Edition Rugerup

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Edition Rugerup
Edition Rugerup
Thomas Kunst
Legende vom Abholen
Einbandbild: Matthias Hoch
Paris #45, 1999 (Detail)
© 2010 VG Bild-Kunst Bonn
Courtesy Dogenhaus Galerie Leipzig
Erste Auflage 2011
Alle Rechte der deutschen Ausgabe
© 2011 Edition Rugerup
Rugerup 8379 / 24296 Hörby / Schweden
Satz: Edition Rugerup
Einbandgestaltung: Johan Laserna, Torna Hällestad
Druck und Bindung: Preses Nams, Riga
Printed in Latvia
ISBN: 978-91-89034-38-9
www.rugerup.de
Legende vom Abholen
»Ohne die Geste des Liebens ist jede kommunikative
Geste ein Irrtum.«
(Vilem Flusser)
»Wenn ein Mensch an einen anderen durch eine
Zuneigung gebunden ist, in der ein beliebiger Grad
von Notwendigkeit erhalten ist, so ist es unmöglich,
daß er zugleich seine eigene Autonomie und die des
anderen zu wahren wünscht.«
(Simone Weil)
»Ich liebte dich so sehr, daß ich mich nicht in Acht
genommen habe.«
(Pascal Bonitzer)
Hilde ist bestimmt gar nicht nach bonn gefahren,
Nach Koblenz, Andernach, nach Kiel,
Sie muß hiergeblieben sein, ich spüre mit dem Finger
Ihre Piercingreste in der Luft, wir heirateten zwei
Mal im Schlaf, von allen Seiten, zum Glück
Vergaß sie, ihre Jacke mitzunehmen, ich habe
Mir vorgenommen, kleiner zu werden, mit
Kleineren Kartoffeln, kleinerem Obst, Steakmedaillons und
Winzigen Getränken, ich habe meine Arme
Mit Wäscheleinen enger geschnürt, ich schlafe
Nur noch mit hochgezogenen Knien, ich lese nur
Noch die Buchzeilen genau in der Mitte, ich stelle
Mich tagsüber gekrümmt vor meinen geöffneten
Kühlschrank, probiere,
Mit den Händen phasenweise
Drin zu wohnen, lege
Weinverpackungen und Melonentrümmer
Auf die Arme, Arme
Mit nichts dahinter, ich
Hebe ständig Schnecken vom Boden auf, Grashalme,
Filterpapier und die Kinder von Ameisen, ich gehe
In die Hocke und bleibe so, ich binde mich
An einem Baum fest und versuche jetzt, von
Ganz allein zu bluten, ich schlenkere mit den
Armen, warte auf Wölfe und Haie, die auch mal
Für umsonst schwimmen, bin ich
Schon kleiner geworden, Hilde, ich winke ja
Gar nicht, ich warte, ich esse, ich teile
Mir mit den Wespen den kleinsten,
Jemals von einem Ast gefallenen,

Aufgesprungenen Apfel, ich bin schon
Kleiner geworden, du mußt
Hiergeblieben sein.

I
Schulstoff für gleich
Zieger, böhmer, anders, cartarescu,
Salamun, O’Hara, Ferlinghetti,
Lieber Latzina als Eminescu,
Nordbrandt, Bobe, Carver, Ungaretti.
Bachmann, Zagajewski, Char, Artaud,
Benn,Vallejo, Müller,Vlavianos,
Aleixandre, Nezval, Haavikko,
Brinkmann, luga, Carpenter und Ritsos.
Christensen und Coles, Achmatowa,
Schiller, Plath, Montale, Born und Brasch,
Williams, Krolow, Faverey und Mistral.
Cummings, Sexton, Hilbig, Naum, Gongora,
Ashbery, Bukowski, Huchel, Juhasz,
Tranströmer, Pavese, Cardenal.

Die jungen dichter und die mittelalten,
Die weggestorbenen, die ignorierten,
Die von Kritik und Presse isolierten:
Die ihre Poesie für sich behalten.
Anthologien, Eigen-Editionen,
Verbündete im Kampf um Anerkennung,
Die Unterdrückung und die Selbsternennung,
Die Starre der Conrady-Illusionen.
Diskurse nur von denen, die sehr schwache
Gedichte schreiben, ohne sich zu schonen,
Ich würde gerne gute Texte lesen.
Gesänge, die ich zu Gewinnern mache,
Die würden sich für andere gar nicht lohnen,
Ich bin noch nie in Montpellier gewesen.

Die panzerkommandanten haben nein
Gesagt, der Zug nach Prag fuhr in den toten
Oktober, Knast und Medizin nach Noten.
Das Bürgertum am Hang kämpfte allein.
Gedichte von Bukowski, Biermann. Zittern,
Ob Republiken sich das bieten ließen,
Das Heldenepos vorher abzuschließen:
Armeezeit, süße Krankheit Gestern, Schlittern
In neue Aussichtslosigkeit, absurde
Groteske: Persönlichkeitsverklärungen
Im Westen Anlässe für Ehrungen.
Wer weiß schon so genau, was aus uns wurde.
Nach zwanzig Jahren ist noch nichts zu Ende.
Erwarte endlich den Roman zur Wende.

Im süden deutschlands gibt es parodisten,
Die meine Texte lieben, ohne Zweifel,
Sie stehen fein sortiert auf meinen Listen
Und wohnen zwischen Alsbach und der Eifel.
Sie mögen Heidelberg und all die Nester,
Es muß Verehrung sein, so wie sie dichten,
Nach mir ihr schmales Tagwerk auszurichten
Bedeutet: die Begeisterung wird fester.
Sie kennen sich mit Frauen aus, mit Kissen,
Mit Leibern und Sonetten, die noch bleiben,
Es geht in Ordnung, daß sie sich verneigen.
Das können Parodisten ja nicht wissen:
Daß sie nur jene Texte übertreiben,
Die ihnen drastisch ihre Grenzen zeigen.

Ach wäre ich nur im hinterland (geblieben),
Im Vorderland logieren keine (Gönner),
Doch, karg und listig, einen (Einzelkönner)
Gibt es in Sistig, wie wird das (geschrieben).
Es ist verdienstvoll, Poesie zu (lieben)
Und Dichter zu begleiten, die sich (lohnen),
Obwohl sie gar nicht in der Nähe (wohnen),
Was hat mich nur ins Vorderland (getrieben).
Wie gern schrieb ich noch etwas (königlicher),
Weil ich dazu gezwungen bin, ein (neuer)
Gedichtliebhaber steht bereit, ein (stiller)
Verwirrter von sich selbst, soviel ist (sicher),
Ironischer Rebell, der Theo (Breuer);
Er kommt für mich jetzt gleich nach Friedrich (Schiller)

Es gab schon bessere zeiten an der spitze,
Die Eitelkeit, das Intertextuelle,
Die Einzigartigkeit laut Tontabelle,
Ach, Dichter, wie ihr irrt, denn eure Blitze,
Die, repariert, die Netzwerke erfassen,
Die Sickergruben vor den Heizperioden,
Erfüllen das Vermächtnis von Dioden:
Den Strom in eine Richtung durchzulassen.
In eine Richtung nur, ach, Falkner, ruhe
Dich endlich etwas aus von den Gedichten;
Die sind so anfällig wie Ballacks Knie.
Du bist ja fast modern mit dem Getue
Von Wehmut und den anderen Throngeschichten,
Kein Tod hat seine eigene Galaxie.

Wir reden nicht mehr viel, wir zählen züge
Am Telefon, du chattest nebenbei,
Die Gegenseite hat die Hände frei,
Ich wiederhole mich dabei, ich lüge,
Daß es mir gar nichts ausmacht, dich zu hören,
Wie du dich aufteilst zwischen zwei Systemen,
Mir zuhörst, schreibst, nur von dir Abstand nehmen:
Das könnte ich nicht, ohne dich zu stören.
Die Traurigkeit ersetze ich durch Leere,
Verlassenheit durch übertriebene Tage,
Die Angst durch Herbstgefühl und Apathie.
Wenn ich dir jetzt am Apparat erkläre:
Ich repariere die Igelwaschanlage,
Verstehst du deinen Bildschirm sicher nie.

Ich werde müde, weil ich nicht mehr dreizehn bin,
Zu keiner DDR gehöre, zu keiner Schule,
Mich fickend, pissend, scheißend in den Medien suhle,
Gewalt und Sex kopiere, Angepaßtheit hin
Und Angestrengtheit her, Bekanntheitsmetastasen
In jedem Zeitungswinkel, in den Talk Show Soaps,
Mit siebzehn hätte ich alles hinter mir, des Lobs
Nun voll: ließ ich mir von den Jurys einen blasen.
Ich käme, käme, hätte endlich Spaß am Schreiben,
Es gäbe kein Land, in dem ich lieber sterben würde:
Die Ostsee und der Rewemarkt, Getränkegleise.
In Sachsen lohnt es sich, noch länger wach zu bleiben
Das Meer nimmt hier am Bahndamm seine letzte Hürde,
Ich ahme den Gang von Fliegen nach und werde weise.

Kelly, brautigan, tammuz, landolfi,
Koeppen, Flusser, Brodsky, Eigner, Barnes,
Cheever, Kristof, Bove, Guibert, Onetti,
Herhaus, Hilbig, Meckel, Coetzee, Charms.
Faulkner, Bishop,Vesper, Eich,Vian,
Babel, Barthes, Bataille, Albert-Birot,
Hofmannsthal, Koltes und Maupassant,
Pynchon, Bernhard, Cortazar, Blanchot.
Neumann, Nooteboom und Kennedy,
Fauser, Brinkmann, Johnson, Strauß und Jahnn,
Inoue, Rougemont und Robbe-Grillet.
Tschechow, Buber, Selby, Ferenczi,
Kafka, Murakami, Zürn und Mann,
Pavel, Kleist, Roussel und Depardieu.

II
Coelho und die Fische
Du kannst mit deinen blicken nicht verhindern,
Daß unsere Seelen tanzen und sich binden
Und sich mit ihrem alten Glück abfinden,
Du gehst zu früh, mußt langsam zu den Kindern.
Ich bin mit Telefon umhergeirrt
Und kann die Illusionen gut verstecken,
Die unterdrückte Nächte in mir wecken,
Bevor mein Schmerz im Frühjahr russisch wird.
Die Birken können mir gestohlen bleiben,
In einer Ehe gibt es keine Birken,
Die weiten Wohnungsflächen sind Legenden.
Ich sehe auf Koppeln Kinder Fohlen treiben
Und sich danach verschanzen in Bezirken
Aus altem Glück und freien Wochenenden.

Vorvorletzter abschiedsbrief an yasmouni, yasmouni.
Freitag, sechsundzwanzigster September, elf Uhr
Zehn, zehn, vor mir eine Tasse mit Moreno, die
Mit dem größten Fassungsvolumen, damit ich
Nicht mehr so oft aufstehen muß, ich, der nicht
Gerade häufig reiste, kein Grund, zu
Schwitzen, Getränkeherbst mit aufgescheuerten
Blumen, die Blüten auf dem Wannenrand und im Küchenausguß, alles im Rahmen und zum Abschluß der
Japanischen Wochen bei mir, vormittags schon etwas
Anderes zu trinken, wäre mir lieber, Sake mit
Stäbchen und Tee, Tee, keine Ahnung, wo ich heute
Nacht bin, der Dalmatiner meiner Nachbarin hat
Knoten an der Säugeleiste, sie zu
Entfernen, lohnt sich wohl nicht
Mehr, ich war mit den
Beiden im Zoo, mehr, ich sah gestern völlig umsonst
Ziemlich gut aus, den ganzen Tag über, die
Unterarmlinien, die Stirnhaut, die Stirn, aber jetzt
Weiß ich immerhin, daß Wäsche schneller trocknet vom
Danebensitzen.

Ich habe schon die anzahlung gemacht
Für das Ferienhaus in den letzten
Beiden Oktoberwochen, du erinnerst dich doch
Hoffentlich daran, daß wir den Kindern, für
Ihre guten Noten, besonders in den
Naturwissenschaftlichen Fächern, versprochen
Haben, in diesem Jahr noch einmal
Ans Wasser zu fahren, manchmal denke ich
Wirklich, Musikschule, Ballettkurs, Judo und
Dann auch noch Tennisunterricht, das wird
Alles zuviel für sie, wir könnten die Angel
Mitnehmen, Ratespiele und zwei frankierte
Briefumschläge wegen der Eltern, deine Mutter
Ist immer so eigenartig am Telefon, wenn ich
Ihr sage, daß es uns allen gutgeht, stimmt
Das etwa nicht, ich habe ihr erzählt, schimpf
Jetzt bitte nicht mit mir, du schreibst
Seit über einem Jahr an einem Gedicht
Für Marilyn Monroe und kriegst es wahrscheinlich
Auch in diesem Urlaub wieder nicht fertig.

Es hätte alles so schön werden können, mit
Bjinga und mir, Bjinga heißt auf isländisch
Birnenbaum, aber das hilft mir jetzt auch nicht
Mehr weiter, ihre Art, nur ein einziges
Mal vor unserer Bücheranstalt, das rechte
Schulterstück meiner Kapuzenjacke zu küssen: das wäre
Es bestimmt für immer für mich gewesen, sie hatte
Mich zu sich nach Hause eingeladen, wir wollten uns
Videos oder DVDs reinziehen,Videos, dann
Brauchte sie hinter den Geräten wenigstens nicht wieder
Alle Kabel umzustecken,Videos zum Zurückspulen, falls
Sie die gleichen Filme zum Beispiel gerade
Mit meinem Vorgänger gesehen hatte, alles nur Filme,
Bei denen sie weinen mußte oder sogar unbedingt
Weinen wollte, ich weiß nicht, ob sie ein Glückskind
War, mit einer ähnlichen Veranlagung wie ich, zur
Gleichen Zeit das andere zu empfinden, wir konnten
Uns kaum beruhigen, weil unsere Unterarme
Auf den Lehnen so verläßlich waren, das wäre es bestimmt
Für immer für mich gewesen, sie bereitete in der Küche
Das Essen vor, Lachs auf Spinat, Walnußbett und Schlagsahne,
Und ich stand derweil mit einem Glas Weißwein in der Hand
Neben ihrem Bücherregal, warum in aller Welt, ich frage
Mich das schon seit Jahren, warum gibt es
Nur immer wieder Frauen, die Coelho lesen, kaum noch
Was anderes, Birnenbaum, wir hätten doch alles
Entscheidende noch vor uns gehabt, wir haben zusammen
Lachs gegessen, als wir noch Hingucker waren, ich glaube,
Frauen, die Coelho lesen, machen sich fast nichts
Aus Fleisch und Schnaps, besuchen lieber
Ganzheitliche Seminare, wie schade, ein Steak
Im Bierteigmantel, das wäre es jetzt, von zuviel Heilkraft

Kriege ich nämlich Fieber, Bjinga, du mußt mich dann von
Außen retten, wir haben zusammen Lachs gegessen, ich habe
Durst, wir haben unser Blut
In unseren Unterarmen ab einem ganz gewissen Zeitpunkt
Alles selber machen lassen, ohne es zu
Kontrollieren und zu schonen, die Härchen richteten
Sich auf und standen einzeln dafür da, doch endlich
Loszuheulen, die Ärmel hoch, das Glück so
Weiß und abgefüllt, betreutes Wohnen, Birnenbaum,
Birnenbaum heißt auf isländisch Bjinga, wir hätten doch alles
Entscheidende noch vor uns gehabt, wir haben
Zusammen Lachs gegessen, Wein getrunken, rumgesponnen,
Sekunden verabschiedet, Sekunden und ihre lächerlichen,
Seelischen Nachahmer, wir haben Brücken am Fluß gesehen, der
Regen auf der Kreuzung war ganz schön weit weg von
Zu Hause, wir haben zugenommen, abgenommen, geweint,
aber wir
Hatten an diesem Abend auch beschlossen, Birnenbaum, wirklich
Niemals zu sterben.

Fitness, yoga, animals, aber solange sie
In der Tiefen Gastronomie arbeitete und
Ihre Kleider über der Hose trug, konnte sie
Sich von mir aus für sonstwas interessieren, bunte,
Geblümte, etwa knielange Kleider über der Hose, einmal
Hatte sie mich zum Frühstück eingeladen, gleich
Nach dem Ausschlafen, nach ihrem Ausschlafen an einem Feiertag
Im November, ich speise nur ungern allein, sie
Öffnete mir im Bademantel und meinte, sie
Sei noch nicht ganz fertig mit den Vorbereitungen, ich
Hängte meinen Mantel in den Flur, ging vor dem Essen
In ihr Badezimmer und sah, daß sie
Das Wasser in der Wanne noch nicht ablaufen gelassen
Hatte, kein grünes Wasser mit Schaumresten, wie ich
Es noch aus meiner Kindheit kannte, sondern klares, sehr
Nachhaltiges Wasser, bestimmt für das Klo und die Blumen, ich
Wollte nur noch weg, um diesen unseligen Kreislauf zu
Unterbrechen, nahm ich die fast leere Boccamintflasche
Vom Regal, was gut ist für die Zähne, muß auch gut
Für den Kopf sein, schraubte den Deckel ab, spülte
Die Flasche aus und drückte sie an der Stelle
In ihrer Badewanne unter Wasser, an der Halsgrübchen,
Schlüsselbein und Brüste gewesen sein müssen, etwa auf
Halber Höhe, auf der anderen Seite
Vom Wasserhahn und vom Stöpsel, näher an Amerika dran als
An Europa, ich schraubte die Flasche wieder zu, versteckte sie
Hinter meinem Rücken, spülte die Toilette, ohne dabei
An Afrika zu denken, gottseidank war sie
Noch immer mit den Frühstücksvorbereitungen in ihrer Küche
Beschäftigt, beinahe unbemerkt nochmal zum Mantel, hast du
Ein Taschentuch für mich, bring lieber gleich die
Ganze Packung mit, ich hatte kaum noch Appetit, ich wollte

Nur noch weg, nichts gegen selbstgebackenes Brot und NanaMinze, aber solange sie
Nicht in der Tiefen Gastronomie arbeitete und ihre Kleider
Auch nicht über ihrer Hose trug, bunte,
Geblümte, etwa knielange Kleider, konnte sie
Sich von mir aus für sonstwas interessieren, denn ich
Hatte jetzt wirklich all das, was ich zum Leben
An einem Feiertag im November brauchte, eine
Boccamintflasche
Mit dem Badewasser ihres Halses, ihrer Brüste, ich goß
Diese 500 ml in meinen Wasserkocher, brach den Vorgang aber,
Schon kurz bevor das rote Lämpchen ganz erlosch,
Ab, damit nicht alle wertvollen Inhaltsstoffe für immer
Vernichtet wurden, denn Wasser, wenn man es
Nicht zu sehr unter Druck setzt und scheinbar fast
In Ruhe läßt, erinnert sich, auch
Später noch, an
Alles.

Ich trage immer einen fisch bei mir, für alle
Fälle, falls ich bei dir noch Licht
Sehe, ich bin ein Schuft, ich sehe immer Licht bei
Dir, seit vielen Jahren, ich nehme nie den
Gleichen Fisch, denn das verbietet mir mein
Stolz, die Tage verbringe
Ich mit meinem Boot auf dem Bodden, ich fahre die
Reusen ab und stelle mich
Tot, ich kann mich nie entscheiden, hast du auch
Mehl im Haus, Zitronensaft und Brot, ich brauche immer nur
Diesen einen Fisch, diesen einen ScheißFisch für dich, falls ich bei dir noch Licht
Sehe, ich trinke einen Klaren, was soll’s, es ist fast
Unmöglich, mit einem Korb nur einen Fisch nach
Oben, an die Luft, zu heben, bewahre, ich brauche aber nur
Den einen, wenn ich gehe, was mache ich mit dem Kopf,
Dem Schwanz, seit vielen, viel zu vielen
Jahren, die anderen Fische haben mir
Vergeben, die Tage verbringe ich in meinem Boot
Auf dem Bodden, falls ich bei dir noch
Licht sehe.

Ich trink mit dir, ich reite, und ich fechte,
Kein Leben ohne dich, Helene von.
Und hinter meinem toten Telefon
Beginnt die Stadt der Zweifel und der Nächte.
Wenn du nicht rangehst, schläfst du oder spielst
Mit Freunden in der Küche Klassenfahrt,
Der Herd ist Moen, die Spüle Leningrad,
Getränke in der Pampa, und du zielst
Mit der Musik, die läuft, in mein Gehirn,
Die Wellen konzentrieren sich, die Küste
Ist nicht mehr das, was sie mal war, bricht ab.
Der Herd ist an, die Helligkeit der Stirn
Ist nicht so gleichgültig wie sonst, ich müßte
Hygienisch leben, doch die Zeit wird knapp.

III
Kaputt in Marseille
Gelächter und gewässer, nicht ein fehltritt.
Gewirr aus Überinterpretationen,
Gedanken, die mich mangelhaft belohnen,
Ich liebe dich nicht mehr, bring Öl mit.
Ich habe mich geirrt, Irritationen,
Den Leib betreffend, fielen aus, verschon mich
Mit Freundschaft und Gedöns, es wird wahrscheinlich
Darauf hinauslaufen, das zu betonen.
Ich hebe nichts mehr auf, ich schmeiße alles,
So wie es kommt, von dir, in den Container,
Die jämmerlichste Sehnsucht kann mich locken.
Ich warte weiter auf ein Zeichen, falls es
Dich interessieren sollte, Paul Verlaine, er
Verzieh dem Glück und blieb nicht länger trocken.

November neunzehnhundertvierundsiebzig, die erste
Flucht aus meiner Republik war gar keine Flucht,
Sondern eine Entführung, die von den zuständigen
Behörden und damaligen Führungskräften des Staates
Zum Glück nicht vereitelt werden konnte, es war
An einem Sonntagnachmittag, als ein paar Kreolen und
Ein paar Männer vom indischen Subkontinent in das
Wohnzimmer meiner Eltern drangen, mir die Haare
Mit einem Lederstrick nach hinten banden und mich
Auf einer langen, gefahrvollen Reise durch Regen,
Staub, Hitze, Schnee und Wüstenwinde, über Frankreich,
Spanien, Zentralafrika, Tansania und Madagaskar bis
Hinüber nach Mauritius verschleppten, wo ich als
Aufseher in einer Zuckerrohrplantage arbeiten mußte,
Mit den Gepflogenheiten dieser Arbeit machte ich mich
Schnell vertraut, das Schneiden des Rohrs erfolgte
Neun bis vierundzwanzig Monate nach dem Auspflanzen
Mit einer Machete, gleich über dem Boden, ich gestattete
Meinen Untergebenen, das Feld vor der Ernte vollständig
Abzubrennen, dann blieben nämlich nur die Stangen
Übrig, und die Blätter zerfielen zu Asche, Rauch und die
Dampfenden Überreste nicht mehr rechtzeitig geflohenen
Wildes, mein Haus lag direkt am Meer, ich sehe noch
Die Masten und Segel der Saint Geran vor mir, die Riffe
Von Gunners’ Coin und Amber Island, das Überwachen
Meiner Bediensteten in der Pflanzung bereitete mir
Eine ungeahnte Freude, aber erst als ich so durchtrainiert
Und braungebrannt war wie meine Sklaven, erlaubte ich
Ihnen wieder, mit freiem Oberkörper ihren täglichen
Verrichtungen nachzugehen, über einen derart von
Der Sonne verfärbten Leib konntest du dir selbst den
Letzten Stoff eines Segeltuchfetzens streifen und

Hattest dennoch alle gegen dich, den Lederstrick hatte
Ich schon längst beim Baden und Schwimmen in den Fluten
Verloren, damit die Verständigung untereinander noch
Reibungsloser funktionierte, sah ich mich gezwungen,
Einmal in der Woche nach Port Louis zum Französischunterricht
Zu fahren, der alte Domingo begleitete mich auf seinem
Fuhrwerk in die Stadt, meine Lehrerin, oh mein Gott, meine
Lehrerin hieß Virginie und wurde nach meinen Nachhilfestunden
Immer von ihrem Freund Paul abgeholt, einem der
Wenigen Weißen auf der Insel, einem Bastard, der seinen
Vater nie gesehen hatte, ich hätte ihn am liebsten im Meer
Ertränkt oder von meinen Sklaven ans andere Ende der Welt
Verschleppen lassen, so unverbraucht, verheerend blond und
Sonnig, wie sie aussah, an einem dieser tristen Nachmittage
Im November,Virginie de la Tour, ihr Vater war lange
Vor der Geburt, als er auf dem Festland ein paar Schwarze
Kaufen wollte, um auf der Insel eine Pflanzung anzulegen,
An einem pestartigen Fieber gestorben, als ihre Mutter
Sie dann aber später wegen einer feineren Erziehung und viel
Geld zu einer Tante nach Paris schickte, wollte ich Paul
Auf einmal nicht mehr umbringen, wir verbrachten unsere
Tage und Nächte nur noch am Strand, Domingo versorgte uns
Mit Fleisch und Früchten, aus einer Kürbisflasche nahmen
Wir ein Getränk aus Wasser, Wein, Zitronensaft, Zucker und
Muskatnuß zu uns, meine Aufsichtstätigkeit vernachlässigte
Ich mehr und mehr, an den Wochenenden spielten Paul und ich
Immer Tristan und Isolde, Paul war für mich Isolde und trieb
Abwechselnd auf einem schwarzen und einem weißen Brett im
Indischen Ozean, schön weit draußen, so daß ich immer mehr
Durchdrehte und verzweifelte, Isolde, die meine Virginie
War und nicht Paul, ich sehe noch die Masten und Segel
Des Schiffes vor mir, wie sie den schweren Orkan kurz vor der

Einfahrt zum Hafen, unterhalb der Insel Ambra, nicht länger
Ertragen konnten, ich mußte jetzt auch ins Meer, an ein
Schiffstau gekettet, um Isolde endlich sterben zu sehen, in
Ihrem weißen Hochzeitskleid, auf dem berstenden Oberdeck
Der Saint Geran, Isolde, die nicht meine Virginie war, aber
Paul, warum zog sie sich nicht aus und wäre kalt und stolz und
Bleich und nur auf mich so zugetrieben, die Schaumkronen, die
Wellen an den Tränen des Matrosen, aber wir wollten Paul auch
Retten,Virginie und ich, Paul war meine Virginie, wir
Sprangen in den Ozean und kämpften vergeblich gegen diese
Fanatischen, fantastischen Wassermengen an, ich sehe noch die
Riffe von Gunners’ Coin und Amber Island vor mir, die beiden
Hütten auf dem Hügel, Badamiabäume, Tamarinden und Jambosen,
Port Louis, zweiter November neunzehnhundertvierundsiebzig,
Meine liebe Virginie, du enterbte, irrsinnige, durch zu
Viele seichte Romane so verlorene Frau, sollte ich heute
Am Strand ein steinförmiges Stück Holz finden, mache ich
Meine Plantage für einen Tag zu, die meiste Zeit verbringe
Ich mit deiner Mutter Sophie und auch mit Paul am Meer, sie
Gehen mir oft zur Hand, wenn ich sie rufe, der gute Domingo
Ist immer dabei, sein uraltes Fuhrwerk hat endlich den Geist
Aufgegeben, mein Französisch ist in den vergangenen drei
Jahren wieder schlechter geworden, Paul ist ein viel besserer
Schwimmer als ich und kennt sich so gut unter Wasser aus, daß
Ich mich dir gegenüber fast ein wenig zurückgesetzt
Fühle, die Halme werden gleich über dem Boden und direkt
Unter dem Blattapparat abgeschnitten, wenn die Felder vor der
Ernte nicht in Flammen stehen, Steine aus Holz, Orkane und
Schauer,Virginie, die Sklaven sind wieder
Schöner geworden, der Sommer dauert hier von November bis Mai.

Die letzte mücke des jahres, neben mir, an der
Weißen Wand einer Konzertschlosserei, das Konzert
War nicht gut, aber sie war gut, sie trug einen
Seltersfarbenen Shawl und hatte bestimmt keinen
Eintritt bezahlt, so verächtlich wie sie mich
Musterte, eine Mücke in der Größe
Zweier am Boden um ein Stückchen Wachs
Ringender Ameisen, wenn man das Stückchen Wachs
In der Mitte zwischen ihnen wegließ und sie gerade
Eine Linie bildeten, Akustikset mit SilentElectronica, am liebsten hätte ich mir
Einen Fingernagel abgebissen, ihn in Puderzucker
Getunkt und diesen gebogenen Balken
In die Nähe der beiden Streithähne gelegt, in der
Hoffnung, sie würden ihre so heftig umstrittene Beute
Nicht mehr länger für eine Nahrungsergänzung oder
Einen harten, versifften Wassertropfen halten, eine Reihe
Vor mir saß ein Personenschützer, ich erkannte das
Daran, daß er für diese Jahreszeit viel zu
Braun im Gesicht war, einen schwarzen Anzug trug und sich als
Einziger hier im Saal völlig auf seine Figur
Verlassen konnte, die Ameisen stammten sicherlich
Aus einer der Toreinfahrten seiner zu hohen
Profilsohlen, ich sah prüfend zum Ausgang, höchstens sechs,
Sieben, acht, neun Schritte, der abgekaute Fingernagel
Würde mir fehlen, aber ohne ihn und sein wildes Vermögen,
Immer auch Dreck an sich zu binden, wäre ich eben noch etwas
Zügiger an der Tür, ich wartete den Beifall zwischen zwei
Benachbarten Songs ab, hoffte im Ernstfall auf eine Zugabe,
Bemühte mich, indem ich meinen linken Fuß nicht links
vom Stuhl
Sondern rechts neben meinem anderen Bein aufsetzte, die

Beiden miteinander spielenden Ameisen nicht zu
Irritieren, ich versuchte, beim Aufstehen, mit meinem
Mantel nicht den geringsten Luftzug zu
Verursachen, damit die Mücke dachte, es
Würde alles auf der Welt so weiterlaufen
Wie bisher.

Schnee fällt auf melodie johnson, kein ganz
Einfacher Schnee, denn sie ist auch kein einfaches
Mädchen, hier draußen, vor der Turnhalle
Der Spiel Vereinigung Südwest, ihr Vater war
Als Elitesoldat in den achtziger Jahren
In Deutschland stationiert und soll viele Frauen
Gehabt haben, wenn es hart auf hart käme, würde
Ich zuerst ihre Mütze und dann ihre Haare
Trinken, um sicherzugehen, daß ich gar nicht erst
Bis zu ihren Haaren kommen würde, mein Gott, irre,
Aschblonde, gelockte, an den Schnee gelehnte,
Aus dem Zusammenhang gerissene, arschblonde
Haare, ich weiß, sie ist viel zu jung für
Mich, so alt wie meine Tochter, das geht überhaupt
Nicht, aber ich habe wirklich keine Ahnung, wie
Ich mich ihr entziehen kann, auf Dauer
Entziehen, Mittwoch für Mittwoch entziehen, sie ist
Eine typische Umkehrspielerin, verfügt über eine
Ausgewogene Rückhand, Spin, Slice, einfach
Alles, sie schläfert ihre Gegner mit ewig
Langen Schupfballpassagen ein, mir kommt es
Jedenfalls ewig vor, um dann auf einmal
Am Tisch zu explodieren, ich bin nicht gerade
Glücklich, daß ich nur im Training auf sie
Treffe, in Pennsylvania wäre sie bestimmt
Längst nicht so gut und ausdauernd, ich weiß, daß
Sie in einer Bundeswehrkaserne als Arzthelferin
Arbeitet, ich weiß, daß sie viel zu jung für mich
Ist, und außerdem spielt sie zwei Klassen über
Mir, aber wenigstens im gleichen hellblauen Trikot
Wie ich, betandwin, betandwin, für einen Augenblick fällt
Schnee auf Melodie Johnson, kein ganz einfacher Schnee, denn

Sie ist auch kein einfaches Mädchen, ich kann sie
Von meinem Auto aus sehen, von vorn, von der
Seite, von hinten, wie sie zu ihrem Punktspiel
Geht, zwei Klassen über mir, nur gut, daß sie
Keine Schwimmerin ist, bwin, bwin, aber egal, in welch
Einer Halle sie trainieren würde, im Wasser, auf dem
Boden, in der Luft, kein Schnee, Melodie, hätte jemals
In Deutschland gezögert, dich mit offenen Haaren, für die
Letzten Schritte in Straßenschuhen,
Aus einem Zusammenhang zu reißen, einem
Zusammenhang aus November, Pennsylvania und ganz
Einfachem Schnee.

Morgens vor dem haus
Ein Kaugummi oder ein
Weißer Stein, ein Stein.

Marseille, hafen, hitze, letzter tag,
Kurz vor dem Abtreten, noch einmal feiern, feiern bis
Der Arzt kommt, mein schleichendes, schleifendes, mich
dann bald
Durchstreichendes Herz, ich glaube, ich hab nicht mehr
Lange, jetzt bleibt mir wohl nur noch, vor dem
Ablegen der äußersten Fähre, mich in eine Tagestouristin zu
Verlieben, Lyalee, vom entgegengesetzten Ende
Marseilles, die Gemälde, die Gemälde, Gemälde
Im Wartezimmer, als wenn es jetzt noch auf sie
Ankäme, es kam noch nie auf sie an, abgezirkelte,
Durchgesuppte, getrocknete Betonraffinessen,
Tapetenzusatz ohne Nerven, Landschaftssand,
Zitronenpastillen, Ginstersud, alles gleich, alles nur
Heller, fast durchsichtiger Schleim, du wartest,
Stirbst und stierst dabei auf völlig übermüdetes und
Selbstzufriedenes Naturgeplätscher, vergib mir,
Cezanne, aber ich fühle mich heute nicht so, ich werde
Die Rue Salazare anzünden, mit allem, was auf ihr
Draufsteht, Menschenhändler, Ölschmuckbottiche und
Flugzeugbänke stehen auf ihr drauf, Fischpapierbäume,
Strumpfhosenregale und Sonnenbrillenständer zum
Drehen, Hafen, Hitze, letzter Tag, verzeih mir, Cezanne,
Aber ich werde das entgegengesetzte Ende von Marseille
Anzünden, die Schnecken, Autokinos und Heilbäder, wir
Dürfen hier nicht so laut reden, Lyalee, wir sind
In einer Familienpraxis, alles an dir gefällt mir, die
Augen, die Zähne, die glitzernde Strumpflosigkeit deiner
Beine, du arbeitest beim Rundfunk, wertest Kassetten
Aus, machst Kopien, ich wollte dich nur fesseln, nicht
Anzünden, in deinem gelben, klebrigen,
Kaum noch über der Haut grübelnden, wie zu einem

Asiatischen Papierdrachen gestreckten, aber durch die Hitze
Wieder zusammengeschrumpften Badepergament, wie
alles Feuer
Fängt, Cezanne, die Brücke in Mennecy, gestapelte
Tablettenschuber, dein Schlüsselbeinbrettchen zum Ausruhen
Des hauchdünnen Kettchens über dem Abgrund, ein Amulett,
Lyalee, die flachste Gondel für Heilige aus der Umgebung,
Flächenhinterhalt, Rauch, wattige, leuchtende,
Schmelzende Kreaturen, deine Brüste und Haare, aber
Deine Brüste dürfen heute nicht kaputtgehen, an meinem
Schönsten Tag, einfach so anschwellen, platzen, verdampfen,
Orangegelber Kranichbelag in der Rue Salazare, warum
mußtest
Du auch ausgerechnet hier, um diese Mittagszeit, in diesem Teil
Der Anstalt auf den Markt gehen, Wollglanz in Fährennähe,
Gemälde, gelöschte Menschenhändler, verkohlte
Fischpapierbäume, Mohair auf dem Meer, leicht
angeschwärztes
Blau, du studierst noch nebenbei, Suivant s’il vous
Plait, wartest du auf mich, in deinem Kleiderbändchen, es
Dauert bestimmt nicht mehr lange mit mir, schriftlich im
Juli, mündlich im Mai, meine Liege muß frisch bespannt
Werden, eine Liege für Bettnässer und trockene Kapitäne, der
Flur zu kurz, das Gummisegel eingerissen, Schwester, sei
Mir nicht böse, Lyalee, sei meine letzte Krankheit, ich nehme
Dich auch mit den Flecken da im Gesicht, wenn nur dein
Brustaufgang allein von reinem Adel ist, im Gegensatz zu mir
Darfst du nicht wählerisch mehr sein, denn ich bin dick und
Blaß und auch bald tot, nimm die Spirale raus, du kannst
Das doch, ich will den Abstand zwischen uns verringern, verlaß
Mich nicht, wo ist das Wartezimmer hin, ich muß mit
Flaschenbier und nicht mit Wein in meine letzte Landschaft, die

Farben an der Mauer bleiben stur, Urin und Blütensaft,
Marseille wird immer kleiner, du
Schaust noch einmal auf die Uhr, bleibst die gehetzte
Touristin auf dem Weg zum Hafen, Flugzeugbänke, dein
Badefummel, Asche, Glut, wie schaffst du das
Nur alles nebenbei, du baust auf mich, mit halber
Kraft, die Liege rollt nicht mehr und knackt, sie
Kommt ins Schlingern, die abgehackten Wellen
Auf den Monitoren, abstrakte Fahrgastzellen neben
Kutschen, zwischen Booten, Bakterien
In Fährennähe, Glanz, erzähl mir nichts, Cezanne, der
Flur nicht lang und glatt und steil genug zum
Runterrutschen, für eine Tagesbraut mit ihrem
Toten, Lyalee, blockierte Meere, stoß
Mich an, Theaterpädagogik, Rundfunk, Tanz, so nackt
Und geil und matt und schwerelos wie eine
Ferienehe, ich gehe
Fest, ich habe Angst, ich muß bald nie mehr schlafen.

Wenn uns nichts mehr einfällt, spielen wir
Am Telefon immer, bei wem mehr Züge
Am Zimmer vorbeifahren, vier zu zwei, uns
Fällt nichts mehr ein, Winter
In Kanada, Bauarbeiten bei Bad
Hersfeld, unterirdische Rosen
Im Rhein, hast du
In der letzten Woche zugenommen, was ist
Mit deiner Temperatur, würdest
Du mich noch einmal, anderthalb, seit
Fünf Tagen gleich, ja, nichts
Hält für ewig, ständig
Wäre schon jemand
Zu Hause.

Vom ende der fernbeziehungen, die
Sonntage im Internet sind
Verheerend, deine gereizte Langeweile und die
Jungen, elektronischen Frisuren
Aus deiner unmittelbaren Umgebung,
Niederzissen, Kruft und
Ochtendung, hast du ihn angerufen oder hat
Er dich angerufen, er hat dich
Angerufen, an den Sonntagen, an
Meinen Sonntagen bist du immer von einer
Beängstigenden Erwartungslosigkeit, daß es
Dir gar nicht auffallen würde, würde
Ich dich nicht mehr vermissen, hast
Du mit ihm gemeinsam gegessen und
Getrunken oder hat er mit dir gemeinsam
Gegessen und getrunken, er
Hat mit dir gemeinsam gegessen und
Getrunken, Sushi, Hackfleisch
International, Lasagne, du
Bist in einem Punkt nicht gerade
Schüchtern, hast du mit ihm zusammen
Zu Hause übernachtet oder hat er mit dir
Zusammen zu Hause übernachtet, er hat mit dir
Zusammen zu Hause übernachtet, die Küche
Hätte es doch auch getan, der Winter
Geht in diesem Jahr nicht weg, der Schnee, das
Blut, der Stil, das Urvertrauen in die infantile
Unverrückbarkeit der Möbel, die Anhäufung
Gewohnheitsbedingter Briefumschläge in
Einer Textilschublade, die Hingezogenheit, der Tod, die
Sehnsucht nur noch eine nüchterne Kampagne, der
Ungewisse Anfang deiner Tage, Toilettengänge, Abendrot, hast

Du nicht eben gesagt, ich war der Häßlichste, mit dem du
Je, die viel zu
Kurzen Arme und die Altersunbeherrschtheit
Meiner Haare, die Einlagen von Elkos, unsere Kinder
Nichts als Aliens, keine Frage des Instinkts, hast
Du ihn gebeten, noch ein klein
Wenig zu bleiben oder hat er dich
Gebeten, nicht jetzt schon zu
Gehen, er hat dich gebeten, noch ein
Klein wenig zu bleiben, die Küche hätte
Es doch auch getan, du schläfst am liebsten
Zu Hause, du schläfst am liebsten bei
Dir zu Hause, im Erdgeschoß, in der
Gewöhnungsbedürftigen Unverrückbarkeit deines
Zimmers, ich werde von nun
An nur noch mit links schreiben, damit
Wenigstens die unbeholfene Ordnung meiner wesentlichen
Wörter bestehen bleibt, die Unangepaßtheit an
Jedwede Zuneigung, diese besonnene und
Unverbrauchte Diffamierung einer eleganten, viel zu
Leichtlebigen Liebe, die
Sonntage im Internet sind immer
Verheerend, die Sonnabende, der grelle Plunder und die leeren,
Hellen Protokolle der
Umgebung, Kalenderplasma, Salz und Freundschaftsrillen, das
Gewisse Etwas an Not und Verkehr, Niederzissen, Kruft und
Ochtendung, ich habe deine Zurückgezogenheit
Gelobt, das Hackfleisch, die Möbel, die
Sehnsucht, die Tage, die Punkte, die Kinder, die
Möbel, die Ordnung, die Tage, die Tage, ich
Schreibe mit links, nur das, was ich
Will, ruf niemals mehr an, der Winter

Bleibt, das Haus verliert, die Möbel
Frieren, deine Brüste spannen, du
Hast dich hoffentlich schon ausgetobt, einmal
Zuviel, dein Blut hält still, die
Küche hätte es doch auch getan.

Wir könnten ums am lauf des zeigers stören,
Weil die Sekunden in die Jahre zielen
Und unsern Altersunterschied verspielen:
Mit dir zusammen Curtis Stigers hören,
Mit dir zusammen bis ins hohe Alter
Zu Rewe gehen und in Betten liegen,
Solange ficken, bis wir nichts mehr wiegen
Und Gründe haben, abzufliegen, kalter
Und wehmütiger Rauch über den Flüssen,
Ist das der Rücken oder schon dein Po:
Das wissen meine Finger viel genauer.
Hier oben brauchen wir auch keinen grüßen,
Wir wären endlich gleich alt, hielten so
Geduld und Glück für aufgetaute Dauer.

IV
Das muß Afrika sein
In diesem winter sind wir wieder wer.
Die Heizungsgitter mit Orangenschalen.
Wir drehen durch, wenn wir am Rechner bleiben
Und darauf warten, daß wir immer mehr
Daran erinnert werden, wie wir leben,
Mit Tulsikraut und Briefen, die sich gleichen,
Das kleinste Zeichen sonntags würde reichen,
Mit meiner Sehnsucht liegst du voll daneben.
Die Schlafzimmer von früher sind jetzt Waisen
Aus Luft und Holz und eingeklemmten Tieren,
Die Ferienlinien der Besucherritzen.
Wenn wir uns sehen, dürfen wir verreisen.
Ich würde nicht mal den Verstand verlieren,
Wenn Wärmflaschen im Taxi vorne sitzen.

Diese strassen im norden amerikas kannten sich doch
Fast alle noch von früher, wir wollten auch im nächsten Jahr
Unsere Rechnungen bezahlen können, ich würde die kommenden
Drei Monate nicht zu Hause sein, hatte als Fahrer bei Northwind
Industries angeheuert und sollte mit meinem Truck auf der
Ice Road, von Inuvik aus, Kesselhäuser, Tanks und
Wohncontainer über das gefrorene Meer transportieren, ich
Hatte mich vorher tätowieren lassen, um mich den Bedingungen
Dort draußen noch spezieller anzupassen, keine Piercings,
Mein Engel, bevor ich zurück bin, hatte ich beim Abschied
Zu meiner Jüngsten gesagt, im Frühling konnte darüber
Meinetwegen neu verhandelt werden, bei über dreißig Grad unter
Null war es besser, keine Panne zu haben, ich bin noch nie
In meinem Leben so schnell gefahren, auf dem gesamten
Kontinent
Nicht, aus Angst, stehenzubleiben, siebzig Meilen pro
Stunde, obwohl hier nur fünfzig Meilen pro Stunde
Erlaubt waren, denn wenn du erst einmal stehengeblieben
Bist, mit einem leeren Wohncontainer hinter deinem
Fahrerhaus, hat das Eis endlich Zeit,
Nachzudenken, grundlos nachzudenken, vorher hat dich
Gott auf seinem Handgelenk balanciert, dich als harte,
Intakte, überzüchtete Raupe eingestuft, wenn das
Knacken unter mir dann immer lauter wurde, war es ohne
Sonnenbrille nicht mehr auszuhalten, und ich drehte die
Musik bis zum Anschlag auf, die Lieblingskassette
Meines Sohnes, Streets of London, aber die eingefrorenen
Schlepper und Schiffe erinnerten mich jederzeit wieder
Daran, daß ich mit meinem Laster auf einem Ozean
Unterwegs war, die Einsamkeit der Wendemöglichkeiten und der
Schöne, verrutschte Tod arktischer Pilze, die Gezeiten
Und die tückischen Wölbungen der Piste, der Motor
Mit voller Kraft, ich hatte nur mit Bob Wollensky, der
Irgendwo hinter mir fuhr, gelegentlich Funkkontakt,
ansonsten
Sprach ich oft stundenlang mit meinem
Truck, strich dabei mit der rechten Hand wieder
Und wieder über die Druckmeßgeräte und das
Armaturenbrett, ruhig, Brauner, das Tattoo
Auf dem Unterarm bestand ganz schlicht
Aus drei übereinanderliegenden Booten
Mit den Vornamen meiner Frau und meiner
Kinder, falls ich es schaffte, in Mallik
Anzukommen, und mir dann in dieser Einöde
Auch gleich jemand entgegenkam, die Tätowierung
Aber, wenn ich den Arm noch einmal zu mir
Heranholte und es nicht schaffte, ließ
Die gleichen Boote nebeneinander
Untergehen, ruhig, mein Brauner, gemach, das Eis, das
Gerade brach, das eben brach, war nicht für uns, wir haben
Es bald geschafft.
Sie kam verschwitzt und ziemlich höflich innen
Zurück von einer Reise aus den Staaten,
Wir wollten uns sofort auf das besinnen,
Worauf die meisten viel zu lange warten.
Klamotten runter, Säftetausch, Getränke,
Bei Hitze wird es immer animalisch,
Ich dachte, daß ich immer an sie denke
Und wenn mal nicht, dann wäre das auch nicht tragisch
Vermisse dich schon jetzt wie keine neue,
Mein Leben hier ist wie für dich geschaffen,
Jetzt tue schon so, als wenn dich das beträfe.
Du plünderst meinen Restbestand an Reue.
Der linguistic turn der Neuweltaffen
Besänftigt mich: es gibt bald mehr Gespräche.

Ich hätte diese gastprofessur in südkorea nie
Und nimmer annehmen dürfen, allein schon wegen
Dir und dann auch noch in der Vorweihnachtszeit, in
Einer gemäßigten Klimazone mit ein paar
Sauberen Märkten und Stranden in Busan, eigentlich
Wollte ich an deinem Nikolaustag allein mit dem Bus
An die Flußmündung des Nakdonggang fahren, habe
Es dann aber doch vorgezogen, mit meinen
Drei Lieblingsstudentinnen Mi-jung,Yang-soon und
Phuong zum Beomeosa Tempel zu wandern, um dort
Vom Quellwasser mit den magischen Kräften zu
Kosten, im Kollegium änderte sich danach für mich
Einiges, ich wurde von diesem Zeitpunkt an
Nie mehr zum abendlichen Gesaufe auf dem Campus
Eingeladen, wahrscheinlich, weil auch Phuong Park
Diesen Ausflug mitgemacht hatte, die amtierende
Miss U-Bahn-Bibliothek, die auf der Welt so ziemlich
Einzigartig war, ich hatte meinen Kollegen
Im Nachhinein erklärt und es dann leider nicht sofort
In ihre Landessprache übersetzen lassen, daß wir zu
Viert versucht haben, einen Dreizehnzeiler
Des Nationaldichters Ri Tsche Hjon
Aus dem vierzehnten Jahrhundert nachzustellen,
Nachts auf einer Dienstreise im Boot, wenn das
Der König wüßte, oben auf dem Berg, auf dem
Kumjong-san, Fische und Wein, Asiatinnen und kleine
Brüste, von
Wegen, ich hatte meinen Kollegen ebenfalls
Erklärt, daß wir in der Dunkelheit wirklich nicht mehr
Zurückwollten und dabei zum Glück
Alles um uns herum vergessen haben, unser Gefolge, die

U-Bahn-Bibliothek, das
Freie Gymnasium in Zwenkau, die
Berge.

Sie hatte das reitabzeichen in silber und war
Eine Adlige, Livia van Meerheim, wir hatten uns
Auf einer Wohltätigkeitsveranstaltung im Lauenhagener
Schloß kennengelernt, sie war mir sofort
Aufgefallen, ihres geringen Alters und der
Ausufernden Trageweise ihrer schmetterlingshellen
Seidenbluse wegen, ich war zu dieser Zeit gerade Chef
Einer Security Firma mit Sitz in Brandenburg und
Umgebung und verfügte über ein ausgeprägtes
Sprachverständnis und ein gepflegtes
Äußeres, Prominente aus Wirtschaft, Politik
Und Kultur waren hier vertreten, an einem der
Hintersten Tische im Saal, dicht
Bei den Toiletten, saßen Harald Juhnke, Liz Taylor
Und Eddie, der ehemalige Stuckateur, Eddie,
Einigen Insidern sicherlich eher bekannt unter
Dem Namen Eddie Edwards, hatte es in den
Achtziger Jahren zu einigem Ansehen gebracht, als er
Bei den Nordischen Skisprungweltmeisterschaften
In Oberstdorf mit seinen 73,5 Metern einen
Englischen Landesrekord aufgestellt und sich
Mit dieser Bestweite automatisch für die Olympischen
Spiele in Calgary qualifiziert hatte, er trainierte
Damals als einziger Engländer in dieser Disziplin
Ohne die Unterstützung der British Ski and Snowboard
Federation auf den verschneiten Hügeln von Cheltenham,
Livia van Meerheim, als eine der Organisatorinnen
Der Charity Gala, hatte verfügt, an diesen hinteren
Tisch keinen Alkohol mehr kommen zu lassen, nachdem
Harald und Liz während der Rede eines Präsidenten
Ihre Drinks auf Fruchtdekorationen und Kerzenflammen

Gespuckt hatten, Eddies Brille war dabei beschlagen, so daß
Er die aufgerichteten Servietten auf dem Nebentisch für
Den neuen Nachschub an Getränken halten mußte, Livia van
Meerheim bat mich nun sehr inständig darum, die Herrschaften
Doch endlich des Saales zu verweisen, ich mochte die
Drei, Edwards hockte sich mit den Füßen auf den Stuhl und
Stellte mit zwei um seine Schuhe geschlungenen Tischtüchern
Seinen alten Schanzenrekord nach, meine Sicherheitsfirma hatte
Damals ihren Sitz in Brandenburg und Umgebung, keiner wußte
Richtig, wovon wir eigentlich lebten, zum Schloß gehörte auch
Ein Gestüt, die Landbevölkerung vergnügte sich nie
Auf den Hügeln von Lauenhagen und in den Badlands
Von Cheltenham City, die Eröffnung der umgebauten
Schattenbergschanze in Oberstdorf, die zweiunddreißig
Wachstischdecken zwischen der Bühne und den Toiletten, Eddies
Letzter Sprung, ich bin jetzt in der
Gebäudereinigung tätig, Livia sehe ich eher
Selten, es ging auf dieser Gala um die Möglichkeiten
Von Armutszeugnissen in der Altersvorsorge, ich
Wünschte, daß die Früchte in der Schale
Auf dem letzten Tisch des Saales wirklich
Klebten.

Vermisse dich schon jetzt, lieutenant dreedree,
Doch bilde dir nichts darauf ein, take care,
Mein Handtuch liegt in Washington, am Meer,
Ein Strand, den ich dich überstehen sehe.
Mit Schnaps ans Wasser, merk dir das für später,
Die Untergänge fallen dann klarer aus,
Ich gehe schon vor, mach bloß kein Drama draus,
Man sieht sich und man sehnt sich, see you later
Ein Teil deines Gesichts bringt mich in Not,
Dein Haaransatz hat saisonales Flair,
Zu Ostern an der See, ich schlafe bis
Du sagst: wir wären Heldin und Idiot,
Die Schmerzen kommen ohne Wäsche eher,
Ich kämme und verschone dich jetzt, Miss.

Unser haus wog etwa zehn tonnen, war fünfundzwanzig
Bis siebenundzwanzig Meter lang, fünf Meter hoch und stand
In einem Naturreservat des Wye Valley, wir wohnten damals
In einem Diplodocus, einem ausgebauten Pflanzenfresser, der
Irgendwann im Oberjura in diesem Tal plötzlich
Für immer stehengeblieben war, vielleicht
Ragten in dem Augenblick seines Innehaltens gerade zu
Viele zahntragende Vögel aus den Schachtelhalmen und
Bärlappgewächsen dieser tropischen Region, die dafür
Zuständige Behörde konnte oder wollte jedenfalls keine
Näheren Angaben über den Ursprung dieses doch recht
Ausgefallenen Mietobjektes machen, in Freshwater West, nicht
Weit von Pembroke und Tenby entfernt, hätten wir
Einen Triceratops sogar auch käuflich erwerben können, die
Drei Hörner hätten sich natürlich wunderbar dafür geeignet,
Drei getrennte Schlafzimmer ins Obergeschoß einzubauen, aber
Ich hatte in jener Zeit keine reine Jockeyfigur und hätte
Trainieren und abnehmen müssen ohne Ende, um mich in diesen
Beengenden, geradezu japanischen Wohnverhältnissen
Nachts ohne dich wirklich wohlzufühlen, das Haus war
Bezugsfertig und stand direkt an der Küste, allerdings
Befand sich ein NATO-Camp in unmittelbarer Nähe, wenn eine
Rote Fahne wehte, hielten die Panzerbesatzungen dort
Ihre Schießübungen ab, und der Zugang zum Strand blieb
Gesperrt, also entschieden wir uns für das wesentlich
Ältere und auch größere Objekt am Ufer des Wye River, wir
Nahmen bei der Walisischen Nationalbank
Einen Kredit auf und begannen mit dem Innenausbau, du
Hattest ziemlich genaue Vorstellungen davon, wie wir
Später einmal leben würden, unser Schlafzimmer sollte sich
Ganz der natürlichen Farbe und Form der Hüftgelenkspfanne
Anpassen, für die Kinder sollten die vier Beinröhren

Entkernt werden, Mosaikfußböden aus verwitterten,
Botanischen Diamanten überall, Kerzenleuchter und
Muschelvorhänge, die von den Rückenwirbeln
Runterhingen, unser Haus stand auf seinen
Hinterläufen, die saftigen Büschel von Palmen
An den Hügelablagerungen, wenn wir dann abends mal
Allein sein wollten, stopften wir die Kids einfach
In ihre Spielzimmer und taten es im Flur des Halses oder
In meinem Arbeitszimmer zwischen den beiden
Schädelfenstern,
Von hier oben hatten wir einen herrlichen Ausblick
Auf unser Lancat und Ban y Gore Reservat, die einzigen
Zimmer, die nicht mehr muffig und nach Alter rochen,
waren die
Räume der Kinder, das kann aber auch daran gelegen
Haben, daß wir ihre Teppiche aus zugeschnittenen
Wiesenmatten täglich erneuerten, den Schwanz im Skelett
Hatte ich mit Spiralbohrern ausgehöhlt und hinten
Geöffnet, er endete jetzt als Rutsche direkt im
Flußdelta, die Bahn war zum Glück viel zu steil, um auf diesem
Wege wieder zurück ins Innere der Behausung gelangen zu
Können, unsere Kinder waren in Ordnung und benutzten die
Rutsche immer nur einmal am Morgen, auf diese Weise
Verbrachten sie die meiste Zeit draußen und entwickelten
Bei ihrer Heimkehr abends eine ähnliche Ausdauer wie das
Allmähliche Zugrundegehen von Steinen neben Lachsen, an
Den Sonntagen kam ich im Kopf allein ganz gut zurecht, um
Die Familie durchzubringen, arbeitete ich von Dienstag
Bis Donnerstag in einem Antiquariat in Hay-on-Wye, einem
Berühmten Bücherdorf, ich sprach dort akzentfrei deutsch, der
Nächste Kinderzahnarzt, glaub ich, war in Cardiff, immer

Wenn wir dann endlich aus diesem neutralen Behandlungszimmer
Wieder raus waren, fuhren wir mit der Bristol Queen
Nach Flat-Holm-Island rüber und lenkten die Blicke der
Tapferen Patienten sofort auf Brandenten, Blindschleichen
Und Möwen, unser Haus paßte in dieser Zeit
Immer auf sich selbst auf.

Mombasa island, zweiter juli, meine liebe
Yasmouni, arbeite hier seit gestern als
Entwicklungshelfer, brauche Ablenkung, bevor ich
Endlich wieder was mit einer Frau
Anfange, zuviel Freundschaft zuletzt immer und
Zuwenig Liebe, es ist immer das
Gleiche, bemühe ich mich um
Eine, geht sie am Rand von Sachsen
Schlittschuh laufen, beachte ich sie
Kaum, sind wir ein Paar, ich fahre
Medikamente und Tee nach Tansania und
Ins Landesinnere, da mein Zimmer direkt
Am Tiefseehafen von Kilindini Harbour
Liegt, kann ich keine Nacht schlafen, ständig
Muß ich mit anhören, wie Datteln, Trockenfische
Und Truhen verladen werden, dabei wollte ich
Doch nie nach Afrika, Rimbaud wollte dorthin, ich
Nie, überall Müll und Gemüse, Tücher, Schlangen
Und Ratten, Ratten und Schlangen, die
Garstige Trockenheit an den Wellen der Bleche, die
Barfrau im La Marina kommt aus Trondheim, auch nicht
Gerade um die Ecke, ihre Augen, ihre Haare, ihre
Schultern, theologische Vollkommenheitsbeweise
Zugunsten von Sehnsucht und Toblerone, ihre Art, nie
Mehr Fleisch anzurühren, macht aus mir einen glücklichen
Idioten, ich weiß schon gar nicht mehr, warum ich
Dir das alles schreibe, wenn du keinen Kontakt willst,
Im La Marina, mußt du dich aus allem raushalten und
Stundenlang Erdnüsse kauen, könntest du
Den Ring vom kleinen Finger an der rechten Hand
Bitte einen Finger weiter vorn tragen, davon wird dein
Innenleben heller, deine Seele

Bindungsfähiger, die letzte Nacht habe ich
An einem Container gelehnt, weil ich dachte, er
Macht nicht mehr lange, mit der Stirn und den Händen
An der versprengten Etüde eines Containers,
An den Rippen, an den Klippen eines
Sich nie mehr vom Festland loseisenden
Containers, das ist Afrika, wieviele Haare
Man in den Jahren verliert, erkennt man am
Ehesten nach Umzügen, Garantien der
Ausgekratztheit, die Flusen, die Wüste, der
Staub, dürres, regalloses, inwendiges Gras, mit einem
Hang zu gar keinem Gras, im Herzen des Landes, eine
Frau, die Gott geschickt hat, auf einem Fahrrad mit
Korb, einem Einkaufskorb, einem Einkaufskorb,
Halluzinationen, Erschütterungen, Stotterei, die
Mängel einer vergeblichen Vertrautheit, ihre
Hände nur mit einer Schachtel
Erdbeeren bekleidet, nur ihre Hände, der Rest
Spielt keine Rolle mehr, das ist Afrika, warum ich
Dir das alles schreibe, du bist vielleicht gut, ich brauche
Afrika, bevor ich endlich wieder was mit einer
Frau anfange, einer Frau, die mich selbst
In der Öffentlichkeit monströser Basare und Bibliotheken
In einer schwarzen Badestola in den Wahnsinn
Treibt, und das tust du, du
Glaubst doch wohl nicht wirklich, daß ich
Hierbleibe, nach all den Jahren der Idiotie, der
Leichtsinnigkeit, der Mitschuld und des
Verstandes.

Wenn ich jetzt sterben würde, wäre ich
Noch nicht mal vor mir selber sicher, klopfe,
Mein Herz, die Brustempfindlichkeit im Kopf
Sieht gegen meine Sehnsucht keinen Stich.
Wenn ich jetzt sterben würde, wäre nichts
Von Nutzen für den Abgang in die Wildnis
Der weißen Instrumente, und kein Filmriß
Entfernt mich aus dem Schutz eines Gedichts.
Wenn ich jetzt sterben würde, sollte ich
Gedichte mit hinübernehmen, alle.
Ich wüßte keinen, der sich das sonst traut.
Wenn ich jetzt sterbe, nehme ich dein Gesicht
Und nur ein Haar, das endlich in der Falle
Des Mundes, meines Mundes klemmt und taut.

V
Im Bett zusammen lesen
Toskanisch, umbrisch, brüste ohne ende,
Die Sonnenhalterungen übler Pinien,
Und auf dem Monitor noch Zick-Zack-Linien,
Das heißt, ich lebe wohl und ich verschwende
Mein Geld für Wein und Frauen auf dem Strich,
Ziehe dich rasch aus, du siehst doch, wie ich leide,
Und auf dem Display Wasser und Getreide,
In Mecklenburg, Markkleeberg und Venedig.
Ich wüßte nur zu gern, ob du bald blutest,
Wir geben uns hier oft mit Gott die Kante,
Die Gondeln und die Pferde ohne Reiter.
Du hast ja Recht damit, wenn du vermutest,
Ich wäre die letzte menschliche Variante,
Mein Herz fällt in ein Loch, und ich gehe weiter.

Wenn wir uns nicht beim schnupperkurs himalaja
Im Naturgeschichtlichen Museum begegnet wären,Yasmouni,
Wären wir uns wohl nie begegnet, ich hatte keine
Gefütterten Schuhe an, als wir im dritten Stock, in der Nähe
Von Guna La, unser Basislager in einer Höhe von etwa
Fünftausendsechshundert Metern bezogen, der Aufstieg
Begann erst in der Dunkelheit, lange
Nach den offiziellen Öffnungszeiten, die Maultiere
Und Jeeps mußten wir in der Eingangszone
Zurücklassen, die Etagenheizungen auf dem Flur waren komplett
Runtergedreht, wir konnten in dieser Nacht wirklich
Nicht mehr weiter, wir bauten die Zelte auf, bogen
Mit klammen Händen die Glasfiberstäbe durch die
Schlaufen, schmolzen Schnee auf unseren Propangaskochern
Und blickten durch die Treppengitter hinunter in die
Schlucht, die Verantwortlichen der Expedition hatten
Mehrere Hundert Teelichter an den Abhängen
Aufstellen lassen, um die sinkende Sauerstoffsättigung der
Luft zu simulieren, bei Aufenthalten oberhalb von über
Fünftausend Metern erfolgt eine zunehmende Gewichtsabnahme
Von bis zu zehn Prozent, das war soviel an Fettverlust, daß
Es schon nicht mehr feierlich war, damit diese dringlichen
Verluste nur mich betrafen, schob ich in der ersten Nacht
Heimlich meinen Schlüsselanhänger aus Djakarta
Unter deine Schlafmatte und schlich mich ganz ohne
Ausrüstung noch zwei Stockwerke höher, bis
Unters Dach, ich konnte nicht hören, wie am nächsten Morgen
Die Maultiere in der Schlucht erwachten, im Basislager
Wurde so früh schon mit Geschirr und Töpfen
Hantiert, diesen Ruhetag hatten wir uns redlich
Verdient, ich stieg wieder zu dir ins Tal runter, der Schnee
An den Wänden, das Licht ohne Ränder, der Alltag

Und die leeren Jeeps, wenn wir uns nicht im Himalaja
Begegnet wären, hätte ich alle Yoga-Kurse und
Fremdspracheninstitute nach dir abgesucht,Yasmouni, du
Warst so schön wie noch nie, hier oben
An diesem Geländer.

Der gipsabdruck deiner behausung
Bei mir im Garten, die
Zehen ohne Ansage sauber
Rausgebrochen aus der Duschverschalung
Deiner Vormieter, überall waren
Vor uns und nach uns schon
Tiere, verwilderte Haltestangen
In den Wänden, südländische
Pediküre, Eidechsen und
Pinien, von den Kacheln
Getrockneter Schaum in der Luft, es
Dauerte zu lange, bis
Er die Verbindung zu ihren Füßen wieder
Hergestellt hatte.

Geschenke sind der tod der simplen rede,
Merci für alles, Tibet und die Klöster,
Gedichte und Gesang sind Frauentröster,
Und im Gebirge tröste ich noch jede.
Ich werde alt, ich kenne meine Haare,
Himalaja und Meere, weiße Strähnen,
Wir reden erst, wenn wir uns sicher wähnen,
Die Mix-Kassetten kommen in die Jahre.
Das Klima an der See, die kühnen Kinder
Anhand der Wellen auf den schmalen Flößen,
Die Haut, dein Gang und deine Schönheit gerade
Ab diesem Winter lebe ich gesünder,
Ich will dein Lächeln hier in allen Größen
Und Stiefelspuren auf der Schokolade.

Der papagei und der iltis.
Vor langer, langer Zeit lebte mal
Ein Papagei in einer Vierraumwohnung auf einem
Ziemlich hohen Baum. Zur Wohnung gehörte auch
Eine Terrasse, auf der sich der Papagei
In den Sommermonaten fast rund um die Uhr
Aufhielt. Am liebsten trug er seine alte, braune
Cordhose. Die war bequem, ein wenig zu groß und
An den Bünden etwas ausgeleiert. Auf der anderen
Straßenseite, auf dem Baum gegenüber, in einer
Dreiraumwohnung mit Terrasse, wohnte ein Iltis.
Auch der Iltis verbrachte viel Zeit auf seiner Terrasse.
Aber während der Papagei in seiner Cordhose
In einem Liegestuhl saß, im neuen Andernacher
Tieranzeiger blätterte oder Musik von Freunden
Hörte, stand der Iltis mit einem Fernglas
Am Fenster und glotzte wirklich stundenlang
Zu ihm rüber. Zum ersten Mal verschwendete der Papagei
Einen Gedanken daran, ob es wohl an seiner alten,
Häßlichen, braunen, schon etwas durchgewetzten
Hose liegen könnte, die derart viel Aufmerksamkeit
Auf sich zog. Schnell verschwand er im Haus, stellte sich
Vor einen seiner vielen Spiegel, drehte sich im Kreis,
Flog durch den Flur und die Küche, aber immer die
Spiegel im Blick und mußte sich eingestehen, daß diese
Hose ja wohl das Allerletzte war. Also beschloß er,
Am nächsten Tag zum Einkaufen in die Stadt zu fahren.
Er legte sich zeitig schlafen und träumte von sehr verwegenen
Dingen. Morgens gegen acht Uhr stand er an seiner
Haltestelle vor dem Haus. Neben ihm wartete ein Nilpferd.
Sie kamen sehr schnell miteinander
Ins Gespräch und begannen plötzlich loszukreischen,

Denn sie waren in einer ähnlichen Mission unterwegs:
Für beide sollte eine neue Hose her. Eine Kuh
Hielt neben ihnen. Eine Strickleiter führte
Bis auf ihren Rücken. Oben konnte man zwei
Felldeckel öffnen und sich dann in eine
Warme Kuhle setzen. Das war die Fahrgastkabine.
In der Stadt angekommen, stiegen der Papagei
Und das Nilpferd vor dem Hosengeschäft von
Pepe und Wrangler aus. Der Papagei probierte
Eine rote Pepe an und fühlte sich knuffig und schick
Darin. Es war zum Glück für ihn gleich
Die erste Hose, die er anprobiert hatte. Das
Nilpferd zog sich eine knallenge Wrangler über,
Und der Papagei sagte:
Wow, die steht dir aber. Beide verließen
In ihren nagelneuen Hosen das Geschäft. Die
Rückfahrt dauerte viel länger als die Hinfahrt, das
Konnte aber auch an den alten Geheimnissen
In ihren Tüten liegen. Einem Gespräch
Auf der gegenüberliegenden Terrasse hatte der
Papagei vor einigen Tagen entnommen, daß der Iltis
Für kurze Zeit verreisen wollte. Der Papagei und das
Nilpferd verabschiedeten sich in ihren alten, schon
Etwas durchgewetzten Sweat-Shirts voneinander,
Mußten grinsen und sagten: bis demnächst also. Der
Papagei fuhr in seine Wohnung hoch, entnahm
Seiner Küchenschublade einen Dietrich, fuhr wieder
Runter, lief über die Straße, stieg die Baumstufen
Zur Iltiswohnung hoch, aber die Baumstufen
Innen, öffnete mit dem Dietrich die Tür und
Setzte sich beim Anblick des Flurs vor Schreck

Auf seine neue, rote Pepe. Überall standen
Bilder von ihm, von ihm, in seiner legendären,
Alten, braunen Cordhose, die ja nun schon etwas
Durchgewetzt war. Es war nämlich von Anfang
An nie ein Fernglas gewesen, durch das der Iltis
So viele Stunden zu ihm rübergestarrt hatte. Der
Papagei verließ die Wohnung, war gerührt und sehr
Irritiert, warf den Dietrich auf die stark
Befahrene Straße, zog die rote Pepe auf der Stelle
Aus, lief nur im Schlüpfer zu seiner Wohnung
Rüber, fuhr mit dem Fahrstuhl hoch, der Fahrstuhl war
Innen, zog sich seine alte, braune, an den Bünden
Schon etwas ausgeleierte Cordhose über und setzte
Sich mit dem Tieranzeiger vom fünften August
In seinen Liegestuhl. Er las und las, ja sogar noch
Mal die Ausgaben vom ersten, dritten und
Vierten des Monats, er las solange, bis er nach ein
Paar Tagen oder auch Nächten endlich den Iltis
Auf seiner Terrasse wiedersah, natürlich mit Fernglas,
Schon klar. Es half ja alles nichts. Der Papagei
Legte den Tieranzeiger beiseite, verließ seine
Wohnung, überquerte die Straße, klingelte beim Iltis,
Der kriegte einen Schreck, bat sich einen winzigen Moment
Zeit aus, ja, ja, von wegen aufräumen, schnell klappte
Er alle Bilder vom Cordhosenpapagei in seinem Flur um,
Ließ ihn erst dann herein. Sie tranken frisches
Minzwasser und aßen Mohrrübenplätzchen von Bahlsen,
sprachen
Über ihr Leben und merkten, daß sie sich sehr mochten,
Ja, sehr. Einige Zeit später eröffneten sie zusammen
Neben dem Hosengeschäft von Pepe und Wrangler

Einen Laden für Cordliegestühle, Cordregale und
Cordkorkenzieher zum Anfassen. Sie lasen sich
Immer bis morgens Geschichten vor und mußten
Zeitig aus dem Haus.

Mein hexchen ist mir eines tages ausgerissen,
Mein Haus war ihr nicht rein genug und viel zu klein,
Ich liebe sie und möchte nie mehr glücklich sein,
Sie hat jetzt alle Zeit der Welt, mich zu vermissen,
Vermißt mich aber nicht, ist frei und meidet alle,
Ich kenne sie, die Außenwelt ist ihr zuwider,
Ich muß die Briefe an sie löschen und die Lieder,
Die Stadt, in der ich auf sie warte, wird zur Falle,
Ich mache sie sauber, atme, wische die Außenseiten
Von Straßenbahnen, Bäumen, Dächern und Kanälen,
Wir haben nichts getan, was wir danach vergaßen.
Sie hat mich nie gewollt, das würde sie bestreiten,
Wenn sie mal Elefanten sieht, werde ich ihr fehlen,
Zum Glück bewegen die sich selten auf den Straßen.

Gehe heute nacht bitte nicht mehr zurück
In deine Wohnung, du kannst auch gern in
Deiner Lieblingstasse schlafen, die neben
Meiner Lieblingstasse steht, wir spielen
Vorher Stadt Land Name Tier Gewässer und
Vernichten die Zettel gleich wieder, wenn
Die Ergebnisse zu eng zusammenliegen,
Nonnenfalter, Niersteiner See, wir steigen
Nach dem Match in voller Montur über die
Beiden Henkel tief in unsere Tassen
Runter, in deinem Bett war gestern Tee
Für deine Atemwege, am nächsten
Morgen, bevor du dann in deinem Wagen
Davonschneist, gehst du zum letzten
Mal bei den vier Papiertonnen in meinem
Hinterhof vorbei und schmeißt unsere kleinGefetzten, gereizten, von Schnee und
Licht noch einmal richtig aufgeheizten
Spielberichte in die Tonne, die
Dir von innen jetzt am wenigsten
Entgegenkommt, es gibt gar keine
Nonnenfalter im Niersteiner See.

Nur durchsichtig, in schmerzloser migräne,
Gelingt es Fischen durch den Kopf zu treiben,
In Spänen, die kurz flimmern, übrigbleiben
Von einem Tag mit dehnbarer Hygiene.
Mehr Singles, Kinder, Kranke in den Städten,
Die Lust auf Infektionen, Gleisarbeiten,
Du darfst mich heute in den Schlaf begleiten,
Ich halte nichts von Krankenhausgeräten.
Es tut mir gut, dich so verliebt zu sehen,
Ich denke dabei nur an mich und nichts,
Dich abzugeben fällt nicht wirklich schwer.
Wir müssen nicht mehr oft ins Kino gehen
Und Anteil nehmen am Verlauf des Lichts,
Das Elend wird bei Wärme deutlicher.

Legende vom abholen, den gestrigen abend allein
Mit einer Suchmaschine zugebracht, vor
Lauter Einerlei diese Begriffe eingegeben, Studentin,
Leipzig und eine frappierende Ähnlichkeit
Mit Ornella Muti, sinnlos, nichts zu finden, aber
Das kann doch bisher nicht nur mir
Aufgefallen sein, in was für einer
Aussichtslosen Welt leben wir denn, ich hätte
Sie so gern nach Schichtschluß
Aus einer Gurkenfabrik abgeholt, sie
Hätte den ganzen Tag am Band gestanden,
Hochstehende Gurken runtergedrückt und
Die Gläser zugeschraubt, zwei Toilettengänge
Pro Schicht, ich gab die Begriffe noch einmal
Neu ein, Studentin, Sachsen, verblüffende
Ähnlichkeit mit Ornella Muti, als sie noch
Jünger war, Fließband, Gurkenfabrik,
Toilettengänge, Seife, Spind,
Pflastersteine, Sirene und Frauen, Frauen, kurz
Vor ihrem Wechsel aus einer hohlen Umgebung
In eine demonstrative Liebe, Erwartungen,
Enttäuschungen, Umarmungen, oben und
In der Mitte, oben, nasse Zugänge, je nachdem, ob
Sie ganz unter der Dusche waren oder ob sie
Es vorzogen, ihre Körper nur vergeblich
Über ihre zögerlich ausgestreckten Hände
Anzukündigen, Frauen ohne Abendfahrzeuge, Frauen
Ohne Zuordnung, Frauen, Frauen, bis
Auf diese eine.

Du wähltest laubsägen als neigungsfach,
Ich wünschte mir von dir ein Cello, Hilde,
Ein dünnes, rotes, wo liegt Andernach,
Nimm lieber Sperrholz, Schleifpapier und wilde
Empfindsamkeit, im Leimholz folgt die Säge
Bloß blind und aufgebracht den Maserungen,
Die hellen Schnitte nehme ich in Pflege,
Du hast mir lange nichts mehr vorgesungen.
In deinem Zimmer stapeln sich die Bretter,
Ich müßte dich nach Helsinki verschleppen,
Nach Stockholm, wegen des Syndroms, nicht ficken
Du summst zu oft nobody does it better,
Wir heiraten auf meiner Gartentreppe,
Die dünnen Instrumente sind die dicken.

Ich hätte dich so gern nach deiner party
Noch angerufen, aber einer deiner Gäste blieb bis halb
Sieben, um halb zwei wollte ich allein für immer nach Tel Aviv,
Venedig und Arizona fliegen, Gitarre, Badesachen, Plektrum
Im Portemonnaie, um drei wollte ich mich
Umdrehen, Gedichtbände, Hundebilder, Lautsprecherbox
Mit Strandstein drauf, um vier
Gab es Verjüngungen in der Küche, in deiner
Küche, Zigaretten, Züge, Bierkästen
Mit Kronkorkenfeldern, kraterhaften,
Unterbrochenen Kronkorkenfeldern, um fünf
Schlief ich ein, konnte mich nicht länger
Vor mir selbst verstecken, schade, du machst
Das nie, mich irgendwann mit deiner trunkenen Liebe
Aufzuwecken, Handyverschleierung, Pommes
Schranke, Helligkeitsgemauschel, um sechs
Wachte ich auf und hätte dich so gern
Nach deiner Party noch angerufen.

Am dreizehnten oder vierzehnten tag
Mit alkoholfreiem Weißwein weitergemacht, am
Dreizehnten Tag, in der Küche zu alt gewordenes
Gemüse zugeschnitten, Gemüsekerne, ayurvedische
Räucherstäbchen angezündet, Engel auf der Tischplatte
Wahrgenommen, schon aus Erfahrung, ihnen
Beim Bodenturnen geholfen, sie
Hochgehoben, schweben lassen, sie wieder
Abgesetzt und abgewischt, mich umgesehen, eine
Unangemeldete Himmelslaterne unter
Den Fußbodenbelag in der Garage
Geschoben, an die verhaltene Disziplin und
Traurigkeit der Deutschen Flugsicherung
Geglaubt, in einem Autobahnbistro kurz
Vor Bonn an Nahrung gedacht, nur
Gedacht, Baguette mit Lakritzquark und
Frischer Minze, dich nach dem Unterricht
Fast nicht wiedererkannt, nach der
Letzten Stunde hinter der Schule
Auf dich gewartet, gleich nach der Schule
Hinter der Schule.

Winter ohne leuchtanzeige, du
Hast an einem Sonntag mit dem Jonglieren
Angefangen, mit drei Mandarinen, mit
Drei noch nach einer Woche in Silberfolie
Eingewickelten, auf dem Sofa verstreuten,
Jeweils bis zum Scheitelpunkt hochgeworfenen, mit
Den Fingerspitzen nach innen durch das
Gesichtsfeld parallel wieder etwas dichter
An den Körper herangewunkenen, leichter
Aufgefangenen als hochgeworfenen,
Liegengebliebenen Mandarinen.

Abends am haus die
Zigarettenkippe in
Einem Schraubverschluß,
Mit dem Gesicht nach unten,
Nur noch einmal umdrehen.

Am samstagabend wollen wir uns zu zweit
Am Telefon betrinken, wir allein,
Wir essen, saufen, lassen keinen rein
Und sagen alles ab in dieser Zeit.
Wir sind gewaschen, eingecremt, rasiert,
Ich weiß, wie du im Bademantel liegst
Und ohne Gürtel nur die Hälfte wiegst,
Wir schütten immer mehr, was auch passiert:
Wir wollen uns, es wird in Bonn bald Winter,
Im Pathos, gegenüber, Kalb und Schnee,
Salate, Hirten und die gleichen Lieder.
Sobald du mir vom Tod erzählst, beginnt er,
Verzeih mir, daß ich dich am Samstag sehe,
Und wenn du nicht allein bist, fahre ich wieder

VI
Briefe an eine Schülerin
Sehr geehrtes fräulein von niendorff, ich sehe
Mir dieses Treiben ja nun schon einige Wochen
Lang an, wie kommen Sie nur dazu, die Atlanten
Mit meinem Kollegen, über den ich mich hier
Gar nicht erst großartig auslassen möchte, (schlechter
Ruf, Frauengeschichten ohne Ende, miserabler
Deutschlehrer usw.) wie um alles in der Welt
Kommen Sie also dazu, ihm die Atlanten
In die Sammlung, in meine Sammlung, wohlgemerkt,
Hinterherzutragen, ich wünsche in diesem Fall, daß
Sie sich schriftlich hierzu äußern und Ihren
Angefertigten Bericht im Fach 17 des Lehrerzimmers
Deponieren, ich bitte um baldige Erledigung
Meines Ersuchens, mir ist zudem aufgefallen, daß
Der Rücktransport der Atlanten nicht in einem
Gewöhnlichen Zeitrahmen stattfindet, wenn ich mir
Auch nur im geringsten ausmale, was in meiner Sammlung
An derart undelikaten und von daher also auch
Verwerflichen Handlungen vollzogen wurde, fühle ich
Mich, natürlich ebenfalls in Ihrem Sinne, dazu
Verpflichtet, dem Schulleiter eine diesbezügliche
Meldung zu erstatten, in der Hoffnung, Sie trügen
Die Atlanten also künftig für mich in die Sammlung,
Wobei diese Maßnahme durchaus auch einmal
Den gewöhnlichen Zeitrahmen überspannen dürfte, verbleibe
Ich mit freundlichen Grüßen, Ihr Justin Briesebach.

Liebes fräulein von niendorff, ich hoffe,
Sie hatten einen angenehmen Start in die Woche, ich
Kann es, ehrlich gesagt, kaum erwarten, Sie am Mittwoch
In der dritten Unterrichtsstunde zu sehen, wenn es
Nach mir ginge, hätten alle Elftklässler
Zwei Stunden Geographie täglich, Ihren Deutschlehrer
Sah ich übrigens am Sonntag sehr innig und vertraut
Mit einer aparten, für diese Jahreszeit sehr gewagt
Gekleideten Dame am Rhein entlangschlendern, Patrizia S.,
Eine Schülerin aus Ihrer Parallelklasse, dieser Name
Dürfte Ihnen doch bestimmt etwas sagen, spätestens
Seit der letzten Klassenfahrt, am kommenden Freitag
Gedenke ich, in meinem Haus in der Prinz-Ferdinand-Allee 24,
Einen Lichtbildervortrag über meine
Letzten Auslandsreisen anzubieten, die ich leider
Stets allein absolvierte, vielleicht könnten Sie
Mir ja bei der Vorbereitung dieses Events ein wenig
Zur Hand gehen, die Speisen vorbereiten, den Diaprojektor
Und die Leinwand installieren, die Gäste mit einem Glas
Sekt begrüßen, sollten Sie am Mittwoch
In meinem Unterricht Ihre grünlich schimmernde Strumpfhose
Tragen, bewerte ich dieses Zeichen als geheimes
Einverständnis, unserem Treffen am Freitag eine
Angemessene Betonung zu verleihen, herzliche Grüße,
Ihr Justin B.

Liebe leheni, seit mir briesebach gestern
Deinen handgeschriebenen Brief zeigte, hat sich
Mein bisheriges Dasein von mir losgesagt, ich neige
Auf einmal zu Gefühlsschwankungen, die ich nie im Leben
Für möglich gehalten habe, selbst die Verlassenheit ist
Nicht mehr das, was sie mal war, ein starkes,
Melancholisches Gefühl des Allein-Zurecht-Kommens, einer
Elementaren, vitalen Sehnsucht ohne Not, Patrizia
War heute Vormittag bei mir, ich konnte ihre Tränen
Nicht mehr entziffern, ich erklärte ihr, daß Tränen
Entscheidungen seien, da weinte sie noch heftiger und sagte
Mir, daß sie sich in Briesebach verliebt hätte, die
Sicherheit, die sie bei ihm vorfinden würde, den Ausschlag
Gegeben hätte, das Haus, die Rücklagen, die Hoffnung auf
Gemeinsame Urlaube im Ausland, seinen Audi Combi für
Die täglichen Einkaufsfahrten, die gemeinsame Freude
An den sich ständig ändernden Produktpaletten, das
Schwärmen
Beim Anblick der Berge, alles das, was sie mit mir
Nicht konnte, einerseits spürte ich eine Erleichterung,
Andererseits das Gefühl, alles zu verlieren, verstehst
Du das, Helene, alles, ich war ein Idiot, mich so zu
Verzetteln, viel zu spät habe ich erkannt, was meine Augen
Schon von Anfang an wußten, schon beim ersten
Mal in der Sammlung, in der Sammlung mit dir und nur mit
Dir, Helene, ich höre an dieser Stelle besser auf, denn
Du kannst mir bestimmt nicht mehr vertrauen, ich werde
Dir aus dem Wege gehen und dich freigeben, du hast
viel mehr
Verdient als meine auf dich ausgedehnten Unsicherheiten und
Liebeszweifel, dein K., der gerade versucht, das Wort Ingwer
Mit links zu schreiben.

Liebe helene von niendorff, es ist mir von nun an
Wohl nicht mehr gegeben, Ihnen meine geheimsten Absichten,
Ihre Person betreffend, länger zu verhehlen, vom
Ersten Tag an spürte ich eine derart heftige Hingezogenheit
Zu Ihnen, die meine Atmung in Frage stellte, Ihre Art,
In der ersten Bank zu sitzen, verlegen zu mir
Hinüberzusehen und zu lächeln, Ihre Schamesröte,
Ihr Beinspiel unter der Bank, Ihre dezent geöffnete Bluse,
Der blasse Salzfilm an Ihrem Hals, die eine,
Unselbstständige Haarsträhne, die Ihr graziles Gesicht so
Asymmetrisch auseinanderdividierte, alles das, könnte ich
Ihnen jetzt vorwerfen, führte dazu, mein Zugehörigkeitsgefühl
Zu Ihnen in Liebe zu verwandeln, warum auch länger
Darüber schweigen, alles in mir schreit nach Ihnen,
Vergessen Sie K., der hätte Sie überhaupt nicht
Verdient, der benutzt Sie womöglich nur, um
Seinem Alter eine weitere, generationsspezifische
Souveränität zu verleihen, das haben Sie doch gar nicht
Nötig, Fräulein von Niendorff, ich würde gern am Wochenende
Mit Ihnen verreisen, ich kenne da eine hübsche,
Saubere Pension im Allgäu, Sie mögen doch sicherlich
Die Berge, geben Sie Ihrem Herzen endlich den Ruck, der
Sie glücklich machen könnte, fühlen Sie sich jetzt bitte
Umarmt, Ihr Justin.

Sehr geehrtes fräulein von niendorff, mir ist
Nicht entgangen, daß Sie mich im Verlaufe der
Unterrichtseinheiten sehr eindringlich mustern bzw. es
Sogar darauf anlegen, mich aus der Fassung zu bringen, da
Scheint es mir also dringend geboten, Ihnen, noch bevor Sie
Sich da auf irgend etwas versteifen, was mit den Schulbelangen
Nichts im geringsten zu tun hat, Einhalt zu gebieten.
Ich bin seit 24 Jahren mit Frau Prof. Dr. hc. Elfriede
Zeulendietz-Bergmann glücklich liiert. Sie bekleidet
An der Fernuniversität in Hagen eine C4-Stelle für
Negative Insolvenzdynamik. Wir führen eine freie und
Homogene Beziehung, die ich mir nicht von pubertierenden
und nur
Mangelhaft ausgebildeten Schülerinnen streitig machen lasse.
Wenn ich an Ihren letzten Aufsatz über Römisches Recht
Zurückdenke, den ich natürlich gar nicht anders als mit
Ungenügend bewerten konnte, kommt mir Ihr Verhalten noch
Provozierender und anmaßender vor, mir ist bewußt, daß Sie
Ihre Begabungen eher im sprachlichen und sportlichen Bereich
Verortet sehen, deshalb würde ich Ihnen dringend
Anraten, das von mir unterrichtete Bildungssegment
Als Neigungsfach abzuwählen, Gruß, Karl-Eduard Bergmann.

Liebe helene von niendorff, die zeit der duelle
Ist ja bekanntlich vorbei, aber vielleicht gelingt es mir, Ihr
Herz mit Poesie zu öffnen, ich wollte eigentlich nie
Erdkundelehrer werden und war immer nur verrückt
Nach Sprachen, Getränken und anderen schöngeistigen
Dingen, wenn
Die Erfrischungen im Alltag ausbleiben, vertraue ich immer nur
Den Intuitionen aus Gedichten und Musik, Williams Sonette
Haben mir damals sehr dabei geholfen, die schwere Zeit
Der Trennung von meiner Frau zu überstehen, seitdem trage
Ich diese Gedichte ständig mit mir herum, sie wollte
Die Scheidung, weil ich sie angeblich mit einer
Jüngeren betrogen hätte, dabei war sie es, die mich ständig
Mit älteren Männern hintergangen hat, während ich
Daheim die Kinder versorgte, aber jetzt genug davon, ich
Verbleibe mit den ergebensten Grüßen, Ihr Justin.
XLVII
Mein Auge und mein Herz sind jetzt ein Paar,
Das eine weiß das andre anzustiften:
Mein Auge will nur Schönheit, ganz und gar,
Das Herz verlangt nach Blut und Nebengiften.
Das Auge säuft nun deinen ganzen Leib,
Mein Herz darf sich die Zeit mit dir verkürzen,
Mein Auge und mein Herz als Paar, was treibt
Sie denn dazu, in Liebe abzustürzen.
Ob meine Sehnsucht und dein Bild nicht frieren,
Selbst wenn du fern bist, zuckt es in mir drin,
Entfernungen, die alles sind, verlieren
Sich nicht, wenn ich nicht in Gedanken bin.
Ich wache morgens neben dir, beweg dich,
Mein Auge und mein Herz wollen dich für ewig.

Liebe helene, lassen sie mich bitte noch
Ein Geständnis machen, es ist tatsächlich wie
Verhext, es geht nun schon seit etlichen Jahren so, mir
Gefallen Frauen als Schülerinnen immer erst dann, wenn K.
Sich öffentlich um sie bemüht hat, vielleicht ist es
Ihnen deshalb auch nicht verborgen geblieben, daß mir
Patrizia S. seit geraumer Zeit hilft, die Atlanten
Mit mir in die Sammlung zu tragen, nach anfänglichem
Zögern beichtete sie mir, ein Verhältnis mit K. zu
Haben, ich hoffe, liebe Helene, Sie sind eine Frau mit
Modernen Vorstellungen und können sich damit
Anfreunden, nicht die einzige Bezugsperson für mich zu
Sein, Patrizia ging mir am Freitag beim Lichtbildervortrag
Zur Hand, half mir dabei, ein paar Häppchen zuzubereiten
und
Champagner an die Gäste auszuschenken, dafür mußte ich sie
Einfach belohnen, in die Pension wollte sie nach unserem
Techtelmechtel später allerdings nicht, von daher vermute
Ich, daß ihre Beziehung zu K. noch nicht beendet ist, ich
Hatte schon nicht mehr damit gerechnet, jemals Ihr Herz
Für mich gewinnen zu können, aber jetzt, da Sie mir gar
Meine tiefste Zuversicht gewärmt haben, allmählich selbst von
K. Abstand zu nehmen, glaube ich umso inniger an unser
Baldiges Glück, ich habe mir immer eine Frau gewünscht,
die mir
Im Haushalt zur Hand geht, meine drei Kinder umhegt, ich
Erzählte Ihnen doch hoffentlich davon, mir auf
Auslandsklassenfahrten den Rücken freihält, mir nach einem
Anstrengenden Schultag gestattet, schon im Flur
Ihre Kleidung zu öffnen, ich wußte es ja von Anfang an, daß K.
Niemals für Ihre geheimsten Wünsche und Hoffnungen,
Ihre Liebe und Ihr Leben betreffend, in Betracht käme,

Die Vorstellung, mit Ihnen zusammen in die Berge zu
Gehen, bedeutet mir alles, meine Kinder Kevin, Samuel und
Debora-Marie werden Ihnen gewiß noch einige Freude
Bereiten, alle zwei Wochen wohnen sie bei mir, Sie mögen
Doch hoffentlich Kinder, Helene, wenn ich mal
Nicht da sein sollte, würde ich die Obhutspflicht gern
In Ihre Hände geben, die Kleinen aus der Schwanenkita und
Vom Hort abzuholen ist mit der Vollmacht, die
Meine Sekretärin gerade für Sie ausgedruckt hat, gar kein
Problem mehr, ich weiß, sie werden
Sie lieben, Ihr Justin.

Liebe leheni, gerade auf briesebachs schreibtisch
Die Sonette von Shakespeare gesehen, ich habe so eine
Dunkle Ahnung, was er damit vorhat, ich fasse es
Nicht, wenn du darauf hereinfällst, dann tust du mir
Leid, er hat von Poesie doch keinen blassen Schimmer,
Auf der letzten Klassenfahrt fragte er mich noch ganz
Scheinheilig im Zug, warum er mich seit Jahren immer
Wieder nur mit diesem einen Buch antrifft und ob
Solch ein triviales Wort wie Aufsichtspflicht
Auch darin vorkäme, sollte dir, wie ich es vermute, auch
Briesebach eines dieser Gedichte geschickt haben und,
So es das Schicksal will, meins mit seinem
Identisch sein, liebe Leheni, dann bin ich es nicht
Wert, weiter bevorzugt von dir behandelt zu
Werden, dein K.
XCII
Doch tu mir weh, vertrau mir, hau schon ab,
Ich habe dich ja sowieso für immer;
Dein Leben macht in meinem Leben schlapp,
Verschone mich, sonst wird die Liebe schlimmer.
Ich habe Angst, du läßt mich nicht im Stich,
Aus Mitleid, doch ich leide und geh drauf;
Ich hab was Besseres verdient als dich,
Spar deine Gier nur für den Nächsten auf.
Nicht mal dein Schwanken könnte mich noch kränken,
Ich wünschte, ich sterb vor dir, ohne Not;
Ich hab das Zeug dazu, mich abzulenken,
Denk an die Sehnsucht, glaub an meinen Tod.
Das unberührte Schöne bringt mich um,
Und hast du mich vergessen, sei’s drum.

Liebe patrizia steudel, was soll ich sagen, es ist
Aus, ich habe mich neu verliebt, und dieses Mal ist es
Ernst, nichts mehr mit Sichern und Weitersuchen, vielleicht
Kennt ihr euch sogar vom Sehen, Rachel, die neue Schulärztin,
Schwere, jüdische Haare, aromatische Figur, mehrere
Fremdsprachen nebeneinander, beim letzten Lichtbildervortrag
Hat es zwischen uns gefunkt, ich hatte sie gebeten,
Mir Bilder aus ihrer Heimat zu zeigen, Rachel im Toten Meer,
So schwerelos und dunkelbraun wie eine Frau mit
Israelischen Brüsten nur sein kann, Rachel mit ihrer
Bildhübschen, jüngeren Schwester Yelda, Rachel in
Ihrer WG-Küche in Schlampershirt und Trainingshose, Rachel
Beim Bettenausschütteln mit ihren Haaren, nachdem
Alle Gäste gegangen waren, hob ich sie
Auf meinen Küchentisch, Sprachen und künftiges Leiden
Ausprobieren, Strumpfhosenende und Damaszener
Seide, ich will sie für immer, wenn du sie siehst, weißt
Du sofort, was mir an dir fehlt, aber dafür
Kannst du natürlich nichts, ich werde mich später mal
Gern an die Zeit mit dir erinnern, viel Glück, Justin.

Liebe, meine liebste leni, du hast sicherlich
Mitbekommen, daß ich für ein paar Tage nicht in der Schule
War, ich mußte allein ans Meer fahren, ich wollte endlich
Den Kopf freibekommen und mein Herz befragen, wie das
Alles weitergehen soll, am Wasser befiel mich dann eine
Animalisch anmutende Sehnsucht nach dir, Innenblut und
Gerüche,
Wildnis, Fischkadaver und Leistungssport, wenn ich könnte,
Würde ich am liebsten alles ungeschehen machen, vor allem
Die Geschichte mit Patrizia, ich hatte das Gefühl, daß
Briesebach sie mir ausspannen wollte, deshalb hielt ich noch
Länger an ihr fest, Helene, weißt du eigentlich, warum das
Mit Patrizia und mir zu Ende ging, erinnerst du dich noch
An unsere letzte Klassenfahrt nach Krakau, am ersten
Novemberwochenende, sie hatte sich dort so komplett
Abgeschossen, daß ich sie am nächsten Morgen aus
Irgendeinem der Jungenzimmer wanken sah, sie irrte ziellos
Über den Flur, die Hose und ihre Stiefel in der Hand, ihre
Neuen Stiefel, erst da begriff ich, daß sie jederzeit
Bereit war, mich einzutauschen und zu vergessen, ich hatte
Immer Angst um mich, wenn sie trank, dabei brauchte ihre
Irre Schönheit gar keine Getränke, um sich gegen ihre
Einstige Verlassenheit durchzusetzen, seitdem
Halte ich mich von ihr fern, meine Hoffnung, wir könnten
Irgendwann einmal zusammen leben, zerschlug sich
An diesem Morgen für immer, erst hier am Meer wurde mir
In aller seelischen Deutlichkeit bewußt, mit welcher Frau ich
Nur den abgehobenen, durchgeknallten Rest meines Lebens
Verbringen will, aber dazu, liebe Helene, wird es ja wohl jetzt
Schon lange nicht mehr kommen, ich fühle mich schmutzig,
Traurig, leer und nutzlos, ich habe versagt, dich
An das Vertrauen in die eine große Liebe, die es im

Leben Gibt, allmählich gewöhnen zu können, auf absehbare
Zeit zu
Gewöhnen, in Liebe, dein dreizehnter Oktober, deine
Muskatnuß, ganz, deine logische Buchstabengleichung
An der von innen beschlagenen Seite meines Autofensters,
Deine beiden Regenbögen am anderen Ende von Sachsen, dein
Federweißer auf dem Bezahlband, deine Herdreinigungen
Während des Essens, deine Hochzeit, deine Liebe zu
Mir, ich Idiot, deine Züge, deine Züge und die
Falschen Fontänen in Polen.


VII
Vor den Trennungen
Die dauer einer liebe hängt immer davon
Ab, wie lange man das Ende der Begeisterungsphase für den
Anderen aufrechterhält, es war
Ein gutes Jahr mit vielen Höhepunkten, der eine
Frühe Morgen mit Babooshka, die Tagebuchnotiz, daß du
Dich ändern willst, noch
Nie so glücklich warst, nach
Meinem Schmerz, die Hochzeiten im Garten und am
Rhein, der Bahnhof
Bonn, die Weberstraße, Oberwinter, nur
Wenig Züge zwischen zwei und
Vier, zum Glück bist du in dieser Nacht allein
Zurückgegangen und
Hast aus Spaß bei Küchenlicht in
Deinem schwarzen Kleid nichts
Ungeschehenes angefangen, du bist zu jung und
Ich so alt, daß du dich für mich
Schämst, mein Gott, laß ab, ich
Glaube an die Heftigkeit und Schönheit jeden
Alters, ich habe damit begonnen, deine Bilder von
Den Wänden zu nehmen und aus den CD-Hüllen zu
Entfernen, ich zerknülle
Sie schon im Gehege selbst, je häßlicher ich
Zudrücke und mein Leben
Verändere, umso steifer die Knäuel, Familienaufstellungen
Im Gebirge, Seepferdchen, Opernballfliegen und futuristische
Segelyachten mit Küchenlabyrinthen, als wäre meine Liebe
Nach dir jemals weiß
Gewesen, ich habe diese Papiere danach wieder
Geglättet, sie waren jetzt eine Idee
Kleiner als vorher, sie gehörten keiner
Eigenen Materialgruppe mehr an, die Deckel

Schlossen nicht sauber, benutzte
Küchenstühle unter Laken, sie waren jetzt
Eine Idee kleiner als vorher, ich habe
Sie danach wieder
Geglättet, alle, bis
Auf das Seepferdchen, das ließ
Ich so, wie es war, denn mit nur einmal
Zudrücken kriegt man so etwas
Gescheites im Landesinneren nie wieder
Hin.

Wir liebenden haben immer nur einen pfirsich, deine
Zusammengestückelte Schönheit, die gar keine
Schönheit ist, entspringt einer
Erlebnisbetäubten Persönlichkeitsstörung, einer
Unausgelebten Hysterie, du bist Lella für
Mich, sonst werde ich noch
Verrückt, Kontaktlinsen, Hautkränkungen und
Bauchnabel, alles an mir findest
Du häßlich, aber nicht
Abstoßend, die Frisur, meine Wurstfinger, die
Verwachsene Figur, ich suche eine
Frau, die ihre Hand am Strand, wenn
Wir nebeneinander liegen, unter
Meiner Hand nicht mehr
Hervorzieht, eine Frau, die
Sich unaufrichtiger gegenüber der
Gleichmäßiger verteilten Bräune
Auf einer UnterarmEbene verhält, meine Hand
Schwebte zum Schluß sogar über
Ihrer, eine gleichgültige Liebe erkennst
Du daran, ob Zwischenlösungen einfach nur
Hingenommen werden, ohne
Nachzuhaken, wenigstens meine
Beinhaare waren danach noch
Mit im Hotel, du
Hattest ja keine.

Sie konnte ganz gut backen, kochen und radiohead
Hören, hatte kein Abitur oder eine andere mittlere,
Seelische Reife, meine Verzweiflung verlief
Optimal, in ihrer Krankheit sah sie aus wie niemand
Sonst, nur wenn sie Äpfel aß, dann
Lächelte sie länger, und wenn, dann
Zog ich vorher raus, ich war zu oft allein am
Rhein und dachte, ich halt das aus, der
Endgültige Einkauf kurz vor Schluß, das
Fleisch für uns, die neue Zahnbürste für
Ihn bezahlte ich im neuen Jahr mit
Karte, in den letzten
Gemeinsamen Sekunden in ihrer Küche, nachdem
Wir uns unsere Schlüssel zurückgegeben
Hatten, erzählte sie mir was von
Erbspüree und einer Nacht davor mit
Wenig Schlaf.

Anmerkungen
Meinen Entschluß, keine Sonette mehr zu schreiben, mußte ich wieder rückgängig machen, da mir diese Form die
einzige zu sein scheint, die es mir jederzeit gestattet, als
Instrument der Ermüdung, Polemik und Ernüchterung
gegenüber einer gesellschaftsfördernden, stilprägenden literarischen Ignoranz die Hoheit zu bewahren.
Ohne diese Musik wären die letzten beiden Jahre trostloser
gewesen: Litany of Echoes von James Blackshaw, The End of
Trying von Dakota Suite, Eight String Religion von David
Darling, Through the Devil Softly von Hope Sandoval, One
String Leads to Another, Guitar Bazaar und Tanz von Tim
Sparks, Alina von Arvo Pärt, Distant Light von Peteris Vasks,
Gulag Orkestar von Beirut, Drinking Songs von Matt Elliott,
Aida Bliss Out V.17 von Mus, In Rainbows von Radiohead,
Meditation von Joe Pass, Beyond Boundaries von Michael
Hedges, Dreamcatcher von Andy McKee, Monologue von
Takeshi Nishimoto, The Sparrow and the Crow von William
Fitzsimmons, Claws of Light und Asleep or Awake Walk von
The Dust Dive, The Western Lands und Flashlight Seasons
von Gravenhurst, Lullaby for Sue, Stick Music und Thom’s
Night Out von Clogs, Bring’ em All In von Mike Scott, Rideau von Tape, The Unwinding Hours von The Unwinding
Hours, Boduf Songs von Boduf Songs, Our Endless Numbered
Days von Iron & Wine, Wooden Arms von Patrick Watson,
Heavy von Jochen Diestelmeyer, Angles von Arca, The Doctor Game at Dawn von Smog, Choral von Mountains, Falling
Air von Brendon Anderegg, Loupita von Kristofer Åström
und Mirelle Mathieu Singt Ennio Morricone.

Ich danke dir für unsere Verabredung am achtundzwanzigsten November 2009 um neunzehn Uhr am Telefon.
Wir kochten zusammen Chili mit den gleichen Zutaten
und einer kleinen Prise Zimt. Wir aßen zusammen in der
Küche. Wir tranken den gleichen Wein, einen Silvaner aus
Freyburg. Wir drückten, nachdem wir beide in unserem
Wohnzimmer bis drei gezählt hatten, auf die Playtasten unserer Musikanlagen und hörten zusammen die Solo-Platte
von Mark Hollis und The Glass Bead Game von James
Blackshaw. Unser Treffen dauerte bis kurz nach Mitternacht und zählt für mich seitdem zu den inwendigsten und
kostbarsten Offenbarungen des Glücks: sich nicht zu sehen
und anzufassen, aber trotzdem die Freiheit der Anpassung
zu genießen, einen Abend in verschiedenen Städten im Bademantel auf seiner Couch zu verbringen. Kein Anklopfen,
keine Steine am Fenster, keinerlei Zweifel, kein Verrat, keine Angst und kein Bildschirmschoner.
Ich danke Marquez für sein Dasein im Vorderhaus, für die
Psalmabende, die Gartenbanknächte und die Gespräche
über israelisches Leben und die seelische Verläßlichkeit von
Frauen aus unserer unmittelbaren Umgebung.
Ich danke den beiden übereinandergelegenen Regenbögen, der Muskatnuß am späten Nachmittag und dem
ungarischen Aprikosenschnaps für ihr deutliches und entschiedenes Auftreten am 13. Oktober 2009.
Ich danke Adel Karasholi, der mich auf die großartigen Gedichte von Mahmoud Darwish aufmerksam gemacht hat.
Ich danke Frieda für ihren begnadeten Gesang und auch
dafür, daß sie mir an einem Sonntag im April 2009 einen

geheimnisvollen, unbeschrifteten, in Zeitungspapier eingewickelten Sampler in den Briefkasten steckte, der mich
dann durch den famosen Einzeltitel Remembrance, dem
fünften Song auf dem Album, zu dieser wunderbaren Platte
weiterführte: All Is Wild, All Is Silent von Balmorhea.
Ich danke Kattyia und Dreedree, daß sie mich über die
Osterfeiertage 2009 an die Ostsee mitgenommen haben,
an die Strande zwischen Kühlungsborn und Little Havanna, wo ich ausschließlich Musik von den Counting Crows
gehört habe.
Ich danke Mane sehr dafür, daß er sich, mir zuliebe, von
seiner tschechischen Meistergitarre getrennt hat, die ich
verehre und genieße beim Spielen.
Ich danke Elisabeth, die mich durch ihre feinsinnige Liebe
auf die Idee brachte, ein Familiengedicht mit Sauriern zu
schreiben.
Ich danke Jan Weinert für seine Neuübersetzung der Shakespeare Sonette, die 2009 in der Edition Erata erschienen
sind. Meine beiden Nachdichtungen des XLVII. und des
XCII. Sonetts wären ohne seine großartigen Übertragungen nicht denkbar gewesen.
Ich danke Gisela für das Schloß hinten und ihre immerwährende, feine Fürsorge.
Ich danke meiner wunderbaren Verlegerin und Kanzlerin
Margitt dafür, daß sie mich mit meinen Gedichten endlich
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für immer von der Straße weggeholt hat und ich Rugerups
Außenminister sein darf.
Ich danke meinem Schwesterherz dafür, daß sie das erste
Gedicht für dieses Buch mit einem etwa zehnminütigen
Lachanfall begrüßt hat und ich mir dadurch sicher war,
nach zwei disziplinierten Jahren auch endlich wieder freiere Textformen verwenden zu können, (ich sah gestern völlig umsonst ziemlich gut aus.)
Ich danke meinem Vater jetzt für alles.
Unmöglich, diese Platten am Ende nicht noch zu erwähnen: Alabaster von World Standard und Life on Earth und
Hands Across the Void von Tiny Vipers.
Leipzig, Markkleeberg, Bonn. (2009-2010)
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Inhalt
Hilde ist bestimmt gar nicht nach bonn gefahren,
Zieger, böhmer, anders, cartarescu,
Die jungen dichter und die mittelalten,
Die panzerkommandanten haben nein
Im süden deutschlands gibt es parodisten,
Ach wäre ich nur im hinterland (geblieben),
Es gab schon bessere zeiten an der spitze,
Wir reden nicht mehr viel, wir zählen züge
Ich werde müde, weil ich nicht mehr dreizehn bin,
Kelly, brautigan, tammuz, landolfi,
Du kannst mit deinen blicken nicht verhindern,
Vorvorletzter abschiedsbrief an yasmouni…
Ich habe schon die anzahlung gemacht
Es hätte alles so schön werden können, mit
Fitness, yoga, animals, aber solange sie
Ich trage immer einen fisch bei mir, für alle
Ich trink mit dir, ich reite, und ich fechte,
Gelächter und gewässer, nicht ein fehltritt.
November neunzehnhundertvierundsiebzig…
Die letzte mücke des jahres, neben mir, an der
Schnee fällt auf melodie johnson, kein ganz
Morgens vor dem haus
Marseille, hafen, hitze, letzter tag,
Wenn uns nichts mehr einfällt, spielen wir
Vom ende der fernbeziehungen, die
Wir könnten ums am lauf des zeigers stören,
In diesem winter sind wir wieder wer.
Diese strassen im norden amerikas kannten sich…
Sie kam verschwitzt und ziemlich höflich innen
Ich hätte diese gastprofessur in südkorea nie
Sie hatte das reitabzeichen in silber und war
Vermisse dich schon jetzt, lieutenant dreedree,
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Unser haus wog etwa zehn tonnen, war…
Mombasa island, zweiter juli, meine liebe
Wenn ich jetzt sterben würde, wäre ich
Toskanisch, umbrisch, brüste ohne ende,
Wenn wir uns nicht beim schnupperkurs himalaja
Der gipsabdruck deiner behausung
Geschenke sind der tod der simplen rede,
Der papagei und der iltis.
Mein hexchen ist mir eines tages ausgerissen,
Gehe heute nacht bitte nicht mehr zurück
Nur durchsichtig, in schmerzloser migräne,
Legende vom abholen, den gestrigen abend allein
Du wähltest laubsägen als neigungsfach,
Ich hätte dich so gern nach deiner party
Am dreizehnten oder vierzehnten tag
Winter ohne leuchtanzeige, du
Abends am haus die
Am samstagabend wollen wir uns zu zweit
Sehr geehrtes fräulein von niendorff, ich sehe
Liebes fräulein von niendorff, ich hoffe,
Liebe leheni, seit mir briesebach gestern
Liebe helene von niendorff, es ist mir von nun an
Sehr geehrtes fräulein von niendorff, mir ist
Liebe helene von niendorff, die zeit der duelle
Mein Auge und mein Herz sind jetzt ein Paar,
Liebe helene, lassen sie mich bitte noch
Liebe leheni, gerade auf briesebachs schreibtisch
Doch tu mir weh, vertrau mir, hau schon ab,
Liebe patrizia steudel, was soll ich sagen, es ist
Liebe, meine liebste leni, du hast sicherlich
Die dauer einer liebe hängt immer davon
Wir liebenden haben immer nur einen pfirsich,…
Sie konnte ganz gut backen, kochen und…
Anmerkungen
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