach oben abstrahlen.“ Und so hat sich Arup in Zusammenarbeit mit Prof. Hans Peter Kuhn von der Universität der Künste Berlin das Licht in seiner unterschiedlichen Qualität zu Nutze gemacht: warm-weiß, kalt-weiß im Wechsel. Eine einfache und budgetfreundliche Idee. Kluge Köpfe. Kreative in der CITY WEST In der Architektenwelt weiß man, dass die DesignerInnen, LichtplanerInnen, IngenieurInnen, BeraterInnen und technischen SpezialistenInnen von Arup nach genau dieser Lösung suchen: der guten. Norman Foster und David Chipperfield wissen das genauso wie Oliver Collignon und Jürgen Mayer H., die beide schon mit Arup gearbeitet haben. „Es ist ein Geben und ein Nehmen, ein Für und ein Wider, ein Abwägen“, sagt Rudi Scheuermann über die Zusammenarbeit mit anderen Architekten, „Es ist ein Gemeinschaftsprozess, durch den man manchmal eben eine sehr, sehr gute Lösung zustande bringen kann – wie in Sevilla.“ Dort ragt in der Altstadt eine riesige pilzartige Struktur aus Holz in den Himmel: Der Metropol Parasol, den Jürgen Mayer H. mit den Ingenieuren der Berliner und Madrider Dependance von Arup realisiert hat. In 40 Büros und über 100 Ländern ist Arup aktiv, was bei der Umsetzung enorm hilft, wenn lokale Kolleginnen und Kollegen ein Projekt vor Ort betreuen können. In Sevilla war die Lage alles andere als einfach und die Anforderungen des Wettbewerbs enorm: römische Fundamente mussten zugänglich gehalten werden, gleichzeitig sollte Platz für Autos und den Markt geschaffen werden. Man plante die Konstruktion in Stahl, aber sie war zu schwer. In Berlin rechnete man. Man entwarf – und verwarf und kam letztlich auf Holz und Kleber, auf eine Technik, die sich Bonding Technology nennt. „Technologische Entwicklungen zu beobachten, ist wichtig. Nur so kann man am Limit weiterentwickeln und Grenzen verschieben“, sagt Jürgen Mayer H.. Trotz anfänglich kritischer Spanierinnen und Spanier, die das Projekt für eine elitäre Selbstverwirklichung ihres Bürgermeisters hielten, entstand so Schritt für Schritt eine Innovation – und das größte Holzbauwerk der Welt. Wenn Jürgen Mayer H. Studierende unterrichtet, lässt er sie beispielsweise über „The Power of Beige“ nachdenken.Was macht die Farbe aus? Welche Rolle spielt sie in der Architektur? So möchte der Architekt den Blick des Nachwuchses schärfen. Sie sollen eine Haltung zu einem Thema, zu einer gesellschaftlichen Fragestellung entwickeln. Dies tut er auch selbst. Schon seit den 90er Jahren beschäftigt sich Mayer H. mit einem Thema, das gerade quer durch alle Medien, Regierungen und Parlamente gezerrt wird: Datensicherung. 1994 ist ihm etwas aufgefallen, das die meisten vielleicht unbewusst wahrnehmen, wenn sie den neuen Tan-Block von ihrer Bank bekommen: die Datensicherungsmuster. Ein wirres Gewusel aus Zahlen und Buchstaben, das sensible Daten vor fremden Augen schützen soll. „Die Buchstaben haben eine Funktion, aber keinen Inhalt“, erläutert Mayer H., „es ist wie mit der Architektur: Ein Raum ist neutral und extrem spezifisch gleichzeitig. Der Inhalt aber kommt von den Menschen, die ihn besetzen.“ So wie bei Metropol Parasol in Sevilla, durch die heute Gay Parades und katholische Prozessionen führen. „Der Ort wird hier übrigens aus dem Objekt heraus definiert und nicht aus dem Rahmen oder Fassaden“, sagt Mayer H. und spannt den Bogen zurück nach Berlin. Das sei bei den Parasols genauso wie mit der Gedächtniskirche. Seinem Lieblingsort in Berlin, direkt neben Collignons City Light House, vor Scheuermanns Nase. (suh) Arup Deutschland GmbH | Joachimstaler Straße 41 10623 Berlin | www.arup.com CollignonArchitektur | Wielandstraße 17 10629 Berlin | www.collignonarchitektur.com J. MAYER H. Architects | Knesebeckstraße 30 10623 Berlin | www.jmayerh.de / 05 Beleuchtung der Bahnbrücke Kantstraße, Berlin (o.) City Light House, Berlin (o.) | Metropol Parasol, Sevilla (u.) 06 \ Kluge Köpfe. Kreative in der CITY WEST Von der Kunst leise laut zu sein Wenn die Agentur adlerschmidt gut gearbeitet hat, merkt es niemand – und das ist gut so Wer in Berlin versucht hat, pünktlich zu sein, wird schon öfter diese Erfahrung gemacht haben: Mit Zeitpuffer an der gesuchten Adresse eingetroffen, aber trotzdem zu spät gekommen – weil man sich wieder irgendwo im Labyrinth zwischen dem ersten und vierten Hinterhof verlaufen hat. Auch ein Besuch bei Prof. Florian Adler birgt diese Gefahr. Denn seine Agentur für Kommunikationsdesign liegt versteckt im zweiten Hinterhof des Gewerbehofs Bülowbogen, Aufgang D2 – einer von sechs Aufgängen, die zu fast 40 verschiedenen Unternehmen führen. Hier den Weg zu finden ist aber kein Problem – und daran sieht man, dass der geschäftsführende Gesellschafter von „adlerschmidt“ und seine Kolleginnen und Kollegen ihr Handwerk beherrschen. Denn sie haben das Leitsystem für den verwinkelten Gewerbehof entwickelt. „Man muss nur wissen, an welcher Stelle man welche Informationen gibt“, sagt Adler. Dass es nicht einfach ist, Information so zu gestalten, dass sie für möglichst viele Menschen verständlich ist, weiß der Grafikdesigner nur zu gut: jede Farbe, jede Buchstabenform sagt etwas aus – oft auch abhängig vom kulturellen Kontext. Seit zwölf Jahren bringt Adler dies seinen Studierenden bei. Er lehrt aus Erfahrung, denn vor fast einem Vierteljahrhundert hat er mit seinem Kollegen Hans-Peter Schmidt die Agentur „adlerschmidt“ gegründet. Hier, unweit des Nollendorfplatzes, entwerfen sie mit ihrem Team Kommunikationsstrategien, Web-, Informations- oder Corporate Design für Firmen, Veranstaltungen und Orte. An der Tür, die zu seinem Büro führt, ist der Spruch „Inhalt ohne Form ist unmöglich“ zu lesen. Adler trägt eine schwarze Brille und ein schwarzes Hemd. Vor ihm auf dem Schreibtisch liegt seine Visitenkarte. Die Buchstaben darauf sind grau und schwarz. Nur den Rand der Karte ziert ein roter Farbschnitt. „Die Farbe ist zurückgenommen, denn wir stehen ja nicht im Vordergrund. Wir verkaufen nicht uns als Marke, wir optimieren vielmehr die Kommunikation für andere.“ Als Schriftart hat Adler „Unit“ gewählt. Er kommentiert sie mit den Worten „sehr gut lesbar, zeitgemäß, markant, aber unprätentiös“. Klarheit und Funktionalität sind ihm wichtig. Dies hat der Designer schon früh gespürt: Als die Lehrerin im Kunstleistungskurs Prof. Florian Adler vom Bauhaus erzählte, war er angefixt. Und später als Student, während eines Praktikums bei Otl Aicher, dem Verfechter des Funktionalen, reifte diese Überzeugung. „Was Design bedeutet, wurde mir da erst bewusst“, sagt Adler, der Kunst ganz klar von Design abgrenzt: Design habe immer eine definierte Aufgabe. Kunst ist per se frei, Design nicht. „Bei Aicher habe ich nicht nur die extreme Zurücknahme jeder typografischen Extravaganz gelernt, sondern auch, dass alles mit einer Fragestellung verbunden ist: Theoretisch habe ich Millionen Möglichkeiten, zwei Punkte in einem Quadrat zueinander in Beziehung zu setzen. Jede Positionierung aber hat eine Bedeutung.“ Diesen Grundsatz hat er nicht nur für das Leitsystem im Bülowbogen angewendet, wo keines der Unternehmen sich auf der Tafel am Eingang mit Logo präsentiert. Alle sind in der gleichen Schrift, Farbe und Größe gesetzt. „Sonst schreien wieder alle“, erläutert Adler. „Es ist doch schon so laut. Wenn aber alle flüstern, muss keiner brüllen.“ Er beschreibt damit die Schwierigkeit seiner Arbeit. Eine paradoxe Arbeit genau genommen, denn Adler verhilft seinen KundInnen dazu, sichtbar in einer Welt zu werden, in der es schon zu viel Sichtbarkeit gibt. In einer Zeit, in der alles knallt und lärmt, versuchen Florian Adler und seine KollegInnen ruhig zu bleiben – und trotzdem wahrgenommen zu werden. Wo andere ein weiteres Schild in den Schilderwald packen würden, versuchen sie es ohne. Deshalb haben sie auch den europaweiten Wettbewerb für ein touristisches Leitsystem in Rheinland-Pfalz gewonnen. Die Aufgabe: Information und Orientierung für über 70 historische Liegenschaften. Ihre Lösung: haptische Orientierungssteine und traditionelle Materialien wie textile Banner oder Bronze. „Keine Schilder“ lautet das Stichwort. Die Burgen und Schlösser sollen nicht mit Informationen zugepflastert werden, die Besucherinnen und Besucher den Weg zum WC aber dennoch problemlos finden. Wenn Adler und sein Team gut gearbeitet haben, funktioniert es, aber man merkt nicht, dass sie da waren. Auch wenn sie viele Projekte außerhalb Berlins betreut, sitzt die Agentur bereits seit sieben Jahren in Schöneberg; in einer Gegend, in die es viele Designbüros, die in den Osten Berlins abgewandert waren, heute wieder zurückzieht. Friedrichshain und Mitte werden zu teuer, zu voll und zu touristisch. „Die Ecke hier rund um die Potsdamer Straße ist momentan schwer im Kommen“, erzählt Adler, „hier existiert noch ein sehr lebendiger, echter und vielseitiger Kiez – mit vielen Türken. Und einem Straßenstrich. Das hat etwas sehr Bodenständiges.“ Und vielleicht ist genau dies das Geheimnis von adlerschmidt: Bodenhaftung in einer Branche, in der andere gerne mal abheben. (suh) adlerschmidt gmbh Bülowstraße 66 | 10783 Berlin www.adlerschmidt.de Kluge Köpfe. Kreative in der CITY WEST / 07 Tänzer zwischen den Welten Man kann auf Carsten Gollnick fast überall treffen: In Hollywood-Filmen, in Restaurants und Hotels. Er ist ein viel gefragter Industriedesigner Manch einer würde wohl die Hände über dem Kopf zusammenschlagen und empört rufen: Kreativität und Kompromiss? Das kann nicht sein. Das darf nicht sein! Carsten Gollnick steht in seinem Büro im Gewerbehof Bülowbogen. Vor ihm ein großes Fenster mit Blick in den Hof, auf dem Boden ein niedriges Regal mit Tellern und Tassen, Gläsern und Schalen in verschiedenen Größen, Farben und Formen. Kaffee- und Espressomaschinen stehen herum, Lampen, Aufbewahrungskisten, Garnmuster und Farbproben für Teppichböden. Alles von ihm entworfen – und mittlerweile vielfach preisgekrönt. Carsten Gollnick überlegt, lächelt kurz und zitiert dann Walter Gropius, der einmal sagte: Gestalten sei wie Tanzen in Fesseln. Gollnick weiß nur zu gut, was Gropius mit diesem Satz meinte. Der 47-Jährige ist Industriedesigner. In seinem Job bewegt er sich in einem ständigen Spannungsfeld: Da sind die Wünsche der Unternehmen, die Vorstellungen der Marketing-Leute, die eigenen Entwürfe – und natürlich die Ingenieurinnen und Ingenieure. Nicht alles, was gut aussieht, ist technisch umsetzbar oder alltagstauglich, sowie zum Beispiel bei den Kaffeemaschinen. Keine Idee kommt an den IngenieurInnen ohne weiteres vorbei. Nur selten gehe ein Entwurf zu 100 Prozent durch. Für manche Designerseele ist das die Horror-Vorstellung schlechthin. Gollnick sieht die Zusammenarbeit aber positiv. Als eine Reibungsfläche, an der man nicht nur sich selbst, sondern auch das Produkt weiterentwickeln könne. Die Philosophie des gebürtigen Berliners: „Design hat etwas mit Verantwortung zu tun.“ Es gehe eben nicht um das Ego, sondern um das bestmöglichste Ergebnis. Mehrere Jahre kann die Entwicklung eines neuen Produkts dauern, mehrere Millionen Euro verschlingen und am Ende vielleicht sogar Arbeitsplätze kosten. „Denn wehe, das verkauft sich nicht“, sagt Gollnick. Dann sei der Misserfolg auch immer ein Stück weit dem Designer anzulasten. Doch Carsten Gollnick scheint die Tanzschritte perfekt zu beherrschen. Er weiß, wann es Zeit ist zu führen – und wann man besser dem Partner das Parkett überlässt. Seit zehn Jahren sind einige seiner Designs mittlerweile im Dauereinsatz, zum Beispiel in Restaurants oder großen Hotels. Kein schlechtes Zeichen, wie der Designer findet. Für Ligne Roset und WMF hat Gollnick schon designt. Genauso wie für Walter Knoll oder Mont Blanc. Funktionalität ist für ihn dabei Pflicht. Doch er will mehr. Seine Designs sollen die Lebenskultur bereichern, Spaß machen und Sinnlichkeit vermitteln. Die Holzkisten aus der Kollektion Rêve d´Édo, die er zusammen mit dem Designer Peter Maly entworfen hat, haben es sogar schon in einen Hollywood-Streifen geschafft. Sie stehen im Büro der fiesen Miranda Priestly im Film „Der Teufel trägt Prada“. Seit elf Jahren ist der 47-Jährige zurück in seiner Heimatstadt. Studiert hatte er in Braunschweig. Vor allem deshalb, weil die UdK Berlin damals noch nicht jene Ausrichtung hatte, die Gollnick sich für seine Ausbildung gewünscht hätte. Danach folgCarsten Gollnick te das erste Büro in Hamburg. Doch es zog ihn wieder zurück zu den Wurzeln, auch der Familie wegen. Seit damals hat er sein Büro im Gewerbehof Bülowbogen. Die Gegend sei auf den ersten Blick vielleicht nicht „die holde Quelle der Inspiration“. Aber Gollnick findet in der City West genau das, was er für seine Arbeit braucht: Ruhe. Die Arbeit eines Designers habe wenig mit dem verklärten Bild zu tun, das allzu oft in der Öffentlichkeit kursiere. „Design ist vor allem harte Arbeit, ein Knochenjob“, sagt Gollnick. Dennoch, er würde mit niemandem tauschen. (spa) Carsten Gollnick Design Bülowstraße 66 | 10783 Berlin www.gollnick-design.com 08 \ Kluge Köpfe. Kreative in der CITY WEST „Wir sind einfach nett” Alex Mikloweit und Julia Schaefer verdienen ihr Geld mit dem Gesicht anderer Leute. Ihre Casting-Agentur gehört zu den Besten der Branche Casting-Frauen als auch bei ihren Models. Das Briefing für einen Werbespot gehe an alle Agenturen in Berlin. Dann komme es darauf an, möglichst schnell die passenden Leute für das angeforderte Profil zu finden. Angefangen hatte alles noch ganz gemütlich. Auf einem Kindergeburtstag lernten sich die Frauen kennen. Beide waren vorher schon in der Filmbranche tätig. „Sobald man aber Kinder hat, kann man nicht mehr rund um die Uhr arbeiten“, sagt Alex Mikloweit, 45, gebürtige West-Berlinerin. Doch genau das werde in der Filmbranche vorausgesetzt. So entstand die Idee, gemeinsam eine Casting-Agentur aufzuziehen. Das war vor zehn Jahren. Die längste Zeit davon haben sie ihr Büro an der Pestalozzistraße, gleich schräg gegenüber vom Jazz-Club A-Trane. Die Kontinuität des Ortes mache „tierisch viel aus“. Und auch die daraus gewachsene gute Nachbarschaft. Man kenne sich hier und helfe sich gegenseitig, sagen Schaefer und Mikloweit. Die beiden schätzen die Bodenständigkeit und Unaufgeregtheit des Viertels. Julia Schaefer, Alexandra Mikloweit Am spannendsten sind die Werbepausen. Wenn die bunten Werbefilmchen über die Mattscheibe flimmern. Dann zeigt sich, wie gut man seinen Job gemacht hat, sagen Julia Schaefer und Alexandra Mikloweit. Die beiden Frauen verdienen ihr Geld mit den Gesichtern anderer Leute. In ihrer People- und Casting-Agentur Public Heroes haben Schaefer und Mikloweit rund 1.500 von diesen Gesichtern unter Vertrag – darunter Schauspielerinnen und Schauspieler, Tänzerinnen und Tänzer sowie Models. „Es geht in unserem Geschäft aber nicht allein um gutes Aussehen“, sagt Julia Schaefer. Vielmehr seien echte Typen gefragt, zum Beispiel Menschen mit einem speziellen Aussehen, wie einer großen Zahnlücke oder einer merkfähigen Nase. Gerade hat Marco die Eingangstür zum Büro an der Pestalozzistraße aufgerissen. Er wolle nur nochmal kurz vorbeischauen. Gleich wird er zum Casting eines deutschen Autobauers fahren. Das habe sich kurzfristig ergeben, Planänderung beim Kunden, erklärt Schaefer. Dieser wolle jetzt doch lieber einen Ingenieur mit vielen Haaren für den Spot. Ein Prominenter komme darin auch vor. Deshalb: Drehbeginn morgen. Wann anders hat der Promi keine Zeit. So schnell wie Marco aufgetaucht ist, ist er auch schon wieder weg. „In unserem Beruf ist vor allem Schnelligkeit gefragt“, sagt Alex Mikloweit. Sowohl bei den beiden Anfangs waren die beiden froh, drei bis vier Emails pro Tag zu bekommen. Heute können sie sich vor Anfragen kaum retten. Die Agentur genießt in der Branche einen ausgezeichneten Ruf. Was vor allem an den beiden Inhaberinnen liegt. „Ich glaube, wir sind einfach nett“, sagt Schaefer, 44, die zuvor lange Zeit in Hamburg lebte. Nett im Sinne von verbindlich, zuverlässig, freundlich. Auf dem Tisch liegt ein Blatt Papier, darauf eine Tabelle mit Namen, Orten, Telefonnummern und Zeiten. Schaefer und Mikloweit tragen hier die Termine des Tages ein – handschriftlich. Wer ist gerade wo, bei welchem Casting, für welchen Kunden. Die beiden Agentur-Inhaberinnen gehen mit ihren Models sorgsam um. Hat es mit einem Job nicht geklappt, sagen sie ihnen persönlich Bescheid. Andererseits nehmen sie diese in die Pflicht. „Wir gehen für unsere Models ständig in Vorleistung. Finanziell und zeitlich“, erklärt Mikloweit. Deshalb gilt: Wer nicht zuverlässig ist, fliegt raus. Da hört die Nettigkeit auf. (spa) public heroes gmbh Pestalozzistr. 3 | 10625 Berlin www.public-heroes.de www.public-heroes-casting-berlin.de Kluge Köpfe. Kreative in der CITY WEST / 09 Codewort: KD211 Sonia Simmenauer und Maren Borchers teilen gerne. Nicht nur das Büro. Auch die Liebe zur klassischen Musik – und zu Charlottenburg Hier also ist die Bombe hoch gegangen. Genau vor dieser Tür, im August 1983. Damals ließ der Terrorist Carlos einen Anschlag auf das französische Kulturzentrum Maison de France am Kurfürstendamm in Berlin verüben. Der Anschlag war ein Vergeltungsakt. Kurz zuvor war Carlos Frau von den Behörden auf den Pariser Champs-Elysées verhaftet worden. „Seit damals funktioniert übrigens die Klimaanlage nicht mehr“ sagt Maren Borchers und lacht. Die Tür, vor der die Bombe damals explodierte, ist heute der Eingang zu ihrem Büro. Das Haus habe noch viele solcher Geschichten parat, auch lustige und skurrile. Der weiße, denkmalgeschützte Bau aus den 50er Jahren, an der Ecke Kurfürstendamm/Uhlandstraße ist eine Charlottenburger Institution, eine Art Wahrzeichen. Er gehört zu diesem Stadtteil, wie die Bulette zu Berlin. Seit einigen Jahren teilen sich dort die Firmen von Maren Borchers und Sonia Simmenauer die Büros. Beide Frauen sind dem Charme des Gebäudes verfallen. Noch gehört das Haus dem französischen Staat, doch der würde es wohl lieber geschlossen und verkauft sehen. Aber noch ist es voller Leben – und soll es auch möglichst lange bleiben. Es gibt Sprachkurse für Französisch, es gibt ein Kino und Restaurants. Und es gibt KD211:musique. Ein Projekt, das Maren Borchers und Sonia Simmenauer gemeinsam ins Leben gerufen haben. „KD211 steht für unser Haus. Den Kurfürstendamm 211“, erklärt die gebürtige Französin Simmenauer. Die Idee hinter dem Projekt: Die ehemalige französische Offiziersmesse wird zum Konzertsaal umfunktioniert. Früher sei hier oft schon nachmittags wild getanzt geworden, sagt Borchers, die einst bei Emi Classics in Köln für Presse und Promotion zuständig war. Heute steht dagegen vor allem Kammermusik auf dem Programm. „Aber nicht nur das abgedroschene Zeug. Auch zeitgenössische Werke werden gespielt“, fügt Simmenauer an. KD211:musique sei keine Großveranstaltung, da sind sich Borchers und Simmenauer einig. Es sei auch das Gegenteil von einem Luxusevent. Es gebe keinen Champagner und keine Häppchen. Stattdessen werden an der 50er Jahre Bar gepflegt Cocktails serviert. Klein, fein und diskret – so sollen die Konzerte sein. Ohne viel Tamtam, mit der Musik im Mittelpunkt. 180 Zuhörer finden im bestuhlten Saal Platz. Dadurch sei eine enorme Nähe zu den Künstlerinnen und Künstlern möglich, auch nach dem Konzert. Und noch etwas macht den Veranstaltungsort so einzigartig: Der Blick durch die großen Fenster, ein beinahe 360-Grad-Panorama über West-Berlin, hinunter auf den Ku‘damm und hinüber zur Gedächtniskirche. Berlin total, wie es Borchers nennt. Für die beiden Frauen ist das Projekt eine Herzensangelegenheit. Maren Borchers-Fromageot, Sonia Simmenauer Der Standort, das Haus – das alles ist für sie zu einer zweiten Heimat geworden, so wie ganz Charlottenburg. „Das ist hier wie eine kleine Familie. Freundlich, verbindlich, man kennt sich einfach“, beschreibt Simmenauer ihren Bezirk. Deshalb wollten sie etwas zurückgeben. Und was wäre da passender als eine Konzertreihe. Denn mit ihrer Agentur vertritt Sonia Simmenauer einige der bedeutendsten Kammermusikensembles und SolistInnen. Darunter das Artemis Quartett, Isabelle Faust und Piotr Anderszewski. Viele Jahre betreute sie Alban Berg oder den Geigen-Virtuosen Gidon Kremer. Zusammen mit Maren Borchers teilt sie sich zwar die Büros. Doch die beiden Frauen stellen klar: Wir sind zwar eine Art Wohngemeinschaft. „Aber dahinter stehen zwei getrennte Firmen, für zwei verschiedene Bereiche“, so die 46-jährige Borchers. Während sich Simmenauer vor allem um die Terminkalender ihrer Schützlinge kümmert und diese mit Konzertauftritten füllt, macht Maren Borchers mit ihrer Agentur klassische PR-Arbeit. Für die Künstlerinnen und Künstler bestehe zwar das Angebot zur Zusammenarbeit, sie sei aber kein Muss“, sagt Borchers. Seit vier Jahren arbeiten die beiden auf diese Weise zusammen, teilen sich das Büro und tauschen in der Kaffeeküche Neuigkeiten aus. (spa) KD 211:musique Kurfürstendamm 211 | 10719 Berlin www.kd211.de 10 \ Kluge Köpfe. Kreative in der CITY WEST City West Die City West ist einer der beiden großen Berliner Zentrumsbereiche und umfasst Teile der Bezirke Charlottenburg-Wilmersdorf, Tempelhof-Schöneberg und Mitte. Auf über 650 Hektar Fläche bietet sich eine Vielfalt von Nutzungen. Vom Stuttgarter Platz bis zum Nollendorfplatz und vom Spreebogen bis zur Lietzenburger Straße ist die City West Shoppingparadies, Ausgehmeile, Bildungs- und Forschungszentrum, Kulturstandort, Wohnkiez und Handelszentrum. (rm) rch str a ße Sa Ma Ott o-S uhr -Al 1 lee 2 ße Bismarckstra ße 3 Wilmers 11 ße tra gs er nb e rd Ha Bismarckstra Straße traße dorfer S 5 Kantstraße Kant 6 8 mm Ku a tend rfürs m 9 am rstend Kurfü rger Straß Lietzenbu 10 Fra nkl ins tra ße Kluge Köpfe. Kreative in der CITY WEST alz uf er Sa 4 lzu fer Fas a nen stra ß e e des 17. Juni ße 1 Sina Thomaseth 2 STICKY & SWEET 3 CB.e Clausecker | Bingel AG 4 Königliche Porzellan-Manufaktur Berlin 5 public heroes GmbH 6 J. MAYER H. Architects 7 Arup 8 CollignonArchitektur 9 KD 211:musique 10 WD Eyewear Berlin 11 Front Row Society 12 adlerschmidt 13 CARSTEN GOLLNICK DESIGN 14 TAMSCHICK MEDIA+SPACE 15 WELTER® Manufaktur für Wandunikate Zoologischer Garten raße r St este udap B tstraße 7 ü Kurf rste m ndam Kur fü rste nstr aß Tau en tzi en e str a ße Klei / 11 stra ß e Straße burger Lietzen 12 13 14 15 12 \ Kluge Köpfe. Kreative in der CITY WEST Heimweh auf der Haut Sina Thomaseth hat aus ihrer Not eine Tugend gemacht – und Heimat tragbar. Ihre Mode orientiert sich an österreichischen Trachten Sina Thomaseth (l.) Ohne Heimat sein, heißt leiden. So schrieb es einmal der russische Schriftsteller Dostojewski. Gelitten, ja das hat Sina Thomaseth in Berlin tatsächlich. „Ich wollte nach meiner Ausbildung an einer tollen Uni studieren, das war für mich klar“, erinnert sich die Absolventin der Universität der Künste (UdK). Doch richtig glücklich wurde Sina Thomaseth in Berlin nicht. Sie sei hier nie so wirklich angekommen, sagt sie. Zu groß war die Sehnsucht nach der Heimat – und ist es noch. Nach den Bergen Österreichs. Genauer, nach den Bergen Tirols. In der Nähe von Innsbruck, in Telfs, hatte Sina Thomaseth vier Jahre gelebt, hatte dort ihre Schneider-Lehre absolviert, hatte dort ihren Freund – alles war perfekt. Doch die Lehre war irgendwann zu Ende, der Freund fort und so zog es die Designerin zum Studium in die große Stadt, nach Berlin. Doch die große Sehnsucht nach den Bergen blieb. Was also tun, um das Heimweh zu lindern? Sina Thomaseth machte aus ihrer Not eine Tugend. Sie schneiderte Kleider in der Tradition österreichischer Trachten. Ihre Röcke mit einem einfachen Gummiband orientieren sich zum Beispiel an den schweren Unterröcken der Dirndl. „Ich wollte das Gefühl von Heimat tragbar machen“, erinnert sich die 32-Jährige. Mittlerweile sind ihre Röcke und Oberteile gefragt, die Designerin viel beschäftigt. Gerade erst hat sie ihre neue Kollektion fertig gestellt. Sina Thomaseth sitzt in einem kleinen Büro an der Marie-Elisabeth-Lüders-Stra- ße. Auf dem Boden steht ein schwarzer Koffer, der Deckel ist aufgeklappt, darin liegen noch die Kleider von der letzten Reise. Die Designerin entschuldigt sich, sie sei erst vor ein paar Stunden zurückgekommen. Es ist wie bei dem Propheten und dem Berg. Wenn der eine nicht zum anderen kommt, dann muss es eben umgekehrt gehen. So ist es auch bei Sina Thomaseth. Sie reist mit ihrer Mode von einem Luxus-Hotel zum anderen. Häuser in der Schweiz, in Österreich, in Südtirol, in Bayern und Brandenburg stehen auf ihrem Reiseplan. In rund 20 Hotels stellt die Designerin mittlerweile ihre Mode vor. Bei sogenannten Fashion-Teas zum Beispiel. Hotel und Designerin profitieren gleichermaßen von der Kooperation. In manchen Häusern war die 32-Jährige bereits acht Mal zu Gast. Die Resonanz ist jedes Mal positiv, das Auftragsbuch reichlich gefüllt. „Es gibt in den Hotels aber keine Modenschau mit Models oder so“, stellt Sina Thomaseth klar. Die Kleider werden lediglich aufgehängt oder ausgelegt. Angefangen hatte alles mit einigen treuen Stammkundinnen. Sie luden die Designerin zu Beginn ihrer Karriere ein. Bei Kaffee und Kuchen wurden dann die neuesten Kleidungsstücke begutachtet. „Das war für die Kundinnen aber immer auch ein riesen Aufwand“, erinnert sich Sina Thomaseth. Bei einem Urlaub in Südtirol zusammen mit Freunden kam ihr dann der Gedanke, wie man die Idee aufgreifen und professionalisieren könnte. „Ich fragte in unserem Hotel einfach mal nach, ob Interesse besteht“, sagt die Designerin. Interesse bestand – und somit war die Geschäftsidee geboren. Seit 2011 ist die gebürtige Nürnbergerin nun selbstständig – und hat sich damit einen Kindheitstraum erfüllt. Doch der Anfang war schwer. „Ich stand ganz alleine da“, sagt Sina Thomaseth rückblickend, „doch meine Entscheidung stand fest: Ich mach das jetzt.“ Also sprang sie ins kalte Wasser, ohne Startkapital, den Blick nur in eine Richtung: vorwärts. An der UdK lerne man zwar, wie man ein Kleidungsstück designe. Doch wie man ein Unternehmen gründe, lerne man dort nicht. Mittlerweile hat Sina Thomaseth ihr Büro im Charlottenburger InnovationsCentrum (CHIC). Hier fühlt sie sich gut aufgehoben. Die Rahmenbedingungen stimmen. Vor allem die Verbindlichkeit im Haus sowie in der ganzen Gegend gefalle ihr. Der Stoffgroßhandel und der Zubehörladen sind in der Nähe, ihre alte Uni ist gleich ums Eck. „Die Nähe zur UdK war vor allem am Anfang sehr wichtig für mich“, erinnert sich die Designerin. Sie konnte dort die Werkstätten mitbenutzen und sich bei ihren alten ProfessorInnen Rat holen. – Den hat Sina Thomaseth nun allerdings nicht mehr so dringend nötig. Und auch mit dem Heimweh ist es schon besser geworden. (spa) Sina Thomaseth Marie-Elisabeth-Lüders Straße 1 10625 Berlin www.thomaseth-fashion.com Kluge Köpfe. Kreative in der CITY WEST / 13 Das Ende der Mode-Diktatur Das Berliner Modelabel Front Row Society ist eine Art Mode-Demokratie. Eine Community entscheidet darüber, welches Design auf den Markt kommt Dr. Florian Ellsaesser, Bruce Hamilton Florian Ellsaesser sitzt in einem Café, er trinkt eine Tasse Schwarzen Tee und erzählt über Damen-Leggins. Er tut das ernsthaft und mit Begeisterung. DamenLeggins sind so etwas wie Ellsaessers Steckenpferd. 2011 gründete der gebürtige Berliner das Modelabel Front Row Society (FRS). Das Unternehmen hat sich auf Leggings spezialisiert – sowie auf DamenTops, Taschen und auf Tücher. Vor allem aber hat FRS ein einzigartiges Konzept für die Entwicklung seiner Designs gefunden. „Wir sind eine Mode-Demokratie“, sagt der 31-Jährige. Mode wird bei dem jungen Label zu einer Art Volksentscheid. Jeder darf mitmachen, jeder darf seine Meinung äußern, jede Stimme zählt. Ellsaesser kann auf eine kreative Quelle zurückgreifen, die wohl unendlich scheint. Das Konzept ist dabei so einfach wie genial. Das Label hat eine Community gegründet, mit mittlerweile mehr als 30.000 Mitgliedern weltweit. Leute aus El Salvador oder Italien haben sich registriert. Genauso wie aus Zypern und Madagaskar. Oder aus Neuseeland und Serbien. Sie alle verbindet eines: Spaß an Mode, Spaß am Design. „Bei uns kann wirklich jeder mitmachen“, sagt der Firmengründer. So wie zum Beispiel die Mutter mit den sechs Kindern. Oder der junge Mann aus Portugal, der im wahren Leben eigentlich Koch ist und in seiner Freizeit Design-Muster entwirft. Derart gute, dass er schon mehrere Wettbewerbe des Labels gewonnen hat. Für ihr Konzept haben die Verantwortlichen gleich auf mehreren Kanälen geworben. Sie gingen an Universitäten und Designschulen, waren in Foren und Blogs aktiv und sprachen Designerinnen und Designer auch persönlich an. „Mittlerweile ist es aber weitgehend zu einem Selbstläufer geworden“, sagt Ellsaesser. Sobald ein neues Design gesucht wird, startet eine sogenannte Design Challenge. Zwei Wochen haben die Community-Mitglieder dann jeweils Zeit, ihre Vorschläge einzureichen. Das können schon mal bis zu 1.500 Vorschläge sein. Zum Beispiel zum Thema: Leggins mit Motiven sakraler Kunst. Oder Tücher mit dem Thema „Enchanted Forrest“ mit Käfer-Motiven, Vögeln, verschlungenen Ästen und Blättern. Das Design-Muster, das die meisten Stimmen bekommt, gewinnt. 50 bis 60 Designerinnen und Designer gehören mittlerweile sozusagen zum festen Kern. Sie reichen nicht nur regelmäßig ihre Vorschläge ein, sondern gewinnen damit auch regelmäßig. Reich werden sie damit allerdings nicht – oder zumindest noch nicht. 200 Euro gibt es derzeit pro Wettbewerb und Entwurf zu gewinnen, wobei jedes Mal 30 Designs produziert werden. Das Gesamtbudget für die Designerinnen und Designer ist höher als für die Personalkosten von FRS. Bruce Hamilton, gebürtiger Schotte und Chef der Produktion, beschreibt die Mode von FRS so: detailorientiert und mit einem künstlerischen Anspruch, verspielt, komplex und feminin, für Frauen zwischen 25 und 35 Jahren. Die Idee hat Erfolg: Die Designer-Teile existieren nicht nur im Internet, es gibt sie auch zu kaufen. Zum Beispiel in Berlin im Kaufhaus des Westens, besser bekannt als KaDeWe. Oder bei Ludwig Beck in München, bei Breuninger in Stuttgart oder im Alsterhaus in Hamburg. Angefangen hatte alles 2011. Und zwar damit, dass Florian Ellsaesser sein Konto leer räumte und alles in seinen Traum vom eigenen Unternehmen steckte. Das sei eine schwierige Zeit gewesen, erinnert sich der junge Unternehmer, der zuvor in Großbritannien studiert hat. Das Potenzial des Modelabels haben in der Zwischenzeit auch andere erkannt. So wie zum Beispiel Harald Meilicke von Kaufhaus Breuninger. Er stieg als Investor mit ein. „Wir haben glücklicherweise Investoren, die nicht einfach nur ihr Geld reinstecken wollen. Sondern solche, die mit Herzblut dabei sind“, sagt Ellsaesser. Im kommenden Jahr will das Unternehmen zum ersten Mal Gewinn machen. Wenn es so weitergeht, erfüllt sich vielleicht irgendwann auch der Wunsch des 31-Jährigen. Ein Unternehmen, „das über uns hinaus besteht.“ (spa) Front Row Society Lietzenseeufer 8 | 14057 Berlin www.frontrowsociety.com 14 \ Kluge Köpfe. Kreative in der CITY WEST Oberflächen mit Tiefgang In der Schöneberger Manufaktur von Ulrich Welter entsteht Haute Couture für die Wände Ulrich Welter Es kann schon mal passieren, dass sich Hollywood-Stars über die Arbeit von Ulrich Welter aufregen. Nicht, weil er schlecht gearbeitet hätte, sondern weil sie daneben untergehen. So wie es Sandra Bullock 2010 bei der Oscarverleihung passiert ist, als sie mit ihrem silbrig funkelnden Kleid vor Welters silbrig funkelnder Wand stand. Die Welt der Reichen und Schönen, das ist auch die von Ulrich Welter. Nicht, weil er sich in ihrem Glanz sonnen will, sondern weil sie bezahlen können, was er in seiner Schöneberger Manufaktur herstellt. Ein Quadratmeter seiner Tapeten kostet zwischen 100 und 4000 Euro – wobei Tapete das falsche Wort ist. Wandkunst trifft es eher, denn mit dem, was man normalerweise im Baumarkt findet, hat sie nichts zu tun. „Neulich hat jemand über unsere Produkte gesagt, dass sie das Gürkchen auf dem Brötchen sind“, sagt Welter und erläutert, „Es geht im Prinzip auch ohne Gürkchen, aber mit macht es einfach mehr Spaß.“ Eine seiner neuesten Erfindungen, ein Schmuckpaneel aus Glas, dreht der 51-Jährige vorsichtig in der Hand. Es glänzt golden. Ähnliche wie dieses sind als Intarsien im Parkett eines Luxushotels eingelassen. Der Parkettleger hat nur mit dem Kopf geschüttelt, als Welter ihm von seiner Idee erzählte. Doch Grenzen sind für den Kreativen nur da, um sie auszutesten: „Man kann alles machen. Man muss es sich nur trauen“, sagt er. 2015 feiert er mit seiner Manufaktur, die auch Paneele und Schmuckteile herstellt, 30-jähriges Jubiläum. Eine stolze Zahl für jemanden, der sich sein Handwerk als Autodidakt angeeignet hat. Welter war als gelernter Werbetechniker nach Berlin gekommen und suchte einen Job, in dem er seine Interessen verbinden konnte: Bühnenbild, Film, Farben, Materialien und Malerei. Doch diesen Job fand er nicht. Und so machte er sich selbstständig – und hatte Glück: Er war im richtigen Teil der Stadt, Ku‘damm, Fasanenstraße, Olivaer Platz. Dort fand er die Kundinnen und Kunden, die nicht jeden Pfennig umdrehen mussten und ihn voller Vertrauen an ihre Wände heranließen. Nachts experimentierte der Alchemist in seiner Werkstatt mit Strukturen, tagsüber präsentierte er die Ergebnisse seiner Kundschaft. Die Wirkstätte ist dieselbe geblieben: Die Schuhsohlenfabrik im Gewerbehof Bülowbogen hat ihre Produktion längst eingestellt, aber bei Welter in der Hexenküche brodelt es. Auf 1000 Quadratmetern entsteht hier Neues – zum Teil aus Rezepturen, die Hunderte von Jahren alt sind, zum Teil mit moderner Technik. Welters Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter grundieren, streuen, kleben, rühren, färben, spachteln, schnitzen, schleifen und gravieren. Oder sie veredeln die Produkte mit Blattmetallen – und bringen die Oberflächen mit Glassplittern und Granulaten zum Leuchten. Auf diese Weise finden sie Lösungen für diejenigen, die mit gewöhnlichen Mitteln und normalem Interior Design nicht weiter kommen. Zum Beispiel der Kunde aus St. Petersburg, der sich 28 Quadratmeter des Bernsteinzimmers nachbauen lassen will. Was seine Kundschaft betrifft, ist Welter verschwiegen. „Einer, der in letzter Zeit öfter in den Medien war“, „ein großes Modelabel“, „ein Luxushotel in China“, „ein mexikanischer Multimilliardär“. Er sagt, er arbeite nur mit Menschen, zu denen er auch einen Zugang finde, sonst funktioniere es nicht. Nur wenn er weiß, mit wem er es zu tun hat, weiß er auch, wie das passende Badezimmer aussehen muss. „Es passiert sehr oft, dass ich besser als der Kunde ahne, was er eigentlich will. Und dass das, was er eigentlich möchte, nicht das ist, was er mir erzählt – sondern das, zu dem ich ihm rate.“ Dabei hat er keinesfalls im Sinn, allem den Welter-Stempel aufzudrücken. Er will nicht als Messias für guten Geschmack auftreten – er habe lediglich einen Sinn für Ästhetik. „Wenn jemand sagt, ich hätte es gerne total kitschig, dann sagen wir: ‚Ok, wir machen es total kitschig, aber ästhetisch’.“ Es sei mit seinen Projekten wie mit Filmkulissen. Sie müssten zu der Person, die später darin wohnen soll, passen – und zu ihrem persönlichen Geschmack. Dass der Autodidakt allerdings ein Badezimmer mit weißen Schmuckpaneelen durchgehen lassen würde, ist fraglich. Zumindest nur dann, wenn sich jemand bewusst dafür entschieden hat. Denn weiß ist für ihn eine Farbe der Nicht-Entscheidung, etwas das herauskomme, wenn man zu feige ist, Farbe zu bekennen. Momentan arbeitet Welter vor allem für Menschen aus dem Ausland. Aber langsam rückt sein Fokus auch wieder auf die Hauptstadt. Denn mittlerweile kommen sie wieder: Berlinerinnen und Berliner, die sich seine Wandkunst leisten wollen – und können. (suh) WELTER® Manufaktur für Wandunikate Bülowstraße 66 | 10783 Berlin www.welter-wandunikate.de Kluge Köpfe. Kreative in der CITY WEST / 15 Selbst klebt die Frau Im Alleingang hat Stefanie Brauer ihre Firma „Sticky & Sweet“ aufgezogen – und widmet sich hier dem Besonderen im Alltäglichen Eigentlich kommt Stefanie Brauer aus einer ganz anderen Welt. In dieser Welt hatte sie manchmal Panzer oder alte Dampfloks gesucht – oder Verträge mit Schauspielern aufgesetzt. Diese Welt hatte so gar nichts mit ihrer süßen und klebrigen Idee für Kinder zu tun, mit der sie sich vor einem halben Jahr selbstständig gemacht hat: superhaltbare Namenssticker und Bügeletiketten, die man über einen Online-Shop personalisieren kann. „Sticky & Sweet“ heißt ihre Firma, für die sie der Filmbranche den Rücken gekehrt hat. Der Slogan ihres Labels verrät, warum das Ganze: Damit nix mehr verloren geht! Letztlich hat Brauer sehr viel mehr aus ihrer Zeit als Produktionsleiterin mitgenommen als es die offensichtlichen Relikte, die silbernen Aluboxen auf dem Boden ihres Büros, erahnen lassen: das Wissen zum Beispiel, wie man sucht – und findet. „Wenn man es vorher nicht weiß, dann muss man sich damit beschäftigen – und irgendwann hat man es kapiert“, sagt die Jungunternehmerin. Ein halbes Jahr hat sie zum Beispiel gebraucht, um die passende, waschmaschinenfeste Folie für ihre Sticker zu finden. Aus ihrer Zeit beim Film weiß Stefanie Brauer auch, wie wichtig kurze Wege und direkte Kommunikation sind. Aus diesem Grund sitzen jene, mit denen sie zusammenarbeitet, in Berlin: das Graphikdesign-Büro, die Programmierer, die Druckerei und auch der Illustrator Tomek Sadurski. Er hat für sie die sechs knalligen Gesellen entworfen, die frech von den Aufklebern herunterwinken. Schon lange hatte Brauer seine Arbeiten bewundert – dann hat sie ihn einfach angerufen und gefragt, ob er mit ihr zusammenarbeiten wolle. „Es ist so wichtig, Leute zu finden, die zu einem passen“, erzählt Brauer. „Mit der Haltung, ich nehme mir mal schnell einen, der das Logo macht, funktioniert das nicht. Man muss die Arbeit der anderen kennen, um zu wissen, ob sie zur eigenen Idee passt.“ Auf die eigene Idee musste sie auch erst einmal kommen. Brauer wusste am Anfang lediglich, was sie mochte: Marken, Mode, Illustrationen, gute Verpackungen, Produkte und etwas, das man verschenken kann. Sie mochte es, aus alltäglichen Sachen etwas Besonderes zu machen. Irgendwann liefen ihr dann Aufkleber aus Kanada und den USA über den Weg und eines Nachts, im Bett, fiel ihr der Name für ihre Firma ein: „Sticky & Sweet“. „Da wusste ich, ich versuche das jetzt“, sagt Brauer. „Und wenn ich etwas mache, dann mache ich es auch zu Ende. Ich bleibe auch im Kino sitzen, wenn mir der Film nicht gefällt. Abzubrechen geht gegen meine Natur.“ Wenn der Begriff „selbstständig“ auf jemanden passt, dann ist es Stefanie Brauer. Wo andere sich auf Studien verlassen, stürzt sie sich ins Getümmel und betreibt Feldforschung. Brauer wusste zwar, dass ihre eigene Tochter die Sticky & Sweet-Charaktere mochte, aber sie wollte auch die Meinung der anderen hören. Aus der Produktionsleiterin wurde zunächst eine Angestellte auf Zeit. An ihrem vorübergehenden Arbeitsplatz in einem Kindermodegeschäft fand sie so unter anderem heraus, dass vor allem Mädchen bis fünf Jahre die pinke Figur süß finden, dann setze nämlich langsam die „Rosaallergie“ ein. Von ihrem Büro im Charlottenburger Innovations-Centrum (CHIC) aus zieht die Jungunternehmerin momentan alle Strippen selbst – und das nicht nur aus Budgetgründen. Bevor sie die Arbeit abgibt, will sie selbst wissen, wie es funktioniert. „Erstmal selber machen – damit bin ich eigentlich immer gut gefahren“, sagt Brauer. Noch verpackt sie ihre Sticker selbst, verschickt sie Stefanie Brauer und schaltet die Anzeigen. Auf der Deutschlandkarte, die hinter ihr an der Wand hängt, markieren kleine Fähnchen die Reichweite ihrer Anzeigen und die Orte, von denen schon bestellt worden ist. Zurzeit konzentriert sich Brauer noch auf Deutschland, Österreich und die Schweiz, aber auch aus Moskau, China und den USA haben schon die ersten in ihrem Online Shop bestellt. Wohl weil sie sich auf das Kalkulieren und Planen so gut versteht, ist Brauer viele Dinge richtig angegangen. Doch den Online Shop hatte sie gehörig unterschätzt: „Es ist eigentlich so, als mache man einen richtigen Laden auf: Auch da muss man permanent die Schaufenster neu einrichten, Regale anbringen oder das Lager aufräumen.“ Mit dem Labelmaker können die Kundinnen und Kunden hier ihre Sticker individuell gestalten, Charaktere und eine Hintergrundfarbe auswählen: Den blauen Zurückhaltenden mit der geschwungenen Augenbraue zum Beispiel oder den gefräßigen Orangefarbenen. Die Figuren sind plastisch. Man sieht es ihnen an, dass jeder von ihnen eine Geschichte hat – aber die erzählt Brauer noch nicht. „Das kommt als Nächstes: Wie sie heißen, was sie mögen, in welcher Welt sie leben...“ Und wer weiß, vielleicht ist es ja dieselbe, aus der Stefanie Brauer stammt: die Welt des Films. (suh) STICKY & SWEET Marie-Elisabeth-Lüders-Straße 1 | 10625 Berlin www.sticky-sweet.de 16 \ Kluge Köpfe. Kreative in der CITY WEST Eintauchen und Staunen Sie sind so etwas wie moderne Geschichten-Erzähler: Charlotte und Marc Tamschick. Mit audiovisuellen Medien erwecken sie Räume zum Leben Marc und Charlotte Tamschick Um Menschen in Staunen zu versetzen, brauchte es früher oft nur einen guten Erzähler oder eine gute Erzählerin und ein bisschen Phantasie. Heute ist das schon schwieriger. Sowohl das mit dem Erzählen, als auch das mit dem Staunen. Heutzutage braucht es oftmals riesige Leinwände und Bildschirme. Musik, Geräusche und Lautsprecher. Filme, Animationen und Projektoren. Charlotte und Marc Tamschick beherrschen nicht nur die hohe Kunst des Erzählens. Sie schaffen es auch, Menschen in Staunen zu versetzen – und das immer wieder. Mit ihrer Firma Tamschick Media + Space sind die beiden seit vielen Jahren international erfolgreich und wurden bereits mit dutzenden Design-Preisen ausgezeichnet. Der Fachbegriff für ihre Arbeit klingt dabei zunächst etwas kryptisch: me- diale Szenografie. „Das bedeutet, dass wir Räume mit Hilfe audiovisueller Medien emotional inszenieren und zum Sprechen bringen“, erklärt Charlotte Tamschick. So wie zum Beispiel im BMW Museum in München, im Bach-Haus in Eisenach, auf der Weltausstellung in Shanghai, in 3500 Metern Höhe auf dem Jungfraujoch in der Schweiz oder im Rheinischen Landesmuseum in Trier. Dort gibt es auf rund 500 Quadratmetern Ausstellungsfläche 50 monumentale Grabmale aus der Römerzeit. Für Fachleute sind die Grabmale eine archäologische Sensation. Doch wie schafft man es, dass sie auch für den normalen Museumsbesucher, die normale Museumsbesucherin spannend sind? Es gelingt zum Beispiel mit einer guten Geschichte. Genau das haben Charlotte und Marc Tamschick zusammen mit ihrem 20-köpfigen Team gemacht. Gemeinsam mit den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des Museums haben sie eine fiktive Geschichte erfunden und so die losen Grabsteine miteinander in Verbindung gebracht. In 45 Minuten erzählt „Im Reich der Schatten“ nun die Geschichte des Trierer Kaufmanns Gaius Albinius Asper, wie er zusammen mit dem Göttersohn Merkur in die Unterwelt hinabsteigt, um seine verstorbene Frau zu suchen. „Es ist ein mediales Raumtheater, das die stummen Objekte selbst zum Sprechen bringt. Eine Mischung aus Hörspiel, Film und Animation“, sagt Charlotte Tamschick, Kreativdirektorin und die Leiterin der Konzeptabteilung des Unternehmens. „Manche Auftraggeber haben genaue Vorstellungen, was sie wollen“, erklärt sie. Andere KundInnen würden dagegen nur ein Stichwort oder einen Slogan vorgeben. Oder gar nichts. „Dann heißt es, macht einfach mal“, sagt die 44-jährige Szenografin, die an der Technischen Universität im weiterbildenden Masterstudiengang Szenischer Raum lehrt. Andererseits bedeute das aber auch größtmögliche künstlerische Freiheit. „Das funktioniert nur deshalb, weil die Kunden uns vertrauen“, sagt Geschäftsführer Marc Tamschick. Diese wüssten, dass ihr Projekt ganz individuell umgesetzt wird und nicht einem bestimmten, festgefahrenen Stil folgt. So unterschiedlich die Projekte und AuftraggeberInnen sind, eines bleibt dann aber doch immer gleich, sagt der 43-Jährige: „Das Ziel Emotionen zu wecken.“ Damit das gelingt, wird auch schon einmal die eigens komponierte Musik mit einem 70 Mann starken Orchester aufgenommen. Wie beispielsweise für die Inszenierung des saudi-arabischen Pavillons auf der Weltausstellung. Seit einem Jahr hat das Unternehmen nun seinen Sitz im Gewerbehof Bülowbogen. „Ein echter Traumstandort“, sagt Marc Tamschick. Der alte Industriebau biete genügend Platz und Ruhe. Man könne hier gut und konzentriert arbeiten. (spa) TAMSCHICK MEDIA+SPACE GmbH Bülowstrasse 66 | 10783 Berlin www.tamschick.com Kluge Köpfe. Kreative in der CITY WEST / 17 Das Herz schlägt am Knie CB.e Clausecker | Bingel AG gehört zu den größeren inhabergeführten Kommunikationsagenturen Deutschlands. Das Herz des Unternehmens schlägt in der City West Ernst-Reuter-Platz 2. Mehr Charlottenburg geht wohl kaum. Unten rauschen die Autos durch den nachmittäglichen Berliner Verkehr. Sie drehen ihre Runden auf dem riesigen Kreisverkehr, biegen ab Richtung Zoologischer Garten, Richtung Bismarckstraße oder Großer Stern. Früher hieß der riesige Platz einmal „Knie“. Weil der kilometerlange, schnurgerade Straßenzug zwischen dem ehemaligen Stadtschloss, im heutigen Bezirk Mitte, und dem Schloss Charlottenburg ausgerechnet an dieser Stelle einen Knick aufwies. Kennt man die Vorliebe der Berlinerinnen und Berliner für skurrile Spitznamen, klingt das fast ein bisschen langweilig. Seit 1953 trägt der Platz den Namen eines großen Mannes, eines großen Berliners: Ernst Reuter. Unvergessen bleibt dessen vor der Ruine des Reichstagsgebäudes am 9. September 1948 ausgerufener Satz: „Ihr Völker der Welt, schaut auf diese Stadt!“ Ernst-Reuter-Platz 2. Mehr Charlottenburg geht wohl kaum. Für Sabine Clausecker der ideale Platz. Die 49-Jährige sitzt in einem Büro im zweiten Stock der großen, silbergrauen ehemaligen IBMFirmenzentrale. Zusammen mit Eberhard Bingel hat sie die Kommunikationsagentur CB.e Clausecker | Bingel AG gegründet. Das war vor 16 Jahren. Heute gehört das Unternehmen zu den größeren inhabergeführten Kommunikationsagenturen Deutschlands. 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt CB.e an den Standorten Berlin, Frankfurt und Stuttgart. Das Herz des Unternehmens schlägt jedoch in Charlottenburg – und das hat seinen guten Grund. Clausecker und Bingel sind Charlottenburg-Fans, durch und durch. „Old school is new school“, sagt die Unternehmerin. Nie wären die beiden auf die Idee gekommen, mit ihrer Agentur nach Friedrichshain oder gar nach Mitte umzusiedeln. Nur weil das vielleicht irgendwann irgendjemand einmal für angesagt, hip und trendy hielt. Seit fünf Jahren hat das Unternehmen seinen Hauptsitz am Ernst-Reuter-Platz, davor war die Agentur viele Jahre lang am Kurfürstendamm zuhause. Charlottenburg sei vielleicht ein bisschen eleganter, ein bisschen arrivierter, „aber deshalb nicht weniger kreativ“ als andere Berliner Bezirke, ist sich Clausecker sicher. Für Sabine Clausecker, Eberhard Bingel sie ist die City West der „erwachsenere Teil“ Berlins – mit mehr Sein als Schein, mit einem eigenen Stil, mehr Kontinuität. „Charlottenburg ist ein toller Bezirk, in dem wahnsinnig viel passiert“, schwärmt Clausecker. Dennoch sollte sich der Bezirk in Zukunft noch stärker von Mitte emanzipieren. Der amerikanische Manager Lee Iacocca, ehemaliger Vorstandsvorsitzender von Chrysler, sagte einmal: Die einzige Möglichkeit, Menschen zu motivieren, sei die Kommunikation. Genau das ist es, was die Berliner Agentur tut. „Wir machen keine Werbung für Schweinebäuche“, erklärt Sabine Clausecker überspitzt. Stattdessen vermittelt die Agentur Botschaften und Themen. Ein Schwerpunkt der Arbeit sind partizipative Angebote. Man wolle die Leute mit ins Boot holen, sie aufklären und mit ihnen in einen Dialog treten. Die Menschen sollen sich informieren, interessieren und engagieren. So wie beispielsweise bei der Informationsoffensive der Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB), die für den Netzausbau im Zuge der Energiewende werben. An dieser Stelle unterstützt CB.e die ÜNBs bei der dialogorientierten Prozesskommunikation. Ein illustrierter Film etwa informiert über den Netzentwicklungsplan Strom. Zu sehen ist er auf der zugehörigen Internetsei- te, die auch CB.e realisiert hat. Über eine Eingabeplattform können geplante Maßnahmen kommentiert werden, so dass die öffentliche Meinung die Verantwortlichen erreichen kann. Ebenso betreibt die Agentur die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit und organisiert Veranstaltungen für interessierte Bürgerinnen, Bürger, NGOs und Betroffene. „Es geht nicht darum, den Leuten einfach etwas vorzusetzen und zu sagen: Das ist es jetzt“, sagt Clausecker, sondern sie – soweit möglich – in den Prozess einzubinden. Neben der klassischen Unternehmenskommunikation ist die Agentur außerdem noch in anderen Bereichen tätig. Sie konzipiert zum Beispiel Messestände und Ausstellungen. Kommunikation im Raum nennt sich dieses Arbeitsfeld. Zusätzlich organisiert die Agentur große Events wie die Hauptversammlungen von Daimler und Lufthansa oder das Sommerfest des Bundespräsidenten. Dann betreuen die Kommunikations-Profis bis zu 12.000 Gäste in der Messe Berlin oder im Schloss Bellevue. In dem Moment schlägt das Herz nicht nur am Knie. (spa) CB.e Clausecker | Bingel AG Agentur für Kommunikation Ernst-Reuter-Platz 2 | 10587 Berlin www.cbe.de 18 \ Kluge Köpfe. Kreative in der CITY WEST Ein moderner Nomade Catalin Enache ist kein Traumtänzer, sondern einer, der den Mut hat, an seine Träume zu glauben lehnen. Mit ihnen hat Enache seinen Stil, seine eigene Technik gefunden. In zurückhaltenden, gräulich-bräunlichen Farben lehnen sie da, ganz eigenwillige Leinwände, mit Kunstharz und Öl bearbeitet. Herausgekommen ist etwas, das man so nicht kennt, das aber sehr ausgereift scheint. Enache hat geknotet, gewickelt und mit Farbe experimentiert. Die fünf abstrakten Gestalten, die sich auf der Leinwand aufreihen, sind nicht gemalt. Sie sind vielmehr durch das Zuknoten entstanden, die Bilder haben sich gewissermaßen selbst komponiert. Sie haben ihre ganz eigene Struktur, ja Natur entfaltet. „Ein Künstler kann so etwas Komplexes nicht selber schaffen. Ich war eher eine Art Hilfsarbeiter, der bei der Ausführung behilflich war. Dort spricht die Natur selbst.“ Catalin Enache Als Catalin Enache der Mutter seines Kindes von der Idee mit dem Brillengestell erzählt, verlässt sie ihn. Er sei ein Traumtänzer, er habe eine Familie zu versorgen, da sei kein Platz für Träumereien. „Es ist heute nicht mehr normal, an Dinge zu glauben. Für viele haben Träume keinen Sinn mehr. Ihnen fehlt der Mut, etwas zu verändern“, sagt Enache, der ursprünglich aus Bukarest stammt. Er kann nicht anders, er ist ein Nomade. Er folgt seiner Natur, seiner Intuition. Sie hat ihn von Rumänien über Italien bis hin nach Berlin geführt. Von der Architektur über die Malerei und Fotografie bis hin zu seinem Patent mit dem Erfindungstitel „Holzbrillengestell mit kompaktem auseinanderziehbarem Scharniersystem ohne Schrauben“. Es ist ein Gefühl aus der Kindheit, das sich einstellt, wenn man Catalin Enaches Erfindung in den Händen hält: Dann, wenn sich der Rahmen ganz natürlich um die Gläser schließt und wenn Bügel und Gestell am Scharnier ineinander gleiten. Klack. Dann ist es da: das Puzzlegefühl. Es ist eine Art mechanisches Puzzle, das der Künstler entworfen hat. Da wird nichts geschraubt oder aneinandergeklebt. Der Rahmen ist so konstruiert, dass Bügel und Gestell genau ineinander passen. Enache sitzt am Tisch seiner Charlottenburger Wohnung und blickt auf die Straße in ein bürgerliches Wohnviertel. „Es ist schön hier in der City West. Diese Gesetztheit bringt Ordnung in das Leben“, sagt der Künstler. Er wirkt ruhig. Endlich scheint Ruhe beim ihm eingekehrt zu sein – nach einer schwierigen Zeit des Suchens. Das sieht man auch seinen Bildern an, die an der Wand Auch seine Erfindung führt ihn wieder zurück zur Natur: „Ich lerne anhand dieser Brille etwas über sie. Holz zum Beispiel kann sehr elastisch sein. Das wusste ich vorher nicht“, sagt Enache und biegt den Bügel der Brille stark. Doch trotz aller Natürlichkeit werden die Kunden von „WD Eyewear Berlin“ später einmal eines vergeblich suchen: die Modevokabel „handmade“. Die zehn Gramm leichte Brille ist zwar letztlich ein Stück Natur für die Nase, aber an ihr ist nichts handgemacht. „Hightech made in Berlin-Brandenburg“ würde es eher treffen. Wer das Geheimnis hinter dem Brillengestell entdecken will, muss zu einem fahren, der an Enaches Idee geglaubt hat – zu Hauke Reiser, Chef der Firma „Schichtwerk“ in Potsdam. Zu 80er Musik von Bronski Beat tanzt dort die CNC-Maschine über das Birnenholz: Die Kugelfräse rast über das Stück, schleift Ecken und Kanten und ritzt filigrane Rillen in das Holz. „Achtung, jetzt! Der Kopf bearbeitet das Gestell jetzt schräg von oben. Und das bis zur dritten Nachkommastelle genau. So präzise würde das ein Mensch nie hinbekommen!“, ruft Reiser euphorisch in das Fräsgeräusch der CNC-Maschine hinein. Er hat ihr beigebracht zu tanzen. Neben dem Glaskasten, in dem die Fräse vor sich hin schafft, rattern Zahlen und Formeln über einen Bildschirm. Es sind die 55371 Befehle, mit denen Reiser die Maschine programmiert hat. Sie geben jeden Winkel, jede Achse und jede Bewegung an, die das Gerät ausführen soll. Ungefähr 90 Minuten braucht es dazu. Noch arbeiten Catalin Enache und Hauke Reiser an einer vorläufigen Variante, sie feilen noch – oder vielmehr die CNC-Maschine am Prototypen. Für das kommende Jahr wollen sie drei bis vier verschiedene Modelle erarbeiten. Enache schwebt neben Ausführungen mit anderen Holzarten auch eine exklusive, mit japanischem Urushi-Lack veredelte Variante vor. Bei ihm hat vieles zusammengespielt: Der Zufall, dass er Hauke Reiser getroffen hat. Seine Nomadennatur. Sein ästhetischer Sinn. Die Natur und sein Traum. Doch das Brillengestell, das die Fräse gerade aus dem Birnenholz herausarbeitet ist ganz real. „Run away, turn away, run away, turn away, run away“ singt Bronski Beat. Wegrennen aber muss Catalin Enache nicht mehr. Er ist angekommen – vorerst. (suh) WD Eyewear Berlin Düsseldorfer Straße 11 | 10719 Berlin www.wd-eyewear.com Kluge Köpfe. Kreative in der CITY WEST / 19 Gespür für das Richtige KPM-Chefdesigner Thomas Wenzel wagt den Spagat zwischen Moderne und Tradition und stößt dabei auf Kartoffeln und die Schönheit von Unkraut Wer Thomas Wenzel ein bisschen besser verstehen will, muss den Umweg über die Kartoffel gehen. Denn der Chefdesigner der Königlichen Porzellan-Manufaktur Berlin (KPM) ist bescheiden. Er erzählt nicht gerne von seinen Erfolgen – und wenn doch, dann mit dem Einschub: „Das schreiben Sie jetzt aber nicht.“ Als das 300-jährige Jubiläum Friedrich II. anstand, wollte Wenzel nicht das x-te Konterfei des großen Königs entwerfen, dessen Insignien die Berliner Porzellan-Manufaktur auch heute noch schmücken. Wenzel wollte den preußischen Schwermut aufbrechen und etwas Humorvolles machen – und stieß auf die Kartoffel und die vielen Geschichten, die sich um sie, den alten Fritz und Voltaire rankten. In einem Nebensatz sagt Wenzel dann: „Die Kartoffel als solche, das ist so eine wunderbare Frucht. Für mich hat sie eigentlich nur gute Eigenschaften: Sie liegt unter der Erde und prahlt da nicht mit irgendeiner Farbe herum. Letztlich hat sie aber die Welt erobert.“ genau dies dann nicht zu tun. Kreative Menschen seien in gewisser Weise auch Störer. Menschen, die Sehgewohnheiten aufbrechen, streiten und sich durchsetzen. „Deshalb kommt der Kreative auch schnell in den Verruf, ein bisschen verrückt zu sein. Die Zeit aber gibt ihm meistens recht“, sagt Wenzel und fügt schnell hinzu, dass er damit nicht unbedingt sich selbst meine. Doch genau das ist es, was er tut. So hat er zum Beispiel den Spagat zwischen Moderne und Tradition ausgerechnet bei dem Service „Berlin“ gewagt. Als die Fachwelt davon Wind kriegte, war sie entsetzt: Blumenmalerei auf Enzo Mari?! Das Ergebnis aber überzeugte. Wenzel war auch hier den Weg der Kartoffel gegangen: Wo andere auf Rosen, Tulpen und Narzissen gesetzt hätten, hat sich der Designer für Gänseblümchen, Hopfen-Luzerne und Zwerg-Alpenglöckchen entschieden. Er hat die Schönheit des Unkrauts, des Kleinen und Bescheidenen entdeckt. Wenzel erläutert: „Man braucht ein Ge- Thomas Wenzel Vielleicht ist Thomas Wenzel auch eine solche Kartoffel. Er prahlt nicht, trifft aber mit dem, was er tut, den Geschmack der Menschen. Seit 1989 arbeitet der Thüringer hinter den Kulissen der Manufaktur, entwirft Formen und Dekors, arbeitet mit großen Designerinnen und Designern an neuen Services. „Wir profitieren von unserem Standort bis heute. Berlin ist eine Kulturmetropole und zieht die Künstler an“, sagt der 49-Jährige. Bereits seit 1871 sitzt das Unternehmen im Tiergarten, wo sich Thomas Wenzel täglich der Herausforderung stellt, die die Arbeit in einem Traditionsunternehmen wie KPM mit sich bringt: dem Spagat zwischen Tradition und Moderne. Wie groß diese Aufgabe ist, erschließt sich jedem, der an den Vitrinen der Ausstellungsräume entlangläuft. Wer dies tut, erlebt ein Phänomen: Man wandelt zwar an der Vergangenheit vorbei, bleibt jedoch immer in der Gegenwart. Denn das, was man dort sieht, ist zeitlos. Die Teller, Vasen und Schüsseln aus längst vergangenen Jahrhunderten wirken noch genauso aktuell wie das Bauhaus-Geschirr Urbino oder das Service „Berlin“ von Enzo Mari aus dem Jahr 1996. Und sollte etwas doch zu angestaubt anmuten, ist es die Aufgabe von Thomas Wenzel, alte Werte neu zu interpretieren. Er hat dann keine Scheu, einer klassizistischen Amphore einen neuen Anstrich zu verpassen. Dabei geht Wenzel eigene Wege. Wenn er den Auftrag bekommt, mal zu schauen, was andere so machen, tut er das. Aber nur, um spür für das Richtige. Mitunter ist das eben so: Wenn einer Gas gibt und alle sagen, wir müssen auch Gas geben, dann ist es vielleicht richtig zu sagen: Moment, wir bremsen jetzt mal.“ Das bedeutet übrigens nicht, dass Thomas Wenzel nicht auch mal beschleunigen kann. Eines seiner Projekte hatte sogar ziemlich viel PS unter der Kühlerhaube: Gemeinsam mit Bugatti hat KPM einen Wagen mit Porzellanelementen entworfen – sowohl im Außen- als auch im Innenbereich. Dabei sind Welten aufeinander geprallt: Industrie auf Manufaktur, Stahl auf Porzellan, Präzision auf einen lebendigen Werkstoff. „Die Ingenieure hatten eine ganz andere Denkweise. Für sie war alles immer ganz einfach, aber bei uns bewegt sich der Werkstoff noch einmal, wenn er gebrannt wird“, erläutert Wenzel die Besonderheit des Porzellans, das beim Sintern schwindet. „Es bäumt sich noch einmal auf.“ Unter anderem sind Tankdeckel, Fußleisten und die Mittelkonsole in Porzellan gestaltet. Letztere lässt sich sogar herausnehmen und in eine Schale für einen Picknickkorb umfunktionieren. Dort ist sie allerdings als Behältnis für Kaviar konzipiert – die Kartoffel wäre in diesem Fall dann doch zu bescheiden. (suh) KPM Königliche Porzellan-Manufaktur Berlin GmbH Wegelystraße 1 | 10623 Berlin www.kpm-berlin.com Kontakt Hedwig Dylong | Regionalmanagement CITY WEST hedwig.dylong@berlin-city-west.de | Tel. +49 (30) 31 01 52 00 | www.berlin-city-west.de Jan Berewinkel | Berlin Partner für Wirtschaft und Technologie GmbH | Projektmanager Unternehmensservice jan.berewinkel@berlin-partner.de | Tel. +49 (30) 9029-13111 | www.berlin-partner.de Impressum Herausgeber: Regionalmanagement CITY WEST Eislebener Straße 9 10789 Berlin Kooperationspartner: Berlin Partner für Wirtschaft und Technologie GmbH Unternehmensservice Charlottenburg-Wilmersdorf c/o Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf von Berlin Wirtschaftsförderung Otto-Suhr-Allee 100 10585 Berlin Beratung: Unternehmensservice Tempelhof-Schöneberg, Natalia Kontos Konzeption: Hedwig Dylong | Jan Berewinkel | Dirk Spender Redaktion: Hedwig Dylong | Jan Berewinkel | Thomas Krahl Layout: Thomas Krahl Text: Susanne Hörr (suh) | Stefanie Paul (spa) | Regionalmanagement (rm) Lektorat: Miriam Pieschke Fotocredits: S. 4 oben: Thomas Graham | Seite 4 unten: Paul Green | S. 5 oben: © Arup Deutschland GmbH, Entwurf: Prof. Hans-Peter Kuhn und Arup | S. 5 mitte: Jan Bitter | S. 5 unten: Nikkol Rot für Holcim | S. 6: Tim de Gruisbourne | S. 7 oben: Janne Peters | S. 7 unten: Martin Peterdamm | S. 8 unten:York Christoph Riccius, Foto mitte für smint | S. 12: Gustav Willeit, Model Christiane Gamper | S. 15 oben: © Martin Walz | S.15 unten: © Sticky & Sweet | S. 16: Tamschick Media+Space | S. 17: © CB.e Clausecker | Bingel AG | S. 18: © WD Eyewear Berlin |S. 19: © Elke A. 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