Historischer Spaziergang durch Prerow

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Historischer Spaziergang durch Prerow
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Kapitel 3 – Darß
Wandertouren
Extras
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Kutsch- und Kremserfahrten Bergmann, Bogislav-Rosen-Weg 3,
18575 Prerow, Tel. 038233 70277, www.kutschfahrten-bergmann.de
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Kulturkaten Kiek in, Waldstr. 42, 18575 Ostseebad Prerow,
Tel. 038233 6100, www.darss-org.de
Kleinkunst, Konzerte, Kinderprogramm, Malkurse etc. sowie regelmäßige
geführte Wander- und Radtouren
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Ristorante Maria Rosa, Waldstr. 18, 18575 Ostseebad Prerow,
Tel. 038233 70739
Man sollte es nicht glauben, dass man in einem Urlaubsort ein italienisches Restaurant mit überzeugend leckerem Essen findet, aber die hauchdünne Pizza bei Maria Rosa, in dem Haus der ehemaligen Volkshochschule
ansässig, ist wirklich empfehlenswert!
Historischer Spaziergang durch Prerow
 5 km | T 1,5 Std. |  leicht | GPS 06 | Karte Seite 142
In der Saison beleben flanierende Urlauber Prerows Hauptstraße – die
Waldstraße. Autos und Fahrräder teilen sich die Fahrbahn, Menschen
stehen und gehen vor den Läden und Boutiquen auf den Bürgersteigen.
Wer dem Treiben entfliehen will, ist in dem Café Teeschale wahrscheinlich nicht richtig. Wer aber eine Riesenauswahl an Tee, selbstgebackenen
Kuchen und eine gute Atmosphäre sucht, der findet das alles in diesem
äußerst beliebten Café. Es ist im Darßer Bäderstil erbaut und hat eine
gemütliche Veranda und einen kleinen Garten mit Wildblumen. Direkt
dahinter befindet sich das Darß-Museum . Das Haus wurde 1939 als
großzügige Pension mit Saal erbaut und 1980 dann Museum. Empfehlenswert ist ein Besuch der wechselnden Ausstellungen allein schon
wegen der plattdeutschen Ansprache der Mitarbeiter.
Wegbeschreibung (Karte Seite 142): Biegen Sie von der Waldstraße
hinter dem Museum nach rechts ab in den Bernsteinweg – bis zu dem
Hotel Waldschlösschen mit seinem schwarz-weißen Fachwerk, das eher
ins Sauerland zu passen scheint als an die Ostsee. Die Villa wurde 1890
erbaut und war die erste von vieren. Zwei Jahre später kaufte sie der
Berliner Hofschuhmachermeister Breitsprecher als Sommersitz. In der
DDR war hier ein FDGB-Heim untergebracht, heute ist es, mit moder­
nen Elementen wie einem Außenpool versehen, ein Viersternehotel.
Direkt hinter dem Waldschlösschen führt ein unasphaltierter Weg zu
Das Eschenhaus ist eine typische Fischerkate.
den übrigen drei Villen. Die erste der drei, die Villa Holzerland, wurde
1884 erbaut; heute beherbergt sie die älteste familiengeführte Pension
Prerows. Das letzte Haus in der Reihe, fast schon am Prerowstrom, nennt
sich Villa Ruhleben. Vor der Villa steht ein schwarzes, eigenartig überdi­
mensioniertes Blockhaus . Man könnte glauben, es sei von den Alpen
hierher transportiert worden. Und tatsächlich wurde es bewegt, wenn
auch nicht so weit. Ursprünglich hatte sich Prinz Eitel Friedrich, ein
Sohn von Kaiser Wilhelm, die Einsamkeit am Weststrand wohl roman­
tisch vorgestellt, denn 1907 wurde seine Blockhaus-Villa in Esper-Ort
errichtet. Nach seinem Einsatz im Ersten Weltkrieg ließ Eitel Friedrich
das Haus in den 1920-ern nach Prerow umsetzen.
Um sich eine der ältesten Fischerkaten vom Darß anzusehen, müssen
Sie die Waldstraße zurückgehen, rechts in die Bergstraße einbiegen,
dann noch einmal rechts in die Grüne Straße bis zur Nummer 8. Das
Eschenhaus  ist 1779 als eines der ersten Wohnhäuser Prerows erbaut
worden. Von 1921 bis zu seinem Tod 1975 lebte hier der Maler und
Grafiker Theodor Schultze-Jasmer. Im Schaukasten vor dem Haus sind
einige seiner Arbeiten ausgestellt.
Am auffälligsten und in der ganzen Region zu finden sind die
ornamentierten, in Vollfarben bemalten Haustüren, die es in Prerow
in Alt und Neu, in Stilvoll bis Kitschig gibt. Muster und Motive sind
Glückssymbole, die den unterschiedlichen Wünschen der Hausbesitzer
entsprechen: Der Anker soll Halt im Leben geben, die Sonne soll die
heimkehrenden Fischer, aber bestimmt auch andere Gäste willkommen
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Kapitel 3 – Darß
Tischlerei Rohloff
Wandertouren
Haustür in der Langen Straße
heißen und gilt allgemein als Glückssymbol. Tulpenovale oder Blüten­
kelche in einer Vase versprechen Fruchtbarkeit und ein langes Leben.
Ein nach oben weisender Pfeil hält Blitz und Unwetter vom Haus fern.
Diamantförmige Motive wehren böse Geister ab.
Wer macht nur diese wunderschönen ornamentierten Haustüren?
Gerade in der Grünen Straße oder parallel dazu in der Langen Straße
gibt es reichlich historische Darß-Haustüren . Die Antwort findet
man in der Langen Straße 30, wo die Kunsttischlerei Rohloff schnitzt,
fräst und schleift. Was als Zeitvertreib der Fischer in den Wintermona­
ten begonnen hatte, wurde seit ca. 1850 nach und nach zum Marken­
zeichen in Prerow. Eine dieser aufwändig gearbeiteten Haustüren ziert
natürlich auch das Haus des Kunsttischlers selbst und ist vermutlich in
den 1930er-Jahren entstanden.
Ein weiteres originelles Haus, das eher an eine Burg als an eine Som­
merresidenz erinnert, steht im hinteren Teil der Lentzallee. Der Name
des Hauses, Vogels Warte , hat aber nichts mit Piepmätzen zu tun. Das
an eine Burg erinnernde Haus ließ sich 1910 ein Berliner Gerichtsadmi­
nistrator namens Vogel bauen, später fungierte es als Pension. Der Zahn
der Zeit nagt an dem unbewohnten Bau, am Turm sind deutliche Risse
zu erkennen. Zurück in der Langen Straße, steht kurz vor ihrer Mündung
nach Krabbenort auf der linken Seite ein streng wirkender preußischer
Backsteinbau. Die Alte Apotheke  war ursprünglich Bestandteil des
alten Dorfkerns. Eine besondere Bedeutung kam dem hohen, über eine
Treppe zu erreichenden Haus in der Orkannacht 1872 zu, als es bei hohem
Vogels Warte liegt im Dornröschenschlaf.
Wasserstand einer der wenigen Zufluchtsorte für die Prerower wurde.
140 Jahre lang fungierte es als Apotheke, heute beherbergt es Urlaubs­
appartements. Dieser Wandel der Gebäudenutzung ist charakteristisch für
Prerows Geschichte. In den 1870ern begann der Niedergang der Segel­
schifffahrt. Wer mit der neuen technischen Entwicklung hin zu immer
größeren Fangbooten, später auch motorisiert, nicht mithalten konnte,
ging beim Fischen wortwörtlich leer aus. Den Prerowern gelang es nicht,
sich zusammenzuschließen. Erschwerend kam die Novembersturmflut
von 1872 hinzu. Viele Fischer mussten auswandern. Beinahe gleichzei­
tig entwickelte sich das Bäderwesen entlang der Ostseeküste. In Prerow
bewahrte es viele, vor allem die jungen Mitglieder der Fischerfamilien,
vor der Abwanderung. 1881 zählte man bereits 231 Badegäste aus Berlin,
Hamburg, dem Ruhrgebiet und anderen großen Städten. Neun Sommer
danach, 1890, waren es schon 1000 Badegäste, 1910 waren es 3630.
Der Ortskern verlagerte sich aufgrund der neuen Bedürfnisse. Strand­
nah wollten die Urlauber wohnen, während das alte Dorf um den Hafen
am Prerowstrom  nach und nach an Bedeutung verlor. Allemal einen
Besuch wert ist die Seemannskirche  und der sie umgebende Friedhof
in dem Ortsteil Kirchenort, der früher verwirrenderweise zu Zingst ge­
hörte. Zwischen 1726 und 1728 wurde das Gotteshaus aus Backstein mit
dem hölzernen Glockenturm gebaut. Die einzige, während der Schwe­
denzeit (1648 – 1815) auf Fischland-Darß errichtete Kirche fungierte als
Seezeichen, das den Schiffen den Weg in den Prerowstrom wies. Gemäß
einer Tradition wurden die zahlreichen Votivschiffe im Kircheninneren
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Kapitel 3 – Darß
Wandertouren
Die Darßer Kogge
1335 versank eine Kogge mitsamt ihrer Fracht sechs Meter tief in der
Ostsee vor Prerow. Das ist erst mal nichts Besonderes. Entlang der
Handelsroute vor der Küste Mecklenburg-Vorpommerns liegen 700
Wracks, von Koggen über Kutter und Kanonenboote bis hin zu Seglern.
Für Meeresarchäologen gibt es auf diesem Schiffsfriedhof eigentlich keine
große Überraschung mehr. Ausgerechnet Rettungsschwimmer identifizierten 1977 ein bisher unbekanntes Schiffswrack auf dem Meeresgrund.
Doch an Bergungsarbeiten auf dem offenen Meer war zu DDR-Zeiten
nicht zu denken. In den 1990er Jahren gab es dann die Idee, die Kogge
unter Wasser zu lassen und sie für Hobbytaucher zugänglich zu machen.
Doch im Jahr 2000 arbeiteten Meeresarchäologen vor der Prerower Küste
behutsam den Fund heraus: Eine gut erhaltene Hansekogge aus dem
14. Jahrhundert kam zutage, 16 Meter lang und aus Eichenstämmen
von der Weichsel gefertigt. Die eigentliche Sensation verbarg sich aber
im Schiffskörper: Erhalten waren Tausende von Fischgräten ohne Köpfe.
Offenbar hatte die Kogge getrockneten Klippfisch aus Nordwegen oder –
so vermuten einige – von den Shetlandinseln transportiert, bevor sie sank.
Gefunden wurden außerdem Dachziegel, Wetzsteine und Rentiergeweihe.
Die Kogge hatte wahrscheinlich die weite Reise von Norwegen oder den
Shetlandinseln durch die wilde Nordsee und durch das gefürchtete Skagerrak geschafft und war vor der Halbinsel Darß auf Grund gelaufen und
nicht wieder losgekommen. Das Salzwasser hatte die Ladung über fast
sieben Jahrhunderte perfekt erhalten. Nur den Fisch hatte die »Wasserkonservierung« nicht retten können. Die Funde aus der Kogge sind teilweise
im Stader Museum ausgestellt.
Die Seemannskirche von Prerow
von Seefahrern gestiftet, die – mit Hilfe oder ohne – der Seenot ent­
kommen konnten. Der Friedhof um die Seemannskirche herum ist seit
1690 zur letzten Ruhestätte für viele Prerower geworden. In der Nähe
der Eingangspforte befindet sich das Grab des Seefahrers und Schrift­
stellers Johann Segebarth (1833 – 1919). 25 Jahre lang fuhr er zur See,
1870 geriet er in Konstantinopel ins Gefängnis. Diese Erfahrung läuterte
ihn, und zurück im Heimathafen begann er zu schreiben. Die Bücher
Fritz Reuters regten ihn an, selbst Bücher in plattdeutscher Sprache zu
verfassen. Mit seinem ersten Werk »De Darßer Smuggler« wurde er über
Nacht berühmt.
Extras
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Nettes Café mit selbst gebackenem Kuchen, Laden mit 130 Teesorten in
rohrgedecktem Haus von 1850, das lange als Kolonialwarenladen diente
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Das Café Teeschale ist beliebt.
Teeschale, Waldstr. 50, 18375 Ostseebad Prerow,
Tel. 038233 60845, www.teeschale.de, info@teeschale.de,
Öffnungszeiten: Café Di–So ­12–19 Uhr, Laden Di–Sa 10–18 Uhr,
­Betriebsferien drei Wochen im Nov./Dez.
Im Hafen und links und rechts der Waldstraße gibt es in der Saison Fischbrötchenstände, wo Fisch in einem Räucherofen vor Ort geräuchert wird.
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