Der Horizont ist die Grenze – Impressionen aus Manitoba

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Der Horizont ist die Grenze – Impressionen aus Manitoba
20.04.11 08:34:19
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REISE
AM SONNTAG
17. APRIL 2011
12
Der Horizont ist die Grenze – Impressionen aus Manitoba
Im Süden der kanadischen Prärie-Provinz gibt es viel zu entdecken – Vor allem Naturliebhaber kommen auf ihre Kosten
Von Monika Hamberger
In Dauphin geht es richtig zur
Sache. Den beiden Männern
in ihren Holzfällerhemden
läuft der Schweiß von der
Stirn, während sie im gleichen
Rhythmus und auf Zeit den
Baumstamm durchsägen.
Beim Trapper Festival im
Fort Dauphin in der gleichnamigen Stadt ist dies nur ein
spielerischer Wettkampf. Als
die ersten Ukrainer nach Dauphin kamen, war tägliche
Schwerstarbeit fürs Überleben
notwendig. Ähnliche klimatische Bedingungen und der
gleiche schwarze, fruchtbare
Boden wie daheim in Russland
erwarteten die Neuankömmlinge. Mit dem Unterschied:
Hier konnten sie freie Entscheidungen treffen und eine eigene
Existenz aufbauen. Wie tief
verwurzelt sie trotz allem noch
mit der alten Heimat sind zeigt
sich beim alljährlich im August
stattfindenden Ukrainian Festival. Aus der provisorischen Küche duftet es verlockend. In
Riesentöpfen brodelt der beliebte Borscht. Kräftig gewürzte Bratwürste garen auf dem
Grill, und natürlich fehlen
auch nicht Perogies, die es in
allerlei Variationen gibt. Musik
ertönt. Für einen Außenstehenden hört sie sich wie irische
Fiddlerweisen an. Es wird geklatscht, gestampft und man
dreht sich in phantasievollen
Tanzfiguren. Damen tragen
stolz ihre prachtvoll bestickten
Trachten zur Schau. Es ist ein
Fest voll guter Laune, zu dem
jeder eingeladen ist. Abends
spiegelt sich die Sonne in den
Wie vor Jahrhunderten grasen Bisons und ziehen ihre Jugen groß.
zielsicher nach dem etwas abseits gelegenen Ort Narcisse.
Dort erwartet den Besucher ein
unglaubliches
Naturschauspiel; nicht geeignet für Menschen mit schwachen Nerven
und einer Abneigung gegen
Schlangen. Und doch trifft
man hier alljährlich Schlangenliebhaber aus aller Welt,
die Tausende der harmlosen
Strumpfbandnattern beobachten, unterwegs im Herbst auf
dem Weg zu ihrem Winterquartier. Die in dieser Gegend
vorhandenen Kalksteinformationen mit Rissen und Spalten
sind ideale Überwinterungsplätze für die Reptilien. Überall wimmelt es von Schlangen,
manche sind länger als einen
Meter, die nur ein Ziel haben:
In der ursprünglichen Natur siedeln fast überall Biber.
sicher nur goldfarben gestrichenen Kuppeldächern der orthodoxen Kirchen.
Manitoba liegt quasi in der
Mitte des riesigen Staates Kanada und wird zu den Prärieprovinzen gezählt. Das Klima
ist entsprechend kontinental
mit heißen Sommern und sehr
kalten Wintern. Auf einer etwas größeren Fläche wie
Deutschland leben hier nur
knapp über eine Million Menschen. Dafür hat die Natur umso mehr Attraktionen parat: Für
einen Herbsttag ist es noch
sehr heiß. Das Navi führt uns
die Snake Pits. Von einer Beobachtungsplattform hat man einen guten Blick in die von
Sträuchern überwucherte Senke. Noch imposanter ist das
Schauspiel im Mai, wenn das
längere und stärkere Weibchen sich mit dem schmächtigeren Männchen paart. Anschließend wandern sie bis zu
teilweise 20 Kilometer entfernten Nahrungsplätzen, wo die
weiblichen Tiere mehrere Lebendjunge gebären. Die kleinen Schlangen sind vom ersten
Augenblick an auf sich selbst
angewiesen. Mutterliebe gibt
es bei dieser Tierart nicht.
Auf der weiten Ebene beim
Lake Audy grasen Bisons wie
vor hundert vielleicht wie vor
tausend Jahren. Unterwegs mit
Celes Davar durchstreifen wir
das hohe Gras und finden einige Plätze auf dem sich Hirsche
in ihrem Urin wälzten, um attraktiv zu riechen. Celes ist
spezialisiert auf Exkursionen in
diese Wildnis. Auch der verschwiegene kleine See liegt
abseits der üblichen Pfade.
Unsere Ankunft stört die Biber.
Lautstark schlägt der breite
Schwanz aufs Wasser. Mit eleganten Bewegungen taucht
das Tier ab, hinunter zum Eingang seiner Biberburg, der sich
gut getarnt Unterwasser befindet.
Rainer-Hamberger-Fotos Der Lake Audi im Riding Mountain National Parc ist nur einer von unzähligen Seen Manitobas.
Waldgebieten und zahllosen
Seen unterscheidet sich deutlich von der Prärielandschaft
Manitobas, da er sich als Mittelgebirge wie eine Insel etwa
400 Meter über das Umland
erhebt. Er liegt
ca. 30 Kilometer südlich der
Stadt Dauphin und etwa 80 Kilometer nördlich von Brandon
und ist über den KanadaHighway Nr. 10 erreichbar.
Der beinahe 3000 Quadratkilometer große Park lässt sich
auf gut gekennzeichneten
Wanderwegen erkunden oder
man ist mit dem Kanu auf einem der vielen Flüsschen unterwegs, die sich durch wilde
Landschaft und einsame Seen
schlängeln.
Das Feuer lodert im offenen
Strumpfbandnattern versammeln sich vor dem Winter.
Guturales Röhren ist aus
dem nahe gelegenen Wald zu
hören. Die Herausforderung
wurde angenommen. Aus einer völlig anderen Richtung
kommt die ähnlich lautende
Antwort. Im Herbst buhlen
Wapitihirsche um die Gunst
ihrer weiblichen Artgenossen.
Dabei herrscht bei dieser Tiergattung Damenwahl. Nur wer
ein imposantes Geweih und einen intensiven Geruch vorweisen kann findet Gnade bei den
paarungswilligen Weibchen.
Der Riding Mountain National
Park mit seinen wildreichen
Kamin. Gegen Abend ist man
auch an diesem späten Sommertag froh um die Wärme, die
sich im Museum ausbreitet.
Das robuste Steingebäude
birgt nicht nur eine interessante Ausstellung der im Park lebenden Tiere und Pflanzen
sondern zeigt auch in seinem
Theater aktuelle Filme von
Tierforschern. Wasagaming ist
der Versorgungspunkt im Park.
Hier deckt man sich mit Proviant oder der notwendigen Ausrüstung für Touren ein. Motorboote sind nur auf dem angrenzenden Clear Lake erlaubt.
Die Getreideernte in der Prairie ist ein großes Schauspiel.
Winnipeg mit dem Assiniboine River.
Das Trapper Festival im Fort Dauphin findet im August statt.
Lebendige Geschichte – Ukrainische Kirche in Dauphin.
Oberstes Ziel des Nationalparks ist es die lauten und übel
riechenden Zweitakter auszumustern und nur noch Boote
mit Viertaktmotoren zuzulassen. Geschäftiges Treiben
herrscht in den kleinen individuellen Läden. Doch nur wenige Kilometer weiter findet
sich ein Picknickplatz oder eine Stelle zum Baden, wo man
wieder ganz alleine ist.
Noch genießt jeder die langen warmen Sommerabende.
Auf den Feuerstellen, die es auf
allen Rastplätzen gibt, wird gegrillt. Plötzlich ein Knacken im
Gebüsch. Sofort ist man alarmiert. Schließlich sind hier
überall Bären unterwegs.
Doch dann zeigt sich nur eine
Weißwedelhirschkuh mit ihrem Jungen. Vorsichtig witternd erkundet sie die Lage.
Dann tritt sie wieder mit ihrem
Kitz den Rückzug in das dichte
Gebüsch an.
Es ist ein wunderbarer
Abend. Eigentlich möchte
man hier sein Zelt aufstellen,
den Sternenhimmel über sich
und bis zum Einschlafen den
Geräuschen der Nacht lauschen. Vielleicht das nächste
Mal.
Die zweitgrößte Stadt Manitobas mit mehr als 50.000
Einwohnern verdankt ihren
Ursprung auch der Eisenbahn.
General Thomas Rosser sah
sie 1881 als Knotenpunkt der
Canadian Pacific Railway.
Verglichen mit alten Fotos aus
den Gründungsjahren ist es
erstaunlich, was sich in den
gut 150 Jahren alles getan hat.
Von einer Haltestation für Züge hat Brandon sich zu einer
modernen Stadt entwickelt.
Der Besucher bummelt in Einkaufszentren, wo er die letzten
modischen Neuerscheinungen findet, aber auch Lebensmittelgeschäfte mit meterlangen Theken voll frischer Gartenprodukte. Das Hauptinteresse gilt jedoch der Landwirtschaft. Mähdrescher und
Monster-Traktoren sieht man
hier häufiger als Cabriolets.
Nicht umsonst wird Brandon
Wheat City genannt. Der
fruchtbare Boden des Umlandes eignet sich hervorragend
für den Getreideanbau. Sehr
sehenswerte alte, manche im
viktorianischen Stil gebaute
Villen aus Holz oder Klinker
und viele Bäume prägen das
Stadtbild. Außerdem fließt der
Assiniboine River in vielen
Windungen um die Stadt herum und trägt mit seinen
Grünzonen zu dem angenehmen Stadtbild bei.
An einer dieser Schlaufen
findet man im Riverbank Discovery Center Information
über Tiere und Pflanzen, die in
dieser Flusslandschaft heimisch sind. War doch der
Fluss einst Lebensader für die
First Nations. So ist das Museum am Assiniboine heute
ein beliebtes Ausflugsziel und
Treffpunkt für Gruppen, Betriebsausflüge und Schulklassen zur Weiterbildung. Von
hier aus kann man wandern
und Rad fahren mitten in der
Natur, und das nur wenige Minuten von der Stadt entfernt.
Zurück nach Winnipeg, wo
sich der Kreis der Rundreise
schließt, sollte man noch etwas Zeit einplanen. Zwar geht
es auf dem Highway 1 zügig
voran, doch wesentlich interessanter sind Nebenstraßen.
Die Prärieebene verliert sich
langsam in einer hügeligen
Landschaft. Verkrüppelte Eichen und andere Laubbäume
ergeben eine bunte Mischung
im Spruce Woods Provincial
Park bei Carberry. Dazwischen Farmen mit riesigen Feldern. Welch wunderbares
Bild, wenn der Wind durch
die blauen Blüten des Flachses
streicht, gleich Wellen auf einem See. Von der Romantik
bleibt im Alltag nicht viel übrig. Abhängig von extremen
Temperaturschwankungen
braucht es viel Glück, seine
Ernte zur rechten Zeit vollausgereift einzubringen. Oft be-
drohen Dürre oder zu viel Regen das Erntegut. Nur mit riesigen Maschinen, die mehrere
Vorgänge gleichzeitig ausführen, lassen sich die Felder bewirtschaften.
Aus dem Flugzeug noch ein
letzter Blick auf die bunten
Quadrate, die sich nahtlos aneinander reihen; die roten Dächer der Farmhäuser, wohl beschützt von Büschen gegen
den endlosen Wind; die Flussbänder, schwarz glänzend
bahnen sie sich ihren Weg
durch die Ebene; Abschied
von einer Landschaft wo man
sich schmunzelnd erzählt:
Läuft dir Morgens der Hund
davon, siehst du noch am
Nachmittag, wenn er mit dem
Schwanz wedelt.
Elche haben auf den Straßen Manitobas immer Vorfahrt.
Reiseinfos Manitoba
Die Deutsche Lufthansa fliegt täglich nach Toronto, von dort
Weiterflug nach Winnipeg mit dem Codeshare Partner Air
Canada; www.lufthansa.de . Beste Reisezeit sind die Monate
von Juni bis einschließlich September. Für eine Rundreise ab
bis Winnipeg sind etwa zehn Tage anzusetzen. Interessant ist
auch die Rückfahrt von Winnipeg nach Toronto in der VIA
Rail mit Schlafabteilen und Aussichtswagen, Reisebausteine
wie Flüge, Eisenbahntickets und Mietwagen buchbar z. b. bei
CRD International: www.crd.de; allgemeine Auskünfte über
die Provinz Manitoba in Deutschland unter maria@msi-germany.de bzw. www.travelmanitoba.com. Riverbanks Discovery Center in Brandon www.riverbank.mb.ca; maßgeschneiderte Exkursionen im Riding Mountain Nationalpark:www.earthrhythms.ca
In Downtown Winnipeg ist immer etwas los.