Trainingsheft schriftliches Abitur Deutsch zu Georg Büchner „Woyzeck“

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Trainingsheft schriftliches Abitur Deutsch zu Georg Büchner „Woyzeck“
2012
Trainingsheft schriftliches
Abitur Deutsch zu Georg
Büchner „Woyzeck“
Randzeichnung Büchners zur Straßenszene
Jürgen Bucksch
01.02.2012
Inhaltsverzeichnis
TPI 620 Exposition: Welche Szenenreihung ist plausibel ?
Die Figurenkonstellation
( 11 Seiten )
TIP 622 Aspekte einer Szenenanalyse
Probeklausur Szenenanalyse „Die Stadt“
( 1 Seite )
( 4 Seiten )
Kompetenzbereich „Einen dramatischen Text analysieren“
( 11 Seiten )
TIP 631 Textanalyse Inhaltsaspekt: Handlungsablauf
( 4 Seiten )
TIP 632 Textanalyse Inhaltsaspekt: Figurenkonstellation
( 2 Seiten )
TIP 633 Textanalyse Inhaltsaspekt: Die Stoffgeschichte
( 1 Seite )
TIP 634 Textanalyse Formaspekt: Sprache / Kommunikation
( 2 Seiten )
TIP 635 Textanalyse Inhaltsaspekt: Die Raumstruktur des
Textes
( 1 Seite )
TIP 636 Textanalyse Inhaltsaspekt: Die Zeitstruktur des Textes
( 1 Seite )
LGV 10 Vormärz Epochenbegriff Abiturvorbereitung BG SH
( 7 Seiten )
BVW 30 Wissen zu Büchner und Woyzeck Abiturvorbereitung
BG SH
( 2 Seiten )
LGV 35 Der Literaturmarkt im Vormärz Abiturvorbereitung BG
SH
( 2 Seiten )
LÜA 51 Vormärz Epochenüberblick Abiturvorbereitung BG SH
( 1 Seite )
Abituraufgaben Probeklausuren Themenkorridor1(2011 )
Literarischer Text – untersuchend eA Georg Büchner: Leonce
und Lena – erhöhter Anforderungsbereich
( 5 Seiten )
Sachtext – untersuchend gA Georg Büchner: Brief an die
Familie vom 5. April 1833 – grundlegender Anforderungsbereich
( 5 Seiten )
TIP 620 Textinterpretation Drama Büchner: Woyzeck Kompetenzaspekt: Die
Handlungsstruktur beschreiben ( zu den Teillaspekten )
www.fo-net.de
Szene: Beim Hauptmann
Woyzeck rasiert den Hauptmann. Der verhöhnt ihn. Als der Hauptmann über Moral und über
Woyzecks Kind zu reden kommt, das ohne den Segen der Kirche geboren sei, gibt der Soldat
seine Wortkargheit auf. Ich glaub’, wenn wir [arme Leute] in den Himmel kämen, müssten
wir donnern helfen!
Büchners letztes Werk “Woyzeck” ist ein Fragment. Es existieren vier
unterschiedliche Fassungen. Auch der Titel stammt nicht von Büchner. Die
unterschiedlichen Szenen des Stückes können ganz unterschiedlich gereiht
werden. Jede Szene beleuchtet einen anderen Aspekt der Hauptperson.
Aufgabe: Betrachten Sie die folgende Szene (Beim Hauptmann) unter drei
Aspekten:
1. Enthält diese Szene Momente einer Exposition? Entscheiden Sie diese Frage
aus der Betrachtung der Szene heraus und mit Blick auf die mögliche
Folgeszene!
2. Analysieren Sie in der Szene die innere und äußere Verfasstheit von Woyzeck
(und dem Hauptmann!)
3. Schreiben Sie eine Inhaltsanhabe zu der Szene und vergleichen Sie diese mit
der Inhaltsangabe von Wikipedia (siehe oben) !
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TIP 620 Textinterpretation Drama Büchner: Woyzeck Kompetenzaspekt: Die
Handlungsstruktur beschreiben ( zu den Teillaspekten )
www.fo-net.de
Beim Hauptmann
Hauptmann auf dem Stuhl, Woyzeck rasiert ihn.
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HAUPTMANN: Langsam, Woyzeck, langsam; eins nach dem andern! Er macht
mir ganz schwindlig. Was soll ich dann mit den 10 Minuten anfangen,
die Er heut zu früh fertig wird? Woyzeck, bedenk Er, Er hat noch
seine schönen dreißig Jahr zu leben, dreißig Jahr! Macht
dreihundertsechzig Monate! und Tage! Stunden! Minuten! Was will Er
denn mit der ungeheuren Zeit all anfangen? Teil Er sich ein,
Woyzeck!
WOYZECK: Jawohl, Herr Hauptmann.
HAUPTMANN: Es wird mir ganz angst um die Welt, wenn ich an die
Ewigkeit denke. Beschäftigung, Woyzeck, Beschäftigung! Ewig: das ist
ewig, das ist ewig - das siehst du ein; nur ist es aber wieder nicht
ewig, und das ist ein Augenblick, ja ein Augenblick - Woyzeck, es
schaudert mich, wenn ich denke, daß sich die Welt in einem Tag
herumdreht. Was 'n Zeitverschwendung! Wo soll das hinaus? Woyzeck,
ich kann kein Mühlrad mehr sehen, oder ich werd melancholisch.
WOYZECK: Jawohl, Herr Hauptmann.
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HAUPTMANN: Woyzeck, Er sieht immer so verhetzt aus! Ein guter Mensch
tut das nicht, ein guter Mensch, der sein gutes Gewissen hat. - Red
er doch was Woyzeck! Was ist heut für Wetter?
WOYZECK: Schlimm, Herr Hauptmann, schlimm: Wind!
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HAUPTMANN: Ich spür's schon. 's ist so was Geschwindes draußen: so
ein Wind macht mir den Effekt wie eine Maus. - Pfiffig: Ich glaub',
wir haben so was aus Süd-Nord?
WOYZECK: Jawohl, Herr Hauptmann.
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HAUPTMANN: Ha, ha ha! Süd-Nord! Ha, ha, ha! Oh, Er ist dumm, ganz
abscheulich dumm! - Gerührt: Woyzeck, Er ist ein guter Mensch -aber--Mit Würde: Woyzeck, Er hat keine Moral! Moral, das ist, wenn
man moralisch ist, versteht Er. Es ist ein gutes Wort. Er hat ein
Kind ohne den Segen der Kirche, wie unser hocherwürdiger Herr
Garnisionsprediger sagt - ohne den Segen der Kirche, es ist ist
nicht von mir.
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WOYZECK: Herr Hauptmann, der liebe Gott wird den armen Wurm nicht
drum ansehen, ob das Amen drüber gesagt ist, eh er gemacht wurde.
Der Herr sprach: Lasset die Kleinen zu mir kommen.
HAUPTMANN: Was sagt Er da? Was ist das für eine kuriose Antwort? Er
macht mich ganz konfus mit seiner Antwort. Wenn ich sag': Er, so
mein' ich Ihn, Ihn -
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WOYZECK: Wir arme Leut - Sehn Sie, Herr Hauptmann: Geld, Geld! Wer
kein Geld hat - Da setz einmal eines seinesgleichen auf die Moral in
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TIP 620 Textinterpretation Drama Büchner: Woyzeck Kompetenzaspekt: Die
Handlungsstruktur beschreiben ( zu den Teillaspekten )
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der Welt! Man hat auch sein Fleisch und Blut. Unsereins ist doch
einmal unselig in der und der andern Welt. Ich glaub', wenn wir in
Himmel kämen, so müßten wir donnern helfen.
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HAUPTMANN: Woyzeck, Er hat keine Tugend! Er ist kein tugendhafter
Mensch! Fleisch und Blut? Wenn ich am Fenster lieg', wenn's geregnet
hat, und den weißen Strümpfen nachseh', wie sie über die Gassen
springen - verdammt, Woyzeck, da kommt mir die Liebe! Ich hab' auch
Fleisch und Blut. Aber, Woyzeck, die Tugend! Die Tugend! Wie sollte
ich dann die Zeit rumbringen? Ich sag' mir immer: du bist ein
tugendhafter Mensch - gerührt: -, ein guter Mensch, ein guter
Mensch.
WOYZECK: Ja, Herr Hauptmann, die Tugend - ich hab's noch nit so aus.
Sehn Sie: wir gemeine Leut, das hat keine Tugend, es kommt nur so
die Natur; aber wenn ich ein Herr wär und hätt' ein' Hut und eine
Uhr und eine Anglaise und könnt' vornehm rede, ich wollt' schon
tugendhaft sein. Es muß was Schönes sein um die Tugend, Herr
Hauptmann. Aber ich bin ein armer Kerl!
HAUPTMANN: Gut, Woyzeck. Du bist ein guter Mensch, ein guter Mensch.
Aber du denkst zuviel, das zehrt; du siehst immer so verhetzt aus. Der Diskurs hat mich ganz angegriffen. Geh jetzt, und renn nicht so;
langsam, hübsch langsam die Straße hinunter!
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TIP 621 Textinterpretation Drama Büchner: Woyzeck Kompetenzaspekt: Die
Handlungsstruktur beschreiben ( zu den Teillaspekten )
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Szene: Freies Feld, die Stadt in der Ferne
Woyzeck, der mit seinem Kameraden Andres Weidenstöcke schneidet, fühlt sich von
übernatürlichen Mächten bedroht: Es geht hinter mir, unter mir – hohl, hörst du? Alles hohl
da unten. Die Freimaurer! – Andres versucht seine durch Woyzecks Halluzinationen
ausgelöste Angst mit dem Volkslied von den „zwei Hasen“ zu verdrängen.
Büchners letztes Werk “Woyzeck” ist ein Fragment. Es existieren vier
unterschiedliche Fassungen. Auch der Titel stammt nicht von Büchner. Die
unterschiedlichen Szenen des Stückes können ganz unterschiedlich gereiht
werden. Jede Szene beleuchtet einen anderen Aspekt der Hauptperson.
Aufgabe: Betrachten Sie die folgende Szene ( Freies Feld, die Stadt in der Ferne
) unter vier Aspekten:
1. Enthält diese Szene Momente einer Exposition? Entscheiden Sie diese Frage
aus der Betrachtung der Szene heraus und mit Blick auf die mögliche
Folgeszene!
2. Analysieren Sie in der Szene die innere und äußere Verfasstheit von Woyzeck
(und Andres!)
3. Schreiben Sie eine Inhaltsanhabe zu der Szene und vergleichen Sie diese mit
der Inhaltsangabe von Wikipedia (siehe oben)
4. Bauen Sie in Ihrer Gruppe zwei Standbilder, aus denen Woyzecks
Zustand und Andres’ Einstellung dazu optisch deutlich wird. Dazu bilden
Sie aus frei zu wählenden Textstellen, die auf das Wort genau ausgesucht
werden müssen, gewissermaßen ein Foto ab: Die Personen erstarren darin
gleichsam mitten im Wort.
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TIP 621 Textinterpretation Drama Büchner: Woyzeck Kompetenzaspekt: Die
Handlungsstruktur beschreiben ( zu den Teillaspekten )
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Freies Feld, die Stadt in der Ferne
Woyzeck und Andres schneiden Stecken im Gebüsch. Andres
pfeift.
WOYZECK: Ja, Andres, der Platz ist verflucht. Siehst Du den
lichten Streif da über das Gras hin, wo die Schwämme so
nachwachsen? Da rollt abends der Kopf. Es hob ihn einmal einer
auf, er meint', es wär ein Igel: drei Tag und drei Nächt, er
lag auf den Hobelspänen (Erläuterung: Tote wurden in der Zeit auf mit
Holzspänen gefüllten Kissen gebettet). - Leise:Andres, das waren die
Freimaurer! Ich hab's, die Freimaurer! (Den Freimaurern als
religionenübergreifendem Geheimbund wurde nachgesagt, dass sie sich in
unterirdischen Versammlungsräumen trafen)
Kommentar [JB1]: Ist isoliert
Kommentar [JB2]: Parataktischer
Satzbau
Kommentar [JB3]: deiktisch
Kommentar [JB4]: deiktisch
ANDRES singt:
Saßen dort zwei Hasen,
fraßen ab das grüne, grüne Gras...
Kommentar [JB5]: Andres beachtet
Woyzeck nicht.
WOYZECK: Still: Hörst du's, Andres? Hörst du's? Es geht was!
ANDRES:
Fraßen ab das grüne, grüne Gras...
bis auf den grünen Rasen.
Kommentar [JB6]: Volkslied
WOYZECK: Es geht hinter mir, unter mir. - Stampft auf den
Boden: Hohl, hörst Du? Alles hohl da unten! Die Freimaurer!
ANDRES: Ich fürcht' mich.
Kommentar [JB7]: Andres gesteht
seine Furcht.
WOYZECK: 's ist so kurios still. Man möcht' den Atem halten. Andres!
ANDRES: Was?
WOYZECK: Red was! - Starrt in die Gegend. - Andres, wie hell!
Über der Stadt is alles Glut! Ein Feuer fährt um den Himmel
und ein Getös herunter wie Posaunen. Wie's heraufzieht! Fort! Sieh nicht hinter dich! - Reißt ihn ins Gebüsch.
Kommentar [JB8]: Bibel-Zitat „drei
Tag und drei Nächt“ aus dem NT Matthäus
12, 40, Zeile 21/22 Apokalypse (Vision des
Unterganges)
ANDRES nach einer Pause: Woyzeck, hörst du's noch?
WOYZECK: Still, alles still, als wär' die Welt tot.
ANDRES: Hörst du? Sie trommeln drin. Wir müssen fort!
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Kommentar [JB9]: In der Stadt wird
das Garnisionssignal getrommelt.
TIP 622 Textinterpretation Drama Büchner: Woyzeck Kompetenzaspekt: Die
Handlungsstruktur beschreiben ( zu den Teillaspekten )
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Szene: Die Stadt
Die Militärkapelle marschiert auf der Straße vorbei. Marie winkt dem Tambourmajor zu. Die
Nachbarin Margreth bekommt das mit. Woyzeck besucht seine Geliebte und das Kind. Er
spricht geheimnisvoll. Marie zeigt kein Verständnis.
Büchners letztes Werk “Woyzeck” ist ein Fragment. Es existieren vier
unterschiedliche Fassungen. Auch der Titel stammt nicht von Büchner. Die
unterschiedlichen Szenen des Stückes können ganz unterschiedlich gereiht
werden. Jede Szene beleuchtet einen anderen Aspekt der Hauptperson.
Aufgabe: Betrachten Sie die folgende Szene (Die Stadt) unter drei Aspekten:
1. Enthält diese Szene Momente einer Exposition? Entscheiden Sie diese Frage
aus der Betrachtung der Szene heraus und mit Blick auf die mögliche
Folgeszene!
2. Analysieren Sie in der Szene die innere und äußere Verfasstheit von Woyzeck
(und dem Tambourmajor, Margreth und Marie !)
3. Schreiben Sie eine Inhaltsanhabe zu der Szene und vergleichen Sie diese mit
der Inhaltsangabe von Wikipedia (siehe oben) !
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TIP 622 Textinterpretation Drama Büchner: Woyzeck Kompetenzaspekt: Die
Handlungsstruktur beschreiben ( zu den Teillaspekten )
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Die Stadt
Marie mit ihrem Kind am Fenster. Margret. Der Zapfenstreich
geht vorbei, der Tambourmajor voran.
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MARIE das Kind wippend auf dem Arm: He, Bub! Sa ra ra ra!
Hörst? Da kommen Sie!
MARGRET: Was ein Mann, wie ein Baum!
MARIE: Er steht auf seinen Füßen wie ein Löw.
Kommentar [JB2]: Der Begriff stammt
aus der Zeit der Landsknechte und war das
Zeichen für den Beginn der Nachtruhe in
den Quartieren.
Kommentar [JB3]: Der
Tambourmajor war vom Hochmittelalter
bis in die Neuzeit der Anführer der
Trommler, die die Armeen auf das
Schlachtfeld oder zu Paradezwecken
anführten
Kommentar [JB4]: Hess. Dialekt
Tambourmajor grüßt.
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Kommentar [JB1]: 1.ABSCHNITT
BIS ZEILE 10: MARIE AM FENSTER
Kommentar [JB5]: elliptisch
MARGRET: Ei, was freundliche Auge, Frau Nachbarin! So was is
man an ihr nit gewöhnt.
MARIE singt : Soldaten, das sind schöne Bursch ...
MARGRET: Ihre Auge glänze ja noch -
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MARIE: Und wenn! Trag Sie Ihr Aug zum Jud, und laß Sie sie
putze; vielleicht glänze sie noch, daß man sie für zwei Knöpfe
verkaufen könnt.
MARGRET: Was, Sie? Sie? Frau Jungfer! Ich bin eine honette
Person, aber Sie, es weiß jeder, Sie guckt sieben Paar lederne
Hose durch!
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MARIE: Luder! - Schlägt das Fenster durch. - Komm, mei Bub!
Was die Leute wolle. Bist doch nur ein arm Hurenkind und
machst deiner Mutter Freud mit deim unehrlichen Gesicht! Sa!
sa! - Singt
Mädel, was fangst Du jetzt an?
Hast ein klein Kind und kein' Mann!
Ei, was frag' ich danach?
Sing' ich die ganze Nacht
heio, popeio, mei Bu, juchhe!
Gibt mir kein Mensch nix dazu.
Es klopft am Fenster.
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MARIE: Wer da? Bist du's, Franz? Komm herein!
WOYZECK: Kann nit. Muß zum Verles'.
MARIE: Hast du Stecken geschnitten für den Hauptmann?
WOYZECK: Ja, Marie.
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Kommentar [JB6]: 2.ABSCHNITT
BIS ZEILE 18: DER STREIT MIT DER
NACHBARIN
Kommentar [JB7]: Verblasste
Schönheit
Kommentar [JB8]: ordinär
Kommentar [JB9]: paradox
Kommentar [JB10]: Woyzeck ist nicht
Maries Ehemann – Das Lied spiegelt
Maries Situation.
TIP 622 Textinterpretation Drama Büchner: Woyzeck Kompetenzaspekt: Die
Handlungsstruktur beschreiben ( zu den Teillaspekten )
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MARIE: Was hast du, Franz? Du siehst so verstört.
WOYZECK geheimnisvoll: Marie, es war wieder was, viel - steht
nicht geschrieben: Und sie, da ging ein Rauch vom Land, wie
der Rauch vom Ofen?
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MARIE: Mann!
WOYZECK: Es ist hinter mir hergangen bis vor die Stadt. Etwas,
was wir nicht fassen, begreifen, was uns von Sinnen bringt.
Was soll das werden?
Kommentar [JB11]: Woyzeck teilt
Marie seine grässlichen Visionen mit.
MARIE: Franz!
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WOYZECK: Ich muß fort. - Heut abend auf die Meß! Ich hab
wieder gespart. - Er geht.
MARIE: Der Mann! So vergeistert. Er hat sein Kind nicht
angesehn! Er schnappt noch über mit den Gedanken! - Was bist
so still, Bub? Furchtest dich? Es wird so dunkel; man meint,
man wär' blind. Sonst scheint als die Latern herein. Ich
halt's nit aus; es schauert mich! - Geht ab.
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Kommentar [JB12]: Worauf bezieht
sich die Aussage ? (auf ihre Situation, auf
Woyzeck oder auf den Tambourmajor ?)
TIP 623 Textinterpretation Drama Büchner: Woyzeck Kompetenzaspekt: Die
Handlungsstruktur beschreiben ( zu den Teillaspekten )
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Szene: Buden, Lichter, Volk
Alter Mann singt zum Leierkasten. Marie und Woyzeck hören einem Ausrufer zu, der
Kuriositäten präsentiert. Unteroffizier und Tambourmajor schwärmen von Marie.
Büchners letztes Werk “Woyzeck” ist ein Fragment. Es existieren vier
unterschiedliche Fassungen. Auch der Titel stammt nicht von Büchner. Die
unterschiedlichen Szenen des Stückes können ganz unterschiedlich gereiht
werden. Jede Szene beleuchtet einen anderen Aspekt der Hauptperson.
Aufgabe: Betrachten Sie die folgende Szene (Buden, Lichter, Volk) unter drei
Aspekten:
1. Enthält diese Szene Momente einer Exposition? Entscheiden Sie diese Frage
aus der Betrachtung der Szene heraus und mit Blick auf die mögliche
Folgeszene!
2. Analysieren Sie in der Szene die innere und äußere Verfasstheit von Woyzeck
(und dem Tambourmajor, dem alten Mann, dem Unteroffizier und Marie !)
3. Schreiben Sie eine Inhaltsanhabe zu der Szene und vergleichen Sie diese mit
der Inhaltsangabe von Wikipedia (siehe oben) !
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TIP 623 Textinterpretation Drama Büchner: Woyzeck Kompetenzaspekt: Die
Handlungsstruktur beschreiben ( zu den Teillaspekten )
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Buden. Lichter. Volk
ALTER MANN singt und Kind tanzt zum Leierkasten:
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Auf der Welt ist kein Bestand,
Wir müssen alle sterben,
das ist uns wohlbekannt.
WOYZECK: Hei, Hopsa's! - Armer Mann, alter Mann! Armes Kind,
junges Kind! Sorgen und Feste!
MARIE: Mensch, sind noch die Narrn von Verstande, dann ist man
selbst ein Narr. - Komische Welt! Schöne Welt!
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Beide gehn weiter zum Marktschreier.
MARKTSCHREIER vor seiner Bude mit seiner Frau in Hosen und
einem kostümierten Affen: Meine Herren, meine Herren! Sehn Sie
die Kreatur, wie sie Gott gemacht: nix, gar nix. Sehn Sie
jetzt die Kunst: geht aufrecht, hat Rock und Hosen, hat ein'
Säbel! Der Aff ist Soldat; s' ist noch nicht viel, unterste
Stuf von menschliche Geschlecht. Ho! Mach Kompliment! So bist Baron. Gib Kuß! - Er trompetet: Wicht ist musikalisch. Meine Herren, hier ist zu sehen das astronomische Pferd und
die kleine Kanaillevögele. Sind Favorit von alle gekrönte
Häupter Europas, verkündigen den Leuten alles: wie alt,
wieviel Kinder, was für Krankheit. Die Repräsentationen
anfangen! Es wird sogleich sein Commencement von Commencement.
Kommentar [JB1]: Monolog über das
Tierisch-Lächerliche des Menschen :
Vernunft bessert ihn nur bedingt..
WOYZECK: Willst Du?
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MARIE: Meinetwegen. Das muß schön Ding sein. Was der Mensch
Quasten hat! Und die Frau Hosen!
Beide gehn in die Bude.
TAMBOURMAJOR: Halt, jetzt! Siehst du sie! Was ein Weibsbild!
UNTEROFFIZIER: Teufel! Zum Fortpflanzen von
Kürassierregimentern!
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TAMBOURMAJOR: Und zur Zucht von Tambourmajors!
UNTEROFFIZIER: Wie sie den Kopf trägt! Man meint, das schwarze
Haar müßt' sie abwärts ziehn wie ein Gewicht. Und Augen TAMBOURMAJOR: Als ob man in ein' Ziehbrunnen oder zu einem
Schornstein hinunter guckt. Fort, hintendrein! -
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Kommentar [JB2]: T. veranschaulicht
deutlich des Ausrufers Theorie.
TIP 624 Textinterpretation Drama Büchner: Woyzeck Kompetenzaspekt: Die Figurenkonstellation beschreiben ( zu den
Teillaspekten )
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Aufgabe: Zeichnen Sie durch Pfeile und Symbole die Beziehungen der Figuren des Stückes zueinander ein! Belegen
Sie Ihre Darstellung mit Quellenangaben!
Oberschicht:
Unterschicht:
Doktor
Andres
Hauptmann
Tambourmajor
Woyzeck
Marie
Christian
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TIP 622 Textinterpretation Drama
Schreibkonferenzprotokoll Analyse einer Szene
Aspekt des Aufsatzes von
Anmerkungen
von
Einleitung
 Einleitungssatz -Hinweise zum
Werk
 Inhaltsangabe
 Thema der Szene / Kernthematik (siehe Folie 3 )
 knappe Einordnung der Szene
 Hinweis zum methodischen
Vorgehen (siehe Folie 4 )
Hauptteil
a) Inhaltsanalyse: Die
Handlungsstruktur ist
angemessen erfasst worden.
( siehe Folien 7 – 11 und 13 )
b) Kommunikationsanalyse: Die
Kommunikationsstruktur des
Textes ist untersucht worden.
( siehe Folie 12 )
c) Zusammenführung und
Gewichtung der inhaltlichen
und kommunikativen Aspekte
mit Bezug zur Kernthematik der
Einleitung
d) Einordnung der Szene in das
Drama / in das gesamte Werk
Schluss
 Zusammenfassung aller
Ergebnisse
 Bewertung der Bedeutung der
ausgewählten Aspekte aus
übergeordneter Sicht ( siehe
Folie 4 )
 Aktuelle Bedeutung und
Ausblick
Ausdruck: Sprachebene /
Wortschatz, Genauigkeit und Ausdifferenzierung der Formulierungen,
flüssiger Satzbau
Aufbau: schlüssige Gedankenführung,
sachgerechtes Zitieren, Überleitungen
Elementarbereich: Hauptfehlerarten
notieren und Tipps zur Bearbeitung
geben
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Anmerkung
von
Aufgaben zur Szene „Die Stadt“ (S. 7 f. des Arbeitsblattes TIP 621)
1. Beschreiben Sie den Inhalt der Szene.
2. Untersuchen Sie in der Szene die innere und äußere Verfasstheit von Woyzeck
(und dem Tambourmajor, Margreth und Marie !)
3. Enthält diese Szene Momente einer Exposition? Entscheiden Sie diese Frage
aus der Betrachtung der Szene heraus und mit Blick auf die mögliche
Folgeszene!
Probeklausur auf eA-Niveau:
1. Das von Georg Büchner als Fragment hinterlassene Drama Woyzeck (1837)
handelt von dem der unteren Sozialschicht entstammenden Woyzeck, der von
verschiedenen Arbeitsgebern ausgebeutet und gedemütigt wird. Er kann sich
gegen die Erniedrigungen nicht zur Wehr setzen, sondern erleidet eher zuhörend
sein Schicksal. Im Verlaufe der nicht linearen Handlung zeigen sich deutliche
Verfallserscheinungen des Protagonisten, die sich in Halluzinationen,
Verwirrtheitszuständen und paranoiden Wahnvorstellungen äußern. Am Ende
bringt Woyzeck seine Lebensgefährtin Marie um, die sich zuvor auf eine Affäre mit
einem Tambourmajor eingelassen hat. Der Verlauf des Dramas zeichnet den
Werdegang eines Antihelden nach, der seine elende Situation nicht artikulieren
kann und dessen einzige aktive Handlung der Mord an seiner Geliebten ist, der
einzigen Person seines Umfelds, die ihm einen Sinn zu leben gab. Das weitere
Schicksal Woyzecks wird nach der Tat bewusst ausgespart.
In der folgenden Arbeit soll die Szene Die Stadt untersucht werden. Einerseits
deutet sich in dieser Szene im Rahmen eines Streitgespräches mit einer Nachbarin
Maries die Affäre mit dem Tambourmajor an, andererseits stellt sie die
offensichtliche Kommunikationslosigkeit von Marie und Woyzeck und die tiefe
Störung ihrer Beziehung ins Zentrum.
2. Die Szene lässt sich inhaltlich in zwei Abschnitte unterteilen. Der erste Teil enthält
das Streitgespräch zwischen Margret und Marie, der zweite den Dialog zwischen
Marie und Woyzeck. Im ersten Teil beherrscht folgende Ausgangssituation die
Szene: Marie und die Nachbarin Margret sehen einen Soldaten, den
Tambourmajor, der in diesem Berufsstand dem unteren Bereich der Hierarche
angehört, vorbeigehen. Marie, die ihr uneheliches Kind, das sie gemeinsam mit
Woyzeck hat, in den Armen trägt, ist erfreut über den Anblick des Mannes. Ihr
Kommentar „Er steht auf seinen Füßen wie ein Löw" (Z. 7) sowie der von ihr
gesungene Liedanfang „Soldaten, das sind schöne Bursch..." (Z. 11) belegen, dass
sie sich vom männlichen Auftreten des Soldaten angezogen fühlt. Obwohl die
Nachbarin diese Auffassung teilt: „Was ein Mann, wie ein Baum" (Z. 6), nutzt
1
diese die Gelegenheit, Marie als Hure zu beschimpfen: „[...] aber Sie, Sie guckt
sieben Paar lederne Hose durch!" (Z. 17/18). Marie setzt sich gegen diese
Anschuldigung zur Wehr, indem sie das Fenster zuschlägt und ihre Nachbarin
„Luder!" (Z. 17) nennt. Beide Figuren verhalten sich also nicht emphatisch,
sondern bekämpfen und erniedrigen sich gegenseitig.
Auffällig ist die Selbstbehauptung der beiden Frauen: Sowohl Marie als auch
Margret - obwohl sie auf der untersten Stufe der gesellschaftlichen Hierarchie
stehen - betonen selbstbewusst ihre Position. Margret bezeichnet sich als eine
„honette Person" (Z. 16), nachdem Marie sie als profitsüchtige Frau umschrieben
hat: „Trag sie Ihre Auge zum Jud, und laß Sie sie putze; vielleicht glänze sie noch,
daß man sie für zwei Knöpf verkaufe könnt" (Z. 14 f.); Marie bekennt sich zu ihrer
in der Gesellschaft nicht anerkannten Lage und verteidigt sich auf diese Weise
gegen den Vorwurf, eine Hure zu sein: „Komm, mei Bub! Was die Leut wolle. Bist
doch nur ein arm Hurenkind und machst deiner Mutter Freud mit deim unehrliche
Gesicht!" (Z. 20f.). Maries Reaktion auf die Denunzierung verrät dreierlei: Sie
realisiert ihre Situation, denn als unverheiratete Frau ist ihr Kind unehelich, in den
Augen der Gesellschaft folglich ein „Hurenkind" (Z. 20). Sie rebelliert, indem sie
sich gegen die Vorwürfe der Nachbarin behauptet. Sie bekennt sich zu dem Kind,
weil sie die Liebe zu dem Kind in den Vordergrund rückt: „[...] machst deiner
Mutter Freud" (Z. 21). Diese Aspekte werden in dem nachfolgenden Lied erneut
aufgegriffen.
Im zweiten Teil der Szene betritt Woyzeck den Raum, der Marie sein Erspartes für
die Familie übergibt und anschließend sofort wieder den Raum verlässt. Der im
Zentrum stehende Dialog dokumentiert die Kommunikationslosigkeit der beiden,
die weder aufeinander zugehen noch ihre eigene psychische Verfassung mitteilen
können. So reagiert Woyzeck auf die Anmerkung von Marie, er sehe so verstört
aus (vgl. Z. 1), mit dem Hinweis auf das undefinierbare „Es" (Z. 2), das ihn verfolge. Es wird deutlich, dass er unter Verfolgungswahn leidet, da er auf eine
fremde, äußere Macht verweist, die ihn bedränge: „Marie, es war wieder was,
[...]" (Z. 2); „Es ist hinter mir hergangen bis vor die Stadt" (Z. 6). Woyzeck
erscheint wie ein Gehetzter, der vor etwas flüchtet, ohne das .Etwas' benennen zu
können.
Marie ist beunruhigt angesichts seines Verhaltens, ohne Woyzeck direkt darauf
anzusprechen. Die unheimliche Beziehung spiegelt sich in der räumlichen
Beschreibung i..dunkel" (Z. 14)) sowie in Maries Bemerkungen wider: „[...] blind
[...] Ich halt's nit aus; es schauert mich!" (Z. 16). Selbst die Person, die Woyzeck
am nächsten stehen sollte, die eigene Partnerin, distanziert sich von dem armen
Mann.
Die inhaltlichen Aspekte werden durch sprachliche Mittel gestützt. Alle drei Figuren
der Szene sind Vertreter der untersten Gesellschaftsschicht. Ihre Sprache gehört
daher der untersten Stilebene an und ist dialektal eingefärbt. Viele Sätze sind
grammatisch falsch. Ein häufiges Stilmittel ist die Ellipse: „Was ein Mann, wie ein
Baum!" (Z. 6), „Wer da?" (Z. 30). ..Heut abend auf die Meß!" (Z. 10). Die
elliptischen Sätze verweisen zum einen auf den niedrigen Bildungsstand der
Figuren, zum anderen unterstreichen sie Woyzecks Gehetztheit und seine
Unfähigkeit, sich mitzuteilen. In diesem Zusammenhang ist die äußerste
Verknappung des Dialogs zu sehen, die das fehlende logische Eingehen auf Marie
2
belegen: „Wer da? (...) Kann nit. (...) Ja, Marie. (...) Mann! (...) Franz!" (Z. 34f).
Fragen, die gestellt werden, bleiben unbeantwortet: „Was hast du, Franz?", „Und
sieh, da ging ein Rauch vom Land, wie der Rauch vom Ofen?", „Was soll das
werden?" . An die Stelle der Antworten treten stattdessen Ein-Wort-Ausrufe:
„Mann!", „Franz!". Die hektische Verknappung wird durch die Gedankenstriche
verstärkt. Diese Stilmittel rücken die tiefe Störung ihrer Kommunikation in den
Mittelpunkt. Auffällig ist auch, dass Marie ihre Sorge erst in einem Monolog, also
nach Woyzecks Verlassen, äußert. Eine direkte Aussprache, die die eigenen
Befindlichkeiten beschreibt oder erklärt und in der beide Gesprächspartner nach
Lösungen suchen, erfolgt dagegen nicht. Zahlreiche Vergleiche drücken das aus,
was die Figuren nicht genauer benennen können. Die beiden Frauen fühlen sich
von dem Tambourmajor und seiner zur Schau getragenen scheinbaren
Männlichkeit angezogen: „Was ein Mann, wie ein Baum!"; „Er steht auf seinen
Füßen wie ein Löw" (Z. 7). „Baum" und „Löw" verweisen auf die Attribute der
Stärke, der Kraft und der Macht. Marie verehrt das Äußere des Tambourmajors,
weil sie eben diese Attribute bei Woyzeck nicht findet. Diese erotische Anziehung,
die auch in dem von Marie gesungenen Lied „Soldaten, das sind schöne Bursch..."
(Z. 11) aufgegriffen wird, kündigt die spätere Affäre an.
Auffallend ist die Wiederholung des Wortes ,gehen', das die Gehetztheit Woyzecks
dokumentiert: „Es ist hinter mir hergangen bis vor die Stadt", „Ich muß fort", „(Er
geht)", „(Geht ab)" (Z. 6 f.). Zahlreiche Szenen enden mit dem überstürzten
Fortgehen einer Figur, ohne dass der Leser das Gefühl hat, dass eine klärende
Verständigung zwischen ihnen stattgefunden hat. In diesem Kontext sind die
Szenenanfänge von Bedeutung. Wie in fast allen Szenen ist der Einstieg unvermittelt. Hier beginnt sie mit Lauten, die dem Leser keinen
Kausalzusammenhang an die Hand geben: „He, Bub! Sa ra ra ra!" (Z. 4 f.). Die
unvermittelten Szeneneinstiege und abrupten Szenenabbrüche sind typisch für das
Gesamtwerk. Sie verweisen auf die Autonomie der Einzelszene, die eine logische
Handlungsstruktur unterbindet und diese in zahlreiche Einzelausschnitte der
gezeichneten Gesellschaft unterteilt.
Als letztes wesentliches Stilmittel sind die Liedeinlagen zu nennen, die wiederholt
in den Dramentext eingewoben sind. Sie erfüllen unterschiedliche Funktionen. Das
erste Lied „Soldaten, das sind schöne Bursch..." (Z. 11) drückt - wie erwähnt Maries Hingabe an den Tambourmajor aus und deutet die bevorstehende Affäre
an. Das Lied hat folglich handlungsunterstützende Funktion, indem es den Inhalt
widerspiegelt. Das Lied „Mädel, was fängst du jetzt an?" (Z. 23 ff.) reflektiert im
ersten Teil Maries aussichtslose Situation: Sie hat ein uneheliches Kind, keinen
Mann und darf keinerlei Unterstützung von der Gesellschaft erwarten.
Auch hier zeigt sich die Kommunikationslosigkeit, denn Marie kann ihre Situation
und ihre Wünsche nur in ein Lied gießen. Dennoch ist sie - die neben Woyzeck und
im Gegensatz zu den anderen Figuren einen Namen trägt - die Einzige, die ihre
Situation reflektiert und gegen ihre Misere rebellieren möchte. Diese Rebellion
konkretisiert sich in der Affäre mit dem Tambourmajor, durch die sie aus der
gestörten Beziehung ausbrechen möchte und in der sie nach Erfüllung ihrer
individuellen Bedürfnisse strebt. Andere Möglichkeiten der Rebellion bleiben ihr
dagegen nicht. In die Szene sind wesentliche inhaltliche und sprachliche Elemente
eingearbeitet, die sich im Gesamttext wiederholen, die der zunächst scheinbar
zusammenhanglosen Aneinanderreihung der Einzelszenen eine innere Struktur
3
verleihen und dem Leser ein kompaktes Abbild der Gesellschaft offerieren. Im
Vordergrund steht der Protagonist Woyzeck. Er ist der gehetzte, paranoide
Antiheld, der seine Misere nicht sprachlich verarbeiten und mitteilen kann. Er wird
ausgebeutet, indem er die niedersten Dienste verrichten muss. Diese Ausbeutung
geht sogar so weit, dass er als Versuchskaninchen für medizinische Experimente
missbraucht wird und ihm auf diese Weise die Anerkennung, Mensch zu sein,
abgesprochen wird. Wie sich in dieser Szene andeutet, wird er noch dazu Marie
verlieren, die einzige Person, die seinem Leben einen Sinn verliehen hat. Seine
weit reichende psychische Störung führt also auch dazu, dass ihm die Fähigkeit,
Liebe auszuleben und geliebt zu werden, abgesprochen wird. Folgerichtig verliert
er durch die Affäre Maries mit dem Tambourmajor alles, sogar sich selbst. In
dieser Lage ist der Mord an Marie die einzige aktive Handlung Woyzecks, die
konsequent erscheint, aber zugleich sein eigenes Leben symbolisch auslöscht,
obwohl das Ende offen bleibt. Die Affäre Maries scheint nicht genug der
Erniedrigung zu sein. Woyzeck muss sich noch dazu vom Tambourmajor
beschimpfen und verprügeln lassen, während Schaulustige die Szene verfolgen
und den Tambourmajor anfeuern, statt dem Schwachen zur Hilfe zu eilen.
Mit dieser hoffnungslosen Grundaussage des Werkes unterscheidet Büchner sich
eindeutig von den Theoriekonzepten der Klassik. Büchner hält eine in sich
geschlossene Handlung, die sowohl inhaltlich als auch sprachlich logisch in dem
literarischen Werk umgesetzt wird, nicht mehr angemessen für die Darstellung der
Realität. So wird Büchners Woyzeck zum ersten Drama der Moderne, da der Blick
erstmals auf die untersten Schichten gelenkt und nicht mehr der Anspruch erhoben
wird, eindeutige Antworten auf die zu komplex gewordene Welt zu geben.
3. Die Szene ist zu Beginn der Dramenhandlung anzusiedeln. Nachfolgend wird der
Seitensprung Maries mit dem Tambourmajor vollzogen, der Woyzeck
möglicherweise zu dem Mord an Marie veranlasst. Der Leser erhält im Verlaufe der
Handlung die Möglichkeit, die psychische Verfassung der Figuren zu durchleuchten,
um deren Handlungsmotive, die an kaum einer Stelle von ihnen selbst artikuliert
werden, nachzeichnen zu können.
(1670 Wörter)
4
Kompetenzbereich
Einen dramatischen Text
analysieren
Einen dramatischen Text analysieren juergenbucksch@iqsh.de
1
Einen dramatischen Text
analysieren
Zielsetzung
Die folgenden Seiten sind so konzipiert, dass sie einen Überblick
darüber vermitteln, welche zentralen Aspekte beim Umgang mit
dramatischen Texten und beim Schreiben durch die
Kompetenzvorgaben der Lehrpläne zu berücksichtigen sind.
Der Lehrplan für die Berufsfachschule I Deutsch (Nr. 3024.22.150 vom
August 2008) formuliert die Kompetenz der „kriteriengeleiteten
Texterschließung“ (S. 16) auf der Grundlage der der KMKBildungsstandards.
Der Lehrplan für das Berufliche Gymnasium ebenfalls vom August 2008
fordert eine Ausdifferenzierung und Kontextualisierung der
Textanalyse, indem er vorgibt: Die Schülerinnen und Schüler „…
erschließen und bewerten Inhalte und Formen von Literatur (…)
unterschiedlicher Epochen und Stile in ihrer medialen
Repräsentanz.“ (S. 22)
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2
Einen dramatischen Text
analysieren
Vorbemerkung
Die Komplexität der mit den Kompetenzen beschriebenen Anforderungen macht es
erforderlich, dass die Kompetenzen in Teilaufgaben erworben und gesichert
werden müssen.
Diese Übersicht liefert der Lehrkraft Instrumente für die Entwicklung von Unterricht.
Eher kontraproduktiv für das Lernen wäre es, den Schülerinnen und Schülern in oder
vor Überprüfungssituationen jeweils diese gesamte Übersicht zur Verfügung zu
stellen, die die Komplexität der Anforderungen beschreibt und zugleich als Basis
für eine Beurteilung der Leistungen für Lehrkräfte dient (im Sinne einer Drohung:
Das alles müssen Sie können).
Die Aspektfülle würde die Schülerinnen und Schüler eher verunsichern.
Die Übersicht ist differenziert und aspektreich, sie ist jedoch keine Anleitung zum
Verfassen Textinterpretationen. Jeder Text erfordert andere individuelle, intuitive
Zugänge als auch Schwerpunktsetzungen.
Die Übersicht hilft der Lehrkraft bei der Vorbereitung, führt bei Lernenden jedoch
eher zu einem schematischen Vorgehen.
Schülerinnen und Schüler haben in Überprüfungssituationen selten genug Zeit für
solch umfängliche Be- und Überarbeitungen aller Aspekte der Aufgabe.
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3
Einen dramatischen Text analysieren
I. Aufbau einer Textinterpretation:
• Einleitung: Der Autor des Textes, Titel, Textsorte, das Erscheinungsjahr, Ort,
Zeit (, Hauptfiguren ) und die Kernthematik des Textes werden in einem
Satz wiedergegeben.
• Inhaltsangabe: Der Inhalt des Textes wird verkürzt wiedergegeben. Dabei
wird weniger auf Details geachtet, wichtiger sind der Verlauf der Erzählung,
die wichtigsten Charaktere und die wesentlichen Ereignisse (Präsens, keine
Zitate oder Sprache des Textes, Vermeiden von Charakterisierungen).
• Interpretationshypothese: Sie soll das eigene Textverständnis erklären und
kurz skizzieren, welches Ziel die Interpretation hat .
• Formale Analyse: Der Text wird vor allem auf Besonderheiten der
Wortwahl, Formen des Satzbaus und der Satzverknüpfungen und auf
rhetorische Besonderheiten hin analysiert.
• Interpretation: Der Text wird entsprechend der Interpretationshypothese
gedeutet. Wichtig sind dabei Zitate entscheidender Textstellen, die die
Hypothese belegen. Auch auf sprachliche Stilmittel kann hingewiesen
werden (verlaufs- oder aspektorientiert).
• Schluss: Der Schluss besteht meist aus einer zusammenfassenden
Bewertung der eigenen Hypothese, um sie nochmals zu bekräftigen.
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4
Einen dramatischen Text
analysieren
II. Interpretationshypothese(n) :
Sie soll(en) das eigene Textverständnis erklären und kurz
skizzieren, welches Ziel die Interpretation hat. Stellen Sie in
diesem Zusammenhang folgende Fragen an den Text:
• Warum handeln die Personen so, wie sie handeln? Stellen Sie,
von dieser Frage ausgehend, weitere Fragen, die die tiefere
Bedeutung des Textes erschließen.
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5
Kompetenzbereich : Einen dramatischen Text analysieren
Aspekte:
-Thema/Stoffe/Motive – Gattung – Literaturepoche - Aufbau
- Aspekte:
Kommunikationssit
uation im Drama
- Haupt- und
Nebentext
- Redeformen
- Figurenrede
- Gestik
- Mimik
Aspekte:
Die Handlungsstruktur
beschreiben
Kommunikation und
Sprache
Wirkung
Raum- und Zeitstruktur
- Einheit des Ortes/der
Zeit gegeben oder nicht
gegeben
- Qualität des
Raumes
- Qualität der Zeit
-
Lokalisierungsund
Datierungstechniken
Figuren
Aspekte:
Aspekte:
-Kontextualisierung
- Wirkungsabsicht
- Rezeption
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Konstellation
Konfiguration
Konzeption
Figurencharakterisierung und ihre
Techniken
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Kompetenzaspekt : Die Handlungsstruktur beschreiben
Teilaspekte:
- Anzahl der Regieanweisungen – Welche symbolische
Bedeutung können Ort und Regieanweisungen haben?
Teilaspekte: Bauform
(geschlossen/offen;
analytisches/Ziel-[= Konflikt]drama) Akt- und
Szenengliederung
Komposition (ggf.
symmetrisch-pyramidaler
Aufbau; G. Freytags Modell
mit Exposition, Steigerung,
Höhepunkt, Peripetie und
Katastrophe/Lösung)
Handlungsstruktur: Hauptund Nebenhandlung(en);
aufsteigende/fallende
Handlung (erregendes
Moment, retardierendes
Moment, Moment der letzten
Spannung)
Teilaspekte:
Regieanweisungen
Aufbau
Bedeutung im
Kontext
Teilaspekte:
Positionierung der Szene im Drama;
Einordnung in die Entwicklung des Dramas
Kontext
Weitere
strukturelle
Merkmale
biografischer,
sozialhistorischer,
geistesgeschichtlicher,
literarhistorischer und
poetologischer
(dramentheoretischer)
Kontext (=
Entstehungsbedingungen) als
Argumentationshilfe zur
Klärung bestimmter
Textphänomene
Zeitstruktur; besondere strukturelle
Merkmale ( z.B. episches Theater), Motive
und ihre Entwicklung
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7
Mögliche Fragen zur Handlungsstruktur
Hinweis: Die nachstehenden Aspekte müssen immer im Hinblick auf ihre Funktion
untersucht werden.
Es müssen die Fragestellungen ausgewählt werden, die für die konkrete
Analyseaufgabe und den vorliegenden Text fruchtbar sind.
• Wie ist die Szene aufgebaut?
• Welche Bedeutung hat die Szene im Kontext?
• Welche Funktion hat die Szene für die Struktur des Dramas ?
• Gibt es Rückverweisungen ?
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8
Kompetenzaspekt : Wirkung auf den Zuschauer erläutern
- Welche Bezüge zur Autorin bzw. zum
Autor und zum literaturgeschichtlichen
Hintergrund lassen sich herstellen?
Mittel der
Rezeptionssteuerung
(Zuschauer /Sympathielenkung
u.ä.) Der niedere Stil
Wirkungsabsicht:
belehren, informieren:
Der mittlere Stil
Wirkungsabsicht:
erfreuen, unterhalten:
Der hohe Stil
Wirkungsabsicht: das
Erregen von starken
Affekten
Kontextualisierung
Wirkungsabsicht
Rezeption
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Wie ist die Bedeutung des
Dramas für die
zeitgenössischen
Leserinnen/Leser und
Zuschauerinnen/Zuschauer?
• Welche Bedeutung hat das
Thema?
• Wie wirkt das Drama auf
die heutigen
Leserinnen/Leser und
Zuschauerinnen/Zuschauer?
• Welche gesellschaftliche
Funktion hat(te) das Drama?
9
Kompetenzbereich : Die Figuren beschreiben und vergleichen
Die Figuren des dramatischen Textes handeln in Beziehungen mit anderen Figuren
und gehen dabei dynamische Interaktionsstrukturen ein. Diese dynamischen
Strukturen bei der Figurengestaltung basieren im Allgemeinen auf den
personalstrukturierenden Kontrast- und Korrespondenzrelationen, in deren
Schnittpunkt sich die einzelnen Figuren befinden.
Bei der
Figurencharakter
isierung im
dramatischen
Text gibt es
folgende
Techniken:
Konstellation
Figurencharakterisierung
und
ihre Techniken
Konfiguration
Die Figuren des
dramatischen Textes
sind zu einer
bestimmten Zeit auf
der Bühne präsent
oder nicht. Diesen
Aspekt der
Figurengestaltung im
dramatischen Text
bezeichnet man als
Konfiguration.
Konzeption
Es lassen sich drei verschiedene Dimensionen der
Figurenkonzeption unterscheiden:
Weite (W): Bandbreite der Entwicklungsmöglichkeiten einer
Figur, Offenheit, Festgelegtheit und Begrenztheit einer Figur
Länge (L): Entwicklung, die eine Figur zurücklegt auf Grund von
Veränderungen, Verstärkungen oder Enthüllungen
Tiefe (T): Verhältnis und Beziehung zwischen dem äußeren
Verhalten und dem Innenleben einer Figur.
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- auktoriale Techniken zur Figurencharakterisierung,
die vom Autor direkt an den Zuschauer bzw. Leser
adressiert sind.
- figurale Techniken zur Figurencharakterisierung, die
von den Figuren in ihrem Sprechen und Handeln zum
Ausdruck gebracht werden.
Techniken der Figurencharakterisierung im Drama
Quelle: http://www.teachsam.de/deutsch/d_literatur/d_gat/d_drama/drama_8_2_4_1.htm
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11
Kompetenzbereich : Die Kommunikationsstruktur des Textes analysieren
Teilaspekte: (Fehlen einer vermittelnden Instanz; inneres/äußeres Kommunikationssystem; (Modell der
literarischen Kommunikation: narrative versus dramatische Texte)
Haupt- (=
Figurenrede) und
Nebentext (=
Regieanweisunge
n; Form und
Funktion
beachten!);
Kommunikationssituation
Haupt- und
Nebentext
Figurenrede
Gestik und Mimik
Sprache und Redestil der Figuren
(Vers oder Prosa [bei
Versdichtung: Metrum, Versform,
ggf. Reimformen und -folgen,
Strophenform(en)]; Idiolekt,
Soziolekt, Dialekt); elaborierter
und restringierter Code, Lexik
(Wortschatz, Wortwahl, Fremd/Fachwörtergebrauch u.a.),
Syntax, rhetorische Tropen und
Figuren; Stilhaltung: ironisch,
distanziert, engagiert usw.;
Situationsbezug der Rede
(situatives Sprechen); Funktionen
der Rede (appellativ, expressiv,
referentiell, poetisch, phatisch,
metasprachlich):
Gestik im Sinne von kommunikativen Bewegungen insbesondere der Arme, Hände und des
Kopfes, wird sowohl lautsprachersetzend wie auch lautsprachbegleitend bzw.
lautsprachunterstützend eingesetzt. Als die Mimik (hochsprachlich auch die „Miene“ oder
das „Mienenspiel“) werden die sichtbaren Bewegungen der Gesichtsoberfläche
bezeichnet.
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Kompetenzbereich : Raum- und Zeitstruktur
Einheit des Ortes/der Zeit gegeben oder nicht
gegeben
Teilaspekte:
(neutral oder
Verweischarakt
er der Zeit);
Kontinuum
oder
Diskontinuum;
Verbindung von
Raum und Zeit
mit Handlungselementen zu
einmaligen
Situationen
u.ä.)
Einheit von Ort und Zeit
Qualität der Zeit
Qualität des Raumes
Teilaspekte:
-(z.B.
neutraler
Raum/
individueller
Raum;
offener/
geschlossener
Raum;
Verweischarakter)
Lokalisierungs- und
Datierungstechniken
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13
TIP 631 Textinterpretation Drama Büchner: Woyzeck Kompetenzaspekt: Die
Handlungsstruktur beschreiben ( Inhaltsaspekt: Handlungsablauf ) www.fo-net.de
Es ist strittig, ob Büchner „Woyzeck“ als offenes oder geschlossenes Drama angelegt hat.
1. Die lineare Struktur der Szenenfolge kann auch pyramidal geordnet werden. Ordnen Sie die
unten aufgeführten Szenen in die dramatische Struktur ein. Unterscheiden und vermerken Sie
in diesem Zusammenhang auch die Handlungsarten 1 – 3:
2. Entscheiden Sie, ob „Woyzeck“ eher als ein offenes oder ein geschlossenes Drama angelegt ist
und begründen Sie Ihre Entscheidung!
Peripetie : Der
Mordgedanke
entfaltet sich
Der Konflikt entsteht
Die Verzweiflung
Die Exposition
Die Katastrophe
Folgende
Handlungsarten
sind zu
unterscheiden
1. Äußere
Handlung:
Sie findet auf der
Bühne oder auf
anderen
Schauplätzen statt.
2. Innere
Handlung:
Sie spielt sich im
inneren der Figuren
ab.
1
3. Offene
Handlung:
Sie ist auf der Bühne
sichtbar.
TIP 631 Textinterpretation Drama Büchner: Woyzeck Kompetenzaspekt: Die
Handlungsstruktur beschreiben ( Inhaltsaspekt: Handlungsablauf ) www.fo-net.de
Szenenfolge : Es gibt bis heute mehrere Lese- und Bühnenfassungen von
Woyzeck. Werner R. Lehmann hat folgende Szenenfolge auf der Grundlage
von Büchners Handschriften konstruiert:

1. Szene: Freies Feld, die Stadt in der Ferne
Woyzeck, der mit seinem Kameraden Andres Weidenstöcke schneidet, fühlt sich von
übernatürlichen Mächten bedroht: Es geht hinter mir, unter mir – hohl, hörst du? Alles
hohl da unten. Die Freimaurer! – Andres versucht seine, durch Woyzecks
Halluzinationen ausgelöste, Angst mit dem Volkslied von den „zwei Hasen“ zu
verdrängen.

2. Szene: Die Stadt
Die Militärkapelle marschiert auf der Straße vorbei. Marie winkt dem Tambourmajor
zu. Die Nachbarin Margreth bekommt das mit. Woyzeck besucht seine Geliebte und
das Kind. Er spricht geheimnisvoll. Marie zeigt kein Verständnis.

3. Szene: Buden, Lichter, Volk
Alter Mann singt zum Leierkasten. Marie und Woyzeck hören einem Ausrufer zu, der
Kuriositäten präsentiert. Unteroffizier und Tambourmajor schwärmen von Marie.

4. Szene: Mariens Kammer
Marie betrachtet sich im Spiegel. Der Tambourmajor hat ihr Ohrringe geschenkt.
Woyzeck überrascht sie und gibt ihr Geld. Eilt wieder davon.

5. Szene: Beim Hauptmann
Woyzeck rasiert den Hauptmann. Der verhöhnt ihn. Als der Hauptmann über Moral
und über Woyzecks Kind zu reden kommt, das ohne den Segen der Kirche geboren
sei, gibt der Soldat seine Wortkargheit auf. Ich glaub’, wenn wir [arme Leute] in den
Himmel kämen, müssten wir donnern helfen!

6. Szene: Mariens Kammer Der Tambourmajor macht Marie Avancen. Sie weist ihn
erst zurück, gibt dann jedoch nach.

7. Szene: Auf der Gasse Woyzeck hat eine Ahnung, dass Marie ihm untreu ist. Er will
seine Vermutung von der Untreue Maries bestätigt wissen.

8. Szene: Beim Doktor
Woyzeck hat sich dem Doktor für Versuche zur Verfügung gestellt, um Geld zu
verdienen. Der Doktor verabreicht ihm die tägliche Erbsenration. Woyzeck spricht
über seine Visionen. Für den Doktor ist Woyzeck ein interessanter casus.

9. Szene: Straße
2
TIP 631 Textinterpretation Drama Büchner: Woyzeck Kompetenzaspekt: Die
Handlungsstruktur beschreiben ( Inhaltsaspekt: Handlungsablauf ) www.fo-net.de
Der Hauptmann belästigt den Doktor mit seinen Ansichten. Der sagt dem Hauptmann
einen Schlaganfall voraus. Als Woyzeck ihren Weg kreuzt, lassen beide ihre
Aggressionen an ihm aus und deuten eine Affäre zwischen Marie und dem
Tambourmajor an. Woyzeck ist getroffen.

10. Szene: Die Wachtstube
Woyzeck teilt Andres seine innere Unruhe mit.

11. Szene: Wirtshaus
Soldaten vergnügen sich, Handwerksburschen und junge Frauen tanzen. Unter ihnen
auch Marie und der Tambourmajor. Woyzeck sieht das Paar, kann es nicht fassen.

12. Szene: Freies Feld
Woyzeck hört Stimmen, die ihm auftragen, Marie zu töten: „… stich die Zickwolfin
[Marie] tot.“

13. Szene: Nacht
In der Nacht versucht sich Woyzeck Andres mitzuteilen und spricht von den Stimmen,
die ihm befehlen zu töten, doch Andres will nur schlafen.

14. Szene: Wirtshaus
Woyzeck und der Tambourmajor treffen aufeinander. Im Zweikampf unterliegt der
physisch schwächere Woyzeck.

15. Szene: Kramladen
Woyzeck besorgt sich im Laden eines Juden ein Messer.

16. Szene: Kammer
Marie empfindet Reue und sucht in der Bibel Trost.

17. Szene: Kaserne
Woyzeck teilt Andres mit, wer seine Habseligkeiten nach seinem Tod bekommen soll,
dieser erkennt seine psychische Lage nicht und geht von einer simplen
Fiebererkrankung aus, die mit Medizin geheilt werden kann: Franz, du kommst ins
Lazarett. Armer, du musst Schnaps trinken und Pulver drin, das töt’ das Fieber.

18. Szene: Der Hof des Doktors
Studenten nehmen an einer Vorlesung teil. Woyzeck wird vom Doktor als
Versuchsobjekt vorgeführt und gedemütigt.

19. Szene: Marie mit dem Mädchen vor der Haustür/Straße
3
TIP 631 Textinterpretation Drama Büchner: Woyzeck Kompetenzaspekt: Die
Handlungsstruktur beschreiben ( Inhaltsaspekt: Handlungsablauf ) www.fo-net.de
Marie sitzt mit mehreren kleinen Mädchen und der Großmutter vor dem Haus. Die
Großmutter erzählt das Märchen vom Sterntaler in abgewandelter Form als AntiMärchen mit bösem Ende. Woyzeck kommt hinzu und fordert Marie auf, ihm zu
folgen. Marie wir wolln geh’n. ’s ist Zeit.

20. Szene: Abend. Die Stadt in der Ferne
Woyzeck und Marie sind vor der Stadt. Marie folgt ihm unwillig und versucht der
Situation zu entkommen. Ich muss fort, das Nachtessen richten. Anstatt sie gehen zu
lassen, sticht Woyzeck plötzlich in einem Blutrausch auf Marie ein: Nimm das und
das! Kannst du nicht sterben? So! so! Ha sie zuckt noch, noch nicht, noch nicht?
Immer noch? (Stößt zu.) Bist du tot? Tot! Tot!

21. Szene: Es kommen Leute
Zwei Personen hören aus der Ferne, was passiert und suchen den Tatort auf.

22. Szene: Das Wirtshaus
Woyzeck sucht ein Wirtshaus auf, um sich auszuruhen. Eine Frau im Wirtshaus
erkennt Blutspuren an Woyzeck, woraufhin dieser die Flucht ergreift.

23. Szene: Abend. Die Stadt in der Ferne
Woyzeck sucht das Messer am Tatort in der Nähe eines Teiches, um die Indizien für
den Mord zu vernichten.

24. Szene: Woyzeck an einem Teich
Woyzeck versenkt das Messer im Teich und wäscht sich das Blut ab.

25. Szene: Straße
Kinder teilen einander mit, dass vor der Stadt eine Leiche gefunden wurde.

26. Szene: Gerichtsdiener, Arzt und Richter
Die gefundene Leiche wird als spektakulär angesehen – Gerichtsdiener: Ein guter
Mord, ein echter Mord, ein schöner Mord, so schön als man ihn nur verlangen kann,
wir haben schon lange so kein gehabt.

27. Szene: Karl (Idiot), Woyzeck und das Kind
Karl hält Woyzecks und Maries Kind auf dem Schoß. Woyzeck verspricht ihm ein
Gebäck (Reuter). Karl läuft mit dem Kind weg.
4
TIP 632 Textinterpretation Drama Büchner: Woyzeck Kompetenzaspekt: Die
Handlungsstruktur beschreiben (Inhaltsaspekt: Figurenkonstellation)www.fo-net.de
Die Figurenkonstellation
1. Die Dreierkonstellation
1.1. Welche Bedeutung haben die Armut und die Ohrringe / die Uniform in dem
Dreiecksverhältnis?
1.2. Wie werden die Protagonisten sprachlich gestaltet?
Tambour
- major
Marie
Woyzeck
2. Spieler – Gegenspieler
2.1. Ordnen Sie Andres und Margreth und den Hauptmann und den Doktor in das
Schema ein!
Woyzeck
Woyzecks Ausbeuter
1
TIP 632 Textinterpretation Drama Büchner: Woyzeck Kompetenzaspekt: Die
Handlungsstruktur beschreiben (Inhaltsaspekt: Figurenkonstellation)www.fo-net.de
3. (Anti-)Held als Zentralfigur
3.1. Welche soziale Positionen zwischen Adel und Bürgertum nehmen der
Tambourmajor und 1 + 2 ein ?
3.2. Für welche Haltungen der Zeit (1815 Wiener Kongress) stehen der Hauptmann und
der Doktor ?
3.3. Welche symbolische Bedeutung weist Büchner den Figuren 3 – 5 zu ?
3.4. Ist Woyzeck eher ein erotisches oder soziales Drama ?
Beschriften Sie die Graphik im Sinne der Antworten!
Marie
1. Hauptmann
5. Ausrufer
Antiheld
„Woyzeck“
4. Großmutter
2. Doktor
3. Erster
Handwerksbursch
Tambourmajor
2
TIP 633 Textinterpretation Drama Büchner: Woyzeck
( Inhaltsaspekt: Die Stoffgeschichte )
www.fo-net.de
Stoffgeschichte
Die Veröffentlichung der Clarus-Gutachten in medizinischen Fachzeitschriften
("Zeitschrift für Staatsarzneikunde" 1824 und 1826) erregte eine öffentliche
Diskussion über Woyzecks Unzurechnungsfähigkeit und die physiologische
Deutung von dessen Sinneswahrnemungen. Georg Büchners Vater war
Mitarbeiter dieser Zeitschrift und steuerte selbst Berichte über merkwürdige Fälle
aus seiner Arztpraxis bei. Im Büchnerschen Haushalt existierten die
gesammelten Jahrgänge der Zeitschrift und Georg Büchner hat als
Medizinstudent und während seines Aufenthalts im Elternhaus Herbst 1834
(siehe Biografie) die Gutachten gelesen. Gearbeitet hat er an diesem Drama, von
dem es keine endgültige Fassung gibt, 1836/7 in Straßburg und Zürich.
Überliefert ist es in drei Handschriften, in denen sich auch das Bild des
Protagonisten Woyzeck verändert: Jeder Leseausgabe oder Bühnenfassung liegt
also bereits eine Interpretation dieser Entwürfe zugrunde.(*)
Die erste Aufführung des "Woyzeck" fand 1913 Residenztheater München statt.
(* Hinweis für Lehrer: Clemens Kammler macht diese Tatsache und den
Fragmentcharakter des 'Woyzeck' zum Ausgangspunkt einer Unterrichtseinheit mit
"dekonstruierender" Absicht; in C.Kammler, "Neue Literaturtheorien und
Unterrichtspraxis", Schneider Verlag 2000 S.41 ff.)
Das Thema
"Letztlich - und das ist das Entscheidende - geht es im "Woyzeck" wie zuvor im
"Landboten" und im "Danton" um die stets gleiche Frage: um die Abhängigkeit
menschlicher Existenz von Umständen, die 'außer uns liegen'. Den "gräßlichen
Fatalismus der Geschichte" und seine "zernichtende" Gewalt hatte Büchner schon
in seiner frühesten Gießener Zeit empfunden. Das Studium der Geschichte, vor
allem der großen politischen Umwälzungen, hatte ihm die Frage gestellt, die er
als Schicksalsfrage menschlicher Existenz empfand: "Was ist das, was in uns
lügt, mordet, stiehlt?"; Das aber war nichts anderes als die Frage nach den
bestimmenden und verursachenden Faktoren des menschlichen Schicksals; es
war die Frage nach Freiheit oder Vorherbestimmtheit menschlicher
Willensentscheidungen, nach der Möglichkeit oder auch nur Sinnhaftigkeit, durch
Handeln und Planen in den Geschichtsverlauf und den Verlauf des Einzellebens
eingreifen zu können. (...)
Wieder aber steht die gleiche Frage über dem Drama vom Mörder Franz
Woyzeck, der seine Geliebte erstach. Wieder ist gefragt, im nackten Handeln des
einzelnen, jenseits aller kollektiven Aktion: "Was ist das, was in uns lügt, hort,
stiehlt und mordet?" Neben der gesellschaftlichen Determiniertheit der
politischen Agitation, neben der ursächlichen Bestimmtheit und inneren
Gebundenheit ganzer Geschichtsepochen steht die Gebundenheit der
individuellen Tat, des Verbrechens. (...)
Die Frage der "sozialen Indikation" ist gestellt, das Verbrechen aus der
gesellschaftlichen Lage erklärt, ... Woyzecks Tun erscheint hier, ebenso wie das
seiner Peiniger und Gegenspieler, als Wirkung und Produkt sozialer Funktionen
und Seinslagen. Verschiedenheit der sozialen Lagen bestimmt die
Verschiedenheit der Anschauungen über Sitte und Moral, entscheidet über
Glücksmöglichkeit und Aufstiegschance. "
(aus Hans Mayer, Georg Büchner und seine Zeit, Frankfurt 1972 S. 339-41)
1
TIP 634 Textinterpretation Drama Büchner: Woyzeck
( Die Kommunikationsstruktur des Textes )
Formanalyse
www.fo-net.de
Die Sprache in Büchners „Woyzeck“
1. Büchner verwendet für seine Figuren einen Individualstil. Nach ihrer
sozialen Situation und ihrem Bildungsgrad sprechen sie individuell.
Belegen Sie dieses mit Zitaten von
Woyzeck:___________________________________________________
___________________________________________________________
___________________________________________________________
Marie:______________________________________________________
___________________________________________________________
________________________________________________________
einer
Wahlfigur:___________________________________________________
___________________________________________________________
___________________________________________________________
2. Büchner verleiht seinen Figuren auch satirische Fähigkeiten sich
selbst gegenüber. Weisen Sie diese These am Doktor nach!
______________________________________________________
______________________________________________________
______________________________________________________
______________________________________________________
3. Büchner montiert Zitate aus Volksliedern, Märchen und der Bibel zur
Figurencharakterisierung lakonisch und knapp ein. Finden Sie fünf
Belege für diese Technik!
a. ____________________ (___. Szene)
b. ____________________ (___. Szene)
c. ____________________ (___. Szene)
d. ____________________ (___. Szene)
e. ____________________ (___. Szene)
Im Gegensatz zur Sprache des klassischen Dramas herrscht im Woyzeck
die Umgangssprache vor: „WOYZECK: Aber mit der Natur ist’s was
anders, sehn Sie; mit der Natur, das ist so was, wie soll ich doch sagen,
zum Beispiel …“ – Durch bewusst eingebaute Satzbrüche, Ellipsen und
Interjektionen vermittelt Büchner Authentizität. Gleichzeitig dient diese
Form der Umgangssprache als Spannung steigerndes Mittel. Das
Aneinandervorbeireden der Menschen versinnbildlicht die Einsamkeit
Woyzecks und seine zerbrechende Beziehung zu Marie. Darüber hinaus
gelingt es Büchner, durch verschiedene Sprachebenen den
gesellschaftlichen Rang der Sprecher anzudeuten. Der Doktor spricht
hochdeutsch, während die Sprache Woyzecks und Maries, die den
1
TIP 634 Textinterpretation Drama Büchner: Woyzeck
( Die Kommunikationsstruktur des Textes )
Formanalyse
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untersten Gesellschaftsschichten angehören, dialektgefärbt und fehlerhaft
ist.
Die sozial Höherstehenden sprechen zwar meistens grammatikalisch
korrekter, ergehen sich aber häufig in hohlen Phrasen (z. B. der Doktor: …
der Mensch ist frei, in dem Menschen verklärt sich die Individualität zur
Freiheit, 8. Szene) oder formulieren vage und unpräzise in Form von
Tautologien (z. B. der Hauptmann: Er hat keine Moral! Moral, das ist,
wenn man moralisch ist, versteht Er!, 5. Szene). Woyzeck dagegen äußert
sich, wenn er einmal den Mut fasst und aus sich herausgeht, sehr konkret
und anschaulich. Durch zahlreiche Metaphern entsteht der Eindruck, dass
er nicht in logischen Begriffen, sondern ausschließlich in Bildern denkt
(z. B. Über der Stadt is alles Glut! Ein Feuer fährt um den Himmel und ein
Getös herunter wie Posaunen, 1. Szene; … der liebe Gott wird den armen
Wurm nicht drum ansehen, ob das Amen drüber gesagt ist, eh er gemacht
wurde, 5. Szene; … so ein schöner, fester, grauer Himmel; man könnte
Lust bekommen, ein’ Kloben hineinzuschlagen und sich daran zu hängen,
9. Szene; Wenn man kalt is, so friert man nicht mehr. Du wirst vom
Morgentau nicht frieren, 20. Szene; Nein, keine Schuh, man kann auch
ohne Schuh in die Höll gehn, 22. Szene). Und das überaus anschauliche,
poetisch anmutende „Märchen“ (19. Szene) wird von der Großmutter
erzählt, die ebenfalls der Unterschicht angehört.
Auch die Bezeichnungen der Rollen sind aussagekräftig: Viele Personen,
die der unteren Gesellschaftsschicht entstammen (Woyzeck, sein
Stubenkamerad Andres, Marie, das Mädchen Käthe, Maries Nachbarin
Margreth und der Narr Karl) wurden vom Autor mit Namen versehen und
erscheinen, obwohl nur skizzenhaft gezeichnet, als Charaktere, zum Teil
sogar als Identifikationsfiguren. Die meisten übrigen Rollen dagegen sind
lediglich nach ihren beruflichen bzw. sozialen Funktionen benannt:
„Tambourmajor“, „Hauptmann“, „Doktor“, aber auch „Großmutter“,
„Budenbesitzer“ u.a.. Ihre Rollen sind oft flacher und eindimensionaler, sie
scheinen daher eher Typen als Charaktere zu sein.
Auffallend und oft rätselhaft sind die literarischen Bezüge des
Dramenfragments: die zahlreichen Anspielungen auf die Bibel, auf
Goethes Faust (24. Szene: Was hast du eine rote Schnur um den Hals),
auf Shakespeares Hamlet (1. Szene: der rollende Kopf, der Igel und der
hohle Boden unter den Füßen verweisen auf die Friedhofs- und die
Geistszene) und nicht zuletzt auf Büchners eigene Werke (Dantons Tod
und Lenz).
2
TIP 635 Textinterpretation Drama Büchner: Woyzeck Inhaltsanalyse
( Die Raumstruktur des Textes ) www.fo-net.de
Die Räume und die Requisiten des Unterschichtsmilieus charakterisieren Woyzeck und die
anderen Figuren. Sie sind um die nicht benannte Garnisonsstadt gruppiert.
Ordnen Sie den Räumen und Requisiten aus den Szenen heraus Bedeutungen zu.
Die Natur als
Mitspieler:
Bedeutung zu
Beginn:
Der Spiegel;
die Ohrringe
als
Bedeutungsträ
ger:
Die Kammern
sind eng und
arm;
Bedeutung:
Der Alltag für
Woyzeck in
der
Garnisonsstadt
Die Katze; das
Pferd als
Bedeutungsträ
ger:
Die Straßen
waren
verkotet;
Bedeutung:
Die Natur als
Mitspieler:
Bedeutung am
Ende :
1
TIP 636 Textinterpretation Drama Büchner: Woyzeck Inhaltsanalyse
( Die Zeitstrukturstruktur des Textes ) www.fo-net.de
1. Fügen Sie in die Klammern die Szenen-Nummern oder die Zeilen-/Seitenzahlen ein!
2. Fügen Sie Szenen in den Pfeil ein, die die Katastrophe vorbereiten. (Szenen mit finaler Bedeutung wie die Szenen 1 – 3: Marie nimmt
Augenkontakt mit dem Tambourmajor auf!
Freitag:
Wahnvorstellungen
(………………….),
Zapfenstreich
(…………………..),
Jahrmarktbesuch
(………………….)
Woyzecks Zustand:
Samstag:
Woyzeck besucht
Marie
(………………….),
Beim Hauptmann
(………………….),
beim Doktor
(………………….),
Maries Untreue
(………………….)
Woyzecks Zustand:
3.
Sonntag:
Vergnügungen
(………………….),
Tanzszene
(………………….),
Mordvorsatz
(………………….),
Prügelei mit dem
Tambourmajor
(………………….)
Woyzecks Zustand:
Montag:
Messerkauf
(………………….),
Testament
(………………….),
Mord(………………….)
Entdeckung
(………………….),
Versuche des
Verbergens
(………………….)
Woyzecks Zustand:
Fügen Sie in die Pfeile jeweils einen Satz zur jeweiligen Verfassung Woyzecks an den Tagen ein.
1
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Vormärz Epochenbegriff Abiturvorbereitung BG SH
Name:
Datum:
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Vorbemerkung zum Epochenbegriff “Vormärz”
Der neue Lehrplan für Berufliche Gymnasien gibt die Themen “Eine Epoche in ihrer
Eigenart” und “Epochenwandel und Epochenkontraste” vor. Diese Themen legen ein
Vorgehen nahe, dass die Lehrkraft in 11.2. zunächst eine Textauswahl aus
“typischen Vertretern” der Epoche vornimmt. Das Thema “Eochenwandel..” rückt
dagegen die Epochenränder stärker in den Blick. Auf diese Weise erhalten die
Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit, “Orientierungswissen über die
Widersprüche einer Makro-Epoche zu erwerben und dabei auch literarische
Formentscheidungen als das Ergebnis von Auseinandersetzungen mit
überkommenen Normen zu erkennen” ( Karlheinz Fingerhut: Didaktik der Literaturgeschichte.
In: Bogdal, Klaus-Michael / Korte, Hermann (Hg.): Grundzüge der Literaturdidaktik, München 2002, S.
162).
Am Beispiel Nikolaus Lenaus stellt Dorothee Meerkötter im Heft 6, Seite 86 f.der
Zeitschrift “Der Deutschunterricht” (2003) eine Unterrichtsreihe zur
Widersprüchlichkeit der Zuordnung Lenaus zu einer Literaturepoche (Spätromantik
oder Vormärz ?) vor. Der Begriff Vormärz wird hier verstanden als die
zeitgeschichtliche Zuordnung der Literatur zwischen 1815 und 1848. Andere
Epochenbegriffe sind zur genaueren Beschreibung von Übergängen der
Epochenränder hilfreich und zu untersuchen:
Struwwelpeter 1844 Ferdinand Raimund als Aschenmann in Der Bauer als Millionär 1826
1 Vormärz Epochenbegriff
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Theodor Hosemann Armut 1840 Karikatur Denkerclub 1819
1. Historischer Hintergrund
2. Christian D. Grabbe
Scherz, Satire, Ironie und tiefere Bedeutung
Don Juan und Faust
3. Heinrich Heine
Lyrik Heines
Atta Troll
Heines Reisebilder
4. Georg Büchner
Der Hessische Landbote
Woyzeck
Leonce und Lena
Dantons Tod
5. Nikolaus Lenau
1. Historischer Hintergrund
Die Umwälzung der Lebensweise der Zeit war durch folgende wichtige Erfindungen /
Ideen geprägt:





Dampfmaschine
mechanischer Webstuhl
Spinnmaschine
Darwins Lehren
Wandel im Rhythmus des öffentlichen Lebens und der Erwerbsarbeit
2 Vormärz Epochenbegriff
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einschließlich der Kinderarbeit : Projektvorschlag: Repräsentationen von
Arbeit und Beruf im Bilderbuch / im Volksmärchen: Produkte:
Essays schreiben ( Passwortgeschützt / verfügbar für die
Nutzer von www.fo-net.de und www.lesezeiten.de )




Dampfschiff / Eisenbahn
elektronischer Telegraf (Bedeutung für die Börse / Politik. Beispiel: Als 1801
der russische Zar starb, war die Nachricht erst nach 21 Tagen in London, die
Nachricht vom Tod Nikolaus I. erreichte London 1855 nach vier Stunden)
1847 produzierte Krupp die erste Gussstahlkanone
weitere Momente des Wandels: Massive Häuser mit großen Fenstern, neuen
Öfen und fließendem Wasser wurden gebaut. Leuchtgas ersetzte
Petroleumlampen. Seit 1824 gab es Streichhölzer. Die Klassiker wurden in
großem Stil in Goldschnittausgaben vermarktet. Die Straßenbeleuchtung
ermöglichte ein Nachtleben. In Hamburg wurde 1850 die Kanalisation gebaut.
Bürgersteige und Schaufenster erlaubten es vornehmen Damen, (verschleiert)
die Straßen zu betreten. Durch Anilinfarben wurde die Tapeten- und
Textilindustrie befördert. Der Zylinderhut ersetzte den demokratischen
Schlapphut.
Für die Autoren des Vormärz, Christian D. Grabbe , Heinrich Heine, Georg Büchner
und Nikolaus Lenau, spielt der historische Hintergrund eine bedeutende Rolle. Mit
der Umorientierung des literarischen Kanons von einem klassisch- romantischen
Idealbild hin zu einem gesellschaftlich und historisch möglichst allumfassenden
Literaturkanon fand auch Heine im literarischen Kanon Platz. Als wichtige Daten der
Zeit sind zu nennen:
1815
Wiener Kongress
1817
Wartburgfest
Karlsbader Beschlüsse
1830
Julirevolution, Bürgerkönig Louis Philippe
1832
Hambacher Fest
1833
Gründung deutscher Zollverein
1848
Märzrevolution, erste deutsche Nationalversammlung
Der Sturm und Drang war eine Bewegung, auf welche sich die Literaten des Vormärz
beriefen. Der von F.M. Klinger verfasste Roman "Sturm und Drang" war daher auch
eines der Basiswerke für die Epoche des Vormärz.
2. Christian D. Grabbe
Heute ist der in Detmold geborene Christian Dietrich Grabbe (1801 - 1836) ein
literarischer Außenseiter. . Sein erstes Drama, "Herzog von Gotland" (1822) wurde
von Tieck bewundert, zugleich aber auch als abstoßend kritisiert. Grabbe erwiderte:
"Ein Spiegel kann die abstoßende Realität zeigen, ohne sich selbst zu
beschmutzen". Der Mensch erscheint im Stück als Tier, die Reime sind absichtlich
schief [Im Gegensatz zu Friederike Kenntners "der schlesische Schwan", die ihre
3 Vormärz Epochenbegriff
www.fo-net.de LGV 10
schlechten Reime für vollkommene Poesie hielt und bis heute als Muster für
schlechte Dichtkunst steht]. Der Mensch ist nach Grabbe schlechter als das Tier, er
tötet seinesgleichen. Die Theodizee als göttliches Gebot wird zugleich in Frage
gestellt.
Ein Geschichtsdrama mit umfassenden Rückgriff auf historische Quellen ist
"Napoleon oder die hundert Tage". Aber auch Legenden und Anekdoten über den
von den Vormärz- Autoren bewunderten Feldherren und Politiker Napoleon fließen in
das Stück ein. Die titelgebende dramatische Figur Napoleon steht nicht im
Mittelpunkt des Stücks, ist kaum in die Handlung involviert, statt dessen werden
reportageartig Volkes Stimmen gesammelt. Die Zeit erscheint als entscheidender
Faktor, Napoleon selbst ist aber nicht an sie gebunden, sondern erscheint überall
und unvermutet. Die Gegner Gneisenau und Blücher sind dagegen bloße Typen und
Teil des Volkes, was dazu beitrug, dass das Stück im Nationalsozialismus
missbraucht wurde. Der Mensch wird bei Grabbe insgesamt stets begrenzt und klein
dargestellt, als bloße Vorstufe des Übermenschen.
Das Stationendrama "Hannibal" als episiertes Drama beschreibt Hannibals Feldzug
gegen Rom und endet mit dem Untergang Karthagos.
Don Juan und Faust
Die Welt des zu sinnlichen Don Juan (nach Mozarts Don Giovanni) und des
übersinnlichen Faust werden durch Grabbe verknüpft. Das Stück war das einzige
Stück Grabbes, welches zu Lebzeiten des Autors aufgeführt wurde. Die Handlung ist
leicht und einfach. Im Zentrum steht der Streit der Nationalitäten Deutsch (Faust) und
Spanisch (Don Juan).
3. Heinrich Heine
zum Wintermärchen (Text und Unterrichtsideen)
Der in Düsseldorf geborene Heinrich Heine (1797 - 1856) wurde lange Zeit in der
Literaturwissenschaft ignoriert. Der von Schwermut und Dekadenz geprägte GeorgeKreis lehnte Heine wegen seiner Leichtigkeit ab. Auch Karl Kraus verurteilte Heine,
da Heine mit seiner Sprache den Duktus des Journalismus vorwegnahm, Kraus sah
darin einen Auslöser für den Sprachverfall am Ende des 19. Jahrhunderts. Die
Sprache Heines macht den Menschen erkennbar, sie führt so direkt in den Krieg.
Kraus wandte sich gegen die Phrasen und die sprachliche Kommerzialisierung
Heines sowie gegen die Ästhetisierung des Alltags. Noch in der BRD sprach Adorno
von der "Wunde Heine". Die Nationalsozialisten ließen unter das Loreley- Lied
"Dichter unbekannt" schreiben.
Düsseldorf war zur Zeit der Jugend Heines französisch besetzt, Heine wurde von
Jesuiten erzogen und erlebte als Jugendlicher den Einzug Napoleons im Rheinland
1808, was für alle Autoren des literarischen Vormärz ein epochales Ereignis war.
Auch bei Heine findet sich eine Mystifizierung der Person Napoleons.
1835 werden die Schriften des Jungdeutschen Gutzkow (Walli die Zweiflerin etc.)
vom deutschen Bundestag verboten, wenig später die Jungdeutschen insgesamt.
Auf Betreiben Metternichs werden Heines Schriften ebenfalls auf die Verbotsliste
gesetzt.
Ab 1840 setzt eine Radikalisierung Heines ein. Eine Hetzschrift gegen den
Schriftsteller und Mitbegründer des Jungen Deutschland, Ludwig Börne (1786 1837, Begründer des Feuilletons) mit dem Vorwurf des Nazarenertums und des
Verrats an der Aufklärung stellt den Höhepunkt dar. Nazarener war die abfällige
4 Vormärz Epochenbegriff
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Bezeichnung für Künstler wie Schnorr von Carolsfeld, die historistische Malerei im
katholischen Rom betrieben, statt die romantische Mittelaltervision zu verwerfen und
sich dem hellenistischen, aufgeklärten Zeitalter zu öffnen.
Über seinen Freund Wilhelm Schlegel erhält Heine Kontakt zu Md. de Staël, welche
das Bild Deutschlands vom Land der Dichter und Denker vor allem in Frankreich
prägte ("de l'Allemagne"). Heine war dieses Bild zu idealistisch und berücksichtigte
auch nicht die sozialen Verhältnisse.
Das von Heine proklamierte Ende der Kunstperiode (1832, Tod Goethes) ist gemäß
der Schule der Romantik das Ende der Klassik. Heine inszeniert diesen Aufstand
gegen Goethe gemäß der Didaktik Hegels von These (Klassik) und Antithese (
Romantik). [Im Gegensatz zu Schiller sollte Goethe aber nicht auf das verklärte Bild
eines abstrakt denkenden imperialistischen und idealistischen Autors mit Vorliebe für
den Historismus beschränkt werden.] Heine gruppiert die Romantiker, insbesondere
E.T.A. Hofmann, Zacharias Werner und Novalis in den literaturgeschichtlichen
Kontext ein. Die 1835 von Gervinius herausgebrachte erste große deutsche
Literaturgeschichte wird dagegen von Heine (und Grillparzer) angefeindet. Im
"zweiten Buch der Romantik" kritisiert Heine ferner Schlegels exzessiven Gebrauch
der Allegorie und Metapher. Diese sollten nach Heine nur als politische Mittel
gebraucht werden. Auch Ludwig Tieck, der Literaturpapst dieser Zeit und
produktivster romantischer Schriftsteller, wird von Heine kritisiert, insbesondere die
serielle Gedichtsproduktion (vgl. auch Grillparzer: "Teewasser. Gedichte von Tieck").
dagegen verehrte Heine in der Aufklärung Lessing. Kritik musste hier vor allem
Nicolai (naive Aufklärung) einstecken.
Lyrik Heines
Heines Lyrik umfasst eine Vielzahl an Bildern Die an zentraler Stelle angeordneten
Machtwörter innerhalb des für Heine typischen lyrischen Intermezzos sind identisch
mit der romantischen Auffassung von Lyrik. Nacht, Traum, Rosen, Lippen und
Tränen sind dabei als Allegorien ähnlich konnotiert wie in der Romantik. Die
Annäherung der Geliebten an eine Heilige wird meist durch einen Maler ausgedrückt.
Heine ist sich darüber im klaren, dass er damit romantische Grundtopoi benutzt und
versucht sich zeitlebens vergeblich davon zu distanzieren.
Atta Troll
Diese Mischung aus Lied und Gedicht in Form eines Versepos ist für die Literatur
des Vormärz' typisch.
Der 1841 veröffentlichte Atta Troll ist eine Mischung aus komischem Tierepos,
Travestie und den durch Grandville bekannt gewordenen illustrierten Tierepen
(lösten Fabel ab). Das Metrum ist ein vierfüßiger reimloser Trochäus, der künstlicher
als der Jambus wirkt und den natürlichen Sprachfluss hemmt. Im Trochäus ist
zugleich der hämmernde Vers des spanischen Dramas geschrieben, er war zudem in
der deutschen Romantik beliebt. Die Zeilen sind zu Blöcken auch sinngemäß
zusammengefasst, wobei der letzte Satz eines Blocks die vorher aufgestellte Illusion
stets bricht.
Atta Troll ist eine Allegorie auf die vormärzliche politische Opposition der
unterschiedlichsten Richtungen. Das Tier als Kritiker des Menschen stellt die Ideale
5 Vormärz Epochenbegriff
www.fo-net.de LGV 10
der Liberalen Ferdinand Freilingrath und Emmanuel Geibel ("Der Mai ist gekommen")
in Frage.
Heines Reisebilder
Die Reisebilder sind kein stimmiges Ganzes, es besteht in ihnen kein interner
Sachzusammenhang. Statt dessen herrscht ein Durcheinander von Prospekten,
Berichten und Aussagen als Potpourri vor. Es handelt sich aber auch nicht um ein
gewachsenes, organisches Ganzes, sondern um eine Konstruktion, dessen integrale
Einheit aufgebrochen wurde, der Text umfasst insgesamt auch nicht den Anspruch
auf eine Gesamtaussage.
4. Georg Büchner
Arbeitsblatt Abiturwissen: BVW 30 Vormärz Wissen zu Büchner und Woyzeck
Der 1813 im hessischen Godelau geborene Büchner gründete 1834 die "Gesellschaft
für Menschenrechte" und rief im selben Jahr mit der sozialistischen Kampfschrift "der
hessische Landbote" zum politischen und gesellschaftlichen Umsturz auf. 1835 muss
er deshalb nach Straßburg flüchten, wo er zwei Jahre später im Alter von erst 23
Jahren an Typhus stirbt. Er selbst war promovierter Anatom, sein Bruder war
Reichstagsabgeordneter und erfand das Ultramarin, eine Schwester war
Frauenrechtlerin.
Sein Werk ist trotz geringen Umfangs nicht zu unterschätzen, erhalten blieben zwei
abgeschlossene Theaterstücke (Leonce und Lena, Napoleon) und ein Fragment (
Woyzeck), ein Novellenfragment (Lenz) und diverse Briefe. Er nimmt insbesondere
im Woyzeck u.a. Entwicklungen der Psychologie des Realismus vorweg. Die Figuren
selbst praktizieren dabei eine Minimalsprache. Literaturgeschichtlich ist Büchner eng
mit Grabbe verbunden. Bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts sind beide literarische
Außenseiter. Büchner lebte lange im kleinbürgerlichen Darmstadt (Pensionopolis,
laut Büchner), vergleichbar mit Grabbes Detmold. Büchner wird danach
insbesondere durch "Woyzeck" zum Klassiker des 19. Jahrhunderts. Mit 21 Jahren
erfolgt der erste Druck des hessischen Landboten. Von den Vorläufern Marx' lernt
Büchner, dass die Wirtschaft auf Ausbeutung beruht und Veränderungen nur durch
organisierte Aufstände realisierbar sind. Büchner schwankt dabei zwischen
Pessimismus und Revolution (Republikaner), will aber gegen die Herrschaft zunächst
mit Hilfe der Statistik (Elend der Massen) und der Religion (religiöser Fanatismus)
vorgehen. Insbesondere sein bis heute umstrittener konservativer Freund Weidig war
für die religiösen Elemente im Landboten zuständig. Danach soll der Glaube an Gott
den Glauben an das Gute im Menschen bestärken. Bis ins 20. Jahrhundert war der
hessische Landbote verpönt und nicht als politisches Pamphlet betrachtet. Die
statistischen Grundlagen und das Motto "Friede den Hütten, Krieg den Palästen"
waren unbekannt.
Die Novelle "Lenz" basiert auf der Biographie des Sturm- und Drang- Dichters Jakob
Michael Reinhold Lenz. Lenz selbst war deviant und in die Gesellschaft seiner Zeit
nicht integriert sowie seelisch zerrüttet. Die Novelle kann so als Studie einer
Krankheit betrachtet werden. Dabei werden die psychologischen Merkmale klar
herausgestellt, wie dies medizinisch erst 60 Jahre später möglich ist. Der Text hat
zwar Anfang und Ende, wichtige Zwischenpartien fehlen dem Fragmentaber.
6 Vormärz Epochenbegriff
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5. Nikolaus Lenau
Der im rumänischen Csatad 1802 geborene Nikolaus Nimbsch Edler von Strehlenau
war in seiner Zeit in Wien mit dem Politiker und Schriftsteller Anastasius Grün Graf
von Auersperg (1806 - 1876) befreundet. Die beiden als Dioskuren (Söhne des Zeus,
Kastor und Pollux) bezeichneten versteckten ihre Kritik an der Politik des Vormärz in
ihrer Literatur. In Stuttgart bekam Lenau später Kontakt zur schwäbischen
Dichterschule (Justinus Kerner, Uhland, Gustav Schwab). Trotz seines Versepos
Faust ist er eigentlich eher als Lyriker bekannt.
Die Grundstimmung in seinen Gedichten ist düster und bedrohlich. In seinen
Schilfliedern dominiert die Lyrik der Andeutung, Hexe und andere Wesen tauchen
nur als Vision auf, die natürlich zugeordneten Farben gehen verloren so entsteht
zusammen mit den kritisch verwendeten Allegorien ein Gefühl der Melancholie.
Die Antike geht von vier Temperamenten aus:
Sanguiniker
lustig, lebensfroh, aber auch fad, oberflächlich und flach
Phlegmatiker
(Phlegma = Schleim) ruhig, nichtstuend, gemütlich
Melancholiker
tiefsinnig, traurig, entrückt, die Hintergründe erahnend oder erkennend
Choleriker
aufbrausend, gereizt
Lenaus Gedichte sind meist Wandergedichte (Die drei Indianer, der Polenflüchtling,
der Indianerzug etc). Nicht nur dadurch wird Lenaus Literatur singulär, auch durch
die Verzweiflung und Enttäuschung am Scheitern der französischen Revolution und
an der Metternich- Restauration bis hin zum Vormärz. Der Rückzug in die Literatur
des Biedermeier ist damit die einzige Möglichkeit des Schriftstellers. Das bisher
geleistete wird bei Lenau nicht satirisch verhöhnt, wie dies unter dem Eindruck der
Demontage der französischen Revolution bei Büchner und Heine geschieht.
Vielmehr verdeutlicht Lenau, dass nichts Neues aus der gegenwärtigen Situation
entstehen kann, alles ist nur mehr ein Nachklang des Vergangenen, insbesondere
der Klassik. Lenau verdeutlicht, dass Gräber die Geschichte überdauern. Sein Blick
ist der des Melancholikers: Er sieht und denkt in Allegorien.
Lenaus "Faust" ist aus Dialogen (Drama) und Erzählpassagen (Prosa)
zusammengesetzt. Dabei finden sich zahlreiche Rückgriffe auf Goethes Faust. Im
Gegensatz zu Goethes Werk ist Mephisto bei Lenau absolut, Philosoph und
Aufklärer, bei Goethe Geprellter, Verführer und Mächtiger. Lenaus Faust wird am
Ende nicht gerettet, er ist hoffnungslos der Wissenssucht verfallen. Faust als Sinnbild
des Individuums hat sich von Gott, der Welt und der Menschheit entfremdet. Der
kenntniswillige Mensch endet im Freitod, die Theodizee kann vom Humanismus der
Klassik nicht im Diesseits beantwortet werden.
7 Vormärz Epochenbegriff
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Vormärz Wissen zu Büchner und Woyzeck Abiturvorbereitung BG SH
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Datum:
Darbietung: Schüler- Vortrag OHP www.fo-net.de BVW 30
Der 1813 im hessischen Godelau geborene Büchner gründete 1834 die "Gesellschaft
für Menschenrechte" und rief im selben Jahr mit der sozialistischen Kampfschrift "der
hessische Landbote" zum politischen und gesellschaftlichen Umsturz auf. 1835 muss
er deshalb nach Straßburg flüchten, wo er zwei Jahre später im Alter von erst 23
Jahren an Typhus stirbt. Er selbst war promovierter Anatom, sein Bruder war
Reichstagsabgeordneter und erfand das Ultramarin, eine Schwester war
Frauenrechtlerin.
Sein Werk ist trotz geringen Umfangs nicht zu unterschätzen, erhalten blieben zwei
abgeschlossene Theaterstücke (Leonce und Lena, Napoleon) und ein Fragment (
Woyzeck), ein Novellenfragment (Lenz) und diverse Briefe. Er nimmt insbesondere
im Woyzeck u.a. Entwicklungen der Psychologie des Realismus vorweg. Die Figuren
selbst praktizieren dabei eine Minimalsprache. Literaturgeschichtlich ist Büchner eng
mit Grabbe verbunden. Bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts sind beide literarische
Außenseiter. Büchner lebte lange im kleinbürgerlichen Darmstadt (Pensionopolis,
laut Büchner), vergleichbar mit Grabbes Detmold. Büchner wird danach
insbesondere durch "Woyzeck" zum Klassiker des 19. Jahrhunderts. Mit 21 Jahren
erfolgt der erste Druck des hessischen Landboten. Von den Vorläufern Marx' lernt
Büchner, dass die Wirtschaft auf Ausbeutung beruht und Veränderungen nur durch
organisierte Aufstände realisierbar sind. Büchner schwankt dabei zwischen
Pessimismus und Revolution (Republikaner), will aber gegen die Herrschaft zunächst
mit Hilfe der Statistik (Elend der Massen) und der Religion (religiöser Fanatismus)
vorgehen. Insbesondere sein bis heute umstrittener konservativer Freund Weidig war
für die religiösen Elemente im Landboten zuständig. Danach soll der Glaube an Gott
den Glauben an das Gute im Menschen bestärken. Bis ins 20. Jahrhundert war der
hessische Landbote verpönt und nicht als politisches Pamphlet betrachtet. Die
statistischen Grundlagen und das Motto "Friede den Hütten, Krieg den Palästen"
waren unbekannt.
Die Novelle "Lenz" basiert auf der Biographie des Sturm- und Drang- Dichters Jakob
Michael Reinhold Lenz. Lenz selbst war deviant und in die Gesellschaft seiner Zeit
nicht integriert sowie seelisch zerrüttet. Die Novelle kann so als Studie einer
Krankheit betrachtet werden. Dabei werden die psychologischen Merkmale klar
herausgestellt, wie dies medizinisch erst 60 Jahre später möglich ist. Der Text hat
zwar Anfang und Ende, wichtige Zwischenpartien fehlen dem Fragmentaber. Die
kommunistische Interpretation sieht in dem Werk eine Stellungnahme gegen den
Glauben, christliche Interpreten dagegen sehen eine Mahnung vor der Entfremdung
von Gott. Insgesamt bestimmt das impersonale Es die Handlung.
Die Komödie "Leonce und Lena" wurde vom ersten Gönner Büchners, Gutzkow,
gerügt. Das Stück sei demnach unrelevant und ohne Bezug, kurz: zu leicht. In der
Tat handelt es sich um ein Gelegenheitsstück für ein Preisausschreiben Cottas. Auch
Gundolf (George- Kreis) wertete das Stück ab. Es finden sich wenig Anklänge an die
revolutionären Werte des Vormärz, statt dessen dominiert die satirische
Auseinandersetzung mit den Duodezfürsten. Als einzige politische Komponente kann
die Beschreibung eines Steckbriefes wie bei Nestroy dienen (Freiheit für Krähwinkel Größe: Barrikadengröße).
Woyzeck : Das zwischen Herbst 1836 und Februar 1837 entstandene Hauptwerk
Büchners ist Fragment geblieben. Es ist keine Endfassung feststellbar, vielmehr
stehen vier Handschriften als Konzeptionen und Entwürfe neben einander. Der
Erstdruck erfolge in der damals liberalen "Neuen freien Presse". Erst 1913 wird das
Stück als Oper "Wozeck" uraufgeführt. Eine standardisierte Ausgabe des Woyzeck,
von Poschmann herausgegeben, ist umstritten; neben ihr existieren weitere 6
historisch- kritische Ausgaben. Poschmanns Ausgabe baut im wesentlichen auf H4
auf, welche sich wiederum an H1 und H2 anlehnt, während die Stellung von H3 bis
heute nicht zu klären war. Dennoch bleibt der Woyzeck eine bloße Szenenfolge.
Der Woyzeck baut auf einen historischen Fall auf: 1821 ersticht Johann Christian
Woyzeck in Leipzig seine Freundin. Der Fall erregte öffentliches Aufsehen, da
Woyzeck offensichtlich unzurechnungsfähig war. Die Hinrichtung erfolge nach einem
Gutachten Clarus', welche dieses Faktum ignorierte.
Im Woyzeck wird Bezug auf die Sprache der Bibel genommen. Woyzeck sieht sich
als Opfer der Offenbarung und zugleich als Opfer des unpersönlichen "Es". ("Es trifft
mich", Es ist hinter mir her").
Woyzeck ringt also mit einem sprachlichen, nicht mit einem personifizierten
Antagonisten. Von den übrigen Figuren wird Woyzeck ausgenutzt: Sowohl der
Tambourmajor als auch der Doktor benutzen ihn, um ihre gesellschaftlichen oder
medizinischen Gedanken zu verifizieren. Diese Unfreiheit steht im Gegensatz zum
aufklärerischen Gedanken von der Freiheit des Menschen, eine direkte Erfahrung
des Pauperismus in der industriellen Revolution.
Die Sprache ist naturalistisch geprägt, sie macht zugleich den vierten und fünften
Stand bühnenfähig. Die Figuren sind der Sprache jedoch nicht mächtig, haben keine
direkte Sprachkontrolle. Die Sätze sind parataktisch ohne grammatische Hierarchie
und verbinden Gedanken miteinander, die ebenfalls nicht logisch verknüpft sind. Dies
drückt sich auch in der willkürlich erscheinenden Szenenfolge aus. Zugleich werden
scholastische Fragen in das Geschehen geworfen (Kann der allmächtige Gott einen
Stein erschaffen, den er selbst nicht hoch heben kann?), was ebenfalls eine Abkehr
vom Deïsmus der Aufklärung darstellt. Es existiert kein Gott, nur das impersonale Es.
Auch Goethes Teleologie wird verworfen und gegen eine negative Theodizee
Büchners ersetzt, ferner die Lehre Leibnitz von der Besten aller Welten, welche
durch Voltaires Erfindung der französischen Revolution ersetzt wird.
Im Stück wird das Clarus- Gutachten abgeändert. Woyzeck ist kein isoliertes Wesen
und deshalb nicht allein für seinen Wahnsinn verantwortlich. Kritik wird an den Naturund Sozialwissenschaften sowie der Psychologie geübt, welche Woyzeck
missbrauchen. Anders als bei Faust geschieht dies nicht freiwillig, während Faust
Mephisto hätte ausweichen können, gibt es für Woyzeck keine Alternative zu den
Experimenten des Doktors. Woyzeck und seine Geliebte Marie weisen zugleich als
einzige Spuren von Individualität auf, während die Übrigen nur Typen repräsentieren.
Es wird aber nur dargestellt, ein Gegenentwurf wird durch Büchner nicht aufgezeigt.
Dies erschwerte im DDR- Kanon eine marxistische Interpretation.
Dantons Tod: Das Stück ist als Montage und mit seiner Vielzahl an Zitaten nahe am
dokumentarischen Theater. Die Jungdeutschen, insbesondere Karl Gutzkow,
nahmen das Stück begeistert auf. Gutzkow erkannte als erster die formvollendete
Gestalt, während die Literaturkritik lange ein bühnenungeeignetes Fragment darin
sahen.
Nach Goethe ist eine Tragödie ein unaufhebbarer Gegensatz. Der pragmatische
Ansatz des 20. Jahrhunderts sieht ein Drama dann, wenn am Schluss der Held stirbt.
Im Drama Danton ist der Tod jedoch sinnlos, die Revolution ist wie Saturn und frisst
ihre eigenen Kinder. Wie Medea zerstückelt sie die Menschheit, um sie zu verjüngen.
Der Tod erscheint nur als Resultat eines unaufhaltsamen Prozesses. Danton fällt als
epikureischer Individualist der Revolution und sich selbst zum Opfer. Büchner
bemerkte in seinen Briefen: "Ein grässlicher Fatalismus beherrscht die Geschichte".
Mit grausamen und drastischen Metaphern aus der griechischen Antike wird von den
Literaten des Vormärz nach einer vollkommenen Welt gesucht. Die feinsinnige
Rhetorik kann die unabgeschlossene, zerbrochene Welt und das unvollkommen
beendete Leben nicht verbergen. Selbst die Liebe ist nur noch Praxis des
gesellschaftlichen Handelns und nicht mehr private Empfindung. Am Ende des
Stücks wird Lucille wie Shakespeares Ophelia in den Wahnsinn getrieben.
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Vormärz Der Literaturmarkt im Vormärz Abiturvorbereitung BG SH
Name:
Datum:
www.fo-net.de LGV 35
1. Der Literaturmarkt des Vormärz in Deutschland
Nach den napoleonischen Kriegen expandiert der Handel und damit gleichzeitig das
Informationsbedürfnis. Folglich entwickelte sich die Buchproduktion nach 1830 sprunghaft.
Zwischen 1821 und 1838 stieg die jährliche Buchproduktion auf über 10.000 Titel um 150 %.
Steigerungen erfolgten in den Bereichen Fach- und Sachbuch. Dichtung stagnierte. Das
Netz der Buchhandlungen verdichtete sich (1840: 1.350 Buchhandlungen), 1825 wurde der
Börsenverein des Deutschen Buchhandels gegründet. Nutznießer dieser Entwicklung waren
die vielen Unterhaltungsschriftsteller. Die oppositionelle Literatur unterlag dagegen
verschärfter Zensur.
Mit dem Wartburgfest formierten sich 1817 Studenten und Professoren (Literaturtipp: T.
Röhrig: Sand oder Der Freiheit eine Gasse). Nach 1830 bildeten sich Vaterlandsvereine.
Zum Hambacher Fest 1832 und mit dem “Bund der Gerechten” werden die Bewegungen
radikaler, das Interesse an (literarischen) Entwicklungen in Europa nimmt zu.
Aufgabe : Was erfahren Sie über die soziale Zusammensetzung der
Leserschaft der “Poetischen Literatur der Italiener” vom 15. Februar bis 23.
August 1845 ?
2. Die Entwicklung des Literaturmarktes in Schleswig-Holstein seit dem
Vormärz
mehr zur Literatur in Schleswig-Holstein
In Eckernförde verlegte 1846 der Buchhändler H. Hansen eine kleine Schrift und verstarb im gleichen
Jahr. Heinrich Heldt gründete am 1. November 1854 eine Druckerei mit Buchverkauf, die sein Sohn
Carl übernahm und am 1. Januar 1872 zur Buchhandlung erweiterte und der er einen kleinen Verlag
angliederte. Er starb 1893, worauf der Enkel Karl zum 1. Oktober dieses Jahres der Inhaber wurde als
Herzogl. Holsteinischer Hofbuchhändler und das Geschäft auf Kunst und Musikalienhandlung
erweiterte.
1840 hatte Elmshorn 5000 Einwohner, wovon 204 Israeliten waren. Die kleine jüdische Gemeinde
entstand durch den Emigrantenzustrom Ende des 18. Jahrhundertsnach Hamburg, das nur die
reichen Juden aufnahm. Die armen wurden nach Altona abgeschoben, wo sie jedoch nicht alle ihr
Brot finden konnten und nach Elmshorn und Glückstadt weiterzogen. Am 1. August 1876 gründete
Wilhelm Hahn hier eine Buchhandlung, die er jedoch schon 1878 nach Plön verlegte, vermutlich, weil
am 1. November 1877 die Buchhandlung von J. M. Groth mit einem kleinen Verlag hinzukam und für
zwei Firmen die Einwohnerschaft zu klein war. Das Hauptgeschäft lag zunächst im Druckerei und
Buchbindereibetrieb sowie im Formulardruck für Behörden aller Art. Später erweiterte Groth das
Sortiment auf Musikalien und Kunstblätter, und daneben, wie stets in kleinen Orten, auf Papierhandel,
die Firma besteht noch heute wie auch die Hahn’sche Buchhandlung in Plön.
In Eutin, der ehemaligen Hauptstadt des Fürstentums Lübeck, zum Großherzogtum Oldenburg
gehörig, gründete 1741 Peter Heinrich Struve eine Druckerei, in der Gesangbücher für das Hochstift
Lübeck und verschiedene Kalender hergestellt wurden, während anschließend der Sohn Benedict
Christian zum 1. Oktober 1802 die “Eutiner wöchentlichen Anzeigen” herausbrachte. Der bisherige
kleine Verlag wurde erweitert 1766 durch Joh. Heinr. Hesse: 24 Oden und Lieder und eine Cantate mit
Melodien ... bey ihm zu bekommen, 1798 durch Joh. Heinr. Voß “Reineke die Voß mit eener
Vorklaring der olden Sassischen Worde” (Erklärung der alten niedersächsischen Worte), 1809 durch
G. H. A. Ukert ”Annalen der Residenz Eutin nebst einer Topographie des Fürstenthurns Lübeck" und
1836 durch G. F. Herbart: ”Vor- und Jetzt- Zeit der... Stadt Eutin im Fürstenthume Lübeck”, mit 3
Abdrücken vom Stein. Da es zu dieser Zeit noch keine Buchhandlung in Eutin gab, verkauften die
Struves die Bücher und Kalender in eigener Regie oder durch die Autoren selbst. Die Druckerei
besteht noch heute.
Erst 1838 eröffneten Carl H. Baurmeister zusammen mit ... Griem in Kiel und Eutin Buchhandlungen,
aus der Baurmeister im Eutiner Geschäft schon 1843 wieder ausschied. Gleich 1838 verlegten sie von
A. L. J. Michelsen ,Ueber die erste holsteinische Landesthellung" eine historische Abhandlung mit
lithographierten Wappen. In den Jahren 1854 - 58 lithographierte H. Geerdts in Eutin eine ”Wegekarte
vom Fürstenthum Lübeck” und eine ”ForstWegeKarte des Amtes Eutin”, gezeichnet von H. E.
Knudsen im Folioformat.
In der Industriestadt Neumünster, früher Wippendorf geheißen, entwickelte sich verhältnismäßig spät
das kulturelle Leben. Uni 1850 gab es dort noch keine Druckerei oder Buchhandlung, auch keine
Zeitung. 1851 bestand das Geschäft des Heinrich Schmidt, der Schul- und Bilderbücher zum
Weihnachtsfeste anbot, hauptsachlich aber Nürnberger Spielsachen, Quiz- (Kurz-) und
Galanteriewaren verkaufte. Für 1852 gab der Schriftsteller Franz Bocke ein Unterhaltungsblatt heraus;
das war zunächst alles. Erst zum 30. April 1870 trat Robert Hieronymus mit einer Buchhandlung nebst
Druckerei und Verlag auf, in dem seit dem 2. April. 1872 der ”Holsteinische Courier erschien. Nach
1900 ging der Zeitungsverlag auf K. Wachholtz über und die Buchhandlung an Hans Helmuth
Clement, der sie auf Kunsthandel erweiterte. Zum 1. Dezember 1889 gründete Carsten Rathje eine
Buch-, Kunst- und Musikalienhandlung. Daneben führte er auch Schreibmaterialien und unterhielt
einen Journal-Lesezirkel. Seine beiden Kinder Ella und Bruno ließ er zu Buchhändlern ausbilden und
nahm sie ins Geschäft. Ende 1940 zog der Vater sich daraus zurück und starb im hohen Alter von 88
Jahren am 13. März 1954. Die Firmen bestehen heute leider nicht mehr..
In Kappeln an der Schlei im Lande Angeln gründete am 1. Oktober 1876 Peter Kock eine
Buchhandlung und gliederte einen kleinen landwirtschaftlichen Verlag an. Als erstes Erzeugnis kam
1879 vom Feldmesser J. S. Meyer ”Tabellen zur Umwandlung Hamburger Ruthen auf die neuen
Hamburger Maaße” für 1 Mark, doch gab es darauf keinen Rabatt, sodass die Sortimenterkollegen
den Verkaufspreis selbst festsetzen mussten. Schon zum 1. Oktober 1883 übernahm der Sohn
August das Geschäft und verlegte 1884 von P. Petersen ”Geschichtliches über (das Gut) Lindau in
Angeln” zur 100jährigen Jubelfeler seiner Parcellierung,und 1885 (der Kuriosität halber hier
aufgeführt) von Dir. Dr. J. Brümmer ”Die Altersbestimmung des Pferdes,sowie die Betrügerelen,
welche an den Schneidezähnen vorgenommen werden”, 16 Seiten mit 15 Holzschnitten, für 50 Pfg.,
ebenfalls netto ohne Rabatt. Quelle u.a. : Aus dem Antiquariat - Börsenblatt für den Deutschen
Buchhandel - Frankfurter Ausgabe - Nr. 78, vom 29.09.1978
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Vertiefung
Epochenüberblick zur Abiturvorbereitung BG SH Vormärz Aufgabe
Name:
Datum:
www.fo-net.de LÜA 51
Aufgabe: Recherchieren Sie die Epochenmerkmale des Vormärz (im weiteren
Sinne)!
Dauer und Bezeichnung
der Epoche
Mindestens fünf Angaben
zum Charakter der
Zeitstrahl
Literatur
Bedeutende Vertreter
und Werke
Gattungen
Themen und Motive
Epochenmerkmale
Sprache und Stil
1815
1718
1720
1825
Figuren
1828
Zeitstrahl
1830
1834
Technische,
wirtschaftliche,
gesellschaftliche und
soziale Entwicklung
1838
1840
1845
Werke
1848
Zentralabitur - Deutsch
1
Literarischer Text – untersuchend eA
Themenkorridor 1
KB 3 – Epochenwandel und Epochenkontraste – Individuum und Gesellschaft 18./19. Jh. - unter besonderer Berücksichtigung der Dramen
„Faust I“ von J.W. Goethe und „Woyzeck“ von G. Büchner
Aufgabenart: Literarischer Text – untersuchend eA
Georg Büchner: Leonce und Lena
Erste Scene
Ein Garten
Leonce ( halb ruhend auf einer Bank. Der Hofmeister) Mein Herr, was wollen Sie von mir?
5
10
Mich auf meinen Beruf vorbereiten? Ich habe alle Hände voll zu thun, ich weiß mir vor Arbeit nicht zu helfen. Sehen Sie, erst habe ich auf den Stein hier dreihundert fünf und sechzig
Mal hintereinander zu spucken. Haben Sie das noch nicht probirt? Thun Sie es, es gewährt
eine ganz eigne Unterhaltung. Dann - sehen Sie diese Hand voll Sand? (Er nimmt Sand auf,
wirft ihn in die Höhe und fängt ihn mit dem Rücken der Hand wieder auf.) jetzt werf' ich sie in
die Höhe. Wollen wir wetten? Wieviel Körnchen hab' ich jetzt auf dem Handrücken? Grad
oder ungrad? Wie? Sie wollen nicht wetten? Sind Sie ein Heide? Glauben Sie an Gott? Ich
wette gewöhnlich mit mir selbst und kann es tagelang so treiben. Wenn Sie einen Menschen
aufzutreiben wissen, der Lust hätte als mit mir zu wetten, so werden Sie mich sehr verbinden.
Dann habe ich nachzudenken, wie es wohl angehn mag, daß ich mir einmal auf den Kopf sehe. O wer sich einmal auf den Kopf sehen könnte! Das ist eins von meinen Idealen. Mir wäre
geholfen. Und dann - und dann noch unendlich Viel der Art. - Bin ich ein Müßiggänger? Habe ich keine Beschäftigung? - Ja es ist traurig ...
15
Hofmeister Sehr traurig, Euer Hoheit.
Leonce Daß die Wolken schon seit drei Wochen von Westen nach Osten ziehen. Es macht
mich ganz melancholisch.
Hofmeister Eine sehr gegründete Melancholie.
20
Leonce Mensch, warum widersprechen Sie mir nicht? Sie sind pressirt1, nicht wahr? Es ist
mir leid, daß ich Sie so lange aufgehalten habe. (Der Hofmeister entfernt sich mit einer tiefen
1
In Eile sein
Text
Zentralabitur - Deutsch
2
Literarischer Text – untersuchend eA
Verbeugung.) Mein Herr, ich gratulire Ihnen zu der schönen Parenthese2, die Ihre Beine machen, wenn Sie sich verbeugen.
Leonce ( allein, streckt sich auf der Bank aus) Die Bienen sitzen so träg an den Blumen, und
der Sonnenschein liegt so faul auf dem Boden. Es krassirt3 ein entsetzlicher Müßiggang. 25
30
Müßiggang ist aller Laster Anfang. - Was die Leute nicht Alles aus Langeweile treiben! Sie
studiren aus Langeweile, sie beten aus Langeweile, sie verlieben, verheirathen und vermehren
sich aus Langeweile und sterben endlich an der Langeweile und - und das ist der Humor davon - Alles mit den wichtigsten Gesichtern, ohne zu merken warum, und meinen Gott weiß
was dabei. Alle diese Helden, diese Genies, diese Dummköpfe, diese Heiligen, diese Sünder,
diese Familienväter sind im Grunde nichts als raffinirte Müßiggänger. - Warum muß ich es
grade wissen? Warum kann ich mir nicht wichtig werden und der armen Puppe einen Frack
anziehen und einen Regenschirm in die Hand geben, daß sie sehr rechtlich und sehr nützlich
und sehr moralisch würde? - Der Mann, der eben von mir ging, ich beneidete ihn, ich hätte
35
ihn aus Neid prügeln mögen. O wer einmal jemand Anders sein könnte! Nur 'ne Minute
lang. ( Valerio halb trunken, kommt gelaufen.)
Leonce Wie der Mensch läuft! Wenn ich nur etwas unter der Sonne wüßte, was mich noch
könnte laufen machen.
40
Valerio ( stellt ich dicht vor den Prinzen, legt den Finger an die Nase und sieht ihn starr an)
Ja!
Leonce ( eben so) Richtig!
Valerio Haben Sie mich begriffen?
Leonce Vollkommen.
(...)
45
Valerio Es ist ein Jammer. Man kann keinen Kirchthurm herunterspringen, ohne den Hals zu
brechen. Man kann keine vier Pfund Kirschen mit den Steinen essen, ohne Leibweh zu kriegen. Seht, Herr, ich könnte mich in eine Ecke setzen und singen vom Abend bis zum Morgen:
»Hei, da sitzt e Fleig an der Wand! Fleig an der Wand! Fleig an der Wand!« und so fort bis
zum Ende meines Lebens.
2
3
Zusätzliche Figur
Grassieren; um sich greifen
Text
Zentralabitur - Deutsch
50
3
Literarischer Text – untersuchend eA
Leonce Halt's Maul mit deinem Lied, man könnte darüber ein Narr werden.
Valerio So wäre man doch etwas. Ein Narr! Ein Narr! Wer will mir seine Narrheit gegen
meine Vernunft verhandeln? Ha, ich bin Alexander der Große4! Wie mir die Sonne eine
goldne Krone in die Haare scheint, wie meine Uniform blitzt! Herr Generalissimus Heupferd,
55
60
lassen Sie die Truppen anrücken! Herr Finanzminister Kreuzspinne, ich brauche Geld! Liebe
Hofdame Libelle, was macht meine theure Gemahlin Bohnenstange? Ach bester Herr
Leibmedicus Cantharide, ich bin um einen Erbprinzen verlegen. Und zu diesen köstlichen
Phantasien bekommt man gute Suppe, gutes Fleisch, gutes Brod, ein gutes Bett und das Haar
umsonst geschoren - im Narrenhaus nämlich -, während ich mit meiner gesunden Vernunft
mich höchstens noch zur Beförderung der Reife auf einen Kirschbaum verdingen könnte, um
- nun? - um?
Leonce Um die Kirschen durch die Löcher in deinen Hosen schamroth zu machen! Aber
Edelster, dein Handwerk, deine Profession, dein Gewerbe, dein Stand, deine Kunst?
Valerio ( mit Würde) Herr, ich habe die große Beschäftigung, müßig zu gehen, ich habe eine
ungemeine Fertigkeit im Nichtsthun, ich besitze eine ungeheure Ausdauer in der Faulheit.
65
Keine Schwiele schändet meine Hände, der Boden hat noch keinen Tropfen von meiner Stirne
getrunken, ich bin noch Jungfrau in der Arbeit, und wenn es mir nicht der Mühe zu viel wäre,
würde ich mir die Mühe nehmen, Ihnen diese Verdienste weitläufiger auseinanderzusetzen.
(…)
4
Alexander der Große war von 336 v. Chr. bis zu seinem Tod König von Makedonien. Alexander
dehnte die Grenzen des Reiches, das sein Vater Philipp II. aus dem vormals eher unbedeutenden
Kleinstaat Makedonien sowie mehreren griechischen Poleis errichtet hatte, durch den sogenannten
Alexanderzug und die Eroberung des Achämenidenreichs bis an den Indischen Subkontinent aus.
Text
Zentralabitur - Deutsch
4
Literarischer Text – untersuchend eA
Zweite Scene
Ein Zimmer
König Peter wird von zwei Kammerdienern angekleidet.
Peter ( während er angekleidet wird) Der Mensch muß denken und ich muß für meine
5
10
Unterthanen denken, denn sie denken nicht, sie denken nicht. - Die Substanz ist das 'an sich',
das bin ich. ( Er läuft fast nackt im Zimmer herum.) Begriffen? An sich ist an sich, versteht
ihr? jetzt kommen meine Attribute5, Modificationen6, Affectionen7 und Accidenzien8, wo ist
mein Hemd, meine Hose? - Halt, pfui! der freie Wille steht davorn ganz offen. Wo ist die Moral, wo sind die Manschetten? Die Kategorien9 sind in der schändlichsten Verwirrung, es sind
zwei Knöpfe zuviel zugeknöpft, die Dose steckt in der rechten Tasche. Mein ganzes System
ist ruinirt. - Ha, was bedeutet der Knopf im Schnupftuch? Kerl, was bedeutet der Knopf, an
was wollte ich mich erinnern?
Erster Kammerdiener Als Eure Majestät diesen Knopf in Ihr Schnupftuch zu knüpfen geruhten, so wollten Sie...
Peter Nun?
Erster Kammerdiener Sich an Etwas erinnern.
15
Peter Eine verwickelte Antwort! - Ei! Nun an was meint Er?
Zweiter Kammerdiener Eure Majestät wollten sich an Etwas erinnern, als Sie diesen Knopf in
Ihr Schnupftuch zu knüpfen geruhten.
Peter ( läuft auf und ab) Was? Was? Die Menschen machen mich confus, ich bin in der größten Verwirrung. Ich weiß mir nicht mehr zu helfen.
(Ein Diener tritt auf.)
20
Diener Eure Majestät, der Staatsrath ist versammelt.
25
Peter ( freudig) Ja, das ist's, das ist's. - Ich wollte mich an mein Volk erinnern! Kommen Sie
meine Herren! Gehn Sie symmetrisch. Ist es nicht sehr heiß? Nehmen Sie doch auch Ihre
Schnupftücher und wischen Sie sich das Gesicht. Ich bin immer so in Verlegenheit, wenn ich
öffentlich sprechen soll. ( Alle ab.)
(…)
(920 Wörter)
5
Eigenschaft
Veränderungen am menschlichen Körper
7
von lateinisch: afficere - antun, versehen mit
8
Nebensächlichkeiten
9
Klassen einer Ordnung
6
Text
Zentralabitur - Deutsch
5
Literarischer Text – untersuchend eA
Textvorlage
Text: Georg Büchner: Woyzeck. Leonce und Lena, Reclam (Nr. 18420), Stuttgart
2005, S. 7f.
Erlaubte Hilfsmittel: Rechtschreiblexikon
Auswahl- und Lesezeit: 20 Minuten
Arbeitszeit: 5 Zeitstunden
Aufgabenstellung
1. Beschreiben Sie, wie König Peter und sein Sohn Prinz Leonce von Georg
Büchner in den ersten beiden Szenen des Lustspiels dargestellt werden.
2. Untersuchen Sie die zentralen Motive und die sprachlich-rhetorische Gestaltung beider Szenen.
3. Nehmen Sie, im Rückgriff auf die soziale Thematik im Stück „Woyzeck“, abschließend Stellung zu der Frage, ob das Theater heute noch ein geeigneter
Ort ist, um gesellschaftliche Fragestellungen zu thematisieren.
Aufgabenstellung
Zentralabitur - Deutsch
Sachtext – untersuchend gA
Themenkorridor 1
KB 3 – Epochenwandel und Epochenkontraste – Individuum und
Gesellschaft 18./19. Jh. – unter besonderer Berücksichtigung de Dramen
„Faust I“ von J.W.Goethe und „Woyzeck“ von G. Büchner
Aufgabenart:
Sachtext – untersuchend gA
Georg Büchner
An die Familie
Straßburg, den 5. April 1833.
5
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20
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Heute erhielt ich Euren Brief mit den Erzählungen aus Frankfurt. Meine Meinung ist
die: Wenn in unserer Zeit etwas helfen soll, so ist es Gewalt. Wir wissen, was wir von
unseren Fürsten zu erwarten haben. Alles, was sie bewilligten, wurde ihnen durch die
Notwendigkeit abgezwungen. Und selbst das Bewilligte wurde uns hingeworfen, wie
eine erbettelte Gnade und ein elendes Kinderspielzeug, um dem ewigen Maulaffen
Volk seine zu eng geschnürte Wickelschnur vergessen zu machen. Es ist eine
blecherne Flinte und ein hölzerner Säbel, womit nur ein Deutscher die
Abgeschmacktheit begehen konnte, Soldatchens zu spielen. Unsere Landstände sind
eine Satire auf die gesunde Vernunft, wir können noch ein Säkulum1 damit
herumziehen, und wenn wir die Resultate dann zusammennehmen, so hat das Volk die
schönen Reden seiner Vertreter noch immer teurer bezahlt, als der römische Kaiser,
der seinen Hofpoeten für zwei gebrochene Verse 20,000 Gulden geben ließ. Man wirft
den jungen Leuten den Gebrauch der Gewalt vor. Sind wir denn aber nicht in einem
ewigen Gewaltzustand? Weil wir im Kerker geboren und großgezogen sind, merken
wir nicht mehr, daß wir im Loch stecken mit angeschmiedeten Händen und Füßen und
einem Knebel im Munde. Was nennt ihr denn gesetzlichen Zustand? Ein Gesetz, das
die große Masse der Staatsbürger zum fronenden Vieh macht, um die unnatürlichen
Bedürfnisse einer unbedeutenden und verdorbenen Minderzahl zu befriedigen? Und
dies Gesetz, unterstützt durch die rohe Militärgewalt und durch die dumme Pfiffigkeit
seiner Agenten, dies Gesetz ist eine ewige, rohe Gewalt, angetan dem Recht und der
gesunden Vernunft, und ich werde mit Mund und Hand dagegen kämpfen, wo ich
kann. Wenn ich an dem, was geschehen, keinen Teil genommen und an dem, was
vielleicht geschieht, keinen Teil nehmen werde, so geschieht es weder aus
1
lat. saeculum: Jahrhundert
Zentralabitur - Deutsch
30
2
Sachtext – untersuchend gA
Mißbilligung, noch aus Furcht, sondern nur weil ich im gegenwärtigen Zeitpunkt jede
revolutionäre Bewegung als eine vergebliche Unternehmung betrachte und nicht die
Verblendung Derer teile, welche in den Deutschen ein zum Kampf für sein Recht
bereites Volk sehen. Diese tolle Meinung führte die Frankfurter Vorfälle herbei, und
der Irrtum büßte sich schwer. Irren ist übrigens keine Sünde, und die deutsche
Indifferenz ist wirklich von der Art, daß sie alle Berechnung zu Schanden macht. Ich
bedaure die Unglücklichen von Herzen. Sollte keiner von meinen Freunden in die
Sache verwickelt sein? […]
(385 Wörter)
Text
Zentralabitur - Deutsch
3
Sachtext – untersuchend gA
Textvorlage
Georg Büchner: Werke und Briefe. Münchner Ausgabe. München: Carl Hanser
Verlag 1988.
Erlaubte Hilfsmittel: Rechtschreiblexikon
Auswahl- und Lesezeit: 20 Minuten
Arbeitszeit: 4 Zeitstunden
Aufgabenstellung
1. Fassen Sie den Brief inhaltlich zusammen.
2. Untersuchen Sie, inwiefern sich die Ideen des Briefes im Drama „Woyzeck“
spiegeln.
3. Ordnen Sie den Text literaturgeschichtlich ein und beurteilen Sie die Aktualität
der Ausführungen.
Aufgabenstellung